1904 / 283 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 01 Dec 1904 18:00:01 GMT) scan diff

Nachdem der Hauptanstifter zum Aufstand, der Häuptling von ĩ und infolgedessen der llischen Stämme sich unter⸗ worfen hat, ist der Aufftand als niedergeschlagen zu betrachten. Bis zur endgültigen Beruhigung des Gebiets und jzur Beitreibung der zu zahlenden Unterwerfungsbedingungen wird allerdings noch einige Zeit vergehen, zu diesem Zwecke müssen vorläufig noch zwei Kompagnien im Aufstandsgebiet bleiben, von denen später eine zurückgejogen werden ufgabe, die die Truppe bei dieser Unternehmung zu lösen

bakum, eingefangen und aufs ehangt ist,

größte Teil der Häuptlinge der re

kann. Die hatte, war eine außerordentlich schwierige. Ein ungeheures von dichtem Urwald bestandenes, von zahlreichen tiefen und breiten glssen durchflossenes Gebiet mit einer starken, zahlreichen, intelligenten, gut bewaffneten Bevölkerung war zu unterwerfen. Dazu kamen noch die enormen Verpflegungsschwierigkeiten. Bei der großen Menschenmenge, etwa 1000 H. die in Bewegung gesetzt werden mußte, konnte dies nur dadurch geschehen, daß die Truppe in Landes⸗ teile marschierte, wo Verpflegung zu finden war, und auf einen großen Raum verteilt wurde, was wieder die Verbindung erschwerte. Die Eingeborenen hatten gelernt, wie sie sich den von Europäern ge⸗ führten Truppen gegenüber am besten zu verhalten und zu ver⸗ teidigen hatten. Der alte Erfahrungsgrundsatz, daß nämlich die Eingeborenenaufstände an Widerstandskraft zunehmen, hat sich auch hier gejeigt. Daß die Truppe trotz dieser enormen Schwierig⸗ keiten und ihrer verhältnismäßig geringen Stärke ihrer Aufgabe ge—⸗ recht werden konnte, ist nur der vorzuͤglichen Haltung der Sffiziere, Unteroffiziere und farbigen Soldaten zujuschreiben. Allerdings haben diese Kämpfe schwere Verluste gefordert. Außer den Verlusten bei der Ermordung des Grafen Pückler sind folgende Verluste zu verzeichnen: Europäer: I) den Anstrengungen der Expe—⸗ dition erlegen: Sanitätssergeant Haase (26. Jull an Schwarz wasserfieber) 2) schwer verwundet: Unteroffizier Mellenthin; 3) leicht verwundet: Oberleutnant Schlosser und Sanitätsunteroffizier Hansen; Farbige: 1) tot: 42 Soldaten, 17 Träger usw.; 2) verwundet: 6 Soldaten, 64 Träger usw. Von den Verlusten auf feindlicher Seite konnten konstatiert werden: 208 Tote (gezählt) und etwa 200 Gefangene. Da der Gegner erfahrung? gemäß Tote und Ver⸗ wundete möglichst mitnimmt, dürfte der wahre Verlust des Gegners ein bedeutend höherer sein.

Der über den Verwaltungsbezirk Ossidinge verhängte Kriegszustand ist für diejenigen Teile des Bezirks auf—⸗

,, welche auf dem linken Ufer des Croßflusses liegen. ufrecht erhalten bleibt in diesen Teilen des Bezirks noch das Verbot des Handels mit Waffen, Pulver und Munition sowie der Abgabe und des Vertriebs dieser Gegenstände an

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ach Niederwerfung des Aufstandes im Croßbezirk wird nunmehr mit dem Wiederaufbau der bei den Unruhen zer— störten Station Ossidinge begonnen. Die Zollstation in Nssana— kang wird nach Fertigstellung der nötigsten Arbeiten in Ossi— dinge eingerichtet werben.

Deutscher Reichstag. 102. Sitzung vom 30. November 1904, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung stehen die zum Reichshaushalts— etat für 1904 (zum Etat des Reichs amts des Innern) gestellten Re solutionen, und zwar zunächst die Resolutionen, betreffend den unlauteren Wettbewerb (Ausverkaufswesen, Ab⸗ zahlungsgeschäfte, Beamtenwarenhäuser, Versteigerungen).

Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.

Abg. Patzig (ul.): Die Wirkungen des Gesetzes von 1896 sind nicht in dem erhofften Maß und Umfang eingetreten. Nach den ge= machten Erfahrungen scheint man in der Bekämpfung der Schwindel⸗ aus verkäuse und Schwindelauktionen mit dem 3 nicht vorwärts, sondern zurückgekommen zu sein, und die Berlegen⸗ heit um ein wirksames Kampfmittel dünkt vielen größer als je. Nachdem wir einmal das kasuistische System gewählt haben und der Widerstand der Juristen dagegen erfreulicherweise im Schwinden begriffen ist, bleibt nichts übrig, als es auszubauen und speziell das Ausverkauft und Auktionsunwesen aufs Korn zu nehmen. Das Reichsgericht hat seinen Standpunkt von 1897 in einem neuerlichen Urteil von 1992 festgebalten und bestätigt; unsere Legitimation, die Klinke der Gesetzgebung in die Hand zu nehmen, ist also zweifellos. Ich beantrage für meinen Antrag und die anderen beiden Resolutionen Kom missionsberatung. Wir wollen das Reichsgerichtserkenntnis korrigieren. Herr Roeren glaubt mit einer Korrektur des 51 des Gesetzes, mit dem Verbot, auskommen zu können; aber dann würde es an jeder Kontrolle fehlen. Wir kommen ohne die Anzeigepflicht und die Ueberwachung nicht aus. Daß unsere einfachen Vorschläge eine schwere polizeiliche Be⸗ lästigung für den soliden Geschäftsmann sein sollen, befremdet mich. Wenn man das Ausverkaufswesen beaufsichtigen, wenn man das Publikum vor Täuschungen bewahren will, muß sich auch der solide Kaufmann zur Anzeige und zur Einreichung des Warenverzeichnisses verstehen. Die Prüfung desselben soll durch einen Beamten, natürlich nicht durch einen Schutzmann mit der Pickelhaube, sondern etwa durch einen Beamten der Handels⸗ oder Handwerkskammern, erfolgen. Diese Verzeichnisse werden mit der Zeit sehr interessante Rückblicke und Material dafür liefern, ob später ein Schritt weiter gemacht werden kann. Der Erlaß des preußischen Handelsministers von 1502 über die Befugnisse der Versteigerer hat in Preußen für das Auktionewesen einen sehr guten Anfang mit der Reform gemacht, die hinsichtlich der Bekämpfung der Schwindelauktionen nicht dringend genug zur Nach— ahmung empfoblen werden kann. Unser z 4b stellt sich daneben in seinen Anforderungen als sehr bescheiden dar. Der gesunde Geist der Mittelstandspolitik in dieser Verordnung steht in scharfem Gegensatz zu dem Reichsgerichtsurteil betreffs der Ausverkäufe; aber die Verord— nung steht bisher nur auf dem Papier und hat in den anderen Bundes staaten noch keine Nachahmung gefunden; einige sind ihr geneigt, andere nicht. Auch dies sind Gründe, die für eine Kommissions— beratung sprechen; da sollte man versuchen, einen formulierten Gesetz⸗ entwurf zustande zu bringen, um die beabsichtigte Reform zu Gunsten des Mittelstandes in Stadt und Land zu fördern. Eine Verschleppung der Angelegenbeit wird dadurch nicht bewirkt, davon werden die inter essierten Mittelstandskreise draußen überzeugt sein.

Abg Peus (Soz.): Es handelt sich bei diesen Anträgen in Wirklichkeit um den unlauteren Wettbewerb um die Gunst des Mittel standes. Der gewerbliche Mittelstand wird von dem Kapitalismus, wie er in den Großunternehmungen in den Waren— häusern sich manifestiert, zerrieben, dagegen gibt es kein Mittel. Daß das Reichsgerichtsurteil die Sache erst verschlimmert habe, ist ein großer ITVrtum. Nicht die großen, sondern gerade die mittleren und kleinen Geschäfteleute nehmen zu solchen Ausverkäufen ihre Zu— flucht, um sich noch eine Weile über Wasser zu halten. Macht man

heilsam wirken könnte, nämlich die Presse, wenn sie nicht eben die Inseratenpresse wäre. Die Abzahlungsgeschäfte sind verwerflich, aber die Arbeiterschaft glaubt, ohne sie nicht auskommen zu können. Uebrigens beginnen die Arbeiterkonsumbereine bereits ihrerseits Kleider, Stiefel u. dgl. ö. Abzahlung zu liefern. Was die Beamten warenhäuser betrifft, so ist das Zentrum also noch nicht dahin ge— kommen, diese einfach zu verbieten. Anderswo ist man ja schon soweit, ich verweise nur auf Dresden und seinen Magistrat. Wie man mit einem solchen Verbot durchkommen will, ist mir ein Rätsel. Von einer Seite möchte man die Beamten und Offiziervereine beseitigen, um desto gründlicher mit den Arbeiterkonsumvereinen aufräumen zu können. Auch ö. ein Verbot der Beamten. und Offizierkonsum⸗ vereine wird dem Mittelstand nicht geholfen, der durch die großen Warenhäuser doch immer mehr zerrieben wird. Keine gesetzgeberische Maßregel wird die wilde Konkurrenz, den Kampf aller gegen alle, beseitigen können, am wenigsten werden es Gesetzchen der vorgeschlagenen Art vermögen.

Inzwischen ist ein Antrag des Abg. Gröber (Zentr.) eingegangen, die in der Resolution Patzig und Genossen dar⸗ gelegten Grundzüge zur Regelung des Ausverkaufswesens dem Reichskanzler als Material zu überweisen.

Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fr. ö. Meine Partei hat 1896 für das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestimmt und ist auch bereit, das Gesetz weiter auszubauen, wenn die Notwendigkeit dazu nachgewiesen wird. Wir dürfen aber nicht ein Flickwerk schaffen, sondern müssen zu einer genauen Begriffsdefinition des unlauteren Wettbewerbes kommen. er Reichstag kann sich dem nicht länger entziehen. Dabei wird man sich aber hüten müssen, zu detaillierte Bestimmungen in das Gesetz hineinzuschreiben. Die heutige Gesetz⸗ gebung ist überhaupt zu unübersichtlich geworden; in der Gewerbe— ordnung z. B. kennt sich kaum jemand aus. Es war deplaciert, daß der Abg. Patzig den Erlaß des preußischen Handelsministers über das Versteigerungswesen so sehr lobte. Will man dem Reichskanzler die lex Patzig als Material überweisen, so mutet man damit dem Kanzler zu viel zu, denn dieser hat mit der authentischen Inter— pretation von Telegrammen ohnehin genug zu tun. Für die Ziffern 3 und 4 seines Antrags hat Herr Roeren zu wenig Material egeben; er hat ausführlich nur über das Ausverkaufswesen ge— e, . und da kann ich seine Ausführungen durchweg unter⸗ schreiben. Wir müssen versuchen, zu einer authentischen Deklaration der S§5 1 und 4 des Gesetzes bon 1896 zu kommen. So im Sturm— schritt aber, wie Herr Patzig es sich denkt, können wir nicht vorgehen. Es geht hier nicht an zu meinen: wir setzen eine Kommission ein, und der Mittelstand ist wieder einmal gerettet. Eine der schlimmsten ormen des unlauteren Wettbewerbs ist der Ausstellungsschwindel, der sich zu einem wahren Skandal ausgewachsen hat; nicht weniger böse ist der Schmiergelderschwindel, die Bestechung von Angestellten durch Lieferanten, die in manchen Branchen, z. B. in der Papierindust eie, eben⸗ falls wie ein Krebsschaden weiterfrißt. Es muß geradezu von einer Schamlosigkeit der Lieferanten auf diesem Gebiete gesprochen werden; man muß vorsorgen, daß die Angestellten geradezu auf solche Bestechungsgelder angewiesen sind. In einigen Staaten rüstet man sich zur Abwehr, indem man Strafbestimmungen gegen die Bestecher zu erlassen vorbereitet; das muß auch bei uns in die Wege geleitet werden. Vorher aber bedarf es in allen diesen Richtungen einer Enguete. Wir nehmen also den Antrag Gröber an, lehnen aber den jetzt überflüssigen Antrag Rettich ab. Von Kommissionsberatung des Antrags Patzig können wir uns nichts versprechen. Ab irato, wie Herr Rettich und Herr Patzig, können wir nicht vorgehen, sonst würden wir uns selbst auf dem Gebiete der Gesetzgebung des unlauteren Wett— bewerbes schuldig machen. .

Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg): Trotz der höhnischen Be— merkungen des sozialdemokratischen . freuen wir uns der all⸗ seitigen Bemühungen, dem Mittel stande wirksam zu Hilfe zu kommen. Wir stimmen allen Bestrebungen zu, die darauf abzielen, Treu und Glauben im Handelsstande zu stärken. Darum stimmen wir auch für den Antrag des Zentrums. Mit Recht hat der Oberlandesgerichts⸗ rat und Reichstagsabgeordnete Roeren gesagt, daß bezüglich des Ge⸗ setzes über den unlauteren Wettbewerb Urteile gefällt werden, über die der Jurist und auch der Laie den Kopf schütteln müssen. Am besten wäre es vielleicht, wenn man sich bei einer Revision dieses Gesetzes einem Generalisierungsprinzip des französischen Gesetzes anschlösse. Ebenso sind wir auch für eine Regelung des Ausvperkaufswesens, für eine Beseitigung der Härten des Gesetzes über die Abjahlungsgeschäfte und für die Unkersagung der Gründung usw. von Warenhäusern durch Beamte, natürlich unter voller Wahrung der Rechte der Reichs« beamten und Offiziere (3wischenrufe), auch der Arbelter. Eine Er⸗ gänzung des Antrags würde es sein, wenn die Gründe beseitigt würden, welche die Beamten und Offiziere veranlassen, sich an der Gründung der Warenhäuser und dergleichen zu beteiligen.

Abg. Dove: (fr. Vgg.): Auch meine Partei hat sich seinerzeit an dem Gesetze über den unlauteren Weitbewerb beteiligt. Unser Vertreter Alexander Meyer warnte damals vor übertriebenen Hoff⸗ nungen, die sich an dies Gesetz knüpfen könnten. Der Antrag des Zentrums erscheint uns zu unbestimmt. Was heißt entsprechende“ Grweiterung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb? Was heißt. Besestigung der Härten des Gesetzes über die Abzablungs⸗ i m e. Bie Härten aller Gesetze müßten beseitigt werden. uf dem Gebiete des Ausverkaufswesens sind gewiß Auswüchse vorhanden, aber man darf hierbei nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Das solide Geschäft müßte mindestens vom unsoliden unterschieden werden. Der Antrag Patzig atmet einen Bevormundungs« und Polijeigeist; den wir aufs enischiedenste bekämpfen müssen. Die Abzahlungétzeschäfte haben den guten Kern, daß der Kredit auf die nicht vermögenden Klassen ausgedehnt wird. Wenn auch Auswüchse vorhanden sind, so ist doch die Geschäftsform an sich unentbehrlich. Gegen eine Revision des Gesetzes haben wir nichts. Die Beteiligung von Beamten und Offizieren an Geschäfts. betrieben ist uns zuwider, wenn wir ihnen auch nicht die Beteiligung an Konsumvereinen verwehren wollen. Gerade bei den landwirtschaft⸗ lichen Genossenschaften ist es häufig vorgekommen, daß sich Beamte und Offiziere an deren Leitung usw. beteiligen, und das hat zu großen Uebelständen geführt. Gegen den Antrag Gröber, den die Resolution Patzig dem Reichskanzler als Material überweisen will, haben wir natürlich nichts einzuwenden. Abg. Gröber: Der Abg. Peus hat mit einer Deutlichkeit wie

Reihe anderer Punkte, gegen die sich Bedenken erheben lassen, und darum haben wir beantragt, den Antrag Patzig dem Reichskanzler als Material zu überweisen. Die Frage der Ausvberkäufe ware besser in einem Spezialgesetze zu regeln als im Rahmen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb.

Abg. Henning (dkons.): Ueber das Unwesen von Ausverkäufen habe ich aus meinem Wahlkreise lebhafte Klagen gehört. Winter überzieher von 9 6 usw. werden angeboten, hochelegante Jacketts von 3,50 S an, Kinderanzüge von 1,25 6 usw. Das sind Schleuder preise, welche die Leichtgläubigen anziehen sollen. Die Leute fallen natürlich herein, und nach drel Tagen geht der Ausverkäufer mit 15 bis 1590 4 Umsatz ab, die Leute haben das Nachsehen, und der reelle Geschäftsmann hat den Schaden davon. Solche unlauteren Geschäftspraktiken kann man alle Jahre beobachten. Möge die heutige Verhandlung den Erfolg haben, daß allen diesen Mißständen ein Ende gemacht und das reelle Geschäft vor unlauterem Wettbewerb gesch werde. .

bg. Brejski (Pole) wendet sich gegen die Bestimmung im Antrag Rettich, die jeden Nachschub von Ware zu einem Ausverkauf unter Strafe stellen will. Wenn hier von unlauterem Wettbewerb gesprochen worden sei, müsse darauf hingewiesen werden, daß in den polnischen Landegteilen diejenigen Kaufleute bevorzugt werden, die ihre Sprache und politische Gesinnung preisgeben, während den Beamten verboten werde, bei solchen Kaufleuten zu kaufen, die der Regierung mißfallen. Die Beamten seien also gezwungen, durch den Fern—⸗ sprecher Waren zu bestellen, weil sie sich scheuten, offen zu solchen Kaufleuten zu gehen. Diese Handlungsweise sei ein unlauterer Wettbewerb, wie er schlimmer nicht gedacht werden könne. Die Polizei übe in diesen Dingen ein verwerfliches Spionagesystem. In Westfalen hätten die Polizeibehörden verfügt, daß ein Wirt, der den Polen seinen Saal zu Versammlungen hergebe, die Konzession zwei Stunden vor und zwei Stunden nach der Versammlung nicht ausüben dürfe. Die Warenhäuser seien schaͤdlich für die Kaufleute und für die Handwerker, das sei unbestreitbar; erwünscht sei also, daß die Regierung sie nicht zu sehr begünstige. Tatsächlich aber treibe die Polizei die Leute in die Warenhäuser, wenigstens die polnischen Konsumenten; denn sie kontrolliere die polnischen Arbeiter, die in Konsumvereinen kaufen, in den polnischen Landes teilen wie in Westfalen, und es seien sogar Leute eingesperrt worden, die in Konsumvereinen gekauft hätten, sodaß einige dieser Vereine hätten eingehen müssen. Am schlimmsten gehe es im Osten zu, wo die Ansiedelungskommission Konsumgenossenschaften und andere Kauf⸗ bäuser gründe oder unterstütze, die nicht nur den polnischen, sondern auch den unabhängigen deutschen Kaufmann ruinieren. Dieses alles dürfte nicht geduldet, sondern müßte unter das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestellt werden. Durch die Vorspiegelung der falschen Tatsache, daß die Polen im Osten die Deutschen be⸗ drängen und verdrängen, würde es den Polen unmöglich gemacht, Land zu erwerben, auch dies müßte unter das Gesetz des unlauteren Wettbewerbs fallen. (Der Praͤsident Graf von Balle strem ruft den Redner wegen dieser Aeußerung zur Ordnung.) Ich füge mich, fährt der Redner fort, dem Ordnungsruf, aber ich weiß nicht, in welcher anderen Form ich den Wänschen meiner Lands—Q leute gerecht werden soll, daß die preußische Politik durch das hier besprochene Gesetz gäändert werde. Redner setzt die Erörterung der Grund und Bodenfrage in den polnischen Landesteilen fort und wird vom Präsidenten ersucht, zur Sache zu sprechen, nämlich von Warenhäusern und Abzahlungs—⸗ geschäften. Als er fortfahrend bemerkt, die Erwerbung von Grund und Boden würde den Polen dadurch unmöglich gemacht, daß sie belogen und betrogen werden, wird er vom Präsident en zum ersten Male zur Sache gerufen. Er erklärt darauf, wenn er auch seinen Gedanken nicht weiter Ausdruck geben dürfe, so habe man deren Sinn boffentlich doch verstanden. Der unlautere Wettbewerb in den polnischen Landesteilen werde durch gewisse Telegramme aus Berlin angeregt und ermuntert; durch diese Telegramme werde das monarchische Gefühl des polnischen Volkes.. . (Präsident Graf von Balle st rem unterbricht den Redner durch das Glockenzeichen und ruft ihn unter Hinweis auf die geschäftsordnungsmäßigen Folgen zum zweiten Male zur Sache.) Der Redner schließt darauf mit dem Satze: Ich wollte nur sagen, daß, wenn das Gesetz wirksam sein foll, dann muß es auch auf alle Gebiete ausgedehnt werden, wo der un= lautere Wettbewerb sich breit macht, dann muß das Beispiel von oben kommen und nicht von oben der unlautere Wettbewerb belohnt und gelobt, sondern verdammt werden. bg. Raab (wirtsch. Vxgg.): Als Mann der Praxis möchte ich den mehr theoretischen Ausführungen des Abg Peus folgen. Diefer bestritt den Nutzen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb. Mit Un⸗ recht; das Gesetz hat wohl gewirkt, aber nicht genug. Ich begreife nicht die Milde, welche die Herren allen geschäftlichen Ausschreitungen zuteil werden lassen. Sie ziehen doch sonst die Register Ihrer Entrüstung gegen Streikbrecher usn. Die Gründe Ihrer Milde müfsfen tiefer liegen. Herr Peus spricht von der natürlichen en, e des Großbetriebs. Darum handelt es sich aber nicht, sondern darum, daß gewisse Elemente durch schmutzige raffinierte Manöver die Leute beschwindeln und bewuchern. Wir streichen doch nicht den Diebstahlparagraphen aus dem Gesetz, weil wir nicht jeden Dieb damit treffen. Es ist also kein Grund vorbanden, hier nicht mit der Gesetzgebung vorzugehen. Daß auch Herr Patzig mit einem Antrag hervortritt, ist ein erfreuliches Zeichen dafür, daß auch die nationalliberale Partei sich überzeugt hat, daß es mit der schranken= losen und zügellosen. Gewerbefreiheit nicht fo weiter gebt. Eine Ausnahme, macht allerdings die Sozialdemokratie, wie denn ihre. Presse, z B. der „Vorwärts, sich nicht scheut, die marktschreierischen Annoncen der Warenhäuser, z. B. die hotographiebons bei Einkäufen von 5, 10, 20 S aufzunehmen. n Ter Neuen Welt“ und anderen sozialdemokratischen Zeitungen werden auch Anzeigen gebracht, die das Gebiet der Obfzönttät sehr bedenklich streifen. Das Gebaren dieser Presse ist nicht anders als das der Judenpresse und das Verhalten bon Tietz und seinen Abteilungechefs. Die Freude am eigenen Betrieb wird durch die Warenhäuser genommen. Wir wünschen dem deutschen Arbeiter neben der palitischen auch die wirtschaftliche Freiheit und Selb— ständigkeit. Das ist auch eine Seite unserer mittelstanderetterischen“ Wätigkeit, wie Sie (zu den Sozialdemokraten) sie bezeichnen. Die Sozialdemokraten sprechen nicht offen über shre Absichten hin⸗

nie die Vernichtung des Mittelsiandes gewünscht. Das ist leicht zu begreifen, denn die Sozialdemokratie fürchtet im Mittelstande die beste Stütze der bestehenden Gesellschaftsordnung. Es ist durchaus falsch, daß das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb gar nichts genützt habe; es hat fehr viel genützt, aber es könnte noch eine größere Zahl von Fällen treffen, als es jetzt treffen kann, wenn es entsprechend er⸗ weitert würde. Wie manche Firmen mit billigen Preisen anlocken, beweisen mehrere Fälle der Firma Tietz. In einem Falle dauerte der Prozeß, der auf Grund des GHesetzes über den unlauteren Wettbewerb angestrengt wurde, 4 Jahre, in einem anderen erfolgte Freisprechung, weil Tietz sich auf ein Versehen seiner Angestellten zurückzog. müßte in das Gesetz die Bestimmung aufgenommen werden, daß der Chef für die Handlungen selner Untergebenen verantwortlich ge— macht werden kannn. Diese Lücken des Gesetzes müssen ausgefüllt

die Ausverkäufe durch Reglements und Polizeiaufsicht unmöglich, so findet der findige Geschäftsmann immer neue Auswege; er braucht z B. nur den Ausverkauf in ‚„Gelegenheitskauf' zu verwandeln. Jedes Geschäft beinahe führt heute, der Not gehorchend, einige Lock. artikel, die es billiger verkauft, als sie ihm selbst zu stehen gekommen sind; ein sehr amüsanter Fall ist der, daß ein Tischler die Schränke, die er einem Geschäft für 30 M geliefert, zu 265 6 in diesem Geschäft wiederkaufen ließ, und sie dann ihm wieder für z0 4 verkaufte. Mit gesetzlichen Maßregeln ist da nichts zu machen; aber charakteristisch ist, daß die Nationalliberalen jetzt, gejwungen durch den Druck von außen, eier Anträge stellen, die die Gewerbefreiheit wieder aufheben. ebrigens ist die nichtuniformierte Kontrolle, welche dem Geschäfts⸗ mann die Konkurrenz ins Haus schickt, doch noch weniger erfreulich, als der Schutzmann mit der Pickelhaube. Ein Faktor wäre da, der!

werden. Besonders verwerflich ist es, wenn gewisse Geschäfte je nach dem Preise eine ganze Reihe von Gegenständen, bei 10 4 Einkauf z B. eine seidene Schürze, Handschuhe usw. in Aussicht stellen. JZwischenrufe links) Nein, nicht zur Auswahl, so stebt es nicht in den Anpreisungen. Im übrigen kommt es auch nicht darauf an. Sogar Eisenbahnkarten, Rückfahrtkarten werden angeboten. Vas ist eine durchaus schofele Art des Geschäftsbetriebes. In den genannten Fällen müßte ein öffentliches Interesse anerkannt und dagegen ein— geschritten werden. Es handelt sich hier um einen Schuß von Treu und Glauben im Verkehr, der eine Verschärfung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb zur zwingenden Notwendigkeit macht. Wenn wir den Auswüchsen des Ausverkaufsweseng zu Leibe gehen wollen, so müssen wir das Nachschieben von Waren verhindern. Diesen Punkt trifft ja auch der Antrag Patzig, er enthält aber eine!

Es W

Donnerstag soll zum Studium frei bleiben.)

sichtlich des Mittelstandes. Sie sagen nicht offen heraus, da der Mittelstand ibnen im Wege steht. daß ö so schnell 2. möglich beseitigt werden soll. Die sozialdemokratische Presse läßt aber darüber keine Zweifel. Redner zitiert Aeußerungen des Ham— burger Echo., das geschrieben habe, daß ven den' großkapttalisthschen Riesenbetrieben big zu den fozialistischen Distributionsbetrieken nur ein Schritt und daß dies eine erfreuliche Erscheinung fei, und fährt ann fort; Fräßdorf hat im sächsischen Landtag die Frage, ob die Lufrechterhaltung des Mittelstandes der Mühe wert fei, verneint. Das Echo! sprach davon, daß dem Mittelstande die Üebergange= sckmerzen erspart werden sollen. Nun, der Mittelstand dankt dafär.

arum sprechen Sie gu den Sozialdemokraken) hier nicht so offen? Weil Sie bei den Wahlen die Stimmen der Bauern, der Gewerbe— treibenden usw, kurs des Mittelstandes, brauchen. Diese Mittelftands. seundlichkeit der Herren muß bier entsprechend beleuchtet werden. Die Freisinnigen kun heute so, als ob das Velk sich bei ihnen für das Zustandekommen des Gesetzes zu bedanken hätte. Tatsächlich sind e . hen nige litten fn neben den sozialdemokratischen die

üetlameinserate aufnehmen und diesem Schwinde

den größten Vorschub 36 a en , .

Hierauf wird um 5i , Uhr ein Vertagungsantrag an⸗ genommen.

Es folgen persönliche Bemerkungen der Abgg. Do ve und Patzig. Schluß gegen a/ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. Fortsetzung der Beratung der Etaisresolutionen. Der des Etats für die Mitglieder

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 2. Sitzung vom 30. November 1904, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Der Präsident Fürst zu Inn- und Anyphausen er⸗ öffnet die Sitzung und erteilt zunächst das Wort dem Minister des Innern Freiherrn von Hammerstein: Sehr geehrte Herren! Ein Zeitraum von 50 Jahren ist heute vollendet, seitdem das Preußische Herrenhaus zum ersten Male iu sammentrat. Hinblickend auf dieses Jubiläum, haben Seine Majestãt der Kaiser und König unlängst das einzige unter Ihnen noch weilende Mitglied, welches bei der Gröffnung der damaligen Ersten Kammer bereits derselben angehörte und seitdem ununterbrochen an Ihren Arbeiten tätig mitgewirkt hat, Herrn von Rerin durch die Verleihung der Würde eines Geheimen Rats zu ehren geruht. Es gereicht mir zur besonderen Freude, ihn in alter Frische und Rüstigkeit auch heute hier unter Ihnen zu sehen und begrüßen zu können. Eine Reihe von weiteren Aus⸗ eichnungen aus dem festlichen Anlaß des heutigen Tages bekundet die Anerkennung, die unser König und Herr den Leistungen Ihrer be · währten Mitarbeiter und damit dem ganzen hoben Hause selbst für seine in einem halben Jahrhundert stets bewährte Gesinnung und ebenso einsichtige wie erfolgreiche Arbeit zu zollen die Gnade hatte. Dieser Allerhöchsten Anteilnahme an Ihrem Jubeltage schlieht sich die Königliche Staatsregierung mit warmen Glückwünschen an, die ich in deren Namen und insbesondere auch namens des Herrn Minifterpräsidenten und Reichskanzlers Ihnen zu überbringen die Ehre habe. In der Sitzung, die dieses Ihr neues Heim vor kurzem weihte, hat der Herr Ministerpräsident bereits der Hochachtung und Wertschãtzung beredten Ausdruck gegeben, die das Herrenhaus in segensreichem Wirken sich erworben hat, und die Zuversicht betent, daß das Herrenhaus immerdar in voller Hingebung für Seine Majestãt den Kaiser und König im Verein mit der Staatsregierung und der verfassungsmäßigen Vertretung des Landes auch in Zukunft dem Wohle der Monarchie dienen und so auch in Zukunft ein glänzendes Vorbild echt pieußischen Geistes bleiben werde. (Bravo!) ; . Meine Herren, es ist Ihnen bekannt, daß in der Zeit von Sturm und Drang, die Verfassung und Volksvertretung schuf, zunächst ein der historischen Entwickelung des Preußischen Staats nicht vollig gerecht werdendes Zweikammersystem nach belgischem Muster vorgesehen war, auf dessen Wiederbeseitigung lebhafte Bestrebungen gerichtet waren. König Friedrich Wilhelm IV. aber, von dem weitblickenden Minister⸗ präsidenten Freiherrn von Manteuffel beraten, beschritt einen anderen Weg, den des Ausgleichs des geschichtlichen Werdeganges unseres Staats mit den Wünschen einer neuen Zeit, des Ausgleichs der alten ständischen Rechtsordnung mit der modernen Staatsanschauung. Auf diesem vermittelnden Gedanken beruhen das Gesetz vom 7. Mai 1853 und die Verordnung vom 12. Oktober 1854, welche das jetzige Herren aus ins Leben riefen. Die Thronrede, mit der heute vor 50 Jahren der Landtag eröffnet wurde, hat diesen Gedanken in die Worte geyrägt: „Die Erste Kammer ist gegründet unter Anerkennung be⸗ stehender Rechte und unter Berücksichtigung dauernder Verhãltnisse. Alte, bestebende Rechte sollten zu neuem Leben berufen, zugleich aber auch die durch die Verfassungsurkunde geschaffene Neuordnung des Staatslebens gefestigt und geschützt werden. . Auf jene Zeit der Entstehung des Herrenhauses heute zurück blickend, wissen wir der staatsmännischen Einsicht Dank, die damals unserem ganzen Verfassungsrechte die Gewähr der Stabilität ge⸗ geben hat. . . Wenn dem anderen Hause, seiner Zusammensetzung durch Wablen entsprechend, mehr die Anregung neuer Probleme und bei deren Ausgestaltung mehr die Aufgabe der schöpferischen Tat zufällt, so reift die Frucht nach dem bedächtigen, einsichtigen Rate, der bald fördernd, bald mäßigend von diesem hohen Hause ausgeht. Bravo) Möge diese Wechselwirkung sich auch ferner ersprießlich bewähren! Was beide Häuser des Landtags, nicht immer ohne Kämpfe, immer aber getragen von dem gleichen Grundgedanken der Treue gegen König und Vaterland, in den langen Jahren friedlicher Ent wickelung wie in schweren Perioden glorreicher Kriege für Preußens Recht und Ehre, Größe und Wohlfahrt erstrebt und geschaffen haben, taran hat das preußische Herrenhaus seinen vollen und rubmreichen Anteil. (Bravo) Möge das so bleiben bis in die fernsten Zeiten! (Lebhaftes Bravo.) Präsident Fürst zu Inn und Knypbausen: Ich darf wohl in Ihrer aller Namen für die ung in hobem Maße ehrenden Worle des Königlich preußischen Staatsministeriums meinen verhind⸗ lichsten Dank aussprechen, und ich darf das tun namentlich mit Rück⸗ sicht darauf, daß diese fünfzigjährige Periode auch beim Ministerium die volle Anerkennung der Tatigkeit dieses hohen Hauses gefunden bat. Meine Herren, bei dieser Gelegenheit dürfen wir aber der Männer nicht vergessen, die in all diesen Jahren ihre volle Tätigkeit der Ehre und der Würde dieses Hauses baben zuteil werden lassen; und wenn ich hier im Kreise herum die Marmorbüsten sehe, welche vorzugsweife die Träger dieser Gesinnung gewesen sind so ist das Gefühl des Dankes, das uns alle beseelt, gerade diesen Männern vorzugsweife zu widmen. Meine Herren, ich habe die Ueberzeugung, daß dieses Hauz, das vor 50 Jahren gebaut ist, unter dem jesten Dache, das ihm geworden ist, noch viele und glückliche Jahre besteben werde. Denn es war gebaut auf Gottesvertrauen und Gottesfurcht, uf Könizetreue, auf Vaterlandsliebe und auf dem Gehorsam ver der Verfaffung., die wir beschworen haben. Ich habe keinen Zweifel, daß diese Gefüble auch die jetzig⸗ Generation voll und ganz bewegen, und ich habe das Vertrauen, daß die Tätigkeit, die wir entfalten werden, als ausgleichende immer zum Segen des Vaterlandes führen wird. Meine Herren, es ist uns versprochen eine reiche Tätigkeit namentlich in allen Gebieten der Gesetzgebung; und ich danke dem Herrn Reichekanzler und dem Staatsministerium, daß sie ihrerseits das Versprechen gegeben haben, daß die Arbeitsfülle für uns eine reiche sein werde. Nach meiner Ueberzeugung ist das das einzig Richtige, Rradeaus unseren Weg zu gehen, unbekümmert um das Urteil der Wit. Wenn wir in Gesinnungstüchtigkeit und unabhängig unsere Be⸗ ratungen hier pflegen, so wird das ist meine feste Ueberzeugung gegenüber dem Parlamentarismus in anderen Körperschaften daz An⸗ sehen dieses hohen Hauses auch im deutschen Vaterlande die An— erkennung erwerben, die es verdient. Meine Herren, ich habe die feste Ueberzeugung ferner, daß durch diejenigen Kräfte, die sich mit Fleiß in unferen Bienst ftellen wollen und es gibt keine Korporation, die bessere hat —, die Tätigkeit, die wir entfalten, eine segensreiche werden wird in jeder Richtung, und wenn wir das Pflichtgefühl, das uns beseelt, beweisen, indem wir zahlreich ju unseren Sitzungen bier zusammenkommen, so habe ich den Glauben

stets zunehmen wird, und daß diejenigen Werke, die wir bier leiften, auch in der Beziehung die Freude aller Mitglieder dieses Hauses bilden werden. Viele Herren haben mir versprochen, ibre i volle Tätigkeit auch in Zukunft unseren Arbeiten hier zu widmen, und Sie werden mich immer auf dem Platze finden, wenn es gilt, die Ehre dieses Hauses zu vertreten nach innen und nach außen. Um das i aber möchte ich Sie bitten, daß wir heute uns vereinigen in dem Gelübde unwandelbarer Treue, der königstreuen Gesinnung, die wir immer gehabt haben gegenüber unserm gnädigsten Kaiser und König, und ich fordere Sie darum auf, das Wohl Seiner Allergnãdigsten Majestät unseres Kaisers und Königs in der Weise zum Andruck iu bringen, daß wir rufen: ‚Seine Majestät unser Allergnädigster FKaiser, König und Herr, Er lebe hoch, nochmals hoch und nochmals hoch!

(Die Versammlung stimmt begeistert in den dreimaligen Hochruß ein.) Meine Herren! Sie gestatten mir, daß ich von diesem Akt Seiner Majestät dem Kaiser noch heute telegraphisch Mitteilung gebe. Ich möchte Sie bitten, mir zu gestatten, dieses Huldigungstelegramm ver⸗ fassen zu dürfen.

Der Präsident macht hierauf davon Mitteilung, daß er Seiner Majestät dem Kaiser, Ihrer Majestät der Kaiserin und Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kron⸗ prinzen zu Höchstdessen Verlobung gratuliert und von Ihnen Dankschreiben erhalten habe.

Das Haus ehrt hierauf das Andenken der seit der letzten Sitzung verstorbenen acht Mitglieder des Hauses durch Er— heben von den Sitzen.

Es folgt dann der Bericht der XII. Kommission über den zunächst dem Herrenhause vorgelegten Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erhebung von Kirchensteuern in den Kirchengemeinden und Paroch ig verbänden der evangelischen Landeskirche der älteren Pro— vinzen der Monarchie. . Berichterstatter ist Professor Dr. Loening. Derselbe be⸗ antragt, dem Entwurf mit unwesentlichen Aenderungen zu— zustimmen und folgende Resolution anzunehmen: ; „In Erwägung, daß, von größeren gewerblichen Unter— nehmungen veranlaßt, oftmals eine außergewöhnlich starke Ver⸗ mehrung der Kirchengemeinden durch Zuzug von Arbeiterfamilien stattfindet, den Kirchengemeinden aber infolge der hierdurch not⸗ wendigen Erweiterung kirchlicher Einrichtungen erhebliche Mehr- belastungen erwachsen, . ; in fernerer Erwägung, daß auch die Heranziehung der Forensen der gesetzlichen Regelung bedarf ; . wird die Königliche Staatsregierung ersucht, auf gesetzliche Maßnahmen Bedacht zu nehmen, damit die Heranziehung dieser Unternehmer, sowie der juristischen Personen (Aktien · Kommandit gesellschaften, Gewerkschaften usw.), sowie der Forensen zu den Kirchenlasten ermöglicht wird.“ . Zu der Generaldiskussion ergreift niemand das Wort. Bei der Spezialdiskusion werden Art. I, welcher bestimmt, daß Beschlüsse der evangelischen Kirchengemeinden über die Erhebung der Kirchensteuern der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde bedürfen, und die Art. N und Ill, welche Vorschriften über die Zwangsvollstreckung enthalten, ohne Debatte genehmigt. Graf JHorck von Wartenburg beantragt zu Art. 1X, der die Ausdehnung der Steuerpflicht regelt, die Angehörigen einer der Union nicht angehörenden Religionsgesellschaft, deren Gemeinden Kor⸗ porations rechte verliehen sind, der Besteuerung zu entziehen. Der Redner führt in Begründung feines Antrags aus: Wenn mein Antrag nicht durch⸗ dringt, so laufen Altlutheraner, die sog. Konsensusgemeinden und andere Gefahr, doppelt besteuert zu werden. Mein Antrag ist eine Umformung des von Herrn Loening in der Kommission gestellten Antrags. Er führte dort aus, subjektiv sei ein Religionswechsel als vorliegend zu erachten, wenn Alilutheraner zur Landes kirche überträten. Auf sie durch Steuern einen Einfluß in dieser Richtung auszuüben, sei nicht berechtigt; und dazu dürfe der Staat seinen Zwang nicht zur Verfügung stellen. Ein Regierungskommissar erwiderte, der Antrag sei eine Antastung des Parochialrechts und stelle ein Gelegenheitsgesetz dar, das nicht an— gebracht sei, zumal es das Inkrafttreten des Gesetzes bis 1909 binaus—⸗ schieben würde, weil zu solcher Aenderung des Kirchengesetzes die Zu⸗ stimmung der Seneralsynode nötig sei. Diese Einwendungen treffen meiner Ansicht nach die Sache nicht. Diese questions de fait et de droit haben die jansenistische Bewegung hervorgebracht. Auf Grund meiner Erwägungen bin ich daher von der absoluten Ge- wissensfreiheit ausgegangen. Aber ich habe vorsichtig formuliert. Die Leute, die steuerfrei sein wollen, müssen binnen 5 Monaten beweisen, daß sie zu einer korporierten Religionszesellschaft gebören und daher befreit werden müssen von dem Parochialzwang, dem sie eigentlich unterliegen. So hoffe ich, das Odium abzuwenden, daß wir veran⸗ laßten, daß jemand um eines Geldvorteils willen seine Religion wechselt. Daher bitte ich Sie, meinem Antrage zuzustimmen. Oberbürgermeister Struckmann: Ich bitte Sie, den Antrag abzulehnen. Im Gesetz heißt es: wer der evangelischen Kirche angebört, ist steuerpflichtig. Hier ist ein Steuergesetz in Frage, des nicht den Begriff evangelisch zu definieren hat, das gebört auf einen anderen Boden. Da der Staat keine Gewalt zur Eintreibung der Kirchen- steuern zur Verfügung stellt, hat er zu entscheiden, was evangelisch beißt. In letzter Instanz entscheidet dann darũber, da sich daraus eine Steuerfrage ergibt, das Obercerwaltungsgericht. Unmöglich aber kann ein Steuergeseß darüber entscheiden, was evangelisch und katholifch ist. Das find kirchenrechtliche Fragen. Ziebt der Staat einmal Kiichensteuern ein, so muß er diese Begriffe als gegebene hinnebmen. Es würden sich zudem aus einer Festlegung der Begriffe für das Gesetz Unzuträglichkeiten daraus ergeben, daß die Kirche für Wahlen 2c. andere Ansichten über die Tragweite des Begriffs evangelisch und katholisch beweist, als der Staat fär die Eintreibung der Steuern. Materiell aber sebe ich in dem Antrage eine große Gefahr für die Union und den konfessionellen Frieden. Schon das Allgemeine Landrecht stellt das Parochialprinzip auf. Und das ist fest⸗ gehalten worden. Niemals ist die Gesetzgebung, auch nicht in der Generalkonzession, so weit gegangen, neu nach Preußen ziebenden Alt- lutheranern die Verweigerung des Anschlusses an die Union zu gestatten. Jerer kann ja aus einer Kirche ausscheiden, allerdings muß er dann noch eine Zeitlang Steuern zahlen. Soll der Antrag YJoick nur sagen, ein der Generalkonzession Unterstehender ist steuerfrei, so ist er überfläfsig; faßt er aber neu Zuwandernde mit, so können diese ja am zweiten Tage austreten. Und ein Jahr Steuern zu zahlen, das ist kein Gewissens bedenken. Außerdem muß heute jeder Austretende die Formen des Gesetzes von 1873 beachten; so soll es bleiben; nur der Austritt aus der evangelischen Kirche soll möglichst erleichtert werden. Damit wird eine Aenderung der Union involviert. Und das ist doch wirklich nicht jeitgemäß. Denn jede Sekte würde das ver- langen, was man hier den Altlutheranern zubilligen will. Wir kommen mit diesem Antrag auf die Fragen der Aenderung der Union, der Altkatholiken, weil diese die Kirche nicht als zu ihr gehörend be⸗ trachtet, diefe aber erklären, katholisch zu sein. Nein, überlassen wir die Entscheidung der Begriffe evangelisch, katholisch ꝛc. ruhig dem Oberverwaltungsgericht. . Graf von Zieten-Schwerin: Die Absicht des Antrags Vorck ist, das geltende Recht abzuãndern, während die Generalsynode darauf verzichtete, dies e um dem Steine aus dem Wege zu gehen, über den sie hätte stolvern müssen. x : nung . und auf Grund dieser Kenntnis sage ich; keine Kirchen- behörde und keine Generalsynode wird das Gese

Besteuerung herbeizuführen,

keit und dem Grundsatz der Gewissensfreiheit. treten. Trotzkem aber müssen sie formell ein Landeskirche angehören und für sie Steuern zahlen. wider Art. 12 der Verfassung. ̃ Gesetz nicht zu stände kame, weil es den Vorteil hringt, daß das Oberberwaltungsgericht über diese Fragen urteilt. Aber so groß ist der Vorteil nicht, daß wir eine Ungerechtigkeit darum gut hießen.

Ich kenne die. Stimmung in der

; 8 mit de en . Yo ublizieren; und damit wäre die gute Absicht, eine gleichmäßige 1 e umsonst gewesen. Eine Gewissens verletzung

Proftssor Dr. Loe ning: Ich habe die Ueberzeugung, daß durch

den Antrag Jorck der Union kein Abbruch geschiebt. Ich unterstütze

hn aus Gründen der Gerechtigkeit. Wir haben Altlutheraner; und

diese dürfen wir durch nichts drängen, zu einer anderen religiösen Schattierung sich zu bekennen.

Heute werden neu Zuziehende gegen ̃ Das widerspricht der Gerechtig⸗ Sie können zwar aus— bis drei Jahre der Und das ist wenn das

hren Willen Mitglieder der Union.

Ich würde es bedauern,

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt: Im Gegensatz zu dem Herrn Vorredner bitte ich Sie, den An⸗

trag des Herrn Grafen Yorck von Wartenburg abzulehnen.

Der Antrag soll zwar, wie der Herr Antragsteller vorausgeschickt hat, an sich nicht den Zweck haben, in das materielle Besteuerungs⸗ recht einzugreifen, welches durch die landrechtlichen Bestimmungen und die Kirchengemeinde, und Synodalordnung vom 10. September 1873 für die evangelischen Kirchengemeinden der älteren Provinzen des preußischen Staats statuiert ist. Die tatsächlichen Wirkungen aber dieses Antrags würden, wenn er Gesetz werden sollte, jeden falls die einer ganz erheblichen materiellen Aenderung des bisherigen Rechts sein. Herr Loening hat seine Ausführungen mit dem Hinweis darauf geschlossen, daß, wenn der Antrag nicht in das Gesetz aufge⸗ nommen würde, eine Ungerechtigkeit fortbestehen bliebe, die zur Zeit vorhanden sei.

Bevor ich Ihnen den Nachweis führe, daß eine solche Un—⸗ gerechtigkeit im eigentlichen Sinne des Wortes nicht vorhanden ist, mit der Annahme dieses Antrags aber ein geradezu unhalt— barer Zustand geschaffen werden würde, lassen Sie mich die allgemeinen Bemerkungen vorausschicken, daß der Antrag eigentlich nur ein Bersuch ist, auf einem Umwege eine Aenderung des Kirchengesetzes, wie es von der Generalspnode beschlossen ist, herbei zuführen. Das Kirchengesetz bat lediglich die Rechtslage übernommen, welche durch das Allgemeine Landrecht und die Grundsätze der Union geschaffen worden ist. Demnach unterliegen dem Parochialrecht der Landeskirche alle Evangelischen, welche einer ihrer Kirchengemeinden durch Glaubensverwandschaft und Wohnsitz angehören. Das Kirchen gesetz hat absichtlich davon Abstand genommen, den Begriff ‚Evangelische“ genauer zu begrenzen. Wenn man sich auf diese Begrenzung einlassen wollte, so würde die größte Gefahr entstehen, daß konfessionelle Streitigkeiten hervorgerufen werden. Außerdem würden diejenigen Behörden, denen die Ausführung und Handhabung des in diesem Sinne durch den Antrag des Herrn Grafen von Yorck ergänzten Gesetzes obliegen würde, leicht in einen akuten Gegensatz zu den Anschauungen der evangelischen Landes⸗ kirche geraten, werm sie feststellen sollten, ob im einzelnen Falle die Voraussetzungen des Gesetzes vorliegen, wie es nach dem Antrag des Herrn Grafen von Vorck gefaßt werden soll. Es ist daher zweifellos richtig, die Begrenzung des Begriffs des „Evangelischen' im Sinne des Kirchengesetzes der Praxis zu überlafsen. In dieser Beziehung bietet das vorliegende Kirchengesetz sowohl wie das Staatsausführungs-⸗ gesetz alle Garantien einer unparteiischen Handhabung, da die endgültige Entscheidung der Instanz des Oberverwaltungsgerichts übertragen ist. Es würde zu einem unhaltbaren Zustand führen, wollte man, wie der Antrag des Herrn Grafen PVorck will, einen derartigen künstlichen Gegensatz zwischen steuerpflichtigen und nicht steuerpflichtigen Evan— gelischen schaffen und das brachium saeculare des Staats für einzelne hierdurch ermöglichte Fälle verweigern. Was den sachlichen Inhalt des Antrags anbetrifft, so will ich noch hervorheben, daß der erste Teil überflüssig ist. Derselbe lautet: ‚Der Beschwerde wegen Heranziehung zur Kirchensteuer ist stattzugeben, wenn der Beschwerdeführer nachweist, daß er Mitglied einer derjenigen, der evangelischen Landeskirche nicht angehörigen Religionsgemeinschaften ist, welchen Korporationsrechte verliehen worden sind.“ Das entspricht ja schon dem bestehenden Rechte und braucht nicht noch besonders beivorgehoben zu werden.

Was die Altlutheraner betrifft, so ist in der Generalkonzession

vom Jahre 1845 in Nr. 10 ausdrücklich ausgeführt: „In Ansehung der Verpflichtung zu den aus dem Parochial⸗ verbande fließenden Lasten und Abgaben soll auch bei den sich von der evangelischen Landeskirche getrennt haltenden Lutheranern die Vorschrift des 5 261 Titel 11 Teil 2 des Allge⸗ meinen Landrechts zur Anwendung kommen, soweit nicht nach Provinzialgesetzen und besonderem Herkommen derartige Abgaben auch von Nichtevangelischen an evangelische Kirchen und Pfarreien zu ent- richten sind und umgekehrt. Der 5 261 Titel 11 Teil 2 schreibt ferner ausdrücklich vor, es soll niemand in einer Parochialgemeinde von einer anderen als derjenigen, zu der er sich selbst bekennt, zu Lasten und Abgaben, welche aus der Parochialverbindung fließen, angehalten werden, wenn er gleich in dem Pfarrbezirk seinen Wobhnsitz nimmt. Es ist also für einen von der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Altlutheraner, wenn er in einem Pfarrbezirk der evangelischen Landeskirche seinen Wohnsitz nimmt, nichts weiter erforderlich, um sich vor der Heranziehung zu Kirchensteuern der Landeskirche zu schützen, als den Nachweis zu führen, daß er zur Kirchengemeinschaft der sogenannten Altlutberaner gehört. Meine Herren, ich möchte dringend bitten, daß Sie den vorliegenden Antrag schon aus diesem Grunde ablehnen. Et ist für die Königliche Staats regierung völlig unannehmbar, mit ihm würde nicht allein dieses Ge⸗ setz, sondern auch das damit in unmittelbarem Zusammen hange stehende Gesetz für die katholische Kirche fallen. Die Folge davon wände die sein, daß der bisherige Zustand sich fortsetzt, mithin die Absicht der An—⸗ tragsteller keinesfalls erreicht wird. Auf der anderen Seite würden die sehr wesentlichen Verbesserungen des kirchlichen Besteuerungswesens, die die Entwürfe vorsehen, unterbleiben.

Meine Herren, Herr Graf Vorck glaubt eine erhebliche Gewissens⸗ verletzung in der Art, wie die Besteuerung in Aussicht genommen ist, sehen zu muüssen. Es ist schon von seiten des Herrn DOberbũrger meisters Struckmann hervorgehoben worden, daß von einer Gewissens⸗ verletzung nicht die Rede sein kann. Es ist allerdings richtig, daß das Gesetz über den Auttritt aus der evangelischen Kirche binaus noch eine Steuerpflicht vorsieht, die sich unter Umständen auf jwei bis böchstens drei Jahre erstrecken kann. Aber, meine Herren, ͤ es seblt bisher an einem tatsächlichen Bedürfnis, in dieser Beziehung eine Aenderung eintreten zu lassen. Sollte wirklich einmal der Nachweis eines solchen Bedürfnisses geführt werden. so würde aber nicht der Weg, den der Antrag des Herrn Grafen Jorck vorsieht, zu

ann ich in Steuerfragen nicht erblicken.

und die Ueberjeugung, daß die Freude an dieser Tätigkeit

lehnung des Antrags.

Darum bitte ich um Ab⸗

betreten, sondern einfach eine Abänderung des Gesetzes über den Aus—