Qualität
gering
mittel P Verkaufte
Dezember Marktort
Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner
Menge
an , Tag niedrigster l.
höchster
höchster niedrigster höchster Doppelzeniner b. b. l.
niedrigster l l.
— 8 8
Außerdem wurden am Maikttage (Spalte 1) nach überschlãglicher Schätzung verkauft Do ppelzentner (Preis unbekannt
Am vorigen Markttage
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Landshut. Augsburg Bopfingen , Schwerin i. M.
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Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufgwe
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15 00 13,20 15,00 14,20 14,20 14,50 14,00 14,20 14,80 15,50 15,00
16,00 16,33 1240 11 17,00
/
156 00 15.46 1500 14.530 14656 14 506 1466 1426 15 50 1556 15 86
1600 16,34 12, 40 18.46 17.20 17, 80 17,70 16,20
11,50 13, 25 12, 80 14,50 14900 13,70 1400 13,70
1330 1425 14.20 14,80 15.75
1220 15,38 16,20 17,50
14,00
13,25 ] 13, 0 14,50
14, 10 14,00 14.00 13,70
1430 1435 15.606 14560 16.76?
1220 1692
1680 17,60
1400
17,80 . 15,20 — 6 13,20 1420 14,00 14,40 13,50 13,20 13 60 13 25 13,60 13,60 13,60 14,20 13,76
1350 1460 14.50 15.26 15.16 15,60 14,57 14,45 14 20 15.55 1426
12,40 13 86 13,50 1426 13,50 153, 65 1546
12780 1316 13 36
1320 14,40 13 20
1400
1500 16410 151 13, go 13 36
14,00
12,40 1410 13,50 14,30 13,40 13500 1340
1530 13, 10 13,60
1520 ä 56 13 15
1400
15,20 15,60 13,98 14,20 13 80
1400
13,20 14,40 14,00 14,40 13,70 13,20 13,60 80 13,25 50 13, 90 ; 13,50 80 1400 ; 1420 45 13,7 5 .
13,70 100 1400 174 1450 =.
14,20 160 15,60 ö 15, 80 50 15,59 264 14,70 322 1420 104 15, 50 -
1450
14,80 15,40 1290 13.40 13,60 1450 12,00
2962
15, 00 15,50 15,60 16.20
1313
13,99 13,90 14,00 13,70 14,20
1600 1480 1634 1686
16,53 17,58
29.11.
30.11. 25. 11. 29. 11. 29.11. 25.11.
28.11. 29.11.
29.11. 25.11.
1.12.
25. 11. 265.11. 25.11. 25. 11.
1407
13,20 13,34 13,20 13 40 13,25
13 00 1412
1417
14,16 13,38 13, 00 13.40 13,25
1300 14511 1350 14.50 1353 15.30 1326
14,06 13,88
1350 2436 14.66
2190 13569
775 15,590 3 512 1330 4511 1401 1444 13, S̊
1350
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16387 15659 25.11. h00
rt auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnes.
Ein liegender Strich (— in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betriffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.
Deutscher Reichstag. 103. Sitzung vom 2. Dezember 1904, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Fortsetzung der Beratung der zum Reichshaushaltsetat für 1904 gestellten Resolutionen (Groeber, Rettich und Patzig) über den un⸗ lauteren Wettbewerb.
Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.
Abg. Nißler (d. kons. fortfahrend): Die Warenhäuser sind der Krebsschaden unserer Zeit; gegen sie müssen sich alle deutschen Stände vereinigen. Tritt man in die Warenhäuser ein, so kann es einem ruselich werden, und man könnte den Termin des Untergangs des Mittelstandes fast voraussagen, wenn man diese hunderte und aber hunderte von Waren dort aufgestapelt sieht. Hinter den Titz und Wertheim stehen großkapitalistische Aktionäre, und nicht mehr nur deutsche, sondern auch schon ausländische. Die großkaxpitalistische Organisation des Kleinhandels ist der Ruin des Mittelstandes. Wenn die Resolution Gröber den Offizieren und Heamten Gründung und Leitung von Konsumvereinen verbieten will, so kann ich den Gründen, die dagegen geltend gemacht sind, kein Gewicht beilegen. Man darf die gewerblichen und die Raiff⸗ eisenschen landwirtschafilichen Genossenschaften nicht mit diesen Be⸗ amten. und Offizierkonsumvereinen vergleichen; dort ist die Selbsthilfe zur Erhaltung eines gesunden Mittelstandes mobil gemacht, während ich die Frage, ob auch den Beamten und Offizieren eine solche Selbst⸗ hilfe zu organisieren nötig ist, verneinen muß. Offiziere und Beamte sind auskömmlich besoldet. Beamten und Offizierswarenhäuser rufen im gewerblichen Mittelstande eine sehr berechtigte tiefe Mißstimmung hervor. Zu den bayrischen Beamten habe ich das feste Vertrauen, daß sie nicht beabsichtigen, ein Warenhaus zu gründen, und ebenso vertraue ich, daß die bayrische Regierung solchen Plänen eventuell entgegen treten wird. Ich kann nicht begreifen, daß die Beamten und Offiziere Warenhäuser gründen wollen. Sie sind da, um zu ver— walten und das Vaterland zu schützen, damit das Gewerbsleben im Inland blühe und gedeihe, nicht aber dazu, um es zu stören. Wem es also ums Wohl des Vaterlandes ernst ist, der muß an der Be⸗ seitigung der Warenhäuser mitarbeiten.
Abg Peus (Soz): Ich habe es ja vorausgesehen, daß die Er— örterung dieser Anträge zu einer allgemeinen Mittelstandsdebatte führen würde; und wieder werden wir Sozialdemokraten von allen Seiten als diejenigen hingest⸗llt, die den Mittelstand ruinieren. (Rufe rechts: sehr richtig Sehr unrichtig! Wir konstatieren bloß Tatsachen und befinden uns dabei mit den anderen Parteien in Ueber— einstimmung. Glauben Sie (nach rechts), daß die drei Millionen Stimmen, die wir hinter uns haben, etwa Kapitalistenstimmen sind? Den kleinen Gewerbetreibenden und Geschäftsleuten wird es in steigen dem Maße unmöglich, ihre Selbständigkeit zu erhalten; in steigender el werden sie veranlaßt, sich in eine größere geschäftliche
rganisation einzufügen, und vielfach stehen sie sich dabei besser, als in ihrer früheren fragwürdig gewordenen Selbständigkeit. Gegen meine Ausführungen über die Inseratenpresse hat man gerade die sozialdemokratische Presse ins Feld geführt, die auch solche markt⸗ schreierischen Inserate bringe. Dag ist leicht möglich, ich hahe es auch arnicht geleugnet. Wenn man aber über die sozialdemokratische Presse erfällt, so übersieht man, daß z. B. in der „Staatsbürger⸗Zeitung“, einem Organ der Mittelstandsantisemiten, in einem Inserat „den Lesern der Zeitung und den Parteigenossen“, also der Päcklergarde', 5 6/0 Rabatt versprochen wird. heißt es, daß bis zu 25000 unter dem regulären Wert abgegeben wird, in einem anderen Inserat sogar 50 C, unter dem 1egulären Wert. Mehr kann man doch wahrhaftig nicht verlangen. Also das spezifische Organ des Mittelstandes öffnet genau demselben Unwesen Tür und Tor, durch das angeblich der Mittelstand ruiniert wird. Das Publikum kann sich gegen diese Attentate nur mit Erfolg wehren, wenn es sich in Konsumvereinen organisiert; dann ist die Reellität garantiert. Der Zentrumsantrag will den Beamten und Offizieren bie Gründung von Konsumbereinen verbieten; damit würde schließlich den Beamtenkonsumvereinen auch der Garaus gemacht. Herr Nißler
In dem Inserat der Firma Maaßen
hat das sofort herauserkannt und tritt eifrig für diesen Teil des Antrages Gröber ein Damit wird es aber gute Wege haben. Die Beamten haben doch dasselbe Recht, das Geld, das sie als Gehalt ꝛc. erhalten, zu verwendeß, wie es ihnen gutdünkt; sie bekommen es nicht etwa, um besonders den gewerblichen, den Handwerksmeisterstand zu unterstützen. Glauben Sie ferner, daß ein Riesenbau wie e von Wertheim zufällig entstanden ist und so leicht wieder abgeschafft werden kann? In München hat man alles getan, um die Firma Tietz zu schurigeln; vergeblich. Von Dessau sahren tagtäglich eine große Anzahl Leute nach Berlin, nur um hier in den Warenhäusern ihre Bedürfnisse zu decken. Diese Entwickelung wird keine Resolution zu hemmen vermögen.
Abg. Erzberger (3entr.): Wenn die Staatsanwaltschaften an— gewiesen werden, daß das öffentliche Interesse angenommen werden muß, wenn eine Klage gegen ein Warenhaus von einer Handels⸗ oder einer Handwerkskammer angestrengt wird, könnte ein großer Fort— schritt auf diesem Gebietz gemacht werden. Bis heute wandern viele dieser Anzeigen in den Papierkorb. Auch der Schmiergelderunfug muß schärfer aufs Korn genommen werden. Es liegt darüber schon viel Material vor. Auch die Hingabe von Geschenken bei Einkäufen ist keineswegs einwanrsfrei; die Zugabe von Prämien ist in der Gewerbeordnung ja schon jetzt in gewissem Umfang verboten. Das mietweise Abgeben von Gegenständen durch die Abzahlungsgeschäfte ist gesetzlich verboten, geschieht aber dennoch nach wie vor. Auch hier wäre ein ergiebiges Feld zum Einschreiten für den Staatsanwalt. Herr Peus hat heute gemäßigter gesprochen als vor zwei Tagen; es muß wohl irtzend ein mäßigender Geist über ihn gekommen sein. Der von ihm gezogenen Parallele zwischen Selbsthilfe und, Selbhsthilfe muß ich widersprechen; er übersieht, daß der Beamte eine gesicherte Lebensstellung hat mit Pension und Versorgung für seine Hinter— bliebenen. Die Militärverwaltung hat den Intendanturbeamten die Gründung eines Vereins verboten, weil der möglicherweise auf die Politik Einfluß haben könnte. So könnte sie gegen alle Konsum— vereinsgründungen der Militärs ohne weiteres einschreiten, da diese tatsächlich viel stärker auf die Politik Einfluß üben. Die heutigen Zustände rühren von der schrankenlosen Gewerbefreiheit her; damals hat Herr von Schweitzer offen ausgesprochen, daß er aus Bosheit dafür eintrete, denn er wisse ganz gut, daß dadurch die kleine Geschäftswelt zu Grunde gehen müsse. Und Lassalle hat sich ebenso deutlich dahin ausgesprochen, daß die Ge— werbefreiheit den Pauperismus und das Proletariat geschaffen hat. Herr Peus schätzt die wirtschaftliche Freiheit ungemein niedrig ein; politische Freiheit ohne wirtschaftliche ist nichts, entspricht nicht der Natur der Menschen, und den Beweis dafür haben die Sozial demokraten in ihrer eigenen Partei, wo alle Führer nach einer selbst— ständigen Stellung als Zigarrenhändler und Wirtschaftsbudiker usw. streben und nicht danach, als Kommis in einen Großbetrieb ein u— treten. Die angeblich natürliche Entwickelungstendenz findet sich nicht verwirklicht in der Landwirtschaft, wo Ihr Programm großartig Schiffbruch gelitten hat. Die natürliche Entwickelungstendenz bei den Raubtieren finden Sie im Zoologischen Garten durch sehr starke Eisen— gitter zurückgedrängt; nehmen Sie diefe Gitter weg und wir wollen sehen, was dann noch vom Zoologischen Garten übrig bleibt. Ich bitte Sie, unseren Antrag in feinen vier Nummern anzunehmen.
Abg. Raab (wirtsch. Vgg.): Wenn gegen die Generalklausel im Ge—⸗ setze gegen den unlauteren Wettbewerh auch der frühere Dr. Vielhaben, der unserer Richtung angehörte, gestimmt hat, worauf heute Herr Potthoff hinwies, so hat er damals allein gestanden und gehört heute dem Reichstage auck nicht mehr an. Gerade wir gehörten damals mit zu den Veranlassern des Gesetzes. In der freisinnigen Presse waren in letzter Zeit häufig Klagen über das Schmiergelderunwesen zu lesen; ich fteue mich, daß die Herren, die sich um die Organisation des Privatbeamtenstandes bemühen, jetzt endlich auf diesen Mißstand auch aufmerksam g worden sind. Herr Peus ist auch heute einer Er⸗ klärung über die Absichten der Partei hinsichtlich des Mittelstandes ausgewichen; aber Herr Erzberger hat Ihnen schon gezeigt, daß ein Mann ohne Absichten eigentlich gar kein Mann ist. Die Herren gehen von der Revolution auf die Evolution über; sie bauen auf die Auf- saugung des Kleinen durch den Großen, das soll ihnen die Revolution
ersparen. Wenn das das Ziel ist, so müssen sie es auch so rasch als möglich zu erreichen suchen; da dürfen sie sich nicht lediglich mit der
„Ansicht“‘ statt der ‚Absicht“ begnügen. ja doch Ihre eigentliche Gesinnung; dielen kleinen Betriebe schadeten dem Nationalvermögen. Auch der bestgestellte Betriebsbeamte hängt von, der Gnade. oder Ungnade eines einzelnen ab, und dieses drückende Bewußtsein ist schwerer als die mancherlei kleinen Nöte des selbständigen Handwerkers und Gewerbetreibenden; ein Volkssprichwort sagt: ‚Lieber ein kleiner Herr, als ein großer Knecht; darin hat sich mehr Volksweisheit niedergeschlagen als in allen Reden der Sozialdemokraten. rr Peus hatte vorgestern die sozialdemokratische Presse als die absolut an⸗ ständige gepriesen; das wollte ich zurückweisen, und dagegen verschlagen die Inserate der, Staatsbürger⸗Zeitung“ nichts. Im Hamburger Gcho“ sind in einer —Nummer von 16 Seiten 85 Seiten Inserate und davon 41 Seite direkt marktschreierisch. Alle Warenhäuser und 14 Abzahlungs⸗ geschäfte waren in dieser einzigen Nummer vertreten, auch Hilftz⸗ mittel gegen die Magerkeit, schlechte Gewohnheiten, Bart⸗ und Hacr⸗ losigkeit, wo derjenige Ho00 S6 bekommt, bei dem dieses Mittel nicht anschlägt. Ein Altonaer Warenhaus hat hochfeine Blusen angekauft zu 75 *; ein Konkurrenzhaus kauft die Blusen, angeblich um sich zu überzeugen, welcher Schund das sei, und verkauft sie, solange der Vorrat reicht, für 25 53. In der Sonntagsbeilage der sozial⸗ demokrgtischen „Neuen Welt“ finden wir ein Enthaarungsmitte! dann hygienische Bedarfsartikel, ein hygienisches Buch von einer Ober⸗ hebamme, eine chemische Fabrik, die ihre Präparate darnbietet, wodurch Lungenleiden und Schwindsucht heilbar sind. Dem folgt ein Buch, das einen Kursus im Hypnotismus enthält, das vollen Erfolg in allen Lebenslagen verbürgt; Locke nerzeuger, kosmetische Präpaiate, Kraftpulver, nicht für Schweine, sondern für Menschen, dessen Gebrauch jedem Menschen eine, Zunahme bon 30 Pfund in wenig Wochen garantiert; ein Mittel gegen Nasenröte für 4 6, absolut wirksam, wenn's nicht hilft, kriegt man 5009 M Belohnung. Drei Anzeigen preisen die Schaffung idealer Büsten an, Schriften für Eheleute und solche, die es werden wollen, mit und ohne Bilder, aber alle nur gegen Nachnahme oder Vor= einsendung des Betrages. Wir beklagen solche Ausschreitungen im Inseratenwesen; es wird Ihnen nicht gelingen, aus unseren deutsch sozialen Blättern Aehnliches nachzuweisen. Der „Gon⸗ fectionair⸗ hat 1892 die Grundlage der Warenhäuser mit dürren Worten dahin gekennzeichnet, daß es darauf ankomme, den Kunden zum Verkauf möglichst viele Artikel vorzulegen, die kleinen Artikel zum Selbstkostenpreife zu verkaufen, damit man an den größeren desto mehr verdiene; in jeder Woche müsse einmal der Ausverkauf von Resten, in jedem Monat ein Tag zum 3 mit außer⸗ gewöhnlich billigen Preisen stattfinden. Das ist der Zusammenhang, nicht die Großorganisation, sondern die Spekulation auf die Dumm⸗ heit des Publikums, die heute leider Gottes immer noch die solideste Grundlage des Geschäfts ist. Auch Graf von Posadowsty ist einmal von dem Hamburger „Echo“ gelobt worden, als er gemeint haben sollte, daz Handwerk habe seine Rolle ausgespielt. Wenn dag ein= tritt, hat auch die Nation ihre Rolle ausgespielt. Werner von Siemens hat gesagt, eine möglichst große Anzahl selbständiger Existenzen sei das letzte Ziel der menschlichen Entwickelung. Möchte Gott geben, daß es so wäre, ö ; Abg. Frohme (Soz.); Die Art, wie hier Heir Raab und seine näheren Freunde die Mittelstandspolitik betreiben, kennzeichnet so recht den Geist, der diese Mittelstandsbewegung durchdringt. Niemals ist es einem sozialdemokratischen Blatte oder Politiker eingefallen zu sagen, daß die Erhaltung des Mittelstandes nicht wünschenswert sei⸗ ich fordere Herrn Raab zum Nachweis dieser Behauptung herauß. Wir sagen nicht, der Mittelstand ist uns hinderlich; wir konstatseren lediglich die Tatsach, daß er sich gegenüber der wirtschaftlichen Ent⸗ wickelung, die vom Kapitalismus regiert wird, nicht halten kann, selhst wenn er die bestgemeinte Hilfe der Regierung genießt. Gs gibt nicht wenige Erzdemagogen die ganz genau wissen, daß sie den Hand⸗ werkern, den Kleinbauern blauen Dunst vormachen, um im trüben zu sischen, namentlich um in diesen Kreisen bei den Wahlen auf. dem Wege des unlauteren Wettbewerbs Geschäfte zu machen. Bei den Antisemiten ist die en g in fast verblüffender Weise aus— gebildet; für sie ist die Mitielstandzpolitik das Mittel zum Zwect Heschieht es durch unser Zutun, daß der Mittelstand in den letzten Jahrzehnten sich immer mehr zersetzt und immer mehr zerfällt? Wir
Unwillkürlich verralen Sie Herr Peus meinte, die
machen dafür lediglich das kapitalistische Wirischaftssystem und die . ,,,, verantwortlich. Diesem rf der Entwickelung ist die Masse der kleinen selbständigen Existenzen nicht gewachsen. Es gibt bestimmt abgrenzbare Klassengebiete, aber kein bestimmt abgrenzbares Gebiet, daz man. Mitielstand nennen könnte; der Mittelstand bat keine gemeinschaftlichen Klasseninteressen. Alle Maßnahmen nach denen Sie schreien, werden ihren Zweck ver— fehlen; wer die Geschichte des deutschen Handwerks und des Ge⸗ werbes kennt, wird solche Hoffnungen nicht mehr hegen. Ueber den Zerfall des Handwerks und deß Mittelstandes hat man in Deutschland schon geklagt, lange bevor es einen Kapitalismus gab. Herr Raab hat mit hohem sittlichen Ernst die Sozialdemokratie angeklagt, daß sie sich nicht an der Rettung des Mittelstandes beteiligen wolle; aber pie fuggestive Kraft solcher Redewendungen verliert sich immer mehr. Herr Heaab richtet, an uns die Frage, wie wir über die Zukunft des Schicksals des Mittelstandes denken. Wir haben ja längst unserer Meinung Ausdruck gegeben, daß er nicht zu erhalten sei. Damit ist purchaus nicht gesagt, daß es auch mit der preußischen Nation zu Ende ist. In Hamburg wird keiner glauben, daß wir durch die Auf— nahme der erwähnten Inserate im Hamburger „Echo“ den Mittelstand bewußt schädigen; das sind antisemitische Kinkerlitzchen, auf die niemand mehr hereinfällt. Die Annoncen in der Neuen Welt“ haben wir selbst perurteilt, und der Parteitag hat sich ebenso energisch dagegen erklärt; aber wir können uns nicht sofort von gewissen eingegangenen geschäft— lichen Verpflichtungen freimachen.
Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.): Die freisinnigen Parteien sollen nach Herrn Rgab für das Gesetz von 1896 erst gestimmt haben, nachdem wir ihm die scharfen Zähne ausgebrochen hätten; er beruft sich darauf, daß wir die Generalklausel daraus entfernt und dann für baß Gesetz gestimmt hätten. Damit dokumentiert er, daß er das Gesetz, fur dessen Revision er eintritt, nicht kennt, denn die General⸗ klaufel fsteht drin im 5 1, und wir haben mit der Klausel dem Gesetz zugestinmt. Wir haben es „-r nicht verschärft,
Abg. Raab: Was im vorgestern ausführte, habe ich an der 66 des ABC-Bucheé des Heren Eugen Richter angegeben.
amals entschuldigte Herr Eugen Richter sich noch gewissermaßen, heute wollen die Herren vom Freisinn schon gern des Ruhmes teil haftig fein, an oem Gesetz mitgearbeitet ju haben. An der Nede des Herrn Frohme war gewiß das Pathos das Beste, von mir har er an eine Stelle gesagt (mit äußerster Kraftanstrengung der Stimme); Herr Raab, der behauptet.... (Stüͤrmische Heiterkeit links) Sebern Sie, jetzt lachen Sie selbst. Ich habe aus dem Echo“ vom 1. Juni 1898 vorgestern zitiert; da steht sehr deullich: Wenn diese Mittelstandtpläne zu helfen vermöchten, so müßten wir sie doch bekämpfen usw.« Das ist konsequent und chilich. Sie wollen dem Hunde den Schwanz stückweise ab hacken; das Echo“ will ihn vollständig beseitigen. Wir danken aber für völlige Entfernung... (Redner zitiert noch weitere Artikel des Echo“ und aus dem Schuhmacherfachblatt des Abg. Bock einen Artikel, den nicht ein gewöhnlicher Walde, Feld⸗ und Wiesengenosse gefchrieben haben könne und in dem es heiße, man könne den Unter. gang des Mittelstandes nicht früh genug wünschen..) Sie wollen den Bauernstand, den Handwerkerstand vernichten, auch dadurch, daß Sie gegen die Mißstände beide Augen kräftig zudrücken; dagegen wehren wir uns, nicht mit Kinkerlitzchen, sondern mit Energie und guten Gründen.
Abg. Frohme erwidert, spricht aber so leise, daß seine ersten Bemerkungen auf der Tribüne nicht zu verstehen sind. Er verwahrt sich gegen die Heranziehung seines Pathos und protestiert gegen die Methode des Vorredners, aus dem Zusammenhange Sgerissene Sätze zum besten zu geben und mit solchem unbrauchbaren Material seine Behauptungen zu stützen. Die Ausfälle auf das „Echo seien wohl nur In Aerger darüber, daß das antisemitische Blättchen in Hamburg so wenig Abonnenten habe.
Damit schließt die Debatte.
Die Resolution Gröber wird in ihren vier Nummern (Erweiterung des Gesetzes, Regelung des Ausverkaufswesens, Aenderung des Gesetzes über die Abzahlungsgeschäfte, Verbot der Gründung und des Betriebes von Warenhäusern durch Offiziere und Beamte) angenommen; gegen die Nummer vier stimmen außer den Sozialdemokraten auch die Deutschkonser— vativen und ein Teil der Nationalliberalen. Die Resolution Rettich (Ausverkaufswesen) gelangt ebenfalls zur Annahme, dagegen wird die Resolution. Patzig (Ausverkäufe und Auktionen) abgelehnt und darauf gemäß dem Antrage Gröber
dem Reichskanzler als Material überwiesen.
Es folgt die Beratung der von den Abgg. Stötzel und Gen. (Zentü) und Auer u. Gen. (Soz) eingebrachten Re⸗ solutionen, betreffend das Bergrecht. Dieselben lauten:
JL. die verbündeten Regierungen zu ersuchen; .
15 dem Reichstag tunlichst bald einen Gesetzentwurf vorzu⸗ legen, durch welchen das Bergrecht einheitlich für das Reich ge⸗ regelt wird; ö. .
2) in der Gewerbeordnung. Bestimmungen vorzusehen, welche den Bergarbeitern einen der Eigenart des Betriebes entsprechenden und umfassenden Schutz gewähren;
3) sofort mit den beteiligten Einzelregierungen Verhandlungen zum Zwecke wirksamer Bekämpfung der Wurmkrankheit einzu⸗ leiten; . .
JI. . den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstag baldigst den Ent⸗ wurf eines Reichsberggesetzes vorzulegen, durch welches insbesondere vorgeschrieben wird: . . 5
1) Einführung einer täglichen regelmäßigen Schicht zeit von längstens acht, und in Betrieben, in welchen die Temperatur 28 Grad Cehfius übersteigt, von längstens sechs Stunden, .
2) obligatorische Teilnahme an der Ueberwachung der für die Betriebe erkassenen Schutzvorschriften durch Arbeiter, die von den Belegschaften in allgemeiner gleicher und geheimer Wahl ge— wählt sind, . k
3) Verbot der Frauenarbeit in den der Berginspektion unter⸗ stellten Betrieben, ;
4) einheitliche Regelung des Knappschaftswesens.“
Die beiden Resolutionen werden in der Diskussion ver— bunden. — . . .
Abg. Dr. Spahn (Sentr); Die Verschiedenheit in den Berg— gesetzen der Einzelstaaten ist sehr groß. Die Schwierigkeiten dieser Verschiedenheit wachsen, wenn es sich um Bergwerke handelt, die sich von dem einen auf den nächsten Staat erstrecken. Eine einheitliche Regelung des Bergrechts für das ganze Reich ist darum eine zwingende Notwendigkeit. Ebenso dringlich ist eine Ergänzung der Gewerbeord—⸗ nung zum Schutze der Bergarbeiter und eine gemeinsame Bekämpfung der Wurmkrankheit durch die deutschen Regierungen. Die Resolution Auer beantrage ich der Regierung als Material zu überweisen. Was speziell die einheitliche Regelung des Knappschaftswesens betrifft, so gebe ich zu, daß die jetzt geltenden Vorschriften über die Zahlung der Belträge ufw. gewisse Härten enthalten. Nachdem einmal die Freizügigkelt eingeführt ist, läßt es sich nicht rechtfertigen, daß ein e,. seine Beiträge verliert, wenn er einer anderen Knappschaft eitritt.
Abg. Sachse (Soz): Bereits vor fünf Jahren hahen wir einen ähnlichen Antrag gestellt wie heute. Seitdem ist die Notwendigkeit einer reichsgesetzlichen Regelung immer mehr hervorgetreten. Selbst der leidenschaftlichste Vertreter der Grubenbesitzerinteressen, der Abg. ab der glücklicherweise nicht mehr dem Hause angehört, hatte sich da⸗ är ausgesprochen, mit der Einschränkung, daß diese Regelung u. a. nicht auf das Knappschaftswesen ausgedehnt werde. Die acht. stündige Schicht bei den Bergwerken ist notwendig nicht nur, weil die Arbest eine schwere ist, sondern auch weil sie kei großer Hitze, Nässe und übermäßig schlechter Luft vor sich geht. Krankbeits« und die große Sterblichkeitsziffer der Bergleute, die sich
aus der Statistik der Knappschaftskassen ergibt, beweist, daß die Ge⸗
fundhestsderhältnisse im Bergbau von Jahr zu Jahr schlechter werden.
Die Schichtzeit ist in den letzten Jahren um 5 oo länger geworden. Selbst 2 der achtstündigen Schichtzeit muß man die Aus- und Einfahrt hinzurechnen, sodaß eine neun, bis neuneinhalbstündige Schicht herauskommt. Im Königreich Sachsen besteht die zehn— stündige Schichtzeit, sie wird aber von hinten herum zu einer zwölf⸗ stuͤndizen heraufgefchraubt. Vor fünf Jahren sprach sich auch Hilbck gegen die zwölfstündige und für eine achtstündige Schichtieit aus, mit ker man wohl auskommen könnte. Gegen notwendige Ueberschichten haben wir auch nichts, aber wir sind gegen eine Verlängerung der Schichten oder gegen Ueberschichten, die dazu bestimmt sind, den Aktionären den Säckel zu füllen. Der frühere Minister Brefeld gab zu, daß die vielen Unglücksfälle mit den Ueberschichten zusammen⸗ hängen Das rückständige, verrottete Oesterreich besitzt schon seit vier Jahren die neunstünzige Schichtzeit mit. Ein⸗ und, Aus⸗ fahrt, und das große mächtige Deutschland soll es nicht können? Auch Frankreich und England sind uns voran. Die Berg—⸗ inspektoten reichen zur Ueberwachung nicht aus; die Zahl der Unfälle im Bergbau nimmt stets zu, die Zahl der tödlichen hat allerdings abgenommen, aber nur infolge der Berieselung der Grubenfelder. Hätten wir Arbeiterinspektoren wie England, würden die Unfälle mehr und mehr abnehmen. Die durch eigene Schuld oder die der Mitarbeiter herbeigeführten Unfälle sind zurückgegangen. Redner befürwortet dann noch das Verbot der Frauenarbeit in den der Berginspektion unterstellten Betrieben und die einheitliche Regelung des Knappschaftswesens, dessen Mängel er eingehend schüldert. Er berührt dabei auch den Saarbrücker Prozeß, die schlechte Behandlung der Bergarbeiter durch ihre Vorgesetzten, und tadelt, daß die zahlreichen bergpolizeilichen Vorschristen nicht befolgt werden. Die Berginspektion müsse reformiert und ein einhertliches Reichsberggesetz geschaffen werden, in dem den Bergaͤnbeitern die obligatoriche Teilnahine an der Ueberwachung der Berg schutzborschriften gewährleistet werde. Der Antrag des Zentrums auf Matcrialüberweifung sei ein Rückschritt, denn diese Ueberweisung be— deute nichts weiter, als daß der Antrag in den Papierkorb geworfen werde. Das Zentrum meine es offenbar nicht ernst mit der Sache, denn sonft würde es nicht beantragen, seinen und den Antrag der fozialdemokratischen Partei dem Reichskanzler als Material zu über⸗ weifen. Aber auch wenn der sozialdemokratische Antrag so behandelt werde, sei das ein Rückschritt.
Hierauf wird die Verhandlung abgebrochen.
Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend J Uhr. (Erste Lesung des Etats, der Nachtragsetats, des Anleihegesetzes und des Gesetzentwurfs, betreffend die Aenderung der Wehrpflicht.)
Preuskischer Landtag. Herrenhaus. 29. Sitzung vom 2. Dezember 1904, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. .
Es folgt der mündliche Bericht der Kommission für den Staatshaushaltsetat und für Finanzangelegenheiten zu den vom Abgeordnetenhaus herübergekommenen Uebersichten von den Staatseinnahmen und ⸗ausgaben und von den Verwal⸗ tungseinnahmen und ausgaben der Preußischen Zentral— genossenschaftskasse für das Etatsjahr 1902.
Berichterstatter Herr von Zitzewitz-Zezenow beantragt, in Uebereinstimmung mit dem Abgeordnetenhause vorbehaltlich der
Prüfung und der Erinnerungen der Oberrechnungskammer die im Ftatsjahr 1902 vorgekommenen Ctatsüberschreitungen nachträglich zu genehmigen. ;
Das Haus beschließt nach diesem Antrage.
Es folgt die einmalige Schlußberatung über den zunächst dem Herrenhause vorgelegten Gesetzentwurf über die Ver⸗ legung der Landesgrenzen gegen die Freie und Hänsestadt Lübeck am Elbe-Trave⸗Kanal. Berichterstatter Serr von Graß empfiehlt, dem Gesetzentwurf unverändert die verfassungs mäßige Zustimmung zu erteilen. Es handle sich nur um einen Autfausch von Flächen und von Gebäuden; der Besitzstand beider Staaten werde nicht verändert
In der Generaldiskussion erinnert
Graf Finck von Finckenstein- Schönberg daran, daß Fürst Bismarck bei den Verhandlungen über den Elbe Trave⸗-Kanal den dringenden Wunsch ausgesprochen habe, dafür zu sorgen, daß die Lauenburgschen Anlieger für die ihnen durch den Kanal erwachsenen Nachteile entschädigt würden. Lübeck habe in lovaler Weise alles getan, um diefer Änregung Folge zu leisten. Dies sei mit Genug⸗ tuung festzustellen. —
Der Gesetzentwurf wird darauf in der Einzelbesprechung unverändert angenommen. ö. —
Die Gesetzentwürfe, betreffend die Errichtung eines Amtsgerichts in Langendreer und in Vietz, werden nach den mündlichen Berichten des Freiherrn von Sch orlemer ohne Debatte angenommen.
Es folgt der mündliche Bericht der verstärkten Justiz⸗ kommission über den vom Abgeordnetenhause unter Abänderung der Regierungsvorlage angenommenen Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Errichtung eines Oberlandesgerichts in Düsseldorf. 4
Berichterstatter Reichs bankpräsident Dr. Koch bean . dem Gesetzentwurf in der Fassung des Abgeordnetenhauses zuzustimmen und folgende Resolution anzunehmen: .
„Die Staatsreglerung aufzufordern, baldmöglichst einen Gesetz⸗ entwurf über die Errichtung von Landgerichten in Crefeld und München⸗-Gladbach vorzulegen. ö
und die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen durch die gefaßten Beschlüsse für erledigt zu erklären.
In der Generaldiskussion bemerkt
Sberbürgermeister Dr. Becker: Vur ungern nehme ich per— sönlich das Wort, ich bin hn Jahre Oberbürgermeister in Düsseldorf gewesen, jetzt 18 Jahre Dberbürgermeister von Cöln und muß aus sachlichen Gründen, den Gesetzentwurf bekämpfen, Er durchbricht das Prinjip der Gerichtsorganisation von 1879. Vorher hatten wir kleine Oberlandesgetschte oder Appellationsgerichte. Für die Rheinlande wurde nun das Oberlandesgericht Cöln errichtet. Man ging davon aus, daß große Gerichte mit bedeutenden Juristen die Ginheitlichteit mehr wahren. Dieses Prinzip wird nun durchbrochen durch die Teilung des Oberlandesgerichts Cöln. Das Kammergericht ist viel größer und wird nicht geteilt. Die Regierung in Düsseldorf ift auch sehr groß. Puttkamer dachte daran, sie zu teilen. Jetzt denkt niemand mehr daran. Durch die Teilung des Oberlandesgerichts Cöln würden die jetzigen Uebelstände auf zwei Gerichte verteilt werden. Mit dem Inkrafttreten des B. G. B. vermehrte sich natürlich die Zahl der Geschäfte. Jetzt aber ist ein Rückgang eingetreten, nachdem eine große Zahl neuer Streitigkeiten erledigt ist, und die Industrie wieder im Aufschwunge begriffen ist. Cöln hat noch nicht einmal die Hälfte der Senate des Kammergerichts, nämlich 8: 17. Beim Kammer⸗ gericht fielen in den Jahren 1896 bis 1801. auf einen Urteils verfasser 18, 54, 52, 48, Hl und 50 kontradiktorische Urteile, in Cöln 42 bis 53.
Die hohe
Darautz folgt auch, daß die Anwälte nicht so lähmend auf die Tätig⸗ keit der Richter eing⸗wirkt haben können. ran; Kehauptet nun, daß in Cöln sich ein ke wer weitläufiges mündliches Verfahren durch
ministers, sich zu assoziteren. Diese Assozigtion wäre noch weiter ge⸗ gangen, wenn nicht der Teilungsplan gekommen wäre. Die Ver⸗ schleppung der Prozesse erfolgt, mehr noch durch die nicht ganz richtige Zusammensetzung der Gerichte. Ich verkenne nicht die hohe Genialität des jetzigen Präsidenten. Aber um schlechte Gepflogenheiten zu bescinigen, bedarf es eines rügsichts⸗ lofen Vorgehens. In VDüsseldorf wurde vor 20 Jahren genau so geklagt über den schlechten Geschäftsgang des Land⸗ gerichts. Durch den Präsidenten Franz wurden alle diese Verschleppungen und Verzögerungen in 2 Jahren beseitigt. Seitdem funktioniert das Land⸗ gericht in Düsseldorf so glänzend, daß der Justizminister es anerkannt hat. Der jetzige Präsident in Cöln scheidet demnächst aus, und es wäre gut, ihn durch einen in dieser Richtung besonders geeigneten Präsidenten zu ersetzen. Ein zwingender Grund zur Teilung des Oberlandesgerichts in Cöln liegt also nicht vor. Viel richtiger wäre es, mit der Errichtung neuer Landgerichte, z. B. in Crefeld, endlich vor⸗ zugehen. Redner geht hierauf auf den Ursprung des neuen Planes ein und hebt hervor, daß die Stadt Cöln in der Besetzung mit öffent⸗— lichen Inslituten sehr schlecht bedacht sei. Das Oberlandesgericht sei eigentlich die einzige Provinzialbehörde, die Cöln noch besitze. Cöln aber verdiene gerade deshalb besondere Berücksichtigung, weil es durch den eisernen Festungsgürtel in seiner Entwickelung gehindert sei. In militärischer Beziehung sei es ebenfalls im Nachteil, eine Artillerie werkstätte werde zum Herbst verlegt usw. Nur wenn zwingende Gründe vorlägen, lasse sich gegen die Teilung nichts sagen. Sachliche Gründe sprächen aber nicht für die Teilung. Der Redner glaube, daß in kurzer Zeit geordnete Verhältnisse in Cöln hergestellt werden können,
N
und darum müsse er gegen die Vorlage stimmen.
Justizminister Dr. Schönstedt:
Meine Herren! Sie werden der Königlichen Staatsregierung nicht den Vorwurf machen, daß sie mit der Errichtung neuer Gerichte und insbesondere neuer Kollegialgerichte in der Monarchie zu leicht⸗ fertig vorgehe. Vielleicht werden Sie eher das Gegenteil behaupten, und ich glaube, wenn Sie die Geschichte der letzten zwanzig Jahre einigermaßen verfolgt haben, so werden Sie finden, daß in der Regel dem Andrängen auf Bildung neuer Gerichte die Königliche Staats— regierung mit einer gewissen Zurückhaltung gegenübersteht, daß viele Wünsche unerfüllt geblieben sind und unerfüllt bleiben, obgleich sie zum Teil mit nicht unwesentlichen Gründen unterstützt waren.
Wenn nun die Königliche Staatsregierung im vorliegenden Falle dazu übergegangen ist, Ihnen die Teilung des Oberlandesgerichts Cöln und die Errichtung eines neuen Oberlandesgerichts in Düssel⸗ dorf vorzuschlagen, so dürfen Sie überzeugt sein, daß das nicht in Uebereilung geschehen ist, daß es nicht geschehen ist ohne die aller— gründlichste Prüfung des Bedürfnisses, ohne die eingehendste Prüfung der vorliegenden Verhältnisse und der Mittel, die etwa zu besseren Zuständen führen könnten, als sie leider beim Oberlandesgericht in Cöln sich entwickelt haben. Die Königliche Staatsregierung ist sich ihrer Verpflichtung bewußt, dafür zu sorgen, daß dem rechtsuchenden Publikum nicht nur eine gute, sondern auch eine prompte Rechtepflege geboten werde, und wenn sie der Ansicht ist, daß dieser Verpflichtung ihrerseits nicht genügt werden könne ohne die Bildung neuer Gerichte, dann, glaube ich, werden Sie gut tun, den Anforderungen der Königlichen Staatsregierung keinen Wider— spruch entgegenzusetzen, sondern auf den Boden der Regierung zu treten. Die Verantwortlichkeit für eine geordnete Rechtspflege kann die Staatsregierung nur dann tragen, wenn ihr auch die Mittel gewährt werden, die sie dazu für notwendig erachtet.
Die Gründe im einzelnen, die zu der Vorlage geführt haben, über die Sie heute Ihr endgültiges Urteil abgeben sollen, hat der Herr Referent in einer so ausgezeichneten und klaren Weise Ihnen dargelegt, daß ich ihm kaum etwas hinzuzusetzen hätte. Er hat mir eigentlich schon allen Wind aus den Segeln genommen, und ich würde mich er—⸗ müdender Wiederholung schuldig machen, wenn ich noch einmal alles das wiedergeben wollte, was ja auch schon in der Begründung der Vorlage des näheren auseinandergesetzt ist.
Meine Herren, ich will Sie nicht ermüden mit den Zahlenangaben, aus denen sich bei nüchterner Vergleichung ergibt, in welchem Maße das Cölnische Oberlandesgericht nicht erst in den letzten Jahren, sondern seit einer ganzen Reihe von Jahren, schon seit dem Ende der achtziger Jahre, in seinen Leistungen zurückgeblieben ist gegenüber den Oberlandes⸗ gerichten in allen übrigen Provinzen, ich möchte sagen, fast gegen⸗ über allen Oberlandesgerichten des Deutschen Reichs. Wenn die Zahl der sogenannten kurzen Prozesse, d. h. derjenigen, die innerhalb eines halben Jahres zur Erledigung kommen, in Cöln eine ungewöhn— lich geringe war, dagegen die Zahl der Prozesse, die überjährig geworden sind, ein und zwei Jahre gedauert haben, (ine ungewöhnlich große, so beweist das, daß irgend elwas krank ist in den dortigen Einrichtungen. Wir haben dieser Krankheit auf den Grund zu kommen gesucht. Wir haben uns gewissenhaft bemüht, zu erforschen, worauf dieser Zustand zurückzu⸗ führen fein möchte und welche Mittel zu ergreifen sein möchten, um eine dauernde und wirksame Abhilfe zu schaffen, und wir sind zu keinem anderen Ergebnis gekommen, als zu demjenigen, das sich in dem vorliegenden Gesetzentwurf verkörpert hat. Meine Herren, es ist nicht ganz richtig, wenn gesagt worden ist, daß es Rich hier um Uebelstände handelt, die erst mit dem ungewöhnlichen Aufschwung der Geschäfte seit Beginn dieses Jahrhunderts hervorgetreten seien. Diese Uebelstände gehen viel weiter zurück; sie haben schon im Jahre 1892 dem damaligen Oberlandesgerichtspräsidenten Struckmann Veranlassung gegeben, im Verein mit sämtlichen Senatspräsidenten einen Appell an die Cölner Anwälte zu richten mit der Bitte, dafür zu sorgen, daß mehr Sachen zur Verhandlung vorbereitet und fertiggestellt werden, als bisher der Fall war. Es ist in diesem Schreiben, was ich auszugsweise bei der ersten Lesung im Abgeordnetenhause wiedergegeben habe, und das Sie im stenographischen Bericht nachlesen können, den Herren ans Herz gelegt worden, alle ihre Kräfte aufzuwenden, um zu besseren Zuständen zu gelangen und den Zustand sich nicht verewigen zu lassen, der dahin geführt hatte, daß die Senate tatsächlich in ganz un⸗ genügendem Maße beschäftigt waren, daß zahlreiche Sitzungen voll⸗ ständig ausfielen, weil keine Anwälte zur Verhandlung erschienen, daß andere zum geringen Teile ausgefüllt wurden, sodaß von einer völlig ausgefüllten richterlichen Tätigkeit keine Rede sein konnte. Das ist auch später nicht der Fall gewesen, und der Oberlandesgerichtspräsident in Cöln hat noch vor wenigen Tagen mich ausdrücklich ermächtigt, die Erklärung abzugeben, daß es in Cöln niemals an den nötigen Richtern gefehlt habe, daß dagegen häufig mehr Richter dagewesen seien, als dem Bedürfnis entsprochen habe. Die Vermehrung der Richterzahl hat vollkommen gleichen Schritt gehalten mit der erhöhten Tätigkeit der Anwälte, und durch diese erhöhte Tätigkeit der Anwälte, die ich an und für sich dankend anerkenne, hat sich die Möglichkeit er⸗
die Anwälte eingebürgert habe. ,, rheinischen Anwälte früher etwas eingehender plaldierten, ist vie eicht richtig. Aber seit 1879 hat
sich das eändert; sie haben angefangen, auf Anregung des Justiz⸗
geben, eine größere Anzahl von Senaten angemessen zu beschäftigen,