angeblichen Würdelosigkeit, von unserem Mangel an Selbftändigkeit
gegenüber Rußland. Davon ist keine Rede. Wir wollen uns aber au
nicht von ihm mit Rußland brouillieren lassen. Angriffe, wie sie der Herr Abg. Bebel soeben gegen Rußland gerichtet hat, sind doppelt bedauerlich
während eines Krieges; denn gerade während eines Krieges, wo d
Empndungen, die Leidenschaften geschärft sind, wo die Empfind⸗ lichkeit doppelt groß ist, soll sich der Unbeteiligte des Taktes be—⸗ fleißigen (sehr richtig! rechts), — eine Gottesgabe, die freilich unter
den Menschen verschieden verteilt ist. (Sehr gut! und Heiterkeit
Der Herr Abg. Bebel hat auch den Königsberger Prozeß berührt. Ueber die Voraussetzungen, unter denen dieser Prozeß eingeleitet geleitet
worden ist, über die Art und Weise, wie er
worden ist, über den Gang und über die Modalitäten dieses Prozesses
wird sich der preußische Herr Justizminister an zuständige Stelle aussprechen. (Lebhafte Rufe: Ah! links. Sehr richtig! rechts.
Für meine Person möchte ich Ihnen das Folgende sagen: Die Kritik, die an diesem Prozesse geübt worden ist, bewegt sich auf dem Gebiete
der Verschiedenheit der juristischen Auffassung. (Widerspruch links. Wenn Fehler begangen worden sind, so liegen sie auf dem Gebiet der juristischen Meinungsverschiedenheit (Widerspruch), au
dem Gebiete der juristischen Theorie. (Wiederholter Widerspruch links.) Es handelt sich bei diesem Prozeß aber nicht allein um theoretische Fragen, es handelt sich nicht allein um juristische Formfragen. Es daß die die in (Sehr richtig! rechts. Zurufe und Unruhe links.) Es handelt sich um die in Königs⸗ berg festgestellte Tatsache, daß die deutsche Sozialdemokratie zu diesem Zweck Schriften revolutionären, terroristischen, anarchistischen Inhalts (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Es handelt sich darum, daß auch die sozialdemokratischen Schriften,
handelt sich um die in Königsberg festgestellte Tatsache, deutsche Sozialdemokratie mit Bewußtsein daran arbeitet, Rußland bestehende Ordnung der Dinge zu beseitigen.
nach Rußland verbreitet hat.
die nach Rußland geschickt wurden, den Zweck verfolgten, die in Rußland bestehende Regierung ju stürzen. Wenn wir solche direkt gegen die Regierung eines uns befreundeten Landes gerichteten Treibereien gewähren lassen, so würden wir damit die guten und friedlichen Beziehungen zu diesen unseren Nachbarn gefährden. Wenn es in Rußland ärger zuginge als in Dahome, hätten wir doch die Pflicht, feindliche Handlungen gegen eine uns im voölkerrecht⸗ lichen Sinne befreundete Regierung zu verhindern. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) — Ich höre den Zwischenruf ‚unwürdig!“ Gine so plumpe Invektive reicht nicht an mich heran; sie fällt auf denjenigen zurück, der in unsere Verhandlungen eine solche Tonart einführt. (Lebhaftes Bravo! rechts und in der Mitte) — Wenn in Königsberg keine Verurteilung wegen Hochverrats erfolgt ist, so ge—⸗ schah das aus formal juristischen Gründen. Die Verhandlungen in
Königsberg haben keinen Zweifel darüber gelassen, daß die deutsche Sozialdemokratie mit Bewußtsein Tendenzen verfolgt und eine Tätigkeit entfaltet, die, wenn sie
ungehemmt vor sich ginge, unser Verhältnis zu Rußland schädigen und beeinträchtigen würde. Die deutsche Sozialdemokratie hat offen erklärt, daß sie im Interesse des allgemeinen Umsturzes den Umsturz in Ruß⸗ land herbeiführen will. Der sozialdemokratische Verteidiger in Königsberg, Herr Dr. Liebknecht, erklärte, es wäre die vornehmste Aufgabe des von der Sozialdemokratie geführten deutschen Volkes, tatkräftig zur Be⸗ freiung des russischen Volkes mitzuwirken. Das heißt doch mit dürren Worten Rußland provozieren, Rußland anrempeln, den Krieg mit Rußland. (Lachen bei den Sozialdemokraten) Eine sozial— demokratische Versammlung in Königäberg nahm die folgende Re⸗ solution an:
Die heute im Reformgasthause tagende öffentliche Volks⸗ versammlung spricht unter dem Eindruck der durch den Russen— prozeß vor aller Welt aufgedeckten barbarischen Zustände des Zaris— mus ihren um die Freiheit kämpfenden russischen Brüdern erneut ihre unerschütterliche Sympathie aus und erklärt, ihnen gegenüber die Pflichten internationaler Solidarität unbeirrt weiter erfüllen zu wollen, bis auch Rußland der westeuropäischen Kultur erschlossen und im Geiste eines modernen Rechtsstaates umgewandelt sein wird.“
(Bravo! bei den Sozialdemokraten) Vorher hat der Herr Abg. Haase erklart:
„Es ist Pflicht aller Mitglieder der Sozialdemokratie, von jetzt ab noch viel mehr für die Verbreitung russischer Schriften, die hier in Deutschland erlaubt sind, Sorge zu tragen.“
(Hört, hört! und Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)
In einer Berliner Volksversammlung erklärte der Herr Abg. Liebknecht (Heiterkeit und Zurufe rechts) — also der durchgefallene Abgeordnete Liebknecht (Heiterkeit) —:
Das praktische Resultat des Prozesses ist das, daß jeder frei⸗ gesinnte Deutsche erklären muß: ich halte es für meine Pflicht, den russischen Freiheitskämpfern zu helfen, — und jeder Parteigenosse muß sich verpflichtet halten, die Bestrebungen der russischen Partei⸗ genossen durch Einschmuggelung von sozialdemokratischen Schriften zu unterstützen. — Stürmischer Beifall. — Nicht nur jeder Partei genofse, sondern auch jeder freisinnige Mann muß dazu beitragen, daß die Bastille des Despotismus gestürzt werde, und daß wir bald rufen können: der Zarismus ist tot — es lebe die russische Freiheit!
(Bravo! bei den Sozialdemokraten.) — Stürmischer, langanhaltender Beifall. — — wie jetzt bei Ihnen. (Große Heiterkeit.)
In derselben Rede, meine Herren, äußerte Herr Liebknecht am 30. Juli über die Ermordung des russischen Ministers Plehwe:
„Gestern eilte die Kunde durch die Stadt, daß der Minister von Plehwe tot sei, daß der Bluthund von Wilna — minutenlanger tosender Beifall — gerecht gerichtet worden ist.
(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der Attentäter von gestern ist ebenso mutig gewesen wie der vor wenigen Tagen in Finnland. Auch hier hat der Attentäter das eigene Leben aufs Spiel gesetzt. Er wollte „das Volk vom Tyrannen befreien?! Das war Tells Geschoß. Ein ehrendes An denken ist diesem Helden sicher. Es sind edle Menschen, die die Bezeichnung Heroen verdienen. Wir aber haben die Pflicht, die russischen Sozialdemokraten zu unterstützen, und ich werde ihnen Schriften schicken, so oft ich kann, und ich bitte alle Sozialdemokraten, das gleiche zu tun.“
Stürmischer, langanhaltender Beifall folgte diesen Worten.
Und da wollen Sie bestreiten, meine Herren, daß Sie zu feind⸗ lichen Beziehungen mit Rußland treiben? Da wollen Sie bestreiten,
ch
ie planen. (Bravo! rechts.)
könnten, was Sie wollten, Sie uns in Feindschaft mit der russischen Regierung verwickeln würden? — Wohlgemerkt, nachdem Sie uns vorher wehrlos gemacht hätten durch die Einführung Ihres Miliz⸗ systems und alles dessen, was Sie zur Desorganisation unserer Armee
Der Herr Abg. Bebel ist auch nicht einverstanden damit, daß ich einen englischen Journalisten empfangen habe. Ich möchte den Herrn Abg. Bebel auf zweierlei aufmerksam machen. Ich möchte ihn einer seits darauf hinweisen, daß ich Herrn Bashford nichts gesagt zu haben glaube, was für das deutsche Publikum etwas Neues wäre.
boten wird, mich über die dortige Situation vor Ihnen und vor dem Lande auszusprechen. Als im vergangenen Jahre die ersten Nachrichten über den Aufstand der Herero bei uns eintrafen, habe ich von dieser Stelle aus der Zuversicht Ausdruck gegeben, daß das über Südwestafrika hereingebrochene Unglück das deutsche Volk und seine Vertretung einmütig finden würde, einmütig zum Schutze unserer be— drängten Ansiedler, einmütig zur Wahrung der Ehre unserer Flagge. Ich habe gleichzeitig gesagt, daß wir nicht ruhen würden, bis die Auf⸗= rührer, die ihre Hand gegen die deutsche Herrschaft erhoben, in ihre Schranken zurückgewiesen wären. Ich habe gesagt, daß wir nicht
(Sehr richtig! in der Mitte und bei den Nationalliberalen) Ich daran dächten, einen Fußbreit des Landes aufzugeben, auf habe ihm nur das gesagt, was nach meiner Ansicht die dem deutsches Blut geflossen ist. Und wenn Herr Bebel große Mehrheit der verständigen Deutschen — ich unter⸗ es soeben als einen Fehler der gegenwärtigen deutschen Politik r streiche das Wort verständig! — über unser Verhältnis zu bezeichnet hat, da zu bleiben, wo wir sind, so glaube ich und hoffe ich,
)GSGngland denkt.
orientieren, das hehalte ich mir selber vor. )
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aussuche, um über auswärtige Fragen dies oder jenes zu sagen, hängt ledig⸗ lich ab von dem, was ich im Interesse des Landes für nützlich und zweck⸗ dienlich halte, und das bestimme ich selbst. (Bravo! rechts.)
Der Grund, warum ich Herrn Bashford empfangen habe, als er den Wunsch aussprach, mich zu sprechen, war die unverkennbare und leidige Tatsache, daß eine gewisse Anzahl Publizisten während der letzten Monate ihren Platz in der englischen Presse benutzten, um Unkraut zu säen auf den Acker der deutsch⸗englischen Beziehungen. In der Politik darf man aber nicht warten, bis der himmlische Gärtner das Unkraut vom Weizen sondert, da muß man selbst zugreifen und sich der oft nicht erquicklichen Arbeit des Jätens unterziehen. Darum habe ich schon im November — es muß Anfang November gewesen sein — Herrn Bashford empfangen, der dann Anfang Dezember in der Ninetsenth Century“ seine Entrevue veröffentlichte. Ich hielt es für nützlich, bald zwei von den stacheligften Disteln auszuheben, die sich in der letzten Zeit unter dem Unkraut bemerkbar machten, also be—⸗ sonders die Behauptung, wir hätten uns in die Tibet ⸗Angelegenheit eingemischt, was eine Lüge war, und die Behauptung, wir hätten den Huller Zwischenfall durch perfide Ausstreuungen herbeigeführt, was eine zweite Lüge war. Also ich habe mich bemüht, diese bösartigen Erfindungen aus der Welt zu schaffen.
Sie dienen, meine Herren, wie Sie wissen, derjenigen publizistischen Kampagne, die nicht erst seit gestern sich bemüht, die friedlichen Beziehungen zwischen Deutschland
und England zu stören. Sie werden nicht von mir verlangen, daß ich auf alle hetzerischen Erjeugnisse dieser publizistischen Kampagne eingehe. Wenn aber, meine Herren, solche Hetzer zur Basis ihrer Angriffe und Verdächtigungen die Annahme machen, als wenn wir mit unserer Flottenpolitik aggressive Pläne gegen England verfolgten, und wenn zu meinem tiefen Bedauern auch der Herr Abg. Bebel sich bierüber nicht mit der wünschenswerten vollen Klarheit und apodiktischen Gewißheit ausgesprochen und die Verleumdungen zurückgewiesen hat, dann frage ich Sie alle, die Sie an unserem Flottenprogramm mitgewirkt haben, ob unsere Flotte andere als rein defensive Zwecke verfolgt. Sie verfolgt nur defensive Zwecke und wird auch in Zukunft keine anderen als defensive Zwecke verfolgen. Dafür sorgt nicht nur unser Friedensbedürfnis — selbstverständlich, meine Herren, das Bedürfnis eines Friedens in Ehren — sondern dafür sorgt auch die rapide Zunahme der meritimen Machtmittel aller übrigen seefahrenden und seekräftigen Nationen. Der Kreis der seefahrenden Nationen hat sich in den letzten Jahren viel zu rasch entwickelt, als daß irgend eine Macht den Anspruch auf universelle Seeherrschaft erheben könnte. In der alten Welt, als die Länder um das Mittelmeer den Erdkreis bedeuteten, als Rom und Karthago um die Suprematie rangen, da hatte das Ceterum censeo des alten Cato vielleicht die politische Logik für sich. Noch als die Engländer ihre Seekriege führten gegen Spanien, gegen Holland, gegen Frankreich, winkte dem Sieger als Preis das Monopol auf dem Meere. Heute ist das anders. Was hat heute ein Volk gewonnen, wenn es einen seiner maritimen Nebenbuhler niederwirft? Es wird vielleicht den wirtschaftlichen Organismus dieses Gegners zerstören, aber es wird sicher auch seinem eigenen Handel die schwersten Wunden schlagen. Es wird die Geschäfte der anderen besorgen, die mit Ver— gnügen die leeren Plätze auf dem Weltmarkt einnehmen und sich auf ihnen häuslich einrichten würden. Auch wer als Sieger aus einem solchen Kriege zurückkehrte, würde nicht ohne den schwersten und dauerndsten Schaden die friedliche Arbeit wieder aufnehmen. (Sehr richtig) Und zu diesem Schaden rechne ich nicht nur, was wahrend des Krieges passiert. Ich rechne auch dazu die Folgen des Hasses, der Erbitterung, die sich oft noch Jahrzehnte nach beendigtem Kriege geltend machen, die oft noch lange nachher hypnotisierend auf die ehemaligen Gegner wirken. Frankreich und Deutschland wissen davon ein Lied zu singen. .
Meine Herren, wenn ich aus dieser Darlegung die praktische Nutzanwendung ziehen soll, so ist es diese: Ich wiederhole auch vor diesem Hause, ich kann mir nicht denken, daß der Gedanke eines deutschenglischen Krieges bei den vernünftigen Leuten in beiden Ländern ernstlichen Anklang finden sollte. Sie erwägen nüchtern den ungeheuren Schaden, den auch bei günftigstem Ausgang ein solcher Krieg über das eigene Land bringen würde, und die Rechnung ergibt, daß der Einsatz für die sicheren
Verluste viel zu hoch ist. Deshalb, meine Herren, nehme ich für meinen Teil die Feindseligkeiten eines Teils der englischen Presse nicht zu tragisch. Ich hoffe, die Schicksale
beider Länder werden immer von den kühlen Köpfen bestimmt werden, die wissen, daß Deutschland und England nicht nur für die Gegenwart, sondern für alle Zukunft, soweit sie dem menschlichen Auge erkennbar ist, mit elner Aufrechterhaltung der gegenwärtigen friedlichen Beziehungen am besten gedient ist. (Lebhafter, allseitiger Beifall.)
Meine Herren, von zwei Seiten ist die Lage der Dinge in Süd—
daß, wenn Sie das Heft in die Hand bekämen, daß, wenn Sie machen
Zu beurteilen, wann und wie ich es für richtig und zweckentsprechend halte, die öffentliche Meinung anderer Länder zu
Wenn aber der Herr Abg. Bebel weiter gesagt hat, ich hätte diese Darlegungen im Reichstage machen sollen, so glaube ich, daß es f wenige Minister des Aeußern gibt, die sich so oft und so eingehend über auswärtige Fragen aussprechen, wie ich, und ich glaube, daß mir in dieser Beziehung ein begründeter Vorwurf nicht gemacht werden kann. Ich bin aber nicht ein Feuerwerker, der zweimal im Jahr auf⸗ zutreten hat, um an einem bestimmten Termin ein Feuerwerk abzu⸗ brennen. (Heiterkeit; Wann und wie ich über Fragen der aus⸗ wärtigen Politik überhaupt sprechen will, der Zeitpunkt, den ich mir
daß die große Mehrheit dieses hohen Hauses und die große Mehrheit des deutschen Volkes gerade der entgegengesetzten Ansicht ist. (Sehr richtig! rechts) Und ich habe mich endlich bereit erklärt, die volle Ver= antwortung zu übernehmen für alle Truppensendungen, die behufs rascher Niederwerfung des Aufstandes von zuständiger militärischer Seite für notwendig erklärt werden würden, ebenso wie für die Kosten, die aus diesen Maßnahmen zur Bekämpfung des Aufstandes hervorgehen würden. Wenn wir dieses hohe Haus zu diesem Zwecke nicht schon im Sommer einberufen haben, so geschah es einerseits, weil damals und auch noch im Frühherbst die Lage der Dinge in Südwestafrika sich nicht übersehen ließ, und weil anderseits nach der Haltung, die dieses hohe Haus in diesen Fragen bisher eingenommen hatte, wir uns der Erwartung hingeben konnten, daß es diejenigen Maßregeln billigen würde, die wir getroffen haben, um Südwestafrika für Deutsch⸗ land zu erhalten. (Sehr richtig!)
Nach diesen meinen Erklärungen, meine Herren, sind wir ver⸗ fahren. Wir haben mit jeder denkbaren Beschleunigung vom ersten Tage des Aufstandes an bis zu diesem Augenblicke alle Truppen und alle Hilfsmittel nach Südwestafrika gesandt, die von militärischer Seite für notwendig erklärt wurden. Es hat sich herausgestellt, daß wir gegen einen weit zahlreicheren, besser bewaffneten, besser organi⸗ sierten, besser geführten Feind zu kämpfen hatten, als auch von den Kennern des Landes vorher angenommen worden war, Der Aufstand in Südwestafrika hat dem deutschen Volke große Opfer auferlegt, sehr schwere, sehr schmerzliche Opfer an Gut und vor allem an Blut. Um so rühmlicher ist das Verhalten derjenigen, die frei⸗ willig sich zum Kriegsdienst bereit fanden im fernen Lande. (Bravo ) Ich danke dem Herrn Abg. Spahn für die Art und Weise, wie er
unserer in Afrika fechtenden Truppen gedacht hat. Wir verdanken es in der Tat der Tapferkeit und der Aus⸗ dauer unserer Leute, die keine Strapazen und keine
Entbehrung gescheut haben, wir verdanken es der umsichtigen Führung des Generals von Trotha, wir verdanken es der Tüchtigkeit und der Todesverachtung seiner Offiziere, wenn die Kampagne im Herero— lande jetzt in der Hauptsache als beendigt angesehen werden kann. Der Widerstand der Herero erscheint gebrochen, dank vor allem der Energie unserer Truppen, die sich nach jedem Gefecht dem Feinde wieder an die Ferse hefteten.
Allerdings ist unseren Truppen eine neue und schwere Aufgabe gestellt worden und hat ein neuer und schwerer Schlag Sũdwestafrika ge⸗ troffen durch den Aufstand der Witboois und anderer Hottentottenstãmme. Dadurch ist auch in dem bis her verschont gebliebenen Süden unseres Schutz gebiets manche in harter Arbeit zur Blüte gebrachte Heimstätte zer⸗ stört worden, haben wir den Verlust mancher Menschenleben zu be⸗ klagen. Der General von Trotha hat so rasch als möglich alle dis⸗ poniblen Truppen nach dem Schauplatz der Unruhen geschickt. Wir haben das Vertrauen zu unseren Leuten, daß sie auch dort tun werden, was ihnen möglich ist, um die in Not befindlichen Ansiedler zu retten und den Aufständischen die Auflehnung gegen die deutsche Herrschaft ein für allemal zu verleiden.
Meine Herren, was nun? Vor allem handelt es sich darum, in dem verwüsteten Gebiet Ruhe und Ordnung, Sicherheit für Leben und Eigentum wiederherzustellen. Das sind die unerläßlichen Vor⸗ autsetzungen für die Wiederaufnahme jedes geordneten Wirtschafts⸗ betriebes.
Eines aber möchte ich ausdrücklich sagen. Wir sind weder so grausam, noch sind wir so töricht, die einzige Möglichkeit der Wiederherstellung geordneter Zustände darin zu erblicken, daß die jetzt aus den Wüsteneien des Sandfeldes hervorströmenden halbverhungerten und verdursteten Hererobanden erbarmungslos niedergeknallt werden. Davon kann keine Rede sein. Gewiß, meine Herren, ich halte es für unsere heilige Pflicht, die Wiederkehr eines solchen Aufstandes für alle Zeit un⸗ möglich zu machen. Ich glaube, daß in Zukunft keine Feuerwaffe in den Händen eines Eingeborenen bleiben darf. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen Ich bin auch der Ansicht, daß die Organisation der Kapitänschaften, die allein die Geheim⸗ haltung der weitverzweigten Vorbereitungen des Aufstandes ermöglicht hat, nicht wieder aufleben darf. Wir werden uns vielleicht genötigt sehen, die Eingeborenen behufs besserer Ueberwachung in Reservate zu überweisen. Aber von einer Ausrottung der Eingeborenen kann, abgesehen von allen Gründen der Menschlichkeit, die wir immer hochhalten werden, schon aus der praktischen Erwägung heraus nicht die Rede sein, daß wir die Eingeborenen für jede Art des wirtschastlichen Betriebes in Sũdwest⸗ afrika, für die Landwirtschaft, für die Viehzucht und insbesondere für den Bergbau gar nicht entbehren können. Auch darüber wird kaum ein Zweifel obwalten können, daß wir in Südwestafrika eine Truppenmacht halten müssen, die stark genug ist, um jeden neuen Aufstandetversuch im Keim zu ersticken.
Meine Herren, nun hat der Herr Abg. Bebel auch wieder gesagt, der Wert von Südwestafrika sei ein sehr geringer; Südwestafrika sei, wie ich schon mehr wie einmal in der ihm nahestehenden Presse gelesen habe, eine Sandwüste, die aller für sie gemachten Auf⸗ wendungen spotte. Das ist nicht die Ansicht der Kenner des Landes, nicht die Ansicht derjenigen, die bereit sind, dort ihre eigene Haut und ihr eigenes Geld zu Markt zu tragen. Die Untersuchung der mineralischen Bodenschätze — ich will von allem absehen, was nicht zweifellos feststeht — hat das Ergebnis geliefert, daß eine große Gesellschaft sich bereit erklärt hat, ohne Reichszuschuß, ohne Landüber— weisungen auf eigene Kosten eine Bahn von Swakopmund nach den
Kupferlagern von Otavi in der Länge von 500 —00 Km zu bauen.
westafrika berührt worden. Ich freue mich, daß mir Gelegenheit ge—
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
zum Deutschen Reichsan
, 28.
63
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
jese Bahn, deren Kosten auf etwa 16 Mill. Mark berechnet
e r e dn. sein wird, dann wird diese Privatbahn die größte hisher vollendete deutsche koloniale Eisenbahn sein. Hinter dieser Ge⸗ sellschaft stehen große Banken, die nicht gewohnt sind, ihr Geld fonds perdu herzugeben. Und was die landwirtschaftliche Qualifikation pon Südwestafrika angeht, so sind alle Renner des Landes, die ich ge⸗ sprochen habe, darüber einig, daß weite Flächen des Bodens von Süd westafrika um nichts schlechter sind als der Boden des benachbarten hritischen Südafrika. Die Fortschritte, die Farmwirtschaft und Vieh⸗ zucht vor dem Beginn des Aufstandes gemacht haben, sind uns ein Unterpfand dafür, daß auf die Länge dem Fleiß unserer Ansiedler nicht versagt werden wird, was Briten und Buren in Südafrika ge— n ist. (Sehr richtig! . un, ear einen Punkt möchte ich noch berühren. Eines ist notwendig, wenn wir den wirtschaftlichen Aufbau von Süd⸗ westafrika sichern wollen: daß wir der Kolonie diejenigen deute erhalten, die in jahrelanger, mühsamer Arbeit sich dort eine eigene Heimstätte und einen gewissen Wohlstand erworben hatten, bevor der Aufstand ihnen alles nahm. Eebhaftes, mehr⸗ seitiges Sehr richtig h Sie wissen, daß die Farmer, die durch den Aufstand um Hab und Gut gekommen sind, eine Deputation nach Deutschland geschickt haben, um hier ihre Ansprüche zu vertreten. Es ist mir eine besondere Freude gewesen, diese Deputation
zu empfangen und ihr meine Fürsprache zuzusagen; und ich glaube, mich nicht zu irren, wenn ich annehme, daß auch viele Herren aus diesem hohen Hause die Dar⸗
legungen der Deputation gehört und Gelegenheit gehabt haben, durch Besprechung mit Mitgliedern der Deputation sich über die Lage der Dinge zu informieren. Ich möchte Sie dringend bitten, meine Herren, diese Entschädigungsfrage nicht als eine Rechtsfrage zu behan denn. Für meine Person bin ich der Ansicht, daß das Reich gegenüber den Ansiedlern, die es unter seinen Schutz
genommen hat, mindestens moralische Verpflichtungen hat (sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberaleny, und daß es
für das Reich eine Ehrenpflicht ist, soweit es diesen Schutz nicht hat durchführen können, den angerichteten Schaden so sehr als nur irgend möglich gut zu machen. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.) Diejenigen Herren aber, die sich diese Anschauung nicht an— eignen können, möchte ich bitten, sich wenigstens auf den Stand⸗ punkt des öffentlichen Interesses zu stellen. Der Aufstand in Südwestafrika hat unsere Kolonie schon so viel wertvolle Kräfte gekostet, daß es unverantwortlich wäre, wenn wir durch eine unbillige oder von ihnen selbst als unbillig empfundene dandlungsweise die verschont gebliebenen Ansiedler aus dem Lande treiben wollten. Wir brauchen dieses in langen Jahren angesammelte Kapital von Erfahrungen, wir brauchen die alten Südwestafrikaner als Lehrmeister, als Wegweiser für die Zukunft. Schon deshalb sollten wir ihnen sobald als möglich die Mittel gewähren, um sich wieder einen Haus⸗ stand zu gründen und mit neuem Mut und neuer Zuversicht ihre wirtschaftliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. Deshalb bitte ich dieses hohe Haus nachdrücklich, in dieser hochwichtigen Frage den Vor⸗ schlägen, die wir Ihnen in dem Nachtragsetat für Südwestafrila machen, Ihre Zustimmung nicht zu verweigern. (Bravo! rechts, in der Mitte und bei den Nationalliberalen.) ; ; Es ist natürlich, daß ein Unglück, wie das gegenwãrtige über Südwestafrika hereingebrochene, auch eine Lehre für die Zukunft enthält, namentlich eine Lehre darüber, wie teuer Versaumnisse zu stehen kommen. Es ist aber auch natůrlich, wenn sich an diese Vor⸗ gänge eine Kritik unserer Kolonialorganisation in Südwestafrika ge⸗ knüpft hat. Ich finde Kritik auch hier berechtigt. Sie erstreckt sich, wie Sie wissen, hauptsächlich auf die Frage, ob Militär⸗ oder Zivil · verwaltung, auf die Frage der Selbstverwaltung der Kolonie, auf die Frage der Ausgestaltung der Kolonialabteilung zu größerer Selk⸗ ständigkeit, auf die Frage der Organisation unserer kolonialen Streit- kräfte. Alle diese Fragen unterliegen zur Zeit den eingehendsten Er⸗ wägungen, die noch nicht zum Abschluß gebracht sind. Ich möchte gerade bei organisatorischen Fragen Ueber stürzung vermeiden, weil ich der Ansicht bin, daß dauernde Einrichtungen nicht unter dem Eindruck einer unvermuteten Krisis, eines akuten Zustandes abgeändert oder neugestaltet werden sollen. Was ich, meine Herren, über diese Fragen schon heute sagen kann, möchte ich, wie folgt, zusammenfassen. I) Es ist meine von Seiner Majestät dem Kaiser gebilligte Absicht, für die Zukunft die eigentliche Verwaltung des südwestafrikanischen Schutzgebietes, ent⸗ sprechend dem Wunsche seiner Bewohner, einem Zivilgouve rn eur ju unterstellen. (Bravoh In Vorbereitung dieser Aenderung ist der Generalkonsul von Lindequist, der mit den Verhältnissen des Schutz⸗
gebietes genau bekannt ist und in dem Schutzgebiet, wie ich hinzufüge, das allgemeine Vertrauen der Einwohner genießt, als Gouverneur der 2) Ich halte es für nötig, daß wir zu einem weiteren Ausbau der Selbstverwaltung unserer Schutzgebiete innerhalb derjenigen Grenzen gelangen, die durch die Rechte des Mutterlandes und seiner gesetzgebenden Körperschaft gezogen sind. Ein wesentlicher Schritt nach dieser Richtung ist bereits durch meine Verordnung vom 24. Dezember vorigen Jahres über die Bildung von Gouvernementsbeiräten geschehen; die Einrichtung funktioniert in diesem Jahre zum ersten Male und wird nach den sich ergebenden Erfahrungen weiter ausgestaltet werden. 3) Im Zusammenhang mit der selbständigeren Stellung der einzelnen Schutzgebiet derwaltungen müssen wir auf dem einen oder anderen Wege dazu kommen, die Rechnungsablegung und Rechnungskontrolle vom Rechnungshof nach
Kolonie in Aussicht genommen worden.
den Schutzgebieten zu übertragen (sehr richtig), um auf diese Weis
sowohl die Lokalverwaltungen draußen als auch die Zentralverwaltung bier in Berlin von einer unfruchtbaren und dabei stetig wachsenden und jetzt schon kaum mehr zu bewältigenden Arbeitslast zu befreien.
der gegenwärtige Zustand trägt den Stempel eines Provisoriums an der Stirn.
Zweite Beilage
Berlin, Dienstag, den 6. Dezember
Die Kolonialabteilung ist keine oberste Reichsbehörde, sondern eine der vier Abteilungen des Auswärtigen Amts. Anderseits hat sie nach der Allerhöchsten Verordnung vom 12. De⸗ zember 1894 die Geschäfte der eigentlichen KRolonialverwaltung unter der unmittelbaren Verantwortung des Reichskanzlers wahr⸗ zunehmen und ist dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes nur so weit unterstellt, als es sich um ö K zu fremden Staaten um die allgemeine Politik handelt. U . Daß diese , fn auf die Dauer nicht haltbar ist hat sic bei der Gelegenheit des südwestafrikanischen Aufstandes deutlich gezeigt.
(Sehr wahr) Im Rahmen einer bloßen Abteilung einer obersten Reichsbehörde lassen sich die stark angewachsenen Geschäfte der Kolonialverwaltung nicht mehr erledigen. Bei der Ausdehnung und Wichtigkeit, welche die kolonialen Ge⸗
schäfte angenommen haben, muß der Reichskanzler in der dage sein, für diese Geschäfte ebenso wie für alle anderen Ressorts einen verantwortlichen Stellvertreter zu bestellen. In dieser Lage bin ich heute nicht; nach dem Stellvertretungsgesetz von 1878 kann der Reichskanzler nur die Vorstände der obersten Reichsbehbrden mit seiner verantwortlichen Stellvertretung betrauen, und die Kolonial⸗ abteilung ist keine oberste Reichsbehörde. Anderseits ist durch die besondere Organisation der Kolonialabteilung der Chef des Aus⸗ wärtigen Amtes, dem die Kolonialabteilung angehört, ausdrücklich von der unmittelbaren Einwirkung auf die Geschäfte der eigentlichen Kolonialverwaltung ausgeschlossen. In ruhigen Zeiten ist ein solcher Zwitterzustand zur Not zu ertragen; bei ernsten Ereignissen aber hat er nach meiner Ueberzeugung seine Unhaltbarkeit gezeigt. Endlich fünftens: besonders wichtig und, wie ich hinzufügen muß besonders schwierig ist die Frage der Organisation unserer kolonialen Streitkräfte und des Verhältnisses dieser Organisation zu der Zivil⸗ verwaltung der Kolonien. Ich bin heute noch nicht in der Lage, Ihnen Mitteilung darüber zu machen, ob und in welchen Richtungen eine genaue Würdigung der bisherigen Erfahrungen hier Anlaß zu Aenderungen geben wird; ich kann nur versichern, daß auch auf diesem Felde kein Schritt ohne die sorgfaͤtigste und gewissen· hafteste Prüfung und Abwägung von Vorteilen und Nachteilen ge—⸗ schehen soll. ; Meine Herren, wenn ich von Aenderungen in unserer Kolonial⸗ organisation spreche, so will ich mich von vornherein gegen den Vor⸗ wurf verwahren, als ob ich die Tragweite solcher zum Teil nur formalen Aenderungen überschätzte. Eine schlechte und veraltete Kolonialorganisation kann natürlich großen Schaden anrichten, aber auch die beste Kolonialorganisation ist mn wirl lot rar dem Geiste, der in ihr lebendig ist. In dieser Beziehung — das spreche ich ganz offen aus — haben wir noch große Fortschritte in machen. (Sehr richtig!) Der Gang der deutschen Geschichte während der letzten Jahrhunderte war der Entwickelung des Verständnisses für koloniale und überseeische Aufgaben nicht günstig. Es fehlt uns noch vielfach die Tradition, es fehlt uns die Erfahrung, über welche andere, ältere Kolonialvölker verfügen. Es gibt bei uns noch nicht viele Leute, denen nach Er⸗ fahrung und nach Kenntnissen schwierige koloniale Aufgaben mit gutem Gewissen anvertraut werden können. 2 Ich hoffe, meine Herren, daß es mir mit der Unterstũtzung des Herrn Chefs der Kolonialverwaltung, dessen treuer und selbstloser Pflichterfüllung auf einem der schwierigsten Posten der gesamten Reichsverwaltung ich volle Anerkennung zolle (Bravo!) ö ich sage ich hoffe, daß es mir mit seiner Unterstützung gelingen wird, in dieser Beziehung einen Fortschritt herbeizuführen. Im letzten Ende, meine Herren, wird allerdings unsere koloniale Zukunft und wird unsere Stellung als Weltmacht davon abhängen, daß das deutsche Volt selbst sich durchringt zu einem immer volleren Verstãndnis der großen Aufgaben unserer überseeischen und unserer Weltpolitik, wie sie mehr als einmal vor diesem hohen Hause dargelegt worden sind. Manche Anzeichen deuten darauf hin, daß die jüngsten Erfahrungen in Südwestafrika nicht nur für die Regierung und nicht nur für die Kolonialverwaltung, sondern auch für die offentliche Meinung eine Lehre gewesen sind. (Sehr gut h Wenn dem so ist, dann werden wir hoffen können, daß auch in Südwestafrika aus Ruinen neues Leben blühen wird. (Bravoh — Meine Herren, von zwei Seiten ist auch die Diätenfrage berührt worden. Auf diese Frage werde ich heute nicht näher eingehen. (Heiterkeit) Was ich nach Lage der Dinge über diese Frage sagen kann, habe ich schon einmal vor diesem hohen Hause dargelegt; das hat mein ver⸗ ehrter Nachbar und Stellvertreter Graf von Posadoweky im ver— gangenen Winter wiederholt ausgeführt. Ich muß es mir also ver⸗ sagen, das so oft Gesagte zu wiederholen und die pro und contra mehr als einmal dargelegten Gründe hier noch einmal durchzugehen.
vorgebracht worden ist.
bleibt. (Heiterkeit)
aber wenden.
ob es eine verbündeten
Rücksichtslosigkeit der
zeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
vorgekommen ist. ist dem andern billig.
Regierungen wollen
Ich glaube mir das um so mehr versagen zu können, als auch in der heutigen Debatte tatsächlich und prinzipiell nichts Neues über diesen Punkt Es ist insbesondere nach meiner Empfindung kein durchschlagender Grund dafür vorgebracht worden, daß wir die Düätenfrage pro hie et nunc lösen müßten. Man kann im Prinzip der Gewährung von Diäten nicht abgeneigt und doch der Meinung sein, daß der gegenwärtige Zeitpunkt der Regelung dieser Frage nicht des günstig ist, daß diese Regelung besser einem späteren Zeitpunkt vorbehalten
Gegen einne Aeußerung des Herrn Abg. Bebel muß ich mich Der Herr Abg. Bebel hat so gesprochen, als Regierungen wäre, daß sie dem Beschluß des Reichstags über die Gewãhrung von Anwesenheltsgeldern noch nicht ihre Zustimmung erteilt hätten. Meine Herren, wenn der Bundesrat einem von diesem hohen Hause e beschlossenen Antrag oder Resolutionen dieses hohen Dauses nicht ohne weiteres seine Zustimmung erteilt, so ist das ebenso wenig eine Rücksichtslosigkeit, ebenso wenig eine Unhöflichkeit, ebenso wenig auch nur eine Unliebenswürdigkeit, als wenn dieses hohe Haus Gesetz
1904.
Was dem einen recht ist,
(Sehr richtig! rechts.)
Daß die verbündeten Regierungen an einer klaren und unzwei⸗
deutigen Bestimmung der Verfassung, an einem zweifellosen Artikel der Reichsverfassung festhalten, daraus können Sie ihnen keinen
(Sehr richtig! rechts) Die verbündeten nicht oder sie wollen noch nicht in eine Aenderung der Reichsverfassung einwilligen, weil sie der Ansicht sind, daß jede Aenderung der Reichs verfassung eine überaus ernste Sache ist, die man sich reiflich überlegen muß Geiterkeit links). Ich möchte namentlich die Herren von der äußersten Linken auf einen Widerspruch in ihrer Haltung aufmerksam machen, auf, einen klaffenden Mangel an Logik. Wenn von irgend einer Seite eine Verfassungsänderung angeregt wird, die den Herren von linkẽ nicht paßt, dann entsteht ein furchtbares Geschrei über die Be⸗ drohung der Verfassung; wenn es sich dagegen um eine Verfassungsänderung handelt, die ihnen genehm ist, dann hört die Verfassung auf, ein unantastbares deiligtum zu sein. (Sehr richtig! rechts.) Wir müssen alle versuchen, mit der Verfassung, wie sie nun einmal ist, auszukommen, wir müssen alle die Verfassung respektieren — die verbündeten Re⸗ . gierungen am längsten und am meisten. Daraus können Sie uns keinen Vorwurf machen. . Und noch eines möchte ich sagen: Wenn der Herr Abg. Bebel eben im Namen des Deutschen Reichstags für die Würde des Reichs tags gegenüber den verbündeten Regierungen plädiert hat, so hat mich das doch eigentümlich berührt in demselben Augenblick, in dem der Herr Abg. Bebel der Mehrheit dieses Reichstags, der aus allge⸗ meinen, direkten geheimen Wahlen hervorgegangenen Mehrheit des Reichstags eine solche Beleidigung ins Gesicht geworfen hat, daß er dafür zur Ordnung gerufen worden ist. Davon will ich ganz absehen, daß ich mich erinnere, in dem öfters zitierten Buch: „Die Frau! gelesen zu haben, im Zukunftsstaat würden die Parlamente verschwinden, und die Sozialdem okratie mache sich aus dem Parlamentarismus nicht viel. Also verstehe ich nicht, weshalb Sie gerade im Namen der Rechte und der Würde des Parlaments für Diäten plädieren. . Meine Herren, endlich hat der Abg. Bebel auch gesagt, wir seien nicht reich genug, um unsere Rüstungen aufrecht zu erhalten. Meine Herren, diese Melodie kennen wir. Diese Melodie ist erklungen, solange es eine deutsche Geschichte gibt. Diese Melodie hörte man schon auf dem Regensburger Reichstage. Der sagte, gerade so wie heute der Herr Abg. Bebel, wenn der Reichspfennig verlangt wurde, der Reichspfennig sei primo modo unerschwinglich, und nachher kamen die Franzosen und preßten uns zehnmal mehr aus, als was primo modo für unerschwinglich erklärt werden war. Heiterkeit.) Und auch in der Konflikte zeit, in den fünfziger und sechꝛiger Jahren, hieß es immer, es wäre kein Geld da für militäriscke Zwecke. 2 Was wäre aus uns geworden, wenn dieser Standpunkt damalt die Oberhand gewonnen hätte! (Sehr wahr! rechts) Nut gegen die eine Behauptung des Abg. Bebel will ich mich noch wenden, das deutsche Volk mache unverhältnismäßige Ausgaben für militãrische Zwecke. Ich habe hier eine Uebersicht vor mir liegen über die Aus⸗ gaben, welche die verschledenen Länder im Verhältnis zu ihrer Ein— wohnerzahl für militärische Zwecke machen. Ich habe sie entnommen einem gut geschriebenen Aufsatz des Generalleutnant von Pellet Narbonne, der mir vor einigen Tagen vorgelegt worden ist. Die Zahlen sind aus dem Bericht eines französischen Berichterstatters, was nach dem, was der Herr Abg. Bebel eben ausgeführt hat, ihm besonderes Vertrauen einflößen wird. (Heiterkeit.) . —⸗ Danach konstatiere ich, daß Frankreich jährlich für sein Heer aus gibt 1 270 000 000 Fr., Veutschland 1 200 000) 000, Großbritannien 660 oo 00 Fr, Rußland 1 2600 000 000. Rechnet man für Frankreich noch die Pensionen, das Bur get der Ehrenlegion, die Kosten anderer Ministerien, die lediglich militärischen Zwecken dienen, wie z. B. die militärische Organisation der Grenzwachen hinzu ö so beläuft sich die Gesamtsumme seiner Ausgaben für militärische Zwecke auf über dreizehnhundert Millionen Franes. Von den Gesamtausgaben des Staats verwendet Frankreich für militärische Zwecke 35, Rußland 25, Italien 22, Deutschland nur 20 pCt. Also davon kann keine Rede sein, daß wir nicht können. Es fragt sich nur, ob wir wollen. Sie werden niemand
Vorwurf machen.
einreden können, daß ein Volk, das jähllich das konstatiere ich hier öffentlich — 3 Milliarden für geistige Getränke ausgibt, nicht imstande sein soll, 1200 Millionen als Ver⸗
sicherungsprämie für seine Sicherheit aufzubringen. (Sehr richtig! rechts) Wenn Sie, Herr Bebel, die Summen für die Erhaltung unserer Wehrpflicht, die nach der Ueberzeugung der verbündeten Re⸗ gierung das Minimum dessen bedeuten, was wir für unsere Sicherbeit brauchen, nicht bewilligen wollen, so sagen Sie wenigstens offen, Sie lassen es auf das Risiko eines Krieges und bei einer dann mangelhaften Rüstung auf das Risiko eines unglücklichen Krieges ankommen. (Zuruf bei den Soʒialdemokraten Der Herr Abg. Bebel hat soeben gesagt, daß das französische
Offizierkorps und der französische Generalstab auf der Höhe deutschen Offizierkorpßs und des deutschen General⸗ stabs ständen. Dem widerspreche ich nicht. Ich habe alle
Hochachtung vor dem französischen Offizierkorps. Aber wenn Sie gleichzeitig die Revanchegelüste in Betracht ziehen, die in Frankreich noch immer vorhanden sind — darüber werden Ihre dortigen Freunde Sie doch wohl informiert haben; ich erinnere nur an alle Mühe, die sich in dieser Richtung Herr Jaurès gegeben hat . so werden Sie mir zugeben müssen, daß auch wir das Recht haben, für unsere Sicher⸗ heit zu sorgen. Sagen Sie also nicht, daß wir die Mittel, die wir für unsere Sicherheit brauchen, nicht aufbringen können; denn das trifft nicht zu. (Lebhafter Beifall.)
Hierauf wird nach 6i Uhr die weitere Beratung den Reichohaushaltsetats auf Dienstag Uhr vertagt.
(Sehr guth I Auch in der Organisation der Zentralverwaltung unserer
Kolonien müssen wir nach meiner Ansicht zu einer Aenderung kommen
werden, nicht sogleich oder gar nicht annimmt, was doch oft genu
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entwürfe, die ihm von den verbündeten Regierungen unterbreitet
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