1905 / 9 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Jan 1905 18:00:01 GMT) scan diff

gering

P mittel gut Verkaufte

Gejahlter Preis für 1 Doppelzentner

Menge

66.

niedrigster höchster

niedrigster Doppel zentner

26. 16

niedrigster höchster 1. M0

Außerd Durchschnitts˖ , . 3 . 4 3 nach über Schãtzung 2 Do ppelientner (Prei unbekannt

Verkaufs⸗

für wert 1Doppel⸗

zentner M0 S0.

Neustadt O. S. Hannover Emden

12380 1440 11,357 13,75

Schwabmünchen

Ehingen, ö Waldsee i. Wrttbg. . w J mann,

13.80 30 16,20 f 13, S0 600 14,25 400 1420 120 15,60 z 14,20 112 14,40 15 14,60 52

56 13, So ;

13,20 15, 20 13.50 1400

15 20 14,10 1429 14,50 14,30 13,50

J e Menge wird auf volle Doppelzentner und der

402

6 800 5665 1655

1579 1410 220 1429 754 14559 809 14,45

13,40

l3 650 1466 14 65

. 2 . O0 2 . 0

Großhandelspreise von Getreide an deutschen und außerdeutschen Börsenplätzen

für die Woche vom 2. bis 7. Januar 1905 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche. Zusammengestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt. 1000 kg in Mark.

(Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)

gegen Januar Vor⸗ 1905 woche Berlin.

Roggen, guter, gesunder, mindestens .. g nn, Gerste, 8 ö.

Mannheim

Roggen, Pfälzer, russischer, bulg äche mittel .. Weizen, Pfälzer, russischer, amerik, rumän., mittel.

fer, badischer, württembergischer, mittel

erste, badische, Pfälzer, mittel

Wien.

Roggen, Pester Boden 3 . =

fer, ungarischer 1

erste, slovakische Mais, ungarischer

14079 ir 72] 146. 53

14229 178,01 139,63

149,83 19055 150,75 180, 00

149,83 191,22 150,75 179,16

138,50 157 607 135 31 154. 75 146 36 Budapest.

Roggen, Mittelware 128. 14 . 8 172, 04 afer, ö 120, 47 rste, Futter 123, 81, Mais, 134,86

Ro . Riga.

Roggen, 71 bis 72 kg das hl .

Paris. i. lieferbare Ware des laufenden Monats / Antwerpen.

140, 12 188,52 126,53 154,55 141,82

129,50 172.73 120,59 123,13

1535, 45

96. 31

97563 les 3

125,48

101,57 128,99

103,76 130,74

/ 133 09 152 45,

135,58 1453,78 143,78 147,26 155,93 149, 8 130,25, 140, 54

133,54 190, 99

137,04 145, 13 143,51 146,58 155, 64 150,79 130,41 141,49

Varna Donau, mittel Azima Odessa Califsornier Walla Walla Kurrachee, rot Bombar, Club weiß

Am sterdam.

Weizen

116,77 120, 80 155,03 169,12 107381. 10401

Asow⸗ St. Petersburger

Odessa⸗ s

116569 120,71 154,92 167.24 107,74 10563

Roggen Weizen Mais

amerikanischer Winter⸗ amerikan. bunt La Plata London. Produktenbörse (Mark Lane).

Weizen englisch 63

englisches Getreide, Mittelpreis aus 196 Marktorten (Gazette averages)

Liverpool.

151,62 146. 5 14203 117. 066 136,51

151,47 145,91 141,89 116,35 138,46

Weizen fer erste

151572 154,55 156, 6 141.42 157365 118.5

9. 1

53. 35 151,595

gd O5 io 6s

153,44 154.37 136,13 141,74 157,65 11851 191,35

98,23 131,45 102,45 100, S2

Weizen 9 Kurrachee Kalkutta

Australier

Odessa amerikan.

Gerste, Futter⸗ /

Mais amerikan. bunt, neu La Plata

17627 1615 3 o

175,19 151,71 74,63

Weizen, Lieferungsware n Mais J Neu York.

roter Winter⸗ Nr. 2 Weinen Lieferungsware N Mais g 5

Buenos Aires.

23 Durchschnittẽ ware

188,64 177,65 158, 26

82, 66

186,39 176,655 158,54

84, 30

120,27 77, I

119,38 do, 8.

Bemerkungen.

1ñImperial Quarter ist für die Weizennotiz an der Londoner Pro⸗ duktenbörse 504 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Umsätzen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnittspreise für einheimisches Getreide (Gazette averages) ist 1 Imperial Quarter Weizen 180, Hafer 312. Gerste 400 Pfund engl. angesetzt. 1 Bushel Weizen 60, 1 Bushel Mais 56 Pfund englisch; 1 Pfund englisch 455,6 g; 1 Last Roggen 2100, Weizen 21460, Mais 2000 Eg.

Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tageßangaben im „Reichsanzeiger“ ermittelten wöchentlichen Durchschnittswechselkurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar 6 Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpgol die Kurse auf London, für Chicago und Neu Jork die Kurse auf Neu Jork, für Odessa und Riga die Kurse auf St. Petersburg, für 3 Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze. Preise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der Goldprãmie.

Deutscher Reichstag. II4. Sitzung vom 10. Januar 1905, Nachmittags 2 Uhr. Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Tagesordnung: Fortsetzung der Beratung der zur zweiten Lesung des Reichshaushaltsetats für 1904 (Reichsamt des Innerm) gestellten Re solutionen, und zwar zunächst der Resolution der Abgg. Dr. von Saldern (d. kons.) und Genossen. Diese lautet: ;

Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, eine Abänderung des ersten Satzes des § 48 Ziffer 4 des Invalidenversicherungs— gesetzes. ‚solange der Berechtigte nicht im Inlande seinen gewöhn⸗ lichen Aufenthalt hat“, dahin zu bewirken, daß diese Bestimmung keine Anwendung findet, wenn ein Rentenberechtigter zum Zwecke der Erhaltung oder Wiederherstellung seiner Gesundheit seinen Auf⸗ enthalt im Auslande zu nehmen gezwungen ist.“

Abg. Dr. von Saldern: Als nichtständiges Mitglied des Reichs versicherungsamts möchte ich darauf hinweisen, daß unserer Entscheidung zwel Fälle vorlagen, in denen zwei junge Kaufleute auf Veranlassung des Arztes, der eine nach Davos, der andere nach Kairo geschickt wurden, um ihr Lungenleiden auszuheilen. Ihr Anspruch auf Rente wurde von den zuständigen Instanzen zurückgewiesen, auch vom Reichsversicherungsamt, nicht etwa aus Engherzigkeit, denn das Reichs versicherungsamt entscheidet bei der Auslegung der Versicherungs⸗ gesetze, wenn überhaupt zu Gunsten einer Partei, tatsächlich zu Gunsten der Versicherten. Aber eine andere Entscheidung war nicht möglich. Tatsächlich also liegt in diesen gesetzlichen Bestimmungen eine große Härte. Es wird hier die Rente versagt, obwohl es sich doch auch um einen Aufenthalt zur Wiederherstellung oder Erhaltung der Gefund= heit handelt, obwohl der Rentenberechtigte nicht freiwillig Deutsch—= land verläßt, sondern Deutschland gerade aus diesem Grunde zu ver⸗ lassen gejwungen wird. In diesem Falle den Rentenanspruch ruhen zu lassen, entspricht nicht der Billigkeit; denn man läßt dem Be— troffenen nur die Wahl: entweder bleibe in Deutschland, stirb möglichst bald, oder gehe ins Ausland und verzichte auf die Rente. Es würde dadurch unter Umständen sogar eine Besserstellung des Ausländers als Rentenbeziehers gegenüber dem inländischen Renten⸗ berechtigten gegeben sein. Es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetz. geber diese Absicht gehabt hat. Sehr zahlreich werden ja freilich solche Fälle nicht sein, und es könnte deshalb fraglich erscheinen, ob aus— reichender Anlaß vorhanden ist, schon wieder an eine Aenderung des Gesetzes zu gehen; aber man soll wohlerworbene Rechte nicht in dieser Weise kranken, und daher empfehle ich dem Haufe, meinem Vor— schlage zuzustimmen . .

Abg. Erzberger (3entr.): Wir sind geneigt, in eine Revision des Gesetzes in der von der Resolution angedeuteten Richtung einzu—⸗ treten. Freilich meinen auch wir, daß die * der betreffenden Falle nicht hoch sein wird; denn die im Besitz der Invalidenrente Be— findlichen sind nur in verschwindend geringem Maße in der Lage, kostspielige Reisen nach Davos oder nach der Riviera zu machen. Bei der Aenderung des Gesetzes würden die Frage ist bei der Un⸗ fall. und bei der Invalidendersicherung verschieden geregelt auch einige andere Punkte einer Abänderung zu unterziehen sein, damit die Abänderung des 5 48 nicht zu einer Bevorzugung des ausländischen Rentenberechtigten führt. Ein Italiener hat bei ung das Recht auf eine Invalidenrente; jeder Arzt würde erklären, daß dem Italiener der Aufenthalt in seinem Heimatlande zuträglicher ist als bei uns im hohen kalten Norden. ie Folgerung daraus könnte ohne Vor— kehrung von Kautelen eine durchaus unerwünschte sein.

Bevollmächtigter zum Bundesrat, Direktor im Reichsamt des Innetn Caspar: Ich gebe zu, daß der Gedanke, der dem Antrage zu Grunde liegt, eine gewisse Berechtigung hat. Es ist auch richtig, daß die Regelung dieser Angelegenheit eine verschiedene ist bei der Unfallversicherung und bei der Invaliden versicherung Wenn bei uns eine Revision dieser Gesetze lommt, so wird diese Verschiedenheit zu beseitigen sein. Dagegen kann ich nicht zugeben, daß es notwendig ist, durch eine besondere Vorlage Wandel zu schaffen. Der Wunsch wird bei der nächsten Gelegenheit in wohlwollende Erwägung gezogen werden. Ich kann auch nicht zugeben, daß der inländische Rentenempfänger gegenüber dem ausländischen in dem Umfange zu kurz kommt, wie man es hingestellt hat. Der Ausländer bleibt doch wohl im. Auslande, und es ist gerechtfertigt, ihm eine gewisse Abfindung zu geben, der Inländer da—⸗ gegen kehrt in das Inland in der Regel zurück.

Abg. Stadthagen (Soz ): Ich freue mich, daß der Antrag⸗ steller und der Vertreter des Zentrums allmählich den Weg betreten, den wir selber schon vor Jahren vorgeschlagen haben. Wie das Gesetz jet liegt, hat es den Charakter einer armenrechtlichen Unterstützung. Dem Rentenempfänger wird die Rente abgesprochen, wenn er seinen Wohnsitz außerhalb Deutschlands verlegt. Es ist nicht richtig, daß das Reichsversicherungsamt geiade dem Arbeiter besonders

entgegengekommen ist. Es wurde auf seine Veranlassung gerade die . angenommen, deren Beseitigung oder Beschrankung der An. trag jetzt verlangt. Damals wandten sich die Konservativen und dag Zentrum gegen unsere weitergehenden Wünsche, und wenn sie jetzt sich eines Besseren besinnen, so können wir nur hoffen, daß sie auch in anderer Beziehung sich zu unseren Ansichten bekehren. Die verbündeten Regierungen aber möchte ich bitten, mit der Aenderung nicht zu warten bis zu der großen Revision des Invalidenversicherungsgesetzes oder un a,,, .

Abg. Dr. Becker ⸗Hessen (al.): Unsere Fraktion wird dem Antrage von Saldern zustimmen. Wenn es sich auch nur um einzelne Faͤlle handelt, so meinen wir doch, daß die bestehenden Härten beseitigt werden müssen. Vielleicht wäre es aber zweckmäßig, die Rente dem Betreffenden im Auslande nur so lange zu gewähren, als er di deutsche Staatzangehörigkeit besitzt, sonst würde man gejwungen sein, einem Naturalisierten die Rechte weiter zu bewilligen.

Die Resolution von Saldern wird darauf einstimmig angenommen.

Es folgt die Beratung der Resolutionen, betreffend Befähigungsnachweis und Lehrlingsausbildung:

Erstens des Abg. Dr. Hitze (Zentr.) und Gen.: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstage tunlichst bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen a. die Auebil⸗ dung von Lehrlingen in handwerksmäßigen Betrieben nur solchen ö gestattet wird, welche den Meistertitel zu führen berechtigt ind; b. für die selbständige Ausübung des Baugewerbes der Be— fähigunge nachweis eingeführt wird.“

Zweitens des Abg. Dr. Drösch er (d. kons) und Gen.:

die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen an Stelle der Bestimmung in § 129 Abs. 1 der Reichsgewerbeordnung die folgende Bestim— mung: „In Handwerksbetrieben steht die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen nur denjenigen Personen zu, welche das 24. Le ben? jahr vollendet haben und in dem Gewerbe oder in dem Zweige dez Gewerbes, in welchem die Anleitung der Lehrlinge erfolgen soll, die Berechtigung zur n, des Messtertitels haben“; und an Stelle der Bestimmung in § 131 und § 1316 Abs. 1 die folgende Ze— stimmung gesetzt wird: Nach Ablauf der Lehrzeit hat sich der Lehr⸗ ling der Gesellenprüfung zu unterziehen und daß folgende Uebergangs. bestimmung hinzugesetzt wird: Die Bestimmung des 5 129 Abs. 1 in der neuen ef i tritt erst mit dem 1. April 1907 in Kraft. Bis dahin steht die Befugnis zum Anleiten von Lehrlingen in Handwerksbetrieben denjenigen Personen zu, welche das 24. Lebens. jahr vollendet und in dem Gewerbe oder in dem Zweige des Ge⸗ werbes, in welchem die Anleitung der Lehrlinge erfolgen soll, ent weder mindestens eine dreijährige oder, falls sie am 1. April 1901 das 17. Lebensjahr vollendet hatten, mindestens eine zweijährige Lehrzeit zurückgelegt und die Gesellenprüfung bestanden oder fünf Jahre hindurch das Handwerk selbständig ausgeübt haben, oder alt Werkmeister oder in ähnlicher Stellung tätig gewesen sind.“

Damit in Verbindung steht die schon fräher begonnene Beratung des Berichts der Petitionskommission: über die Petition en des Innungsausschusses zu Goch um Einführung des allg emeinen Befähigungsnachweises bei dem Handwerk und des sächsischen Verbandeß der Pereine für Maschinisten und Heizer zu Chemnitz betreffend die Einführung des Befähigungsnachweises für die Maschinisten und Heizer, zur Tagesordnung überzugehen, da—= egen die Petitionen, soweit sie sich auf die Einführung des Be— . für die Bauhandwerker beziehen, dem Reicht kanjler zur Erwägung zu überweisen. ö .

Abg. Raab Ktfh. Vgg.) will diese Petitionen dem Reichskanzler ebenfalls zur Erwägung überwiesen sehen, dagegen die Petition, be⸗ treffend die Einführung des Befähigungsnachweises für die Maschinisten und Heizer und für die Bauhandwerker dem Reichskanzler zur Berück= sichtigung überweisen. .

Die Abgg. Erzberger und Genossen(Zentr,) wollen die Petition um Einführung eines allgemeinen Befähigungsnachweises dem Reichs. kanzler nach der Richtung zur Berücksichtigunz überweisen, daß in Abänderung des 5 137 der Gewerbeordnung in Handwerksbetriebea nur denjenigen die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen zustebt, welche den r ist iti zu führen berechtigt sind, und die Petitionen, betreffend die Einführung des Befähigungsnachweises für die Bau— handwerker, dem Reichskanzler zur Berücksichtigung überweisen. ̃

Die Abgg. Auer und Genossen (Soz) beantragen über dit Petitionen, soweit sie sich auf die Einführung des Befähigungk⸗ nachweises beziehen, zur Tagesordnung überzugehen. .

Akg. Gleitsmann (Zentr.); Die Entwickelung hat gezeigt, daß es mit der zügellosen Gewerbefreiheit nicht mehr weiter geht. Das Handwerk ist mächtig erstarkt und geht kräftig vor, und große Parteien nicht zuletzt das Zentrum, haben sich trotz allen Reaktionsgeschreict stets angelegen sein lassen, ihm zu seinem Rechte zu verhelfen. Nicht die Freiheit, sondern den Mißbrauch der Freiheit, wollen wir bekämpfen. Es ist doch charakteristisch, daß auch eine von dem Verbande der badischen Gewerbevereine eigenz über den Be= fähigungs nachweis veranlaßte Broschüre genau auf diesel be Forderung im Resultat hinauskommt, wie wir, daß nämlich die Zukunft des Handwerks in der Regelung des Lehrlingswesens liegt. Auch wir wollen keine alten Zöpfe ausgraben aus der Vergangenheit, sondem wir wollen, daß das Recht, e m. auszubilden, nur der haben soll der auch das Zeug dazu besitzt, der die notwendige Vorbildung dain erworhen hat. Das selbständige Handwerk zählt trotz der grohen Ausdehnung der fabrikmäßigen Betriebe noch Millionen erwerbe⸗ fähiger und erwerbstüchtiger Männer, deren technische und wirtschaft, liche Leistungsfähigkeit erhalten und erweitert werden muß. zu ist sowohl die Gesetzgehung als die Selbsthilfe durch die Förderung des genossenschaftlichen Gedankeng berufen. Um dieses Ziel zu erreicken und das Pfuschertum niederzuhalten, bedarf es der gründlichen Regelung des Lehrlingswesens. Da hat das bestehende Geletz viel zu wünschen übrig fla; es ist auf halbem Wege stehen geblieben, indem es jwatr die Gesellenvrüfung, aber nicht die Meisterpräfung vorgeschrieben hat. Das letzte Ziel und die Konsequenz dieser Ausqestaltung ist der Be⸗ fähigungsnachweis. Es mag ja gewiß manche tüchtige Handwerker geben, die auch ohne Meisterprüfung so weit kommen wie andere tüchtige Handwerker, und es mögen andererseits auch unter den Ge⸗ prũften mittelmaßige und schlechte Kräfte sich befinden; aber das find dech

keine Argumente gegen den Befähigungsnachweis. Slcherlich ist au dieser kein Allheilmittel für alle soztalen Schäden, ein solches gibt ö in der soꝛialen Frage überhaupt nicht; aber diese Maßregel im Verein mit den übrigen, mit der Wirksamkeit des genossenschaft⸗ lichen Prinzips, mit der Tatigkeit der Handwerkervertetung und Hand⸗ werkerorganisation, mit der Beteiligung der gemeindlichen Organe ergibt ein System von Maßnahmen, die nur zum Heile des Hand- werks führen können.

Inzwischen ist folgender Antrag des Abg. Patzig nl.) eingegangen:

Die verbündeten Regierungen ju ersuchen, dem Reichstag

tunlichst bald einen 8 vorzulegen, durch welchen

J. 5 129 Abs. 1 und 4. § 133 Abs. 1 und Art. 8 der Gewerbe—⸗

ordnung für das Deutsche Reich dahin abgeändert werden, daß I) in

Handwerksbetrieben die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen nur

denjenigen Personen zusteht, welche den Meistertitel zu führen be—

rechtigt sind und das 24. Lebensjahr vollendet haben; Y zur

Meisterprütung auch solche Personen zugelassen werden, welche fünf

Jahre hindurch als Werkmeister oder in ahnlicher Stellung tãtig

gewesen sind; 3) zu Gunsten derjenigen Handwerker, die bei In'

krafttreten dieser neuen Bestimmungen zur Anleitung von Lehrlingen befugt sind, eine angemessene Uebergangsfrist gewährt wird.

II. den gewerblichen Lehrlingen, jugendlichen Arbeitern, Arbeits- burschen usw, der Besuch einer Fortbildungsschule zur gesetzlichen Pflicht gemacht wird.“

Abg. Patzig: Der heute fortgesetzten Digkussion liegen die Forderungen zu Grande, den Befähigungsnachweis im Baugewerbe einzuführen und die Lehrlingsausbildung anders als bisher zu regeln. Auf das erstere Thema gehe ich nicht ein, es wird von berufenerer Seite behandelt werden. Die ne. Mehrheit unserer Partei ist ge= neigt, an dem 5 29 der Gewerbeordnung eine Aenderung dahin mit vorzunehmen, daß der gewerbliche Lehrling eine Garantie dafür erhält, daß er nicht in unrichtige Hände fällt. Hier liegt eigentlich die Wurzel des Uebels. In diesem Sinne haben wir unseren Antrag vorgelegt, der eine Fassung liefern soll mit der im Falle ihrer Annahme die verbündeten Regierungen auch etwas anfangen können. Der Gewerbe⸗ freiheit wollen wir dabei keinen Rückstoß machen. Seit der Gewerbe— novelle von 1897 hat sich zwar eine Besserung auf dem Gebiete der Lehrlingsausbildung bemerkbar gemacht, aber um diese Besserung im Kern herum wirken eine Reihe äußerer Mißstände fort, die man damals nicht beseitigt hat. Dazu gehört vor allem der Umstand, daß noch immer zahlreiche Lehrlinge in die Hände untüchtiger Lehr⸗ meister geraten. Pier muß die bessernde Hand angelegt werden. Das kann aber nicht geschehen auf dem Wege des Zentrumsantrages, der jeder Kautel, jeder Direktive entbehrt. ls eine der wichtigsten Ausnahmen, die unbedingt zur Geltung kommen muß, betrachte ich diejenige bezüglich der Werkmeister. Diese Werkmeister, die aus der . ins Handwerk übertreten, darf man von der Zulsssung zur Meisterprüfung oder von dem Recht zur Ausbildung von Lehr— lingen nicht ausschließen; der Stand der Werkmeister ist zu einer solchen Bedeatung herangewachsen, daß es für das Handwerk nur nützlich sein kann, wenn sich diese Männer als Mitglieder des selbständigen Handwerks niederlassen. Um das zu würdigen, braucht man nur das gewerbliche Leben näher anzusehen, wie es sich in Süddeutschland und in den Reichslanden darstellt. Der Versuch des konservativen An— trages, Uebergangsbestimmungen zu formulieren, ist wohl nicht glück⸗ lich; man überläßt es besser der Regierung, in dieser Beziehung Vorschläge zu machen. Will man aber jetzt eine Aenderung der Be⸗ stimmung von 1897 mitmachen, so geht das nicht ohne ein Korrelat auf, dem Gebiete des Unterrichtswesens. Aus dieser Erwägung ent⸗ ringt unser Vorschlag unter JJ. Wir müssen endlich zur obligatorischen Fortbildungsschule kommen, wie sie in Hessen seit 1874 besteht, aber in den meisten übrigen deutschen Staaten noch nicht. Sobald man über diesen Staat hinausgeht, ö. man einen beklagens⸗ werten Mangel an Entschlußfreudigkeit, ortsstatutarisch diesen obligatorischen Unterricht einzuführen. Je weiter man nach dem Osten kommt, um so geringer ist diese Entschlußfreudigkeit. Der Handwerker umgeht vielfach die Vorschrift, indem er statt des jweiten Lebrlings einen Arbeitsburschen einstellt, für den er keinerlei Veipflichtung hat. Hier muß Wandel geschafft werden. Was das Handwerk mit Recht beklagt, ist, daß die jungen Leute lieber in die Fabriken gehen, als daß sie sich einem nützlichen Handwerk zuwenden. Es wird hierdurch eine Proletarisierung herbei- geführt, die dadurch vermieden werden kann, daß man erklärt, auch der jugendliche Arbeiter in den Fabriken sei gezwungen, den Fort⸗ bildungsunterricht zu besuchen. Natüilich ist die Fortbildungsschule nur die Unterstufe der gewerblichen Schule, . ersetzt die Fachschule nicht. Leider fehlt es vielfach an Mitteln für die Handwerker. und Fachschule und an der genügenden Beteiligung. Hoffentlich wird es damit später besser. Mögen die verbündeten Regierungen das Fort— bildungsschulwesen allgemein zur Pflicht machen. Sie werden damit dem Gewerbewesen einen großen Bienst leisten. Die Frage des Bau⸗ bandwerks scheiden wir aus.

Abg. Dr Pachnicke (fr. Vxzg): Die Gewerbeordnung hat doch schon eine Reihe von Bedingungen für die Annahme von Lehrlingen aufgestellt. Dazu gehört u. a. die Vollendung des 24. Lebensjahres, die dreijährige Lehrzeit und die Gesellenprüfung Nun soll alles auf den Meistertitel ankommen. Nein, der Titel macht es nicht, sondern die Leistung, und das Publikum ist in der Beziehung die beste Prüfungskommission. Mit diesem Antrage sind Sie mit Ihren schöpferischen Bestrehungen jedenfalls noch nicht am Ende. Hin⸗ sichtlich der generellen Einführung des Befähigung nachweises ist man allerdings bescheidener geworden. Selbst das Zentrum würde heute nicht mehr den Befähigungs nachweis für das ganze Handwerk derlangen. Aber auch die Beschränkung des Befähigungsnachweises guf. das Baugewerbe ist nicht jweckmäßig. Was stellt denn die Prüfung fest? Doch nur das Wissen, aber nicht das Können und die moralische Qualifikation. Was man tun könnte, wäre die Ueber wachung des Gewerbes mit Hilfe von Arbeiterorganisationen über die Durchführung des Strafgefetzbuches. Und wer foll denn geprüft werden? Doch nicht allein der Bauunternehmer. Es müßten auch die Handwerker, die Zimmerer ꝛc, geprüft werden. Auf jeden Fall muß vor diesem ersten Schritt eines Durchbruchs der bestehenden Gewerbe ordnung gewarnt werden. Das Bguwesen hat Fortschritte gemacht ohne den Prüfung zwang, und es wird sie weiter machen. Das Zeugnis einer Baugewerbeschule legitimiert mehr als ein Titel. Ich hoffe daß die verbündeten Regierungen dem Antrage, auch wenn er angenommen werden sollte, nicht Folge geben werden. Die badische egierung wenigstens hat sich bisher auf einen ablehnenden Standpunkt gestellt. Auch aus der früheren Erklärung des Grafen von Posadowsky klang mehr eine Abneigung als eine Zuneigung zu solchen Wünschen, und ich kann mir nicht denken, daß sich inzwischen ein Frontwechsel vollzogen at, Auch seine bekannte Aeußerung über die moderne Entwickelung lãßt keinen Zweifel. Ich will ihn darin nicht loben, um ihm durch mein Lob nicht zu schaden. Es handelt sich für das Handwerk um die Forderung der persönlichen Tüchtigkeit und der Fach⸗ ausbildung. Sind wir also gegen die Einführung des Befähigungs⸗ nachweises für das Baugewerbe, so sind wir für den Paffus kes nationalliberalen Antrags, der sich auf den obligatorischen Fort⸗ bil dun gsschulunterricht beyleht.

Abg. von Dir ken (Rp.): Der Antrag Patzig ist uns bedenklich, weil in ihm der Befähigungsnachweis für das Baugewerbe fehlt. Was die Einführung des obligatorischen Fortbildungeunterrichts betrifft, so möchten wir erst den Nachweis ahwarten, ob diese Maßregel auch auf dem Lande möglich ist. Der Abg. Schrader hat den Konservativen den unberechtigten Vorwusf gemacht, daß sie in wei Dejennien nichts für den Mittelstand erreicht haben. Wir sind nicht der einzige gesetz⸗ ebende Faktor. Anderseits muß es uns allerdings mit Bitter eit erfüllen, wenn alle unsere Bestrebungen so ' wenig rüchte Hit ot haben im Gegensatz zu den r fen anderer Klassen.

abei sind die Wünsche der Zandwerker immer bescheidener geworden.

n Befähigungs nachweis verlangen wir gar nicht, . ist auch nach der letzten Erklärung des Grafen von posetommd kaum zu rechnen. Um so mehr geben wir uns der Hoffnung hin, daß die Einführung

des Befãhigungsnachweises wenigstens für das Bauhandwerk die Zustimmung der verbündeten Nea erung finden wird. Die Prũfung des. Wissens jst doch auch für dag. Yugewerbe notwendig. Die Prüfung des Gewiffens allerdings ist S einer höheren Instanz. Ich bedauere, daß Herr Patzig, dieser Forderung nicht freundlich gegenüber steht wie der Abg. Bassermann. Die preußische Regierung wie das. Reichgamt des Innern haken sich der Frage ant, nicht ablehnend verhalten. Aller⸗ dings war die Liebe platonisch, und die Verwirklichung der Versprechungen ist ausgeblieben. Es sind ja Fragebogen hinaus? gesendet worden, aber man hört nichts dawon. Selt sieben Jahren sind wir nicht weiter gekommen. Wir können wohl verlangen, daß nach den sieben mageren Jahren nun endlich sieben fette folgen. Die Dandwerker haben doch auf ihrem Magdeburger Handwerker. und Innungztag fich unzweideutig für die Einführung des Befähigungs. nachweises im Bauhandwerk ausgesprochen, ebenso einstimmig der fünfte deutsche Handwerker und Gewerbekammertag in Lübeck, also die be—⸗ rufen sten Vertretungen des deuischen Handwerks und Gewerbes. Danach verstehe ich nicht, wie die Liberalen aus theoretischen oder historischen Gründen einer solchen Forderung widerstreben. Dem nächsten Täge soll ein bestimmter formulierter Gesetzentwurf vorgelegt werden. Diesem Vorgehen gegenüber sollten die verbündeten Regierungen endlich aus ihrer Reserve heraustreten und der Stimme des Volkes Gehör schenken. Bedauerlich ist es. daß wir in dieser Frage hier nicht zu einem einstimmigen Beschluß kommen können. Daß die Sozialdemokraten abfeits stehen, ist ja begreiflich um so un⸗ erklärlicher ist es, wenn Intelligenzen, wie die Abgg. Müller— Meiningen und Schrader, diesem berechtigten Wunsche? der Hand werker entgegensteben. Die Frage ist vollkommen spruchreif, es liegt keine , vor, dazu eine abwartende Stellung ein- junehmen. Wir halten uns lediglich an das was auch die Regterung schon vor einigen Jahren als erwägenswert bezeichnet hat, aks sie sagte: Kommt nach sechs, sieben Jahren wieder, und wir wollen dann sehen, was sich tun läßt. Spruchreif ist auch die Frage, betreffend die Ausbildung der Lehrlinge. Es handelt sich in diesen Fragen um Wünsche, die seit Jahren von Kreisen gehegt werden, von denen wir nur dringend wünschen, daß sie erhalten werden in Vaterlandsliebe und Königstreue. Es sind Wünsche, die außerdem dem Reiche keinen . kosten würden.

Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.). Wir halten den Befähigungs— nachweis für das Bauhandwerk und ähnliche Betriebe für wünschens— wert und auch für praktisch ausführbar. Den Grundgedanken, die den beiden Anträgen hinsichtlich der Ausbilbung der Lehrlinge zu Grunde lieger, stimmen wir vollkommen zu. Nach der Seite der Drganisation wie der Ausbildung haben die Handwerkerkammern bereits sehr Er— freuliches geleistet. Jetzt ist die Frage der Vorbildung, und zwar durch den Antrag Patzig auch die der theoretischen Vorbildung, durch die Resolutionen aufgeworfen. Wir sind auch unsererseits Freunde der obligatorischen Fortbildungẽschule; aber dieser Antrag gehört nicht in den Reichstag, er muß im preußischen Abgeordnetenhause ein— gebracht werden. Der Vorstoß, der heute gẽgen die Regierung borgenommen werden soll, trifft einen schwachen Punkt ihrer . ition; denn schon in der Begründung des Entwurfs von 1897 teht ungefähr dasselbe zu lesen, was jetzt durch die Resolutionen gefordert wird; jedenfalls ist dort der Grundsatz an— erkannt, daß 6 nur ausbilden soll, wer dazu die Befähigung erlangt hat. Dem Meistertitel wieder mehr Geltung zu verschaffen, ist ebenso im Interesse des erwachsenen Handwerkers, wie der heran. wachsenden Handwerkerjugend. Wir vertreten mit dieser Forderung eine Bitte des gesamten Handwerks; denn gerade die Gewerbevereine aus Baden haben diesen Wunsch mit ausgesprochen. Wenn an der Formulierung der Uebergangsbestimmungen durch den Abg. Dröscher, den wir mit Bedauern im Reichstage bermissen, manches zu modi— fizieren wäre, so kommt es auf diese Einzelheiten für heute noch nicht

an, sondern darauf, daß sich endlich einmal auf diefe Wünsche eine

stattliche Mehrheit des Hauses vereinigt.

Abg. Euler sZentr.): Als wir 1897 das sogenannte Hand— werkergesetz verabschiedeten, haben wir in einer Refolution die Re— gierung aufgefordert, schon im nächsten Jahre eine Vorlage zu machen, durch die dem gesamten Handwerk der Besähigungsnachweig ge— geben werden solle. Darüber sind jetzt sieben Jahre verflofsen. Die Arbeiter haben stets und immer die Zentrumspartei, die konfer= vativen Parteien und oft auch die Natisnalliberalen an der Arbeit geseben, wenn es galt, die Arbeiterschutzbestimmungen

festzulegen und zu erweitern; aber dem Handwerk ist man nicht in

derselben Weise zur Seite getreten. In dem Befähigungsnachweis

und in der Vorbildung der Lehrlinge sieht das Handwerk einen Schutz für sich: das Pfuschertum soll ausgeschlossen werden. Um das zu erreichen, gilt es, die jetzigen fakultatiden Meisterprüfungen obligatorisch zu machen. Wem treten wir denn damit zu nahe? Wird irgend jemand der Weg jum Handwerk dadurch verschlossen? Wir vertrauen, daß die Regierung jetzt endlich einsehen wird, daß der Befähigungsnachweis niemand etwas schadet, aber dem Handwerk nur nützen kann; das muß auch ihr nach dein Lübecker Tage klar sein. Daß man auf der Linken an dem Widerstande festbälk, kann uns nicht wundern; wenn ich auf dieser Selte des Hauses sitzen würde, würde ich dieselbe Haltung beobachten . . . . denn je mehr Existenzen ruiniert werden, desto mehr kommt das bei den Wahlen durch die Verstärkung der Linken zum Ausdruck. Der jetzige Zustand vermehrt eben die Zahl der Unzufriedenen ins Kolossale, macht sie ihrer patriotischen Pflicht abwendig und verstärkt die Reihen der radikalen Parteien. Der Antrag der National- liberalen deckt sich ja eigentlich mit dem des Zentrums, aber er ist etwas lendenlahm im Vergleich damit; in der Haupisache ent. spricht er einem Antrag, der unter meinem Namen schon 1897 vom Zentrum und den Konservativen gestellt war. Damals erklärte der Handelsminister Brefeld den Antrag für unannebmbar, und er wurde fallen gelassen. Mit der Forderung mehr Bildung“ allein kommen wir nicht weiter; wir wollen das eine tun und das andere nicht lassen, wir wollen auch mit der Vorbildung Ernst machen und so das Schicksal der Lehrlinge bejüglich ihrer Aushildung sicherstellen. In den 35 Jahren der Gewerbefreiheit hat die Ausbildung der Lehrlinge wahrlich nicht gewonnen; es sind mgssenhaft Lehrlinge guegebeutet, aber nicht ausgebildet worden. Wir sind keine Feinde der Bildung, dieses Vorurteil wolle die linke Seite nun endlich fallen lassen. Das Handwerk ist notwendig für Staat und Geselsschaft; der goldene Mittelstand, wie wir ihn uns denken, soll als die festeste Stütze des Vaterlandes gelten. Den Fortbildungsunterricht verlangen auch wir, wie unsere Anträge im vreußischen Abgeordnetenbaufe be= weisen. Das Zentrum will im Einverständnis mit dem größten Tell des Handwerks diesen Unterricht vom Abend und vom Sonntag weg haben. Lediglich die Gesellenprüfung, auf die Herr Pachnicke binweist, gibt noch keine genügende Garantie. Ein gesetzlicher Zwang zur Ablegung der Gesellenpräfung besteht auch gar nicht, er müßte erst eingeführt werden. Was der Antrag Patzig bezüglich der Werkmeister will, stebt zum Teil schon in dem Gesetz von 1857. Die Großindustrie kann sich mit unseren Anträgen nur einverstanden erklären, denn sie muß ja' ihre besten Kräfte aus dem Handwerk beziehen. Mögen die verbündeten Regierungen ihren guten Willen in die Tat umfetzen. Das deutsche Handwerk, die beste Stütze des Staats, verdient es!

Hierauf wird die Vertagung beschlossen.

Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. (Zweite Lesung des Reichshaushaltsetats; Etats des Reschstags, der . des Reichsschatzamts, des Reichseisen— bahnamts und des Rechnungshofes.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. UI6. Sitzung vom 10. Januar 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Entgegen⸗ nahme von Vorlagen? der Königlichen Staäts— regierung.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Das hinter uns liegende Jahr ist in besonderem Maße für dieses hohe Haus und für die Staat? regierung arbeitsreich gewesen, und wiederum unterbreite ich Ihrer Beratung neues Arbeits- material in der Gestalt erstens der allgemeinen Rechnung über den Staatshaushalt des Jahres 1901, zweitens der Uebersicht von den Einnahmen und Ausgaben des Etatsjahres 1903 und drittens des Gesetzentwurfs, betreffend die Feststellung des Staats haushaltsetats für das Jahr 1905, welche Vorlagen ich auf Grund Allerhöchster Er⸗ mächtigung Ihnen zu überreichen die Ehre habe

Meine Herren, werfe ich zunächst zurückschauend einen Blick auf das abgeschlossene Rechnungsjahr 18903, so habe ich schon in meiner vorjährigen Etatsrede vom 19. Januar vorigen Jahres dargelegt, daß nach den allzu optimistischen Berechnungen bei Aufstellung des Etats für 1903, die zur Folge hatten, daß das Etats jahr 1961 tatsãchlich mit einem Minus von 373 Millionen Mark abschloß, es eine unbedingte Pflicht einer vorsichtigen Finanzgebarung war, bei der Aufstellung der Etats für 19062 und 18903 doppelte Vorsicht walten zu lassen. Die wirtschaftliche Depression, die bei uns etwa Ende des Jahres 1900 einsetzte, nachdem wir uns lange Jahre einer wirtschaftlichen Blüte erfreut hatten, pflanzte sich fort in das Jahr 1902 und gab noch die Signatur der Zeit ab, als im August und September 19) der Etat für das Jahr 1903 aufgestellt wurde. Infolge dessen konnte die erst ganz Ende 1902, im Dezember 1902, sich wieder bemerkbar machende Belebung unserer ganzen wirtschaftlichen Verhältnisse bei Aufstellung des Etats für das Jahr 1903 noch nicht berücksichtigt werden. Diese Belebung bat erfreulicherweise im Jahre 19603 angedauert, und in- folgedessen haben sich auch die Staatseinnahmen im Jahre 1903 günstiger gestaltet, als bei Aufstellung des Etats vorausgesetzt wurde, und auch nur vorausgesetzt werden konnte aus den Gründen, die ich kurz dargelegt habe.

Dies gilt vor allem von den Einnahmen der Staatseisenbahn— verwaltung. Schon am 19. Januar 1904 habe ich gesagt, daß die Eisenbahnverwaltung die Mehreinnahmen im Ordinarium auf 100 Millionen Mark schätze und die Mehrausgaben auf 3656 Millionen, sodaß sich bei dem Etat der Eisenbahnen ein Mehrüberschuß von 3,4 Millionen ergebe. Ich habe wörtlich hinzugefügt:

Ich halte auch diese Schätzung noch für eine durchaus vor— sichtige und glaube, daß bei andauernden guten wirtschaftlichen Konjunkturen noch ein günstigeres Ergebnis zu erzielen sein wird.

Meine Herren, erfreulicherweise hat sich meine Annahme als zu⸗ treffend erwiesen. Die Mehreinnahmen der Eisenbahnen haben, weil die günstigen Konjunkturen fortdauerten, nicht nur 100 Millionen Mark, sondern 146 Millionen betragen (hört, hört!), und die Mehr— ausgaben, die damals von der Eisenbahnverwaltung selber auf 36 Millionen Mark geschätzt wurden, haben nicht ganz diese Höhe

erreicht, sondern sich nur auf 34 Millionen Mark belaufen. Dem gemäß stellt sich der Mehrüberschuß des Jahres 1903 nicht auf 53 Millionen, wie damals von der Eisenbahnverwaltung angenommen wurde, sondern auf 111 Millionen, also auf 48 Millionen Mark

gesetzlich

böher, ein Beweis der vortrefflichen Verwaltung unserer Eisenbabnen. (HSeiterkeit links.)

Auch sonstige Mehreinnahmen haben sich ergeben, zunächst bei den Forsten in Höhe von 18 Millionen Mark. Ich habe aber schon damals hervorgehoben, daß diese Mehreinnahmen zwar auch auf eine Steigerung der Holzpreise zurückzuführen sein würden, aber in der Hauptsache doch auf extraordinären Ursachen beruhten: auf dem enormen Abtrieb in der Letzlinger Heide infolge wiederholten Raupen fraßes und auf dem starken Holzeinschlag, der hervorgerufen wurde durch die Windbrüche namentlich in Schlesien.

Die direkten Steuern haben ein Plus von 10 Millionen ergeben, die indirekten von 8,5 Millionen, hauptsächlich hervorgerufen durch eine wesentliche Belebung des Grundstücksgeschäfts, das in Stempel⸗ einnahmen seinen Ausdruck fand.

Dagegen sind Mehrausgaben hervorgetreten in Höhe von So0 000 M bei den Domänen, zurückzuführen auf eine Steigerung der Ausgaben bei den selbstbewirtschafteten Domänen, dann auf die Bei⸗ hilfen an Pächter für Wege und Chausseranlagen, die den Domänen zugute kamen, vor allem aber auf den Erwerb von Wirtschaftsinventar bei den neu angekauften Domänen überwiegend also Verwendungen, meine Herren, die später wiederum in erhöhten Pachten der Staats. kasse zugute kommen.

Die Bergverwaltung hat einen Minderüberschuß von nicht weniger als 8 Millionen ergeben. Dieser ständige Rückgang in den Erträgen bei den Bergwerken, meine Herren, könnte in der Tat zu erheblichen Bedenken Anlaß geben, wenn nicht hier außergewöbnliche Umstände mitwirkten. Der Rückgang ist hervorgerufen durch Mehrausgaben an Löhnen, an sächlichen Kosten. Diese Ausgaben beruhen aber haupt— sächlich in den großen Investitionen, die die Bergverwaltung gemacht hat, namentlich in dem Niederbringen neuer Schachtanlagen in West- falen und Oberschlesien.

Bei den Staatsverwaltungen ist insgesamt ein Mehrbedarf von 5 Millionen hervorgetreten, darunter allein wiederum für Pensionen und Witwen, und Waisengelder von nicht weniger als 3 Millionen Mark. Auch im Jahre 1903 erforderte die Fürsorgeerziehung höhere Beträge, als wir bei Aufstellung des Etats annebmen konnten. Für die Fürsorgeerziehung ist ein Mehrbedarf von 1 300 000 4 erforder⸗ lich gewesen.

Außeretatsmäßige Ausgaben sind im Jahre 1903 geleistet worden in Höhe von 9,8 Millionen, vor allem zurückzuführen auf die schweren Hochwasserschäden des Jahres 1903. Durch diese Schäden sind weite Teile unseres Landes, namentlich auch Schlesien, in einem Maße be— troffen worden, daß es unerläßlich war, ihnen auch staatsseitig die helfende Hand zu reichen. Die Gesamtausgaben, die aus diesem Anlaß erforderlich werden, beziffern wir auf etwa 11 Millionen Mark. Sie sind aber nicht alle bereits im Etatsjahr 1903 in Erscheinung getreten, sondern werden zum Teil erst im Jahre 1904 fällig; im Jahre 1903 sind nur 6 Millionen von diesen etwa 11 Millionen zur Zahlung gelangt, und es werden, wie gesagt, die restlichen 5 Millionen

in die Rechnung des Jahres 1904 übergehen.