1905 / 14 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Jan 1905 18:00:01 GMT) scan diff

will nach den Erklärungen des Grafen Bülow möglichst mit den Konserdativen zusammengehen. Daber ist sie auch so weit gegangen, die Einführung gesundheitlich schädlichen Fleisches in die Städte auf Wunsch der Agrarier zu ermöglichen. Der erhöhte Schutz der Landwirtschaft soll die Signatur der Handelsverträge sein. Das bedeutet neue Belastung für das Volk. Wir können Vertrauen zur Regierung nicht haben. Nicht die Worte der Regierung, sondern die Taten sind für uns maßgebend. Die Signatur einer gesunden Politik muß die Wohlfahrt aller sein. Abg. Broemel (fr. Vgg.): Die Rednerliste hat es gefügt, daß die Redner der beiden freisinnigen Parteien hintereinander sprechen müssen. Deshalb bitte ich von vornherein: Sei mir nicht abbold meiner Farbe wegen. Ich bedaure auch die Ab— wesenheit des Abg. Richter, der mit seinem großen Wissen und mit seiner Schlagfertigkeit unsere Etatsdebatten kelebt hat, und ich schließe mich der Hoffnung an, daß er bald genesen möge. Ich will nicht wiederholen, was der Vorredner gegen die Ueberschuß⸗ Politik ausgeführt hat. Die beiden Grundsäulen unseres Finanzwesens sind die Einkommensteuer und die Eisenbahnverwaltung; aus diesen Quellen fließen vornehmlich die Mittel unseres Staats. Der Finanz- minister hat aber diese beiden Quellen doch nicht ganz richtig ge— würdigt. Die wirtschaftliche Entwickelung spiegelt sich im Etat wieder. Aber der Finanzminister sagt, daß die Landwirischaft nicht in günstiger Entwickelung sei. Daher müssen es andere Erwerhs⸗ kreise fein, d'ren Entwickelung unseren Etat günstig beeinflußt. Deshalb müssen diese Kreise ihre gerechte Würdigung finden. Die Gewerbtätigkeit ist die eigentliche Trägerin unserer Einkommensteuer. Von der veranlagten Cinkommensteuer von 178 Millionen für 1904 entfallen auf die Städte 134 Millionen und auf das platte Land nur 44 Millionen. Da zudem aur auf dem Lande industrielle Etablisse⸗ ments gelegen sind, kann man annehmen, daß vier Fünftel der Einkommensteuer von der gewerblichen Tätigkeit herrühren. Der Transport der industriellen Erzeugnisse ergibt in erster Linie die hohen Ueberschüsse der Eisenbahnen. Aus diesen Gründen baben wir ein Recht zu fragen, wie es mit der Berücksichtigung unserer Gewerb— tätigkeit in der Wirtschaftspolitik steht. Die Landwirtschaft soll durch die Handelsverträge erhöhten Schutz erhalten, aber der Finanzminister meinte, die Industrie müsse sich auf die veränderten Verhältnisse ein richten. Der Landwirtschaft machte er also eine respektvolle Ver— beugung, der Industrie trat er mit einem kühlen Achselzucken und nichts sagenden Trost gegenüber. Der Finanzminister meinte, die Gegner des Schutzes der Landwirtschaft kämpften mit vergifteten Waffen. Solche Aevßerungen können die sachliche Erörterung einer so wichtigen Frage nicht fördern. Das Interesse am Getreidezoll ist um so ge— ringer, je kleiner der Besitz ist; es steigt mit der Größe des Besitzes. Der Finanzminister meint, für die Industrie komme es Fauptsächlich auf die Sicherheit der Verhältnisse für zwölf. Jahre an. Diese Vertröstung wird in den gewerbetreibenden Kreisen gar keinen Eindruck machen. Wenn der Industrie der Absatz in das Auland durch die Zollpolitik abgeschnitten wird, nützt es ihr gar nichts, daß die Zölle für zwölf Jahre festgelegt sind. In dem reichen Material, daß uns die Industrie für die Beratung des Zolltarifs zu⸗ gehen ließ, findet sich nirgends die Bemerkung, daß es ihr nicht auf die Höbe des Zollsatzes, sondern nur auf die Sicherheit für längere Zeit ankomme. Wenn die Regierung auch der Landwirtschaft erhöhten Schutz sichern wollte, so müßte sie in den Vertragsverhandlungen dazu auch auf die Interessen unserer Exportindustrie Rücksicht nehmen. Der Finanzminister konstatierte mit Freude, daß unsere Eisenausfuhr abgenommen habe. Das beweist aber noch nichts für die Stärkung des inländischen Konsfums; die Lage unseres inneren Markts ist wesentlich bedingt durch die Lage unseres Ausfuhrhandels. Die guten wirtschaftlichen Jahre Deutschlands sind immer die gewesen, in denen reger Außenhandel bestand. Gerade dieser hebt die Steuerkraft des Volks. Der Finanzminister muß eine Politik treiben, die diejenigen Kreise unparteüisch würdigt, auf welchen hauptsächlich die Finanzkraft des Staats beruht. Was das Ver— hältnis des Reichs zu den Einzelstaaten betrifft, so ist eine Steuer⸗ reform im Reiche wünschenswert. Dabei darf allerdings das jetzige, auf Matrikularumlagen beruhende Budget des Reiches nicht angetastet werden. Mag man nun im Reiche Vermögenssteuern, Erbschaftssteuer einführen oder die Verbrauchssteuern erhöhen, so viel ist sicher, daß diese Lasten wiederum von den Kreisen getragen werden würden, welche auch in Preußen die Hauptträger der Finanzkraft sind. Wir wollen allerdings nicht die beiden großen Erwerbsgruppen aus— einanderreißen, wir meinen nicht, daß es der einen Gruppe ganz gleich sein tann, wie es der anderen geht. Wir wollen ebenfalls alles tun, was die Landwirtschaft kräftigen kann. So ist gerade von meiner Partei immer die Fortführung der inneren Kolonisation ver⸗ treten worden. Besonders der Abg. Rickert hat immer darauf hin gewiesen. Aber der Erfolg dieses Mittels hängt wesentlich von der Ausführung ab. Die private Initiative auf diesem Gebiete darf nicht beeinträcktigt werden. Die Stärkung und Erhaltung des Deutsch⸗ tums in den Ostmarken halten auch wir für eine nationale Pflicht; wir füblen uns von der Sentimentalität in dieser Frage, von der Graf Bülow sprach, frei. Aber über die Mittel sind wir oft anderer Meinung als die Staatsregierung. Die Erschwerung der Ansiedelung von Polen ist mit dem Grundsatz der Rechisgleichheit nicht vereinbar. Dadurch kann eine Zurückdrängung des Deutschtums in den Städten herbeigeführt werden. Der Dispositionsfonds der Oberpräsidenten soll von J Millionen auf 1 Millionen er—⸗ höht werden. Die Begründung dafür im Etat ist nicht genügend. Wenn infolge der Handelsverttäge unser Absaß in das Ausland zurück— gehen sollte, würde es kein anderes Mittel geben, um unsere Industrie auf dem Weltmarkt konkurrenzfäbig zu erhalten, als eine Herabsetzung der Gäütertarife. Wir begrüßen die heutige Erklärung des Handels ministers über den Streik, sosern sie geeignet ist, die beiden streitenden Teile zunächst einmal zusammenzubtingen. Mögen die Beteiligten auf beiden Seiten ihrer Pflichten eingedenk sein, nicht nur an ihre eigenen Intsressen, sondern an die wittschaftlichen Interessen des ganzen Landes zu denk⸗n. Der Handelsminister sagte am Sonnabend, auf jeden streikenden Bergarbeiter kämen viele Arbeiser anderer In⸗ dustrien, die mit feiern müßten, und er schloß seine Rede mit den Worten: „Gebe Gott, daß dies nicht eintrut.‘ Diesem Wunsche können wir uns alle nur anschließn. Möge aber auch die Wirtschaits- politik der Regierung auf die Erwerbskreise Rücksicht nehmen. Die Bezüge der Minister sollen erhöht werden. Ich glaube nicht. daß jemals von dem Gehalt die Frage abhängen wird, einen tüchtigen Mann für einen Ministerposten zu gewinnen. Bisher sind unsere Minister immer aus der Beamtenhierarchie entnommen worden. Ich weiß nicht, ob das gut ist. Der Handelsminister ist nur die eine Schwalbe, die noch keinen Sommer macht. Hoffentlich werden in Zukunft mehr Männer aus dem wirtschaftlichen Leben berufen. Die Begründung für die Erhöhung der Ministergehälter sollte auch bei manchen anderen Benmtenklassen beherzigt werden. Die Beamtengehälter müssen so bemessen sein, daß tuͤchtige Kräfte gewonnen werden. Ein großer Mangel herrscht j. B. noch immer in unserer Schutzmann schaft. Das Landesgewerbeamt halte ich für einen guten, entwicke ungs⸗ fäbigen Gedanken. Seit 1901 sind allerdings 690 neue Richter⸗ stellen geschaffen worden, aber ich erinnere daran, daß noch im vor gin Jahre mehr als 600 Hilfsrichter erforderlich gewesen sind. Ein Teil des Richtermangels wird also noch bestehen bleiben. Die Zabl der Justizkmnzlistenstellen gevügt auch noch nicht dem großen Bedürfnis. Für das Volksschulwesen ist ein Mehrbedarf von 32 Millionen Mark vorgesehen. Das ist gewiß anerkennenswert, aber es bildet immer nur einen Tropfen auf den bäeßen Stein. In der Provinz Posen haben wir Volksschulen, wo ein Lehrer vier Klassen versehen muß. Die Hälfte der Schulen in der Provin Posen sind Halbtags⸗ 16 Es bestebt einentlich noch ein Mangel von 2000 Lehrern. Des halb Innen wir die Mittel für das Volksschulwesen nech immer als karg be zeichnen. Die Rektoren der Seminare sellen 400 Zulage erhalten, aber der Wert derselben wird dadurch beeinträchtigt, daß sie nicht pensionsfähig sein und nur die dienstältere Hälfte die Zulage erballen sfoll. Dem Velkeschulunterhaltungsesetz seh n wir ohne besondeie Er- wartung entgegen. Es wird schwerlich unsere Wünsch“ ganz erfüll n, wir werden aber nach besten Kräften an dem Zustandekommen muüwirken.

Eine der wichtigslen Fragen ist die Reform der Wahlkreiseinteilung und des Wahlrechtes. Die Städte, die die g ößte Steuer leistung aufbringen, dürfen eine gerechte Beteiligung in der Volksvertretung verlangen. Berlin bringt n der Steuern auf und hat , der preußischen Bevölkerung, hat aber in diesem Saale nur 1, der Mandate. Die Regierung selbst muß die Initiative zu dieser Reform ergreifen. Der Ankrag über eine andere Wahlkreis⸗ einteilung, dem unsere Partei sich angeschlossen bat, enthält noch nicht alle unsere Forderungen, denn wir meinen, daß diese Reform nur schrittweise erfolgen kann. Zunöächst ist eine andere Wablkreiseinteilung erforderlich, später muß eine Aenderung des Wahlrechts folgen. Auf diefem Gebiete vorzugehen, ist in erster Linie Pflicht der Regierung. Wir fordern also für die deutsche Gewerbetätigkeit, welche die eigent liche Trägerin der Staate finanzen und der Wirtschastekraft istz eine ausgleichende Berücksichtigung in unserer Wirtschafté politik im Inter⸗ esse Preußens und Deutschlands, und wir fordern für dieselbe Gewerbe⸗ tätigkeit einen anderen Anteil an der Gesetzgebung durch Reform der Wahlkreiseinteilung und des Wahlrechtes im Namen der Gerechtigkeit. Abg. Dr. von Jazdzeweki (Pole) meint, daß man sich über die polnische Frage in diesem hohen Hause nie verständigen werde, aber man müsse sich doch darüber auseinandersetzen. Herr Dr. Fried— berg habe für die nationalliberale Partei erklärt, daß diese die Polen, nicht entnationalisieren wolle; das möge sein, aber die Regierung habe offenbar diese Absicht. Der Redner verliest sodann einen Erlaß der König⸗ lichen Regierung zu Danzig, wonach die Volksschullehrer darauf hin— gewiesen worden seien, daß der Gebrauch der polnischen Sprache im Familienleben nicht in Uebereinstimmung mit dem Geist der Volks schule des preußischen Staates stehe. Man we de es aber niemals dahin bringen, daß die polnische Bevölkerung wirklich ganz vertraut mit der deutschen Sprache werde; deshalb sel es eine unnötige Härte, für Versammlungen usw. auf den Gebrauch der deutschen Sprache zu dringen. Die polnische Bevölkerung verlange die Gleichstellung vor dem Gesetz und die Erhaltung ihrer Nationalität na den gemachten Versprechungen. Aber entgegen diesen Versprechungen heute sogar der Religionsunterricht in polnischer Sprache aufgehoben worden. Die Polen sähen auf eine tausendjährige Geschichte zurück und empfänden die Aufhebung ihres Staats mit Bitterkeit und Schmerz. Die hobe Idee als solche, wieder unabbängig zu werden, könne die Staats regierung nicht bekämpfen; sie könne nur bekämpfen die Gefahren des Aufruhrs usw., die daraus für die bestebenden Zustände hervorgehen. Der Ministerpräsident stellt immer schöne Geundsätze auf, aber in der Ausführung vermissen wir die Grurdsätze. Im Reichstag hat er am 24. Januar 1900 gesagt, daß die Regierung Über den Parteien stehen und nur an die allgemeine Wohlfahrt denken müsse. Die Hetze der Hakatisten gegen die Polen dient aber dem Vaterlande zum Schaden. Wie können wir Polen uns freundlich zu Leuten stellen, die den Untergang des Polentums auf ihre Fahne geschrieben haben? Es fragt sich, ob die korrekten Grundsätze des Ministerpräsidenten in der Verwaltung des Innern und der Justiz in der Praxis befolgt werden. Es ist auch wunderbar, daß der Monarch Grundsätze ausspricht, und die Minister sie nicht ausführen. Der Monarch hat Worte ge⸗ sprochen, um die polnische Bevölkerung zu beruhigen, daß die nationalen Eigentümlichkeiten, die Stammeseigenschaften und Ueberlieferungen gewahrt bleiben sollen. Wie kann der Minister des Innern es damit bereinigen, daß in seinem Ressort jortaährend ein Wechsel in den Ortsnamen eintritt? Die polnischen Ortsnamen haben meist historische Bedeutung. Wie stimmt es mit solchen Grundsätzen, wenn den Polen versagt wird, auf ihrem eigenen Grund und Bod n Ansiedelungen zu machen? Wir denken nicht daran, das Volk aufreizen zu wollen; aber die Klugheit und Weisheit der Minister wird im volnisichen Volke selbst nicht hoch taxiert. Der Minister des Innern hat im vorigen Jahre von den Polen Geboisam verlangt, aber gegen Ungerechtigkeit kann man keinen Gehorsam verlangen.

Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:

Meine Herren! Der Herr Reichekanzler hat vorgestein hier bereits ausgesprochen, daß die Königliche Staatsregierung vollständig fest bleibt auf dem Wege, der seit einer Reihe von Jahren beschritten worden ist, und der zu seinem Endziele das hat, was wir alle wünschen: die Versöhnung unserer nicht deutsch sprechenden preußischen Mit⸗ bürger in den Ostmarken. Ich bin dem Herrn Vorredner aber ganz außerordentlich dankbar für die Worte, die er hier gesprochen hat, und die mir Anlaß geben, hier nochmals zu betonen, daß der alte Kurs auch in der Zukunft derselbe bleiben wird. (Bravo! Dem Herrn Vorredner bin ich deshalb dankbar, weil er zum ersten Male vor diesem Hause und damit vor dem ganzen Lande es ausgesprochen hat, daß die großpolnische Agitation in den Geistern und Gemütern unserer preußischen Untertanen im Osten rege und lebendig ist. Diese groß⸗ polnische Agitation wurde bisher von den Mitgliedern des Abge— ordnetenhauses aus jenen Landesteilen bestritten; heute ist sie aner⸗ kannt, und dafür danke ich dem Herrn Vorredner.

Wenn dann der Herr Vorredner ausdrücklich sagt, daß er die Achtung der polnischen Nationalität seitens der preußischen Regierung verlangt, so kann ich immer nur das wiederholen: wir wellen Ihre polnische Sprache nicht unterdrücken, wir wollen aber, daß Sie in allen Beziehungen Preußen sind, wie wir es sind, daß Sie nicht eine Ausnahmestellung innerhalb Preußens einnehmen, wie Sie verlangen, sondern daß Sie sich vor den Gesetzen beugen. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herten, der Herr Vorredner hat erklärt, es sei ein natür⸗ licher Wunsch aller Polen, einmal wieder einen eigenen nationalen Staat zu bilden. Das ist eben Ziel und Zweck der großvolnischen Agitation. Er hat dann hinzuzusetzen sich erlaubt, daß es ein nobils officium des preußischen Staats sei, diese; Bestreben der Polen gewähren zu lassen, sozar zu unterstätzen und nur so weit ihm ent⸗ gegenzutreten, wie es tatsächlich zu Aufrukr und zu Gewalttätigkeiten führe. Meine Herren, ich meine, die Aufgabe der preußischen Staatsregierung geht weiter: darüber dürfen doch auch die Herren aus unseren polnischen Landesteilen nicht in Zweifel sein, daß eine Wiederherstellung Polens nur möglich ist durch eine Zerträm— merung Preußens und des Deutschen Reichs lsehr richtig! rechts); wenn wir der Wiederherstellung Polens uns widersetzen und mit allen Mitteln dahin wirken, daß derartige Bestrebungen in unseren Landes teilen nicht zuͥr Macht gelangen, so geschieht das im Interesse unseres preußischen und deuischen Vaterlandes, und dieses Interesse steht uns höher als das vermeintliche polnische Interesse. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, der Herr Vorredner hat ferner in seiner Weise anerkannt, daß auch Herr Graf Bülow „mitunter Momente gebabt habe, wo er richtige Grundsätze ausspreche, und hat dann versucht, einen Gegensatz zu konstruieren zwischen dem Ministerpräsidenten und den übrigen ausführenden Ressortministern. Meine Herren, ich kann Sie darüber beruhigen. Ein derartiger Gegensatz besteht nicht; und wenn er jemals bestände, so wärde jeder von uns genau wissen, was er zu tun hätte. Die Einigkeit im Staatsministerium gerade in der Richtung der Regierungepolitik in den Ostmatken ist eine vollständige, und sie wird auch nicht getrübt durch die Ausführungen des Herrn Vorredners.

Der Herr Abgeordnete hat dann auch Seine Majestät den Kaiser selbst in die Debatte gezogen. Ich will ihm darin nicht folgen. Die Worte, die Seine Maj stät vor 3 Jahren in Posen gesprochen hat, wurden in die Debatte gwworfen und in Gegensatz dazu gestellt, daß einige Ortschaften in Posen ihre polnischen Namen und ihren Klang

verlieren und germanisiert werden. Parturiunt montes, nascetur ridiculus mus. Es ist bis heute noch keine Veränderung eines polnischen Ortsnamens eingetreten, wenn sie nicht von den Nächst= beteiligten selbst beantragt war. Ich will nicht versprechen, daß es immer dabei bleiben wird, nur solche Ortschaften deutsch zu benennen, deren Einwohner es selbst beantragen; aber tatsächlich ist bis heute noch keiner Ortschaft ein deutscher Name gegeben worden, wenn nicht die berufene Vertretung der Ortschaft es ihrerseits selbst beantragt hat. Meine Herren, ich möchte wünschen, daß recht viele derartige Anträge gestellt werden; denn innerhalb Preußens und innerhalb des Deutschen Reichs kommt es darauf an, daß der Name allgemein verständlich ist für jeden Preußen, und es kommt nicht darauf an, wie er mit einem besonderen Alphabet, einer besonderen Endung und einer besonderen Aussprache im pelnischen Idiom lautet.

Der Herr Abgeordnete meint, daß in seiner Parochie mehrere Ottschaften seien, deren deutsche Namen er selbst nicht behalten könne, ja, meine Herren, ich glaube, da unterschätzt der Herr Abgeordnete seine eigenen Kenntnisse. (Heiterkeit) Er hat wenigstens bier schon oft Zeugnis gegeben, daß er eine sehr große Fähigkeit der Erinnerung in so hohem Maße besitzt, daß ich wirklich glaube ich würde ja gern auf ihn bersönlich Rücksicht nehmen er hat zu bescheiden von sich selbst gesprochen. (Heiterkeit)

Der Herr Abzeordnete bat dann erklärt, die Polen würden den Maßnahmen gegenüber, welche die Königliche Staatsregierung er⸗ griffen hat, Gehorsam nicht leisten können, und hat damit ausdrücklich nicht nur sich selbst zum Ungehorsam gegen die bestehenden Gesetze bekannt, sondern auch angesichts seiner Stellung als Abgeordneter und durch seine Aus sprache in diesem hohen Hause seine Landsleute draußen im Lande aufgefordert, gegen die bestehenden Gesetze ungehorsam zu sein. Ich glaube, daß das nicht der Beruf eines preußischen Ab⸗ geordneten ist, er hat einerlei, ob ein Gesetz ibm gefällt oder mißfällt an seinem Teil mit dafür zu sorgen, daß die gegebenen Gesetze auch ausgeführt werden. Wenn der Herr Abgeordnete über eine unrichtige Ausführung eines bestehenden Gesetzes Beschwerden hat, so werden wir ihm gern Rede stehen, und es wird sich gew ß das ganze Haus anschließen. Wenn es sich aber um die prinzipielle Frage handelt: ist ein preußischer Untertan verpflichtet, dem Gesetz untertänig zu sein, so steht davon bin ich überzeugt der Herr Abgeordnete mit seiner Verneinung dieser Frage allein, und das ganze Haus steht auf seiten der Königlichen Staatsregierung. (Sehr richtig! rechts) Wenn nun die Polen, die Freunde des Herrn Abgeordneten, in der Tat dem Gesetze ungehorsam sind, so mögen sie die Folgen sich selbft und dem Herrn Abgeordneten zuschreiben; sie werden auf diejenigen zurück- fallen, die dem Gesetze sich widersetzen.

Meine Herren, ich bin erfreut, daß in diesem hohen Hause schon vorgestern die Vertreter großer Parteien sich dahin ausgesprochen haben, daß sie nach wie vor bereit sind, der Regierung auf dem Weg zu folgen, den sie für die Berubigung der Ostmarken als den richtigen ansieht. Auch der Vertreter des Zentrums hat vorgestern in seinen Schlußsätzen dem Wunsch Auedruck gegeben, den wir alle teilen, nämlich einer künftigen Versöhnung. Zu dieser künftigen Versähnung wollen wir alle gelangen, die einen auf diesem, die andern auf einem andern Wege; aber diese Versöhnung kann nur erfolgen, wenn die Polen einsehen lernen, daß sie nur durch und mit Preußen und in Preußen und als Preußen lebensberechtigt bleiben. Wenn sie das anerkennen, so werden wir ihnen auch auf dem Gebiete der Pflege ihrer geschichtlichen Vergangenheit, auf dem Gebiete des Privatgebrauchs der Sprache so weit entgegen—⸗ kommen, wie es nur möglich ist. Die Grund bedingung und die Vor- aussetzung ist aber, daß sie sich als Preußen fühlen und bekennen und auch danach handeln.

Es ist dann auch die Frage des Erlasses eines Sprachgesetzes gestreist worden. Der Vertreter der konservativen Partei bat mir aus dem Herzen gesprochen, indem er zum Schutz des Deutschtums gegen die Konzentrierung des internationalen Polentums wünschte, es möge dafür gisorgt werden, daß in Preußen in Vereinen und Ver⸗ sammlungen nur deutsch gesprochen wird. Meine Herren seit Jahren habe ich diese Frage eiftigst stud'ert; es gibt zu ih er Erledigung mehrere Wege. Der einfachste und beste schien mir die Einfügung einer entsprechenden Voischrift in das Vereinsgesetz und damit gleich⸗ zeitig eine Neuregelung des Vereinsgesetzes, das ja gewisse nicht mehr zeitgemäße Bestimmungen, z. B. über die Zulassung der Frauen, ent⸗ hält. Eine solche Regelung des Vereinsrechts bat aber augenblicklich ganz besondere Schwierigkeiten, weil zur Zeit beim Bundesrat und bei der Reichsregierung ein Gesetz über die Rechtsfähigkeit der Berufs⸗ vereine vorbereitet und beraten wird, welches nicht nur die privat⸗ rechtliche, sondern auch die öffentlich echtliche Stellusg dieser großen Gruppen von Vereinen regeln soll. Dieses Gesetz, bei dem alle deutschen Bundesstaaten beteiligt sind, ist in der Vorbereitung; ich vermag mich heute nicht darüber auszulassen, ob über die grundlegenden Prinzipien dieses Entwurfs eine Einigung sich erreichen lassen wird. Deshalb scheint mir der gegenwä tige Zeitpunkt ungeeignet, eine generelle Aenderung des preußischen Vereinsrechtes schon in diesem Jahre dem Landtage vorzulegen.

Vielleicht wird es sich aber doch ermöglichen lassen und empfehlen, lediglich durch eine Novelle in das jetzige Vereimsgesetz einen Paragraphen über den Gebrauch der deuischen Sprache einzufügen. Auch das hat gewisse Schwierigkeiten, weil ein absolutes Verbot der polnischen Sprache in allen Versammlungen, in denen öffentliche Angelegenheiten beraten werden, bei der welten Ausdehnung dieses Begriffes kaum für zulässig erachtet werden dürfte. Ich baffe jedoch, daß es möglich sein wird, entweder am Schluß dieser oder doch ju Beginn der nächsten Tagung Ihnen die Lösung dieser allerdings auch für unsere Polenfrage sehr wichtigen Angelegenheit vorzuschlagen.

Meine Herren, ich erlaube mir dann auf einige andere Punkte einzugehen, die in der heutigen und der vorgestrigen Debatte zur Sprache gekommen sind.

Der Herr Abg. Dr. Wiemer hat in bezug auf die Polenfrage sich nicht mit der Regierung einverflanden erllärt und bebauptet, daß alles, was bis jetzt von der Regierung unternommen sei, eigentlich nur Fehlschläge seien. Ich möchte demgegenüber nur wiederholen, was schon in den letzten Jahren hier sehr häufig ausgesprochen ist, daß man in schwierigen Nationalitätenfragen den Erfolg nicht von einem Tag auf den anderen erwarten kann, sondern daß es dazu der emsigen, unau'gesetzten, niemals unterbrochenen, immer in demselben Sinne geleiteten Arbeit bedarf, und daß nach Jihren und Jahren unsere Söhne hoffentlich das ernten werden, was wir heute säen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

M 14.

Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Dienstag, den J7. Januar

1905.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Der Herr Abg. Wiemer ist dann weiter auf die Frage der Ein⸗ teilung der Wahlbezirke eingegangen. Der Herr Abg. Dr. Friedberg hat schon vorgestern auf diese sehr wichtige Angelegenheit aufmerksam gemacht, allerdings mit dem Bemerken, daß diese Session bereits zu sehr belastet sei, um dieser Frage noch näher zu treten, daß er aber die Hoffnung ausspreche, daß in der nächsten Session ein neues Gesetz vorgelegt werden würde. Schon im vorigen Jahre habe ich meine Stellung dahin präzisiert, daß ich bereit bin, eine Abänderung des Wahlgesetzes nach mehreren Richtungen hin zu befürworten und einen Gesetzentwurf, wenn mir die Zustimmung des Staats ministeriums zuteil wird, einzureichen. Ich hatte allerdings gehofft, vorher über die Anschauungen der Parteien dieses hohen Hauses etwas näher und präziser, als das bis jetzt geschehen ist, durch die Behandlung der An— träge unterrichtet zu werden, die von Mitgliedern dieses Hauses gestellt sind, des Antrags Dr. Arendt und des Zusatz, und Abänderungẽ antrags der von den Herren Hobrecht, Broemel und Fischbeck, wenn ich nicht irre, unterzeichnet ist, und dessen Beratung noch aussteht. Es würde mir sebr lieb sein, wenn die Verhandlung dieses Antrages noch im Laufe dieser Session erfolgen könnte, da dadurch sich die Ansichten des Hauses und die Stellung der Parteien außerordentlich klären würden. Würde das nicht der Fall sein, so erkenne ich es gern als meine Pflicht an, meinerscits auch ohne diese Beratung in der nächsten Session spezie lle Vorschläge Ihnen zu unterbreiten.

Meine Herren, es ist dann die Frage der Einrichtung einer Re— gierung in Allenstein hier von allen Seiten zur Sprache gebracht. Die Herren Abgeordneten Graf Limburg-Stirum und Dr. Friedberg haben sich dafür ausgesprochen, Herr Abg. Dr. Wiemer hat sich seine Stellungnahme vorbehalten und Herr Abg. Freiherr von Zedlitz hat sich dagegen ausgesprochen, und jwar aus veischiedenen Gründen: einmal, weil es formell unzulässig sei, diese Angelegenheit anders als durch Gesetz zu regeln, und zweitens sachlich, weil er, wie er sich ausdrückte, darin einen verhängnisvollen Schritt erblicke, der geeignet sei, eine wirkliche Reform der Verwaltung hintarzuhalten.

Meine Herren, was zunächst den ersten Punkt betrifft, so bin ich beinahe überrascht gewesen, bei einem so gewiegten Kenner des preußischen Staatsrichts einen derartigen Irrtum zu finden, daß es zu der Einrichtung einer neuen Regierung eines Gesetzes bedürfe. Es ist allgemein anerkanntes und auch durch die Verfassung nicht be— schränktes Recht der Krone, die Behördenorganisation so zu schaffen, wie es den Bedürfnissen der Verwaltung entspricht, soweit nicht die Ver⸗ fassung selbst oder andere Gesetze dem entgegenstehen. Die Verfassung würde z B. entgegenstehen, wenn es sich um Gerichte handelte, denn in bezug auf diese enthält sie die ausdrückliche Anordnung, daß die Gerichte und ihre Organisation durch Gesetz festgestellt werden. Sie steht aber nicht entgegen bezüglich der Verwaltungsbezitke. Hier ist eine Einschränkung des Rechts der Krone nur gegeben, insoweit neue Eesetze, wie j. B. bei den auch als kommunale Körper⸗ schaften in Betracht kommenden Provinjen und Keeisen, eine Aenderung nur im Wege des Gesetzes zulassen. Die Regierungen sind bekanntlich nicht kommunale Körperschaften, sondern lediglich Verwaltungsbesirke. Das ist nicht nur allgemein rechtent, sendern gerade bei der Beratung det jenigen Gesetzes, auf das Herr Freiherr von Zedlitz sich berufen hat, des Landes verwaltungs— gesetzes arch ausdrücklich anerkannt worden. Das Gesetz ist in seiner ersten Fassurg im Jahre 1880 vorgelegt. Damals war im § 1 ganz allgemein gesegt, daß die Veiwaltungseinteilung des Staatsgebietes in Previnzen, Regierungebezirle und Kreise besteben bleibe. Genau dasselbe besagt der Paragraph, wie er heute noch besteht. Damals nun haben in den Kommissionen beider Häuser über diesen Para— grarhen eingehende Verhandlungen stattgefunden, und im Abgeordneten hause ist darüber zu Protokoll gegeben wenn es gestattet ist, erlaube ich mir, es vorzulesen —:

Ein spezielles Bedenken erbob sich dagegen, ob durch die gesetz⸗ liche Festl gung einer bestimmten Zahl von Regierungebezirken in der vorliegenden Gesetzesfassung dem Königlichen Recht, die Ver waltungebezirke durch Verordnung festzustellen, präjudiniert werde. Es wurde deshalb der Antrag gestellt, hinter die Worte ‚Re⸗ gierungsbezirke' einzuschalten die Worte

durch Königliche Verordnung“.

Der Herr Minister des Innern erklärt die Befugnis der Staats regierung zur Regelung der Regierungsbezirke durch Verordnung, welche dann zu einer etatsmäßigen Regelung unter Mitwirkung der Landesvertretung führe, als unbestritten und unbestreitbar. Eine 65 jährige Praxis babe diesen Grundsatz außer Zweifel gestellt, und auch im Jahre 1868 sei nach ausführlicher Die kussion anerkannt, deß die Abgrenzung der Reglerungsbezirke nur duich Königliche Verordnung ju bewirken sei mit entsprechender Regelung durch den Etat unter Mitwirkung der Landesvertretung. Auch in der Kemmission wurde heivorgeboben, daß die Organi⸗ salionsgewalt, soweit sie nicht durch ein formelles Gesetz bestimmt beschrankt sei, zur vollziehenden Gewalt der Krone gehöre, daß es aber nicht ratsam sei, eine theoretische Kontroverse hier durch aus— drückliche Entscheidung zu erledigen, aus dem man einen Schluß e contrario ziehen könnte. Bei der Abstimmung wurde demgemäß der Zusatz abgelehnt, nachdem seitens des Antragstellers erklärt war, es walte durchaus nicht die Atsicht ob, daz Organisaiionsrecht der Krone zu bestreiten, und es werde genügen, in dem Bericht der Kommission ausdrücklich auszusprechen, daß damit das Recht der Krone, Aenderungen an den Bezirkeregierungen vorzunehmen, nicht in Abrede gestellt werden könne.

Die betreffende Stelle in dem entsprechenden Bericht der Herren bauskommission lautet:

Als nach dem Wortlaut und nach den früheren Erklärungen der Staateregierung wurde unzweifelhaft konstatiert, daß in die Befugnis der Krone, die territoriale Begrenzung der Verwaltungs. bezirke zu ändern, inseweit sie geg⸗nwär ig ju Recht besteht, durch die in Rede stehende Voischrift nicht eingegriffen werden konne.

Ebenso wurde hinsichtlich des 5 2 Abs. 1 junächst konstatiert, daß ebensowenig hier wie in 5 3 die Verwaltungsbezirke festgelegt und gesetzlich fixiert werden sollten. Wie der Minister des Innern auf drücklich der Kommission des anderen Hauses gegenüber erllärt habe, bliebe die Frage über Abänderung der Administrationse bezirke und zwar duich Königliche Verordnung völlig offen.

Diese beiden Berichte sind in beiden Häusern des Landtags ohne Widerspruch geblieben; ich darf wobl annehmen, daß auch der jetzige Landtag die Ansicht des damaligen teilt, die auch mit der gesamten Praxis bis jetzt übereinstimmt, daß an und für sich formell die Gründung eines neuen Regierungebezirks Angzelegenheit der Krone ist, daß aber selbstverständlich die pekuniären Aufwendungen, die daraus entstehen, der Bewilligung des Landtags, wie jede andere Aus gabe, unterstehen.

Ich möchte aber ferner glauben, daß auch die sachlichen Be— denken, die Herr von Zedlitz vorgetragen hat, nicht begründet sind, und ich habe die Hoffnung, daß Herr von Zedlitz, wenn in der Kom— mission oder in der zweiten Lesung die Angelegenheit noch einmal eingehend geprüft wird, sich selbst der Ansicht anschließen wird, daß mit der Bildung der neuen Regierung in Allen— stein die Verwaltung nicht verschlechtert, nicht gehemmt, sondern gefördert wird. (Sehr richtig! rechts) Es ist ja der Tendenz, die Herr von Zedlitz bei seinen vielfachen Anregungen einer Verwaltungsreform vertreten hat, voll zuzustimmen, der Tendenz, die Bureaukratie tunlichst zu beschränken und die eigentliche Ent— scheidung mehr und mehr in die untere Instan;, in die landrätliche Instanz zu legen. Ich glaube auch, daß dieser Gedanke an und für sich ein richtiger ist. Man mag bezüglich des Weges zu diesem Ziele dieser oder jener Ansicht sein; es ist jedenfalls dabei eine sehr wichtige Grenze zu beachten, und das ist die Rücksicht, daß nun nicht wieder diese untere Instanz selbst zu einer bureaukratischen werde. Die Neu⸗ zeit liebt es, überall Sonderbehörden zu schaffen; wir haben Sonder— gerichte aller Art, wir haben Fachbehörden im Laufe der Jahre einsetzen müssen, und die Tendenz geht immermehr dahin, daß jedes einzelne Fach eine selbständige Vertretung seiner Interessen und Spezialbehörden haben muß. Ich glaube kaum, daß dem im großen und ganzen Widerstand entzegenzusetzen ist. Aber dem gegenüber bedarf es eines Korrelats, bedaif es einer Zusammenfassung der veischiedenen be⸗ sonderen Inteiessen, und diese Zusammensassung der Interessen kann nur in einer mittleren Instanz, in einer Königlichen Regierung ge— schehen. Man mag streitig darüber sein, ob man die Königliche Re—⸗ gierung als Kollegialbehörde noch weiter einschränkt, als das bei der letzten Reform geschehen ist, ob es möglich ist, die persönliche Ver⸗ antwortlichk it des Leiteis der Regierung noch schärfer zu akzentuieren. Das sind alles Dinge, die besprochen, erwogen und beurteilt werden können; aber die Notwendigkeit dieser Instanz selbst, glaube ich, ist nicht aus der Welt zu schaffen, und ebenso notwendig ist es, daß an der Spitze dieser Instanz ein Beamter der allgemeinen Landesver⸗ waltung steht, ein Verwaltungebeamter, der berufen ist, die Gesamt⸗ interessen des Staats zu wahren, der berufen ist, einen Ausgleich zu schaffen zwischen den Sonderinteressen des einzelnen Ressorts und den Interessen anderer Resserts und den allgemeinen Interessen des Staate. Denken Sie sich einmal, daß die Forstangelegenheiten lediglich von einer Foistbelörde ohne Zuziehung eines Verwaltungsbeamten verwaltet würden, so würde doch ganz gewiß diese Forstbehörde, in ihtem Sinne auch ganz mit Recht, das Interesse ihrer Forsten als das allein Aus schloggebende betrachten. Wie ost aber, meine Herren, steht dem ein anders, im Ein elfall vielleicht höheres Jateresse entgegen, das auf einem ganz anderen Gebiete liegt. Denken Sie an das der armen Bevölkerung zugute kommende Recht der Lese in den Forsten, an das Recht der Weide in den Forsten, an das Recht der Abgabe von Holz aus den Forsten für Schulen und dergl, immer ist es das münschens— werte, daß auch ein Beamter der allgemeinen Verwaltung mitzuraten und mitzutaten hat, damit in allen Fällen das Richtige getroffen wird.

So glaube ich, meine Herren, werden wir die Regierungen in den nächsten Dezennien nicht überflässig machen, sondern sie werden immer rotwendig sein. Ganz gewiß wid es sich ermöslichen lassen, einen Teil der Befugnisse, die jetzt den Regierungen zufallen, auf die untere Instanz zu übertragea, und mein verehrter Kollege, der Herr Kultusminister, hat mir bereits zugesagt, auf einem Gebiete, auf dem nach meiner Auffassung inskesondere die Regierung zu unmittelbar wirkt, auf dem Gebiete der Schul— verwaltung, zu überlegen, in wicweit es möglich sei, jetzige Kompetenzen der Regierung auf die Landräte ꝛc. zu übertragen. Er hat nur den Wunsch binzugefägt, daß diese Erörterungen eist dann eintreten, wenn das Volksschulunterhaltungsgesetz, das augenblicklich in Vorbereitung ist, verabschiedet sei, um nicht dieses Volkesschulunterhaltungsgesetz noch durch das Hinzutreten dieses weiteren Punktes in seinem Zustande— kommen zu erschweren. Sie sehen also, meine Herren, daß die Sache einer Reform nicht ruht, sondern daß sie eifrig verfolgt wird, und ich hoffe, es noch zu erleben, daß ich acch mit dem Abg. Freiherrn von Zedlitz zu demselben gen ünaschten Ziele der Stätlkung und Be— lebung der unteren Instanz komme. Ich halte das für um so nötiger, als ja die bureaukratische Einwirkung der Regierung im ganzen, so— wohl der Landiäte als der Mittelinstanz und auch der Oberinstanz durch die Selbsiverwaltung schwächer wird; und es ist auch gut, daß sie schwächer wird. Um so mehr wird sich nur der Beamte den maß— gebenden und nötigen Einfluß sichern, der kraft seiner Persönlichkeit, durch seine persönliche Tüchtigkeit, durch sein ganzes Auftreten dieses Anseben verdient. Gott sei Dank, haben wir im preußischen Staat noch eine sehr große Anzahl solcher hervorragend tüchtigen Beamten, und soweit es an mir liegt, werde ich dafür sorgen, daß dieser gute Zu— stand auch für die Dauer erhalten wird.

Meine Herren, ich möchte dann nur ganz kurz noch auf eine Be— merkung eingehen, die der Abg. Wiemer gemacht hat. Er bat die Hinzuzebung eines weiteren Beamten in das Zivilkabinett bemängelt. Die sei desbalb nötig geworden, weil die Kaiserlichen Reisen diesen Beamten erforderten. Ja, meine Herren, das ist auch ganz richtig. Aber

die Kaiserlichen Reisen sind eben etwas, wofür wir alle nur Seiner Majestät dankbar sein können. Je öfter Sich Seine Majestät draußen im Lande zeigt, desto besser ist es, de to mehr lernt Er das Volk und das Volk seinen König kennen, und je öfter Seine Majestät Sich im Lande blicken läßt, um so mehr wird das monarchische Gefühl, das, Gott sei Dank, noch die große Mejorität unseres Volkes erfüllt, gestäckt und belebt. Ich möchte den Herrn Abg. Wiemer nur bitten, einmal hinauszugehen und sich in eine der Städte oder auf das Land zu be⸗ geben, wohin Seine Majestät Seine Schritte lenkt, und er wird dann sehen, mit welcher Begeisterung, mit welcher Liebe, mit welcher Verehrung Seine Majestät dort von allen Seiten empfangen wird. Ja, meine Ferren, das kommt der Regierung, das kommt der Verwaltung des ganzen Staates, das kommt dem Wohle des ganzen Staates und seiner ganzen Bevölkerung zu⸗ gute. Und wenn nun durch diese Reisen ein Beamter im Zivilkabinett mehr nötig ist, so ist das nur ganz natürlich. Und dazu bitte ich dann zu bedenken, daß die Geschäfte in den letzten 25 Jahren auf allen Gebieten des staatlichen Lebens so gewachsen sind, daß die frühere Zahl von Beamten sie nicht mehr bewältigen kann. In dem Zivil kabinett aber hat seit einer langen Reihe von Jahren eine Ver— mehrung von Beamten nicht stattgefunden. Ich bitte die Herren deshalb, der Anregung des Herrn Abg. Wiemer keine Folge zu geben.

Ebenso wenig, meine Herren, möchte ich hier eine Acußerung des Herrn Abg. Wiemer unwidersprochen lassen über die Auszeichnungen von Ausländern mit preußischen Orden; wenn ich richtig verstanden habe, zielte dies auf die jüngst von Seiner Majestät dem General Stössel und dem General Nogi verliehene Auszeichnung des Ordens pour le mérite hin. Meine Herren, der Königliche Orden pour le mérite steht so hech da, daß in der Tat nur diejenigen gewürdigt werden, ihn zu tragen, welche in ihrer militärischen Laufbahn sich ganz besonders vor anderen hervorgetan haben. Und wenn diese beiden Generäle, der russische Verteidiger und der japanische An⸗ greifer, beide in gleichem Todesmut, mit der gleichen Verachtung aller Gefahr, mit der gleichen Beharrlichkeit und mit der gleichen Kühnbeit nun monatelang miteinander gerungen haben, um dann, als Stein auf Stein schon gehäuft war in den Breschen, in dem letzten Augenblick das Blutvergießen stocken zu lassen, so, glaube ich, haben sie sich ein Ruhmesblatt in der Geschichte aller Zeiten ge—⸗ setzt, das nicht erlöschen wird, auch wenn unsere Gebeine längst zu Staub geworden sind. Und wir können es nur Seiner Majestät dem Kaiser danken, wenn Er solche in der Weltgeschichte einen bervor— ragenden Platz einnehmenden Personen zu Mitgliedern Seines Ordens pour 18 mérite macht, und ich glaube, eine Bekrittelung hier in diesem Hause ist um so weniger angebracht, als die Ordensverleihung ein anerkanntes Thronrecht, eine Sache der ausschließlichen Entschei⸗ dung des Königs ist, die nicht der Kritik im Parlament untersteht. Ich möchte des halb bitten, auch diese Bemerkung des Herrn Abgeord⸗ neten nicht weiter zu verfolgen.

Einige andere Punlte, die sich auf die Verwaltung des Innern beziehen, sind von dem Herrn Vorredner nur gestreift worden, und ich muß es mir vorbehalten, bei der zweiten Beratung des Etats, wo die Sache zweifellos gründlicher behandelt werden wird, darauf meinerseits näher einzugehen.

Ich kann hier nur nochmals schließen mit dem Arpell an die Herren aus den polnischen Landesteilen: wir wollen die Versöhnung, wir wollen die Versshnung aber nur auf der Grundlage, daß Sle sich als Preuß fühlen und als Preußen handeln. Danach richten Sie sich! (Bravo! rechts und kei den Nationalliberalen.)

Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗ angelegenheiten Dr. Studt:

Der Abg. Dr. ven Jazdzewsli hat jwei Verfügungen der Be⸗ zirkfregierung zu Danzig und derjenigen zu Posen jum Gegenstand von Angriffen gegen die Urterrichté verwaltung gemacht. Was die erste Verfügung betrifft, die der Königlichen Regierung zu Danzig vom 5. Oktober 1398, so bat der Herr Abgeordnete es unerwähnt gelassen, daß diese Verfügung zum Gegenstand einer weit gehenden Auseinandersetzung bereits bei Gelegenheit der Be— ratung des Kultutetats im März 1839 dutch den da— maligen Herrn Abg. Motty gemacht werden ist. Mein Herr Vorgänger Besse bat bei dieser Gelegenbeit erklärt, deß die Ver⸗ fügung ihrem Inbalte rach ihm kekannt sei, daß sie ohne seine Mit—⸗ wirkung erlassen sei, daß er aber, wenn er auch die einzelnen Worte und Wendungen dieser Verfügung nicht billige, mit ihrer Tendenz vollkommen ein verstanden sei. Die Danziger Regierung sei im Recht gewesen, wenn sie in denjenigen Landesteilen, in denen das Deutschtum durch die national-polnische Agittion gefährdet ist, die Lebrer darauf aufmerksam machte, daß sie die Pflicht haben, in ihrer ganjen Haltung, in ihrem amtlichen und außeramtlichen Leben sich als Deutsche zu fühlen und als Deutsche zu denken. Diese Aeußerung meines Herrn Vorgängers ist von der rechten Seite dieses hoben Hauses und von den Herren Nationallikeralen mit lebbastem Beifall begleitet worden. Ich habe der damaligen Erklärung nichts hinzuzufügen und balte daran fest, daß die Absicht, die die Königliche Regierung in Tanzig mit dieser Verfügung verbunden bat, an sich eine durchaus richtige war und vollständig denjenigen Weisungen entsrricht, welche auch der von dem Herrn Abzeordneten heute eiwähnte Staateministerialbeschluß vom 12. April 1898 als maßgebend für alle Staats beamten, für die unmittelbaren, wie für die mittelbaren und insbesondere auch für die Lebrer, bingestellt bat. Es ist ganz selbstverständlich, daß, wenn ein Volksschullehrer seinen Beruf übernimmt, er auch die Konsequenzen tragen muß und, wenn er polnischer Abstammung ist, unbeeinflußt durch diese Abstammung sich voll dessen bewußt bleiben muß, daß er die Pflichten dieses Amtes wahrzunehmen bat nach den Gesetzen und nach den Weisungen der ihm vorgesetzten Bebörde. Wellten wir einen Unterschied jwischen den Berufepflichten der Lehrer polnischer und deutscher Abstammung machen, so würde die ganze Schulpolitik der

Regierung in den gemischtsprachigen Landetzteilen auf eine