1905 / 17 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 20 Jan 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 12. Sitzung vom 19. Januar 1906, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Tagesordnung: Fortsetzung der . Beratung des

Reichshaushaltsetats fuͤr 1905 bei dem Etat der Reichs⸗ post⸗ und Telegraphenverwaltung.

Ueber den Anfang der Sitzung und die zu den fort⸗ dauernden Ausgaben beantragten Resolutionen Hitze und Gröber wurde in der Siren Nummer d. Bl. berichtet.

Abg. Trimborn (3Zentr. eren, Die Dienststunden⸗ läne ellen revidiert und dabei die Grundsätze für die Durch 16 der Sonntagsruhe voll zur Geltung gebracht werden; wo as nicht anders durchführbar ist, foll das Personal vermehrt werden. Damit ist das erlösende Wort gesprochen und das alte Regulatiy außer Kraft gesetzt. Wir können den Staatssekretär nur bitten, auf diesem Wege fortzufahren und sich nicht zu scheuen, eventuell auch an den Reichstag mit Mehrforderungen heanzutreten. 713 soll Vorsorge etroffen werden, daß auch für die Folge eine Verschlechterung des erhältnisses der Beamten gegenüber dem Regulativ von 1839 nicht eintritt. Die allzu große Ausdehnung der Dienstschichten wird unter jar und den Oberpostdirektionen nahegelegt, daß dienstfreie Vor⸗ und achmittage wo irgend möglich für die Beamten erzielt werden; es wird ihnen ein deutlicher Wink gegeben, daß nicht mehrere Nacht dienste ohne Nachtruhe einander folgen. Alle diese Winke liegen in der Richtung unserer vorjährigen Anregung. Es sind keineswegs alle unsere Wünsche damit erfüllt, aber anerkannt werden muß der gute Wille des Staatssekretärs, die Grundsätze für die Bemessung der Arbeit baldigst zur Durchführung zu bringen. Wir können nur wünschen, daß der Staaittzsekretär auch ferner recht energisch und bis in alle Einzelhelten nach unten hin nach dem Rechten 5 Unser Verlangen nach eingehenden statistischen Unter—⸗ agen über Dienstzeit, Sonntagsruhe und Urlaub ist in der letzten Poststatistik für 1903 ebenfalls erfüllt worden. (Redner geht die Angaben dieser Statistik im einzelnen gründlich durch,) Was die Dienstzeit betrifft, waren über 66 Stunden wöchentlich 27 o/ aller Unterbeamten beschäftigt. Leider ist aus der Statistik nicht zu ersehen, wie viele Beamte alle vier Wochen nur einen Sonntag dienstfrei waren, und wie viele alle drei Wochen nur einen Sonntag und wie viele alle zwei Wochen nur einen Sonntag; hier— über möchten wir genaue Auskunft haben. Die Einrichtung des halbfreien Sonntags, namentlich des Sonntagvormittags, kommt bedauerlicherweise nur einen sehr kleinen Teil der Unterbeamten ju gute. Die von uns vorgelegten Resolutionen, namentlich die Nummer 1“ der Resolution Gröber, können wir dem Reichstage nur dringend zur einstimmigen Annahme empfehlen. Geld, Drucksachen⸗ und Paketbestellung müßte an den Sonntagen gänzlich wegfallen und nur Gelegenheit zur Abholung gegeben werden. Vor allem aber wünschen wir Verkürzung der Schalterstunden für den Paket— verkehr an den Vorabenden der Sonn und Festtage. Die Stauungen, die in den letzten Stunden der Paketauflieferung durch das massenhafte Herjuströmen der Pakete an diesen Tagen j. B. in Berlin zu beobachten sind, beruhen im wesentlichen auf einer unverantwortlichen Bummelei des Publikums; es sind fast immer dieselben Großkaufleute, dieselben Firmen, die an dieser Erscheinung schuld sind, die den Unterbeamten ibren Dienst ins Unge—⸗ bührliche verlängert und sie schließlich um die Sonntagsruhe bringt. Man setze also einfach den Schluß der Paketschalter früher an. Auch die kausmännischen Gehilfen, Hausdiener und das ganze Personal würden von einer solchen Maßnahme ibren Vortell haben. In den Angaben der Statistik über die Rubetage sind offenhar die Sonn- tage und die Erholungsurlaubstage mit einbegriffen, sonst ließe sich die relative Höhe der Zablen nicht erklären; während aber die Zahl der Ruhetage sich bei den Beamten überhaupt einiger maßen auf gleichem Niveau hält, sinkt der Prozentsatz bei den Unter⸗ beamten rasch, je böher die Zahl der Rubetage steigt; es haben nämlich 12 48 Ruhetage b0 o, 48 –- 84 Ruhetage 2406/9, 84 - 129 Ruhetage 8o/g, über 126 Ruhetage 6o /o. Mit dem Erholungsurlaub verbält es sich insofern eigentümlich, als hei den Landhriefträgern 20 0,9 einen solchen nicht erhalten konnten, während dieser Prozentsatz bei allen übrigen Kategorien, abgeseben von den Postboten, viel niedriger ist. Was die Gesundheitsverbhältnisse der Postbeamten betrifft, so sieht es damit bei uns im allgemeinen wohl besser als in Frankreich; doch wäre zu erwägen, ob nicht einiges aus der dortigen Ordnung zu uns herüberzunebmen wäre. Die Landbriefträger wünschen dringend die Einführurg der Drillichjacken als Sommer- kleidung, und die exemplarische Hitze des letzten Sommers hat diesen Wunsch sogar zu einem dichterischen Erguß verdichtet, der durch die Zeitungen belannt geworden ist und mit den. Werten beginnt: O Kraetke, sprich ein gutes Wort!“ Die Lohnverhältnisse der Scheuer⸗ frauen in den Postämtern lassen auch viel zu wünschen übrig, sie er halten nicht viel mehr als 1 täglich; desgleichen steht es nicht um besten mit den reichseigenen Pestillionen. Ueber alle diese Ver⸗ ältnisse sowie über die Lage der Postbeamten in unseren Kolonien wünschen wir nach Ziffer 3 der Resolution Gröber eingehende Auskunft. Zu meiner Verwunderung babe ich gebört, daß die Kolonialpost— beamten prinz piell nicht verbeiratet sein sollen. Das halte ich nicht für richtig. Es scheint in anderen Verwaltungszweigen nicht so gehalten ju werden. Die Dienstzeit in den Kolonien wird zwar doppelt, aber das Auelandsgehalt nicht bei der Pension angerechnet. Die Beamten wünschen, daß wenigstens ein Teil des Auslandsge halts angerechnet werden möchte. Prima vista erscheint dieser Wunsch berechtigt. Im vorigen Jahre hat der Abg. Erzberger die Einführung von Postanweisungskuveris nach württembergischem Muster besür⸗ wortef. Diese geniale Einrichtung der Schwaben ist auch für das Reich nachabmenswert. Ferner haben wir im vorigen Jahre (ine Resolution beschlessen wegen einer Portoermäßigung für Tie Postpakete der Soldaten in die Heimat. Wie steht es mit der Ausführung? Wie steht es dann mit der Denkschrist über die Besoldungsverbältnisse? Die Reich postunterbeamten sind viel schlechter besoldet als in Bavern und Wirttemberg. Auf das Kapitel des Wohnungsgeldzuschusses will ich nicht eingehen. Wir haben darüber ver ein paar Tagen gesprochen. Auch die Gehaltsverhältnisse der Oberbeamten ver- dienen Beachtung. Die Dauer der ersten beiden Gebaltestufen sollte von 3 auf 2 Jabre herabgesetzt werden. Auch unsete

Resolution wegen der Unterstũtzung der gemeinnützigen Arbeits aachweise

durch die Post möchte ich Ihnen empfehlen. Im übrigen mochte ich dem Herrn Staatsselrerär eine gewisse Anerkennung für seine Tätig⸗ keit nicht versagen. Möge er auf dem begonnenen Wege vorwärig schreiten. Er steht in dem Rufe, ein besonderer Freund der Sonntagsrube zu sein. Er ist aber erst im Anfangsstadium seiner Entwicklung. Reichstag und Postverwaltung müssen auf diesen Ge⸗ bieten verständnisvoll zusammenarbeiten im Interesse des Personals und des Publikums.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Ich bin dem Herrn Vorredner dankbar dafür, daß er sich so ein⸗ gebend mit der Statistik beschäftigt bat. Er wird dabei gefunden haben, welche Menge von Arbeit darin steckt, und wird es erklärlich finden, daß die Reiche postverwaltung trotz aller Bestrebungen nach schneller Erledigung nicht in der Lage ist, nachdem so viele und wichtige Resolutionen im Anfang v. J. gestellt sind, alles innerhalb eines Jahres jzu erledigen.

Ich komme nun zu seinen einzelnen Bemerkungen über die Statistik. Ich schicke voraus: dier Karxitel ift so schwierig, daß der Herr Vorredner tretz eingebenden Studiums die Sache doch nicht gan genau beurteilen konnte. Ich berufe mich darauf, daß die Reiche postverwaltung stete gesagt bat, sie sei bestrebt, die Arbeiteleistung der Beamten und Unterbeamten auf ein richtiges Maß zurück uführen. Aus diesem Bestreben ist der vom Herrn Vor⸗

redner erwähnte Erlaß hervorgegangen. Uebrigens entspricht das Bild, welches das hohe Haus aus der vorliegenden Statistik bekommt, nicht dem augenblicklichen Zustand. Weil dauernd Bewegung in dieser Materie ist, sind gegenwärtig die Verhältnisse besser, als sie auf dem Papier eischeinen. Diese Statistik ist im Herbst aufgestellt; inzwischen ist aber wieder über eine Million zur Verbesserung des Leistungsmaßes ausgegeben (Bravoh, und zwar für Unterbeamte t, für Beamte 4 Million. So wechselt das dauernd; ich hoffe, die Statistik der folgenden Jahre wird ein viel günstigeres Gesicht tragen. Das eine möchte ich aber hinzufügen, daß der Wunsch des Herrn Vorredners, daß das Arbeitsmaß aller Beamten unter allen Umständen nicht mehr als 8 Stunden betragen solle, wohl kaum in Erfüllung gehen wird; denn die Leistung des einzelnen Be amten wird sich immer nach der Anstrengung der Beschäftigung richten müssen. Wenn die Herren vergleichen, was im Privat⸗ leben geleisttt wird, wie viel länger dort die Einzelnen beschäftigt sind ich will nur an die Kaufleute er- innern dann wird man nicht sagen können, daß die Postbeamten übermäßig beschäftigt sind. Wir streben dahin, wie schon gesagt, das Leistungkmaß allmählich mehr der Mitte, mehr dem Durchschnitt nahe zu bringen, als das jetzt der Fall ist.

Ferner hat der Herr Vorredner besonders zum Ausdruck gebracht, daß eine Differenz vorhanden zu sein scheine zwischen der Zabl der Unterbeamten auf Seite 121, wo nur 90399 angeführt sind, und der Angabe von 92462 auf Seite 117. Daß ist damit zu erklären, daß auf Seite 121, wie im Kopf der Spalte vermerkt, der Stand der Unterbeamten vom 1. Oktober 1903 angegeben ist, während es sich auf der Seite 117 um den Stand im Herbst 1904 handelt. Sie können daraus ersehen, wie stark die Per sonalvermehrung gewesen ist; es sind mehr als 2000 Personen, die innerhalb dieser Zeit eingestellt worden sind.

Wenn der Herr Vorredner mit bezug auf den Sonntagsdienst gesagt hat, daß es sehr viel mehr freie Sonntagsnachmittage als Vormittage gebe, so ist das einfach darauf zurũckzufsihren, daß Vor⸗ mittags noch eine Bestellung stattfindet, und Nachmittags das Bestellpersonal frei ist. Im übrigen möchte ich nicht unterlassen, hier anzuführen, daß meinem Personal die frelen Sonntags nachmittage viel erwünschter sind als die ⸗Vormittage. Ich möchte auch noch hervorheben, daß der Herr Vorredner aus der Beschäftigung am Sonntagvormittag nicht ohne weiteres schließen darf, daß allen Beamten, die Dienst haben, die Möglichkeit entzogen ist, die Messe oder das Hochamt zu besuchen. Ich darf daran er— innern, daß das Bestellpersonal meistens schon um 10 Uhr mit dem Dienst zu Ende ist und noch am Hauptgottesdienst teilnehmen kann.

Wenn nun in der neuen Resolution der Herr Vorredner und seine Freunde den Antrag gestellt haben, den Bestelldienst am Sonntag zu beschränken, so ist das ja, wie er richtig ausgeführt hat, auch ein Wunsch, dem ich hier schon Ausdruck ge— geben habe. Auch mein Streben geht dahin, nach und nach den Sonntagsbestelldienst weiter zu verkürzen und ihn auf die— jenigen Sachen zu beschränken, deren Abtragung durchaus notwendig ist. Ich möchte aber doch bemerken, daß die Sache so ganz einfach nicht ist, und daß ein so schwerer Eingriff in die wirtschaftlichen Ver⸗ hältnisse nicht so kurzer Hand gemacht werden kann. (Sehr richtig! links) Ich möchte daran erinnern, daß es doch all den Leuten, die auf Postanweisung Geld bekommen, nicht gleichgültig ist, ob sie das Geld erst am Montag erhalten (sebr richtig), daß sehr viele Verbindlichkeiten am Montag früh gelöst werden müssen, daß Wechsel präsentiert werden und daß sehr viele Leute am Sonnabend⸗ morgen noch gar nicht in der Lage sind, das Geld auf der Post einzuzahlen, da sie z. B. erst am Sonnabend⸗ nachmittag oder abend ihren Lohn ausbezahlt bekommen. Die Reichtpostverwaltung muß bei allem Streben, den Beamten Er⸗— leichterungen zu schaffen, doch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse, wie sie sich nun mal bei uns gestaltet haben, Rücksicht nehmen, und es bedarf eingehender Erwägung, ob und inwieweit eine Erleichterung stattfinden und allmäblich fortgeschritten werden kann. (Sehr richtig! links Es liegt jedenfalls bei uns der Wunsch vor, so viel Er— leichterungen zu schaffen, als die wirtschaftlichen Verhältnisse gestatten. Auf ein paar Tausend Mark möchte ich gleich hinzufügen kommt es dabei, wie der Herr Vorredner ausgeführt hat, wirklich nicht an.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch einen kleinen Irrtum des Herrn Vorredners berichtigen, wenn er sagte, er befürchte, daß der Herr Staatssekretãär der Finanzen da Schwierigkeiten machen könnte. Zu dessen Rechtfertigung kann ich anführen, daß ich in diesem Punkte bei meinem Herrn Kollegen vom Schatzamt keinerlei Schwierigkeiten gefunden babe.

Dann ist der Herr Vorredner auf die Resolution zurückgekommen, die im vorigen Jahre eingebracht worden ist bezüglich der Einführung

der Sonntagsruhe an den katholischen Feiertagen in solchen Orten, in den Kolonien angeben.

denen die Mehrheit aus Katholiken besteht. Wir haben uns mit dieser Frage eingebend beschäftigt, wie wir allen Resolutionen des Reichstags ratürlich die nötige Aufmerksamkeit

das Ergebnis mitteilen. Eins anführen: daß die Sache eine

kann Ihnen beute noch nicht aber möchte ich jetzt schon

große Wichtigkeit und einen großen Umfang bat. ist bekannt, daß bei uns im Deutschen Reiche geseßzlichen Festtagen noch in sebr vielen Gegenden kirchliche Feiertage in Wirklichkeit jetzt schoa wie Sonntage gefeiert werden, und jwar handelt es sich nach einer Zusammenstellung, die soeben fertig geworden ist, für das Reichspostgebiet um eine Gesamt⸗ zabl von 4638 Festtagen und um 15349 verschiedene Orte.

Wenn der Resolution in vollem Umfange Folge gegeben werden sollte, würde es sich nicht mebt um 4535 Festtage, sondern um 27 563 Fest⸗ sonderes für sich beiiehen kann, sondern in denen mehrere Leute

tage (bort! hört! links) und um 4215 Orte handeln. (Hört! hört! linkz.) Die weittragende Bedeutung der Frage wird dem Herrn Vor- redner nach diesen Zablen vollständig vor Augen treten.

Der Hert Vorredner hat bezüglich der Ruhetage einige Wänsche zum Ausdruck gebracht und angefragt, ob in den Ruhetagen die Sonn⸗ tage mit einbegriffen seien. Diese Frage kann ich bejahen. Der Erbolungs⸗ urlaub ist aber n icht einbegriffen. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das beißt: der Erholungsurlaub rechnet an sich nicht mit; wenn aber in die Zeit des Erholungturlaubs nach dem Dienstylan 1. B. zwei freie Tage fallen, so sind diese mitgerechnet.

Der Erfüllung des Wunsches, in der Statistik die Ruhetage

näher zu spejialisieren und nicht so große Gruppen ju machen, wird

zuwenden. Tie Sache erfordert aber sehr umfangreiche Ermittelung en, und ich

Ihnen außer den

nichts entgegenstehen. Die ganze Statistik in dieser Richtung ist la ein vorläufiger Versuch, und es ist anzunehmen, daß bei der weiteren Behandlung der Frage diese oder jene bessere Geftaltung heraus- kommen wird. 2

Wenn dann die Rede davon gewesen ist, daß an dem Erholungk⸗ urlaub der Landbriefträger 203 os0 „aus anderen Gründen“ noch nicht beteiligt sind, so ist das erklärlich. Den Herren ist ja bekannt, daß die Beschäftigung der Landbriefträger sich von derjenigen der Unter⸗ beamten, die in den Posthäusern oder im Ortebestelldienst tätig sind, wesentlich unterscheidet. Die Landbriefbestellung dauert vielfach nur bis zum Anfang des Nachmittags, sodaß die Landbriefträger noch viele Nachmiltage und Abende frei haben. Infolgedessen ist die Not⸗ wendigkeit einer langen Ruhejeit bei den Landbriefträgern nicht so stark wie bei den anderen Unterbeamten. Im übrigen haben aber die Verhältnisse sich selt Juni dieses Jahres, seit Aufstellung der Statistik, schon viel besser gestaltet, und die Prozentzabl der nicht an dem Erholungẽeurlaub beteiligten Landbriefträger wird jetzt eine viel geringere sein. Das werden die Herren im nächsten Jahre aus der Statistik ersehen.

Bei den Postboten ist der von dem Herrn Vorredner angeführte ungünstige Prozentsatz einfach dadurch ju erklären, daß die Postboten meist ganz junge Leute sind, darunter i. B. in jedem Jahre etwa 2300, die eben eingestellt sind. Da kann natürlich nicht davon die Rede sein, daß diese jungen Leute mit Erholungsurlaub usw. ebenso berücksichtigt werden wie verdiente Unterbeamte, die bereits längere Zeit gedient haben.

Was nun den Vergleich der auf die Mitglieder der Krankenkassen entfallenden Krankbeitstage mit denjenigen der Unterbeamten betrifft, so, glaube ich, ist von dem Herrn Vorredner der Vergleich insofern nicht richtig gejogen, als, soviel mir erinnerlich, bei den Krankenkassen die Karenzzeit überhaupt nicht zählt. Also für alle Personen, dle bis drei Tage krank sind, zählt die Zeit gar nicht mit. Daraus im weitern, daß von den Krankenkassen alle diejenigen, die krank sind, nur höchstens zwei Drittel ihres Lobnes bekommen, dagegen jeder Postunterbeamte in Krankbeitsfällen sein volles Gehalt bezieht, daif wobl geschlossen werden, daß vielleicht bei den Krankenkassenmitgliedern manchmal eher das Bestreben hervortritt, die Arbeit wieder aufzunehmen, als bei den andern, die während der Krankheit volles Gehalt beziehen. Ich ver— wahre mich aber ausdrücklich dagegen, als wenn ich von dem Gros der Unterbramten voraus setzen wärde, als wenn sie sich länger als nötig vom Dienste fernhalten. Aber wer während der Krankheit das volle Gehalt erhält, ist eher in der Lage, eine gewisse Vorsicht zu üben, vielleicht lieber noch einen Tag sich ju schonen und zu sehen, ob die Gesundheit so vorbalten wird, wie man voraussetzt.

Ich bin dem Herrn Vorredner auch sehr dankbar dafür, daß er endlich von uns bezüglich der Todesstatistik den Makel genommen bat, den die falschen Nachrichten in den Münchener Allgemeinen“ ver⸗ breitet hatten. (Sehr richtig! links.) Danach hieß es, daß von 100 Postbeamten waren es 36 oder 39 oder 28 jährlich an der Schwindsucht eingingen. Ja, meine Herren, dann hätte ich überhaupt keine Beamten mehr. (Sebr richtig Sie haben nun aus der Vor lage bier gesehen, daß wir bezüglich der Todesstatistik sehr günstig stehen (sebhr richtig), und ich möchte hinzufügen, daß diese Statistik wobl die einzige ist, die unabhängig vom Willen der Menschen ist, sofern sie nicht Selbstmörder sind. Diese ist also jedenfalls richtig, da kann keiner eingreifen, während bei anderen Statistiken doch da und dort manche anderen Dinge mitwirken können.

Wenn der Herr Vorredner im weiteren den Wunsch ausgesprochen hat, in der Statistik auch die Postillone und das Aibeiterpersonal aufgeführt zu sehen, so möchte ich bemerken, daß diese absichtlich fort⸗ gelassen sind. Ich glaube auch kaum, daß großes Interesse obwalten kann, diese Personen aufzunehmen, da die Statistit doch ein falsches Bild geben würde. Sie wollen nicht vergessen, daß die Verhältnisse der Postillone bei den Privatposthaltereien sehr ungleich sind. Die Leute sind im Postdienst zum Teil sehr wenig beschäftigt, während ihre Hauptbeschäftigung im Privatfuhrbetrieb des als Posthalter an⸗ genommenen Fuhrberrn liegt. Also Sie würden bei einer Statistik über die Beschäftigung dieser Leute im Postdienst ein gam falsches Bild bekommen. Dasselbe ist bei den Arbeitein der Fall. Wenn Sie sich gütigst vorstellen, daß wir bei dem starken Ausbau des Fern⸗ sprechnetz's viele tausend Arbeiter beschäftigen, daß diese Tätigkeit meist eine Saisonarbeit ist, insofern als nur bei gutem Wetter gearbeitet werden kann, und diese Arbeiten sich nur auf Teile des Jahres er⸗ strecken, so werden Sie es auch gerechtfertigt finden, daß wir Ihnen da keine Zahlen geben, auf die doch kein Weiterkommen möglich ist.

Der Herr Vorredner ist dann noch auf den Kolonialdienst ge—⸗ kommen und bat verschiedene Wünsche zum Ausdruck gebracht. Zu⸗ nächst möchte er wissen, wieviel Beamte wir im Auslande haben, wie lange sie sich draußen befinden und wie die Besol dungs verbãltnisse sind. Es steht nichts entgegen, die Statistik dahin zu erweitern, daß wir die Zabl der Beamten und die Dauer ihrer Beschäftigung in Redner bat dann die Bemerkung daran geknüpft, es sei doch sebhr bäßlich, wenn wir for⸗ derten, daß nur unverbeiratete Beamte hinausgingen. Nun, da möchte ich dem Herrn Vorredner sagen, daß, was die Kolonien und das Leben in den Kolonien anbetrifft, ich vielleicht ein lein wenig sachverständig bin, und daß es sich nach meinen Er— fabrungen nicht empfiehlt, verheiratete Beamte binaus zusenden. Mein größtes Leidwesen während meiner Tätigkeit in Neu-Guinea waren dicjenigen Beamten, denen die Frauen rachgeschickt wurden. Ich war zunächst auch dafür und dachte: der Mann klagt jetzt immer, es ist vielleicht befser, dafür einzutreten, daß die Frau nachkommen kann. Wie liegen denn die Verhälmisse in unseren Kolonien? Da giebt es keine Wohnungen wie bier, sendern (s sind meist einfache Holjbäuser, von denen nicht jeder Beamter ein be—⸗

Der Herr

zusammenwobnen müssen. Der Wohnungemangel tritt draußen viel stärker bervor als hier, und das Zusammenwohnen von Ver⸗ beirateten und Unverheiraten in solchen Holjhäusern, wo man jeden Tritt und Schritt gegenseitig hört, führt wirklich zu nichts Gutem und empfiehlt sich absolut nicht. Dann kommt aber noch als weiterer Umstand binzu, daß das Tropenklima zum großen Teil auf das weib-

liche Geschlecht viel ungünstiger wirkt altz auf das männliche. Die

Frauen sind so viel krank, brauchen so viel Sorgfalt und müssen so verwöhnt werden, daß für einen Mann in einfachen Verhältnissen es schließlich unerträglich wird, daß er sich selbst wieder zurückwäünscht. Wenn etz nun ein guter Beamter ist, so tut etz einem sehr leid, daß

man aus diesem Grunde den Beamten nicht behalten kann. Ferner

muß es doch Ihrer aller Wünsche entsprechen, daß gerade bel Verkehrs beamten sich Gelegenheit bietet, junge Leute hinzuschicken, die empfänglich sind für alles, was sie sehen; denn so kommen wir dahin, daß wir Leute haben, die nicht dem Bureaukratismus huldigen, sondern sich ein offenes Auge erwerken und noch lange Jahre, wenn e zurückgekommen sind, Nützliches leisten. Das sind die Gründe, die mich bestimmt haben, nicht verheiratete, sondern unverheiratete Beamte m Kolonialpostdienst zu verwenden, und nach den Erfahrungen, die wir bis jetzt gemacht haben, kann ich dem Herrn Vorredner nicht zu—⸗ timmen, daß das ungünstig sei.

Was dann dle Gehaltsfrage betrifft, so steht auch dem nichts ntgegen, die Gehälter der im Ausland beschäftigten Postbeamten in der Statistik anzugeben. Die Herren ersehen sie ja übrigens auch aus dem Etat. Wie der Herr Vorredner richtig aus— ährte, wird den Beamten, die in tropischen Klimaten ge— wesen sind, die Zeit doppelt berechnet. Darin liegt ein gewisser Vorzug den heimischen Beamten gegenüber. Nun ist es ja richtig, haß den Beamten nach längerer Dienstzeit in den Kolonien bei der Pensionierung ein Zuschuß gewährt wird. Bisher hat aber noch kein Pensionsfall eines unserer Beamten vorgelegen. Die meisten kommen brigens schon nach einigen Jahren zurück, um ihre Examina abzu—⸗ egen, und nur einzelne gehen später wieder hinaus.

Wenn der Herr Vorredner dann zum Schluß auf den Wohnungs geldjuschuß kommt, so habe ich schon erklärt, daß ich bestrebt bin, für z Personal der Reichspost. und Telegraphenverwaltung soviel als irgend möglich (Zuruf) ja: herauszuschlagen (Heiterkeit), nd daß es mir sehr am Herzen liegt, die Verhältnisse der Unter—⸗ beamten durch Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses zu verbessern. Mach den Erklärungen, die im preußischen Abgeordnetenhause seitens des Herrn Finanzministers abgegeben worden sind, ist ja die berechtigte Hoffnung vorhanden, daß im nächsten Etatsjahre diesem allgemeinen Wunsche Rechnung getragen werden kann und eine Verbesserung des Wohnungsgeldzuschusses für die Unterbeamten eintritt.

Die Resolution vom vorigen Jahre betreffs der Postanweisunge⸗ mschläge haben mir Anlaß gegeben, mich weiter mit der Frage zu be chäftigen, ich habe auch die 41 Bezirkschefs, die ich im vorigen Jahre wegen Beratungen in anderen Angelegenheiten hierher zusammenberufen hatte, wegen dieser Sache befragt. Ich bin aber bei diesen Herren, die in der Praxis stehen, denselben Bedenken begegnet, denen ich schon m vorigen Jahre hier Ausdruck gegeben habe. Ich gestattete mir hamals, Ihnen anzuführen, daß die Postanweisungsumschläge dieselbe Art der Uebermittelung darstellen, die früher auch in Preußen statt⸗ and, nämlich, daß man auf einen Brief das Geld einzahlte, daß man dann aber dahin kam, sie abzuschaffen und sich der Postanweisungskarte uüzuwenden, die fast die ganje Welt erobert hat. Die Gründe, die ür die Postanweisungsumschläge angeführt werden, gehen wohl haupt⸗ ächlich dahin, daß man bequem Porto ersparen kann. Das ist ein Punkt, der von unserer Seite zwar nicht gewünscht werden kann, dem ch aber nicht entgegentreten würde, wenn sonst Gründe vorlägen, biese Umschläge einzuführen. Es ist so menschlich, meine Herren: venn Sie 201 oder 202 M abzuschicken haben, und schrelben gleich⸗ eitig einen Brief, dann stellen Sie die Postanweisung nicht aus auf o? Æ, sondern auf 200 41, weil Sie 10 3 Porto weniger zu ahlen brauchen, und legen 2 S in Briefmarken in den Brief. Führen wir nun die Postanweisungsumschläge ein, so schaffen wir künstlich wieder die Verführung für untreue nd nicht ganz sichere Beamte, sich solche Briefe anzueignen, und handeln gegen das, was wir vor einigen Jahren eingeführt haben, ls wir die Postanweisungen bis zu 5 Mn auf 10 3 ermäßigten, um em vorzubeugen, daß in den Briefen Postwertzeichen versendet ürden. Das sind die Gründe, die mich auch heute noch be— immen, gegen diese Postanweisungskuverts mich auszusprechen. TEch darf anführen, daß außer der württembergischen Verwaltung eine deutsche Verwaltung sich dieses Mittels bedient, daß auch ie e Postverwaltung nicht die Absicht hat, auf diesem Wege ü folgen.

Was die Resolution wegen der Portoermäßigung für Soldaten etrifft, so ist diese Sache noch in Bearbeitung. Wir haben uns mit em Kriegsministerium, welches ja hauptsächlich dabei beteiligt ist, in erbindung gesetzt und werden Ihnen in späterer Zeit darüber Aus— nft geben.

Wenn der Herr Vorredner dann schließlich auf die Denkschrift lommen ist über die Personalverhältnisse und deren Gestaltung seit inführung der Personalreform, so habe ich zu erwidern, daß auch ese Denkschrift noch in Arbeit ist. Ich bin daher noch nicht in der age, Ihnen im gegenwärtigen Augenblick darüber Auskunft geben zu nnen.

Abg. Singer (Soz.): Ich gebe zu, daß der Erlaß des Staats. kretãrs der Anfang einer Besserung ist, nur hätte er auch s zugänglich gemacht werden sollen, denn es geht doch nicht, daß nur durch Zufall im Amtsblatt davon erfahren. Der Erlaß geht cht weit genug; besonders unangenehm fällt die über alles Maß des inn her vortretende Bevorzugung der höheren und mittleren * übermäßige Belastung der unteren Beamten auch in diesem tlasse auf. Die Anstrengungen der unteren Beamten sind mindestens die . wie die der anderen Beamten. Natü lich gönne ich auch den eren und mittleren Beamten von Herien, ß sie nicht übermäßig Ritrengt werden. Aus einer künftigen Statistik sollte eine genaue küfung der Verhältnisse der einzelnen Beamten möglich sein. Die bige Statistik führt an, daß die Ruhetage sich zwischen 12 und 48 egen. Aus diesen Durchschnittezahlen können wir doch nicht er— 6j wie etz einem einzelnen 33 Darin liegt eine gewisse Ver— e terung, Daß der Staatssekretär in eine Prüfung der Dienst= hehe mn geh ten ist, ist sehr erfreulich. Leider ist das etwas spät . Ich möchte fragen: wo ist denn die Garantie gegeben, . Anweisung des Staatssckretärs auch wirklich ausgeführt ; Ader ende von Klagen der Postbeamten zeigen, daß trotz der ö bsichten des Stgatssekretärs Mängel in der Organisation vor- * sind, die eine Nieberlastung der Beamten zur Folge haben. e Tat setretar geht aber von seinen Anforderungen hinsichtlich ech lichen Dienststunden über dat richtige Maß hinaus. Dle n Dienstseit wäre gar nicht etwas so Ungehenerliches. Den . eamten fällt es gar nicht ein, länger als acht Stunden zu en, die Herrschaften kommen um 9 Uhr ins Bureau und gehen * hr nach Hau. Vorderhand ist allerdings auf die Durch- 5 ng det achtstündigen Dienstes für die mittleren und Unterbeamten En eden, Die Begmien sollten aber wenigsteng nicht ier een en beschäftigt werden, wie jetzt die Norm sesn soll. Je tiefer n ist, um so größere Anforderungen werden an ihn gestellt. Hl o/o ö ostboten haben nur einen Erholungsurlaub von fünf Tagen, . der Unterbeamten sind noch ohne Urlaub; es ist also noch * gachwubolen Ueber die . Unterbeamten ist früher schon *** werden. Der Staatssekretär hat diese Kategorie als eine e Position in den Gtat eingestellt. Ich halte diese ganze Ein-

richtung für durchaus nicht jweckmäßig. Sie züchtet eine Liebedienerei der Unterbeamten und eine Gänstlingswirtschaft der Vorgesetzten. Es sind ung darüber so viele Mitteilungen geworden, daß wir gar nicht anders können, als sagen, daß etwas Richtiges daran sein muß. Die einzelnen Fälle vorjubringen, hat keinen Zweck, denn die Vorgesetzten würden eine Begünstigung einfach abstreiten. Wer die milstärische Organisation der Postverwaltung kennt, weiß, wie in ihr blinder Gehorsam, ich will nicht sagen Kadavergehorsam, verlangt wird. Man hätte lieber das Gehalt der Unterbeamten bis anf 1800 KM erhöhen oder bestimmen sollen, daß sie nach einem gewissen Dienstalter in die oberen Stellen einrücken. Warum führt man nicht auch gehobene Postdirektoren ein? Da scheint man ein Bedürfnis dazu nicht zu haben. Mir wird mitgeteilt, daß die Postschaffner bei den Ober— postdirektionen überhaupt nicht in diese Stellen kommen, obwohl sie auch lange Jahre ihren Dienst tun. Man scheint also diese Ein⸗ richtungen nur bei den Verkehrsämtern eingeführt zu haben. Die Post— verwaltung hat zur Gewährung einmaliger Unterstützungen an Kanzlei⸗ und Unterbeamte in Posen und in den gemischtsprachigen Teilen von Westpreußen bei wütschaftlicher Notlage 80 009 bezw. 120 000 in den Etat eingestellt. Wir werden aus demselben Grunde wie bei der Ostmarlenjulage gegen diesen Titel stimmen. Die Verwendung dieser Summe müßte notwendig zur Korruption der Beamten führen. Wir können es nicht billigen, daß die Vorgesetzten in die Lage ge—⸗ bracht werden, auf ihre Beamten im inne einer Politik einzuwirken, die wir für schlecht und verwerflich halten. Man will jetzt auf einem Umwege, auf dem Schleichwege des Schmuggels, zu erreichen suchen, was man auf offenem Wege nicht hat erreichen können. Dagegen müssen wir Verwahrung einlegen. Was die Verkürzung des Vl e rte , teh betrifft, so liegt in der kolossalen Häufung der aufgelieferten Pakete in den Schlußstunden ein Schlendrian, dem tatsächlich gesteuert werden kann und muß. Es ist nicht nötig, daß die ganze Post 5 Minuten vor 8 Uhr Abends an den Postschalter gebracht wird; es können die Anordnungen so getroffen werden, daß sowohl das Personal wie die Postbeamten entlastet werden. Hler werden wir stets den Maßnahmen der Ver— waltung zur Beseitigung solcher Mißstände zustimmen. In Pfori= heim mit seiner entwickelten Bijouterieindustrie hat der Verband der 6 den früheren Schluß der Schalterstunde erbeten; die Handelskammer hat sich aber ablehnend verhalten, und der Verband ist ablehnend beschleden worden. Nun hat der Verband eine Enquete veranstaltet, was ia eigentlich Sache der Postverwaltung gewesen wäre; aus dem Ergebnis ist zu ersehen, daß in dieser mittleren Industriestadt ebenfalls der Schlendrian der Geschäftswelt es ver ursacht, daß die Abfertigung sich hinzieht und der Postschluß erst um 9, 91 oder 97 Uhr Abends erfolgt. Was die Gehalteverhältnisse be= trifft, so haben wir oft betont und wiederholen immer wieder, daß sich mit Gehältern von 800 M nicht auekommen läßt, namentli wenn auch der nn,, so 4 ist; es muß ö. beiden Richtungen Besserung eintreten. Wir würden den Ruhm des Staatssekretärs neidloß anerkennen, den er sich erwürbe, wenn er in dieser Beziehung in seiner Verwaltung Fortschritte herbeiführte. Es fehlt in der Postverwaltung noch immer an , durch welche die Postbeamten moralisch auf eine höhere Stufe gehoben werden; noch immer wird dort der knechtische Kadavergehorsam von den Beamten verlangt. Namen nennen ist für uns sehr bedenklich, weil dann die Maßregelung nicht ausbleibt; der Staatssekretär muß sich also schon an den Fällen ohne die Namen genügen . Er würde sich sehr verdient machen, wenn er seinen strengen Willen den nachgeordneten Stellen zu erlennen gäbe, daß Schimpfworte und ähnliche Achtungs verletzungen gegenüber Unterbeamten unterbleiben. Ich könnte eine balbe Stunde lang Beispiele dafür anführen, daß bei gering⸗ fügigen Anlässen grobe Schimpfworte erfolgt sind, wo man Dienst— leistungen von Unterbeamten verlangt hat, die in das Gebiet der Haus wirtschaft fallen, u, dergl. m. Besonders erwähnen muß ich die un⸗ zulässige Art der Einziehung von Beiträgen für gewisse Wohlfahrte—⸗ einrichkungen der Post durch Druck auf die Untergebenen. Ein Post⸗ inspektor hat Beiträge für den Töchterhort“ eingefordert; wie behauptet wird, ist denen, die sich nicht freiwillig dazu derstanden, von ihrem Gehalt ein Beitrag abgezogen worden. Eigentlich gibt es nicht Schlimmeres und Verwerflicheres als solchen Mißbrauch der Stellung eines Vorgesetzten dem Untergebenen gegenüber. Hoffentlich wird der Staats se kretãr für Abhilfe sorgen. In fr. err g liegen die Verhältnisse auf manchen Postämtern sehr eigentümlich; es scheint sich dort nach Zeitungsnachrichten eine Art Paschawirtschaft herauszuhilden. So scheint die Behandlung der Unierbeamten auf den Postämtern von Straßburg und Metz alles zu wünschen übrig zu lassen. Es ist alss nech viel auf dem Pestgebiete zu bessern, und man muß dem Staagtssektetär ein recht langes Leben wünschen, wenn er durchgreifende Besserung schaffen will. Auf dem Papier allein kann man soziale Besserungen nicht einführen.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Sie werden alle von der Reichspost, und Tele graphenverwaltung den Eindruck bekommen haben, daß sie nicht auf dem Standpunkt steht, zu glauben, es sei in der Verwaltung nichts mehr zu verbessern, sondern daß sie immer bestrebt ist, vorwärts zu kommen, und ich freue mich jedesmal, wenn ich in der Lage bin, für bie Verbesserung der Beamten, sei es in finanzieller, sei es in anderer Beziehung etwas erreichen zu können.

Ich muß ganz entschieden dagegen protestieren, wenn der Herr Vorredner heute Anlaß genommen hat auszusprechen, daß die Postamtsvorsteher nur solche Beamte zu gehobenen Unterbeamten vorschlagen, welche schlechte Mittel gebraucht haben, um das zu er— reichen; und ich muß auch im Namen der 10 000 gehobenen Unter beamten gegen die Zumutung protestieren, daß sie derartige Schleicher wären, daß sie ihre Stellen auf unlautere Weise erlangt hätten.

Im weiteren muß ich dagegen protestieren, daß der Herr Vorredner ganz offen ausgesprochen hat, der Staatssekretär des Reichspostamts habe bei dem jetzigen Etat versucht, mehrere Hunderttausend Mark einzu— schmuggeln, um zu erreichen, was er im vorigen Jahre nicht hätte durchsetzen können. Ich muß dem Herrn Vorredner erklären, daß es nicht meine Art ist, irgend etwas einzuschmuggeln, sondern daß ich das, was ich zu fordern für nölig halte, in voller Offenheit verlange, und offener kann ich das nicht tun, als es im Etat geschehen ist. Ich verstehe überhaupt nicht, wie da von Einschmuggeln und Schleichen die Rede sein kann, wo deutlich zum Augdruck gebracht wird: hier werden 80 c00 und 120 000 M gefordert, um Unterstützungen an Beamte und Unterbeamte in den Pro— vinzen Posen und Westpreußen geben zu können; wenn der Herr Vorredner sich den vorigen Etat vorgenommen und gesehen hätte, daß damals 600 000 M gefordert waren, so hätte er nicht auf die Idee kommen können, daß es dasselbe ist, was ich jetzt fordere. Wenn der Herr Vorredner weiter zum Ausdruck gebracht hat, daß die Unterbeamten nicht mit dem gleichen Maße wie die Beamten ge— messen würden, so ist das auch unrichtig. Bei unserer ganzen Statistik haben wir, dem Wunsche des Reichstags folgend, das Schema zum Vorblld genommen, das von der GEisenbahn— verwaltung schon benutzt wird, das heißt, wir haben dieselben Begriffe für Ruhetag, RKuhezelt genommen, mehr ist von uns nicht gefordert worden. Wenn dann gesagt ist, daß man keinen Unterschied machen sollte jwischen der Vauer der Beschäftigung von Beamten und Unterbeamten, so ist dagegen anzuführen, daß es in

allen Verwaltungen, in allen Lebeneverhältnissen Brauch ist, daß die. jenigen Personen, die hauptsächlich geistig tätig sind, größere Ruhe—

pausen brauchen und weniger Arbeitsstunden leisten, als diejenigen, deren Tätigkeit hauptsächlich in Körperarbeit besteht.

Wenn im weiteren der Herr Vorredner sich darüber gewundert hat, daß eine Verfügung, die seitens der Reichspost. und Telegraphen⸗ verwaltung erlassen ist, nicht jur Kenntnis des hohen Hauses ge— kommen ist, so glaube ich, geht er doch zu weit, wenn er verlangt, daß alle Verfügungen, die von der Verwaltung erlassen werden, zur Kenntnis der Herren Abgeordneten gebracht werden. Gegen solche Forderung muß ich mich ganz entschieden aussprechen. Bei der Etatsberatung bietet sich Ge— legenheit, diejenigen Maßnahmen zu erwähnen, die die Reichepost⸗ verwaltung veranlaßt hat oder für nötig hält, wenn das was besteht getadelt wird. Von der Vorlegung der Verfügungen kann aber nicht die Rede sein.

Wenn der Herr Vorredner weiter gesagt hat, daß 200, der Land. briefträger noch keinen Urlaub haben, so hat er wohl überhört, wat ich dem ersten Herrn Redner darauf schon erwidert habe, daß die Statistik sich nämlich auf das Rechnungsjahr 1903 bezieht und daß heute die Verhältnisse schon wesentlich günstiger liegen.

In einem Punkte hat der Herr Vorredner recht, und zwar in- sofern, als er das Verfahren der Geschäftsleute tadelt, ihr Postsachen bis zum letzten Augenblick zurückzuhalten und dann erst auf die Post zu bringen. Es wird ihm aber nicht entgangen sein, daß ich bereits seit Jahren dahin strebe, dieser Unsitte entgegenzutreten; das einzig mögliche Mittel dagegen ist die Verkürzung der Dienststunden. Es wird hier in Berlin schon seit Jahren der Versuch gemacht, bei einzelnen Post- ämtern nicht erst um 7 Uhr, sondern schon um 6 Uhr die Paket— annahme ju schließen, um dadurch das Publikum, welches die Pakete nicht rechtzeitig genug fertigmacht, zu zwingen, einen weiteren Weg zurückzulegen und die Sachen zu einem anderen Post— amt zu bringen, wo größere Räume zur Verfügung stehen. Es ist Gegenstand der Sorge und Erwägung, ich bin auch schon mit Handelsherren in Verbindung getreten, um zu erforschen, ob Handel und Verkehr es wirklich notwendig machen, daß wir die Schalter⸗ dienststunden solange offen halten, wie sie gegenwärtig gehalten werden, und ich freue mich, dabei zum Ausdruck bringen zu können, daß von seiten vieler großer Handelsherren auch die Meinung ver— treten wird, daß es nicht notwendig sei, die Postämter für den Schalter—⸗ verkehr so lange aufzuhalten, wie es zur Zeit ist. (Bravo!)

Abg. Patzig (nl): Ich kann meine Befriedigung darüber aus= sprechen, daß die finanzielle Entwickelung des Postetats in den letzten Jahren, seilrdem die Reformfrage erledigt ist, eine im großen und ganzen zufriedenstellende ist. Diese ganze Betriebsverwaltung hat in den letzten jehn Jahren an sich selbst eine wesentliche Ungestaltung dadurch erfahren, daß zu der Post und Telegraphie der telephonische Dienst hinjugetreten ist. Die Leistungen der Post darf man mit einem gewissen Stolz erwähnen, wenn man die ungeheuren Ziffern der Post⸗ sendungen usw. in Betracht ziebt. Wir haben immer auf eine Ver⸗ mehrung des Personals hingewirkt, und auch die Verwaltung erkennt diese Forderung als gerechtfertigt an, es kommt dies auch im Etat für 1905 zum Ausdruck. Die Ansprüche an den Fernsprechdienst wachsen von Tag zu Tag. Die Resolution des Zentrums wegen der gemein nützigen Arbeitsweise im Fernsprechdienst ist durchaus zu billigen. Ich vermisse in der Statistik eine Uebersicht der finanziellen Fun damentierung des ganzen Reichspost⸗ und Telegraphenwesens; wir wissen also nicht, wie der ganze Betrieb sich eigentlich rentiert. Es müßte ung, ebenso wie beim Marineetat, in einer Vorlage zum Gtat nachgewiesen werden, welche Kapitalien angelegt sind und wie sie sich auf die drei Zweige: Post, Telegraphie und Tele⸗ phonie verteilen. In neuerer Zeit ist die Post.! und Telegraphen⸗ verwaltung zur Kostgängerin bei der Reichsschuldenderwaltung ge⸗ worden, was uns mit Sorge erfüllt und uns Reserve auf⸗— erlegen miß bei neuen Ausgaben. Wenn alle wirklichen Ausgaben neben den Einkünften zusammengestellt würden, dann würden die Uebersch e der letzten,. Jahre ganz erheblich zusammenschmel zen. Der D chschnitt des Reingewinns beträgt seit 1397 nur 10 Millionen, von ener Plusmacherei im großen kann also nicht gesprochen werden. Der gegenwärtige Reingewinn beträgt nur 457 6/0 des Anlagekapitals. Ich bitte also, uns über diese ganze Fundamentierung des Etats genauere Auskunst zu geben. Nachdem der Postgiro⸗ verkehr mit der Reichsbank eingeführt ist, nebmen fast die Hälfte der Postämter an diesen Konten bei der Reichibank teil. Das bat eine Erleichterung des großen Geschäfteverkehrs zur Folge gehabt. Die kleineren Geschäftsleuke wünschen nun, daß die Post= verwaltung auf den früher verunglückten Gedanken der Pestschecks zurückkomme. Der kleineren gewerblichen Bevölkerung würde ferner auch die Einführung der Postanweisungskuverts von großem Nutzen sein. Es ist peinlich, auf dem Anweisunge coupon etwas zu schreiben, was nicht jeder lesen soll. Ferner wünscht man, daß das Postanweisungs⸗ porto Son 10 3 auf Sendungen von 6 oder, wenn möglich auf 10. ausgedehnt wird. Diese Wünsche könnte man durchführen, ohne die Rentabilität der Verwaltung zu gefährden. Als Bewobner eines Vororts möchte ich empfehlen, daß Briefe, die mit 5 8 für den Ortsverkehr frankiert waren und über den Ortsverkehr abgeschickt werden, nicht mit einem Strafporto belegt werden. Solche Belästi⸗ gungen des Verkehrs nimmt man nur ungern in Kauf. In dem uns vorgelegten Betriebebericht sehen wir, daß die Entwickelung der Ver kehrsämter nach ihrer Zabl endlich wieder vorwärts schreitet. In den letzten Jahren war ein Stillstand eingetreten. Die Bezüge der Post⸗ verwalter könnten vielleicht um 300 S erhöht werden gemäß der Verantwortlichkeit, die sie zu tragen haben. Zu unserer Befriedigung soll auch die Zahl der Postagenturen vermehrt werden. Tausende von Gemeinden werden aber die gleiche Berücksichtigung in diesem Etat vermissen. Es ist ein schlechter Trost für uns, daß wir in der Ver sorgung mit Postanstalten gegenüber den anderen Staaten schon in dritter Reihe stehen. Es kommt nicht auf das Verhältnis der Post⸗ anstalten zur Kopfzahl, sondern zur Zahl der Stadt. und Land- gemeinden an, woruͤber es an einer Uebetsicht fehlt. 20. bis 25 000 Ge- meinden entbehren heute noch jeder Postanstalt im Reiche. Gerade unsere Landwirtschaft ist darauf angewiesen, an den großen Verkehr des Post, Telegraphen. und Telephonwesens möglichst herangerückt zu werden. Die Postverwaltung möge in dieser Beziehung also das Tempo beschleunigen. Wie lange Zeit mußten einzelne Städte vetitionieren, ehe sie für neue Stadtteile ein eigenes Postamt erhielten! Der Reichstag wäre bei Ausgaben für solche Verkehrsbedürfnisse nicht knauserig gewesen und würde es auch heute nicht sein. Im Gegensatz zu dem Abg. Singer bedauere ich, daß die Regierung die im vorigen Jahre abgelehnte Ostmarkenzulage nicht wieder gefordert hat. Von einer Verschleierung aber kann hier gar keine Rede sein, wie Herr Singer be⸗ hauptete. Es handelt sich nur um Beihilfen dann, wenn ein Notstand tat⸗ sächlich eingetreten ist. Im vorigen Jahre handelte es sich dagegen um dauernde Zulagen zur Verhütung eines Eintretens einer Notlage. Keineswegs handelt es sich hier um eine politische Ostmarkenzulage in anderer Form. Dankbar begrüße ich, daß die Postverwaltung wenigstens den ersten Schritt getan hat, um die unzulänglich ent- schäͤdigten Postagenten bei größeren Agenturen zu unterstützen. Mit den 150 000 Æ wird allerdings sehr wenig anzufangen sein. Dlese Ziffer müßte im nächsten Jahre verdreifacht oder ver- vierfacht werden. Auch die Posthilssstellen verdienen eine größere Entschädiqung. Die uns jetzt vorgelegte Statistik zeigt, daß die Rentabilität der Post in erster Linie durch eine übermäßige Inanspruch⸗ nahme der Kräfte erzielt wurde. Das soll nun besser werden. Wir werden keine Forderung ablehnen, die un nächsten Jahre

dazu bestimmt sein warde, die Zahl der Beamten iw vermehren, um