waltung am liebften keine Erwerbsgesellschaften im Ansiedelungsgeschäft haben; ich möchte am liebsten provinzielle Siedelungsgesellschaften haben, die lediglich auf genossenschaftlicher Basis aufgebaut sind. Diese Genossenschaften sollen aus dem 2 Millionenkredit, auf den wir später noch zu sprechen kommen, Mittel an die Hand erhalten, um beim Ankauf der Güter den Ansiedlern in den Fällen eine finanzielle Unterstützung gewähren zu können, in denen die Gewährung eines Zwischenkredits nach Lage des Gesetzes nicht in Frage kommt. Des weiteren sollen aus dem Fonds Beihilfen für Neueinrichtungen auf dem Gebiete des Gemeinde, Kirchen⸗ und Schulwesens und für Folgeeinrichtungen, wie z. B. für den Bau von Wegen, Brücken usw., gegeben werden. Denn die landwirtschaftliche Verwaltung und jeder, der es nach dieser Richtung hin mit der Allgemeinheit wohlmeint, muß darauf das Hauptgewicht legen, daß nicht noch jeder einzelnen neubegründeten Stelle besondere Auflagen gemacht werden, die der Einzelne im Laufe der Jahre, sei es zur Verzinsung, sei es jur Ab⸗ lösung abtragen muß. Je billiger wie den Mann ansetzen, um so besser. Ich muß es aber an dieser Stelle aussprechen, meine Herren, ich erachte es nicht für gut, diesen anzusetzenden Bauern Wald zu geben, weil der einzelne kleine Besitzer, wie das aus früheren Auf ⸗ teilungen allen Herren vom Lande gut bekannt ist und worüber viele Erfahrungen vorliegen, nicht in der Lage ist, Wald rationell zu bewirtschaften. (Sehr richtig! rechts) Es wird also nicht die Zuteilung von Wald, wenn es irgend geht, in Aussicht zu nehmen sein. Zweitens müssen wir in den Vordergrund rücken, daß schlechter Boden für den schlechtesten Menschen zu schlecht ist (Heiterkeit); es muß bei den Ar siedel ungen darauf gesehen werden, daß die Leute wirklich guten Boden bekommen. Der wird ibre Arbeit zahlen, während sie auf schlechtem Boden nur můhselige Scheinexistenzen, Existenzen ohne Fleisch und Blut, führen würden. (Sehr richtig! rechts) Darum möchte ich gern, daß wir für unsere innere Kolonisation die Ansiedler, wenn irgend angängig, nur auf gutem Boden ansetzen.
Es ist viellticht füt das hohe Haus von Interesse, zu erfahren, wieviel Domänen für Ansiedelungszwecke verwandt worden sind; denn es ist ja der landwirtschaftlichen Verwaltung oft der Vorwurf gemacht worden, sie gebe für Ansi⸗delungszwecke ihre Domänen nicht her. Es sind der Ansiedelungskommission in letzter Zeit über⸗ wiesen — ich will die Namen hier nicht weiter verlesen; wenn einer der Herren sie wünscht, stehen sie zur Verfügung — in der Provinz Posen fünf Domänen, in der Provinz Westpreußen eine Domäne, in der Provinz Brandenburg eine Domäne, in der Provinz Pommern acht Domänen. Also Sie sehen, daß seitens der Landwirtschaftsverwaltung dieser Aufteilung von Domänen gegenüber wahrlich kein Widerstand geleistet wird. Ich möchte auch darauf binweisen, wie ich das bereits in der Budgetkommission getan babe, daß gerade der Ankauf der Domänen im Osten die Vorbereitung zu einer vielleicht erst in hundert Jahren kommenden Aufteilung ist. Wenn wir beute den Besitz nicht erwerben, so wird er nach der gewöhnlichen Entwickelung in der Zukunft wesentlich teurer sein, und wir werden viel mehr Schwierlgkeiten haben nachher, eine Besiedelung durchzuführen, als wenn wir diesen Besitz schon jetzt erwerben. Ich glaube gerade, daß das jetzige auf Schaffung eines größeren Domänenbesitzes im Osten unseres Vaterlandes gerichtete Vorgehen der Landwirtschafts verwaltung mit eine wesentliche Vorbereitung für die künftige Aufteilung ist für den Fall, daß die kommenden Generationen mit einer solchen Maß⸗ regel vorgehen wollen. (Sehr richtig!)
Es wird der Landwirtschaft so oft vorgeworfen, der Großgrund⸗ besitz bãtte seine Zeit gebabt, es wäre Zeit, daß er verschwände und daß der kleinere Besitz an seine Stelle träte. Ich will gern jugeben, daß in den dicht bevölkerten Gegenden am Rbein eine Aufteilung voll ftändig richtig gewesen ist, aber erst, nachdem zuvor der Großgrund⸗ besitz seine kulturellen Aufgaben dort gelöst bat, und die großen kulturellen Aufgaben im Osten mässen in gleicher Weise erst von dem Großgrundbesitz eifüllt werden, ebe wir bier an die Parzellierung überhaupt herangehen können. Es sind da iwei Momente, die wesentlich im Vordergrund stehen. Wer das platte Land kennt, wird zugeben müssen, daß es sebr schwer ist, einen kleineren Besitzer dazu ju bekommen, große Wegeanlagen zu schaffen, für Eisenbahnverbin⸗ dungen zu sorgen usw. Dafür bat der kleinere Besitzer wenig Interesse, er steht zunächst immer auf dem vollständig richtigen konservativen Standpunkt: es ist so lange so gegangen, warum soll es auch nicht weiter so geben? Die gane Schaffung der Kommunikations. verhältnisse verdankt der Osten ebenso wie früber der Westen im wesentlichen dem Großgrundbesitz, der zu richtiger Zeit eingeseben hat, wie nach dieser Richtung vorzugeben ist. Auch die weiteren Fragen der Entwässerung, der Vorflut, der Drainage sind bei Kleinbesitz, selbst in genossenschaftlichen Verbänden, schwerer zu losen, als wenn der Großgrundbesitz die Lösung dieser Fragen in die Hand nimmt.
Weiter muß ich im Anschluß an das, was ich mir vorbin schon er⸗ lauble betreffs der inneren Kolonisation zu sagen, wiederholen, der Großgrundbesitz ist meiner Ansicht nach, sofern nicht staatlicher oder Gemeindebesitz in Frage kommt, allein in der Lage, eine rationelle Waldkultur im Interesse unseres Vaterlandes durchzuführen. (Sehr richtig! rechts.) Gerade in betreff der Erhaltung der Walder, welche so oft hervorgehoben wird, müssen wir immer sagen, allein der Groß⸗ grundbesitz kann eine rationelle Bewirtschaftung solcher Waldflächen durchführen. Mit dem, was ich vorbin sagte, daß wir schlechte Böden von der Besiedelung ausschließen sollten, bängt es übrigens eng zusammen, auf schlechten Böden wieder Wald in schaffen und diesen in größerem geschlossen zu lassen. Es vollzieht sich damit eine friedliche und schiedliche Teilung, d. b. der Großgrundbesiz wird auf den schlechteren Böden größere Latifundien besitzen, aber sie hauxt⸗ sächlich mit Wald bestockt haben, und der Kleingrundbesitz wind auf den guten Böden vermehrt werden.
Ich glaube, meine Herren, daß ich damit die Gesichtspunkte vor dem boben Hause klargelegt babe, die mich bewegen, gerade diese beiden Fragen bier beute in den Vordergrund der Besprechung zu schieben, wie es bereits der Herr Berichterftatter getan bat. Es sind dies Fragen, die nach meiner Ansicht für die weitere landwirtschaft⸗ liche Entwicklung unseres Vaterlandes von hoher Bedeutung sind
Ich komme nun, meine Herren, auf einen weiteren Punkt, der schen in den Verhandlungen der Kommission uns eingehend be⸗ schäftigt bat, nämlich die Ausbildung und Erweiterung unseres niederen landwirtschaftlichen Schulwesens. Ich habe in der Kem⸗ misfion bereits dargelegt — und ich boffe, daß schon eine Reibe von den Herren bier auch die Drucksache Nr. S630, aus
welcher sich das ergibt, vielleicht einmal durchgesehen baben wird — daß unser landwirtschaftliches Schulwesen in den letzten Jahrzehnten von uns nicht so entwickelt worden ist, wie es einem tatsächlichen Bedürfnis entsprechend hätte entwickelt werden müssen. Seitens der Budgetkommission ist nun bervorgehoben worden, man solle versuchen, weitere staatliche Mittel flüssig zu machen; man bat sich hierbei, nach meiner Ansicht völlig zutreffend, die Frage vor⸗ gelegt, wie weit etwa das Dotationsgesetz vom 8. Juli 1875 der Sache hindernd im Wege stände. Ich habe sofort Veranlassung ge⸗ nommen, mit dem Herrn Finanzminister mich in Verbindung zu setzen, und kann dem bohen Hause in bezug auf die von der Budget⸗ kommission nach dieser Richtung hin gefaßte Resolution folgendes erklãren.
Eine Aenderung des Dotationsgesetzes erachte die Königliche Staatsregierung nicht für möglich. Die Staatsregierung muß viel- mehr daran grundsätzlich festhalten, daß die Provinzen gemäß dem Dotationsgesetze zur Erhaltung und Ausbildung des niederen land⸗ wirtschaftlichen Schulwesens verpflichtet sind.
Trotzdem ist aber der Herr Finanzminister bereit, mit mir in Erwägungen einzutreten, ob es nicht möglich ist, denjenigen Pro⸗ vinzen, die in ihrer Leistungsfähigkeit wesentlich beschränkt sind, durch Staatsmittel zu helfen und damit einer weiteren Ausbildung des landwirtschaftlichen Schulwesens Vorschub zu leisten. Die Herren werden daraus ersehen, daß der Herr Finanzminister in vollem Maße bereit ist, so weit wie irgend möglich hierbei zu helfen. Der Vergleich aus dem Etat ergibt ja, welche Summen der Staat für das gewerb⸗ liche Schulwesen aufwendet. Was nun die Förderung des landwirt⸗· schaftlichen Schulwesens im einzelnen anbetrifft, so lehrt uns die Er⸗ fahrung, daß das Wesentliche für unsere Landwirtschaft die Winter⸗ schule ist, weil nur dorthin allein der Bauer aus der nächsten Nã he seine Jungen zum Unterricht schicken kann, und daß die sogenannten Ackerbauschulen sich nicht in dem gewünschten Maße bewährt haben. (Sebr richtig! bei den Freikonservativen. Wir müssen hierauf im Anschluß an die Fortbildungsschule auf eine Grweiterung unserer Winterschulen bedacht sein. Das baben auch die Erörterungen ergeben, die im vorigen Jahr hier im hohen Hause stattgefunden haben. Ich bin der Ueberzeugung, daß wir gerade unserem mittleren landwirtschaftlichen Besitz damit eine wesentliche Hilfe leisten. Denn das ist für mich zweifellos, daß gerade eine bessere Ausbildung in den Winterschulen zu einer Vertiefung und Verbesserung des bäuerlichen Betriebes wesentlich beitragen wird. (Sehr richtig! bei den Frei konservativen )
Ich komme nun, meine Herren, noch zu unseren velerinärpolizei, lichen Verhältnissen resp. zu der Entwickelung der von allen Seiten beklagten Seuchen. (Hört, bört Meine Herren, zunächst habe ich zu konstatleren, von der Lungenseuche ist unser Vaterland Gott sei Dank im letzten Jahre verschont geblieben. Dagegen stebt die Maul⸗ und Klauensenche im Vordergrunde der veterinärpolizeilichen Interesten. Wir haben im Frübjahr und Sommer einen schweren Einbruch der Seuche von Rußland her zu beklagen gehabt. Die ländliche Be⸗ völkerung hat unter der Seuche selbst und nicht weniger unter der strengen, zur Bekämpfung der Seuche ergriffenen bebördlichen Maß— nahmen zu leiden gehabt. Es hat sich aber gezeigt, daß es einem schnellen und energischen Zugreifen gelingt, der Seuche Herr zu werden. Beispielsweise ist es möglich gewesen, in einem ostpreußischen Kreise die Seuche, die sich dort von einer Molkerei aus in gefahr—⸗ drohendem Umfange verbreitet hatte, durch ein solches Eingreifen in verhältnismäßig kurzer Zeit zu tilgen. Ich kann bei dieser Gelegen⸗ beit im besonderen meinen Dank den Landwirtschafté kammern aus⸗ sprechen, die mit Rat und Tat die landwirtschaftliche Verwaltung zu unterstützen bereit gewesen sind und unermũdlich mitgewirkt haben in umerer landwirtschaftlichen Bevölkerung die Ueberzeugung wachzurufen, daß nur mit scharfem Vorgehen gegen jeden einzelnen Seuchenausbruch die Verbreitung hintenangehalten werden kann. (Sehr richtig) Es hat sich bei dem letzten Seuchenfall im Osten gezeigt, daß es nicht genügt, der früheren Praxis entsprechend, nur die verseuchten Orte oder Bezirke gegen den Verkehr mit Klauenvieb zu sperren, innerbalb dieser Orte aber die Seuche in der Hauptsache sich selbst zu überlassen, sondern ein schneller Erfolg kann nur dadurch ge⸗ sichert werden, daß in jedem verseuchten Gehöft die Stallsperre und zwar nicht nur für das Klauenvieh, sondern auch für andere Haustiere wie Hunde, Katzen und Geflügel strenge durchgefübrt wird, und daß auch dem Personenverkehr in und aus dem ver— seuchten Geböft mehr Beachtung als bisber geschenkt wird. Wenn nach dieser Richtung hin die landwirtschaftlich: Bevölkerung immer weiter aufgeklärt und zur selbsttätigen Mitwirkung angeregt wird, dann wird auch die Maul⸗ und Klauenseuche viel von den ihr bisher innewohnenden Gefahren verlieren.
Im Anschluß an die Verseuchung des Ostens, die längs der ganzen Grenze von Ostpreußen bis an die österreichische Grenze er⸗ folgte, haben wir jetzt leider einen Einbruch der Maul und Klauen⸗ seuche von Süden ber, wabrscheinlich von Oesterreich nach Bavern und Württemberg eingeschleppt, ju beklagen. Noch in der letzten Zeit baben Seuchenausbrüche durch Vieh stattgefunden, das von Vieb⸗ händlern nach Sachsen eingefübrt war. Es wird Sache der Land⸗ wirtschaftekammer sein, in Zeiten der Seuchengefahr solchem Vieh ibre besondere Beachtung zujuwenden und darauf binzuwirlen, daß die in dem Ankaufe solchen Viehs liegende Gefahr der Seuchenver. schleypung möglichst vermieden wird. Je mehr diese Gefahr bekannt wird, desto eber wird sich der Landwirt selbst zu schüßen wifsen und destomehr wird auch der Handel die Finget von dem Vieh lassen, das, wenn ich so sagen sokl, nach dem Proppen riecht“. (Groß Heiterkeit. Ich hoffe nun, daß es uns auch jetzt gelingen wird, dem neuen Einbruch, der in der Provinz Sachsen und auch im Rheinland zu beklagen ist, mit Erfolg entgegenzutreten, und daß den bierauf gerichteten Bestrebungen der landwirtschaftlichen Verwaltung Anerkennung zuteil wird. Ich wiederhole, daß ich die schweren Schäden, die den Landwirten aus den strengen Maßregeln erwachsen, vollauf würdige; aber ich bin der Meinung, daß die Landwirte lieber diese einzelnen Verluste tragen, als daß wir wiederum eine solche Ausdehnung der Epidemie zu ver⸗ jeichren haben, wie sie leider am Ende des vorigen Dezenniums der deutschen Landwirtschaft so schwere Wunden geschlagen bat.
Meine Herren, ich darf wobl nun noch, nachdem ich diese allge⸗ meinen Gesichtevunkte bier vor dem bohen Hause erörtert babe, noch einen Punkt streifen, über den ver dem Lande meine Stellung offen klarzulegen, ich mich genötigt sebe.
Meine Herren, der Landwirtschaftsminister erfreut sich ja, bedingt
durch die verschledenen Verhältnisse der Neuzeit, oft eines scharfen Angriffs in unseren politischen Tagesblättern. Ich babe stets den Standpunkt vertreten, daß die Bedeutung unserer Presse nur dadurch so gewachsen ist, daß so viele Leute nachgeben und glauben, sich vor dem Forum der Presse vernehmen lassen zu müssen. Meine Herren ich stehe jeder Zeit dem hohen Hause über jede Sache Rede und Antwort; von der. hohen Presse mich vernehmen zu lassen, lehne ich ab. (Lebhafter Beifall rechts) Meine Herren, mögen die Herren über mich schreiben, was sie wollen — mir ist es gleich. (Heiterkeit und lebhafter Beifall) Mich hat es aber interessiert, noch in den letzten Tagen ein Blättchen zu lesen, dessen politischer Auffassung ich sonst nicht ganz beitrete (Erneute Heiterkeit) Dieses Blatt schloß einen Artikel über den guten Ton mit folgenden Worten:
Nur soll die Grobheit nicht aus dem Rinnstein steigen, nur soll
sie nicht in gemeine Beschimpfungen und ehrkränkende Lügen sich
umkehren. Meine Herren, ich stimme dem ganz zu; ich frage aber den, der die politische Tagedliteratur verfolgt hat: bin ich nicht oft in dieser ehr. kränkenden Weise angegriffen worden? (Zustimmung rechts.) Ich muß diese Frage unbedingt bejahen. Ich will j. B. folgenden Fall anführen: Man hat mir nachgesagt, ich hätte einem ehemaligen Husaren meines Regiments in Döberitz eine Kantine verschafft; ich hätte demselben Mann eine Kantine in der Post gegeben; ich hätte nachher Paulsborn an den Mann verpachtet. Und darüber stand fett gedruckt: das gibt zu denken! Na — — (Große Heiterkeit) Ja, meine Herren, ich kann hierzu nun erklärten: ich kenne den be— treffenden Mann nicht, der Mann bat nie an mich geschrieben, der Mann ist mir auch nach Ausweis meiner Akten von niemand empfohlen worden, ich bin in seinem Lokal noch nie gewesen (große Heiterkeit), gedient hat er nicht in dem Regiment, welches ich früher kommandierte, ich habe ihm keine Kantine in Döberitz und auch keine in der Post geben können. Ich weiß, meine Herren, Kantinen in der Post werden von der Oberpostdirektion ausgeteilt; nach diesem Grundsatz ist auch zu der Zeit, da ich Staatssekretär war, verfahren worden. Als ich schließlich ganz berechtigt fragte: was ist denn mit Paulsborn? Da erbielt ich die Antwort: Paulsborn ist Kronfidei= kommiß, es untersteht somit gar nicht meiner Verwaltung! (Heiterkeit) Ich frage aber, wenn man einen solchen Artikel liest, mit der Ueber⸗ schrift: das gibt zu denken, — ist das nicht ehrkränkend? Ich meine, es kann sich ebenso gut, wie ich mich irre und jeder Mensch sich irrt, auch ein unfehlbarer Redakteur einmal irren lsehr richtig! rechts und Heiterkeit); er sollte nur das nobile offieium haben, wenn er sich geirrt hat, es ehrlich zujugeftehen und zu schreiben: ich habe mich ver— sehen! (Sehr richtig) Aber davon liest man niemals das Geringste in der Zeitung. Die Beschimpfung sitzt, der Redakteur ziebt die Schultern hoch, und der Beteiligte kann sehen, wie er zu seinem Rechte kommt.
Meine Herren, ich habe mich nur verpflichtet gefühlt, weil ich heute ein solches Angriffskarnickel bin, bier offen meine Meinung über diese Art von Presse darzulegen, und ich will es dem hohen Hause gegenüber aussprechen: ich stehe ihm jederzeit gern über jeden Punkt Rede und Antwort, aber davon seien Sie überzeugt, der hohen und unfeblbaren Presse nicht! (Bravo! rechts.)
Abg. Graf Praschma (Zentr.): Die wenig ünstige Lage der Landwirtschaft isi wieder einmal aus der Statiflik über die Veischul dung des ländlichen Srundbesitzes erwiesen. Ich kann unserer Freude Ausdruck geben, daß schon für dieses Jahr ein Gesetz in Aussicht ge⸗ stellt wird, welches diese Verschuldung mit pasitiven Maßnahmen be⸗ kämpfen will. Wir können schon jötzt erklären, daß wir gern an dieser eminent wichtigen Frage mitarbeiten werden, und auch die linke Seite des Hauses wird sich anschließen. Der verheißene Ausbau zuverlässiger Wettemmachrichten über das ganze Land kann uns eben- falls nur erfreuen. Namens meiner politischen Freunde babe ich ju fragen, ob ein Gesetz, betreffend Verunreinigung der Wasserläufe, zu erwarten ist; denn die Mißstände, die sich durch die Abwässer der Fabriken für die Landwirtschaft und Fischerei ergeben, sind sebr groß. Bezüglich der Vergünstigung für die Landwirtschaft beim Kalibezug möchte ich anregen, ob nicht auch bei den Frachten für Kali eine Er mäßigung eintreten kann. Bei der Domänen. und Forstverwaltung ist das Einnahme⸗ und Ausgabenverbältnis nahezu das gleiche. Nun besitzt aber nur die letztere Selbstverwaltung, während die Domänen verpachtet werden. Wäre da nicht die Frage aufzuwerfen, ob sich nicht bei der Domänenverwaltung noch Ersparnisse bewirken ließen, indem diese eben. falls unter die Verwaltung von Staatsbeamten gestellt würden? — Auf das Hochwasserschutzgefeß für Schlesien müssen wir ja noch jurüch kommen, ich will es nut jent schon der Regierung anheimstellen, ob fie auf ihrem formell korrekten Standpunkt, besteben bleiben will, indem sie uns auf die Provinz zurückverweist. Die Erregung über die sogenannte Wassersteuer ist sehr groß. Sie ist materiell sebt boch und gebt formell weit über das zulässize Maß hinaus. Ez wäre zu prüfen, ob das bestebende Gesetz nicht Härten enthält. Mit der Erklärung, die der Minister über die Erhaltung der land wirtschaftlichen Schulen abgegeben bat, können wir uns nicht ganz zu= frieden (eben, da die dafür aufgewandten Mittel absolut nicht den Bedürfniffen entfprechen. Die Mittel zur Hebung der landwirtschaft⸗ lichen Nebenbetriebe sind erfreulichermeise vermehrt; besonders die Ge⸗ noffenschaflen für Obstrerwertung müssen noch mehr unterstützt werden. Gegen die Not im vergangenen Jahre in Schlesien sind die Not ⸗ standstarife in ausrejchender Weise durchgeführt worden. Der Land. wirtschaftsminister interessierr sich für die Genossenschaften; ich wänschte aber, daß in den Verwaltungsbebörden nicht die Entwickelung der Ger ofsensckaften gebemmt wird. Wir stehen unter dem Zeichen der neuen Handels verträge. Was lange wäbrt, wird hoffentlich gut, und unsere lange Geduld wird hoffentlich belohnt werden. Die Erklärung des Reichskanzlers, daß der Schutz der Land— wirtschaft die Signatur der Handels verträge sein wird, akzeptieren wir gern; Verträge mit einer anderen Signatur wũrden auch vom Reichstage nicht angenommen werden. Die Herren auf der Linken haben das nicht gern gehört, sie versichern zwar ibr Einverständnis mit der Förderung der Landwirtschaft, aber sie behaupten nach wie vor, daß nur den Großgrundbesitzern an höheren Getreidepreisen etwas liegt. Sie sollten sich nur bei dem kleineren Landwirt danach erkundigen. Serr Broemel meint, daß die Landwirtschaft kein wichtiger Faktor des deusscken Wirtschaftslebens mehr sei; er wies dabei besenders auf die Dürre des vergangenen Jahres bin. Aber diese Dürre hat auch dem 666 und der Schiffabrt große Schäden verursacht. Herr
lsemer meint, die Regierung vertrete einseitig agraꝛische Interessen. Hat sie dies auch in der Kanalkommission ge, igt, wo an die Interessen der Industrie gedackt wurde Eg wäre an der Zeit, den Vorwurf einseiniger agrarischer Interessen⸗ vertretung, den Sie (jur Linken) uns immer machen, zu revidieren und daran zu denken, daß wir auch noch auf der Welt sind. So lange wir noch existieren, können Sie es uns nicht verdenken. daß wir möglichst günstige Existenzbedingungen für ung haben wollen. Wir seben nicht wie Sie Grund und Boden als Handelsballen an, sfondern wollen ihn erbalten, auch wenn er so wenige Zinsen abw Die Größe des preußischen Staates ist auf dem Boden des Agrarien, siaates gewachsen, der Induftriestaat ist noch den Beweig schuldig, ob er diefe GSröße erkalten kann. Aibeiten Sie also lieber mit uns zusammen, stellen Sie mehr Ihr groheg Kapital und Ihre Intelligen
in den Dienst der deutschen Landwirtschaft Unter dem Zeichen des Kanals und der Handels vertrage gehen wir hoffentlich einer Aera der Blüte von Industrie und Landwirtschaft entgegen.
Abg. Dr. von Diiembows ki (Pole) knüpft an die im Reichs⸗ anzeiger. veröffentlichte Ausführungsanweisung zum Ansiedelungsgesetz an und fũhrt Beschwerde daruber, daß das Gesetz mit rückwirkender Kraft auf schon bestehende Anstedelungen angewendet werde. Die Besitzer hätten auf die bestehende Gesetzgebung hin ihren Besitz erworben, und jetzt werde ihnen die Parzellierung erschwert. Contra 18gem sei die 163 in der Ausführungsanweisung, daß bei allen Ansiedelungen der Präsident der Ansiedelungskommission mitzuwirken habe.
Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:
Schon im vorigen Jahre bei der Beratung des in Rede stehenden Gesetzes war von dem Heirn Vorredner der Antrag gestellt worden, daß auf die bereits anhängigen Sachen das Gesetz keine Anwendung finden solle. Dieser Antrag ist seinerzeit abgelehnt worden. Es fragt sich nun: war die Regierung berechtigt oder verpflichtet, in ihrer Ausführungsanweisung auf diesen Punkt zurückzukommen? Ich glaube, meine Herren, es wäre nicht allein mir, sondern allen mitbeteiligten Staatsministern mit Recht ein Vorwurf gemacht worden, wenn wir darüber in den Ausführungsbestimmungen irgend eine Vorschrift erlassen hätten. Denn, meine Herren, darüber zu entscheiden, ist der Minister garnicht zuständig. Bekanntermaßen wird die Ansiedelungs⸗ genehmigung vom Kreisausschuß erteilt oder versagt; das Verfahren wird weiter im Verwaltungsstreitverfahren bis zum Oberverwaltungẽ⸗ gericht durchgeführt. Darüber also, ob das neue Gesetz auf bereits anhängig gewesene Sachen zur Anwendung kommt oder nicht, müssen die ordentlichen Verwaltungẽgerichle entscheiden. (Abg. Dr. von Dziem⸗ bowski: Die sind garnicht zuständig! S18) Gewiß sind sie es! Im allgemeinen wird man sagen können: Diejenigen Sachen, bei denen die Ansiedelungsgenehmigung schon erteilt war, wickeln sich nach den früheren Bestimmungen ab. Indessen bierüber konnte ich unmöglich eine Anweisung erlassen; das geht zweifellos nicht den Minister an.
Welter sagt der Herr Vorredner, man hätte eine besondere Vor—⸗ schrift contra legem eilassen, nämlich die Anhörung des Präsidenten der Ansiedelungskommission. Nein, es handelt sich hier lediglich um eine Verwaltungsmaßregel; wir erachten es im Interesse der Sache für notwendig, daß der Präsident der Ansiedelungekemmission bei den Ansiedelungen in den Provinzen Westpreußen und Posen gehört wird. Nur dies ist zum Ausdruck gekommen; das ist ein Recht der Staats—⸗ regierung und nach meiner Arsicht nicht contra, sondern praeter legem. Ich kann das Gegenteil nicht zugeben.
Weiter sagt Herr von Dziembowski: In der erlassenen Anweisung liege eine differentielle Bebandlung der Staatsbürger vor. Wer jedoch diesen Erlaß genau durchgelesen bat, wird mit mir dahin überein⸗ stimmen: Eine richtigere, lopalere Auslegung des Gesetzes konnte darin gar nicht erfolgen. Der Herr Präsident wird wobl gestatten, daß ich den betreffenden Passus veilese. Er lautet:
Es sollen weder Polen grundsätzlich von der Ansiedelung aus—⸗ geschlofsen werden, noch haben Deutsche ohne weiteres Anspruch auf Erteilung der im § 13 vorgeschriebenen Bescheinigung.
Ich meine, hier liegt absolut keine differentielle Behandlung vor. Wenn die Staatsregierung ihre Auffassung des Gesetzes so klar und bestimmt ausspricht, können die Herren sich wahrlich nicht bellagen. Ich muß aber bemerken und habe auch im vorigen Jahre dem hohen
Hause gegenüber keinen Zweifel gelassen, wie ich hoffe und erwarte,
daß durch die Ausführung des Gesetzes, das im vorigen Jahre emaniert ist, zweifellos ungesunden Gründungen ein fester Riegel vor⸗ geschoben werden wird, und das zu eistreben, ist nach meiner Ansicht die erste Aufgabe des Landwirtschaftsministers. Es handelt sich, wie ich aus einer Reihe von Beispielen nachgewiesen habe, bei den an— hängigen Sachen um eine Zahl ungesunder Gründungen; jetzt möchten die Herren noch gern das letzte abschöpfen, und dem ist das Gesetz entgegengetreten. Es wird sich im Verwaltungsstreitverfahren zeigen, wie weit die Herren berechtigt sind, die bereits anhängigen Sachen noch nach den bisherigen Vorschriften durchzuführen; da muß nach meiner Ansicht der Minister sich vollständig fernhalten.
Abg. Dr. R ewoldt (freikons) führt aus, daß in der Entwicklung unserer agrarischen Verhältnisse seit 1808 ein völliger Umschwung ein⸗ getreten sei. Man babe damals gelernt, die freiheitlichen Ideen, die Grundsãtze des vollkommen freien Handels und Wandels auch auf den Grundbesitz zu übertragen. Damit seien sämtliche Kautelen, die bis dahin für die Erbaltung des Grundbesitzes bestanden hätten, beseitigt worden. Diese Entwicklung müsse beute wieder auegeschaltet werden. Bauernhof an Bauernhof von der Elbe bis zur russischen Grenze sei — Gezanke, aber mit Geschwindigkeit lasse sich das nicht machen. Die Entwicklung unserer n, . Verbältnisse müsse vor allem eine stetige sein. Der vom Minister gebahnte neue Weg der inneren Kolonisation sei als ein guter anzuerkennen. In Pommern seien von Privatgesellschaften bereils Versuche damit gemacht worden, und diese Bewegung müsse auch auf andere Provinzen ausgedehnt werden. Gerade der Staat mit seinen Domänen könne diese Be⸗ wegung günstig beeinflussen. Die Grundsätze, welche der Minister heute über verschiedene Fragen ausgesprochen habe, könne die frei- konserdative Partei billigen. Hoffentlich werde es dem Minister ge⸗ lingen, die Hindernisse, die sich ihm entgegenstellen könnten, in ziel bewußter Weise zu beseitigen.
Präsident von Kröcher schlägt darauf die Vertagung vor und bemeikt: Ja strenger Auslegung des heutigen Beschlusses müßte ich Ihnen eigentlich für heute schon eine Abendsitzung vorschlagen; da ich aber bedenke, daß allzu scharf schartig macht, möchte ich noch davon Abstand nehmen.
Abg. Schmedding (Zentr.) bittet, die dritte Lesung des Seuchen⸗ gesetzes noch nicht am Mitiwoch auf die Tagesordnung zu setzen, da noch Beratungen re. den Fraktionen stattfänden.
Präsident von Kröcher erwidert, daß auch innechalb der Regie⸗ rung noch kommissarische Verhandlungen darüber stattfänden, und deshalb voraussichtlich die dritte Lesung erst am Sonnabend statt⸗
finden könne. Schluß 4 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag, 11 Uhr.
ELandwirtschaftsetat.)
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Die Entwickelung der niederen landwirtschaftlichen Schul en in Preußen seit 1876.
Durch 5 14 des Gesetzes vom 8. Juli 1878. betreffend, die Aus. führung der 8' 5 und 6 des Gesetzes vom 30 April 1873 wegen Dotation der Provinzlal⸗ und Kreisverbände, wurde den Provinzen die Fürforge für das niedere landwirtschaftliche Schulwesen über⸗ tragen. Der § 14 a. a. O. lautet:
Die Unterstütz ung niederer landwirtschaftlicher Lehranstalten ¶Aderbau‚, Obftbau⸗ Henn. usw. Schulen erfolgt unter Ueber-
wessung der aus der Staatgkasse im Jahre 1875 geleisteten Zuschüsse
ö *. w — — — —— — — — 7 Ww. . — —
vom 1. Januar 1876 ab durch die in 8 20 aufgeführten Kommunal. verbãnde. 3 leich erbähen fich die den einzelnen Verbänden nach S 2 dieses 6 bezw. 5 1 des Gesetzes vom 7. März 1868 und des Gesetzes vom 11. März 1872 iu gewährenden Jahresrenten um diejenigen Beträge, welche im Jahre 1875 zur Unterstützung derartiger Schulen innerbalb der einjelnen Kommunalverbände aus der Staats- kasse gezahlt worden sind, wogegen die für diese Schulen vertrags— maͤßig bestehenden Verpflichtungen des Staates auf die betreffenden Kommunalverbande übergehen.“
Der Uebergang der bestebenden niederen landwirtschaftlichen Schulen in die Veiwaltung der Provinzen vollzog sich am 1. Januar 1876. Im ganzen wurden 44 Anstalten der Fürsorge der Pro— vir zen überwiesen, nämlich 25 Ackerbauschulen, 8 Winterschulen, 4 Wiesenbauschulen, 5 Wein., Obst˖ und Waldbauschulen, 1 Flachs bauschule und 1 Hufbeschlaglehrschmiede.
Nach einer vom Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten dem Hause der Abgeordneten unterbreiteten Denkschrift ist nun seitdem bis zum Jahre 1902103 die Zahl der Schulen um 100, und zwar auf 138. und die der Schüler um 4910, nämlich auf 5785 gestiegen. Der durchschnittliche Besuch einer Schule er⸗ höhte sich von 23 auf 41 Schüler.
Die Entwickelung jeigt gleichzeitig, daß das System der Winterschulen als das bevorzugtere angesehen wird. Während die Zahl der Ackerbauschulen von 26 i. J. 187566 auf 194. *. 1992 03 zurückgingen, stieg die der Winterschulen von 12 auf 19 im gleichen Zeitraum. Die hierfür maßgebenden Gründe sind: geringere Kosten, geringere Störung, da die Winterschule nur in der weniger arbeitsreichen Jahreszeit den Schüler in Anspruch nimmt, während er im Sommer in der väterlichen Wirtschaft tätig sein kann. Auch hat die Erfahrung gezeigt, daß die rein theoretischen Kurse den Vorzug gegen die aus ptaktischer Tätigkeit und theoretischem Unterricht ge⸗ mischten den Vorzug verdienen, bei welchem kein Teil voll auf seine Kosten kommt.
Der Gesamtauf wand der Schulen betrug im Jahre 190203 1209 6577 ½ Davon wurden aufgebracht durch ; Kreise und landwittschaftliche Schulgeld — 2 Staat Previnz Rommunen Korporationen usw. 152 50) 375 482 212 300 78 811 445 323. Da die Provinzialverbände im Jahre 1876 als Dotation rente 145 450 M erbielten, so beziffert sich deren Mehraufwendung, d. h. die eigentliche Leistung, nur auf 230 0932 . Demgegenüber hat der Staat, der im Jahre 1876 durch Uederweisung der Rente die Unter⸗ haltungspflicht der niederen landwirtschaftlichen Schulen von sich ab— zuwäl zen gedachte, im Jahre 1902 noch besondere Aufwendungen von 152 560 Æ für diese Schulen geleiftet und zwar in der Fo m von Zuschüssen für die durch die Leiter der Winterschulen ausgeübte Wanderlehrtätigkeit. Tatsächlich stellt sich dadurch aber die Lelstun des Staats für qu. Schulen auf: Dotationsrente 145 4500 4 56 fur Wanderlebrtäͤtigkeit 152 00 — zusammen 2897 950 46 gegenüber einer Gesamtleistung der Provinzialverbände von 230 032
Der Anteil der an der Unterhaltung beteiligten Verbände an der Kostenaufbringung betrug 1802603 in Hundertteilen:
= Staat ; Provinzen?) Dotationsrente Wanderlehrerfonds 120 1256 19, 0 0 o 24,6 0/0 Landwirtschaftliche Korporanionen 6,5 o /o
Kreise und Kommunen 17, 6 0/9
Schulgeld⸗ usw.
Einnahme
32,3 0 o. Betrachtet man die Entwickelung in den einzelnen Provinzen, so ergibt sich; daß in einer Reihe von Provinzen, so ins besondete Rheinprovinz, Hannover, Westfalen, befriedigende Fert⸗ schritte gemacht wurden. In einigen Provinzen, so Sachsen, Brandenburg, Pommern, sieht dagegen das niedere landwittschaft⸗ liche Unterrichtswesen noch fast vollkommen auf der gleichen Ent— wickelungsstufe wie vor 25 Jahren. Noch weniger erfreulich lagen bis vor kurzem die Verhältnisse in Westpreußen und Posen, wo erst im Vorjahre durch Bereitstellung außerordentlicher Staatszuschüsse der Anstoß zur Besserung gegeben wurde und demzufolge in neuester Zeit einige neue Schulen ins Leben getreten sind.
Für die Beurteilung der Frage, ob den Bedürfnissen nach Gelegenheit zur Fachausbildung für die Söhne bäuer— licher Besitzer überall genügend Rechnung getragen ist, ist es schwer, einen genügend sicheren Anhalt und Maßstab zu finden. Man geht noch am sichersten, wenn man die Zahl der vorhandenen Schulen und Schüler in Beziehung setzt zu dem vorhandenen bäuer— sichen Besitze einer Provinz bezw. zur Zahl der in ihr vorhandenen bäuerlichen Betriebe. Werden als letztere alle Betriebe von 5́ bis 160 ha aufgefaßt, so würde man für das Jahr 190203 zu folgendem Bild gelangen: auf eine niedere land 6 wintschaftliche Schule auf 1 Schüler
Bauern bauer Bauern bäuer⸗ land liche land liche 100 ha Betriebe 100 ha Betriebe 1485 57655 50 190 2572 10420 94 382 3466 13 251 70 268 1900 8 850 52 244 2038 10752 69 365 2307 13 927 34 206 Sachsen 1336 6537 22 1607 Schleswig ⸗Holstein. . 1608 5573 32 112 Dannc ver 893 2976 16 59 Vestfalen 641 2754 13 57 Regierungsbezirk Cassel 755 41250 21 125 = Wies baden 730 7208 40 404 in Rheinprovinz .... 348 2523 12 34 SHSohenzollern .. 250 1931 13 107
Staatsdurchschnitt . 1150 5194 27 124.
Es ist nun schwer zu sagen, bei welchem Verhältniz das Be— dürfnis als befriedigt anzusehen ist. Bezeichnend indessen ist, daß in der Rheinpropinz, wo die günstigsten Verhältnteziffern gegeben sind, man der Ansicht ist, daß dem Bedürfnis noch nicht voll Rechnung getragen ist. Die dort gemachte ,. ist, daß mit der Zahl der Schulen auch stets ein Anwachsen der Zahl der Schüler eingetreten ist. Dies zeigt, daß es den landwirtschaftlichen Verhältnissen ent⸗ spricht, die Schulgelegenheit bequem erreichbar und billig benutzbar zu machen. Das Ideal wäre eine so große Zahl von Schulen, daß der Sohn des bäuerlichen. Besißerßs die Schule von der välerlichen Besitzung aus täglich besuchen könnte, oder daß sie doch so nahe gelegen sei, daß die Heimkehr des Sohnes allsonntäglich ohne Störung des Unterrichteg erfolgen könnte. Das Ideal wäre ferner eine so große Zahl von Schulen, daß jeder dem= nächst zur Selbständigkeit als Bauer gelangenze r, ,. einen vollen Winterschulkurfus durchmachen könnte. Von diesem Ideal sind selbft die vorgeschrittensten Provinzen noch weit entfernt. Nimmt man an, daß 46 Schäler eine gute Durchschnitteziffer des Besuches einer Winterschule fei, daß jeder bäuerliche Betrieb im Laufe einer Generation je einen Schüler stellen wird, so wäre für sede Schule ein Rekrutierungsbezirk von 10 0 30 — 1260 bäuerlichen Betrieben er⸗ forderlich; daran gemessen, wäre zur het das Bedürfnis in Preußen ä n, gede Denn es stellen sich dann die Verhältnisse o: Es komm
Es entfielen:
Ostpyreußen Westpreußen ö Brandenburg.... Pommern
6
2 * , m 1 2 2 2
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1 nnberũcksichtigt sind hierbei die Aufwendungen für die Pensions⸗ und Rellkienversorgung der landwirtschaftlichen Fachlehrer, welche in vielen Provinzen von den Propinzialverbänden getragen werden.
, n,, , n . b , h ö 3 . J *
eine land Nach dem Ver⸗ wirtschaft⸗· häl tnis: 1200 Es sind liche Betriebe auf ö Schule 12chule Hhanben auf sollten vor⸗ Schulen bãuerliche handen sein Betriebe Schulen 5755 52 1 10 420 34
Demnach ist das Bedürfnit nur gedeckt
Osipreußen Westpreußen
1
4 Brandenburg.. 55 5 36 5
44 5
81 7
1 49 9 Schleswig ⸗Holstein l 37 8 k 5 w 2 64 65 8
V 41 ; . mt
T, 21 6 Regierungsbezirk
Wiesbaden.. 98 12 2 Rbeinprovinz .. ? Ss3— — 30 — 19 47 Hohenzollern.. * 2 66 Staats durchschnitt 597 138 /s — i. 25.
Diese Zablen bieten gewiß nur künstliche Unterlagen, aber sie zeigen doch das Vorhandensein eines weit größeren Bedürfnisses an, als zur Zeit durch die vorhandenen Schulen gedeckt wird. Das betrifft gan besonders den Osten, in welchem der bäuerliche Besiz ohnehin mehr zerstreut vorhanden ist, wo deshalb naturgemäß verhältnismäßig zahl⸗ reichere, wenn auch im einzelnen weniger stark besuchte Schulen vor⸗ banden sein müßten, während die finanzielle Leistungsunfähigkeit gerade dieser Landesteile bisher umgekehrt es nur ermöͤglicht hat, einzelne verstreute Schulen zu errichten, die der Gesamtheit des Bauernstandes nur sehr wenig zugänglich waren.
Man muß anerkennen, daß die Entwickelung seit 1876 eine günstige im allgemeinen nicht gewesen ist; ob sie günstiger gewesen wäre, wenn der Staat durch die Ueberweisung der Dotationen sich des direkten Einflusses auf die Errichtung der Schulen nicht begeben hätte, ist jedenfalls eine der Prüfung werte Frage. Der Umstand, daß bei der Förderung der gewerblichen Fachschulen der Staat in der Mitwirkung freie Hand hat, zeigt, daß die staatlich Einwirkung auf die fortschreitende Ent- wickelung von. maßgebendem Einfluß war. Während der Staat für die gewerblichen Fachschulen (mit Ausnahme der Technischen Hochschulen) (1802) 7 315 393 46 auęgibt, entfallen auf die Förderung der landwirtschaftlichen Fachschulen (gleichfalls mit Aus nahme der Landwittschaftlichen Hochschulen) nur 1063 834 und davon auf die niederen landwirtschaftlichen. Schulen nur 162 500 M bejw. 297 950 M, wenn die 1876 überwiesene Dotations- rente mil eingerechnet wird. Ueber den Stand und die Verhältnisse der Ackerbauschulen und landwirtschaftlichen Winterschulen im Etats jahre 1903 gibt die Anlage im einzelnen Auskunft.
Die Ergebnisse der Neuverpachtungen der i. J. 1904 pachtfrei gewordenen und deri. 1905 pachtfrei werden⸗ den preußischen Domänen.
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Nach den vam Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten dem Hause der Abgeordneten vorgelegten Nachweisungen über die Er⸗ gebnisse der anderweiten Verpachtung von Domänen ist bei den 41 Neu⸗ derpachtungen der im Fa hre 1864pachtfrei gewordenen Domänen der im Duichschnist auf 1 ba entfallende Pachtzins von 37,61 auf I39, 47 M gestie gen. Wenn gleichwohl die Gesamteinnahme aus den wieder verpachtelen Domänen von 6604 644 M in der letzten, be⸗ endeten 18sährigen Pachtperiode auf 581 507 M bei der Neuverpachtung, also um 23 137 M zurückgegangen ist, so hat dies seinen Grund in der gleichzeitigen Verminderung der Domänenfläche von 16072 auf 14750 ha. Nit weniger als 16 von diesen Domänen liegen in der Prohinz Hannover; sie bringen, obwohl ihre Gesamtfläche bon 231350 ba in der letzten Pachtperiode auf 1977 ha bei der Neu- derpachtung zurückgegangen ist, jetzt dennoch 160 721 4M Pachtzins gegen 147 153 6 in der abgelaufenen Periode, d. s. auf 1 ha Sl 50M gegen 69 09 S, In der Probinz Posen erhöhte sich der Pachtzins bei den 3 Neuvperpachtungen im Durchschnitt von 25, 80 auf 36,47 * für 1 ha, in Westpreußen bei 2 Neuverpachtungen von 20,05 auf 2444 M, in Westfalen bei nur 1 erfolgten Neuverpachtung von 1821 auf 19,71 6 Bei den 3 Neuverpachtungen in der Provinz Sachsen, wo für die i. J. 1964 pachtfrei gewordenen Domänen während der letzten 18 jährigen Periode ein Pachtzins von 97, b2 4 pro Hektar ge⸗ zahlt worden, ist dieser jezt um etwas über 6 S, auf 91, 12 4K zurückgegangen. Auch die RNeuperpachtungen, die in den Provinzen Brandenburg (z an Zahl). Pommern (16, Schlesien (2 und Hessen⸗ Naffau (1) stattgefunden haben, ergeben Rückgänge des Pachtzinses: in Rrandenburg von 29,827 auf 23,86 AM für 1 ha, in Pommern von 24,97 auf ebenfalls 23,86 M, in Schlesien von 30,30 auf 26, 82 M und in Hessen⸗Nassau bon z6,0l auf 31415 6 für 1 ha. In Ost⸗ preußen, Schleswig ⸗Holstein und der Rheinprovinz sind 1904 keine Domänen pachtfrei geworden.
Bei den bisher erfolgten 48 Neuverpachtungen im Jahre 1905 pachtfrei werdender Domänen ist nicht nur der im Durch schnitt auf 1 ha entfallente Pacht zins, sondern trotz Verminderung des Flächeninhalts der verpachteten Domänen von 24173 auf 23 838 ha auch der Pachlzins im ganzen gestie gen: für das Hektar von 38,79 in der letzen Pachsperiode auf 6. 6h „ bei der Neuverpachtung, im ganzen von Si sß auf 572578, also um bh 725 6, In Oflprcußen, wo 5 Neuverpachtungen stattgefunden haben, stieg der 6 für 1 ha im Durchschnitt von 26,09 auf 21,10 4M, in der
robin; Brandenburg bei ebenfalls 5 Verpachtungen von 22361 auf 24,33 M, in PHssm! bei 8Neuperpachtungen von 26,51 auf 26,9 „, in der Provinz Posen bei 4 Verpachtungen von 16,59 auf 22,41 M, in Schlesien bei 5 Verpachtungen von 26,91 auf 26, 11 „6, in der Provinz Sachsen bei 9 Neuveipachtungen von 4776 auf S793 , sn Schleswig-Holstein bei 1 Verpachtung von 4954 auf 49, 53 M Rückgänge des Pachtzinses sind nur eingetreten bei 1 neu verpachteten Domäne im Regierungsbezirk Cassel, deren letzter Pächter seit 1880 den hohen Pachtzins von 128,47 M für 1 ha gejahlt hat jedoch in Vermögen sberfall geraten ist, während der neue Pächter 107,90 4 für J ha entrichtet, ferner bel 3 wieder verpachteten Domänen in der Prrevinz Hannover, für die in der abgelaufenen Periode ebenfalls ein hoher Pachtzins gezahlt wurde, jetzt aber dieser so weit herabgesetzt worden ist, daß sich für die Gesamtzahl der bereits erfolgten Nemn⸗ verpachtungen im Jahre 1905 pachtfrei werdender Domänen dieser Propinz = 9 — noch ein Rückgang des Pachtzinses von 93,26 auf s9g s3 „ für 1 ha ergibt, sowie endlich bei 1 Neuverpachtun in Westpreußen von 18380 auf 15.56 M für 1, ha. Ueber die Neu⸗ Verpachtung von 5 im Jahre 1905 pachtfrei werdenden Domãnen, 3 in Pommern und je 1 in den Provinzen Sachsen und Hannover, schweben die Verhandlungen noch.
Die Ernte der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1904 (Schlußschätzung).
Die Schlußschätzung für die Ernte der Vexelnigten Staaten von Amerska, welche vom Bundesdepartement für e, in der Mitte der letzten Vezemberwoche veröffentlicht wurde, bestätigt von neuem die Tatsache, daß daz Jahr i904 vom landwirtschaftlichen Standpunkt aus betrachlet außergewöhnlich zufriedenstellend war. Mit Ausnahme von Welzen wurden alle Ackerbauerzeugnisse in einer den Durchschnitt Cerstei ße en Menge geerntet.
elbst beim Weizen ist die Fehlmenge viel geringer als zeit= weise befürchtet wurde. Früher war behauptet worden daß an Wüster⸗ und Sommerwelzen zusammen nicht mehr als 500 Milllonen Bushel eingebracht! wären. Das Landwirtschaftsdepartement, das erfahrungzmäßlg öfter zu niedrig als zu hoch schätzt, kommt nun