S. M. S. „Sperber“ ist an demselben Tage in Hongkong angekommen. k S. M. S. „Hertha“ ist am 24. Januar von Colombo (Ceylon) nach den Seychellen in See gegangen,
Sessen.
Die „Darmstädter Zeitung“ veröffentlicht einen Gnaden⸗ erlaß Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs anläßlich seiner bevorstehenden Vermählung für alle diejenigen Personen, die im Großherzogtum durch Straf— befehl und Strafbescheid oder ein bei den bürgerlichen Ge— richten ergangenes Urteil zu Gefängnis, Festungshaft oder Geldstrafe wegen Majestätsbeleidigung usw. nach den SS 95, N, 99 oder 101 des Strafgesetzbuchs, wegen wört⸗ licher Beleidigung von Behörden usw., wegen Zuwiderhand— lungen gegen die Bestimmungen des Forst⸗ und Feldstrafrechts sowle wegen Uebertretungen verurteilt sind. Der Erlaß findet nur auf solche Strafen Anwendung, die spätestens mit Ab⸗ lauf des 2. Februar 1905 rechtskräftig geworden sind oder werden.
Lippe.
Gestern mittag um 121 Uhr fand im Schlosse zu Detmold, wie „W. T. B.“ berichtet, die feierliche Er— öffnung des Landtages statt; der Graf-Regent verlas dabei die nachstehende Thronrede:
Meine hochgeehrten Herren! Die Einberufung des Landtages im gegenwärtigen Zeitpunkte ist ein außerordentlicher Akt, bedingt durch das Ihnen schon bekannte schmerzliche Ereignis, das dem Lande nicht nur seinen Fürsten, sondern in dem erlauchten Herrn auch den letzten männlichen Sproß der alten Linie des altehrwürdigen Gesamthauses der Grafen und Edlen Herren zu Lippe genommen hat. Schwer hat das verflossene Jahr auf meinem Hause und dem Lande gelastet, und mit ernster Trauer beginnt das neue Jahr seinen Kreis- lauf. Umsomehr ist es ein Mahnruf und ein Weckruf für alle, die durch ihre Stellung und ihr Amt auserkoren sind, die Geschicke des Landes zu lenken und zu leiten. Daß Sie dieser Ihrer Pflicht in treuer Fürsorge für das Wohl des Landes, für die äußere Wohlfahrt und den inneren Frieden des Landes genügen, daran erinnere ich Sie in dieser Stunde, wo wir zum ersten Male in gesetzlicher feierlicher Weise den Landtag des Fürstentums hier begrüßen. Erneuern wir das Gelöbnis, alle uns übertragenen Rechte und alle uns über⸗ tragenen Pflichten auszuüben und zu vollziehen in verfassungsmäßiger Wahrung der Interessen unseres Landes als Einzelstaat, wie als Mit⸗ glied des großen Deutschen Reiches. Wir leben der frohen, gewissen Zuversicht, daß Sie, meine hochgeehrten Herren, meine hierauf ge— richteten Bestrebungen in dem Sinne mit gleichem Eifer wärmstens unterstützen. Für diese außerordentliche Sitzungeperiode werden Ihnen nur zwei Vorlagen unterbreitet, ihrem Wesen nach miteinander verwandt und in ihrer Bedeutung bestimmt, für Gegenwart und Zukunft die Grundsteine der Rechtssicherheit im Verfassungsleben zu bilden, eine geordnete Entwickelung aller Ver⸗ hältniffe herbeizuführen, namentlich für die notwe Se Ruhe und Eintracht der Bevölkerung im Lande zu sorgen, 15 so mögen Sie denn, meine hochverehrten Herren, in Ihre Beratungen eintreten mit Ernst und frohem Mut, und aus Ihren Verhandlungen erwachse ein dauernder Segen für unser geliebtes Land.
Deutsche Kolonien.
Nach einem Telegramm aus Windhuk in Deutsch⸗ Südwestafrika ist, wie W. T. B.“ berichtet, der Gefreite Ernst Hentschel, geboren am 9. Mai 1882 zu Zedlitz, früher im Leibhusarenregiment Nr. 2, am 23. Januar in Klein⸗ Windhuk an Typhus gestorben. Der Reiter Paul Eckelt, geboren am 17. Juli 1882 zu Rathau, früher im Ulanen⸗ regiment Nr. 13, ist in einem Patrouillengefecht bei Ankubis am 16. Januar schwer verwundet worden. Der Reiter Kurt Krüger, geboren am 15. Dezember 1884 zu Berlin, früher im 2. Gardedragonerregiment, ist am 21. Januar im Lazarett zu Otjimbinde an doppelseitiger Lungen- und Brustfellentzündung gestorben.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Im 5sterreichischen Herrenhause wiederholte gestern, wie .W. T. B.“ berichtet, der Ministerpräsident Freiherr von Gautsch feine am Tage zuvor im Abgeordnetenhause abgegebene Erklärung und knüpfte daran den Apell, das Herrenhaus möge ihn in seiner schweren, verantwortungsvollen Stellung seine wohlwollende Unterstützung leihen. Der Ministerpräsident glaubte auf die Erfüllung dieser Bitte um so sicherer zählen zu können, als das Herrenhaus seine patriotische Gesinnung stets in einer für das Staatswohl ersprießlichen Weise betätigt habe. Das Haus wolle überzeugt sein, daß die Regie⸗ rung bemüht sein werde, stels volles Einvernehmen mit dem Herren— hause zu pflegen und mit wärmstem Danke jede Förderung ihrer wesentlichsten Aufgabe, die Herstellung des ersehnten politischen und parlamentarischen Friedens, begrüßen werde.
Im Abgeordnetenhause teilte nach der Verlesung des Ein— laufs, die auf Verlangen des Abg. Klofac im Wortlaute erfolgte, der Präsident Graf Vetter mit, daß von den zu Beginn dieses Sessions—⸗ abschnittes vorhandenen dringlichen Anträgen sämtliche bis auf 14, die von den Tschechisch⸗ Radikalen und dem Abg. Breiter eingebracht seien, zurückgezogen worden seien. Das Haus verhandelte alsdann über den dringlichen Antrag des Abg. Choe, betreffend die Abänderung eines Paragraphen des Wehrgesetzes. In der Begründung der Dring— lichkeit seines Antrages erklärte der Abg. Choe, die Tschechisch. Radikalen zögen ihre dringlichen Anträge nicht zurück, weil die Wünsche des tschechischen Volkes nicht erfüllt würden. Die Dringlichkeit wurde abgelehnt und sodann ebenso die Dringlichkeit eines zweiten tschechisch radikalen An— trages, betreffend die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts. Als der Präsident um 6t Uhr zum Abbruch der Verhandlungen schreiten wollte, wurden lebhafte n, seitens der Deutschen laut: Nicht abbrechen! Fortberaten!“
er Präsident ersuchte, einen diesbezüglichen Antrag zu stellen. Vom Abg. Glöckner wurde darauf ein Antrag auf Weiterberatung gestellt, der mit überwiegender Mehrheit angenommen wurde. Das Haus dene. nunmehr zur Verhandlung des dritten tschechisch radikalen ringlichen Antrages, betreffend die Gewalttaten gegenüber den böhmischen Minderheiten in Böhmen. Der Abg. Dr. Baxa begründete eingehend den Antrag. Die Dringlichkeit wurde mit großer Mehrheit abgelehnt, nachdem der Präsident dem Abg. Baxa sowohl in seiner Begründungsrede als im Schlußwort das Wort entzogen hatte, weil er trotz wiederbolter Ermahnung sich nicht auf die Begründung der Dringlichkeit beschränkt habe. Ein um 95 Uhr von dem Abg. Choc gestellter Antrag auf Schluß der Sitzung wurde mit allen gegen 7 Stimmen abgelehnt. Nach kurzer Beratung wurde dann ein vierter tschechisch radikaler dringlicher Antrag abgelehnt und die Sitzung
um 107 Uhr geschlossen. Frankreich.
Die Enquétekommission über den . in
der Nordsee trat gestern unter dem Vorsitz des Admirals
o urnier zu einer öffentlichen Sitzung zusammen, über deren lauf W. T. B.“, wie folgt, berichtet:
Der Armiral Fournier verkündete, die Zeugenaussagen würden
ins Französische übersetzt werden. Der erste Jeuge, der vernommen
wurde, war der Kapitän eines englischen Dampfer. Dieser sagte aus, er habe das russische Geschwader am Nachmittag des
21. Oktober in der Nordsee bemerkt, und gab eine ausführliche Darlegung der Stellung des Geschwaders an diesem Nach⸗ mittage. Der Admiral Dubassow richtete eine Reihe von Fragen an den . über diesen Gegenstand. Die Sitzung wurde darauf bis 3 Uhr Nachmittags unterbrochen. In der Nachmittagssitzung sagte der Zeuge Beeching, Verwalter der Fischereigesellschaft, aus, daß während der Nacht den Fischerbooten die Signale durch rote oder grüne Raketen gegeben worden seien; er setzte auch die Bauart der Boote auseinander. Auf die Frage nach der Zahl der in der Nacht zum 21. Oktober an der Doggerbank anwesenden Fischerboote erwiderte der Zeuge: 4. Auf eine andere Frage sagte er, daß man an Bord weder Torpedos, noch sonstiges Kriegsmaterial gehabt habe. Auch habe er nie⸗ mals davon gehört, daß Japaner sich auf den Booten befänden, und noch viel weniger, daß in den dortigen Gewässern Kriegsschiffe seien. Der russische Vertreter Man del st am fragte hierauf, ob es möglich sei, Torpedoboote mit Fischerbooten, die keine Segel hätten, zu ber⸗ wechseln. Der Zeuge erwiderte, nein, das sei unmöglich. Baron Ta ube fragte sodann, ob nicht irgend ein anderes Schiff zu der Fischerflotille gestoßen sei. Der Zeuge antwortete, nicht ein einziges. Hierauf fand eine Pause statt. Nach Wiederaufnahme der Sitzung wurde der Ver⸗ treter einer Huller Fischereifirma Heers vernommen,. Er sagte aus, daß die Boote seines ef vorn ein deutliches Firmenzeichen 8 tragen und die vorschriftsmäßigen Lichter gehabt hätten. r habe die Beladung der überwacht, es
Boote mit Vorraͤten
seien weder Kriegswerkzeuge noch Kriegsmaterial an Bord gelangt; ebensowenig habe sich irgend ein Japaner dort befunden. Hierauf wurde der zweite Führer der Fischer⸗
flottil le vernommen. Er erklärte, daß er gerade den Booten das Signal gegeben habe, die Netze auszuwerfen, als er in nördlicher Richtung ein grünes Licht bemerkt habe. Bald darauf habe er Schein werfer und Signale wahrgenommen, die von Kriegsschiffen gekommen seien, die, vier bis sechs an der Zahl, auf die Flotille losgefahren seien und den Kurs nach Südwesten gehalten hätten. Die Schiffe hätten Halt gemacht, ihre Scheinwerfer aber weiter spielen lassen. lötzlich hätten sie gefeuert. Er habe darauf eine grüne Rakete steigen lassen, um anzuzeigen, daß die Fischerboote ihre Fahrt nach Osten fortsetzten. Granaten und Kugeln seien rings um das Boot eingeschlagen, auf dem er sich befunden habe, das Deck sei durchlöchert worden. Die Fischer seien in die Kabinen geflüchtet. Er habe dann damit fortgefahren, grüne Raketen steigen zu lassen, um zu zeigen, daß die Schiffe Fischerboote
seien. Der Zeuge erklärte weiter, es habe Nebel geherrscht, das Meer sei stark bewegt gewesen. Alle Lichter seien an⸗ gezündet gewesen, die Laternen hätten gebrannt. Alle
Nachdem das Feuer 5 Minuten gedauert habe, hätten die Fischerboote ihren Kurs geaͤndert und sich in nordöstlicher Richtung entfernt. Von den Kriegsschiffen sei mit Gewehren und Kanonen , ü. worden, die eld ßen habe etwa 20 Minuten gewährt. Auf die Bemerkung eines russischen Vertreters, daß zu Beginn der Beschießung kein Schrecken der Fischer bemerkt worden sei, erwiderte der Zeuge, man habe zuerst geglaubt, daß von den Kriegeschiffen blind geschossen werde. Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
Die demokratische Linke des Senats hat beschlossen, den bisherigen Ministerpräsidenten Combes zu ihrem Ob⸗ mann zu wählen. — Der sozialistisch⸗ radikale Deputierte Bu isson, einer der Führer der sozialistisch⸗radikalen Linken der De— putiertenkammer, ist aus dieser Partei ausgetreten, weil sie den von ihm wiederholt beantragten Protest gegen die An— geber abgelehnt habe.
Mehrere hundert sozialistische Studenten und Mit⸗ glieder anderer sozialistischer Vereine versuchten gestern abend, nach einer aus Anlaß der Vorgänge in St. Petersburg abgehaltenen Prytestoersammlung eine Kundgebung vor der russischen Botschaft zu veran⸗ stalten. Sie wurden jedoch von der Polizei, die mehrere Ver⸗ häftungen vornahm, aus einandergetrieben.
Rußland.
Bei dem Minister des Aeußern Grafen Lambsdorff findet heute, wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg be⸗ richtet wird, die erste Beratung mit den Delegierten statt, die die italienische Regierung zu Verhandlungen über einen Handelsvertrag entsandt hat. An der Beratung nimmt auch der Finanzminister Kokowzow teil.
Ueber die Lage in St. Petersburg liegen folgende Depeschen des „W. T. B.“ vor:
Die Nacht zu gestern ist in dem Stadtteil Wassili Ostrow wurden Schüsse gehört. Den Petersburger Stadtteil durchzogen die ganze Nacht hindurch Patrouillen, die die Passanten an⸗ hielten und ausfragten. Arbeiterhaufen durchzogen bis Mitternacht die Hauptstraßen. Die Läden waren gestern ge— schlossen, eine Anzahl Straßen wurden von Patrouillen durch⸗
ogen, im allgemeinen zeigte die Stadt aber ein ruhiges Aus—⸗ ö. An den höheren Lehranstalten wurden keine Vorlesungen e, Auf der Newskiwerft erschienen die Arbeiter, um ih . ihres Lohnes in Empfang zu nehmen, sie verhielten ich ruhig.
Der Minister des Innern Fürst Swiatopolk-Mirski empfing gestern die Vertreter der St. Petersburger Presse, die ihm eine Bittschrift und die Beschlüsse der Konferenz der Redakteure überreichte. Ein Mitglied der Abordnung wies auf die Notwendigkeit der Freiheit der Presse sowie darauf hin, daß die Semstwos zu einem Kongreß einberufen werden müßten. Das sei das einzige Mittel, um die Gemüter zu beruhigen. Der Minister erwiderte, er werde die Petition prüfen, aber er könne nicht allein darüber ent⸗ scheiden, das gehöre auch in das Ressort des Generals Trepow.
In der gestrigen Sitzung des Stadtrats stellte der Stadtverordnete Nabokow im Namen von 16 Stadtverordneten einen Antrag, der lautete:
Die Belanntgabe der Regierung bestätigt, was alle Bewohner der Stadt gesehen haben, daß nämlich am 2. Januar Truppen auf Arbeiter, die mit einer Bitischrift an den Kaiser zum Winterpalais gingen, geschossen haben. Der Stadtrat von St. Petersburg ist hierüber aufs höchste empört und erklärt, daß eine solche Grausamkeit die Grundstütze der bürgerlichen Ordnung, nämlich die Sicherheit des Lebens, untergräbt, und erachtet es als seine Pflicht, die Geschädigten zu unterstützen, indem er 25 000 Rubel für die Verwundeten und die Familien der Getöteten bewilligt.
Der Vorsitzende Durnowo weigerte sich, den Antrag zur Besprechung zuzulassen. Darauf beantragte der Stadt⸗ verordnete Baron Korff, 265 000 Rbl. für die Ge—⸗ schädigten zu bewilligen, ohne zu erwägen, ob sie schuldig oder unschuldig seien. Der Antrag wurde mit großer Stimmenmehrheit angenommen. Gleichzeitig wurden ooh Rbl. bewilligt zur Verbefferung der tarnen Ambulatorien und zur Hilfeleistung für Verwundete im Falle einer Wieder⸗ holung der Ereignisse vom 22. Januar. Ferner wurde das Stadtamt mit der unverzüglichen Bearbeitung der Frage der Einrichtung schneller ärztlicher Hilfe beauftragt, denn am Sonntag hätten nach Aussage von Augenzeugen Verwundete auf den Knien von der Morskajastraße bis zur Kasankirche
Fischer hätten auf Deck gearbeitet, die Segel seien . gewesen.
ruhig verlaufen, nur
kriechen müssen.
Der Rat des Polytechnischen Instituts hat gestern folgenden Beschluß gefaßt:
Ein Angehöriger der Gemeinschaft des St. Petersburger Pol technischen Instituts, der Studierende Sawinkin, ist eines g samen Todes gestorben; er ist am 22 Januar im Alexander⸗ garten erschossen worden. Sawinkin ist gegen eine unbewaffnete friedliche Menge begangenen Schlächterei. Der Rat des Instituts ist entrüstet und niedergedrückt ob der Er⸗ eignisse vom 22. Januar, die bewiesen haben, daß in Rußland das Leben selbst friedlicher Bürger nicht sicher ist, und spricht seine tiefe Entrüstung über die Massenerschießung aus, von deren Opfern der Student Sawinkin eines ist. Der Rat ist der Ansicht, daß unter den gegenwärtigen Umständen die Fortführung des Unterrichts durchaus unmöglich ist, und beschließt, den Finanzminister von seiner Ansicht zu unterrichten. =
Die Professoren und Studenten des Polytechnischen Instituts sind bis zum September beurlaubt, da die Vor⸗ lesungen eingestellt sind. Die Studierenden haben dem Direktor Vertreter gesandt und ihre Solidarität mit dem von dem Rate gefaßten Beschlusse erklärt.
Der Bestattung des am Sonntag am Alexandergarten getöteten Studenten des Polytechnischen nstituts Sa⸗ winkin wohnten gestern der Direktor des Instituts Fürst Gagarin, alle Professoren und Studenten und eine etwa 2000 Personen starke Menschenmenge bei. Der Sarg wurde von Studenten getragen. Ein Student der Universität sprach am Grabe; er sagte:
„Wir begraben unsern Kommilitonen, dessen unschuldiges Blut durch einen Gewaltakt der autokratischen Regierung vergossen wurde. Er ist tot, aber sein Geist lebt unter uns und fordert uns auf, unaufhörlich zu kämpfen für das Recht, frei zu leben und zu denken.“
In einer gestern im Bezirksgericht abgehaltenen
Sitzung erklärte der Verteidiger, er sei infolge der auf⸗— regenden Vorgänge der letzten Tage nicht in der Lage, die Verteidigung ruhig und sachgemäß zu führen. Kaum hatte der Verteidiger dies ausgesprochen, als der Obmann der Geschworenen sich erhob und namens der Geschworenen erklärte, diese seien aus dem gleichen Grunde nicht in der Lage, objektiv Recht zu sprechen. Der Vorsitzende hob hierauf die Verhandlung auf. Der Unterricht in den Gymnasien und Realschulen ist gestern wieder aufgenommen worden. Der Kurator des Lehrbezirks machte bekannt, daß es als triftiger Grund für die Versäumnis des Schulbesuchs gelten solle, wenn diese Versäumnis aus Furcht vor den Unruhen erfolgt sei.
In zwei Tabakfabriken ist gestern die Arbeit wieder aufgenommen worden.
Heute ist auf den Straßen von St. Petersburg auf Befehl des Kaisers eine Bekanntmachung des Finanzministers und des Generalgouverneurs angeschlagen worden, die, der St. Petersburger Telegr.-Agentur“ zufolge, lautet;
Der ruhige Verlauf des öffentlichen Lebens in St. Petersburg ist
in den letzten Tagen durch die Einstellung der Arbeit in den Fabriken
und Werkstätten gestört worden. Indem die Arbeiter zu ihrem offen baren eigenen Schaden und dem der Arbeitgeber die Arbeit nieder⸗ legten, stellten sie zugleich eine Reihe von Forderungen auf, die gemeinsame Beziehungen zwischen ihnen und den Fabrikanten betreffen. Die entstandene Bewegung nutzten schlechtgesinnte Personen aus, die die Arbeiter als ihr Werkzeug benutzten, und verleiteten die Arbeiterbevölkerung durch , und unmögliche Ver⸗ sprechungen auf einen Irrpfad. Die Folgen dieser verbrecherischen Agitation waren zahlreiche Störungen der Ordnung in der Hauptstadt und die in solchen Fällen unvermeidliche Einmischung der bewaffneten Macht. Diese Erscheinungen sind tief traurig und rufen Unruhe hervor. Die schlechtgesinnten Personen schrecken nicht vor den Schwierigkeiten zurück, die das Vaterland in der schweren Kriegszeit durchlebt. In ibren Händen erwies sich das Arbeitervolk der St. Petersburger Fabriken und Werkstätten als ein blindes Werkzeug, das sich keine klare Rechenschaft darüber gab, daß im Namen der Arbeiter Forderungen gestellt wurden, die nichts Gemeinsames mit ihren Bedürfnissen haben. Indem die Arbeiter diese Forderungen äußerten und ihre üblichen Beschäftigungen ein⸗ stellten, haben die Arbeiter der St. Petersburger Fabriken und Werk⸗ stätten auch vergessen, daß sich die Regierung stets ihren Bedürf ⸗ nissen gegenüber vorsorglich verhielt, wie sie sich auch gegenwärtig verhält und bereit ist, ihre berechtigten Wünsche aufmerksam zu bören und diese, soweit möglich, zu erfüllen. Aber zu solcher Tätigkeit braucht die Regierung vor allem die Wiederberstellung der Ordnung und die Rückkehr der Arbeiter zu ihrer alltäglichen Arbeit. In Zeiten der Unruhe ist eine ruhige und wohlgemeinte Tätigkeit der r zum Nutzen der Arbeiter undenkbar und eine Er⸗ füllung ihrer Forderungen, wie berechtigt dieselben sein mögen, kann nicht erfolgen, wenn Unordnung und Widerspenstigkeit herrschen. Die Arbeiter sollen der Regierung die ihr obliegende Aufgabe der Verbesserung ihrer Lage erleichlern; sie können dies nur auf einem Wege vollbringen, indem sie sich von jenen entfernen, die allein er, , nötig haben und denen der wahre Nutzen der Arbeiter sowie die wahren Intsressen unserer Heimat fremd sind und die diese nun als Vorwand zur Hervorrufung von Unruhen gebrauchten, d
nichts mit dem Nutzen der Arbeiter zu tun haben. Die Arbeiter sollen zu ihren gewöhnlichen Beschäftigungen zurücktehren, die dem Lande ebenso notwendig sind, wie den Arbeitern selbst, die sonst Frauen und Kinder der Not weihen Das Arbeitervolk möge, indem es zur Arbeit zurückkehrt, wissen, daß seine Nöte dem Herzen des Kaisers ebenso nahe stehen, wie die aller treuen Untertanen. .
Mit dem, was der Kaiser unlängst nach seinem persönlichen freien Willen zu befehlen geruht, daß nämlich an die Bear⸗ beitung der Frage der Arbeiterversicherung herangetreten werden solle, zu dem Zwecke, sie gegen Invalidität und Krankheit sicher zu stellen — mit dieser Maßtegel ist die Sorge des Kaisers für das Wohl der Arbeiter nicht erschöpft. Vielmehr geht gleich⸗ zeitig auf , des Kaisers das , n ,. an die Aus- arbeitung eines Gesetzes, betreffend die Verkürzung der Arbeitszeit, und an die Ausarbeitung von Maßnahmen, die dem arbeitenden Volke die gesetzliche Möglichkeit geben werden, über seine Bedürfnisse zu be⸗ raten und sie zum Augdruck zu bringen. ;
Mögen auch die Arbeiter in Fabriken, Werkstätten und anderen gewerblichen Einrichtungen wissen, daß sie, nachdem sie zur Arbeit zurückgekehrt sind, darauf rechnen können, daß die Regierung die Un= verletzlichkeit ihrer Person, ihrer Familien und ihres häuslichen Herdes schützen wird; die Regierung wird diejenigen, welche zu arbeiten wünschen und dazu bereit sind, vor verbrecherischen Anschlägen auf die Freiheit ihrer Arbeit seitens lech gesinnter Personen schützen, die die Freiheit laut verkünden, aber darunter nur das Recht verstehen, ihre Kameraden, die bereit sind, zur friedlichen Arbeit zurück- zukehren, auf dem Wege der Gewalt hieran zu hindern. —
Aus Moskau vom gestrigen Tage meldet ‚W. T. B.“: In den Straßen ist es ganz ruhig, das Ausstandsgebiet dehnt sich aber aus. Bei erh dez der Ordnung in der Pjatnizkajastraße fielen einige Schüsse, deren Ur⸗ heber nicht bekannt sind. Die Ausständigen wurden mit Peitschen und blinden Schüssen . In den Theatern ist es ruhig, aber sie sind nicht sehr be⸗ sucht. Die Straßen sinb leer, überall sind Patrouillen. — Die Hospitäler haben keine Verwundeten angenommen. — Die Arbeit ruht in fünfzig Fabriken des eigentlichen
Fabrikenstadtteils mit im ganzen 30 000 Arbeitern; in den
eines der Opfer der
übrigen Fabriken wurde weitergearbeitet. Dies wurde dadurch erreicht, daß die Ausständigen verhindert wurden, sich nach diesen
abriken zu begeben und dort einen Druck auszuüben. Von größeren
abriken ist die Metallfabrik Hübner heute vom Streik be⸗ troffen worden; in den Druckereien herrscht Unruhe, in einigen davon wurde die Arbeit niedergelegt. Die ausständigen Arbeiter gingen truppweise durch die Straßen, doch kam es, außer in der Pijatnizkajastraße, nicht zu Zusammen⸗ stößen mit den Truppen. — Eine Versammlung von
abrikanten beschloß, an die Regierung ein Telegramm zu enden, in dem es heißt, die zur Beratung der gegenwärtigen Lage bersammelten Vertreter der Moskauer Industrie bäten, daß die Truppen nicht die Waffen gegen die Arbeiter an⸗ wendeten, solange letztere nicht Gewalttätigkeiten verübten oder plünderten.
Eine Gruppe von Rechtsanwälten stellte bei Gericht den Antrag, die Sitzung wegen nicht genügender Ruhe abzubrechen. Der Antrag wurde abgelehnt.
Heute früh sind, dem, W. T. B.“ zufolge, die Straßen ruhig. Die Zeitungen sind bis auf drei erschienen.
An den Straßenecken von Moskau ist heute eine Kund⸗ gebung des Stadt hauptmanns angeschlagen, die besagt:
Unter dem Einfluß von Drohungen Uebelgesinnter sei ein Aus— stand ausgebrochen, daher erachte der Stadthauptmann es für seine Pflicht, die Arbeiterbevölkerung davon in Kenntnis zu setzen, daß zu ihrem Schutze gegen die Agitatoren entschiedene Maßnahmen getroffen seien. Sie Ärbeiter, die die Arbeit aufnehmen wollten, könnten das ohne Gefahr für ihre Sicherheit tun.
In den Werkstätten der Kurs ker, Brester, Moskau— Kasanbahn ist die Arbeit eingestellt. Die Wasserleitung, die elektrische Station und die Gasanstalt werden durch Polizei und Militär bewacht. Der Versuch einer starken Arbeitergruppe, den Betrieb der Gasanstalt zu stören, wurde
vereitelt.
Vierzehn Mitglieder des Semstwo des Gouvernements Simbirsk haben, nach einer Meldung des „W. T. B.“, folgende Resolution gefaßt:
Während unseres ganzen Lebens waren wir gezwungen, Still schweigen zu beobachten und nicht zu sprechen. In allen unseren neuen Gedanken sahen die Behörden rote Gespenster, die die Grundlagen des Staats zu zerstören drohten. Vierzig Jahre lang haben wir bestätigt, daß alles gut sei; dermaßen sind wir an den Gedanken gewöhnt, daß jede andere Aeußerung ein Staats⸗ verbrechen sein würde. Diese Haltung des zum Sklaven erniedrigten
Volkes hat Rußland eine Krisis gebracht. Aus dieser kann man nicht
durch palliative halbe Maßnahmen herausgelangen. Rußland ist auf ker gen zum vollständigen Untergang; die Gefahr für das Vater⸗ land ist ungeheuer, nicht allein von seiten der auswärtigen Feinde, mit denen wir jetzt im Kampfe liegen, sondern auch seitens der inneren einde, gegen die die Bureaukrgtie so lange in dem Vaterlande chädlicher Weise gekämpft hat. Die Gefahr liegt in dem Lurch Lie Bureaukratie geschaffenen Darniederliegen der allgemeinen Sntwicke⸗ lung. Die russische Nation ist künstlich in ihrer natürlichen Ent⸗ wickelung aufgehalten. Jeder Organismus gerät dem Tode nahe, wenn das Leben sich nicht mehr regen kann; auch das Dar⸗ niederliegen des Landes bringt eine unentrinnbare Gefahr herbei. Vertreter der Semstwo haben Gelegenheit erhalten, ehrlich und frei über die Mißstände in Rußland zu sprechen, die Bureaukraten haben jedoch Maßnahmen ergriffen, um diese Möglichkeit auszuschließen. Der Praͤsident des Simbirsker Semstwo hat beantragt, eine Adresse abzusenden, gegen die inneren Feinde an- zukämpfen, was nicht zur Zustaͤndigkeit der Semstwos gehört und hat in keiner Weise von den Mißständen in Rußland gesprochen. Unsere Pflicht gegenüber dem Vaterlande und dem Throne zwingt uns, dieser Adresse unsere Zustimmung zu versagen und zu, erksären, waß uns das. Gewissen heißt; der Präsident läßt dies jedoch nicht zu. Es ist verbrecherisch, die Augen gegenüber der das Land bedrohenden Gefahr zu verschließen. Nur gewählte freie Vertreter würden Rußland aus der gegenwärtigen Lage befreien können. Diese Vertreter müßten stets an der Gesetzgebung, der Budgetgebahrung und der Kontrolle über die Bebörden teilnehmen; sie würden Rußland und feinem Kaiser eine neue friedliche und ruhmreiche Bahn weisen.
Das Sem stwo von Taurien hat, wie „W. T. B.“ berichtet, folgende einstimmig angenommene Adresse an den Kaiser gesandt:
Majestät! Das Semstwo von Taurien beglückwünscht Eure Majestät und die Kaiserin zur Geburt des Thronfolgers; er ist in einem schrecklichen Jahre eines grausamen und blutigen Krieges und einem Jahre schwerer Unruhen im Innern geboren. Daß der Friede im Innern Rußlands und an seinen Grenzen kommen möge, das sind die besten . die alle russischen Untertanen für den Threnfolger aussprechen können. Der Ukas Eurer Majestät vom 25. Dezember gibt uns die Hoffnnung auf den inneren Frieden, der uberall auf der Sicherheit des Gesetzes, der Gleichhelt aller Bürger, der Freiheit des Gewissens und Der Religion, der Freiheit des Wortes, der Presse, der Vereine und Versammlungen beruht. Majestät! Wir sind überzeugt, daß die Durchführung Ihrer Absichten und Ihre Unverletzlichkeit nur möglich sind, wenn freigewählte Vertreter an der , ich teilnehmen. Wir glauben aufrichtig, daß die Einheit des Staates und der Nation ein Unterpfand für die machtvolle Ent- wickefung der produktiven Kräfte des Landes gibt. Wenn Sie Ver— treter der Nation berufen, um an der Gesetzgebung. der Budget- aufftellung, der Kontrolle über die Behörden und der Ueberwachung der Durchführung der Gesetze und der Absichten Euerer Majestãät teil unehmen, werden Sie aus Rußland eine Macht schaffen, unbesiegbar nach 7 und im Innern blühend unter dem Lichte des Rechts und der Wahrheit.
In Saratow sind gestern, wie ‚W. T. B.“ erfährt, die Arbeiter in den Werkstätten der Eisenbahn in den Ausstand getreten. Der Gouverneur hat jede Ansammlung in den Straßen verboten und gegebenenfalls das Eingreifen der bewaffneten Macht angekündigt. ᷣ ;
Der allgemeine Ausstand ist gestern in Riga proklamiert worden. Alle Arbeiter haben sich mit denen in Petersburg solidarisch erklärt. — Die zu den Fahnen ein⸗ berufenen Soldaten zertrümmerten Scheiben und Laternen, die . machte von der Waffe Gebrauch und zerstreute die
uhestörer. Nach allen Richtungen sind Patrouillen entsandt.
In Reval herrscht, wie die „St. Petersburger Telegr⸗ Agentur“ meldet, ein allgemeiner Ausstand. Gestern abend zog eine große Anzahl ausständiger Arbeiter vor das Haus des Gou⸗ verneurs. Auf die Worte, die der Gouverneur an sie richtete, beruhigte sich die Menge. Es wurden darauf Vertreter der ver⸗ schiedenen Gruppen gewählt, um dem Gouverneur die Wünsche der Arbeiterschaft vorzutragen; diese gehen auf Lohnerhöhung, Achtstundeniag und Teilnahme der Arbeiter an der n e if der Arbeit. Im Bureau des Gouverneurs versammelten, si kleigge tig die Direktoren und Betriebsführer der Fabriken;
ie Besprechungen zeitigten befriedigende Ergebnisse.
Spanien.
Schweiz.
Am 24. und 25. d. M. tagte in Rorschach die internationale Rheinregulierungskommission, um über das von der schweizerischen Regierung im Einvernehmen mit der österreichisch-ungarischen Regierung der Kommission zur Antragstellung üͤberwiesene Sachverständigengutachten, be⸗ treffend den Diepolds auer Rheind urchstich, zu beraten. Dem Gutachten zufolge ist, wie „W. T. B. meldet, die baldige energische ,, des Durchstichs geboten, dessen
Kosten die Sachverständigen auf 15190009 eventuell 16130 000 Fr. veranschlagt haben. Der Kommissionsantrag soll beiden Regierungen vorgelegt werden.
Türkei.
Die Untersuchungskommisson, die nach Dschum⸗ bala entsandt worden war, hat, wie „W. T. B.“ erfährt, konstatiert, daß tatsächlich von tür kischen Truppen bei der Vornahme von Hausuntersuchungen Mißhandlungen von bulgarischen Srtsinsassen begangen worden seien. Die ursprünglich darüber verbreiteten Nachrichten hätten sich jedoch als sehr übertrieben erwiesen, insbesondere sei unwahr, daß ein Teil der christlichen Bevölkerung infolge dieser rf. nach Bulgarien geflüchtet sei. Die schuldigen Offiziere sollten vor ein Kriegsgericht gestellt oder versetzt werden.
Wie das Wiener „Telegr⸗Korresp.-Bureau“ erfährt, hat der Generalinspektor Hilmi Pascha eine strenge Be⸗ . des Sees von Jenidsche⸗Vardar im Wilagjet Saloniki angeordnet, um die in diesem Gebiete hausenden Banden in Schach zu halten. ; ö .
Der „Frankfurter Zeitung“ wird aus Konstantinopel gemeldet, daß die Aktion gegen die Ausständischen in der , Yemen täglich einen ernsteren Charakter annehme.
ußer neuen Verstärkungen seien in den letzten Tagen 42 12121 von Konstantinopel nach Yemen beordert worden.
Schweden und Norwegen.
Wie dem „W. T. B.“ aus Stockholm gemeldet wird, sind am 24. d. M. infolge der Erlaubnis des Kaisers von Rußland, daß die ausgewiesenen Finnländer in ihre Heimat zurückkehren könnten, mehrere in Stockholm wohnende Finn⸗ länder nach Finnland zurückgekehrt, darunter Graf Creutz und Advokat Castren. .
A ien.
Der General Ssacharow meldet dem Generalstabe unter dem 24. Januar: ö .
In der vorhergehenden Nacht machten russische Freiwillige eine Rekognoszierung südlich von Schanlantoy und trieben die japa⸗ nischen Vorposten zurück, wobei zwei Fähnriche getötet und mehrere Soldaten getötet oder verwundet wurden. Um Mitternacht am 23. Januar warf ein kleines Detachement in einem schnellen Angriff die Japaner aus einer Lünette südöstlich von Sakepou; es wurde ein Soldat verwundet. Während der Nacht versuchten die Japaner zweimal, die Lünette wieder zu nehmen, aber ohne Erfolg.
Das japanische Maxinedepartement hat, wie das Reutersche Bureau“ berichtet, die Bildung eines Ge—⸗ schwaders für einen Spezialdienst angeordnet. Einzel— heiten sind nicht angegeben worden.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags und des n der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— In der heutigen (128.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowskr⸗Wehner, der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Richthofen und der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke beiwohnten, nahm vor Eintritt in die Tagesordnung zunächst das Wort der
Staatssekretär des Innern. Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky⸗ Wehner: Meine Herren! Auf die Inter pellation des Abg. von Normann, betreffend den Abschlu des deutschösterreichischen Handelsvertrages, habe ich erklärt, i würde die Interpellation im Laufe dieser Woche beantworten. Inzwischen hat sich die Sachlage dadurch geändert, daß gestern abend der deutschösterreichische Handelsvertrag von den Bevollmächtigten der beiden verhandel nden Mächte unterschrieben ist. Ich darf an⸗ nehmen, daß der Bundesrat seine Beratungen über die sieben Handelsverträge so beschleunigen wird, daß kiel ben am 1. Februar dem hohen Hause zugehen werden. Bei dieser Gelegenheit werden auch alle die Fragen, die sich auf unsere Handelsvertragspolitik be⸗ ziehen, wahrschesnlich Gegenstand der Erörterung sein. Ich darf hier ⸗ nach annehmen, daß die Intewellation von Normann vorläufig erledigt ist.
Darauf wird die zweite Lesung des Reichs haushalts⸗ etats für 1905, bei dem Etat der Reichspost⸗ und Tele⸗ graphenverwaltung, und zwar bei dem Titel „Gehalt des Staatssekretärs“, in Verbindung mit den Anträgen Hitze und Gröber⸗Eickhoff fonte.
Abg. Do ve (fr. Vgg): Der Abg. Erzberger hat gestern der Postverwaltung ein hohes Lob gespendet. Ich will dieses meinerseits nicht schmaͤlern, wenngleich man weiß, daß das Bewußtsein, in der besten der Welten zu leben, nur zu oft das Ruhebett für alle noch so notwendigen Reformen abgeben muß. So war es in der letzten Zeit unter dem Stgatssekretär von Steyhan. Im ganjen will es mir scheinen, als ob die Verwaltung anderswo, j. B. in der Schweiz mit etwag weniger Bureaukratie auskommt und dabei dasselbe leistet wie bei uns. Welche Umständlichkeit bringen bei uns die Vorschriften über die äußere Form der Briefe und Pakete mit sich! Es liehe
ch nach der wirtschaftlichen wie nach der sozialpolitischen Seite noch manches tun, um aus der deutschen Post einen Muster betrieb im höchsten Sinne des Wortes zu machen. Die Sozialpolitik soll man nicht bloß soweit treiben, wie das aktibe Wahlrecht et, Die Soial⸗ politik des Herrn Böckler wenigstens hört beim allgemeinen Wahlrecht auf, sie will von der Berücksichtigung des Frauenelements nichts wissen. Es muß befremden, daß 2 erren Klagen führen über die zu hohen Bezüge der weiblichen Angestellten; die Damen werden für ihren höchst anstrengenden Dienst wahrlich nicht überreich bezahlt. Der Resolution Hitze wegen Er— mäßigung der Telephongebühren für die Arbeitsnachweise timme ich zu, ebenfo der Resolution Gröber bezüglich der tatistischen Erhebungen und der Verkürzung der Arbeitszeit. Nicht aber kann ich zustimmen der ersten Forderung dieser Resolution, welche die weitere Einschränkung des Sonntagsbestelldienstes und der , ,, an den Vorabenden der Sonn, und Festtage wünscht.
er Kollege Erzberger scheint sich stets in der Vermögenslage befunden ju haben, daß es ihm auf einen Tag Verlust bei der
liegt nicht immer schlechthin eine Bummelei vor. Will man hier den Unschuldigen nicht mit dem Schuldigen leiden lassen, so muß ein anderes Auskunftsmittel gefunden werden; mit der Heraufrückung der Zeit der Aufliefetung wird nicht geholfen. Der Erlaß vom 13. August Ig04 gibt selbst den richtigen Fingerzeig: Soweit die Abhilfe nicht auf anderem Wege geht, muß das Personal vermehrt werden. Schon die Rücksicht auf die internationalen Verbindungen läßt es nicht zu, daß einfach die Dauer des Schalterdienstes verkürzt wird. Das Material, das Herr von Chlapowo⸗Chlapowski auf den Tisch des Hauses niedergelegt hat, unterstützt seine , , doch nur in bedingtem Umfang. Wenn auf einer Adresse zwei Namen stehen, deren Beziehung zu einander durch eine polnische Angabe erläutert ist, so muß ein solcher Brief zur Uebersetzungsstelle; andererseits ist bei Eilbriefen jede vermeidbare Verzögerung vom Uebel. Merk- würdig berührt, daß sich auf diesen polnischen Adressen eine Art Titelsucht bemerkbar macht. In dieser Beziehung würde die Post einen Kulturfortschritt machen helfen, der uns bedeutend von China entfernt, wenn sie darauf hinwirkte, daß auch bei den deutschen Brief⸗ aufschriften in den Titulaturen eine Beschränkung einträte.
Bei Schluß des Blattes spricht der Redner weiter.
— Das Haus der Abgeardneten setzte in der heutigen (126.) Sitzung, welcher der Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbiels ki beiwohnte, die zweite Beratung des Staats⸗ haushaltsetats für das Rechnungsjahr 1995, und zwar unächst die Besprechung des Etats der landwirtschaftlichen . bei den einmaligen und außerordent— lichen Ausgaben fort. 6. —
Zur Förderung der Land⸗ und Forstwirtschaft in den west⸗ lichen Provinzen (als sogenannter Westfonds) sind 745 000 , d. s. 110 000 66 mehr als im Vorjahre, zur Förderung der Land⸗ und Forstwirtschaft in den östlichen Provinzen (als Ostfonds) 1 120 000 6, d. s. 200 000 M mehr als im Vor— jahre, J. .
Abg. Tourneau Gentr) spricht seine Befriedigung darüber aus, daß der Westfonds erhöht ist; aber auch diese Mittel reichten bei der Notlage der Landwirtschaft noch nicht aus. Namentlich sei die Provinz Sachsen, die in einzelnen Teilen, wie dem Eichsfeld, gleichfalls bedürftig sei, nicht genügend bedacht. Die Provinzialver⸗ waltung habe eine weitere Erhöhung ihres Meligrationsfonds ablehnen müssen, um nicht die Provinzialsteuern zu erhöhen.
Abg. Dr. von Savigny (Zentr.): Der Westfonds stammt aus einer Zeit, in der die Notlage der Landwirtschaft nur in einielnen Teilen unseres Vaterlandes bestand; seitdem hat sich die Notlage unter der Herrschaft der Handelsverträge verallgemeinert und ver— schärft. Darum müssen wir bessere Handelsverträge wünschen. Aller⸗ dings wird sich die Notlage auch dann noch fortsetzen, weil sie nur allmählich zurückgedrängt werden kann. Deshalb genügt dieser Fonds noch nicht. Man hatte dafür sorgen sollen, daß der deutsch⸗ oͤsterreichisch , ungarische Handelspertrag, auf dessen Abschluß wir so lange haben warten müssen, sofort in beiden Ländern veröffentlicht worden wäre, damit die Landwirtschaft endlich weiß, woran sie ist. Allerdings hat der Westfonds diesmal eine Erhöhung erfahren, aber das ist doch nur die Einlösung eines im vorigen Jahre gegebenen Versprechens. Schon damals hätte der Fonds erhöht werden müssen. Bei der vorjährigen Etatsberatung haben meine Freunde den Antrag gestellt, leistungeschwachen Gemeinden Beihilfen zur Wasserbeschaffung zu gewähren. Dieser Antrag liegt jur Zeit noch in der Kommission. Der Redner tritt namentlich für die bessere Unterstüßung der Rheinprovinz, besonders der Eifel, ein. Gegenüber der Tatsache, daß vom Landtage Hunderte von Millionen für die wasserwirtschaftliche Vorlage verlangt werden, würden es diese ländlichen Distrikte sebr schmerzlich empfinden, wenn ibnen kein Aus- gleich geboten würde für die Vorteile, die anderen Landesteilen durch jene Vorlage zuteil werden sollen. .
Abg. Busch (Zentr.) bedauert, daß der Rheinische Bauernverein weder von der Landwirtschaftskammer, noch von dem Minister eine Unterstützung erhalten habe. Der Rbeinische Bauernverein hätte für ein Bauamt und für eine Versuchsstation eine Staatsbeihilfe wohl verdient, und es sei zu hoffen, daß der Minister einem erneuten An⸗ suchen entsprechen werde. —ͤ ;
Abg. Dr. Becker (Zentr.) bittet die Regierung, namentlich den kleinbäuerlichen Besitz der Rheinprovinz aus dem Westfonds ju bedenken.
Abg von Strom beck Gentr.) beschwert sich über disparitä- tische Behandlung des Ostens und des Westens bei Bereitstellung des Ost, und des Westfonds.
Hierauf nimmt der Minister für Landwirtschaft zc. von Podbielski das Wort. An der weiteren Debatte be⸗ teiligen sich bis zum Schluß des Blattes außer dem Minister noch die Abgg. von Ol denburg (kons), Baensch-Schmidt⸗ lein (freikons) und Geisler (Zentr.).
Nr. 4 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundbeitsamts“ vom 25. Januar 1905 hat folgenden Inhalt: Personalnachrichten. — Gesundheitsstand und Gang der Volkskrank⸗ beiten. — Zeitweilige Maßregeln gegen 6 — Desgl. gegen Cholera. — Erkrankungen ꝛc. im englischen Heere, 19092. — Gesetz . gebung usw. (Deutsches Reich) Leichenbeförderung auf dem Seewege. Preußen) Nahrungemittelchemiker. — Reg⸗Bej. Trier.) Typhuk⸗ erkrankungen. — (Hessen.) Reisekosten der Vertreter von Kreisveterinär arjten. — (Ungarn.) Apothekertarif. — (Italien.) Gewerbekrankheiten. — (Schweiz, Kant. Thurgau) Brunnen⸗ und Wasserkontrolle. — (Belgien.) Anspannen von Hunden. — (Rußland.) Säßstoffe. — Gifte ꝛc. — (Cuba) Oleomargarin. — Tierseuchen im Deutschen Reich, 15. Januar. — Desgl. in Ungarn, 4 Vierteljahr 1904. — Desgl. in Frankreich, 3. Vierteljabr 19064. Desgl in Bulgarien. — Rinderpest in Aegypten. — Küstenfie ber in Britisch Südafrika. — Zeit; weilige Maßregeln geg Tierseuchen. (Deutsches Reich) — Venrmischtes. Deutsches Reich) Schlachtviehversicherungsanstalten. — Preußen.) Oberschlesischer Knappschaftsverein, 1901. — Epidemische Genickstarre⸗
1903. — (Ungarn.) Irrenanstalten, 1903. — (Großbritannien.) Nahrungsmittelkontrolle, 1963. — (England und Wales ) Sterblich⸗ keit ꝛc, 190. — (Niederlande. Rotterdam.) Nahrungsmittel
kontrolle, 1903. — Geschenkliste. — Wochentabelle über die Sterbe⸗ fälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Eckrankungen in Kranken- bäufern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt und Landbezirken. — Witterung. — Beilage: Gerichtliche Entscheidungen auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege (Kurpfuscher, Kur⸗
pfuscherei).
Kunst und Wissenschaft.
v. A. Im Hohenzollern⸗Gewerbehaus stellt Paul Brück neben einer Anzahl von Gemälden und Lithographien die Sriginale zu seinem großen graphischen Werk Symphonie“ das im Groteschen Verlag erschlenen ist, gus. Von Klinger und augen⸗ scheinlich auch von Sascha Schneider in seinem Ideenkreise und feiner Ausdrucksweise beeinflußt, gelingt es Paul Brück doch, eigenes herauszuarbeiten und einen besonderen Klang zu finden, der ihm allein gehört. Der Grundgedanke der Symphonie“ ist ein faustischer, er zeigt uns einen Menschen, der durch alle Tiefen des Lebens hindurchge t und sich schließlich aus aller Verjweiflung und Verlorenheit dennoch in eine ben des Lebens rettet und es wagt, sich trotz alles Dunkels in das z e zu siellen und dies zu genießen. Dem gewaltigen Stoff ist der Künstler
Der Ministerrat hat, dem, W. T. B.“ zufolge! die sofortige Einberufung der Cortes beschlossen.
Ankunft einer , n, nicht ankam, aber nicht alle sind in derselben günstigen Lage. Auch bei der Paketauflieferung
nicht ganz gewachsen. Befonderg da, wo er die Mächte der Finsternis,