ü
gaiserliche Marine.
Offiziere usu. Ernennungen, Beförderungen, Ver— setzun gen usw. Berlin, 11. Februar. v. Hartmann, Baeuer⸗ lein, Lt. zur See von der 1. Marineinsp, Sch moldt, Lt. zur See vom Stabe S. M. Schulschiffs Moltke“, — zu Oberlts. zur See befördert.
Folgende Kapitänlts. erhalten unter Feststellung ihres Dienst— alters in nachstehender Reihenfolge unmittelbar hinter dem Kapitänlt. Becks ein vom Tage der Beförderung zu datierendes Patent ihres Dienstgrades; und zwar: . Lehrer an Bord S. M. Schulschiffes , ., eonhardi, Adjutant bei der 1. Werftdiv., Hil leb rand, Exrster Offizier S. M. kleinen Kreuzers Blitz, Dietert von der 1. Marineinsp. Mock, kommandiert zur Dienstleistung beim Admiralstabe der Marine in Berlin, Witt mann, kommandiert zur Marineakademie, Förtsch, Komp. Führer bei der 3. Matrosenart. Abteil, Schuur, Erster Offizier S. M. Kanonenbootes „Iltis, Witt, Bruns, lommandiert zur Marine⸗ akademie, Hagedorn, Adjutant bei der 1. Matrosendiv, Döhring, kommandiert zur Marineakademie, Krah vom Stabe S. M. Linien⸗ schiffes Wörth“, Heine (Karl) vom Stabe S. M. Linienschiffes „Kaiser Friedrich III., Quaet-Faslem, Lehrer an Bord S. M. Schulschiffes Blücher, Waldeyer vom Stabe S. M. Linienschlffes ‚Kaiser Karl der Große“, Keller vom Stabe S. M. Linienschiffes Kaiser Wilhelm II.“, Piper (Ernst), kommandiert zur Marineakademie, zugleich Adjutant bei der Insp. des Bildungswesens der Marine, Barth, Komp. Führer bei der 4. Matrosenart. Abteil, v. Haxt⸗— bausen, kommandiert zur Marineakademie, Reichardt, Erster Offizier S. M. Spezialschiffes Möwe“, Connemann vom aus— geschifften Landungskorps S. M. Kanonenbootes Habicht“, Buch⸗ holj vom Stabe S. M. Linienschiffes ‚„Kaiser Wilhelm der Große“, Tietgens von der 1. Marineinsp, Walter, Kommandant S. M. Torpedoboots Takun, Bendem ann, Erster Qffizier S. M. kleinen Kreuzers „Falke, Cölle, Erster Offizier S. M. Kanonenboots Tigers, Schrader vom Stabe S. M. Linienschiffs „Elsaß“, Wirth, kommandiert zur Marineakademie, v. Eg idy (Ferdinand), Lehrer an Bord S. M. Schulschiffs „Blücher“, Frhr. v. Ledebur von der Werft zu Danzig, Dombrowsky, Komp. Führer, zugleich Lehrer bei der Deckoffizierschule Böcker von der 1. Marineinsp, Cleve, Navigationzoffizier S. M. kleinen Kreuzers Bremen“, v. Gaudecker von der 1. Mgrineinsp, Zuckschwerdt vom Stabe S. M. großen Kreuzers „Prinz Heinrich, Gruen—⸗ hagen, kommandiert zur Marineakademie, Hevne (Adolf), kom— mandiert zur Dienstleistung beim Gouvernement Kiautschou, Bolon⸗ garo vom Stabe S. M. Linienschiffes Wittelsbach. Dr. Prieur, Marineoberassist. Arzt, ohne Gehalt beurlaubt. Dr. Dentler, Marineassist. Arzt von der Marinestation der Nordsee, — scheiden auf ihre Gesuche aus dem aktiven Marinesanitätskorps aus und treten zu den Marinesanitätsoffizieren der Res. über.
Stellenbesetzungen für das Frühjahr 1905. Schröder (Eudwig), Kapitän zur See, beauftragt mit Wahrnehmung der Geschäfte des Chefs der Kreuzerdiv., zugleich Commandant S. M. großen Kreuters Vineta“, von dieser Stellung enthoben; weitere Verwendung bleibt vorbehalten. Derzewski, Kapitän zur See vom Reichs marineamt, zum Kommandanten S.. M. Linienschiffes Hessen! ernannt unter
, zur Marinestation der Nordsee. Rampold, Kapitän zur See, kommandiert zur Information beim Reichsmarineamt bezw. Admiralstabe der Marine in Berlin, zum Marineattachs bei den Botschaften zu Rom und Wien mit dem Wohnsitz in Rom ernannt unter Versetzung nach Berlin.
Preußischer Landtag. Herrenhaus. 30. Sitzung vom 15. Februar 1905, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Der Präsident Fürst zu Inn- und Knyphausen er— öffnet die Sitzung und teilt mit, das Präsidium habe Ver— anlassung genommen, Seiner Majestät dem Kaiser und König namens des Herrenhauses zu Neujahr und am Geburtstag die Glückwünsche des Herrenhauses zu überbringen, und er dürfe den Herren den Dank Seiner Mi ckiᷣ direkt übermitteln.
Neu berufen sind: Graf Arthur zu Eulenburg, von Brand, Oberbürgermeister von Bruchhausen, Graf von der Schulenburg-Wolfsburg, von Quistorp, Graf Grothe und Graf von dem Bussche⸗Ippenburg. Dem Geschlechte derer von Bülow ist das Präsentationsrecht ver⸗ liehen worden.
Graf zu Eulenburg-Gallingen und von Brand sind im Januar verstorben, ohne in das Haus eingetreten zu sein. Außerdem hat das Haus durch den Tod verloren die Mitglieder Fürst Anton Radziwill, von Puttkamer, Professor Intze, Oberbürgermeister Giese⸗Altong, Graf von Moltke und Graf Anton zu Stolberg-Wernigerode. Das Haus ehrt das Andenken der Verstorbenen durch Erheben von den Sitzen.
Auf der Tagesordnung stehen die Wahl eines Schrift⸗ führers an Stelle des verstorbenen Mitgliedes Dr. Giese und der Kommissionsbericht über den Entwurf eines Ge— setzes, betreffend die Beteiligung des Staats an der Bergwerksgesellschaft Hiberniag zu Herne.
Auf Vorschlag des Grafen von Schlieben wird Ober⸗ bürgermeister Veltman-Aachen durch Zuruf zum Schrift— führer gewählt.
Den Bericht der XV. Kommission über den vom andern Hause unverändert angenommenen Gesetzentwurf, betreffend die Beteiligung des Staats an der Bergwerksgesellschaft Hibernia zu Herne, erstattet der Geheime Kommerzienrat Meyer. Die Kommission hat die Vorlage ebenfalls unver— ändert angenommen und außerdem folgende Resolution vor— geschlagen:
die Regierung zu ersuchen, das Mehrerträgnis aus den Dividenden der vom Staat erworbenen Aktien der Bergwerksgesellschaft Hibernia über die zur Verzinsung der entsprechend ausgegeßrenen Staatsschuld— verschreibungen oder Schatzanweisungen erforderlichen Beträge zur Amortisation dieser Schuldverschreibungen oder Sckatzanweisungen zu verwenden, und zwar über das gesetzliche Mindestmaß von Po / der jeweiligen Staatekapitalschuld hinaus.“
Die drei eingegangenen Petitionen sollen durch die Beschlußfassung über die Vorlage für erledigt erklärt werden.
Nach § 1 der Vorlage wird die Regierung ermächtigt, von der Dresdner Bank zu Berlin Hiberniaaktien im Nominal— betrage von 27 552 800 6 zu erwerben und zu diesem Zwecke einen Betrag his zu 691, Millionen zu verwenden. S 2 er⸗ mächtigt den Finanzminister, Staatsschuldverschreibungen oder Schatzanweisungen in dem erforderlichen Betrage zu verwenden; im übrigen wird in § 3 die Ausführung des Gesetzes dem Finanz⸗ und dem Handelsminister übertragen.
In der Generaldiskussion ergreift zunächst das Wort
Professor Dr. Schmoller: Meine politischen Freunde werden
nicht der Ansicht, daß es in diesem Hause nach den langen De—⸗ batten des anderen Hauses angezeigt sei, noch einmal auf die Gründe pro und contra einzugehen und noch weniger etwa die vorbereitenden Schritte der Staatsregierung unter die Lupe zu nehmen, ob man vielleicht in diesem oder jenem Punkt etwas anders hätte operieren können. Wir stellen uns einfach 9 den Standpunkt, daß, wenn so große Kapitalsmächte sich bilden, wie gegenwärtig im Kohlenbergbau, es dann wünschenswert sei, daß in den Händen der Regierung ein erheblicher Kohlenbesitz sei, um eventuell dem Kohlensyndikat beitretend oder danebenstehend, aber jedenfalls einen erheblichen Einfluß auf den Produktionsmarkt und die Preise ausüben zu können. In einem anderen, analogen Falle ist man ähnlich verfahren. Bei der großen Entwickelung des privaten Bankwesens hat sich die Notwendigkeit herausgestellt, daß die Staatsregierung die eine oder andere große Bank an der Hand oder in ihrem Besitze haben müsse, um den privaten Mächten der Börse irgend wie einmal entgegenwirken zu können. Ein solches ist auch hier in bezug auf den Kohlenbergbau notwendig ge— worden. Nicht als ob nicht auch wir vollständig anerkennten, daß das Rheinisch ⸗westfälische Kohlensyndikat von 1891 bis 1900 richtig operiert und segensreich gewirkt hätte, nicht als ob wir verkannt hätten, daß in der Leitung dieses Kohlensyndikats sich eine Leitung geltend gemacht hätte, die nicht bloß auf den Privatgewinn, sondern auch auf das allgemeine Staatswohl Rücksicht nimmt. Ich möchte hier aussprechen, daß ich auf Grund meiner Teilnahme an der Kartellenquete Herrn Kirdorf das Zeugnis nicht versagen kann, daß er nicht bloß ein kaufmännisches Genie, sondern auch ein Mann von großen politischen und staatsmännischen Gesichtspunkten ist. Aber derartige Persönlichkeiten in der Leitung solcher ganz großen Geschäftsorganisationen sind doch sehr selten, und vor allen Bingen sind sie niemals sicher, die Majorität zu beherrschen. Gerade derartige Leute werden sehr leicht überstimmt von der Majorität der gewöhnlichen Geschäftsleute. Diese sagen: Geschäft ist Geschäft, wir müssen nur den kaufmännischen Standpunkt innehalten. Diese ganz großen Organisationen müssen aber im Interesse des Gemein wohls und des Vaterlandes in erster Linie gelenkt werden. Das ist nur möglich durch eine Verstärkung solcher Potenzen, wie sie im rheinischen fiskalischen Bergbau vorhanden sind. Dann haben wir einen Einfluß ,, Was die Kartelle betrifft, so geht aus den Untersuchungen von 1892 das folgende bervor: Das Kalikartell hatte eine musterhafte Leitung, weil ein Vertreter des preußischen und des anhaltischen Fiskus in der Leitung saß und, ohne jemals sich einzumischen, nur durch ihre persönliche Anwesenheit so mäßigend auf das Gremium wirkten, daß dadurch die Leitung ganz ausgezeichnet war. Derartiges wird in Zukunft gewiß auch in unferer Kohlenindustrie eintreten. Der Staat hat große eigene Felder, und zwischen diesen großen Feldern liegt die Hibernia, die er jetzt erwerben will. Ich bin überzeugt, er wird sie über kurz oder lang erwerben. Vun sagt man ja teilweise, dag wird der Trotztrust verhindern. Ich meine, die Dinge werden nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht sind. Die ganze Agitation der Hibernia und des Kohlensyndikats war nach meiner Empfindung und der meiner Fraktion etwas kurz— sichtigt und aus einer momentanen Verstimmung hervorgegangen. Noch ein Wort darüber, ob eine Gefahr der Verstaatlichung vorliegt. Nach meiner Ueberzeugung treibt niemand mehr Agitation für die gesamte Verstaatlichung des preußischen Kohlenbergbaues, als wer eine so kleine Korrektur, wie sie hier vorgeschlagen wird, entrüstet abweist. Gewiß gibt es auch andere Mittel dagegen, z. B. ein beschtänkendes Syndikats⸗ und , Es würde aber vielleicht Jahre dauern, ehe wir es bekommen. Und wenn wir es bekommen, dann wird man vielleicht, wie in Amerika die großen gewandten Geschäftsherren, sagen: durch dieses Gesetz fahren wir mit 4 Pferden durch. Deshalb ist es richtiger, auf diesem Wege dem Gesamtinteresse eine Vertretung oder einen Einfluß zu schaffen. Ob nun der Staat in das Syndikat eintritt oder nicht, sei dahingestellt. Der Handels minister muß das besser verstehen, und er wird prüfen, ob dazu die Zeit gekommen ist. und ob es überhaupt notwendig ist. Wir bitten ihn nur, hier noch einmal auszusprechen, daß die Staatsregierung nicht an eine allgemeine Verstaatlichung des Kohlenbergbaues in Rheinland ⸗Westfalen denkt.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat provoziert auf eine Er— klärung meinerseits, daß ich eine allgemeine Verstaatlichung des Kohlenbergbaues im Ruhrrevier nicht in die Wege leiten wolle. J darf mich da wohl beziehen auf meine Ausführungen im andern Hause und vor allem auf die Ausführungen, die mein Nachbar, der Herr Finanzminister, in sehr eingehender Weise in der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses gemacht hat.
Danach sind wir beide vollständig überzeugt, daß es im höchsten Grade fehlerhaft sein würde, wenn wir daran denken würden, den gesamten Kohlenbergbau zu verstaatlichen. Wir erkennen beide an, daß die Privatinitiative auf diesem Gebiete unendlich Großes in unserm Vaterlande geschaffen hat und daß es sehr falsch sein würde, wenn wir diese Privatinitiative weiterhin ausschalten wollten.
Weiterhin sind wir beide der Meinung, daß wir nicht die Ver— antwortung übernehmen können für die Preisbildung der Kohle, dieses Brotes der Industrie für unser ganzes Vaterland; denn darüber muß man sich klar sein: die Preisbildung der Kohle im Rheinlande und Westfalen ist bestimmend nicht nur für unser ganzes deutsches Vater land, sondern darüber hinaus für den europäischen Kontinent, inso⸗ weit er nicht an den Küsten von der englischen Preigbildung beein— flußt wird. Eine solche Verantwortung würde ungemein schwer zu tragen sein, es würde eine Verantwortung auf die Regierung gelegt, die sie schwer übernehmen könnte. Und, meine Herren, wir wünschen vor allen Dingen, daß auch weiterhin durch die Privaten eine Weiter- entwickelung der Kohlenindustrie erfolgen wird.
Noch ein dritter Grund ist für uns der gewesen, daß wir dadurch, daß wir den gesamten Steinkohlenbergbau verstaatlichen, der Arbeiter⸗ schaft gegenüber in eine Situation kommen würden, die auch im höchsten Grade verantwortungspoll wäre und die nicht ausschließen würde, daß die staatliche Autorität häufig vor schwere Konflikte gestellt würde.
Alles in allem genommen, sind nicht nur der Herr Finanzminister und ich, sondern das gesamte Staatsministerium der Meinung gewesen, daß wir lediglich diesen Schritt der Verstaat⸗ lichung der Hibernia tun sollten, um denjenigen Einfluß zu ge— winnen, den Herr Professor Schmoller in sehr vortrefflicher Weise eben gekennzeichnet hat. Wir bitten, daß Sie diesen unsern ersten Schritt, wenn es jetzt auch nur ein halber Schritt ist, gutheißen, und dadurch gutheißen, daß wir suchen, mit der Hibernia auf das Syndikat einen Einfluß auszuüben, der, wie ich fest überzeugt bin, ein ebenso beruhigender sein wird, als er es seither im Kalisyndikat gewesen ist. (Bravo
Dr. Freiherr von Schorlemer: Auch ich bin der Meinung, daß nach der ausführlichen Besprechung der Vorlage im andern Hause es in diesem Augenblick zwecklos und zeitraubend sein würde, nochmals zu erörtern, ob der Ankauf der Attien billiger und auf andere Art hätte erfolgen können. Wir haben unter allen Umständen mit der Tatsache zu rechnen, daß jetzt nur die Annahme der Vorlage der Re— gierung die Möglichkeit gewähren kann, einen schwachen Anfang mit dem Versuche zu machen, auf Kohlenförderung und Kohlenpreisbildung
einstimmig für die Vorlage eintreten. Unsere Fraktion war
hen maßgebenden Einfluß zu gewinnen. Die Ereignisse der e Jahre haben die Ueberzeugung weithin befestigt, daß ein solcher
staatlicher Einfluß nicht mehr entbehrt werden kann. Ich denke dabei nicht an den letzten Bergarbelterausstand und seine Ursache. Da wird man erst die Ergebnisse der Untersuchun über die sogenannten Mißstände abzuwarten haben; aber na
den bisherigen ö kann man schon heute sagen, da
die vorhandenen ißstände einen . Ausstand in so all⸗ gemeinem Umfang nicht gerechtfertigt haben, und daß es weithin un⸗ angenehm empfunden ist, daß bei diesem Ausstande mit den Sozial⸗ demokraten Arm in Arm die sogenannten christlichen Gewerkschaften gegangen sind. Inzwischen ist die Arbeit fast durchweg wieder auf⸗ enommen; die Arbeiter können zur Gesetzgebung und zu diesem ohen Hause das Vertrauen haben, daß den berechtigten Ansprüchen Unterstuͤtzung gewährt und den unberechtigten mit aller Entschiedenheit entgegengetreten wird. Die Gründung und der Geschäftsbetrieb des
Kohlensyndikats, seines Kohlenkontors und der übrigen Syndikate,
die mit ihm in Verbindung stehen, war eine geschäftliche Not⸗ wendigkeit und bei richtiger Leitung auch der Allgemeinheit nützlich. Aber die Kohle ist ein unentbehrliches Hilfsmittel nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Landwirtschaft und die ge⸗ samte öffentliche Wirtschaft. Das Recht auf die Bodenschäͤtze kann nicht einer wüsten Spekulation ausgeantwortet werden. Diese Gesichtspunkte muß auch das Kehlensyndikat im Auge behalten; es sind dieselben Gesichtspunkte, welche auch den Staat nötigen zu einem eventuellen gesetzgeberischen Eingreifen, wenn die Interessen der Allgemeinheit bedroht und verletzt erscheinen. Nicht das Stillegen der Zechen mit seinen nachteiligen Folgen habe ich dabei besonders im Auge, sondern die Erwägung, daß wir als Kohlenkonsumenten zur Zelt den dreifachen Preis von 1387 zu zahlen haben, und daß wir einer Verbindung gegenüberstehen, welche den Preis mehr und mehr zu monopolisteren im Begriffe steht. Das sind Zu— stände, welche dahin führen können, daß vielfach eine Verstaat—⸗ lichung für erwünschter, für das kleinere Uebel angesehen wird. Dennoch möchte ich mich entschieden gegen die Verstaatlichung aus sprechen, weil ich die Hoffnung nicht aufgebe, daß auch das Syndikat sich mehr wie bisher bewußt werden wird, daß die privaten und Sonderinteressen denen der Allgemeinheit untergeordnet werden müssen. Darum wünsche ich das Eingreifen des Staats so weit, daß er einigermaßen bestimmend auch bei der Preisfestsetzung mitwirken kann. Der Fiskus förderte 1903 16 Millionen Tonnen gegenüber einer Gesamtförderung von 106 Millionen; damit ist kein ausschlag⸗ gebender Einfluß möglich. Trotzdem empfehle ich die Annahme der Vorlage in der Erwartung, daß die Regierung auf dem betretenen Wege voranschreiten und nicht eher stillstehen wird, bis sie den von uns als notwendig erkannten Einfluß gewinnen wird.
Graf von Mirbach; Ueber den Vorgängen bis zur Ausarbeitun der Vorlage hat keine glückliche Hand geschwebt. Ich will nur au den Punkt der Begründung hinweisen, daß die Provision für die Dresdner Bank recht hoch bemessen werden mußte, wegen des Risikos der Bank im Falle der Ablehnung der Vorlage durch das Parlament. Dieses Risiko war bei der inn, ,. des Abgeordnetenhauses gleich Null. Ebenso lag in der Person des Ministers keine Schwierigkeit Der Mil fer hat zwar als Reichstagsabgeordneter eine andere Stellung zu der Frage eingenommen, aber danach haben die Konservativen nie einen Minister beurteilt. Auch wir haben durchaus nicht den Wunsch nach einer Verstaatlichung des gesamten Bergbaues, Der staatliche Betrieb ist immer schwerfaͤlliger, schematischer, bureaukratischer als der private, wie man auch bei unseren Eisenbahnen genugsam konstatieren kann. Bei der gegenwärtigen Situation aber ist es unbedingt notwendig, den Staat in die Lage zu setzen, für den Betrieb seiner Eisenbahnen sich seine Kohlen selbst zu beschaffen. Die Gefahren der letzten Tage haben einen ganz besonderen Eindruck nach dieser Richtung machen müssen. Der Staat muß etwas mehr . auf das Kohlensyndikat nehmen, einen tieferen und besseren Einbli in dessen Produktionszverhältnisse gewinnen. Die Vorgänge der letzten Zeit mahnen energisch dazu. Die Aufsichtsorgane des Staats mußten rechtzeitig eingreifen und nicht warten, bis der Streik ausbrach, wenn die erhobenen Beschwerden gerechtfertigt waren. Nach meiner Ueberzeugung liegt die Sache aber so, daß dieser Kontrakt⸗ bruch von Hunderttausenden wesentlich hervorgerufen worden ist durch die Agitation der Sozialdemokraten. Kommt nun die, Regierung jetzt mit einer Revision des Berggesetzes, so frage ich: Ist der Augenblick richtig gewählt? Liegt darin nicht die Möglichkeit einer Stärkung der sozialdemokratischen Agitation? Ich enthalte mich jeder weiteren Andeutung; ich empfehle Ihnen die Annahme des Gesetzes.
Damit schließt die Generaldiskussion. Ohne Debatte wird die Vorlage in ihren einzelnen Teilen und sodann im ganzen angenommen. Ebenso gelangen die Resolution und der Kom⸗ missionsantrag wegen der Petitionen zur Annahme.
ierauf berichtet Graf zu Hoensbroech namens der XV. Kommission über die Petition von H. Cramer in Steele und anderen um staatlichen Ankauf und Betrieb kleinerer Zechen im Ruhrkohlengebiet. Die Petition ist durch die Still⸗ legung gewisser Zechen verursacht worden.
Der Berichterstatter beantragt, die Petition der Regierung als Material zu überweisen. Da eine andere Fassung des 65 des Berggesetzes die Handhabe bieten werde, den hervorgetretenen schweren Unzuträglichkeiten ein Ende zu machen, von dem Minister aber eine entsprechende Novelle bereits für die allernächste Zeit angekündigt sei, empfehle sich die Ueberweisung als Material.
Ohne Debatte beschließt das Haus demgemäß.
Zum Schluß erstattet Oberbürgermeister Jähne⸗ Potsdam den mündlichen Bericht der Etats. und Finanzkommissson über die Petition des Zentralverbandes deutscher Zigarren. und Tabakladeninhaber in . um Besteuerung der Konsumvereine und um Ver— bot der Annghine von Stellungen in Vereinen und Genossenschaften seitens der Staats. und Komm ünalbeamten.
Die Kommission hat die Petition, obwohl sie von Nichtpreußen herrührt, einer Beratung unterworfen und beantragt, sie bezüglich des ersten Teiles der Regierung als Material zu überweisen, im übrigen aber darüber zur Tagesordnung überzugehen.
Der Zentralverband deutscher Gewerbetreibenden in Leipzig hat sich gleichfalls an das Herrenhaus gewendet mit einer Petition, die denselben Gegenstand betrifft, wie der r, Teil der vorerwähnten Petition. Der Referent stellt ezüglich der Leipziger Petition den gleichen Antrag wie zu dem zweiten Teil der Hamburger Petition.
Ohne Diskussion tritt das Haus den Kommissionsvor— schlägen bei.
Damit ist die Tagesordnung erledigt.
Schluß 3/ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. (Vereidigung eines neuen Mitgliedes; Petitionen; Oder⸗ regulierungsgesetz; allgemeine Diskussion über die Kanalvorlage.)
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
M 41.
x O :
Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger
Berlin, Donnerstag, den 16. Fehruar
1905.
Haus der Abgeordneten. 140. Sitzung vom 15. Februar 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt die zweite Beratung des Staatshaus— nungsjahr 1905 im Etat
haltsetats für das Rech des Ministeriums des Innern und zwar bei dem Titel „Gehalt des Ministers“ fort.
Abg. von Bülow-Homburg (ul) bittet die Regierung, auf die Aenderung der ngssauischen Landgemeindeordnung dahin Bedacht zu nehmen, daß die Landgemeinden mit mehr als 1300 Einwohnern ge— halten sein sollen, Gehalt und Pension ihrer Bürgermeister den gesteigerien Anforderungen entsprechend zu erhöhen. Im vorigen Jahre seien seitenz der Regierung Er ebungen über den Umfang der Belastung dieser Beamten, namentlich auch durch die ortspolizeilichen Geschäfte a lag worden; über das Ergebnis habe man aber bisher nichts erfahren. ;
Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:
Meine Herren! Die Bürgermeister in Nassau sind dasselbe, was die Ortsvorsteher in den anderen Gemeinden sind; nur steht ihnen außerdem, abweichend von den anderen Gemeinden, auch die Orts⸗ polizei zu. Es ist das nach meiner Auffassung ein Vorzug und eine weitere Ausbildung der Selbstverwaltung, die ja in diesem hohen Hause gewünscht wird. Sie unterscheiden sich also von den Amts— vorstehern der östlichen Landesteile und von den Amtmännern und Bürgermeistern der westlichen Landesteile dadurch, daß ein jeder nassauische Bürgermeister nur für eine Gemeinde bestellt und auf Grund der Gemeindeordnung von der Gemeinde erwählt und bestätigt ist. Nun ist es ja natürlich, daß diesen Bürgermeistern dadurch, daß ihnen auch die Ortspolizei zusteht, eine größere Anzahl von Geschäften erwächst, als den Gemeindevorstehern in den anderen Landesteilen, und die Ausdehnung des Verkehrs, die Entwickelung der sozialen Ge— setzgebung hat dahin geführt, daß in der Tat einzelne dieser Bůrger⸗ meister überlastet sind. Auf die Anregung des Herrn Vorredners im vorigen Jahre sind Erhebungen darüber in der Provinz Hessen⸗ Nassau angestellt worden, und die mir darauf erstatteten Berichte gehen darauf hinaus, daß seitens der Regierung das Bestreben herrscht, das Schreibwerk so viel wie irgend möglich zu verringern und diese Beamten nicht mit Sachen zu belasten, die auch von anderen Be— hörden wahrgenommen werden können. Demgegenüber steht aber das für diese Beamten und die Gemeinden sehr wertvolle Recht der eigenen Polizei, und dieses Recht muß ihnen doch unter allen Um— ständen gewahrt bleiben.
Wenn nun versucht wird, eine Minderbelastung durch tunliche Beseitigung des Schreibwerks herbeizuführen, so wird auf der anderen Seite von dem Herrn Abgeordneten gewünscht, durch Gesetz die Gemeinden oder, wenn ich recht verstanden habe, wenigstens die Gemeinden mit mehr als 1200 Seelen, zu zwingen, diesen Bürger— meistern auch angemessene Gehälter und Pensionen zu gewähren. Bei Erlaß des Kommunalabgabengesetzes ist die Frage eingehend erörtert worden, ob es gerechtfertigt und notwendig sei, durch einen gesetz. lichen Zwang die Gemeinden zu veranlassen, ihren Vorstehern auch angemessene Gehälter und Pensionen zu bewilligen, und damals ist die Frage als ein zu großer Eingriff in das Selbstbestimmungs— recht abgelehnt worden. Wenn man nun hier für eine Provinz eine Ausnahme machen wollte, so würde das, glaube ich, ein Eingriff in die Gemeinderechte sein, vor dem man sich hüten muß, und der jedenfalls nicht gemacht werden kann, bevor die ganze Angelegenheit, sehr gründlich geprüft ist. Ich fürchte, daß die Anregung in den Gemeinden Nassaus selbst nicht die freundliche Aufnahme finden wird, aus der die Anregung des Herrn Vorredners entsprungen ist. Ich glaube, man soll die Verhältnisse, wie sie sich dort historisch entwickelt haben, sich auch weiter historisch fortentwickeln lassen; aber ich kann zusagen, daß seitens der Regierung alles mögliche getan wird, um diese Beamten nicht mit Schreibwerk und Berichten zu behelligen, wo dies nicht absolut notwendig ist.
Abg. Gamp (reikons.): Ich möchte den Minister bitten, auch auf die Entlastung der Amtsvorsteher bedacht zu sein. Zusagen sind uns in dieser Beziehung wiederholt gemacht worden, aber es ist davon noch nichts zu merken. Es muß einmal gründliche Abhilfe geschaffen werden. Unsere Amtsvorsteher sind über das Maß ihrer Leistungs⸗ fähigkeit in Anspruch genommen, und jwar auch für Zwecke, für welche sie gar nicht bestimmt sind. Der Minister sollte eine Kom— mission von Ministerialkommissaren einsetzen, welche prüft, inwieweit die Ministerien selbst an dieser Ueberlastung der unteren Organe schuld sind. Manche Erlasse von verschiedenen Ministerien könnten zusammen⸗ gefaßt werden, weil sie denselben Zweck verfolgen. Die sogenannten „Zeitungsberichte“! können fortfallen in einer Zeit der Telephone und Telegraphen, wo jeder selbst aus den Zeitungen alles erfährt. Es wird damit ganz unnütze Arbeit geleistet. Wo z. B. infolge der Dürre Wassermangel eintritt, berichten die Gemeinden an die Amtsvorsteher, diese an den Landrat, dieser an den Regierungs— präsidenten usw. Darüber erfahren die betreffenden Stellen aus den Zeitungen alles, und eine einzige Anzeige im „Reichsanzeiger“
würde genügen. Wenn die Kreisärzte an die Gemeinden An— forderungen stellen, sollten die Verwaltungsbehörden verpflichtet sein, selbst ju prüfen, ob die Anforderungen berechtigt sind. Wenn man die Frage erst einmal gründlich prüft, wird es durch eine Ver— ständigung unter den Ressorts wohl möglich sein, das Schreib— werk der Landräte und Amtsvorsteher bedeutend einzuschränken. Herr Fischbeck verlangt für das preußische , . das Reichstags⸗ wahlrecht. Ich möchte Herrn Fischbeck vorschlagen, das Reichstags—= wahlrecht zunächst für die Berliner Stadtverordnetenversammlung einzuführen. Sie müssen doch konseguent sein; wenn das Ihr Programm ist, müssen Sie es auch für die Kommunen und speziell für Berlin eintreten lu hej Sie werden sich aber natürlich hüten. Die Liberalen in Berlin werden dabei zu Grunde ehen. Wenn dieses Wahlrecht in Berlin sich bewährt und in zehn ahren die Liberalen in der Stadtverordnetenversammlung noch wie heute sitzen, dann lasse sich weiter darüber reden. Herr Broemel kämpft für die Städte; aber das platte Land hat hier eine Vertretung viel nötiger als die Städte. Das Wahlrecht des Landes darf nicht verkümmert werden. Vom Koalitionsrecht hat Herr von Zedlitz gar nicht gesprochen. Aber ich persönlich halte einen wirkungsvollen Schutz der Arbeits willigen für durchaus bhe⸗ rechtigt. Graf von Posadowsky meinte, es seien „unerhebliche
Belästigungen der Arbeitswilligen“?“. Aber jedes menschliche Gefühl, spricht dafür, einen Arbeitswilligen zu schützen. ch soll sich in die Seele eines Arbeiters hineindenken, der feine Familie zu ernähren hat, der vielleicht Krankheit im Haufe hat, wenn er in dieser Weise beschimpft und durch Verhetzung und Drohung don der Arheit abgehalten wird. Das ist geradezu eine gemeine Handlungsweise, gegen die gerichtlicher Schutz geboten ist. Die unreifen Jungen, „Die immer schuld an der großen Ausdehnung der Streiks sind, müssen wir von Vereinen und Versammlungen fern⸗ halten. Für die Teilnahme an den staatswissenschaftlichen Kurfen möchte ich bei, dem Minister höhere Ünterstützung für die ver— heirateten Landräte und Regierungsbeamten erbitten. An den staatẽ⸗ wissenschaftlichen Kursen haben zu meiner Freude nicht nur Ver⸗ waltungsbeamte und Richter, sondern auch Fabrikleiter und sogar zwei Vertreter der Presse teilgenommen. Die Regierungsassessoren sollen nach acht Jahren etatsmäßig angestellt werden, es war dat auch eine Zeitlang erreicht. Jetzt aber hat sich die Anstellung so verschoben, daß sie zwar nach acht Jahren Regierungsräte werden, aber auf die etatsmäßige Anstellung noch zwei, drei Jahre länger warten müssen. Im übrigen möchte ich Herrn Fischbeck nur fragen, wie er sich das denkt, daß das Parlament und die höchste Stelle die Minister ernennen sollen. Was die Freisinnigen wollen, ist nur auf dem Wege der parlamentarischen Regierung zu erreichen, die wir nicht haben. Würden bei uns die Minister vom Parlament ernannt, fo würden sie 2 noch konservativer und zentrumsfreundlicher sein. Wenn Herr von Zedlitz eine Eloge verdiente von Herrn Fisch— beck, durfte er nachher diese Ausführungen nicht fo charakterisieren, wie er es getan hat. Was Herr von Zedlitz sagte, hat den Empfindungen weiter konservativer Kreise f er che, die es nicht gleichgültig hin— nehmen können, wenn der Minister heute ein Programm und morgen das entgegengesetzte durchführt. Und wenn die Linke jetzt annähernd dieselben Empfindungen hat, so kann uns das nur angenehm berühren. Herr Friedberg sagt, der Ministerpräsident sei der primus inter Fares; das ist durchaus nicht der Fall. Er leitet die ganze Politik. Die gegenwärtige Kollegialperfassung des Ministeriums wird besonders durch die große Menge der Minister ohne Portefeuille charakterisiert, wie die Herren von Tirpitz, Graf von Posadowsky, von Einem, wozu. man noch Herrn von Budde als Chef der Reichs eisenbahnen und Herrn von Podbielski als General hinzurechnen kann, die allesamt nicht vom Ministerpraͤsidenten abhängig find. Ich weiß leider keinen Ausweg anzugeben, wie dieser Zustand durch einen besseren zu ersetzen wäre. Der Redner kommt dann auf daß Automobilwesen zu sprechen und tadelt besonders den Unfug, daß ganz unerfahrene Leute die Automobile führen. Ich habe felbst einmal einen Schutzmann auf ein zu schnell fahrendes Automobil aufmerksam gemacht, aber er wollte nichts gesehen haben. Die Automobile sollen nicht, schneller fahren als ein gut trabendes Pferd. Tat— sächlich wird diese r, durchweg bedeutend überschritten. Wie viele Falle von estrafungen sind in den letzten Jahren für zu schnelles Fahren der Automobile vor— gekommen? Es muß nicht nur gegen den Fahrer, sondern auch gegen den Besitzer als den Hauptschuldigen eingeschritten werden. Wenn 'ich Minister wäre, würde ich die Herren mindestens mit zwei Jahren Ge fängnis wegen solchen Automobilunfugs bestrafen. Man sieht belgische, holländische und französische Automobilisten bei uns ohne Rücksicht dahinrasen. Unsere Chausseen sind vielfach gar nicht breit genug, um zu gestatten, daß ein Automobil an einem Fuhrwerk vorbei kann. Es wider spricht allem gesunden Menschenverstand, daß, wenn ein Automobll die Pferde eines anderen Fuhrwerks zum Scheuen bringt und dadurch Unglück entsteht, dann der Fuhrwerksbesitzer, aber nicht der Automobil besitzer haftbar ist.
Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:
Meine Herren! Der Herr Abgeordnete hat zunächst eine Statisti der Bestrafungen gewünscht, welchen Führer von Automobilen im Gegensatz zu sonstigen Führern vom Fuhrwerken, von Droschken, hier in Berlin im letzten Jahre unterzogen sind. Ich bedauere, daß ich eine solche Statistik nicht liefern kann; sie ist nicht zusammengestellt, und es wird auch in der Eile nicht möglich sein, sie zusammenzustellen. Dagegen gibt Ihnen die Nachweisung, die dem Bericht der Budget kommission über meinen Etat beigefügt ist, eine interessante Zu— sammenstellung über diejenigen Unfälle, die durch Kraftfahrzeuge und im Gegensatz zu den anderen Fahrzeugen hier in Berlin im letzten Jahre sich ereignet haben. Die durch Kraftfahrzeuge verursachten Unfälle sind auf Seite 12 des Berichts neben die Gesamtzahl der Unfälle in Klammern gesetzt, und wenn ich da zunächst selbstverständlich die Straßenbahnen vollständig ausschalte und nur die anderen Fuhr— werke aller Art in Betracht ziehe, so haben sich im vorigen Jahre 54 Todesfälle ergeben, von denen 4 durch Kraftfahrzeuge veranlaßt sind, in einem Falle durch ein Frachtfuhrwerk, in zwei Fällen durch eine Automobildroschke, in einem vierten Fall durch ein sonstiges Fuhr— werk, voraussichtlich ein Wagen, der für irgend ein Geschäft fährt. Die Zahl der Schwerverletzten war 467, wovon nur 12 durch Kraft— fahrzeuge verursacht sind. Die Zahl der Leichtverletzten betrug 1627, von denen nur Hl den Unfall den Kraftfahrzeugen zuzuschreiben hatten. Meine Herren, ich bitte daraus zu entnehmen, daß diese Unfall— stalistik nicht gerade so schrecklich ist (sehr richtig), daß unter der großen Zahl der Unfälle die Unfälle durch Kraftfahrzeuge nicht nur nicht hervorragen, sondern einen viel geringeren Teil einnehmen, als im Publikum oft geglaubt wird. Selbstverständlich wird das weder die Führer der Automobile noch die Polizei verhindern, ihre Fürsorge darauf zu richten, daß diese Unfälle sich nicht vermehren, sondern sich immermehr verringern. Wie ich aber in der Budgetkommission schon ausgeführt habe, sind die Automobile aus unserem heutigen. Verkehrsleben an und für sich nicht mehr zu entfernen' wir müssen mit den Automobilen leben, die Automobile müssen er⸗ zogen werden, sich in den Verkehr so einzuordnen, daß sie nicht eine Gemeingefahr für das Publikum bilden. Meine Herren, der Herr Abgeordnete hat dann bemängelt, daß noch heute eine Fahrschule für die Droschkenführer in Berlin nicht besteht. Die Verhandlungen darüber schweben seit mehreren Jahren. (Zuruf: Seit zehn Jahren) Es ist aber zweifelhaft, ob eine solche Fahrschule polizeilicherseits eingerichtet werden kann, ob ein Zwang ausgeübt werden kann, daß nur der- jenige zur Führung einer Droschke für berechtigt erkannt werden kann, der eine solche Schule besucht hat. Es wird sich voraussichtlich immer nur um ein Privatunternehmen, welches von der Polizei unterstützt und gefördert wird, handeln können, nicht aber um eine obligatorische Einrichtung. Ich möchte nur bemerken, daß auch heute kein Fahrer einer Droschke zugelassen wird, wenn er nicht
nachweist, daß er in gewissem Grade es versteht, einen Wagen zu
leiten. Ich bedauere es aufrichtig, daß, wie der Herr Abgeordnete ganz richtig hervorgehoben hat, die Fahrkunst bei uns gegen die in England außerordentlich zurücksteht. Das liegt aber zum Teil, meine Herren, an unserem Volkscharakter, gerade auch an dem Volks charakter, wie er sich hier in Berlin Luft macht, daß man gewohnt ist immer zunãchst zu reden und zu schelten, aber weniger zu tun. Sehr richtig ) Gerade bei unseren Droschkenkutschern macht sich das sehr übel bemerkbar. Auch hier ist Aufgabe der Polizei, durch scharfe Beaufsichtigung des Droschkenwesen Wandel zu schaffen.
Der Herr Abgeordnete und auch andere Abgeordnete vor ihm sind dann bezüglich des Ministergehalts, das hier in Frage steht, nicht ein⸗ gegangen auf die Frage, ob nun das Gehalt bewilligt werden soll oder nicht — (Zuruf: ja) — ich hoffe auch das erstere —, sondern haben sich mehr mit der Stellung des Ministers in dem Staats— organismus beschaftigt. Ich brauchte auf alle diese Bemerkungen eigentlich gar nichts zu erwidern. Ich möchte nur dem letzteren Herrn Vorredner gegenüber bemerken, daß ihm wohl kaum jemals ein Staateministerialprotokoll zu Gesicht gekommen sein muß; denn sonst würde er sehen, mit welcher Gründlichkeit und wie eingehend die all⸗ gemein interessierenden Fragen gerade auch im Staatsministerilum be⸗ handelt werden und wie die Behandlung im Staatsministerium hãufig der Anlaß wird, auch Entwürfe eines Ressorts in wesentlichen . Punkten zu ändern. Die Stellung der Minister zur Krone kann ich nur dahin präzisieren: wir Ninister stehen alle auf dem festen Grunde unserer Verfassung, und ich würde es bedauern, wenn diese Verfassung nach der Richtung hin geändert würde, daß das Element, wodurch Preußen groß geworden ist und dem es auch seine künftige und gegenwärtige Blüte verdankt, die starke Gewalt der Krone, das persönliche Regierungsrecht des Königs irgendwie beeinträchtigt würde. (Sehr richtig!)
Meine Herren, ich teile ferner die Anschauung des Herrn Vor⸗ redners vollkommen, daß es bedauerlich ist, daß wir eine Anzahl von älteren Beamten, von Regierungsassessoren haben, die gewissermaßen nur titulär zu Regierungsräten ernannt sind und denen eine definitive etats mäßige Anstellung noch immer nicht gewährt werden kann. Sie werden aber gesehen haben, daß seit mehreren Jahren die Staats regierung auf dem Wege ist, Abhilfe zu schaffen. Auch in dem neuen Etat sind'bei dem Etat des Finanzministeriums 26 und ich glaube in den anderen Etats 4 neue Stellen eingesetzt, sodaß die Zahl der Regierungsräte um 30 Stellen vermehrt wird. Dadurch wird es möglich sein, 30 Regierungsassessoren nunmehr etatsmäßig zu machen, abgesehen von dem natürlichen Vorrücken durch Absterben und Ab— gang. Die Ausbildung der Assessoren in den staatswissenschaftlichen Kursen und die Beteiligung von Beamten und Nichtbeamten halte auch ich für durchaus glücklich und hoffe, daß diese Einrichtung weiter ausgebildet werden wird. Es ist nicht ganz richtig, was der Herr Abgeordnete über die Vergütung gesagt hat, welche hier und da den die Kurse besuchenden Assessoren, Landräten usw. bewilligt worden ist. Die Vergütung ist größer, als sie der Herr Abgeordnete angenommen hat. Ich glaube, er hat da den Sommerkursus von 6 Wochen verwechselt mit den mehrmonatlichen Kursen des Winters. Wie im vorigen Jahre finden Sie — im Etat des Finanzministeriums den Betrag von 15 0001, um eben diese notwendigen Vergütungen zu gewähren; und im Etat des Kultusministeriums ist in diesem Jahre zuerst ein Betrag zur Förderung dieser staatswissenschaftlichen Kurse überhaupt eingesetzt, welcher dazu dienen soll, diese Kurse immer interessanter zu machen, die Ausgaben für diese Kurse zu bestreiten und namentlich auch zu ermöglichen die praktischen Vorführungen, auf die mit Recht der Herr Vorredner so großen Wert gelegt hat. Meine Herren, ich hoffe, daß diese staatswissenschaftlichen Kurse sich noch weiter ausdehnen werden und vielleicht, wie ja auch schon vorgestern hier davon gesprochen ist, sich zu einer Art Verwaltungsakademie ausbilden werden.
Abg. Cassel (fr. Volksp): Von mehreren Seiten sind hier Klagen über die Unsicherheit des Verkehrs in Berlin, namentlich für Fußgänger, vorgebracht worden. Ich kann aber dem Minister nicht zugeben, daß ein Teil der Bevölkerung durch sein Nichtstun die Tätig= keit der Verkehrspolizei erschwert. Am besten wäre es, wenn deren Funktionen der Stadt übertragen würden. Es ist anzuerkennen, daß die Berliner Schutzmannschaft seit einer Reihe von Jahren sich bemüht, das Publikum vor Gefahren zu schützen. Die Unfälle werden zum Teil leider durch die Unvorsichtigkeit des Publikums herbei— geführt. Das gilt z. B. von einem verehrten Mitglied dieses Hauses, das ihm jahrzehntelang angehört hat. Man kann es alle Tage erleben, wie die Bemühungen der Schaffner nicht hinreichen, um die Leute von dem unvorsichtigen Absprung abzuhalten. In bezug auf den Potsdamer Platz hat die Stadt verschiedene Plane aufgestellt, von denen zu wünschen ist, daß der Eisenbahnminister ihnen die möglichste Förderung angedeihen lassen möge. Die Aeußerungen des Abg. von Zedlitz waren überraschend, sie gingen darauf hinaus, den konstitutionellen Einfluß der Par— lamente auf die Stellung der Minister zu erhöhen. Es handelt sich dabei nicht um eine Persenenfrage, sondern um das System. Hätten wir ähnliche Darlegungen gemacht, so würde man es als eine unberechtigte Beeinflussung der Rechte der Krone aus⸗ legen. Wir werden uns die Aeußerungen des Herrn von Zedlitz merken. Unser Vereinsgesetz hat die richtige Grenze gezogen, wenn es für die Teilnahme an Vereinen und Versammlungen das 17. Lebensjahr fest—⸗ gesetzt hat. Will Herr Gamp konsequent sein, so müßte er verlangen, daß auch das Wahlrecht zum Landtag und Reichstag von dem 21. Lebens- jahr als dem politisch mündigen Alter an ausgeübt werden darf. Das wird er aber nicht wünschen. Die minderjährige Jugend wird niemals in der von dem Abg. Gamp befürchteten Richtung den Aus- schlag geben. Anderseits ist zu wünschen, daß sie an den Vereinen und Versammlungen teilnimmt im Interesse der politischen Heran— bildung der Bevölkerung, um Fühlung mit der Volksseele zu nehmen. Die Teil nahme an Korporationen fördert auch die Disziplin, und wenn die minderjährigen Elemente von Vereinen und Versammlungen aus- geschlossen werden, so werden sie sich an Konventikeln beteiligen, in denen das Gegenteil von Disziplin vorhanden ist. Herr Gamp sagt, wenn uns das allgemeine und gleiche Wahlrecht für das Abgeorzneten« haus se sehr gefiele, so möchten wir es doch auch in Berlin einführen. In unserem Programm haben wir das Reichstags wahlrecht fürn die Kommunen nicht. Ich stehe aber mit vielen Kollegen auf dem Standpunkt, daß wir auch für die Gemeindewahlen ein allgemeines, direktes, geheimes, jedoch an eine gewisse Steuerleistung
und an eine gewisse Aufenthaltsdauer gebundenes Wahlrecht haben