1905 / 44 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Feb 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz ist gestern nachmittag von Florenz hier wieder eingetroffen.

Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Leopold ist gestern früh von Zarskoje-Sselo hierher zurückgekehrt.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Handel und Verkehr und für Justizwesen hielten heute eine Sitzung.

Die Oberhofmeisterin Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Gräfin von Brockdorff empfängt von heute ab nur noch Montags und Donnerstags von 3 bis 5 Uhr er mit gas im Königlichen Schlosse zu Berlin. Anfahrt Portal II.

Der brandenburgische Provinziallandtag ist gestern im Landeshause zu Berlin durch den Oberpraͤsidenten, Wirklichen Ge—⸗ heimen Rat von Bethmann-Hollweg mit folgender Ansprache eröffnet worden:

Hochgeehrte Herren! Das neue Jahr, in dem wir uns zu gemein samer Arbelt wiederum zusammenfinden, wird für das ganze Vaterland eine besondere Bedeutung durch die bevorstehende Vermählung unseres Kronprinzen gewinnen, und wir alle begrüßen dieses frohe Ereignis mit den freudigsten Glückwünschen, nachdem die schweren Sorgen um den erkrankten Prinzen Eitel⸗Friedrich von unserm ,. und uns gnädig abgewendet worden sind.

Tiefer Schmerz ist der Provinz durch den vor wenigen Tagen eingetretenen Tod des langjährigen Vorsitzenden des Provinzial ausschusses zugefügt worden. In seiner lauteren, ritterlichen Ge⸗ sinnung, seinem von Pflichigefühl und Ueberzeugungstreue getragenen Unabhaͤngigkeitsgefühl, seinem klaren Verstand, der die Dinge bis auf den Grund durchschaute und aus dem gern ein scharf bezeichnender, aber nie verletzender Humor hervorblitzte, war der Heimgegangene der Mann unseres Vertrauens, ein weiser Führer und zugleich ein Charakter von naturwüchsiger Eigenart, von Allen verehrt, von Vielen geliebt, ein märkischer Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle, den, in, dem Augenblick, da er seine Aemter jüngeren und, wie er meinte, kräftigeren Händen übertragen wollte, der Tod wohl aus unserer Mitte rauben konnte, der aber als nie vergessene Persönlichkeit in dem dankbaren Gedächtnis seiner Landsleute auch über das Grab hinaus fort⸗ leben wird.

Außer ihm sind uns sechs weitere, in der Provinzialarbeit lange und wohlbewährte Mitglieder entrissen worden. Fünf andere Sitze wurden durch Niederlegung des Mandats erledigt. Die notwendigen Ersatzwahlen sind bis auf eine vollzogen worden. ö .

Ihre vorjährigen Beschlüsse haben, wo es dessen bedurfte, sämtlich die staatliche e, , . gefunden. Die auf Grund Ihrer Entschließungen ausgeführten Versuche, das Wander armenwesen neu zu ordnen, versprechen günstigen. Erfolg und ermutigen zu weiterer Ausgestaltung des Systems. Die Meisterkurse für den Bezirk der Handwerkskammern in Berlin und Frankfurt a. O., die zu unterstützen Sie sich dankenswerterweise bereit ge⸗ funden haben, konnten bisher leider noch nicht eingerichtet werden. Dagegen sind die mit Staats, und Provinzialmitteln zu bewirkenden Ankäufe in der Gemarkung Schiedlo erfreulich efördert worden, und zwar, wie Sie aus einer entsprechenden

orlage ersehen werden, in einem Umfange, der über die ursprüng⸗ lichen Annahmen hinausgeht. Auch die Melioration des Warthe⸗ bruchs wird Sie erneut beschäftigen, da es dringend notwendig erscheint, das bisherige ir. durch Vorkehrungen für die Bewässerung der eingepolderten Flächen zu ergänzen.

Nachdem unter dem 4. August v. X die Gesetze wegen des Aus. baues der unteren Oder und Havel, der Spree, der Lausitzer Neiße und des Bobers veröffentlicht worden sind, soll nunmehr ungesäumt mit der Feststellung der Pläne und der Ausführung der Arbeiten begonnen werden. Um die notwendigen Vereinbarungen zwischen der König— lichen Staatsregierung und der Provinz sachgemäß treffen zu können und die Beschaffung der erforderlichen Mittel zu sichern, werden Ihnen Vorlagen zugehen.

Die Verständigung mit der Provinz Pornmern über die Ver teilung der Kosten für den Ausbau der unteren Oder steht bedauer— licherweise noch aus.

Bei der Beratung des Etats werden Sie wiederum erkennen, wie die Aufgaben der in insonderheit auf dem Gebiete des Irrenwesens und der Fürsorgeerziehung, fortgesetzt zu neuen, zum Teil sehr erheblichen Aufwendungen drängen. Aber wie es bisher möglich gewesen ist, die Finanzen der Provinz in guter Ordnung zu erhalten, so wird dies auch in Zukunft glücken, wenn die bisher befolgten Grundsätze einer vorausschauenden Finanz⸗ politik nicht verlassen werden.

Durch die erforderlich gewordenen Neuwahlen eines Vorsitzenden des Provinzialausschusses und eines Generaldirektors der Landfeuer⸗ sozietät werden Sie vor besonders wichtige Entscheidungen gestellt werden.

Indem ich allen Ihren Beratungen und Entschlüssen den besten Erfolg wünsche, erkläre ich mit einem herzlichen Willkommen die 31. Sitzungsperiode hierdurch für eröffnet.

Hierauf wurden die Verhandlungen von dem Alterspräsidenten Kraatz eröffnet und, nachdem der Landrat a. D., Kammerherr von Saldern zum Vorsitzenden gewählt war, nach einem dreifachen Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König, in das die Versammlung begeistert einstimmte, weitergeführt.

Laut Meldung des W. T. B.“ ist S. M. S. „Stein“ am 17. Februar in Vigo eingetroffen und hat gestern die Reise nach der Arosabucht (Spanien) fortgesetzt.

S. M. S. „Geier“ ist auf der Heimreise am 18. Februar von Aden nach Port Said in See gegangen.

S. M. S. „Sperber“ ist am 16. Februar in den Tschusan⸗Archipel (an der Ostküste Chinas) eingelaufen.

S. M. Flußkanonenboot „Vaterland“ ist am 18. Fe⸗ bruar in Jotschau eingetroffen und an demselben Tage von

dort nach Hankau abgegangen.

Hessen.

Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin werden sich, wie W. T. B.“ erfährt, zur Beisetzung des Großfürsten Sergius nach Moskau begeben. Ihre Hoheit die , , Ludwig von Battenberg ist von London bereits nach Moskau abgereist. Auch eine Deputation des 1. Großherzoglich 2 Infanterieregiments Nr. 115, in dem der Groß⸗ ürst à la snite stand, wird sich zur Beisetzungs⸗ feier nach Moskau begeben. Gestern nachmittag fand in der Russischen Kapelle zu Darmstadt ein Trau ergottesdienst für den 3 Sergius statt, dem Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin mit dem gesamten Gefolge, die Mitglieder und das Persoͤnal der

russischen Gesandtschaft sowie eine Abordnung des 1. Groß⸗ herzoglich Hessischen Infanterieregiments Nr. 115 beiwohnten.

Bremen. Das bremische Staatsbudget schließt, dem, W. T. B.“ zufolge, nach vorläufiger Zusammenstellung bei 31 219 434 M6 Gesamtausgaben mit einem Fehlbetrag von 1932284 ab.

Deutsche Kolonien.

Nach einer amtlichen Meldung aus Windhuk in Deutsch⸗ Südwestafrika ist, wie ‚„W. T. B.“ berichtet, der Unter— offizier Hermann Hennig, geboren am 20. September 1881 zu Potsdam, früher im Feldartillerieregiment Nr. 56, bei einem feindlichen Ueberfall bei Arris am 9. Februar gefallen (Schuß in den Hals) und der Reiter der Land⸗— wehr Gustay Bräuer, geboren am 25. November 1876 zu Weißenfels, früher im Feldartillerieregiment Nr. 4, auf dem Marsche von Swakopmund nach Okahandja am 10. Februar in Aukas infolge Unvorsichtigkeit eines Kameraden durch einen Schuß in die Brustseite schwer verwundet worden.

Oefterreich⸗Ungarn.

Graf Julius Andrassy wurde am Sonnabendnach⸗ mittag vom Kaiser in einstündiger Audienz empfangen und erstattete Bericht über seine Besprechungen mit den Partei⸗ führern. Es wurde keine Entscheidung getroffen. Weitere Berufungen zur Audienz beim Kaiser dürften, wie, W. T. B.“ berichtet, bevorstehen.

Frankreich.

An Stelle des bisherigen republikanischen Deputierten d' Estournelles, der zum Senator erwählt wurde, wurde gestern, wie „W. T. B.“ meldet, Au bigny (liberal) in La Fléche zum Deputierten gewählt.

Der nationalistische Deputierte Guyot de Villeneuve hat in einer in Rouen abgehaltenen nationalistischen Ver— sammlung angekündigt, daß er die Veröffentlichung der Auskunftszettel wieder aufnehmen werde, falls das Ministerium noch lange zögere, gegen die Angeber einzu— schreiten. Die Schonung, die die Nationalisten der Regierung bewilligt hätten, habe schon zu lange gedauert. Er verlange, daß die Regierung sich der Schonung würdig zeige.

Rußland.

Der Großfürst Paul Alexandrowitsch tritt wieder, wie die „St. Petersburger Telegr⸗Agentur“ meldet, in den militärischen Dienst als General und Flügeladjutant des Kaisers ein. Der Großfürst wird in Moskau der Trauerfeier für den Großfürsten Sergius beiwohnen. . ;

Die Leiche des Großfürsten Sergius befindet sich jetzt, wie „W. T. B.“ berichtet, im Tschudow-Kloster. Der Sarg ist durch eine goldene, von Hermelin umrahmte Decke zur Hälfte verhüllt. Die Orden des Großfürsten ruhen auf Kissen. Die Geistlichkeit hält zweimal am Tage Trauer⸗ gottesdienst ab. Solange die Leiche im Kloster verbleibt, versehen Zivil⸗ und Militärbeamte und Mitglieder des Hof⸗ staates den Ehrendienst bei Tage, des Nachts bilden zwei Offiziere und 4 UntercWiere die Leichenwache. Vor dem Eingang zum Kloster stehen zwei Ehrenposten. Am Sonnabend fand dort ein Trauergottesdienst für den Großfürsten Sergius statt, anadem die Großfürstin Elisabeth, ferner die Groß⸗ fürsten Konstantin und Dmitri, die Großfürstin Maria Pawlowna, Vertreter der Stadt und der Semstwos sowie die fremden Konsuln teilnahmen. Das feierliche Toten— amt zum Gedächtnis des Großfürsten Sergius findet am 23. d. M. in Moskau statt. Die Bestattung der Leiche, die vorläufig im Tschudow⸗Kloster verbleibt, soll im Mai in St. Petersburg erfolgen.

Der Polizeidirektor Lopuchin und der Oberprokurator des Disziplinardepartements des Vollziehenden Senats Wassiliew sind von St. Petersburg in Moskau eingetroffen. Ferner ist eine Abordnung des Preobraschenskyregiments unter Führung des Generals Gadon zum Ehrendienst bei der Leiche des Großfürsten Sergius dorthin entsandt worden.

Die Gemeindeverwaltung von Moskau beschloß vorgestern in außerordentlicher Sitzung, den Minister des Innern zu ersuchen, dem Kaiser das Beileid Moskaus auszusprechen und ihm zu sagen, daß Moskau zu Gott für die Seele des Großfürsten Sergius bete, und beschloß ferner, der Großfürstin Elisabeth ihr tiefes Beileid auszusprechen mit dem Wunsche, daß Gott ihr Kraft gebe, den furchtbaren Schlag zu ertragen, und sie ihrem wohltätigen Wirken erhalte.

In der letzten Beratung des Ministerkomitees über Punkt zwei des Reformukases vom 25. Dezember v. J. betreffend die Verwaltung der örtlichen Ordnung, wurde beschlossen:

I) Die Ausarbeitung eines Entwurfes zu diesem Punkte ist unter Teilnahme der Landschaft und der Stadtinstitutionen vor— zunehmen, und ?) mit der Ausführung dieser Aufgabe und der Aus— arbeitung eines Gesetzentwurfes für neue städtische und ländliche Verwaltungen werden zwei Komitees beauftragt, die zu diesem besonderen Zwecke in St. Petersburg unter dem Vorsitz einer vom RKRaiser zu bestimmenden Persönlichkeit zu bilden sind. Den Komitees sollen als Mitglieder Persönlichkeiten angehören, die von den obersten Leitern der betreffenden Be⸗ hörden dazu bestimmt sind, und ferner solche, die aus den ländlichen und städtischen Verwaltungen erwählt sind. Die in den beiden Komitees ausgearbeiteten Gesetzentwürfe sind, ohne daß vorher ein Einvernehmen darüber mit den Behörden stattfindet, unmittelbar dem Staatsrat vorzulegen. Hinsichtlich der Wahlen der Komitee mitglieder aus städtischen und ländlichen Verwaltungen ist folgendes zu beachten: In den Gouvernements, wo Semstwos besteben, sind je zwei Komiteemttglieder auszuwählen; das eine soll Mitglied der Semstwoversammlung des Gouvernements sein, wobei aber besonders namhaft gemachte 1 auszuschließen sind; das zweite Mitglied wird in folgender Weise gewählt: Jedes Bezirkssemstwo des Gouverne⸗ ments wählt aus seinem Verbande, unter Ausschluß der gedachten

ersonen, einen Kandidaten, und diese Kandidaten der Bezirks semstwos wählen aus ihrer Mitte das zweite Komiteemitglied. In den Städten, in denen die Kommunalverfassung vom Jahre 1892 besteht, einschließlich St. Petersburgs und der Städte, die nach der Zählung vom 10. August 1397 mehr als 50 000 Einwohner haben, und fünf Städte mit vereinfachter m die vom Vorsitzenden der Komitees im Einvernehmen mit dem Minister des Innern zu bestimmen find ist je ein Mitglied in die Spezialkomitees aus dem Verbande des Stadtrats und der Versammlung der städtischen Be⸗ vollmächtigten zu wählen unter Ausschluß besonders bezeichneter 1 sonen. Nach Feststellung des Gesetzentwurfs über die ländlichen Ver⸗ waltungen soll in die Beratung der Frage eingetreten werden, ob und in welchen Grenzen dieses Gesetz auf die neun Gouvernements des nördlichen und des südwestlichen Gebiets angewendet werden könne; die Ansichten des Ministerkomitees hierüber sollten dem Reichsrat zur Begutachtung unterbreitet werden.

Diese Beschlüsse des Ministerkomitees hat der Kaiser am I7. d. M. genehmigt.

Die Bauern des Gouvernements Kostrom a haben, dem W. T. B: zufolge, dem Kaiser in einer Adresse durch den Minister des Innern ihre Ergebenheit ö drückt. Sie verurteilen darin die Versuche, die Grundpfeiler Rußlands erschüttern und das Volk verwirren zu wollen. Es heißt in der Adresse weiter, daß sie sich bereit erklärten, Gut und Blut für den selbstherrlichen Kaiser einzusetzen. Der Kaiser dankte für den Ausdruck der herzlichen Gefuͤhle.

Mit Bezug auf die Meldungen uͤber die von San Francisco abgereisten Offiziere des russischen Transport⸗ dampfers „Lena“ erfährt die „St. Petersburger Telegraphen⸗ Agentur“, daß deren Abreise nur auf Grund eines Miß⸗ verständnisses erfolgt sein könne. Die Offiziere hätten nicht ihr Ehrenwort gegeben, auf dem Gebiete der Vereinigten Staaten zu bleiben, und daher auch von den Ortsbehörden nicht an der Abfahrt gehindert werden können. Es sei sicher, daß die Verhandlungen zwischen der russischen Regierung und der der Vereinigten Staaten das Ergebnis haben würden, die Angelegenheit zur gegenseitigen Befriedigung aufzuklären.

Ueber die Arbeiterbewegung im Lande liegen noch folgende Berichte des W. T. B.“ vor:

Der Senator Schidlowski hat folgende Bekannt— machung erlassen: ;

Der Ausschuß zur Prüfung der Beschwerden der Arbeiter von St. Petersburg und Umgegend, der unter meinem J, tagen soll, hat seine Aufgabe unter Teil⸗ nahme von Vertretern der Fabrikanten und Arbeitern zu erfüllen. Wenn einerseits die freie Wahl von Vertretern der Arbeiter gesichert und die persönliche Sicherheit der Gewählten gewährleistet wird, so wird andererseits gehofft, daß die Arbeiter das ihnen geschenkte Vertrauen rechtfertigen und die gute Sache fördern werden. Folgende Wahlordnung soll für alle Krons⸗ und Privat fabriken und Werkstätten, auch die Eisenbahnwerkstätten gelten. Das Recht zur Teilnahme an der Wahl haben die Eigentümer industrieller Unterneumungen mit nicht weniger als 100 Ar— beitern. Diese wählen 15 Vertreter aus den verschiedenen Branchen. Ferner wählen die Arbeiter aller Industrieunter⸗ nehmungen mit nicht weniger als 109 Arbeitern unter Ausschluß der Meister und Gehilfen. An den Wahlen können Männer und Frauen, aber keine Lehrlinge, teilnehmen. Zuerst wählen die Arbeiter eines jeden Unternehmens Wahlmänner in nachstehend festgesetzter Zahl und diese wählen sodann Vertreter für die Kom mission, und zwar wählen Arbeiter von Unternehmungen, die 100 bis 500 Arbeiter beschäftigen einen Wahblmann, von Unternehmungen, die 500 bis 10600 Arbeiter beschäftigen, zwei, und von denen, die über 1000 Arbeiter beschäftigen, cinen Wahlmann auf je 500 Arbeiter. Die gewählten Vertreter müssen mindestens 25 Jahre alt, männlichen Geschlechts sein und wenigstens 1 Jahr in der betreffenden Fabrik gearbeitet haben. Für die Ordnung bei den Wahlen sorgen die Ar« beiter selbst, wozu ihnen gestattet ist, einen oder mehrere Vorsitzende zu wählen. Von der Verwaltung der betreffenden Fabrik darf niemand den Wahlen beiwohnen. Spätestens am 23. Februar wird in allen ge⸗ werblichen Anstalten an sichtbarer Stelle die Anzahl der Arbeiter durch Anschlag bekanntgegeben. Die Wahl der Wahlmänner erfolgt am 26. Fe⸗ bruar, J Uhr Morgens. Die Arbeiter versammeln sich in den zu diesem 39 bestimmten Räumlichkeiten der Fabriken, Privatpersonen ist der

utritt zu den Wahllokalen untersagt. Die Liste der gewählten Wahlmänner wird von dem Vorsitzenden und einigen Wählern unterjeichnet und dann sofort in dem Kontor der be⸗ treffenden Fabrik abgegeben. Die Gewählten erhalten eine mit der Unterschrift des Direklkors der Fabrik versehene Bescheinigung über ihre Wabl. Die Listen der Gewählten werden den Arbeitern der Fabrik bekanntgegeben. Sämtliche Wahl männer werden nach Branchen in neun Gruppen geteilt, nämlich Fabriken der Textilbranche, Papier fabriken und Druckereien, Holzbearbeitungs-⸗ und Waggonfabrkken, Fabriken für die Bearbeitung von Metallen, von Mineralien, von tierischen Produkten, Nahrungemittelfabriken, chemische Fabriken und Fabriken für Sprengmaterialten. Die Wähler der ersten Gruppe wählen 9 Vertreter, die der zweiten und dritten 4, die der vierten 14, der fünften 3, der sechsten 4, der siebenten 6, der achten und neunten 2 Vertreter. Die Wahl der Vertreter aller Gruppen findet am 3. März statt. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung sind die Wahlmänner jeder Gruppe zur Wahl eines Vorsitzenden berech tigt. Die Wahlmännerwahl erfolgt durch Stimmzettel. Die Liste der gewählten Vertreter ist vom Vorsitzenden und wenigstens 5 Wahl⸗ männern jeder Gruppe zu unterzeichnen und den vom Senator Schidlowmski ernannten Kommissaren zu übergeben, die den Wahlen beiwohnen werden. Die Liste aller gewählten Arbeitervertreter wird in sämtlichen industriellen Unternehmungen ausgehängt werden.

Die Fabrikbesitzer in St. Petersburg haben dem Finanzminister einen Bericht eingereicht, in dem es heißt:

Die Beratung über die Arbeiterfrage am 6. d. M. sei resultatlos verlaufen. Man habe nun gesagt, die Fabrikbesitzer wollten auf die Lage der Arbeiter nicht eingehen. Die Arbeiterfrage könne jedoch nicht getrennt von der allgemeinen Lage behandelt werden. Sogar bei einer völligen Bewilligung aller Forderungen der Arbeiter würde eine Beruhigung nicht erzielt werden. Die Bewegung sei nicht zurückzuführen auf die Ueberzeugung der Arbeiter, daß es sich bei ihnen um eine wirtschaftliche Notlage handle, sondern auf die allgemein herrschende Erregung. Die russische Industrie sei nicht in der Lage, ohne sich selbst zu schaden, größere Forde⸗ rungen zu bewilligen. Bei der allgemeinen Notlage sei ein Rückgang der Industrie festgestellt worden. Die Industrie könne nicht mit Verlust arbeiten und sich nicht von wohltätigen Motiven leiten lassen; ihre Lage sei schwierig; sie gebe den Arbeitern, was sie könne. Eine Beruhigung der Arbeiter könne jedoch nicht durch Konzessionen, sondern nur durch Reformen allgemeinstaatlichen Charakters erreicht werden.

In Moskau sind am Sonnabend sämtliche Apo— thekergehilfen in den Ausstand getreten; sie verlangen siebenstündige Arbeitszeit und Gehaltserhöhung. In einigen Apotheken wurden die Forderungen bewilligt und daher dort der Betrieb wieder aufgenommen. Die Verwaltung der Windau⸗Rybinsk⸗Eisenbahn hat eine Kundgebung erlassen, in der sie den Angestellten Besserung ihrer materiellen Lage zusichert, sie aber auffordert, die Arbeit wieder aufzunehmen; wer sich dessen weigere, werde entlassen werden. Angestellte der Verwaltung der Moskau-⸗Kasan⸗ Eisenbahn haben eine Petition beschlossen, in der auch die Wiederaufnahme der ausständigen Telegraphisten gefordert wird. Wenn die aufgestellten Forderungen bis zum 21. Februar nicht erfüllt würden, wollen sämtliche Bahnbeamte Moskaus und der dort einmündenden Linien in Ausstand treten.

Gestern vormittag wurde in Warsch au mit Genehmigung der Verwaltung eine Versammlung der Eltern und Vormünder der Mittelschüler abgehalten zur Klar⸗ stellung der Frage, ob polnische Schulen einzuführen seien. Die Versammlung, die von etwa 16500 Personen besucht war, nahm folgende Resolution an:

Es empfiehlt sich, die Schule nicht vor dem neuen Schuljahr wieder zu eröffnen, und eine den nationalen Wünschen entsprechende Reform der Schulen anzustreben. n

Der Kurator des Warschauer Schulbezirks hat ein⸗ gewilligt, das Gesuch um Hingusschiebung der Wieder⸗ eröffnung der Schulen dem Minister zu unterbreiten. Warschauer Redakteure haben den Vorsitzenden

der Kommission für die Revision der Presse- und Zensur— geh 6 Kobeko telegraphisch ersucht, feine Aufmerk 3 en Bedürfnissen der polnischen Presse zuzuwenden; sie bedürfe der wi f , und es sei notwendig, daß Vertreter der polnischen Presse zu der von Kobeko geleiteten Kommission zugezogen würden. M6 Angestellten der Apotheken stellten Forderungen an die Besitzer mit der Bemerkung, daß sie bei Nichterfüllung derselben in Ausstand treten würden. Die Angestell ten einiger Banken traten vorgestern in den gien nz. Die Verwaltung der Warschau-Wiener Bahn hat alle Forde— rungen der Arbeiter, abgeschen von einer Lohnerhöhung um 10 Kopeken für den Tag, abgelehnt.

Offiziellen Warschauer Angaben zufolge ist der Aus st and beendet in den Orten Tomaschow, Row oradomsk und . er dauert dagegen fort in Czenstochgu,

osnowice und im Dombrowg⸗Rayon. Ja Lodz sind noch 75 Prozent der Arbeiter im Ausstand.

In Woronesch sind mehr als 2000 Arbeiter in den Ausstand ,,,

In Suchum-Kale (Gouvernement Kutais) bewarf in der Nacht zum 18. d. M. eine aus etwa fünfhundert Hand— lungsgehilfen und Arbeitern bestehende Menge die Wohnung eines Mannes, den sie im Verdacht der politischen Angeberei hatte, mit. Steinen. Die Ruhestörer widerfetzten sich der Polizei, die gegen sie einschritt, mit Revolvern und anderen Waffen. Ein Polizist wurde getötet und zwei schwer verletzt; auch ein Arbeiter wurde getötet und zwei verwundet.

Italien.

Der König hat, wie dem „W. T. B.“ mitgeteilt wird, aus Anlaß der von ihm gegebenen Anregung zur Errichtung eines internationalen Landwirtschaftsinstituts vom Kaiser von Rußland und dem König von Serbien in warmen Worten gehaltene Glückwunschtelegramme erhalten, für die der König seinen lebhaften Dank ausge— sprochen hat.

Die verwitwete Herzogin von Sachsen-Coburg und Gotha ist in Begleitung ihrer Tochter, der Prinzessin Beatrice, von Nizza nach St. Petersburg abgereist.

Türkei.

Der Dampfer St Nikolaus“ mit dem General Stössel an Bord ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Konstanti— nopel eingetroffen. Mittags stattete der General Stössel dem russischen Botschafter Sinowjew sowie den Mitgliedern der russischen Botschaft Besuche ab. Später erschien der Ober— ,,,, Ibrahim Pascha auf der russischen Bot— chaft, um den General im Namen des Sultans zu begrüßen. Gestern abend if der General auf dem Dampfer „St. Nikolaus“ die Reise nach Rußland fort.

Dem Wiener „Telegr-⸗Korresp-Bureau“ wird berichtet, daß die Bemühungen Hilmi Paschas, das bisherige Monopol der Proviantlieferanten für die Truppen zu umgehen, sowie die erzielten Preisreduktionen und die Strenge bei der Kontrolle des Lieferungswesens zu Ersparnissen geführt hätten, die auf jährlich 84 000 Pfund berechnet würden“

Rumänien.

Bei den Deputiertenwahlen des dritten Wahl— körpers errangen gestern, wie „W. T. B.“ erfährt, die Konservativen von 38 Mandaten 36. Die Kammer be— steht somit aus 157 regierungsfreundlichen und 15 oppositionellen Mitgliedern. Es sind 10 Stichwahlen notwendig.

Serbien.

Der Ende Dezember von Belgrad geflüchtete frühere Minister, jetzt Herausgeber des Blattes „Oppositig', Welitschkowitsch, ist am Sonnabend dorthin zurückgekehrt. In der Skupfchtina n beant— wortete vorgestern, wie . W. T. B.“ erfährt, der Kriegsminister eine Interpellation der Liberalen wegen des Borgehens dreier Offiziere gegen Welitschkowitsch; er sagte, er verarge es den Offizieren nicht, daß sie versucht hätten, sich Genugtuung zu ver⸗ schaffen, da die ‚Oppositia“ fortgesetzt die Verschwörer vom 11. Juni 1903 angegriffen habe, obgleich zwei Nationalvertretungen deren Tat gebilligt hätten. Nach längerer erregter Debatte wurde die Antwort einstimmig zur Kenntnis genommen.

Schweden und Norwegen.

Das Stort häng beschloß, einer Meldung des W. T. B.“ aus Christignia zufolge, am Sonnabend einstimmig, die Dokumente in der Konsulatsangelegenheit einer Spezialkommission von 19 Mitgliedern, bestehend aus acht Mitgliedern der Rechten, acht der Linken, zwei der gemäßigten Partei und einem Sozialisten, zu überweisen.

Dänemark.

Der Großherzog und die ö von Mecklenburg⸗Schwerin sind, wie „W. T. B.“ berichtet, vorgestern in Kopenhagen eingetroffen und am Bahnhofe vom König und den Mitgliedern der Königlichen Familie empfangen worden,

Das dritte russische Geschwader passierte heute früh um 41 uh die Südspitze von Langeland. Das Geschwader bestand anscheinend aus 7 Schiffen.

Amerika.

Die amerikanischen Vertreter bei der geplanten weiten Haager Konferenz sollen, wie das „Reutersche uregu“ mitteilt, dahin angewiesen werden, auf den Abschluß

umfassender Abmachungen, betreffend schiedsgerichtliche Entscheidungen, zu drängen, durch die noch greifbarere Ergebnisse als durch die jetzt vom Senate abgeänderten 4 verträge erzielt würden. Der Präsident Roosevelt äußerte, er hege die Zuversicht, daß auf dieser Konferenz viel für die Sache des Schied svertragswesens werde erreicht werden. Der chinesische Gesandte in Washington über⸗ reichte vorgestern dem Präsidenten Roosevelt das Oelbildnis der Kaiserin⸗Witwe von China als Zeichen des Dankes fr die Freundschaft der Vereinigten Staaten und die Rolle, die e bei der Bewahrung der Integrität Chinas gespielt hätten. Der Präsident Roo evelt sprach dem Gesandten seinen Dank aus; er wies dabei auf die freundschaftliche Gesinnung hin, die die Ver— einigten Staaten und China verbinde, wie auf das starke Interesse, das jedes der beiden Länder für die Wohlfahrt und den Fort— , des andern hege, und äußerte die ehen daß die estehende gr en sches weiterhin werde aufrecht . und

befes g werden.

as Marinedepartement hat Anstalten getroffen, den Kohlenvorrat in Eavite auf 70 909 Tonnen zu erhöhen; der Vorrat soll nach Erfordern aufgefüllt werden.

A sien. Die „St. Petersburger Telegraphen-Agentur“ meldet:

Angesichtß des im Autlande verbreiteten Gerüchts, daß Vor— besprechungen für einen Frieden sschluß zwischen Rußland

und Japan begonnen hätten, sind wir in der Lage zu erklären, da bis zu diesem Augenblick seitens Japans keine Vorschlãge . worden oder eingegangen seien, und daß das Gerücht daher jeder Begründungentbehrt.

Der General Kur opatkin meldet, wie dem ‚W. T. B.“ ö ö. unter dem 16. bh at ö

„Infolge der mir zugegangenen Na daß an der Eisenbahn⸗ linie Junchulin —Kunchenzi in der Mongolei eine a . 6 Tschnntschufen unter japanischen Führern sich' konzenfriert habe, habe ich am 1I. d. M. eine Abtellung der Grenzgarde zum Zweck der Rekognoszierung unter General Lenizky entsandt, der auf die Nachricht, daß die Brücke hei Fontsetun am 12. d. M. angegriffen worden sei, die Japaner und Tschuntschusen angriff und sie auseinander- trieb. Während der Verfolgung, die sich bis auf eine Entfernung von 120 Werst nordwestlich von Junchulin ausdehnte, stieß General Lenizky auf sechs Schwadronen Kavallerie und vier Kompagnien Infanterie der Japaner nebst einer Abteilung von mehr als 2660 Tschun⸗ tschusen. Obwehl von allen Seiten eingeschlossen, gelang es unsern Truppen doch, kämpfend nach Junchulin sich zurückzuziehen, wo sie am 15. d. M. wieder ankamen.

Der Chef des Generalstabes, General Ss ach arow erhielt folgende Meldung des Generals Tschitschagow erde Einzelheiten des Rückzuges der Abteilung der Grenzgarde des Generals Lenizky nach der Schlacht am 14. Febrüar:

Boyarinoff erhielt mit 90 Soldaten den Befehl, Len An— griff der Japaner aufzuhalten, um den Rückzug einer Artillerie; abteilung zu decken, wurde aber am 14. Februar um 3 Uhr Abends von dem General Lenizky in der Nähe von Yantsetun, 25 Werst nördlich Sandifchan, getrennt und von Allen Sesten von 6 Schwadronen und 1060 Mann japanischer Infanterie umiingelt. Boyarinoff hielt dem japanischen! Angkiff stand, aber als zwei Eskadronen in feiner Flanke erschienen, ließ er aufsitzen, griff die Eskadron zur Linken an und vernichtete fie völlig vor den Augen der zweiten Eskadron, die sich untätig verhielt, nur. Banzai schrie und sich dann 400 Schritte zurückzog. Boyarinoff ließ einige Salven auf sie abgeben und nahm einen schwer verwundeten Offizier gefangen. Mit einem Verluste von 3 Toten und 24 Verwundeten begann er sich dann langsam zurückzuziehen, wobei es einigen feiner Soldaten, die unheritten waren, gelang, sich japanischer Pferde zu bemächtigen. Vom Feinde etwa 20 Werst verfolgt, gelangte Boyarinoff am 16. Fe⸗ bruar nach Jantsetun.

ö japgnische Auswärtige Amt erklärt die Nach— richt, für unbegründet, daß Japan in nichtamtlicher Weise von russischen Friedensbedingungen unterrichtet . sei.

Berichte, die vom Schaho in Tokio eingetroffen sind, besagen, dem „Reuterschen Bureau“ zufolge:

Die. Russen zeigen eine zunehmende Tätigkeit, indem sie sich auf beiden Flügeln ausbreiten, den rechten verflärken und auch auf dem linken gegen den General Kuro ki eine starke Streitmacht kön— zentrieren. Bei diesen letzteren Operationen war Fus han die Bafis. Die russischen Streitkräfte in diefer Gegend werden auf 6 Divisionen geschätzt. Man habe den Eindruck, als ob der General Kuropatkin sich darauf vorbereite, die Offensive wieder aufzunehmen. Das tf, ist noch unguͤnstig, jedoch dürfte die strenge Kälte bald dor—

n.

Der Marschall Oya ma berichtet:

Die Russen setzen auf der ganzen Linie die Errichtung bon Ver— teidigungswerken fort und beschießen andauernd Teile der japanischen Armee. „Am 17. unternahmen die Russen einen unbedeutenden Infanterieangriff, wurden aber zurück geschlagen.

Die „Times“ meldet aus Tokio, am 18. d. M. sei von dem Marquis Saionyi, dem Führer der Saiyukai (der Partei der Verfassungsfreunde), ein Bankett gegeben worden, an dem die alten Staatsmänner die Minister, eine Anzahl Gesandte sowie Mitglieder der beiden großen Parteien teilgenommen hätten. Der Marquis Saionyi habe das Land wegen des ein— trächtlichen Zusammenwirkens der Regierung und der Parteien, durch das die unerwartete bedeutende Erhöhung der Be⸗ steuerung ohne Schwierigkeit ermöglicht worden fei, begluͤck— wünscht, und sodann die Ueberzeugung ausgesprochen, daß, obgleich die Anforderungen mit dem Fortschrelten des Krieges naturgemäß immer höhere werden müßten, dieser Geist der Einigkeit dem Vaterlande über alle Schwierigkeiten hinweg⸗ helfen werde.

Der französische Minister des Aeußern Delcassé hat von dem französischen Konsularagenten in Tschifu einen Bericht erhalten, der bestätigt, daß der Führer und ein Matrose der Dschunke, auf der die Alttaches Ritter Hentschel von Gilgenheimb und de Cuver ville Port Arthur verlassen, gestanden hätten, die beiden Marineattachés und einen sie begleitenden russischen Diener über Bord geworfen zu haben. Der Dschunkenführer und der Matrose, die von den chinesischen Behörden verhaftet worden seien, sollten drei Mit— schuldige haben.

Parlamentarische Nachrichten.

„Die Schlußberichte über die vorgestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der . hennd sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (143) Sitzung des Reichs tags, welcher der Staalssekretär des Innern, Staatsminsster Dr. Graf von Posadowsky⸗-Wehner, der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Richthofen und der Staatssekretär des Reichsschatzumts Freiherr von Stengel beiwohnten, stand die zweite Beratung der . verträge auf der Tagesordnung. Die XIII. Kommission hat sämtliche Verträge und das Viehseuchenabkommen mit Desterreich- Ungarn zur Genehmigung empfohlen. Referenten sind die Abgg. Dr. Blankenhorn, Henn; Herold und Graf von 9 *

bg. Dr. Spahn (Zentr. beantragt, mit der Beratung des zster e isch nc hen Vertrags zu beginnen. z

Abt; Singer (Soz) unterstützt diesen Vorschlag, fragt aber

gleichzeitig den Praͤsidenten, ob dieser beabsichtige, über die Verträge einzeln abstimmen zu lassen. „Präsident Graf von Ballestre m; Ich werde in der zweiten Lesung so verfahren, wie die Geschäftgordnung vorschreibt; eine Gesamtabstimmung über die einzelnen Verträge . eist in dritter Lesung stattfinden. Mitglieder, die gegen irgend einen der Verträge en jetzt stimmen wollen, wurden das bei dem grundlegenden Artikel un müssen.

Nachdem auch der Abg. Dr. Sattler (nl) sich dem Vorschlage des Abg. Spahn angeschlossen hat, tritt der ) 5 nt bar n 6 Meferent für den Handelspertrag mit Desterreich, Ungarn ist der Abg. Graf von Kanjtz. Dieser ist bei Eröffnung der Digskussion nicht anwesend. Unter Zustimmung des Präsiden ten und des Hauses übernimmt Abg. Dr. Spahn die Vertretung. Er weist darauf hin, daß sämtliche maßgebende Erklärungen der Vertreter der verbündeten Regierungen gedruckt vorlägen.

Abg. Hufnagel (d. kons.) spricht zu Anfang sehr leise und ist bei der Unruhe im Hause fast gar nicht auf der ö

nehmbar. Er scheint sich hauptsächlich über die Gefahren zu ver⸗ breiten, die dem heimischen Gerstebau durch die Differenzierung zwischen Malz und Futtergerste drohen, und ersucht anscheinend die verbündeten Regierungen, doch ja darauf zu achten, daß bei der Verzollung an der Grenze die äußerste Vorsicht geübt werde. Er äußerte sodann die Hoffnung, daß die Induftrie sich mit den neuen Zöllen abzufinden und einzurichten wissen werde, wenn er auch zugeben müsse, daß einige Industrien schwer betroffen würden.

. Bei Schluß des Blattes nimmt der Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky— Wehner das Wort.

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (143.) Sitzung, welcher der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben beiwohnte, die zweite Beratung des Staats⸗ haushaltsetats für das Rechnungsjahr 1905 bei dem Etat des Finanzministeriums fort. Berichterstatter ist der Abg. Wal lenborn.

Die Einnahmen werden ohne Debatte bewilligt.

Bei den dauernden Ausgaben und zwar bei dem Titel Gehalt des Ministers“ spricht

Abg. von Bieberstein (kens.) seine Zustimmung zu der Er— richtung einer Regierung in Allenstein aus, wird jedoch vom Präsidenten von Kröcher mit der Bitte unterbrochen, diese nicht bei der allge⸗ meinen Bespröchung, sondern erst bei dem betreffenden Titel zu er— örtern, und verzichtet infolgedessen an dieser Stelle auf das Wort. 5 Abg. Dr. von Dziembowski (Pole): Die Finanzlage des Ostens ist eine besonders ungünstige, dies trifft für Sstpreußen, aber nicht minder auch für Posen zu. Namentlich wird die Belastung der Kommunen infolge der Abwanderung immer drückender. Der Finanzminister hat im vorigen Jahre über unsere Behaup— tung seine Entrüstung ausgesprochen; ich bin aber in der Lage, dafür den Beweis zu liefern, daß eine Auspowerung durch das Ansiedelungsgesetz stattfindet. Je mehr aus den einzelnen Gemeinden auswandern, um so weniger prästatlonsfähig werden die Gemeinden. Der Redner verbreitet sich über die Statiftik der Abnahme der deutschen und der polnischen Bevölkerung in der Provinz Posen, wird aber vom Präsidenten von Kröcher an weiteren Ausführungen darüber mit dem Bemerken verhindert, daß diese Dinge mit diesem Etat nicht zusammenhängen. Der Redner protestiert sodann gegen die Erhöhung des Fonds für die Oberpraäͤsi— denten zur Förderung des Deutschtums und gegen die Ostmarkenzulagen. Die letzteren müßten verdammt werden, weil sie in einen Rechts. staat überhaupt nicht hineinpaßten. Eine Beamtenkolonie werde die rer mn Posen niemals werden. Eine neue Maßregel gegen die olen habe der Finanzminister in der Budgetkommission angekündigt, daß nämlich die Regierung dafür sorgen wolle, daß das jum Verkauf kommende Festungsgelände der Stadt Posen nicht in polnische Hände geraten könne. Eine solche Ausnghmemaßregel gegen die Polen sel unzulässig; weder der Staat noch irgend eine Verwaltung habe das Recht, einen Eigentümer zu verhindern, sein Grundstück beliebig zu veräußern. Damit werde nur der Nationalitãtenkampf geschürt. Habe denn die Politik der Re⸗ gierung gegen Lie Polen irgend welche Erfolge gehabt? Nein, wie aus den Ausführungen des Ministers im vorigen Jahre selbst hervor. gehe, habe sie Fiasko gemacht. Damit verdiene man sich nicht den Orden pour 16 mérite.

Hierauf nimmt der Finanzminister Freiherr von Rhein— baben das Wort. Bis zum Schluß des Blattes beteiligen sich an der Debatte außer dem Minister noch die Abgg. von Eynern (nl.) und Gyßling (fr. Volksp.).

Das Mitglied des Herrenhauses Graf von Pfeil— Burghauß, Majoratsbesitzer, ist am 18. d. M. in Laasan SSchlesien) gestorben.

Kunft und Wissenschaft.

Im Kunstgewerbemu seum ist die Ausstellung japanischer Kleinkunst, Sammlung Gustav Jacoby nunmehr allgemein zu— gänglich. Diese ganz erlesene Sammlung ist auch in ihrer durch den Besitzer veranlaßten Ausstattung überaus reizvoll. Der ganze Saal einschließlich der eigens für diesen Zweck eingespannten Decke und des far bee, ist mit lichtgrünen Stoffen ausgeschlagen, in die Vasen

nd lebendige Blumen in japanischer Weise eingeordnet. Auf diesem anmutigen Hintergrunde kommen die Kunstwerke harmonisch zur Geltung. Von dem Besitzer ist ein genauer Katalog ausgearbeitet, in dem die Einleitungen zu den einzelnen Gruppen von hervorragenden Fachmännern wie Direktor Brinkmann in Hamburg verfaßt sind.

U. A. Die Kunst Carl Breitbachs, die uns aus seiner Nachlaßausstellung im Künstlerhaufe noch einmal ver— gegenwärtigt wird, scheint uns heute schon zurückzuliegen. Ein Gang durch den Saal mutet wie eine Wanderung durch bestimmte Räume der Ngtionalgalerie an. Die Bilder, die aus jener Zeit stammen, haben sich für uns schon in eine kunsthistorische Einheit zusammengeschlossen; wir sehen das Gemeinsame, das ihnen eigen ist, vor allem einen ganz bestimmten, eigentümlichen Farbenton, der besonders kenn⸗ zeichnend ist. Eine solche Entfernung wird uns nicht gleich- gültig gegen den Wert der Bilder machen, obwohl sie noch nicht weit genug ist, uns ein ganz objektives Urteil zu erlauben. Das Auge muß nur ein wenig schärfer zuschauen, so wird es in etwas anderer Ärt ebensoviel oder noch mehr Schönheit finden, als die tüchtigsten Durch schnittskünstler von heute bieten. Auch die Vielseitigkeit der Begabung Breitbachs ist eine größere, er malt Porträts und Landschaften, Genrebilder und Interieurs, er ist in Italien ebenso zu Haufe wie in Deutschland oder Holland, im Gebirge wie auf dem flachen Lande und in der Stadt. Der Begriff Heimatkunst“, den unsere Zeit geprägt hat, ist ihm fremd. Er sucht das Schöne in der Nähe wie in der Ferne, doch entgeht er dabei nicht ganz der naheliegenden Gefahr, die sogenannte schöne Aussicht gar zu sehr zu bevorzugen und in etwas leerer Charakteristik typische Landschaften und Ansichten zu geben. Dabei ef er aber über eine vorzügliche Technik und über ein ungemein feines Empfinden für Farbe; so welß er ein einfaches graues Stück Mauer mit ganz modernem Farben feingefühl zu behandeln.

In seinem poetischen Empfinden ist Breitbach ein Kind jener zurückliegenden Jahrzehnte. Er malt einen Kirchhof in den Bergen,

weil ihn das Farbenproblem reijt, die in Dunst versinkende Ferne

gegen die Kreuze und Gräber im Vordergrund. Aber er kann es dabei

nicht unterlassen, ein kniendes, trauerndes Weib inmitten dieses Gräber⸗

feldes zu malen. , , g. schön sind zum Teil seine Aquarelle,

besonders die Studienköpfe und das Innere der Kirchen mit den betenden

Frauen in den Bänken. ier erinnert er mitunter und nicht

nur in der Gleichheit des Als rechten Knaus⸗

schüler zeigt Breitbach sich in dem Bilde „‚Badende Kinder“, einem

der wenigen ausgeführten dieser Ausstellung, die sonst bauptsächlich

aus Skizzen und Studien besteht. Doch sind gerade diese, in denen

der Sir so unmittelbar spricht, unserem Empfinden näher. Eine

Ausnahme machen hur die Bildnisse. Diese in ihrer ebrlichen Treue,

mit behutsamer Liebe und Sorgfalt gemalt, haben doch nichts von ihrer

Lebendigkeit und Kraft verloren, so genau und fein sie der Künstler

auch ausgeführt hat. Die vollendetste Arbeit unter diesen Bildnissen

ist das Porträt seiner Frau, das auch durch die reiche und tiefe

orwurfs an Leibl.

Schönheit seiner Farbe an 77 Stelle steht. Es ist eine kleinere Arbeit, die Gattin des Künstlers ist sitzend dargestellt in aus.