Abg. von Brockhausen (kon): Die Frage der Treuhänder ist durch die Erklärungen des Finanzministers für die Zukunft erledigt. Daß das Genossenschaftswesen sich nur auf der Grundlage der Selbständigkeit und der eignen Verantwortlichkeit entwickeln kann, ist selbstverständlich. Die ländlichen Spar- und Darlehns kassen batten 1883 12 Millionen Einlagen, 1896 210 Millionen, 1901 680 Millionen und 1902 800 Millionen. Es handelt sich beute nicht mehr darum, wie das Geld zu beschaffen ist, sondern wie es am besten anzulegen ist. Mit Recht ist auf die Ver⸗ dienste von Schulze-Delitzsch als Genossenschafter hingewiesen, aber was sein eigentliches Ziel war, hat er nicht erreichen können, nämlich die Bildung von Produktivgenossenschaften. Der Genossenschafts—⸗ anwalt Dr. Crüger gilt wohl in seinem eigenen Kreise als Autorität, aber nicht in anderen genossenschaftlichen Kreisen. Er sollte einmal seine eigenen fehlerhaften Einrichtungen prüfen, anstatt immer gegen cas landwirtschaftliche Genossenschaftswesen zu agitieren, wie es die Hauptaufgabe seines Organs ist. Wenn diese oder jene and— wirtschaftliche Genossenschaft sich nicht als lebensfähig erwiesen hat, so hat doch auch schon manche Schulze ⸗Delitzschsche Genossenschaft chwere Zeiten durchgemacht. Es ist ein Vorwurf wegen der Löefferungen für das Militär durch die landwirtschaftlichen venossenschaften erhoben worden; wir werden aber im Reichstage vachweisen, wie wenig die Heeres⸗ verwaltung den landwirtschaftlichen (cenossenschaften dabei entgegen⸗ kommt. Durch den Zusammenschluß der Landwirte in Genossenschaften ist gerade jede Unreellität unter den Landwirten beseitigt worden. Die Händler haben aber vielfach die ländlichen Genossenschaften geradezu boykottiert. Die Genossenschaften gehen ihrerseits nicht darauf aus, die soliden, reellen Händler zu ruinieren. Durch die ländlichen Genossenschaften wird unter den Landwirten der Sinn und das Verständnis für die Technik des Betriebs geweckt. Die länd— lichen Genossenschaften sind nicht zum Erwerb gegründet, sondern sie sind gemeinnützige Unternehmungen und sollen als solche an allen Wohklfahrtseinrichtungen mitwirken. Es ist erfreulich, daß die beiden großen Verbände, die sich bisher nicht besonders freundlich gegenüber⸗ gestanden haben, sich vereinigt haben. Das Genossenschaftswesen kann nur gewinnen, wenn auch die beiden Richtungen, durch Schulze Delitzsch und Raiffeisen repräsentiert werden, sich nicht immer weiter bekãmpfen. . .
Abg. Bu ssch (Zentr.): Den letzten Worten stimme ich vollkommen zu, die beiden Richtungen werden dem Genossenschaftswesen am besten nützen, wenn jede für sich arbeitet, ohne die andere zu bekämpfen. Die Idee der Dezentralisation hat sich als richtig erwiesen. Aber ich freue mich, daß zwischen Neuwied und Offenbach die Verlobung statt⸗ gefunden hat, und ich hoffe, daß es auch zur Vermählung kommen wird, um gemeinschaftliche Arbeit zu machen. ö
Abg. Me vensche in (kons. ): Der Kampf der Genossenschaften ge⸗ hört nicht vor dieses Parlament, sondern muß draußen ausgefochten werden. In der Veräinigung von Offenbach und Neuwied sehe ich noch keinen Frieden, sondern nur den ersten Schritt zu einem er— strebenswerten Frieden. — .
Abg. St ull Zentr) weist darauf bin, daß er im vorigen Jahre die Einführung von Kursen über das Genossenschaftswesen in Breslau an— geregt habe und zu seiner Freude mitteilen könne, daß dort bereits solche Vorlesungen stattfinden, und stimmt dem Abg. von Arnim in der Frage der Treuhänder bei. In dem Neuwieder Verband, in welchem der Abg. Meyxenschein eine große Bedeutung babe, mögen vielleicht auch Herren sein, die die Vereinigung etwas anders auffassen, aber es sei richtig, daß diese Meinungsverschiedenheiten draußen erledigt werden müssen.
Damit schließt die allgemeine Besprechung.
Für den Direktor der Zentralgenossenschafts⸗ kasse fordert der Etat eine nicht pensionsfähige Stellenzulage von 3000 6 .
Abg. Gyßling (fr. Volkép) erklärt sich gegen diese Mehr— forderung, die mit Repräsentationspflichten begruͤndet sei. Seine Partei sei überbaupt gegen eine Vermehrung der Repräsentations— kosten und namentlich auch gegen eine Unterscheidung von Gehalt und Rexräsentationskosten.
Die Mehrforderung wird gegen die Stimmen der Frei— sinnigen bewilligt. 23
Im übrigen wird der Etat der Zentralgenossen— schaftskasse ohne Debatte bewilligt.
Es folgt der Etat der indirekten Steuern.
Bei der Einnahme aus der Zuckersteuer macht
Abg. Wiers do rff (nl) darauf aufmerksam, daß das Unfall⸗
sorgegesetz für die Beamten bezüglich der Steuerbeamten in Privat-
n perschieden ausgelegt werde, und bittet den Minister, eine eidung darüber zu treffen, ob diese Beamten unter das erwähnte Gesetz fallen oder nicht.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Die zugesagte Prüfung hat stattgefunden und hat zu einem für die Betriebsunternehmer gäünstigen Ergebnis geführt. Wir haben anerkannt, daß auch bei Verunglückungen in einer Zucker fabrik der Beamte dem Fürsorgegesetz unterstellt ist, also die Ent⸗ schaͤdigung seitens des Staats zu gewähren ist.
Auf einige weitere Bemerkungen des Abg. Wiersdorff über denselben Gegenstand erwidert der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: ie Verfügung ist am 18. Oktober ergangen, und ich würde
sein, wenn mir der spezielle Fall unterbreitet würde; ich kann ich ohne weiteres nicht beurteilen.
Einnahme aus der Zuckersteuer wird darauf bewilligt.
aus der Erbschaftssteuer referiert g. Graf von Praschma, daß die Regierung auf Kommission erklärt habe, daß die Verhandlungen wegen schaftsstener noch vollständig in der Schwebe seien. von Heydebrand und der Lasa (lons): wird bereits der Entwurf eines Reichs— aus gearbeitet. Meine Freunde haben die — ken gegen den Weg, den damit die Reichsregierung é Begriff zu sein scheint. Wenn diese Besteuerung Erträge erzielen soll, so wird sie außerordentlich mund entgegen der bisherigen Annahme die wer treffen. Außerdem würde die Reichserbschafts⸗ enklichen Eingriff in eine unserer preußischen Steuer⸗ ñ Soll nun die preußische ieben der Reichssteuer besteben bleiben, oder soll etwa rbschartesteuer fortfallen? Auf jeden Fall wäre dieser der Meinung meiner Freunde überaus bedenklia. Das eine Einnahmen aus den indirekten Steuern den beiträgen decken. Es ist zwar in der Verfassung vorgeseben direkte Reichssteuern erheben werden können; aber in dech die anderen Quellen in Betracht kommen.
t angefangen ist, direkte Steuern im Reich zu nehmen,
zritt immer weiter gehen, und wir werden eine Reichs⸗
und Reichsvermögenssteuer zu befürchten haben. wir vom preußischen Standpunkte aufs ent- ier enste und bekämpfen. Wir wünschen, daß unsere Re⸗ gierung im Bundesrat dagegen Stellung nimmt, es würde mir er— wünscht sein, bier die Meinung der Regierung zu bören. Eventuell wir uns für die dritte Lesung des Etats einen Antrag vor. nicht nachgesagt werden, daß wir nicht rechtzeitig das
egen solche Plane ben
ergriffen haben. inanzminister Freiherr von Rheinbaben: Daß der Misere der Reichs finanzen abgeholfen
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und
keine Herren!
Verhandlungen noch in keiner Weise abgeschlossen, selbst im Reichs⸗ schatzmt noch nicht, und noch weniger ist eine Vorlage an das Staats⸗ ministerium oder gar an den Bundesrat gelangt. Bei dieser rein präparatorischen Lage der ganzen Sache bin ich außer Stande, meiner seits hier eine Erklärung abzugeben. Ich möchte nur betonen, daß meines Erachtens von einem Wegfall der preußischen Erbschaftssteuer gar keine Rede sein kann; denn ich wüßte nicht, wie die Bundes—⸗ staaten dazu kommen sollten, auf den Ertrag zu verzichten, den sie gegenwärtig haben. Es ist für Preußen ein Objekt von 11 Millionen, auf das wir niemals verzichten können. Ebenso pflichte ich Herrn Abg. von Heydebrand darin bei, daß der Weg einer Reichseinkommensteuer für die Bundesstaaten vollkommen un⸗ gangbar ist.
Auf diese wenigen Bemerkungen muß ich mich gegenwärtig be—⸗ schränken; ich würde fürchten müssen, sonst in die Verhandlungen ein⸗ zugreifen, die gegenwärtig bei den Reichsinstanzen schweben.
Abg. von Eynern (nl): Aus diesen Mitteilungen des Ministers geht hervor, daß das Projekt einer Reichserbschaftssteuer tatsachlich besteht. Das Projekt hat große Beunruhigung sowohl in den Einzelstaaten wie in den Kreisen der Steuerzahler bervorgerufen. Jedenfalls kann der Plan nur in Verbindung mit einer Revision des Einkommensteuergesetzes und namentlich des Ergänzungssteuergeseßzes durchgeführt werden. Wir in Preußen sind darin bei weitem zuruͤck= gesetzt gegen die süddeutschen Staaten. Ich kann heute noch keine ,, Stellung zu dieser Sache einnehmen, die erst in ihren An— ängen ist. Abg. Dr. Wiemer lr. Volksp.): Auch wir behalten uns die Stellungnahme bis zu dem in Aussicht gestellten Antrag bei der dritten Lesung vor. Unsere grundsätzliche Stellung schließt eine direkte Besteuerung auch für das Reich nicht aus, wir würden unter Um— ständen auch für eine Reichsvermögenssteuer zu haben sein. Die Konsequenzen einer Reichseinkommensteuer schrecken uns nicht, wir halten diese für besser als die indirekten Steuern, die stets nur die Schultern der wirtschaftlich Schwachen belasten. . —
Abg. Herold — 8 Auch wir haben noch keine Stellung in dieser Frage genommen, haben aber große Bedenken gegen eine Reichserbschaftssteuer. Jedenfalls muß mindestens nach einem gerechten Maßstab für eine solche gesucht werden. Für die Betreffenden ist es ja gleich, ob sie dem Reich oder ihrem Staat die Steuern zahlen müssen. Aber die Festsetzung der direkten Steuern sollte Sache der Einzelstaaten sein und bleiben. Für die Matrikularbeiträge muß noch ein anderer Maßstab gefunden werden als der der Kopfzahl; sie müssen nach der Leistungsfähigkeit bemessen werden. Preußen könnte ohne neue Steuern noch schwerere Lasten tragen. .
Abg. GSamp lfrkons⸗): Auch meine politischen Freunde können noch keine Eiklärung für ihre Stellungnahme abgeben. Ich persönlich schließe mich den Bedenken des Abg. von Hevdebrand an. Die Steuer für das Reich würde nicht viel Ertrag liefern, wenn die Erbschaft⸗ steuer für Preußen bestehen bleibt; sollte die Reichserbschaftssteuer so hoch bemessen werden, daß sie genügend einträgt, und trotzdem die preußische Steuer fortdauern, so würde die Steuer zu hoch werden. Wenn Herr Wiemer sich so gegen die Erweiterung der indirekten Steuern ausspricht, so möchte er doch einmal die Differenz in der Biersteuer zwischen Nord⸗ und Süddeutschland bedenken.
Die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer und die übrigen Einnahmen werden bewilligt. ö
Bei den Besoldungen für die Zoll- und Steuer— beamten befürwortet
Abg. Dr. Brandt ul) mit Rücksicht auf die Mehrarbeit in⸗ folge des neuen Zolltarifs die Aufbesserung der Steueraufseher im Abfertigungsdienst.
Im übrigen wird der Etat der indirekten Steuern ohne Debatte bewilligt.
Es folgt der Etat der direkten Steuern.
Die Einnahme aus der Einkommensteuer ist auf 137 Millionen Mark veranschlagt, d. h. 8 Millionen Mark höher als im Vorjahre. ; . .
Hierzu liegt die vergleichende Uebersicht der Ergebnisse der Veranlagung zur Einkommensteuer für 1903 und 1904 vor.
Berichterstatter Abg. Dr. Wiemer berichtet, daß sich aus dieser Uebersicht ergebe, daß die Wohlhabenheit im allgemeinen zugenommen habe, auch auf dem Lande sei sie im allgemeinen nicht zurückgegangen. Es sei ein Gesetz über die Einführung einer fakultativen Verschuldungs— grenze in Vorbereitung; es sei in der Kommission angeregt worden, dieses Gesetz nicht nur auf bäuerliche Verhältnisse, sondern auch auf den Großgrundbesitz und auf den städtischen Besitz in Anwendung zu bringen. Für die Revision des Einkommensteuergesetzes sei eine Novelle für den Herbst von der Regierung in Aussicht gestellt worden.
Die Einnahme aus der Einkommensteuer wird bewilligt, desgleichen die Einnahme aus der Ergänzungssteuer mit 37 Mill. Mark (L5 Mill. Mark mehr als im Vorjahre) und die übrigen Einnahmen.
Bei den dauernden Ausgaben, und zwar bei den Be— soldungen der Beamten, wünscht .
Abg. Hofmann (nl), daß die Finanzverwaltung dazu über— geben möge, die Stellen der Katasterbeamten, wie die der Rent— meister, öffentlich aus juschreiben. Der Redner äußert sich ferner ein⸗ gebend über die Organisation des Dienstes und der Bezüge der Katasterbeamten und verurteilt u. a. das überflässige Schreibwerk.
Generaldirektor der direkten Steuern Wallach erwidert, daß in der letzten Zeit bereits Ausschreibungen von Stellen für Kataster— beamte vorgengmmen seien. Die Erhöhung der Amtskostenentschädi⸗ gung der Katasterbramten sei sehr schwierig; es sei ganz unvermeidlich, daß in manchen Fällen die Entschädigung die Unkosten nicht decke. Das könne nur von Fall zu Fall geprürt werden.
Abg. Kindler (frs. Volksp) tritt für die Aufbesserung der Besoldung der Katasterzeichner ein.
Abz. Hofmann erklärt sich durch die Antwort des Regierungs⸗ kommissars nicht für befriedigt. .
Abg. Kirsch (Zentt.) unterstützt den Wunsch des Abg. Kindler; die Katasterzeichner müßten böäheren Rang und höheres Gebalt be⸗ kommen. Ferner müsse bei allen größeren Katasterämtern für einen Stellvertreter gesorgt werden, wenn der Katasterbeamte selbst ab— wesend sei; allerdings gebe es bestimmte Sprechstunden, wo der Beamte anwesend sei, aber die Leute auf dem Lande, die weit her⸗ kämen, wüßten das nicht und kämen vergebens nach dem Katasteramt.
Abg. Graf von Warten s leben: Rogäsen (kons.) spꝛicht den Wunsch aus, daß die Steuersekretäre in der von Steuergeschäften freien Zeit bei den Landratsämtern beschäftigt würden; die Landräte müßten ein. für allemal das Recht erhalten, über die Steuersekretäte in dieser Hinsicht zu verfügen.
Generaldirektor der direkten Steuern Wallach: Der Mnister hat bereits in der Kommission mitgeteilt, daß die Steuersekcetäre an Stelle der beurlaubten Kreissekretäre zu den Geschäften des Landrats— amts berangezogen würden. Aber daß die Steuersekretäre nach Be—⸗ endigung des Veranlagungszeschätts nicht beschäftigt sind, bildet nach meiner eigenen Kenntnis der Dinge nicht die Regel.
Die dauernden Ausgaben und ohne Debatte die einmaligen Ausgaben werden bewilligt. . .
Die Uebersicht über die Ergebnisse der Einkommensteuer⸗ veranlagung wird für erledigt erklärt.
Es folgt der Etat der Ansiedelungskommission in Verbindung mit der Denkschrift über die Ausführung des Ansiedelungsgesetzes für 1904.
n muß, ich glaube, darüber werden wir alle einig sein. (Sehr Aber welcher Weg dafür ju wählen ist, darüber sind die
Berichterstatter Abg. Wam hoff (nl) referiert, daß er im vorigen Herbst eine Reise in das Ansiedelungẽgebiet gemacht und 14 Tage
lang über 30 Ansiedelungsgüter besichtigt habe. Auch die Budget. kommission habe beschlossen, eine Informationgreise in das An, siedelungsgebiet im Mai zu unternehmen. Er habe die Ansiedelungen durchweg in gutem Zustande gefunden. Der Ankauf aus polnischem Besitz sei allerdings jurückgegangen, aber es komme nicht so sehr darauf an, daß aus polnischen Händen gekaust werde, sondern darauf, daß überhaupt deutsche Bauern angesiedelt würden. Der Durch- schnittspreis habe pro Hektar 800 A betragen. Im ganzen seien bisher 60 9090 Köpfe ang-siedelt worden. Er habe vor seiner Reise Bedenken gehabt, ob er alles so vorfinden würde, wie man es gein erwartete; aber seine Bedenken seien vollständig zerstreut worden, und namentlich müsse er das Beamtenpersonal der Ansiedelungekom— missionen rühmen.
Abg. Aronsohn (fr. Volksp.): Die Bestimmung des An— siedelungsgesetzes, wonach Polen der Landerwerb unmöglich gemacht wird, wird dazu führen, daß die Polen in die Städte gedrängt werden. Bisher bildeten die Städte das Bollwerk des Deutschtums im Osten, durch diese gesetzliche Bestimmung wird aber das Deutschtum der Städte ruiniert werden. Bereits 1903 baben die Handelskammern Danzig, Bromberg, Graudenz, Thorn und Posen in Eingaben an die Ansiedelungskommission über die dadurch entstehende Schädigung der Kaufleute geklagt, aber bisher keine Antwort darauf erhalten. Wir haben deshalb jum Schutze des Handels folgenden Antrag ein— gebracht, um dessen Annahme wir bitten: „die Regierung ju er⸗ suchen, in den Etat der Ansiedelungskommission für Westpreußen und Posen für 1906 für zwei kaufmännisch vorgebildete Hilfekrafte mit Rang und Bezügen von Regierungsräten die erforderlichen Mittel einzustellen. Durch diese Maßnahme könnten auch die landwirtschaft⸗ lichen Produkte der noch nicht aufgeteilten Ansiedelungegüter zweck. mäßiger verwertet werden.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Podbiels ki:
Meine Herren! Ich muß leider dem Antrag, den der Herr Vor⸗ redner dem hohen Hause gegenüber soeben warm befürwortet bat, doch entgegentreten. Meine Herren, wenn ich zunächst auf die Frage ein ⸗ gehe, die ja zweifellos unausgtsetzt die Staatsregierung beschäftigt hat, nämlich auf die Frage des Zurückgehens des Deutschtums oder, wie ich glaube, richtiger ju sagen, die Zunahme der polnischen Bevölkerung in den kleinen Städten, so glaube ich, meine Herren, es liegt hier ein Moment vor, welches zweifellos sehr ju bedauern ist. Aber, wie immer bei solchen Gelegenheiten, sucht man die Schuld an anderen Orten, als da, wo sie tatsächlich liegt. Meine Herren, der Grund für diese bedauerliche Erscheinung liegt darin, daß infolge der Ge— werbefreiheit und infolge der Aenderung der Verfassungen der Staͤdte in der Provinz Posen allgemein eine erhebliche Zuwanderung vom Lande nach den Städten stattgefunden hat, eine Zuwanderung, die in der früheren Zeit infolge der eigenartigen Lage der Verhältnisse in gleichem Maße nicht stattfinden konnte. Daraus haben sich die wenig erfreu⸗ lichen Verhältnisse in den Städten entwickelt, und darauf ist die Zunahme des polnischen Elements in den Städten jurückjusühren. Meine Herren, ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Städten eigen, in deren Nähe überhaupt niemals ein Ansiedelungegut gekauft ist, und wo trotzdem die polnische Bevölkerung im Verhältnis zur deutschen bedeutend zugenommen hat. Der Grund für diese bedauerliche Tatsache liegt aber nicht in der Tätigkeit der Ansiedelungskommission, son⸗ dern er ist, wie ich schon erwähnte, darin zu suchen, daß infolge der Ge⸗ werbefreiheit und infolge der Veränderung in den Städteverfassungen der polnischen Bevölkerung die Möglichkeit stärkerer Zuwanderung nach den Städten gegeben war. Was nun den Antrag des Herrn Vorredner an⸗ betrifft, so wollen Sie erwägen, daß es bei dem großen Betriebe der An⸗ siedelungkkommission unmöglich ist, bei derjenigen Gütern, die noch in der eigenen Verwaltung stehen, diese Verwaltung den Inspektoren oder Gutsverwaltern, wie Sie sie nennen wollen, zu überlassen. Es muß, melne Herten — dazu sind wir der Staatgberwaltung gegenüber verpflichtet —, eine ordentliche Kontrolle stattfinden, d. h. es muß alles das wirklich, was zum Verkauf kommt, einmal erst an einer Stelle zur Ablieferung gelangen, damit nach jeder Richtung hin eine durchsichtige Verwaltung geführt wird. Würde, meine Herren, dieser Verkauf von jedem Verwalter nach der nächsten Stadt erfolgen, so, glaube ich, meine Herren, würde sich schwer ein Land⸗ wirtschaftsminister finden, der die Verantworlung für diese Ver⸗ waltung übernehmen wollte. (Sehr richtig! rechts Die Sache ist gar nicht anders durchzuführen, als daß man überhaupt den einzelnen Gutsverwaltungen das Recht zum Verkauf nimmt und diesen Verkauf konzentriert. Meine Herren, Sie sagen — und ich möchte gegen den Ausspruch Widerspruch erheben —, wir geben den Verkauf einer Aktiengesellschaft. Ich sage nein. Denn zur Zeit ist das deutsche Lagerhaus in Posen keine Aktiengesellschaft, sondern eine Gesellschaft auf genossenschaftlichet Grundlage, also keine Ewerbsgesellschaft, sondern eine solche, die nur den Zweck hat, das Korn in den Verkehr überzuführen. Ich möchte auch in diesem Moment heworheben, meine Herren: unterstützen Sie mich, bitte, darin, diesen großen Koloß, Ansiedelungskommission genannt, nicht noch zu vergroͤßern, noch mehr auszubreiten, was der Fall sein würde, wenn nunmehr hier wieder kaufmännische Angestellte angestellt würden, die meiner Ansicht nach doch auch weiter nichts tun könnten, als den Verkauf irgend einer Firma in Posen ju übertragen. (Wider⸗ spruch) — Ja, Herr Abg. Aronsohn, Sie werden et mir nicht ver—= argen, wenn ich sage: in Posen. Denn, meine Herren, wir können garnicht anders eine Kontrolle üben, als wenn die Sache an einem Punkte konzentriert wird. Der Verkauf müßte also auch dann in Posen konzentriert werden.
Nun möchte ich noch auf einen andein Punkt näher cingehen, über den ich bereits in der Budgetkommission mich ju äußern Ge⸗ legenbeit batte; es ist das die Frage: sollen die einzelnen Ansiedler auf ibren Besitzungen frei hingestellt werden, oder ist es nicht richtiger, diese Ansiedler, die vielfach die eigentümlichen Verhälinisse Posens und Westpreußeng nicht kennen, dadurch ju stärken, daß wir sie genossenschaftlich jusammenführen. Meine Herren, unaußtgesetzt wird der Landwirtschaft immer vorgehalten, daß sie auf diesem Gebiete nicht genug tätig wäre und ich muß sagen, ich bin ein unbe—⸗ dingter Anhänger von gesunden Gerossenschaften, während ich freilich die ungesunden allerorten in der Landwirtschaft bekämpfe. Ich habe aber bis jetzt — das muß ich anerlennen — gerade hier unter den Ansiedlern nur sehr gesunde genossenschaftliche Bil⸗ dungen, wie das auch seitens des Herrn Referenten hervorgehoben worden ist, der selbst dorthin gereist war, um sich an Ort und Stelle zu orientieren, konstatieren knnen. Ich wiederhole, meine Herren, ich erachte es als eine absolute Notwendigkeit, daß die Ansiedler, damit der einzelne in den schwierigen Verhältnissen nicht zu Grunde geht, möglichst in den einzelnen Ottschasten genossenschaftlich zusammen⸗ geschlossen werden. Hierbei will ich bemerken: nicht richtig finde ich die großen Lagerhäuser. Diese großen Lagerhäuser verwerfe ich, ich bin
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auf einem anderen Boden erwachsen auf dem einen oder anderen Wege, Deutschtum zu erhalten und zu stärken; denn meiner Ansicht nach ist . es die selbfstverständliche Pflicht der preußischen Staatsverwaltung,
in Posen und Westpreußen an keiner
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ung erfahren. bbsatz 1 und 2 und § 85 des Sewerbeunfallversicherungsgefetzes und
ker zur Entschädigung verpflichteten Reicksversicherungs amt bearbeitet worden, von denen 170 aus dem
nicht ihr Freund, ich bin unausgesetzt bestrebt, sie zu beseitigen; sie bringen einerseits für die Landwirte keinen Nutzen, bergen aber auf der andern Seite zweifellos einen sch weren Schaden in sich für den Kaufmann und den Handelsstand in den kleinen Sladten. (Sehr richtig! rechts.) Im übrigen glaube ich, Herr Aronsohn wird es mir auch zugeben, daß zweifellos für eine ganze Reihe von Städten in Posen und West—⸗ preußen gerade der Kranz dentscher Ansiedelungen um diese Städte wesentlich dazu beigetragen hat, den kleineren deutschen Handwerker und Kaufmann zu stärken und ich kann nur diese Zunahme der polnischen Bevölkerung in den Städten aufrichtig bedauern. (Unruhe bei den Polen) Ich bedaure es sehr und auch die Staatsregierung bedauert es sehr, daß man vom pol nischer Seite über den deutschen Handwerker und Kaufmann einen Bopkott verhängt hat. (Unruhe und Zurufe bei den Polen: Urnngekehrt! — Oho! rechts) — Meine Herren, ich darf doch wohl ohne Einsprucherhebung der Herren (zu den Polen) — Sie haben jawohl nachher Selegenheit, mir zu antworten — die Ueberzeugung konstatieren, von der die Staatsregierung durch— drungen ist, und für deren Wichtigkeit vielfache Beweise vorliegen: Es wird doch aller Orten und zu jeder Zeit in polnischen Zeitungen
beworgeboben, unter keinen Um ständen bei einem deutschen Kaufmann,
bei einem deutschen Handwerker Bestell ungen zu machen! (Sehr richtig! rechts) Darum hat die deut sche landwirtschaftliche Bevölkerung die Pflicht, in engem Konnex mit den Städten ju leben. Ich befinde mich nach dieser Richtung vollständig mit dem Herrn Abg. Aronsohn in Uebereinstimmung, aber ich glaube nicht, daß dieser Kaufmann, den Sie hier der Ansiedelungskom m ission anfügen wollen, dieses erwünschte Ziel uns erreichen lassen würde. Man muß es sich vergegenwärtigen, daß diese bedenkliche Erscheinumg für die deutschen Städte des Ostens, die wahrlich Jahrhunderte lang den Kampf mit Erfolg geführt haben, ist. Hoffentlich gelingt es aber auch in den kleinen Städten das
nach jeder Richtung hin darüber zu wachen, daß das polnische Element Stelle irgendwelche Fortschritte zu verzeichnen hat. (Bravo!)
Um 4½ Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung auf dienstag 11 Uhr; außerdem stehen der Etat der Lotteriever—
valtung, kleinere Etats und das Etatsgesetz auf der Tages— 0oordnung für Dienstag.
Statiftik und Volkswirtschaft.
Der dem Reichskanzler aUjährlich einzureichende Geschäfts— vericht des Reichspersiche r ung samts ist für das Jahr 1904 — das 20. Geschäftsjabr des Amts — erstattet worden und dem Reichstage zugegangen. .
Nach dem Bericht waren auf dem Gebiet der Unfallver⸗ sicherung mehr als 19 Millionen Wersicherte vorhanden.
Die Zabl der angemeldeten Unfälle betrug nach einer vorläufigen Ermittelung 582 648 die der erstmalrKg entschädigten Unfälle 138 552. Die gezablten Entschädigungen beliefen sich nach einer vorläufigen
Die Uebernahme des Heilverfahren innerhalb der ersten 13 Wochen nach dem Unfalle (58 760 des Kranken dersicherungegesetzes) erfolgte im
Ermittelung auf 126763 163 6
Jahre 1903 seitens der gewerblichen SBerufsgenossenschaften in 8292,
seitens der land und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften in 29, zufammen also in 109 621 Fällen.
Schiedsgerichte für Arbeiterversicherung (Kaiserliche Verordnung vom 22. Nobember 1900) bestanden am Schlusse des Berichtsjahres 123. Bei diesen sind aus dem Bereiche ver Unfallversicherungsgesetze
im Jabre 1901 65 197 Berufungen anhängig geworden gegenüber 375 635 Bescheiden der Festste Lungs organe. Außerdem wurden im
Berichts jahre bei den Schiedsgerichten 19992 Anträge gemäß 3 88
Absatz 3 des Sewerbeunfallversicherungægesetzes und der entsprechenden
BPVaragrapben der übrigen Unfallversicherungsgesetze vom 30. Juni 1900
auf anderweite Feststellung der Mente gestellt.
SGegen Schiedsgerichtsurteile, welche im Rekursverfahren der Zu— tändigkeit des Reiche versicherung Zamts unterlagen, waren 23 665 Re— urse zu bearbeiten, von denen 7192 aus den Vorjahren übernommen wurden. Die neu eingelegten Re kurse, 16473 gegen 15 625 im Jahre 1903. haben also im Berichtsja bre wiederum eine erbebliche Steige⸗ Außerdem sind auf Srund des 5 73 Absatz 2, 5 83
er einschlägigen Bestimmungen der übrigen Unfallversichsrungsgesetze om 30. Juni 1900 im Berichtsjabre 450 Anträge auf Feststellung Versicherungsträger bei dem orjabre stammen. Durch Urteil wurden 14967, durch Beschluß als niulässig, verspätet oder offenbar ungerechtfertigt und auf andere Art (Zurücknabme, Vergleich uf wm) 18053, jusammen 16770 Rekurse kledigt. In 1140 Sitzungen haben 17 3532 mündliche Verhandlungen fattgefunden. Davon entfallen S6 Sitzungen mit 13297 münd⸗ ichen Verbandlungen auf Rekurse aus dem Gebiete der Ge⸗ erbe⸗ Bau- und Seeunfallversicherung, 2616 Sitzungen mit L055 Verbandlungen auf Rekurse aus dem Gebiete der jand, und rstwirtschaftlichen Unfallversiche rung. Unter den 1140 Sitzungen 1d 2 des Erweiterten Senats.. Beweiserhebungen wurden in 6 Fällen beschlossen. Unter 14 967 durch Urteil erledigten Rekursen Ffanden sich 4355, das sind 29, 1 0, ( 1963: 305i), durch welche e Schiedsgerichts urteile völlig eder teilweise abgeändert wurden. Fei den Rekursen der Versicherren betragen die entsprechenden Prozent⸗ ölen 223 (18903: 22,9 09, Bei denen der Berufs genossenschaften „56 (1853. 52,5 osc⸗ Nach Ueberwindung der bauwtsächtichsten, mit der Einfübrung der nfallpersicherungs gesetze vom 30. Juni 1900 verbundenen Schwierig⸗ iten batte sich die Rechtsprechung des Reicksversicherungsamts, wie hon im Jahre 18903, auch im Berichtsjahr in erbeblichem Umfange t neu auftauchenden Fragen grundsäßlicher Natur zu befassen. Dle ichtige ren Entscheidungen bezie ben sich insbesondere auf die Frage, ein Unfall bei dem Betriebe vorliegt, auf den ursach— chen Zusammenbang zwischen der festgestellten Leiden und é Unfallverletzung, die Versicherungerflicht der Verletzten, n Umfang der Entschädigungen, die Berechnung des der entenberechnung zu Grunde zu Legenden Jahtesarbeitsverdienstes, die emessung des Grades der Erwerksun fähigkeit, die Veränderung der erbaltnisse, die Beteiligung mebhcerer Versicherungsträger an der itschädigung, das Verhältnis des Inlands zum Auslande kei iblung der Renten, die Auslegung wichtiger statutarischer Be⸗ nmungen der Berufsgenossenschaften, das formelle Verfahren in allversicherungs treit fachen. 4 Die land⸗ und forstwirtschaftliche Unfallstatistik nach Len Er— angen aus dem Jahre 1901 ift im Beiichtsjabr abgeschlossen und 2 Teilen (Amtliche Nackrichtern des Reiche versicherungtamts 1904 und 2. Beiheft) veröffentlicht. Für 19 gewerbliche Berufsgenosseaschaflen wurde ein neuer Ge, sentarif genebmigt. ö ; Von den landwirtschaftlichen Be rufẽegenossenschaften ist einer ufsgenossenschaft ein weuer Sefahrentarif und einer anderen die ibehaltung des bisber geitenden Tarifs genehmigt worden. Gefahrentarif. Umlage. Prämien- und Atschätzungsbeschwerden rden im Berichts jahre 2155 behandelt, von denen 557 aus dem riabt übernommen waren. Erledigt wurden 1731.
Ueber die Aufnahme von Betrieben in die Genossenschaftskataster (Unternehmerverzeichniffe) war in 3041 Fällen — einschließlich der 1004 aus dem Vorjahre stammenden Fälle — zu entscheiden. Hiervon wurden 2212 Sachen erledigt. An Straf⸗ und sonstigen Beschwerden aller Art waren im Berichte jahre 9563 — darunter 2377 aus dem Vorjahr — anhängig, von denen 7343 ihre Erledigung fanden. Amrbeiterbilfsgesuche sind im Berichtsjahre 2276 eingegangen; diese Zahl ist um 53 kleiner als im Vorjahre.
3 gewerblichen Berufsgenossenschaften wurden im Berichts jahre die abgeänderten oder ergänzten Unfallverhütungsvorschriften genehmigt. 2Wdieser Vorschriften enthalten die Bestimmung, daß fremdsprachige Arbeiter nur eingestellt werden dürfen, wenn sie die deutsche Sprache soweit beberrschen, daß sie die mündlichen Anweisungen ihrer deutschen Vorgesetzten und Mitteilungen ihrer Mitarbeiter richtig auffassen und die in deutscher Sprache erlassenen Unfallverhütungsvorschriften ver— steben. Für 7 weitere Berufsgenossenschaften sind die Ent— würfe teils neuer, teils abgeänderter oder von Nachträgen zu bereits bestehenden Vorschriften eingegangen und zur Genehmigung vorbereitet worden. Von der Seeberufsgenossen⸗ schaft ist ein besonderer Nachtrag zu den Unfallverhütungs— vorschriften, der sich mit Schutzmaßnahmen gegen die großen Gefahren an Bord der Fischdampfer beschäftigt, beschlossen. Ferner hat die Knappschaftsberufsgenossenschaft, welche bisher keine Unfall verhütungsvorschriften besaß, im Berichtsjahre beschlossen, für die— jenigen Nebenbetriebe, welche nicht der Hergaufsichtsbehötrde unter— stehen, solche Vorschriften zu erlassen. Die darauf bezüglichen Vor— arbeiten sind bereits in Angriff genommen, sodaß zu erwarten stebt, daß demnächst sämtliche dem Reichsversicherungs amt ausschließlich unterstellten 61 gewerblichen Berufsgenossenschaften Unfallverhütungs— vorschriften besitzen.
Die von den land und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften im Jahre 1802 zur Ausarbeitung von Normalunfallverhütungs— vorschriften gewäblte Kommission hat unter Zuziehung landwirtschaft⸗ licher Sachverständiger und unter dem Beirat von Vertretern des Reiche versicherungsamts im Berichtsjahre Vorschriften für landwirt⸗ schaftliche Nebenbetriebe gewerblicher Art ausgearbeitet. Bei sechs landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften haben die Genossenschafts— versammlungen bereits UÜnfallverhütungsvorschriften angenommen, die zur Zeit dem Reichsversicherungsamt zur Genehmi— uh vorliegen. Die meisten anderen dieser Senossenschaften
aben Entwürfe ausgearbeitet, die zur Zeit noch geprüft werden. Die oben erwähnte Kommission ist beauftragt worden, nunmehr Normalvorschriften für andere land⸗ und forstwirtschaftliche Betriebs⸗ einrichtungen und Arbeitstätigkeiten zu entwerfen. Die Beachtung der für die Unfallverhütung erlassenen Vorschriften seitens der Betriebsunternehmer und Arbeiter lassen 59 gewerbliche Berufsgenossenschaften durch 250 technische Aufsichtsbeamte überwachen. Die Zahl dieser Beamten ist gegen das Vorjahr um 33 erböht worden. An dDieser Vermehrung sind die Baugewerksberufsgenossenschaften mit 19 Neuanstellungen beteiligt.
Auf der Weltausstellung in St. Louis bildeten die Vorführungen des Reichsversicherungsamts und des Kaiserlichen Statistischen Amts eine besondere Ausstellungsabteilung „Die Arbeiterversicherung des Deutschen Reichs“. Das internationale Preisgericht hat die Gefamt— ausstellung durch 15 große Preise und 15 goldene Medaillen aus— gejeichnet. Außerdem ist dem Präsidenten des Reichsversicherxungsamts die in jeder Abteilung von der höheren Jury nur einmal verkiehene große goldene Arbeitsmedaille zuerkannt, weil die Vorführungen als die beste, vollständigste und am schönsten eingerichtete Ausstellung in der Abteilung ‚Sozialökonomie angesehen würden. Dienstordnungen für Genossenschaftsbeamte sind im Berichtsjahre für 2 gewerbliche und 1 landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft be⸗ stätigt, sodaß nunmehr für sämtliche Berufsgenossenichaften, bei welchen nicht Staats. oder Kommunalbeamte verwendet werden, Dienstordnungen bestehen. Mit einer Reihe von Berufsgenossen— schaften, die bisher die Verleihung von Pensionsrechten fowie Witwen- und Waisenversorgung nicht vorgesehen hatten, sind entsprechende Ver⸗ handlungen eingeleitet, die in einem Falle den angestrebten Zweck zur Folge hatten. Mit 5 Berufsgenossenschaften sind diese Verhandlungen noch nicht zum Abschlusse gebracht.
Die bei der Feststellung der Entschädigungen besonders zu be— achtenden Gesichtspunkte sind in einem Rundschreiben neu zusammen— gestellt und in den Amtlichen Nachrichten des Reichsversicherungsamts deröffentlicht worden. .
Weitere Rundschreiben betreffen das Ruhen der Rente, den Fort— bezug der Unfallrenten und die Gewährung des Anspruchs auf Hinter— bliebenenrente bei Ausländern und den Uebergang der Entschädigungs— ansprüche Unfallverletzter gegen haftpflichtige Dritte auf die Berufk— genossenschaft.
SBirsichtlich der Rentenausjablung und der Abrechnung der Ver— sicherungsträger mit den Zentralpostbehörden haben jwischen dem Reichsversicherungsanet, dem Reichspostamt und den Versicherungs. trägern Verhandlungen stattgefunden, die im Berichtsjahre aber noch nicht zum Abschlusse gebracht sind.
Die gengssenschaftliche Vermögensverwaltung wurde im Berichts jahre in 68 Fallen durch das Reichsversicherungsamt geprüft. Ferner wurden in Ausäbung der Aufsichtsbefugnis (8 125 Absatz 4 des Gewerbeunfallversicherungsgesetz s vom 3. Jun 1900) im Jahre 1904 vom Reichsversicherungkamt 6 Unfallkrankenhäuser, welche sich zwar als private Unternehmungen einzelner Aerzte oder einer Ver⸗ einigung von Aerzten darstellen, aber sich ausschließlich oder fast aus— schließlich mit der Behandlung von Unfallverletzten befassen, einer Revision unterzogen worden.
Von den Vorschriften des Reichsversicherungsamts, durch welche die Uebertragung von Verwaltungsgeschäften auß die Geschäͤftsführer geregelt ist, haben 41 Genossenschafts, und 122 Sektionsvorstände Gebrauch gemacht. Neue Anträge guf Schaffung von Haftpflichtversicherungsein⸗ richtungen sind im Berichtsjahre beim Reichsversicherungsamt nicht gestellt worden. Die früher gestellten Anträge sind dem Bundesrat sämtlich übermittelt.
ö. die im Jahre 1903 ausgeschiedenen nichtständigen Mitglieder des Reichsversicherungsamts haben im Berichtsjahre Nachwahlen statt— gefunden. Das Wahlergebnis ist veröffentlicht.
Auf dem Gebiete der Invalidenversicher ung waren bis zum Schlusse des Jahres 1904 insgesamt 1639 924 Invaliden, Kranken⸗ und Altersrenten anerkannt, von denen am 1. Januar 1905 noch S887 428 weiter zu jahlen waren. Von den Ansprüchen auf Beitragä— erstattungen sind bis zum Schlusse des Berichtsjahrs 1469 218 anerkannt worden. An die Rentenempfänger usw. wurden im Berichtsjahre 126 n vorläufigen Feststellung etwa 150 Millionen Mark ver ausgabt.
Bei den Schiedsgerichlen wurden im Berichtsjahre 27 584 Be— rufungen anbängig, währen die Versicherungsanstalten usw. in dem— selben Zeitraume 400 371 berufungsfähige Bescheide in Invaliden. und Altersrentensachen erlassen haben.
Gegen Schiedsgerichtsurteile wurden 4661 Revisionen in In— validenrenten . 137 Revisionen in Altersrentensachen, zusammen 4798 Revisionen eingelegt. Zu bearbeiten waren, einfchließlich der aus dem Vorjahre unerledigt übernommenen, 63060 Invalidenrenten⸗ und 196 Altersrentensachen, zusammen also 64965 Sachen. Hiervon wurden erledigt durch Urteil 4327, auf andere Wesse (Zurücknahme, Vergleich usw.) 470, jusammen also 4797 Revistonen. In 321 Sitzungen haben in 4401 Sachen mündliche Veihandlungen stattgefunden. Davon sind vor dem Erweiterten Senat“ in L Sitzung 5 Sachen, vor dem Verstärkten Senat“ in s. Sitzungen 38 Sachen und vor dem „‚Engeren Senat“ in 312 Stzungen 4553 Sachen verhandelt worden. Vor dem „Ver⸗ stärkten Senat erging außerdem in 2 Streitsachen aus 5 113 Absatz? . und in 1 Streitsache aus S5 75, 110 Absatz 1 Ziffer 1 Ent⸗
eidung.
Von den 4327 durch Urteil erledigten Revisionen wurde das Schiedsgerichtsurteil in 3117 Fällen beflätigt und in 187 Fällen völlig
Der, teilweise abgeändert. In 723 Fällen wurde die Sache an das Schiedsgericht oder an den Vorstand zurückverwiesen. In 5 Fällen,
in denen der junächst mit der Sa Entscheidung abweichen wollte, entscheiden
e befaßte Senat von einer früheren
der „Erweiterte Senat“ zu 2 8 —— R . 3 im § 15 Absasz ] des Invaliden versicherungsgesetzes den Vorständen der Versicherungszansta zegebenen Befugnis, in Streitfällen über die Versicherungspflicht sicherungs berechtigung bestimmter Personen die Entscheidung des Reichsversicherungs amts herbeizuführen, haben die Vorstände i vielfach Gebrauch gemacht.
In Zahlreichen Fallen wurden an das Reichspversicherungsamt auch im Berichts jahre wieder Anfragen über Gegenstände der Ver— sich' rung gerichtet, auf welche vielfach eine fachlich. Antwort nicht er- teilt werden konnte, da für die Auskunftserteilung in Invalidenfachen in erster Linie die unteren Verwaltungsbebsrden zuständig find.
Arbeit hilf õgesuche usw. sind im Berichtsjahre 1252 eingegangen. . Die Ablehnung oder Ausübung des Heilverfahrens seitens der Versicherungsanstalten hat den Versicherten fw in zablreichen Fällen Anlaß gegeben, sich beschwerdeführend an das Reichs versicherungsamt zu wenden. Eine sachliche Prüfung dieser Eingaben konnte in der Regel nicht stattfinden, da die Anstalten darüber, ob und in welcher Weise sie die Heilbehandlung übernebmen wollen, selbständig zu ent⸗ scheiden haben. Dagegen hat daz Amt zu der Frage der Angebörigen⸗ unterstützung und des Ersatzanspruchs der eine Heilbehandlung ge⸗ währenden Versicherungsanstalt gegenüber den Krankenkaffen mehrfach grundsätzlich Stellung genommen. Die mit dem Jahre 1897 beginnend istik der Heilbehandlung ist bis einschließlich 1903 ergänzt w und umfaßt nunmehr 184 09 Personen, deren Behandlung 43 517 810 4 erforderte. Die auf die Bekämpfung des AÄlkobolmißbrauchs gerichteten Be—= strebungen sind durch Empfehlung einschlägiger Schriften, sowie durch besondere Ancegung einer Aenderung der Freibiergewährung in den Brauereibetrieben unterstũtzt worden. ĩ
Anträge auf Zulassung besonderer Leistungen im Interesse der der
Versicherungsanstalt angehbrenden Rentenempfänger, Tersicherten fowie ihrer Angehörigen aus den Ueberschüssen des Sondervermögens der Versicherungsanstalten (8 45 des Invalidenversicherungsgesetzes) sind auch im Berichts jahre mehrfach gestellt und vom Bundesrat enehmigt worden. Die Errichtung von Invalidenhäusern hat insofern einige Fort⸗ schritte gemacht, als eine Versicherungsanstalt ihr Invaliden haus er— weitert und eine besondere Kasseneinrichtung ein neues Invalidenheim errichtet und den Bau zweier weiterer Invalidenheime in Aussicht ge— nommen hat. Von jwei Versicherungsanstalten ist die Errichtung neuer Invalidenheime gleichfalls geylant. Außerdem werden von ein zelnen Versicherungsanstalten auch Rentenempfänger an Anstalten, die von Dritten unterbalten werden, überwiesen.
Dig Geschãfts führung wurde durch das Reichsversicherungsamt bei 10 Versicherungsanstalten geprüft, womit gleichzeitig eine Be— sichtigung der von den einzelnen Versicherungsanstalten für die Ver- sicherten geschaffenen besonderen Einrichtungen, insbesondere der Krankenhäuser, Lungenheilstätten usw. verbunden war.
Für 6 Versicherungsanstalten wurden Satzungsänderungen ge⸗ nehmigt.
Die Berichterstattung der Versicherungsanstalten über die Kontroll. tätigkeit bezüglich der Beitragsleistung hat ergeben, daß durch diese Kontrollen soweit sie in größerem Umfange geübt werden, bedeutende Erfolge zu erzielen sind. Die für fünf Versickerungsanstalten seither nur auf ein Jahr genehmigten Kontrollworschriften sind nunmehr ohne Beschränkung der Gültigkeitsdauer genehmigt worden.
„Zu gemeinnützigen Zwecken waren aus den Vermögens beständen der Versicherungsanstalten und der zugelassenen besonderen Kasseneinrichtungen bis zum 31. Dezember 1904 leihweise hergegeben:
1M für den Bau von Arbeiterwohnungen. 133 191 510 4A 2) zur Befriedigung des landwirtschaftlichen Kreditbedůrfnisses w 73 452 931 ,
3) für den Bau von Kranken, und Genesungs—
178 304 006 . 384 948 447 S6
häusern usw. sowie für andere Wohlfahrtseinrichtungen
. zusammen Für die Errichtung eigener Kranken,, Genesungs, Invaliden⸗ häuser usw. batten die Änstalten bis zum Schlusse des Berichtsjahres 33 021 005 ƽ verausgabt.
Ueber Beschwerden gegen die Kostenverteilung der Schiedsgerichts= vorsitzenden (nach den hierfür vom Reichsversicherungsamt im Jahre 1902 erlassenen Bestimmungen) war im Berichtsjahre in 33 Fällen zu entscheiden.
Bei der Rechnungsstelle des Reichsversicherungs amts gingen im Berichtsjahr über bewilligte Renten 167 903 Zählkarten ein, von denen 588 wegen ungenügender Angaben beanstandet werden mußten.
Eine Statistik über die Ursachen der Erwerbsunfähigkeit ist im Berichtsjahr als 2. Beiheft zu den Amtlichen Nachrichten des Reichs- versicherungsamts für 1903 veröffentlicht worden.
In den „Amtlichen Nachrichten! des Reichsversicherungsamts wurden im Berichtsjahre aus dem Gebiete der Unfallversicherung 46 Rekursentscheidungen und Verwaltungsbescheide, aus dem Gebiete der Invalidenversicherung 79 Revisionsentscheidungen, Entscheidungen aus F 155, 5 75. 5 110 Absatz 1 Ziffer 1 und 3 und S 113 Absatz 6 des Invalidenversicherungsgesetzes und Verwaltungsbescheide veröffent- licht. Aerztliche Obergutachten gelangten mit Zustimmung der Ver—⸗ fasser 11 zum Abdruck.
Die Gesamtjahl der bearbeiteten Rekurse, Revisionen und Be— schwerden betrug, abgesehen von den Arbeiten der Rechnungsstelle, 42 964, von denen 11028 unerledigt geblieben sind.
7 L
Berichts jahre wiederum
Zur Arbeiterbewegung.
Die Lohnbewegung der Korbmacher und Hilfsarbeiter in der Gebr. Reichsteinschen Kinderwagenfabrik in Branden burg a. H. (vgl. Nr. 56 d. Bl) hat, wie die ‚Voss. Ztg. erfährt, zum Ausstand geführt. Wie schon mitgeteilt, fordern sie Erhöhung der Löhne für Akkordarbeit, ferner Verkürzung der Arbeitszeit. Ob⸗ wohl ein Teil der Forderungen bewilligt war, führten die Differenzen noch am Sonnabendabend dazu, daß 146 Mann in den Ausstand traten oder von der Fabrikleitung entlassen wurden.
Aus Winterthur wird der ‚Frkf. Ztg. telegraphiert, daß die dort tagende Delegiertenversammlung des schweizerischen Textil⸗ arbeiterverbandes sich für den Zusammenschluß zu einem großen schweizerischen Textilarheiterverband entschied.
Der Grubenarbeiterverband des Kohlenbeckens von Charleroi hat, wie W. T. B. meldet, in seiner gestrigen Dele⸗ giertensitzung die Wiederaufnahme der Arbeit beschlossen. Damit ist, nachdem hintereinander in dem Becken von Lüttich, dem Mittel becken und dem Borinage die Arbeit wieder aufgenommen worden ist, die Ausstandsbewegung der belgischen Gruben- arbeiter beendet. (Vgl. Nr. 54 d. Bl.)
Handel und Gewerbe.
(Aus den im Reichsamt des Innern jusammengestellten
„Nachrichten für Handel und Industrie“). Französisch ⸗ Guinea. Zolltarif ent wurf. Wie die Revue du Commerce Extòrieur erfäbrt, ist ein von dem Gouverneur von Französisch⸗ Guinea dem Generalrat vorgelegter Zolltarifentwurf, der sowohl in den Ver⸗ waltungsgebieten des eigentlichen Guinea wie des Senegal Anwendung finden soll, bereits von dem Generalrat angenommen und wird dem⸗ nächst dem Conseil d'hbtat zur Genehmigung unterbreitet werden. In dem neuen Tarif, dessen Inkrafttreten vor dem Monat Juli d. J. nicht zu erwarten sei, soll für alle nicht französischen Waren ein Zoll- zuschlag vorgesehen sein.