1905 / 68 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

der deutschen Bodenreformer in Berlin, betreffend die Land⸗ frage in Deutsch⸗Südwestafrika, wird durch die Annahme der Resolution für erledigt erklärt.

Die Etats für Neu⸗Guinea (Reichszuschuß 852 436 060) für die Karolinen, Palgu und Maxianen Reichszuschu 161 095 6) werden ohne Debatte genehmigt.

Beim Etat für das Schutzgebiet Samoa bemerkt der

Abg. Dr. de kum (Soz.): Im vorigen Jahre hat der Kolonialdirektor mitgeteilt, daß die eingeborenen Polizisten wegen Miß⸗ handlung des Farmers Matzat entlassen und gerichtlich bestraft worden seien. Nach neueren Informationen aber soll dies nicht der Fall sein. Ferner möchte ich wiffen, wie es mit der Einfubr farbiger Kräfte in Samoa steht, ob Polvnesier und Chinesen eingeführt werden.

Direktor der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts Dr. Stuebel: Ich habe im vorigen Jahre den Tatbestand aus den Akten mitgeteilt. Ich wäre dem Vorredner dankbar, wenn er mir die Quelle mitteilte, aus der seine gegenwärtigen Infor— mationen stammen, ich würde dann nicht unterlassen, das Gouverne⸗ ment zu einem Bericht in der Sache aufzufordern. Polynesier werden schon seit 20 Jahren und länger von der Deutschen Handels und Plantagen-Gesellschaft nach Samon eingeführt, und zwar auf Privat⸗ rechnung dieser Gesellschaft. Es ist das also in keiner Weise etwas Neues. Was die Einwanderung von Chinesen anlangt, so sind im Etat Fonds für diesen Zweck vorgesehen, und diese Fonds, die im vergangenen Jahre nicht voll aufgebraucht worden sind, sind gegen⸗ wärtig dazu benutzt, um eine zweite Einfuhr von Chinesen nach Samoa zu vermitteln. .

Abg. Dr. Südekum: Der Abg. Stadthagen, der im vorigen Jahre die Sache hier vorgetragen hat, ist nicht anwesend, wir werden darauf zurückkommen.

Der Etat wird bewilligt; Reichszuschuß 222 150

Die Reichszuschüsse werden in das Extraordinarium der Kolonialverwaltung des Etats des Auswärtigen Amts ein— gesetzt.

Damit ist die Tagesordnung erledigt. ö

Der Präsident teilt mit, daß im Laufe der Sitzung zwei Nachtragsetats zum Etat für 1904 und ein dritter Er— gänzungsetgt zum Etat für 1905 eingegangen sind.

Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Montag 1. Uhr. (Zweite Lesung der Gesetzentwürfe, betreffend die Friedens⸗ präsenzstärke des Reichsheeres, und betreffend Aenderungen der Wehrpflicht.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 165. Sitzung vom 18. März 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung, in der zunächst die dritte Beratung des Staatshaushaltsetats für das k 1905 fortgesetzt wird, ist in der vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Die daselbst auszugsweise wiedergegebene Rede, die bei Besprechung des Etats der Justizverwaltung in Er— widerung auf die Ausführungen des Abg. von Brockhausen (kons.) der Justizminister Dr. Schönstedt gehalten, hat folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Auf die letzte Anregung des Herrn Abg. von Brockhausen kann ich mitteilen, daß ich auf Grund der im Reichstage und hier gegebenen Anregungen alsbald sowohl mit dem Herrn Handelsminister wie mit dem Reichsjustizamt mich in Verbindung gesetzt habe, um eine Vereinfachung des Wechselprotestes, soweit es angängig erscheint, in die Wege zu leiten. Es schweben darüber zur Zeit die Verhandlungen. Wenn ich nicht sehr irre ich bin nicht auf die Frage vorbereitet liegt die Sache so, daß der Herr Handels⸗ minister zunächst Aeußerungen der Reichsbank, dann auch der Handels kammer verlangt hat, von denen einzelne ja schon entschieden für die Vereinfachung des Protestverfahrens eingetreten sind. Ich teile die Auffassung des Herrn Abg. von Brockhausen, daß das gegenwärtige Protestverfahren einer Vereinfachung und einer Verbilligung nicht nur zugänglich, sondern auch bedürftig ist, und ich hoffe, daß die zu—— ständigen Organe der Reichsgesetzgebung im Laufe der nächsten Session an diese Frage herantreten und sie zu einer befriedigenden Lösung bringen werden.

Was dann die verschiedenen Fragen des Herrn von Brockhausen über das Genossenschaftswesen angeht, so war der erste von dem Herrn Abgeordneten ausgesprochene Wunsch, es möchte die Zentralstelle die Richter anweisen, die Normalstatuten, die von den Genossenschafts—⸗ verbänden aufgestellt worden sind, und fast ausnahmslos unverändert von den sämtlichen kleinen, namentlich ländlichen, Genossenschaften lediglich unter Ausfüllung der Namen ihrer Verfassung zu Grunde gelegt werden, nicht weiter zu beanstanden, sondern sie ohne weiteres als mit dem Gesetze in Einklang stehend anzuerkennen. Meine Herren, das geht über meine Befugnisse hinaus. Ich kann den Gerichten nicht die Berechtigung entziehen, selbständig zu prüfen, zu welchen rechtlichen Bedenken etwa das Normalstatut Anlaß gibt.

Soweit es mir bekannt ist, kommen aber solche Beanstandungen jetzt nur noch vereinzelt vor, und ich glaube, die meisten Amtsgerichte haben sich genügend in die Sache eingelebt, um bei Durchsicht des Statuts ohne weiteres zu erkennen, daß es zu weiteren Bedenken keinen Anlaß gibt. Indessen einzelne Fälle kommen vor. Einer ist mir vorgetragen, der sich bei einem kleinen pommerschen Amtsgericht zugetragen hat, weil die dort angestellten Herren auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens der Erfahrung entbehrten und Schwierigkeiten gemacht haben, die sich wohl hätten vermeiden lassen, während sie nur im Beschwerdewege haben beseitigt werden können.

Es haben auch Verzögerungen stattgefunden; es ist aber nicht richtig, wenn Herr von Brockhausen meint, die Sachen seien nicht als Feriensachen angesehen worden. Sie sind Feriensachen und müssen in den Ferien behandelt werden. In dem Falle, der Herrn von Brock hausen vorschwebt, hat eine solche Sache vielleicht 14 Tage während der Ferien geruht, und es ist die Reproduktion für den 16. September verfügt worden. Das lag aber nicht daran, daß der Richter glaubte, die Sache sei nicht während der Ferien zu erledigen, sondern es war ein mit zwei Richtern besetztes Amtsgericht; der Richter, der die Verfügung erlassen hatte, war beurlaubt, und der andere vertrat ihn; er prüfte die Sache und hielt die Bedenken seines Kollegen nicht für zutreffend; da der aber nur für 14 Tage abwesend war, trug er Be— denken, seinen Kollegen zu korrigieren, und legte die Sache zurück, um sie ihm selbst zu überlassen. Als eilig ist die Sache deshalb nicht betrachtet worden, weil die Genossenschaft selbst sie nicht als eilig be⸗ handelt hatte; sie hat ihre Beschwerde erst nach sechs Wochen oder nach zwei Monaten eingereicht, und das hat den Eindruck erweckt, die Sache sei nicht so besonders dringend.

Die dritte Anregung, daß doch die Richter angewiesen lwerden möchten, wenn in einer Sache ihre Ansicht in der Beschwerdeinstanz reprobiert ist, auf ihre Bedenken bei einer gleich liegenden Sache nicht zurückzukommen, liegt auf demselben Rechtsboden wie die erste Anregung. Eine Beschwerdeentscheidung ist bekanntlich immer nur für den vorliegenden einzelnen Fall bindend, und es gibt Richter, die sich sehr schwer überzeugen lassen (Heiterkeit von der Richtigkeit der Ansicht einer höheren Instanz (sehr gut! rechts), und die, wenn eine solche Sache wieder an sie zurückkommt, doch immer meinen, sie wüßten es doch eigentlich besser. (Heiterkeit; Meine Herren, das muß ertragen werden. Es sind auch hier nur einzelne Fälle. In soweit derartige unbequeme Entscheidungen mit einer ungenügenden Kenntnis des Genossenschaftsgesetzes und der Bedeutung seiner einzelnen Bestimmungen zusammenhängen, halte ich es auch für sehr erwünscht, wenn die sämtlichen Amtsgerichte sich im Besitze eines guten Kom— mentars befinden. Als solcher ist zweifellos der Kommentar von Crüger und Parrisius in jeder Beziehung anzuerkennen; wenn der überall wäre, so würden Verstöße wohl kaum noch vorkommen. Ich weiß nicht, was er kostet es ist ein ziemlich dickes Buch —, und ob der Bibliotheksfonds bei allen kleinen Amtsgerichten ausreicht, diesen Kommentar ohne weiteres anzuschaffen, vermag ich nicht zu übersehen. Ich würde es für wünschenswert halten, wenn er überall, wo Ge— nossenschaften sich befinden, der Bibliothek einverleibt würde.

Nun, meine Herren, ist Herr Abg. von Brockhausen noch auf eine andere Frage zurückgekommen, die schon in der zweiten Lesung hier gestreift worden ist, nämlich auf das angebliche Eingreifen des Justizministers in einen hier beim Kammergericht entschiedenen Prozeß zwischen der Milchzentrale und einer Milchgenossenschaft, die der Zentrale angehörte. Als die Frage damals hier angeregt wurde ich weiß nicht, von wem hat der Abg. Hammer eine Erwiderung darauf gegeben, sodaß ich es dann unterließ, mich selbst darüber zu äußern. Da aber die Sache heute wieder zur Sprache gebracht ist, und da verschiedentlich Mißverständnisse in der Oeffentlichkeit, in der Presse hervorgetreten sind, will ich mit ein paar Worten erklären, worum es sich eigentlich gehandelt hat.

Die Milchzentrale hatte eine Genossenschaft, die der gleichfalls eine Genossenschaft bildenden Milchzentrale angehörte, auf Zahlung von Provisionen in Anspruch genommen für Lieferungen, die diese untergeordnete Genossenschaft hier nach der Stadt Berlin gemacht hatte. Die beklagte Genossenschaft war inzwischen in Liquidation ge—⸗ treten und bestritt ihre Verxflichtung, insbesondere auch aus dem Grunde, weil sie in Liquidation getreten sei und dadurch ihr früheres Verhältnis zu der Milchzentrale seine Erledigung gefunden habe. Der Prozeß kam in die zweite Instanz und wurde zu Ungunsten der Milchzentrale entschieden. Darauf wurde an mich eine Beschwerde ge⸗ richtet vom Vorstand der Milchzentrale, in der ausgeführt wurde, es sei hier garnicht nach dem Genossenschaftsgesetz erkannt, sondern nach dem Gesetz über die Gesellschaften m. b. O., obgleich beide Teile Genossen⸗ schaften waren. Es wurde ferner hervorgehoben, daß auch sachlich die Abweisung aus dem Erunde, den das Kammergericht als durch- schlagend anerkannt hatte, daß nämlich durch die Liquidation der be—⸗ klagten Genossenschaft sie ihrer Verpflichtungen gegen die klagende Zentrale ledig geworden sei, nach dem Genossenschastsgesetz sich nicht rechtfertigte, daß eine Genossenschaft ihrer Verpflichtungen dadurch nicht ledig werden könne.

In der Beschwerde wurde nun das Ersuchen an mich ge— richtet, im Aufsichtswege in diese Sache einzugreifen. Nun ist es ganz selbstverständlich, und niemand in diesem hohen Hause wird, glaube ich, anderer Ansicht sein, daß ich mich nicht be⸗ rechtigt halte, irgendwie in die Rechtsprechung einzugreifen. Aber, meine Herren, ich mußte in dieser an mich gerichteten Beschwerde einen Hinweis finden auf einen Mangel in der Rechtspflege, der mich verpflichtete, der Sache nachzugehen. (Sehr richtig! rechts.) Das ist gerade so, als wenn ein Landgerichtspräsident oder Ober⸗ landesgerichtspräsident auf ein Amtsgericht kommt, da Prozeßakten durchsieht und nun findet, daß nicht nach den richtigen Gesetzen erkannt worden ist, oder daß sonst prozessualische Fehler vorgekommen sind. Da ist es dessen Veipflichtung, das Gericht darauf aufmerksam zu machen. Lediglich unter diesem Gesichtspunkte habe ich die Akten ein⸗ gefordert und eine Aeußerung des Herrn Kammergericht präsidenten in dieser Sache eingejogen. Daraus ergab sich zu meinem lebhaften Bedauern, daß allerdings die prozessualen Beschwerden, die von der Milchzentrale vorgebracht waren, der Begründung nicht entbehrten. (Hört, hört! rechts.) Es war nicht nur, obgleich beide Teile im Rubrum und in beiden Instanzen als Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht bezeichnet waren, in dem Urteil des Kammergerichts das Gesetz über Gesell⸗ schaften mit beschränkter Haftung zur Anwendung gebracht, sondern es ergab sich, daß auch im übrigen in der Sachdarstellung sich nicht unwesentliche Unrichtigkeiten gegenüber dem vorgetragenen Tatbestande fanden. Auf diese Dinge allein habe ich meine Prüfung beschränkt und habe darauf den Kammergerichtspräsidenten hingewiesen mit dem Ersuchen, den Senat darauf aufmerksam zu machen; ich habe ihn aue drücklich angewiesen, sich jeder Erörterung der materiellen Rechts- frage zu enthalten, weil selbstverständlich ein Eingreifen in diese gänzlich auegeschlossen sei. Ich habe mich also vollständig im Rahmen nicht nur meiner Befugnisse, sondern auch meiner Verpflichtungen als Aufsichtsbehörde gehalten und würde es in jedem andern Fall genau wieder so machen. (Bravo! rechts) Also von einem materiellen Eingreifen in die Sache ist nicht die Rede.

Nun kamen die Zeitungen auf die Sache zurück, und die Vossische Zeitung“ hat einen in Sperrdruck gedruckten Artikel gebracht am 16. März, der folgendermaßen lautet:

Der Justizminister scheint seine dienstliche Aufmerksamkeit noch weiter den Zivisprozessen zu widmen, die von der agrarischen Milch zentrale gegen die wegen der fortgesetzten finanziellen Opfer aus— geschiedenen bäuerlichen Landwirte angestrengt werden. Wie man sich erinnert, hatte Exzellenz Schönstedt bereits im Dienstaufsichts⸗ wege, sowelt zulässig, das Geeignete veranlaßt“, als der elfte Zivil senat deö Kammergerichts die Klage der Milchzentrale gegen eine aus acht kleinen bäuerlichen Landwirten bestehende Genossenschaft rechtekräflig abgewiesen hatte. Inzwischen hat aber auch der fünfzehnte Zirilsenat des Kammergerichts eine entsprechende Klage der Milchzentrale gegen einen mätlischen Bauer ab— gewiesen und dabei eingehend ausgeführt, daß die Beschlüsse, auf Grund deren die Milchzentrale seit Jahren von ihren Genossen fortlaufende Abgaben einzieht, absolut nichtig sind und geradezu einen Grundpfeiler des Genossenschaftérechtes erschüttern“. Wie uns jetzt von unterrichteter Seite mitgeteilt wird, hat der Herr

Justijminister nunmehr auch dieses Urteil und die Alten des Kammergerichts einfordern lassen. Vielleicht beabsichtigt man im preußischen Justizministerium, gesätzgeberische Aenderungen auf ge⸗ nossenschaftlichem Gebiete im Sinne der Forderungen des Bundez der Landwirte vorzubereiten, (Lachen rechts.) . ; nachdem in dem Urteil des Kammergerichts ausgeführt ist, daß An, sprüche, wie sie die agrarische Milchzentrale an ihre Genossen stellt nur zulässig wären, wenn das Genossenschaftegesetz einen anderen Inhalt hätte. . . Wie ich den Artikel gelesen, habe ich mich zunächst amüsiert über die wunderbaren Auffassungen, die in gewissen Kreisen bestehen können. Mir war die Sache vollständig fremd; ich bin ihr aber nachgegangen und habe festgestellt, daß allerdings mein Referent aus Interesse zur Sache das Urteil in diesem letzten Prozeß vom Kammergericht ein— gefordert hat, um über die Rechtsprechung auf dem Gebiet des Ge— nossenschaftsrechts auf der Höhe zu bleiben. Bei der Einsicht der Akten fand ich dann weiter, daß auf das Erkenntnis, das vom Kammer— gericht eingereicht war, am 7. d. M. die Verfügung ergangen war: zu den Akten! Damit ist die Sache erledigt. Wenn die fruchtbare Phantasie eines Zeitungsschreibers der Justizverwaltung weittragende Absichten zugeschrieben hat, das Genossenschaftsgefetz im agrarischen Sinne einer Revision zu unterziehen, so ist dies ein reines Phantaste— stück, für das ich die Verantwortlichkeit den Erfindern allein überlasse. (Bravo! rechtẽ.)

Abg. Dr. Lotz (fr. kons.),, auf der Tribüne nur sehr schwer ver ständlich, scheint u. a. eine Erweiterung der für die theoretische und praktische Ausbildung der Juristen und Verwaltungsbeamten ein— gerichteten staatswissenschaftlichen Kurse zu empfehlen und will schon die Studierenden der Jurisprudenz in diese Richtung gelenkt wissen.

Justizminister Dr. Schönstedt:

Meine Herren! Ich bin, wie ich schon öfter Gelegenheit hatte, hier zum Ausdruck zu bringen, in Verbindung mit dem Herrn Kultus— minister eifrig bemüht, das Interesse für das Studium des öffentlichen Rechts zu wecken und zu erhöhen. Darauf richtet sich auch eine Be— stimmung, die im vorigen Sommer in das Regulativ für die erste juristische Prüfung aufgenommen worden ist. Ich bin ferner ebenso in Uebereinstimmung mit dem Herrn Kultusminister bemüht, den Prüfungekommissionen Mitglieder zuzuführen, die das Gebiet det öffentlichen Rechts und der volkswirtschaftlichen Materie, soweit sie von einem Rechtskandidaten verlangt werden können, vollständig beherrschen. Ich denke mir, daß diese Bestimmungen indirekt auch dahin wirken werden, daß die Herren auf der Universität ihre Zeit nicht ausschließlich dem Studium des Privatrechts, das allerdings immer den Schwerpunkt für das Gros der Juristen bilden

wird, sondern auch dem der öffentlichen Rechtsmaterien in höherem

Maße, als es bisher geschehen ist, widmen werden. Von einer Aende⸗ rung des Studienplans, von dem Herr Dr. Lotz selbst eiklärt hat, daß er nur die Bedeutung eines guten Ratschlags habe, verspreche ich mir nicht übermäßig viel. Wir kämen dabei vielleicht in die in der letzten Zeit riel erörterte Frage der akademischen Freiheit wieder hinein und gäben dadurch neuen Stoff zu Erregungen, die gewiß ju vermeiden sind.

Ich möchte nur bemerken, daß ich glaube, daß das allgemein ab— sprechende Urteil über die ungenügenden Kenninisse unserer Juristen und Richter auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts doch vielleicht etwas zu weit geht. Man spricht in Bausch und Bogen ihnen jede wünschenswerte Kenntnis ab, und damit tritt man ihnen, glaube ich, iu nahe. Vor einigen Jahren wohnte einmal ein hervorragend angesehench und tüchtiges Mitglied der Prüfungskommission für die höheren Ver— waltungesbeamten einer Assessorprüfung auf dem Justizministerium bei. In diesem Examen wurde zufällig auch im öffentlichen Recht und in den damit verwandten Gebieten geprüft, und der Herr hat sich dahin geäußert: Solche Fragen, wie sie da den Gerichtsreferendaren gestellt wurden, würde er gar nicht wagen, in dem Assessorexamen für die Verwaltungsbeamten zu stellen; auf so ausgezeichnete Antworten, wie sie da gegeben seien, könne er absolut nicht rechnen. (Hört, hörth Es gibt nun allerdings Ausnahmen, und ich will nicht sagen, daß alle unsere Richter in dem Maße, wie es wünschenswert wäre, auf diesem Gebiete zu Hause sind. Aber so schlimm ist die Sache nicht, ich habe vielfach in der Praxis erfahren, daß, wenn an die Herren Fragen des öffentlichen Rechts herantreten, es ihnen nicht schwer wird, sich in kurzer Zeit so in die Materie hineinzuarbeiten, daß sie auch auf diesem Gebiet ein zuverlässiges Urteil sich zu bilden in der Lage sind.

Wenn der Abg. Dr. Lotz ich glaube, daß ich ihn richtig verstanden habe, bin dessen aber nicht ganz sicher bei der Unruhe im Hause auch auf die Beteiligung an den staatswissenschaftlichen Kursen hingewiesen und davon gesprochen hat, den zu Beihilfen aus— geworfenen Fonds auch für die jungen Juristen und die juristischen Beamten zu verwenden, so kann ich mitteilen, daß ich nach der letzten Diskussion in diesem hohen Hause mit dem Herrn Finanzminister in Verbindung getreten bin und an ihn das Ersuchen gerichtet habe, diesen Fonds auch den Juristen zugänglich zu machen. Der Herr Finanzminister hat in durchaus entgegenkommender Weise geantwortet und sich bereit erklärt, für das nächstfolgende Etatsjahr nach denselben Grundsätzen, die für die Gewährung von Beihilfen an Verwaltungs beamte zwischen ihm und dem Herrn Minister des Innern vereinbart worden sind, auch die Mittel für solche Beihilfen an juristische Beamte zur Verfügung zu stellen, allerdings nur für den Sechswechenkursuk, nicht für den Winterkursus, für den auch wohl die Justizbeamten kaum disponibel gemacht werden können. Der Herr Finanzminister ist für das nächste Etatsjahr allerdings der Ansicht, daß mit Rücksicht auf den Titel, den die Position im Etat hat, die ausgeworfenen Mittel nur für Verwaltungsbeamte, nicht auch für Juristen verwandt werden können. Er ist aber unter allen Umständen bereit, in dem nächst⸗ folgenden Etat die Hand dazu zu bieten, und ich hoffe, daß dann in noch größerem Umfange, als es bisher geschehen ist, und mit vielem Nutzen diese staatswissenschaftlichen Sommerkurse von den Juristen benutzt werden.

Der Justizetat wird darauf bewilligt.

(Schluß in der Zwei en Beilage.)

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger

M 68.

Zweite Beilage

Berlin,. Montag, den 20. Mär;

1905.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

n Etat des Ministeriums des Innern bemerkt bg. Dr. Friedberg (ul.): Ich bitte, die Verlegung des Königlich preußischen , . Bureaus nach Dahlem noch einer sorgfaltigen Pruͤfung zu unterziehen. Es werden sich große Schwierig⸗ keiten ergeben sowohl für die wissenschaftlichen Beamten, die dort arbeiten wollen, als auch für die Verwaltung selbst. Wenn z. B. die Dezernenten des Ministeriums mit den Mitgliedern des Bureaus zu berhandeln haben, wird der weite Weg gewiß oft recht unbequem sein; ebenso wird von Dahlem aus der Verkehr mit den Druckereien usw. recht erschwert sein. Unterstaatssekretär von Bischoffshausen erwidert, daß diese Frage sich erst in den Anfangsstadien der Erwägung befinde. Es seien in Berlin zwar mehrere Bauplätze angeboten worden, die aller⸗ dings als wenig brauchbar erschienen, aber die ganze Frage würde doch noch einmal eingehend a t werden. Abg. Dr. Jänecke (ul.): Ich bin genötigt, auf die Art und Weise der Welfenagitation in Hannover zurückzukommen, um zu zeigen, daß die Informationen des Ministers doch nicht ganz auf Zu— verlässigkeit Anspruch machen können. Nach dem von mir ge— sammelten Material nimmt die Welfenpartei mit Unrecht das . der Königstreue für sich in Anspruch. In einem Welfen alender heißt es z. B., der preußische Staat ende gegen Dänemark bei Hadersleben, gegen Oesterreich bei Greifenberg, gegen Rußland bei Nimmersatt und Neidenburg. Der Redner zitiert mehrere offizielle Agitationsschriften der Welfen gegen den Fürsten Bismarck, in denen en diesen mit geradezu niedriger Gesinnung gearbeitet werde. (Die erlesung der Zitate, die auf der Tribüne nicht verständlich sind, wird mit Pfuirufen aus dem Hause begleitet, Aber nicht der iel Bismarck, sondern auch die ehrwürdige Gestalt des alten Helden aisers, fährt der Redner dann fort, hat man in den Schmutz gezogen und gesagt, daß er gewissenlos Unglück auf das hannoversche Volk gehäuft habe. Es ist nötig, diese Dinge niedriger zu hängen. Solche Leute sind nicht königs⸗ und bündnistreu. 6 nehme an, daß Herrn Hahn diese Dinge nicht bekannt sind, sonst könnte er nicht Wahlbündnisse mit solchen Leuten schließen. Das sind antimonarchische Bestrebungen, die von den Welfen propagiert werden. Das kommt daher, daß man die bewährten Prinzipien der Bismarckschen Politik in Hannover ver⸗ lassen hat. Ich erinnere daran, wie die Politik Manteuffels im Elsaß und wie die wiederholt gegen die Polen geübte entgegenkommende Politik Fiasko gemacht hat. Der Staat muß die welfische Bewegung genau verfolgen. Man fanatisiert geradezu die jungen Elemente, es gehören nicht nur die älteren Elemente der Bewegung an, denen ja die Anhängerschaft an das alte Königshaus eine Herzenssache ist. Wir sind Seiner Majestät sehr dankbar dafür, daß Er auf das Telegramm des Hannoverschen Landeskriegervereins in einer Weise geantwortet hat, aus der unzweifelhaft hervorging, daß die welfischen Bestrebungen bei Seiner Majestät auf Unterstützung nicht zu rechnen haben. Die Gedanken der Welfenbewegung rechnen damit, daß eine Wieder⸗ herstellung des Königreichs Hannover überhaupt möglich sei. Es war allerdings in den Köpfen der Welfen ein Zweifel über die Haltung des jetzigen Kaisers entstanden, und daraus erklärt sich das neue Auf— leben der Bewegung. Der Person des neuen Polizeipräsidenten von Hannover messen wir allerdings keine gehe Bedeutung bei, aber es wäre doch wünschenswert, daß die Regierung sich darüber aus⸗ spräche, ob diese Ernennung eine symptomatische Bedeutung hat, ob man ju einer entgegenkommenden Politik wieder zurückkehren will. Wir können verlangen, daß in der Provinz Hannober nicht mit den Machtmitteln der Regierung gegen unsere Partei agitiert wird. Mit kleinlichen politischen Mitteln darf man nicht in Hannover arbeiten, es muß vielmehr eine gewisse Ruhe eintreten. Es sind Gemeinde⸗ vorsteher nicht bestätigt worden, welche bei der Landtagswahl welfisch ge⸗ wählt haben, aber anderseits hat man ein Auge zugedrückt nach dem Sprichwort, daß man die kleinen Diebe hängt, die großen laufen läßt. Statt mit solcher kleinlichen Politik muß mit großen Mitteln ge—

handelt werden. Vor allem muß die Provinz Hannover besser dem Verkehr erschlossen, es muß für Aufklärung gesorgt werden durch Verbesserung der Schulen usw. Dadurch wird man der

welfischen Bewegung viel besser Herr. Auf die politischen Anitations zentren in den Missionsanstalten ich verkenne den Wert der Missionen nicht und bei den Hufen muß man ein offenes Auge haben. Kleinliche Maßregeln schaffen nur Märtyrer und erzeugen Erbitterung. Fürst Bismarck hat einmal gesagt, daß die Welfen sich die Köpfe an den preußischen Mauern einrennen werden. Damit aber die Mauern stark bleiben, muß man kleinliche politische Mittel gegen die Welfen verschmähen.

Unterstaatesekretär von Bischoffshausen: Ich kann nur sagen, daß es sich bei der Ernennung des Polizeipräsidenten in Han nober um eine reine Personenfrage ohne politischen Beigeschmack gehandelt hat. Wir haben den Grafen Berg dort hingesetzt, weil er uns der geeignetste Polizeipräsident zu sein schien. Weitere Gründe baben dabei nicht vorgelegen. Es ist allerdings in Hannover gesagt worden, daß sie auf politischem Gebiet lägen. Da ich nur Regierungskommissar bin, werde auf die Rede des Vor⸗ redners nicht eingehen. Ich glaube aber, daß der Standpunkt, den der Herr Minister des Innern wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, nach wie vor für die Politik der Regierung gegenüber den Welfen maßgebend sein wird.

Abg. Dr. Lotz (fr. kons) bemerkt gleichfalls, daß es sich um eine reine Personalfrage gehandelt habe, und begrüßt ferner die Ein— stellung von Mitteln für die staatswissenschaftlichen Fortbildungskurse in den Etat. ö

1 Darauf wird der Etat des Ministeriums des Innern be— willigt.

Es folgt der Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts und Medizinalangelegenheiken.

Abg. Dr. Rewoldt (fr. kons.) begründet den von ihm und dem Abg. Dr. Arendt gestellten Antrag, die Regierung zu ersuchen, für die 5f fentlichen Schulen eine den Verhältnissen von Stadt und Land Rechnung tragende Ferien rdnung herbeizuführen, welche den Schulausfall bei den Volks—⸗ schulen, den höheren und mittleren Schulen in derselben Gemeinde tunlichst gleichartig festsetzt.

Abg. 3 (nl) kommt auf die bei der zweiten Lesung vorgebrachte Beschwerde des Abg. Roeren darüber zurück, daß am Gymnagsium in Saarbrücken, obwohl die größere Hälfte der Schüler katholisch sei, sämtliche 29 Lehrer mit dem Direktor evangelisch seien. Der Minister habe damals in Aussicht gestellt, 2 katholische dehrer anzustellen. Nach den Statuten sei aber der evangelisch⸗ lonfessionelle Charakter der Anstalt verbürgt. Anzuerkennen sei, daß die katholischen Mitbürger, namentlich solche, deren Söhne Theologen werden sollten, ein Bedürfnis danach hätten, ein Gymnasium zu be⸗ sitzen, das ihren Ansprüchen genügt, und darin stimme er (der Redner) Herrn Roeren bei, daß wegen der ohnehin schon fühlbaren Ueberfüllung ein zweites Gymnasium zu errichten sei. Der Redner bittet, die Rechte des evangelischen Gymnasiums durch Anstellung lediglich evangelischer Lehrer zu wahren.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt: Meine Herren! Schon bei der zweiten Lesung des Kultusetats

Standpunkt der Unterrichtsperwaltung auf dem in Frage stehenden Gebiete dahin darzulegen, daß seit einer längeren Reihe von Jahren überhaupt konfessionelle höhere Unterrichtsanstalten nicht mehr er— richtet bezw. genehmigt werden.

Meine Herren, im Laufe der Zeit, und zwar seit den siebzi ger Jahren des vorigen Jahrhunderts, ist infolge der immer stärker her vortretenden Verschiebungen der konfessionellen Verhältnisse die Not- wendigkeit eingetreten, an solchen Anstalten, die als konfessionelle an⸗ erkannt oder tatsächlich als solche behandelt werden, aus Rücksichten der Billigkeit bei erheblichen konfesstonellen Minderheiten den einen oder anderen Lehrer dieser Konfession anzustellen. Daß dies während der drei letzten Jahrzehnte tatsächlich vorgekommen ist, ergibt sich aus einer mir vorliegenden Zusammenstellung, die sich auf 10 katholische und 5. evangelische Gymnasien bezieht.

Meine Herren, dieser Praxis entspricht es durchaus, wenn in dem Saarbrücker Falle im Jahre 1963 seitens der Unterrichtsverwaltung das Provinzialschulkollegium in Koblenz mit dem Auftrage versehen worden ist, im Laufe de rZeit, je nachdem eine Vakanz eintritt, bezw. Lehrer des katho⸗ lischen Bekenntnisses verfügbar wären, solche an einem Gymnasium zu Saarbrücken anzustellen. Dieser im Jahre 1903 erteilten Weisung ent⸗ sprechend, hat das Provinzialschulkollegium nunmehr die Anstellung zweier solcher Lehrer neben dem katholischen Religionslehrer, der schon seit längerer Zeit dort fungiert, für den Ostertermin dieses Jahres in Aussicht genommen.

Nun, meine Herren, die Praxis, die ich eben dargelegt habe, findet eine Modifikation in dem Falle, wenn durch behördlich ge— nehmigte Statuten die ausdrückliche Bestimmung getroffen ist, daß das Lehrerkollegium sich ausschließlich aus den Angehörigen einer Konfession zusammensetzen muß. Diese Voraussetzung trifft bei Saarbrücken nicht zu. Im übrigen ist die Erörterung darüber, in— wieweit die seinerzeit, namentlich mit dem Stift St. Arnoil, statt⸗ gehabten Verhandlungen den Anlaß dazu bieten, den konfessionellen Charakter der Anstalt besonders in der Praxis zu berücksichtigen, noch nicht abgeschlossen. Im vorigen Jahre ist von katholischer Seite eine geschichtliche und rechtliche Darlegung des Sachverhalts eingereicht worden, die dazu geführt hat, das Provinzialschulkollegium im November vorigen Jahres mit dem Auftrage zu versehen, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse noch einmal genau festzustellen. Der Herr Abgeordnete hat vorhin schon den ge— schichtlichen Entwickelungsgang der Sache hervorgehoben, aber selbst davon Abstand genommen die einzelnen Rechtsverhältnisse noch näher hier darzulegen. Sie sind in der Tat, wie ich mich überzeugt habe, sehr verwickelt. Und da von anderer, von evangelischer Seite inzwischen auch eine Broschüre herausgegeben worden ist, welche diese rechtlichen Verhältnisse eingehend behandelt, wird das Provinzial schulkollegium nunmehr sich der schwierigen Aufgabe unterziehen müssen, nach allen Seiten hin diese Frage einwandsfrei festzustellen.

Ich kann meinerseits aber jetzt schon erklären, daß die bisherige Praxis der Unterrichts verwaltung, die seit mehreren Dezennien befolgt wird, durchaus als Grundlage für die diesseitig im Jahre 1903 ge— troffenen Maßnahmen anzusehen ist; und wenn nicht noch neue rechtliche Gesichtspunkte hervortreten, welche eine Aenderung notwendig machen, muß es bei der im Jahre 1903 getroffenen Verfügung sein Bewenden behalten.

Anders steht die Frage, ob vielleicht eine Aenderung dahin ein— treten kann, daß das Lehrerkollegium in späterer Zukunft noch einmal wieder ausschließlich evangelisch zusammengesetzt werden kann, wenn eine andere Anstalt in Saarbrücken begründet werden sollte. Was diese Frage betrifft, so darf ich hervorheben, daß die beiden Unterrichts—⸗ anstalten in Saarbrücken staatliche sind, vom Staate übernommen bezw. errichtet sind, daß die beiden, das Gymnasium und die Ober⸗ realschule zusammen, einen staatlichen Zuschuß von 117 000 M jährlich erfordern. Der Staat hat gerade für Saarbrücken ein ungewöhnlich hohes Opfer gebracht, und ich glaube nicht, daß es möglich sein wird, nun noch eine diitte Anstalt auf Staatskosten zu errichten. Sollten inzwischen die in Aussicht stehenden Verhandlungen dazu führen, daß entweder in Saarbrücken selbst oder in der Umgebung der Stadt ein weiteres Gymnasium errichtet werden sollte auf kommunaler Grund⸗ lage, so würde das als eine wahrscheinlich sehr angemessene Lösung der vorliegenden schwierigen Frage angesehen werden können. Ich meinerseits will gern dazu beitragen, diesem von verschiedenen Seiten geäußerten Wunsch die tunlichste Förderung zu teil werden zu lassen.

Ministerialdirektor DH. Schwartz kop ff: Es ist erfreulich, daß die Abgg. Arendt und Rewoldt durch die Verhandlungen der zweiten Lesung veranlaßt sind, ihren Antrag auf eine andere Basis zu stellen. Aber der Antiag ist doch nicht annehmbar, es sprechen gewichtige pädagogische und wirischaftliche Gründe dagegen. In den Bädern usw. wird man nicht wünschen, daß bei , aller Ferien alle diese Orte mit einemmal während kurzer Zeit ü 63 sind, während sich jetzt die Ferien zusammen auf einen langeren Zeitraum verteilen. Es schweben indessen über die Ferien der höheren Schulen Erwägungen im Ministerium. Bezüglich der Ferien, der Volksschule rennt der Antrag offene Türen ein, denn der Minister hat bereits eine einheit- liche Ferienordnung für die Volksschulen durch Verfügung von 1904 eingeführt. Ein Unterschied zwischen Stadt und Land läßt sich gar nicht machen, es liegt auch eine Menge höherer Lehr⸗ anstalten auf dem Lande. Ueber 65 Tage hinaus können wir die Ferien nicht mehr verlängern. Aus der Be— völkerung sind Anträge guf Aenderung nicht gekommen, sondern nur von denen, die ein n . daran haben: von den Lehrern. Ich verstehe den Wunsch der Lehrer nach längeren Ferien, aber die Unterrichtsverwaltung muß in erster Linie die Interessen der Be— völkerung vertreten. Und deshalb bitte ich entschieden, den Antrag abzulehnen.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.): Ich hoffe, es wird gelingen, den Wuͤnschen der Evangelischen in Saarbrücken gerecht zu werden. Die ‚Preußische Lehrerzeitung“ berfolgt eine freisinnige Politik, sie hat sich zu dem Gedanken bekannt, daß ein Volksschulunterhaltungs⸗ gesetz zur Entscheidung der konfessionellen Frage in diesem Hause An⸗ nahme finden könnte. Wenn die Regierung ein Gesetz ohne die Kon⸗ fessionalität der Volksschule einbrächte, würde hier sofort versucht werden, die. Konfessionalität in das Gesetz hineinzukorrigieren. Den Unterrichtsminister trifft nicht die mindeste Schuld, wenn er,

im Jahre 1902 hatte ich die Ehre, vor diesem hohen Hause den

bevor das Schulkompromiß hier abgeschlossen war, nicht ein

Gesetz über die Schulunterhaltung vorgelegt hat. So liegen klar die Dinge, und ich hoffe, damit einer Legendenbildung vorgebeugt zu haben. Der Staat sen, die Präparandenanstalten und Seminare vermehren, es ist aber bedenklich, wenn daneben auch solche kommunale Anstalten entstehen. Im Interesse unserer Lehrerausbildung müssen diese Anstalten verstaatlicht werden, um ihre Leistungsfähigkeit zu heben. Herr von Rottenburg hat meinen Freunden in der National- zeitung! das Recht bestritten s als Jünger der Bismarckschen Sozialpolitik zu bezeichnen. Wir haben allerdings etwas andere Än— 3 als Herr von Rottenburg, aber wir glauben, uns doch Jünger ieser Bismarckschen Politik nennen zu dürfen. Fürst Bismarck * auch nicht alle Forderungen der Arbeiter erfüllen wollen, sondern hat noch in seiner letzten Rede am 18. März 1889 gesagt, daß wir mit der Sozialdemokratie im Kriege ständen. Die berechtigten Wünsche der Arbeiter sollen erfüllt werden, aber wir dürfen? daneben die , der Arbeitgeber, der Handwerker und Landwirte nicht ver= gessen.

Abg. Dr. Röchling (nl) tritt ebenfalls für die Erhaltung des ewangelischen Charakters des Gymnasiums in Saarbrücken ein; die Billigkeitsgründe müßten vor dem Recht zurücktreten. Der Redner erörtert eingehend auf Grund der alten Saßungen die Rechtsfrage.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Ich habe bereits in Aussicht gestellt, daß auf Grund des dem Provinzialschulkollegium zu Koblenz unterbreiteten ausgiebigen Materials eine erneute Prüfung des Sach⸗ und Rechts- verhältnisses stattfinden soll. Es werden dabei auch die Ausführungen des letzten Herrn Redners einer eingehenden Erwägung unterzogen werden. Ich kann also in Aussicht stellen, daß seitens der Unter— richtsverwaltung alles geschehen wird, um diese Streitfrage auf tun lichst friedlichem und den Wünschen der Bevölkerung entsprechendem Wege zum Austrag zu bringen. (Bravo!

Auf eine Anregung des Abg. Seydel⸗Hirschberg (nl) erwidert

Geheimer Regierungsrat Til mann, daß die Frage des Neu⸗

baues des Symnasiums in Hirschberg sich im Stadium der Vor— bereitung befinde. Abg. St ych el Pole) kommt auf die Verordnung der Regierungen in Danzig und Posen zurück, daß die polnischen Lehrer sich in ihrem Familienkreise der deutschen Sprache bedienen follten. Er— freulicherweise habe nicht die Staatsregierung diese Verordnung er⸗ lassen, aber es sei anderseits auch keine untergeordnete Instanz, etwa ein Kreisschulinspektor, gewesen, sondern ein Regierungspräsident, der den Erlaß habe ergehen lassen. Ein solcher Erlaß, der in das Familienleben der Lehrer eingreift, sollte doch den Provinzial« regierungen verboten sein. Die polnischen Kinder würden durch die Art des Schulunterrichts zu Marionetten gemacht. Ein Quartaner habe eine Ohrfeige vom Lehrer erhalten, weil er mit seinen Eltern in polnischer Sprache korrespondiert habe. Ein Kreisschulinspektor habe einen Bericht an seine vorgesetzte Behörde von den Kindern, die . Worte gar nicht verstanden, direkt abgepreßt. Wie vertrage sich as mit der vom Minister gerühmten Musterhaftigkeit der Schul— beamten? Wenn der Minister sage, die Polen hielten solche Reden zum Fenster hinaus, so gebe er (Redner) das durchaus zu.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Um auf die letzten Worte des Herrn Abg. Stychel zunächst einzugehen, so ist die Angelegenheit des Kreisschul⸗ inspektors im Regierungsbezirk Bromberg untersucht worden, und es hat sich keinerlei Anhalt dafür gefunden, daß die gegen den Kreis—⸗ schulinspektor erhobenen Vorwürfe irgendwie begründet wären.

Meine Herren, ich bedaure es, daß der Herr Abg. Stychel durch Krankheit verhindert war, an der zweiten Lesung des Staatshaushalts—⸗ etats sich zu beteiligen, er hätte uns sonst schon damals die heute ge⸗ haltene Rede halten können. An seine Stelle ist derzeit der Herr Abg. von Jasdzewski getreten, von dem ich anerkennen muß, daß er in objektiver Weise den Tatbestand bezüglich der Verfügungen der Regierungen in Danzig und Posen hier vorgetragen hat. Aber, meine Herren, beide Herren Abgeordneten, sowohl der Herr Abg. von Jazdzewski wie Herr Stychel, haben unerwähnt gelassen, daß die Verfügung der Königlichen Regierung in Danzig vom 5. Oktober 1898 bereits in diesem hohen Hause durch den damaligen Herrn Abg. Motty im

März 1899 zum Gegenstand ausgiebigster Erörterungen gemacht worden

ist. Mein Amtsvorgänger Bosse hat damals erwidert, daß, wenn er auch

die Verfügung der Königlichen Regierung in Danzig nicht in allen ihren Teilen billige, er im allgemeinen mit deren Tendenz durchaus

einverstanden sei. Er hat unter dem Beifall der Rechten und der

nationalliberalen Partei dieses hohen Hauses seinerseits erklärt, daß er keine Veranlassung habe, die Verfügung zurückzunehmen.

Meine Herren, ich habe mich, als ich die Ehre hatte, dem Herrn

Abg. von Jazdzewski am 16. Januar d. J. zu antworten, genau auf denselben Standpunkt gestellt und nebenbei noch erwähnt, daß, wenn auch die im wesentlichen mit der Danziger Verfügung überein stimmende Verfügung der Königlichen Regierung in Posen in ihrer Absicht aufrecht zu erhalten sei, ich im übrigen dafür Sorge tragen würde, daß Härten bei deren Ausführung vermieden würden, ebenso wie bei der Ausführung der Verfügung der Königlichen Regierung zu Danzig.

Auf diese Erklärung kann ich mich, glaube ich, heute beschränken,

umsomehr, als meine damaligen Darlegungen die Zustimmung der bei weitem überwiegenden Mehrheit dieses hohen Hauses gefunden haben.

Was die übrigen Ausführungen des Herren Abg. Stychel anbe⸗

trifft, so bewegen sie sich sämtlich genau in dem gleichen Ton: Terroris-⸗ mus, Schikanierung, Willkürherrschaft usw. (Abg. Stychel: Besteht aber!) Ich glaube nicht, daß ich nötig habe, auf diese Auseinander⸗ setzungen noch irgend ein Wort zu sagen (lebhaftes Sehr richtig! rechts) und namentlich auf die Ostmarkenzulage hier einzugehen. Tendenz derartiger Angriffe ist zu bekannt. andern Seite mein Erstauen darüber aussprechen, daß grade der Herr Abg. Stychel sich bewogen gefunden hat, auf diesem Gebiet sich zu bewegen und hier die polnischen Lehrer in Schutz zu nehmen. Herren, der Herr Abgeordnete hat seinerjeit dem Posener Komitee für Wreschen angehört, und dieses Komitee hat notorisch und akten—⸗ mäßig nachweisbar sich zur Aufgabe gestellt, die Unbotmäßigkeit pol⸗ nischer Schüler (lebhaftes Hört, hört! rechts; Ruf: Pfui) gegenüber den pflichttreuen polnischen Lehrern mit Prämien zu belohnen (hört, hört! rechts) mit Sparkassenbüchern usü. Wie dieses Komitee ge⸗ wirkt hat, habe Veranlassung genommen,

Die Ich muß aber auf der

Meine

und ich Jazdzewski

zur Sprache gekommen, Herrn Abg. Dr. von

ist seinerzeit hier