1905 / 70 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 22 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

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Großhandelspreise von Getreide an deutschen und fremden Börsenplãtzen für bie Woche vom 183. bis 18. März 19085 nebst entsprechen den Angaben für die Vorwoche. Zusammengestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt. 1000kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)

Woche Da⸗

13/18. gegen März or⸗ 1905 woche

Berlin.

Roggen, guter, gesunder, mindestens A127 g das 1. 139, 46 139,75

Weljen, i . 755 3 das 1 . 173,57 174,28 335 ö . x 450 g das 1. 140,38 141,50 Mannheim.

Roggen, vie. russischer, bulgarischer, mittel. 149,83 149,67

Welzen, Ffaͤlzer / russischer, amerik, rumän., mittel. 190,99 199,32 Si. bebif cher vi tteinbergischer, mittei iss 30 1583 65 erste, badische, Pfälzer mittel. .. ...... 176,88 179,37

Wien. ? ) t ö, 138,99 140, . . e ö ö d 182,48 1556.80 8er. e 129.51 131625 J 165,19 155.12 JI 143,25 143,19 K 31 130,47 ] e 129, ; * . ö. ö JJ,, 168,51 170,84 gef J ie . 6 . tt J . h 12 * JJ Ode ssa. Roggen, 71 bis 72 kg das hl.... 101,80 102,44 We . Ulka, 75 bis 76 kg das h...... * 125,87 128,11 Riga. mn, ,,,, d 108,36 197,93 eien 6 663 J. J 133,98 134,26 Paris.

a, lieferbare Ware des laufenden Monats 66 .

Weizen Antwerpen.

a 139,18 139,98 ee 145,95 146,07 1 145,05 146,97 1 ) 14747 148, 10 6 ö ö , ,,.

zen J ; , k 135,12 134,95 k h 142,84 142, 01 Am sterdam.

1 11772 11927

Roggen kJ 120, 55 120,48

B . 165,22 155, 13

eien . Inchhanische: Winter !!... 165 35 1552

Mais ã J 96, 94 96,04

9 2 107 55 160577

London.

153,34 153,75

Weizen mnallsh ,. Mark Lane)! ... 151, 15 151,51

Weiz englisches Getreide, 144,94 144,41

if Mittelpreis aus 196 Marktorten 121,74 121,62

erste (Gazette averages) 140,55 141,82

Liverpool.

1 153,25 153,10

i 173,71 175,42

ml 163,25 150, 7h

e 141,39 141,36

1 1657,73 157, 91

Hafer, englisch weißer . , 3 . ne gage , ;

Gerste, Futter⸗ JJ 15 d. I3 . 1

Mals J ,,,, 98.25 896 05

R 11376 114,59

Chicago

1 175,61 175,48

Weizen, Lieferungsware J Juli.... .. 142,89 145,86

September.... . 133,51 135,51

Mais = , Sl, 48 79,43

Neu York.

roter Winter- JJ. 182,56 183,73

Wei 1 173,30 174,48

eiten gieferungsware ] Full. . . ..... 156 07 15234

1 ⸗-)4 138,55 140,43

Mais d. w l, 34 89, 35

ma Buenos Aires. 1 eizen] san: E ; ;

Nais Durchschnitt ware k ͤ (73, 94 S6 42.

) Neue Ware. Mai⸗Verschiffung. Bemerkungen.

1Imperial Quarter ist für die Weizennotiz an der Londoner Pro- duktenbörse 504 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Umsätzen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnittepreise für ein heimisches Getreide (Gazette averages) ist 1 Imperial Quarter Weizen 480, Hafer 312. Gerste 400 Pfund engl. angesetzt. 1 Bushel Weizen 60, 1 Bushel Mais 56 Pfund englisch; 1 Pfund englisch 455,5 g; 1 Last Roggen 2100, Weizen 24600, Mais 2000 Eg.

Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tagesangaben im „Reichsanzeiger“ ermittelten wöchentlichen Durchschnittswechselkurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt. Preise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der Goldvrãmie.

Deutscher Reichstag. 169. Sitzung vom 21. März 1905, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Beratung des Reichshaushalksetäts für 1905 bei dem Etat für die Verwaltung des Reichsheeres, Titel 1 der Ausgaben:

„Gehalt des Kriegsministers“, und den dazu beantragten, eine Aenderung des Militärstrafgesetzbuchs bezweckenden, im

Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen

Nummer d. Bl. berichtet. Abg. Dr. Müller, Meiningen (fr. Volksp.), fortfahrend: In Hannover fagte ein Felkwebel den Seldaten: Ihr, könnt. Euch beschweren, aber wenn Ihr es tut, fallt Ihr seibst hinein!“ Die Strafen für fortgesetzte Rörperverletzungen von Untergebenen müssen verschärft werden; in diefe Punkt schließe ich mich der Veröffent⸗ lichung des Profeffors Meyer in der Deutschen Juristenzeitung! an. In Japan werden die Militärs, die Soldaten schlagen , zu Ge⸗ sfängnis und Dienstentlassung verurteilt, und nach. japanischen Be⸗ riffen kommt die Dienftentlassung dem Harakiri gleich. Bei einem Mißhandlungsprozeß, der in Metz geführt wurde, handelte es sich um M76 einzelne Mißhandflungsfälle; trotzdem gab keiner der Zeugen auf die Frage, ob er irgend etwas gesehen hatte, eine bejahende Antwort. Und? dabei befteht der s 147, der die Vorgesetzten in diesem Falle zur Rechenschaft jieht. In einem anderen Falle, wo einem Soldaten durch die Mißhandlung das Trommelfell zer⸗ sprengt war, führte der Verteidiger, ein Leutnant, aus, er möchte ben Truppenteil sehen, wo nicht geschlagen würde; der An⸗ geklagte sel kein Leuteschinder, sondern nur von Ehrgeiz getrieben. Bei solchen Anschauungen in Offizierskreisen kann es wahrlich nicht wundernehmen, wenn die Mißbandlungen nicht geringer werden, wenn alle Mahnungen nach dieser Richtung fruchtlos bleiben. Die Bestrafungen auf Grund des 5 147 des Milltärstrafgesetzbuchs sind ver⸗ Fältnismäßig wenige; und wie ein roter Faden geht durch alle diese Prozesse die Furcht vor der Beschwerdeführung selbst, die ja ebenfalls mit Strafe bedroht ist, wenn es sich um eine sogenannte unbegrũndete Beschwerde handelt. Die Kinnladenpoliere und. Bagenzahnrevisoren stehen in ihrer Autorität noch heute unerschütterlich fest. Ich will hier nicht etwa, wenn ich auf die Statistik komme, irgend ein einzelnes Kon tingent gegen das andere oder einen Truppentell gegen den anderen aus- spielen. Ich denke auch von dem Geiste unserer Armee viel zu hoch. Wegen Bestrafung' in Beleidigungs, und Mißhandlungsfällen stand Bayern Io bedeutend besser da als Preußen. 18902 und 1993 wurde das Verhältnis schlechter, aber immer noch doppelt so gut wie in Preußen. Das Auffällige ist, daß die Zahl der Beleidigungen und , ,, bei den Armeekorps am größten ist, die den Paradedrill besitzen. Preußen bleibt in den Soldatenmißhandlungen völlig stabil, ja es tritt sogar eine Zunahme der Verurteilungen hervor. Das wäre unter Umständen kein unerfreuliches Zeichen, wenn damit bewiesen würde, daß die Justiz strenger geworden ift. Diese Stabilität muß dazu fuhren, daß wir uns nicht nur mit periodischen Klagen begnügen, sondern daß die ges⸗ lichen Körperschaften auf legislatorische Abhilfe dringen. Ich behaupte nicht, daß eine Reform des , das Mittel vorzugs⸗ weise wäre. Auch die letzte Kaiserliche erordnung genügt allein nicht. Es muß vor allem das System der Nervosität, der Rechts⸗ unficherheit bezüglich der Pensionen beseitigt werden. Die Pension schwebt wie ein Damoklesschwert über den Subalternoffizieren. Hand in Hand damit muß gehen eine Reform des ganzen Beschwerderechts und des ehrengerichtlichen Verfahrens nament⸗ lich gegenüber den inaktiven Offizieren, eine andere Re⸗ elung' des Vollzugs der militärischen Strafen. Ich er—⸗ wa, hier namentlich an den Aufsehen erregenden Fall Hüssener. Der Strafvollzug gegen den Hüssener widerspricht dem , . sein des Volkes. Je mehr die Pflichten des gemeinen Mannes im Kriege wachfen, um so mehr müssen auch seine Indipidualrechte materiell und formell gewahrt werden. Notwendig ist ferner eine Hebung der körperlichen Gewandtheit durch Pflege des deutschen Vol ks= furnenz. Japan hat auf diesem Gebiete sehr Hervorragendes geleistet und verdankt ihm mit seine Erfolge. Möge die Militärperwaltung in dieser Be⸗ ziehung ihren Einfluß auf die einzelnen Bundesregierungen ausüben, damit die öffentlichen Turnplätze den Vereinen usw. überlassen werden. Ziffer 3 unseres Antrags betrifft die Statistik über den Ausschluß der Deffentlichkeit. Bie Oeffentlichkeit wird bei Anklagen gegen Offiziere immer mehr autgeschlossen, ja seit einem Jahre sogar bei arm. gegen Unteroffiziere. werden die unglaublichsten Kunst⸗ fücke geübt, um ju verhüten, daß die DOeffentlichkeit etwas erfährt. 66 ft kannte man den Grund nicht; Aufklärung hat die aiserliche Kabinettsorder vom 1. Dezember 1903 gebracht. Diese Order steht in schneidendem Kontrast mit der Erklärung des preußi⸗ schen Kriegsministers von 1898, denn in der Forbacher Affäre handelte es sich um einen vereinzelten 8. Man fragt sich unwillkürlich, ob der Kanzler, der die Oeffentlichkeit im Falle Bilse hier lobte, Kenntnis von dieser Kabinettsorder hatte. Auffallend ist, daß diese Order vom Kriegsminister nicht gegengezeichnet ist. Die Kabinettsorder greift direlt in die formelle und materielle Rechtsprechung ein. Handelte es sich um die Zivilrechtsprechung, so würde man unbedingt von einer Kabinettejusti; sprechen. Man kann nicht von einer Unabhängigkeit der Militärrichter reden, wenn der Richter gewärtig sein muß, aus Anlaß seiner Urteilssprechung ili seine Pension zu bekommen. In der letzten Zeit sind, wie mir mitgeteilt worden ist, junge Offiziere, nicht Rechtsanwalte, zur Verteidigung jugelassen worden. Wie steht es damit? In einer kleinen Garnison der Provinz Sachsen wurde ein Leutnant wegen eines Vergehens vom Kriegsgericht freigesprochen. Der Regimenkskommandeur soll ibm gesagt haben: Wenn ich Richter gewesen wäre, so würden Sie nicht freigesprochen worden sein,. Im Berufungsverfahren wurde dieser Regimentskommandeur Vorsitzender. Der Leutnant lehnte ihn wegen Befangenheit ab. Der Leutnant erhielt drei Tage Stubenarrest, und wenige Wochen darauf wurde er in eine der unbeliebtesten kleinen Garnisonen an der französischen Grenze versetzt. Der Kommandeur fragte ihn: .Wissen Sie, weshalb Sie versetzt worden sind?! Darauf antwortete der Leutnant: „Jawohl, Herr Oberst. Wenn diese Nachricht richtig ist, so könnte dies unter keinen Umständen gebilligt werden. Solche Fälle können sehr leicht zu so traurigen Folgen führen wie im Falle des Leutnants Dietz in Mainz, der lediglich durch Schikane in den Tod getrieben wurde. Ich will auf diese Sache nicht weiter eingehen. Wir wollen in unserem Antrage auch Stellung nehmen gegen die Willkür bei der Pensionierung der Offiziere und wollen iich dagegen schützen. Die sonderbare Handhabung der Oeffentlichkeit richtet sich vor allem auch gegen die Presse; Berichte darüber liegen vor aus Berlin, Magdeburg, Hannober, Mainz, Um, Metz. Auch da wird von den sonderbarsten Gründen Mitteilung gemacht. Man läßt nur Leute mit Eintrittskarten zu, verlegt die Verhandlung in Arresthäuser, zu denen eine neue Karte vom Kommandanten einzuholen ist; diese Karten gelten aber nur für besondere Tage, die dem Betreffenden aber ganz unbekannt bleiben. In Um und Mainz wurden die Vertreter aus den Gängen und Fluren vertrieben; die Verkündigung der Urteilsgründe geschleht so schnell, daß der Vertreter, auch wenn er sich ganz in der Nähe der Tür befindet, nichts vernehmen kann. Auch sonst be— gegnet man den Pressevertretern mit unbegreiflicher Geringschätzung und Mißachtung. Die Presse ist durch einen fen g, Mangel an Rückgrat leider vielfach selbst daran schuld. Diese Mißachtung der resse schlägt auch zum Schaden der Angeklagten aus, zumal wenn es ich um Offiziere auf der Anklagebank handelt; hier kehrt sich also der Ausschluß der Oeffentlichkeit gegen die Offiziere. Was den Pressepertretern passiert, könnte auch den Abgeordneten passieren; die letzteren sind aber auf die . angewiesen, wenn sie sich von den Dingen Kenntnis verschaffen wollen. Die Schuld trifft also das System und die Kabinettsorder vom 1. Dezemher 1903 Im bayerischen Abgeordnetenhause bestritt man, daß eine ähnliche Verord, nung eingeführt sei; der Hauptgrund der günstigeren Zahlen ist dort die altgewohnte größere Publizität. Das Volk hat ein instinktives Mißtrauen gegen alles, was hinter verschlossenen Türen verhandelt wird. Wir wollen die tatsächlichen Sachverhalte festgestellt wissen. Der Reichskanzler hat im vorigen Jahr gesagt, es sei ein gutes Zeichen für eine Institution, wenn nichts verkleistert und vertuscht wird. Man kann diesen Satz auch positiv stellen. Der Zweck unseres Antrages ist, den nötigen Kontakt herzustellen jwischen der Rechtsprechung und der Oeffentlichkeit und das Mißtrauen zu be—⸗ seitigen, das noch in weiten Kreisen gegen die Militärrechtsprechung besteht. In diesem Sinne bitte ich Sie unseren Antrag anzunehmen. Abg. Gröber Gentr): Schon bei Beratung des Strafgesetzbuches

Wortlaut bereits mitgeteilten Resolutionen.

für den Norddeutschen Bund gab der Kriegsminister Graf von Roon

die Erklärung ab, daß die Militärstrafgesetzgebung sich der bürgerlichen anzuschließen habe. Wenn einmal die Reform unseres Zipilstrafgesetz. buches durchgeführt wird, so muß dieser auch die des nr f . gesetzbuches folgen. Zu gleicher Zeit kann das allerdings nicht vor, genommen werden; erst muß die Revision des Ziwwilstrafgesetzbuches erfolgen. Wichtige Punkte könnten allerdings schon vorher erledigt werden. In diesem Sinne baben wir im vorigen Jahre bereits einen Anträg gestellt wegen Bestimmungen über Vergehen wegen Un⸗ gehorsams und Gewalltätigkeiten Untergebener gegen Vorgesetzte. Aus der Kommission kam ja nicht viel heraus; aber es war immer hin ein erfter Schritt und deshalb von Bedeutung, weil auch Herren sich angeschlossen hatten, die vorher widerstrebend. gewesen waren. ja nicht. Wir werden nach der neulichen Erklärung des Staats. sekretärs eine Antwort erst in der nächsten Sitzung bekommen. Wir schlagen Ihnen nun heute vor, schon vor einer allgemeinen Re⸗ vision des Militärstrafgesetzhuches einen Gesetzentwurf. vorzulegen, durch den für die Strafßestimmungen des geltenden Militärstraf⸗ gesetzbuches mildernde Umstände mit geringeren Mindeststrafen zu. elgassen werden. Diese Bestimmung ist um so notwendiger, als im gif fr fn fc; allgemein Strafverschärfungsgründe zugelassen werden. Es fehlt das Korrelat der Strafmilderungen. Durch die Ein⸗ führung des Systems der mildernden Umstände würde die Disziplin nicht untergraben. Der Vorredner hat in der Kabinettsorder vom 1. Dezember 1903 einen direkten Eingriff in die Rechtsprechung in einem einzelnen Fall gesehen. Das kann ich nicht zugeben. Ich möchte aber der Militaͤrverwaltung empfehlen, nachzusehen, ob die Order überall richti gehandhabt wird. Der Forderung einer Statistik über den e n. der Oeffentlichkeit will ich nicht entgegentreten. Wenn der Vorredner auf Japan hingewiesen hat, so ist er doch ju sehr in die Ferne ge⸗ schwelft, wir brauchen unsere Vorbilder nicht er st aus Japan zu holen.

Abg. Himburg (d. kons.): Die Resolution Gröber war durch den Fall . veranlaßt und die Resolution Müller wohl auch. Es handelt sich aber dabei um vereinzelte Fälle, und darum ein Gesetz, das Jahrzehnte besteht, zu ändern, ist immerhin bedenklich; eine solche Aenderung paßt wohl auf einen ne d ih gen aber nicht auf einen normalen Fall. Es wurde bezweckt, das Mißverhältnis der Strafen bei Verfehlungen Untergebener gegen Vorgesetzte und umgekehrt aufzu⸗ heben. Es ist damals . die Auffassung von nationalliberaler Seite vertreten worden, daß Verfehlungen gegen Vorgesetzte lediglich vom Standpunkte der Disziplin, Verfehlungen von Vorgesetzten gegen Untergebene vom Standpunkte der Körperverletzung zu beurteilen sind. Ich gehe darin etwas weiter: Wenn ein Vorgesetzter durch Reniten; zum Zorn gereizt wird und sich dann vergißt, so sehen wir das nicht so schlünm an; anderg, wenn ein Vorgesetzter eiwa planmäßig mißhandelt, da verlangen wir die strengste Strafe. Aber da können wir auch nicht über zu geringes Strafmaß klagen, denn es wird ja schon jetzt zuweilen auf Dienstentlassung erkannt. Anders liegt es mit den Verfehlungen gegen Vorgesetzte. Das sind rein militärische Verbrechen gegen die Disziplin, und sie gehören zu den schwersten, die es gibt. Da können wir keine mildernden Umstäͤnde zulassen. Der Vergleich mit dem Zivilstrafrecht ist unzulässig, denn dieses kennt einen solchen Tatbestand nicht. Den Schaden, der durch eine Aenderung der Disziplin zugefügt würde, müssen wir vermeiden. Die Menschen müssen genommen werden, wie sie sind, nicht, wie man sie sich konstruiert. Es muß durch schwere Strafen von der Verfehlung abgeschreckt werden. Es wird auch nicht auf die Durchschnittsstrafe, sondern meistens auf die geringste Strafe erkannt. Würde auf noch mildere Strafen erkannt, so wurde der Begriff des Soldaten von der Disziplin verwirrt werden. Wir würden eine Herabsetzung der Strafen für Verfehlungen gegen Vorgesetzte für einen verhängnisvollen Fehler halten, den wir auf keinen Fall mitmachen.

Abg. Dr. Gradnauer (Soz ) ; Diese Auffassung des Vor, redners erscheint mir ebenso unbegreiflich wie seine Behauptung, daß es sich nur um ganz wenige vereinzelte Fälle handelt. Wir verzichten allerseits darauf, die Menge der . vorzuführen, die sich auch für dieses Jahr gehäuft vorführen ließen; Herr Himburg aber scheint die Dinge nicht genau zu verfolgen. Herr Himburg meint auch, wenn ein Vorgesetzter einmal einen Soldaten ohrfeigt, sei das nicht so schlimm. Das ist h geradezu eine Ungeheuerlichkeit; gerade diese fortgesetzten, regelmäßigen. sogenannten kleineren Mißhandlungen sind das Schad liche an diesem System. Was würde burg sagen, wenn ihm ein ü würde? In einer Armee müssen Disziplin und Ordnung herrschen, aber gerade von diesem Standpunkt aus muß gegen die Soldaten⸗ mißhandlungen strenge eingeschritten werden, denn sie sind nicht nur Körperverletzungen, ,. auch Vergehungen gegen die Disziplin, In subordingtionsvergehen. Denn den Offinren und Unteroffizieren ist es verboten, sich solcher Mißhandlungen schuldig zu machen. Mildernde Umstände müssen unbedingt anerkannt werden. Herr Him burg nimmt glücklicherweise im Hause eine vereinzelte Stellung ein. Wenn aus der freisinnigen Partei eine Art Wettlauf um die Ver besserung der Militärjustiz jetzt veranstaltet wird, so muß doch daran erinnert werden, daß Zentrum und Freisinnige alle diese Bestimmungen in die Militarstrafprozeßordnung jsaben hineingelangen lassen, über die sie jezt Beschwerde erheben. Wir haben unserseits gegen diese Kautschukbefugnisse protestiert, namentlich gegen die dem Kaiser zu⸗ gesprochene Machtbefugnis, aber man hat uns nicht gehört. Wenn Herr Gröber vorher meinte, das Zentrum habe sich bei seinem ersten Antrag möglichst dünne gemacht, um etwas zu erreichen, so sieht man daraus wieder, was bei solcher Verdünnungspolitik herauskommt. Wenn Sie (zum Zentrum) etwag erreichen wollen, müssen Sie gerade die Regierung Ihrem Standpunkt soweit wie möglich nahe bringen. Die Reform muß ungesäumt vorgenommen, nicht ad calendas Graecas vertagt werden. Wir haben nicht so viel Zeit, wie das Zentrum zu haben scheint. Die Soldatenmißhandlungen wollte der Kriegsminister in wenigen Jahren aus der Armee herausbringen. Dieser Erfolg ist bisher ausgeblieben, kein Wunder, da man keine wirklich reformatorischen Maßnahmen getroffen hat. Die Hebung der Unteroffijiersklasse und die Hebung des kulturellen Niveaus der Be⸗ völkerung, das find die Hauptwege zu dem erstrebten Ziele. Daneben hat auch eine Reform der Strafporschriften selbst ihre Berechti= gung. In Metz hat ein Unteroffizier von einem Fußattillerie—⸗ regiment seine Leute vor dem Essen zur Mittagszeit üben lassen, und es kam vor, daß ein Soldat 265, ein anderer 45 mal ohne Mittag⸗ essen blieb. Abends, zur Schlafengehenszeit, ließ derselbe Mann Uebungen machen und Verrichtungen vorne men, zie mehrere Stunden dauerten. Für 376 Fälle erhielt er, obgleich schon wegen Mißhandlung vorbestrast, 1 Jahr Gefängnis, und das Charakteristische war, daß keiner von seinen Leuten von den Mißhandlungen irgend etwas geseben oder gemerkt haben wollte. Wo sind denn die repi⸗ dierenden Vorgesetzten, wie nehmen sie ihre Inspektionspflicht wahr, wenn ße monate und jahrelang nichts von diesen empörenden Vor— gängen merken? Die Mannschaften wagen gar nicht, obgleich die schwersten Mißhandlungen geschehen, auch nur Beschwerde zu fühlen. Zu Beschwerden scheint ein übermäßig großer Mut zu gehören, den selbst sonst mutige Soldaten nicht aufzubringen vermögen. Die Be— schwerde darf nicht an demselben Tage, muß aber nach fünf Tagen borgebracht werden; leichtfertiges Beschweren ist verboten; un⸗ begründete Beschwerde wird feen, bestraft. Eine erkannte Strafe muß eist verbüßt sein, ehe sich der Bestrafte beschweren darf. Selbst vor dem Kriegsgericht wagen die Untergebenen nicht Klage über erlittene Mißhandlungen vorzubringen. Erst wenn sie ins Lazarett kommen, irtsinnig werden, sich das Leben nehmen, kommen diese Mißhandlungen zum Vorschein. Die Statistik gibt darüber nur einen geringen Aufschluß. Die geringen Strafen sind auch nicht keeignet⸗ die Mißhandlungen einzuschränken. In Landau in der Pfalz befahl ein Unteroffizter zwei Untergebenen, Kautabak zu kauen und den Saft einem gemeinen Soldaten ins Gesicht zu spritzen. Für diese schamlose Handlung erhielt der Unteroffizier nur 4 Monate Ge—⸗ fängnis. Auch Offiziere werden zu sehr geringen Strafen verurteilt. Will man aber gründliche Besserung schaffen, so muß man auch

Herr Him⸗

das Einjährigenprivileg aufheben und den Soldaten das Recht der Votwehr geben. Bei dem Dessauer Prozeß war besonders typisch der Ausspruch eines Kriegsrats, daß es im Militärverhältnis keine

Was aus unserem Beschluß geworden ist, wissen wir

erwandter beim Militär so behandelt

az die jetzigen Kriegegerichte (sehr richtig! rechts5ꝰ oder Oberkriegs⸗

Notwehr Untergebener gegen Vorgesetzte gebe, sondern nur ein Be⸗

schwerderecht. Auf die Frage des Verteidigers ging er sogar so weit, daß er meinte, der Untergebene müsse sich ruhig von seinem Vorgesetzten abschlachten lassen. Die Untergebenen

nd zu so schematischen Abrichtungsmaschinen geworden, daß hnen gar nicht der Gedanke kommt, daß sie ein Recht der Nofwehr haben. In der Instruktion sollte den Untergebenen gesagt werden, daß sie dieses Recht haben, daß sie es sich nicht efallen zu lassen brauchen, gestoßen. und getreten zu werden. . Resolution des Zentrums strebt immerhin eine gewisse Ver— besserung in den jetzigen , . Es sollten aber mildernde Umstände nicht nur in solchen Fällen angenommen werden, wo sich um die bekannten Tanzbodenaffären handelt. Deshalb ist uns die Resolution der Freisinnigen sympathischer. Das Urteil im Dessauer Prozeß ist ja später abgemildert worden, aber immerhin . die Gemeinen zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt worden, der nteroffizier nur zu 4 Monaten. Was würde man dazu sagen, wenn ein Offizier gegen eine Dame so handelte wie der Unteroffizier? (Der Redner führt Fälle aus Freiburg, Deutsch⸗Krone und Breslau an, wo Soldaten wegen Meuterei, tätlicher Mißhandlung zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt worden seien, obwohk sie von ihren Unteroffizieren grausam mißhandelt worden wären) Daß es so nicht weitergehen kann, haben auch Militär— richter, Anklagevertreter zugegeben, sie meinen, daß den Richtern bei der Bemessung des Strafmaßes mehr Spielraum nach unten gelassen werden müsse. Der strenge Arrest sollte aus dem Strafrodex be⸗ seitigt werden, er ist eine Marterung und Peinigung des Menschen, die nie und nimmer einen Erfolg haben kann. Solche barbari— schen, mittelalterlichen Strafen wirken nicht bessernd, sondern rufen Empörung hervor. Eine Ungleichheit zwischen Untergebenen und Vorgesetzten besteht auch darin, daß bei Untergebenen die Straftat bor versammelter Mannschaft besonders schwer bestraft wird, bei Offizieren nicht. Herr Gröber scheint die Kabinettsorder bon 193 gar nicht zu kennen. Daß sie bekannt geworden ist, ist ein Verdienst des Vorwärts“. Ich habe im vorigen Jahre den Kriegsminister gefragt, ob die Verabschiedung der drei Milltär— Iichter im Bilse Prozeß mit der Kabinettsorder zusammenhänge. Das Forbacher Gericht hatte geglaubt, es läge im allgemeinen Inter. ese, die Oeffentlichkeit nicht auszuschließen. Es wurden die drei Iffisiere ohne Grund verabschiedet. Ein solcher Vorgang muß die lnabhängigkeit der. Militärrichter erschüttern. Die Kabinettsorder steht auch im Widerspruch mit dem Militärstrafgesetzbuch. Den Kriegsminister mache ich dafür nicht verantwortlich, wohl aber das Kaiserliche Militärkabinett, das die Bestimmungen des Gefetzes zu vertreten hat. Das Gesetz erlaubt nur Bestimmungen allgemeiner Natur zu erlassen. Wir haben uns seinerzeit auch gegen die Zulassung solcher allgemeiner Bestimmungen gewendet. u keinen Fall aber darf darüber hinausgegangen und in einem einzelnen Fall eingegriffen er e n elf auch en e e l sfer von 5 ausgelegt hat.

) chkeit im rverfahren existiert kaum noch. 6

der 1 hier 37 4 in ö . Hagemann (nl): Meine politischen Freunde werden für Nr. 1, 3 und 4 der Resolution l ih ers rn, stimmen. Nummer 2 können wir nicht annehmen. Von einem Mißverhältnis der Strafbestimmungen über Verfehlungen der Untergebenen gegen Vor— gesetzte zu denjenigen für Delikte der Vorgesetzten gegen Üntergebene kann man nicht gut reden. Stimmen werden wir auch ür den Antrag Gröher, der auf eine Anregung des Abg. von Kardorff zurückzuführen ist. Die Ausführungen des Abg. Himburg kann ich doch hinsichtlich der mildernden Umstände nicht gelten lassen. Wir wollen ja gar nicht eine Herabsetzung der Höchststrafen, sondern eine Herabsetzung für die Mindeststrafen.

Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Einem genannt von Rothmaler:

Meine Herren! Das zur Diekussion stehende Thema ist von solcher

Wichtigkeit, daß ich es mir doch erlauben muß, das Wort zu ihm zu nehmen. Es ist viel wichtiger als das gestrige, wo ich geschwiegen habe, denn dieses greift meines Erachtens unmittelbar in das Leben der Armee ein. Der Herr Abg. Gradnauer hat in seinen Aus— führungen gesagt, es handelte sich hier um die allerschwersten Not— stände unseres Volkes. Ach, meine Herren, die liegen wohl auf einem anderen Gebiet. Die allerschwersten Notstände birgt nicht die Miß⸗ handlung in der Armee, die liegen wo anders. Ich möchte mich kurz, meine Herren, zunächst mit dem beschäftigen, was über Miß— handlungen hier beute zur Sprache gekommen ist. Der Abg. Grad⸗ nauer hat mir einen gewissen Vorwurf daraus gemacht, ich hätte ja in vergangenem Jahre versprochen, die Mißhandlungen müßten aus der Armee herausgebracht werden, und sie würden auch herausgebracht werden. Ich möchte daran erinnern, daß mir in einer darauffolgenden Rede der Abg. Bebel gesagt hat: Herr Kriegsminister, Sie werden noch viele Enttäuschungen erleben. Ich habe ihm darauf geantwortet: Gewiß, diese Enttäuschungen werde ich erleben, das muß ich auf mich nehmen. Er hat ja recht gehabt, und ich auch; diese Enttäuschungen sind eingetreten. Es sind noch eine ganze Anzahl schwerer und grober Nibhandlungen vorgekommen. Aber wenn ich den Herrn Abg. Singer gestern richtig verstanden habe, so hat er gesagt, daß die Miß handlungen doch gegen die frühere Zeit abgenommen hätten, und zwar dank des Eintretens der Militärverwaltung und der Kommando⸗ behörden gegen diese Mißhandlungen, ferner durch das öffentliche Strafverfahren und drittens durch die Hinweise auf die Mißhand— lungen, die hier im hohen Hause stets ausgesprochen werden. Das er— lenne ich vollkommen an, das ist ein Hinweis für das Publikum, it die Unteroffiziere, für die Mannschaften, es ist immer wieder ein Anreiz, gegen diese Mißhandlungen vorzugehen. . Meine Herren, der Abg. Gradnauer hatte uns versprochen, er wollte iber die einzelnen Mißhandlungsfälle nicht sprechen. (Heiterkeit) Ich llaube, er hat uns eine Stunde ungefähr über die einzelnen Fälle Vorlesungen gehalten. Nun, meine Herren, ich kann sagen, daß in dem letzten Halbjahr des Jahres 1904 die Mißhandlungefälle in recht erheblicher Weise abgenommen haben, sowohl die brutalen als wie uch die im Affekt geschehenen Mißhandlungen, und ich glaube mich nit Zuversicht dahin äußern zu können, daß, wenn alle die Maßregeln Uut Durchführung gelangt sind, die hier gefordert werden für die durchführung der zweijährigen Dienstzeit, wenn die Allerhöchste Kabinettsorder vom 27. Januar dieses Jahres, die viele Erleichterungen its Diensibetriebes fordert, erst durchgedrungen ist, so wird nehr und mehr von Mißbandlungsfällen nicht mehr die Rede sein linnen. Wir haben auch vor, die Unteroffiziere von den Mann— schfften in der Unterbringung in den Kasernen zu trennen, ind ich glaube, daß das auch ein wesentliches Mittel sein wird, um lie gelegentlichen Mißhandlungen, die ja so leicht vorkommen, wenn lit Unteroffiziere mit den Mannschaften zusammen untergebracht sind, möglich zu machen.

Nun, meine Herren, ist vielfach erwähnt worden, daß die destrafungen dieser Mißhandlungsfälle zu leicht seien. Es steht mit nicht zu, und ich werde mich sehr hüten, die Sprüche äennender Gerichte irgendwie hier einer Kritik zu unter— sehen. Aber ich kann ganz offen sagen, daß ich den Eindruck habe, naß die früheren, alten preußischen Gerichte schärfer geurteilt haben

gerichte, und ich finde einen Grund darin, daß in diesen Gerichten auch immer Unteroffiziere, auch Soldaten vertreten waren; die Chargen mußten also über Delikte, die ihre Kameraden begangen hatten, mit aburteilen, und da ist es mir sehr wohl erinnerlich daß gerade bei derartigen Delikten der Unteroffiziere, bei Mißhandlungen von Untergebenen, die Unteroffiziere stets mit außerordentlicher Schärfe urteilten (sehr richtig! rechts), daß namentlich brutale Mißhandlungen von ihnen durchaus nicht geduldet wurden, und sie vielfach über das Strafmaß, das beantragt war, hinausgehen wollten. Ich bitte Sie auch ferner zu erwägen: früher hatte der Soldat bei den Gerichten keinen Verteidiger. Das war gewiß dem modernen Zustand nicht angepaßt. Jetzt hat er seinen Ver— teidiger, und ich kann gleich dabei bemerken, es ist niemals eine Verfügung erlassen worden ich glaube, der Herr Abg. Dr. Müller ragte mich danach —, die irgendwie die Bestimmungen über die Ver— teidigung abgeändert hat. Jetzt hat also der Soldat seinen Ver— teidiger, und, wie der Fall des verteidigenden Leutnants in Königs— berg zeigt, bringt der Verteidiger alles mögliche vor, um seinen Klienten zu retten. Alle erlaubten Mittel für eine Verteidi⸗ gung sind demnach gegeben. Ich glaube, alle diese Umstände führen dazu, daß man jetzt vielfach zu einem milderen Urteil gelangt, als es vorher der Fall war. Dazu kommt das Berufungsverfahren. Ich glaube, auch im Zivil wird man vielfach wahrgenommen haben wir wenigstens haben diese Erfahrung häufig gemacht daß die später erkennenden Oberkriegsgerichte die Strafen noch mildern. Meine Herren, ich glaube, damit kann ich die Mißhandlungen ver—

lassen. Ich habe mich im vergangenen Jahre sehr eingehend über sie geäußert und stehe ganz auf demselben Standpunkt wie damals. Eg ist mit der abscheulichste Krebsschaden, den wir in der Armee haben, diese brutalen Mißhandlungen, die aber, wie gesagt, ab⸗— genommen haben und nicht mehr in dieser schlimmen Weise zu tage getreten sind. Nun, meine Herren, möchte ich mich dem Aus—⸗ schluß der Oeffentlichkeit zuwenden und damit der Allerhöchsten Kabinettsorder vom 1. Dezember 1903. Der Herr Abg. Gröber hat ganz richtig darauf hingewiesen, daß mein Herr Amtsvorgänger in der Kommission für die Militärstrafgerichtsordnung ausgeführt hat, daß Se. Majestät der Kaiser es selbst gewesen sei, der gefordert habe, in dem Gesetz selbst festgelegt zu sehen die Bestimmung, daß Er auf Grund des § 8 der Reichsmilitärgerichtsordnung das Recht habe, eine Verordnung zu erlassen, die die Voraussetzungen enthält, unter denen die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden könnte. Nun, meine Herren, ist wohl kaum anzunehmen, daß derselbe Kaiser, der diese Bestimmungen in das Gesetz haben wollte, nun Seinerseits jetzt die Hand dazu bieten sollte, um auf irgend eine Weise die Oeffentlichkeit auszuschließen. Die Allerhöchste Kabinettsorder vom J. Dezember 1905, die dem „Vorwärts“ damals auf den Tisch flatterte, hat an der Verordnung Seiner Majestät des Kaisers vom Dezember 1899 in keiner Weise etwas geändert. Durch diese Kabinettsorder sollte keinet— wegs die dem Richter verbürgte Unabhängigkeit angetastet werden. Der Herr Abgeordnete Dr. Spahn hat in der ersten Lesung des Etats hier gesagt, das Vertrauen zur Militärgerichtsbarkeit im Volke würde erst dann vorhanden sein, wenn der Richter vollständig unabhängig da— stände wie der Zivilrichter. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, das ist ein durchaus richtiges Wort, und es ist durchaus zu fordern, daß der Militärrichter völlig unabhängig ist und nur nach Gesetz und Recht und seinem Gewissen urteilt. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Metz) Meine Herren, ich werde darauf noch kommen; warten Sie es nur ab! Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß das Gericht in jedem einzelnen Falle zu beurteilen hat, ob die durch die genannte Verordnung gegebenen Voraussetzungen für den Ausschluß der Oeffentlichkeit vorliegen. Also, meine Herren, diese Allerhöchste Kabinettsorder vom 1. De— jember 1903 gibt keine Aenderung oder Erklärung der Verordnung vom Dezember 1899, denn sie ist ohne Gegenjeichnung des Reichs— kanzlers erlassen worden, die sonst durchaus notwendig gewesen sein würde. Sie ist nichts weiter, meine Herren, als ein Hinweis darauf, daß die Verordnung vom Dezember 1899 von den Offizieren oder von den Richtern nicht beachtet worden ist. Diese Verordnung, meine Herren, beruht, das werden Sie anerkennen, auf Gesetz und ist von den Richtern genau so zu beachten als wie das Gesetz selbst. Findet nun der Kaiser, daß diese Seine Verordnung in einem gegebenen Falle nicht zur Beachtung gelangt ist, so kann dem für die Wahrung der Dis⸗ ziplin pflichtmäßig berufenen Allerhöchsten Kriegsherrn nicht das Recht streitig gemacht werden, hierauf hinzuweisen. Die Allerhöchste Kabinettsorder wendet sich in keiner Weise gegen die Oeffentlichkeit überhaupt, sondern spricht nur ihr Befremden darüber aus, daß in dem beregten Fall ich gebe das wörtlich unter Außerachtlassung der Verordnung vom 28. Dezember 1899, deren Voraussetzungen voll gegeben waren, von dem Ausschluß der Oeffentlichkeit in einem Umfang Abstand genommen sei, der nicht verfehlen konnte, die allgemeine Aufmerksamkeit in noch er— höhtem Maße auf die ohnehin schon bedauerlichen Vorkommnisse zu lenken und das Ansehen der Armee und insbesondere des Offizier⸗ korps in weiten Kreisen des In- und Auslandes zu beeinträchtigen.

Meine Herren, ich möchte bei dieser Gelegenheit noch ein paar Be⸗ merkungen hieran knüpfen. Meine Herren, ein großer Teil der Presse, das werden Sie zugeben, bespricht fast täglich die kriegsgerichtlichen oder oberkriegsgerichtlichen Urteile und knüpft daran allerlei Be— trachtungen. Trotzdem hier doch erkennende Gerichte wie die Zivilgerichte in Frage stehen, nimmt die Presse gar keinen Anstand, ohne überhaupt eine genaue Kenntnis des Falles zu haben, auch da, wo die Oeffentlichkeit ausgeschlossen war, zu erklären: das ist ein zu geringes Urteil, das ist falsch geurteilt, oder umgekehrt, das ist ein viel zu hohes Urteil, ein viel zu schweres Urteil, und damit, meine Herren, sucht sie doch ganz energisch auf die Haltung, auf das spätere Urteil der Gerichte ein— zuwirken. Sie tut da etwas, was sie Sr. Majestät dem Kaiser nicht erlauben will, der selbst übrigens auch gar nicht unternimmt, in dieser Weise einzugreifen. Ich weiß wohl, daß die Presse belehrend wirken soll, aber ob sie in diesem Falle nicht zu weit geht, das möchte ich der Erwägung überlassen. Noch ein anderer Fall, meine Herren! Die Presse beschränkt sich nicht darauf, einen Fall zu besprechen, sondern er wird sofort verallgemeinert, namentlich die sozialdemo⸗ kratische Presse. Es wird also, von irgend einem einzelnen Verbrechen oder Vergehen ausgehend, gleich die Allgemeinheit mit in Betracht ge⸗ zogen. Es ist nur eine persönliche Auffassung von mir, aber ich

dem ich sagen könnte, es ist nicht gerade angenehm, daß er die Oeffent⸗ lichkeit beschäftigt, so würde ich wohl aus der Erwägung heraus, daß die Presse in nach meiner Meinung viel zu weit gehendem Maße in dieser Weise Offizierkorps, Armee usw. angreift, dafür sein, die Oeffentlichkeit auszuschließen. (Hört, hört! bei den Sozialdemo—2 kraten. Vielfaches Sehr richtig! rechts) Ja, meine Herren, ich sage: in der Erwägung, um dem aus dem Wege zu gehen. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Und ich glaube deshalb, meine Herren, daß gerade Ihre Presse die Oeffentlichkeit oder das öffent⸗ liche Verfahren beim Kriegsgericht sehr viel mehr schädigt, als wie sie ihm nützt. (Lebhafte Zustimmung rechts und bei den Nationalliberalen. Unruhe bei den Sozialdemokraten.)

Nun ist mir, als ich erklärt habe, der Richter müsse unabhängig sein, auch zugerufen worden: „Siehe Metz!“ Ja, ich kznnte mich auf den mir gewissermaßen vom Herrn Abg. Gradnauer angewiesenen be— quemen Weg begeben und sagen: das geht mich gar nichts an; ich habe mit der Verabschiedung von Offizieren nichts zu tun, das Militärkabinett macht das! Nein, meine Herren, das will ich nicht ich will Ihnen ganz kurz und bündig erklären, daß ich es für vollkommen ausgeschlossen ansehe, daß ein Richter wegen seines Spruches in einem Kriegsgericht oder Oberkriegsgericht verabschiedet werden könnte. Diese Herren hat der Herr Abg. Gradnauer gesagt sind wegen dieses Spruches verabschiedet. Er hat uns nur vorenthalten, woher er das weiß. Ich weiß es nicht. Zuruf links.) Dann hätten doch auch vielleicht die Richter herangezogen werden müssen! Die Richter haben auch eine Stimme dabei, zweifellos; und dann hätte man auch gegen sie vorgehen müssen mit Strafen. Das hat man bei den Offizieren nicht getan. Mißfallen ist keine Strafe (urufe links), durchaus nicht! (Unruhe links. Glocke des Präsidenten Sehen Sie unser Reglement an: der Offizier hat bei uns auch noch andere Aufgaben zu erfüllen und eine andere Tätigkeit auszuüben als die, Richter zu sein. Sie können doch wirklich nicht verlangen, daß man zu Richtern in Kriegs— gerichten und Oberkriegsgerichten nur Offiziere kommandiert, die schon das Patent zum kommandierenden General in der Tasche haben, die also bis dahin absolut nicht verabschiedet werden könnten; sondern es werden einfach Offiziere kommandiert, wie sie an der Reihe sind. Wenn sie dann nach irgend einem Kriegsgerichtsspruch verab— schiedet werden, so hat das damit gar nichts zu tun. (Sehr richtig! rechts. Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Nun, meine Herren, Sie hängen sich daran und behaupten etwas, was Sie nie— mals beweisen können. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Ich mute mir ja gar nicht zu, daß ich Sie das glauben mache! Sie bleiben bei Ihren Behauptungen; die sitzen so kernfest, . Sie gar nicht loswerden! (Zuruf von den Sozialdemo— raten.

Meine Herren, ich möchte noch einige Worte zu den Re— solutionen sprechen. Es ist ja ausgeführt worden, daß unser Straf⸗ gesetzbuch durchaus kein Gesetz für sich ist, sondern in einem Ab— hängigkeitsverhältnis zu dem Reichsstrafgesetzbuch steht und auf die allgemeinen Bestimmungen desselben aufgebaut ist, und alle die⸗ jenigen Punkte, die nicht in unserem Militärstrafgesetzbuch besonders unter Strafe gestellt sind, werden eben bestraft nach dem Reichsstrafgesetzpouch. So besteht also, meine Herren das ist voll⸗ kommen klar —, die Notwehr für den Soldaten in derselben Weise, wie für jeden Zivilisten, aber auf Grund des Gesetzes und der gesetz⸗ lichen Bestimmungen. Daß Ihnen das nicht genügt, das weiß ich. Sie möchten es gern für den Untergebenen erweitern, daß er gleich den Vorgesetzten niederschlagen, daß er einen tätlichen An— griff auf ihn machen kann. So weit, meine Herren, dürfen wir nicht gehen, und ich meine, die Vorschläge, die uns in dieser Beziehung von dem Herrn Abg. Gradnauer gemacht worden sind, wollen wir dem Zukunftsstaat und der Zukunftsarmee überlassen. (Sehr richtig! rechts und Heiterkeit. Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich möchte ganz kurz doch noch an die Entstehungsgeschichte dieses Militärstrafgesetzbuchs erinnern. Jetzt wird der Armee immer der Vorwurf gemacht, die Richter strafen zu hart oder zu milde. Das wird dem Militarismus in die Schuhe geschoben. Meine Herren, dieses Gesetz ist ja gar nicht allein von Militärs verfaßt, sondern vor etwas über 30 Jahren hier im Reichstag eingehend beraten und von den gesetzgebenden Faktoren des Reichs der Lrmee übergeben worden. Diese Armee war nach einem ruhmreichen Kriege, in dem sich ihre Disziplin besonders bewährt hatte, in die Heimat zurückgekehrt, und es darf wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die von Humanität und Gerechtigkeitssinn durchdrungenen Volksvertreter diesem siegreichen Heere die mildesten Bestimmungen in dem Straf— gesetzbuch haben geben wollen.

Auf der anderen Seite war aber doch klar geworden, daß die Siege in innigstem Zusammenhang standen mit der ausgezeichneten Disziplin (sehr richtig! rechts), welche das Heer im Kriege gezeigt hat, und das ist wohl auch der Grund gewesen, warum damals die Volksvertreter uns diese scharfen und schweren Strafen im Gesetz ge⸗ lassen haben. Handelt es sich doch darum, daß wir unter allen Um— ständen und unter allen Verhältnissen die Disziplin aufrecht erhalten (sehr wahr! rechts), und zwar nicht nur in ruhigen Zeiten, sondern auch in schweren und ernsten Zeiten und im Kriege.

Nun ist, meine Herren, gesagt worden, die Gerechtigkeit fordere, daß man mit einer Umänderung des Strafgesetz⸗ buchs vorgehe. Die Gerechtigkeit wird von dem Herrn Abg. Müller⸗Meiningen darin vermißt, daß Mißverhaäͤltnisse bestehen zwischen den Strafbestimmungen über Verfehlungen der Untergebenen gegen Vorgesetzte und zwischen denjenigen für Delikte der Vorgesetzten gegen Untergebene. Dem Laien könnte danach scheinen, als ob Unter⸗ offiziere und auch Offiziere bei Verfehlungen gegen die Disziplin milder bestraft würden als Soldaten. Das ist unzutreffend. Gegen sich tätlich widersetzende oder meuternde Unteroffiziere oder Offiziere würden schwerlich jemals die Mindeststrafen zur Anwendung gelangen. Der Unteroffizier und der Offizier ist denselben Strafbestimmungen unterworfen wie der Soldat bei gleichen Vergehen.

Aber, meine Herren, es ist allerdings nach militärischer Ansicht unerläßlich, daß der Untergebene, welcher sich gegen einen Vorgesetzten vergeht oder ihn tätlich oder wörtlich beleidigt, ernster be— straft werden muß als der Vorgesetzte, der sich gegen einen Untergebenen vergeht. (Sehr richtig! rechts) Dieser, meine Herren, vergreift sich nur an dem Rechtsgut der einzelnen Person, jener aber vergreift sich nicht nur an dem Rechtsgut der einzelnen Persönlichkeit,

glaube, wenn ich Richter wäre und ich hätte irgend einen Fall, von

sondern an der Allgemeinheit, an der Grundlage für die Armee.