1905 / 74 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 27 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Kiel, 24. März. Der 39. Schleswig Holsteinische Prnro⸗ vinzlelTandtag wurde heute nachmittag in Kiel von dem König⸗ lichen Oberpräsidenten, Wirklichen Geheimen Rat Freiherrn von Wil monski mit folgender Ansprache geschlossen:

= cchgeehrte Herren! Sie sind am Schlusss einer Tagung an—

lara, auf deren Ergebnisfe Sie mit voller Befriedigung zurück. licken durfen. Für Ihre pflichtbewußte und treue Arbeit namens wöoniglichen Staaisregierung Ihnen zu danken, ist mir eine an= genebh me Pflicht

Ihr Tat gkeit hat die verschiedensten Gebiete Ihrer kommunalen.

Verwaltung fürsorgend umfaßt. Sie haben einige wichtige Wahlen vollen und sind bei der Verabschiedung der Haushaltungspläne sämilien Anforderungen den hervorgetretenen Bedürfnissen ent⸗ spreck nd gerecht geworden.

Ale Ihre Entschließungen waren getragen von den Rücksichten n waterielle und ideelle Wohlfahrt unserer geliebten Heimat. Möchn unferer teueren Provinz reicher Segen daraus erwachsen.

Mit diesem Wunsche und in dieser Hoffnung erkläre ich im Namen Sei er Majestät des Kaisers und Königs den 38. Landtag zrobinz Schleswig-⸗Holstein für geschlossen“

n 33. Propinziallandtag hat 7 Plenarsitzun gen abgehalten. en Beschlüssen sind folgende hervorzuheben:

Von iner

Die Haushaltungspläne für das Jahr 1905 gelangten zur Verabichtedung.

Vie Provinzlalsteuer, die im Jahre 1994 14060 der an= echnan ne ähisen Staatssteuern betrug, wurde auf 160,0 dieser Steuern erhöht

Zur Balancierung des Extraordinariums des Etats wurde die Aufrehre einer Anleihe von 16638 000 beschlossen.

4 Die Rechnungen pro 1903 wurden festgestellt Rechn nasfhrer Entlastung erteilt.

und dem

In Sielle des verstorbenen Oberbãrgermeistens Dr. Gie se Altona wurde der Oberbürgermeister Fuß-Kiel zum stellvertretenden Vor— sitz i des Provinztallandtags, der Stadtvererdnetenvorsteher Dr.

lm mn-Klel um Mitglied des Provinzialausschussts und der Ober— ür, neifter Br. Todsen Flensburg zum stellvertretenden Vorsitzenden dieses Aueschusses gewählt.

. Einstimmig wurde beschlossen, Seiner Kaiserlichen und König,

lichen Eheit dem Kronprinzen und Höchstdessen Hochfürstlicher Braut zu d bevorstehenden Vermählungsfeier ein Hochzeitsgeschenk zu widn Weiter wurde, ebenfalls einstimmig, beschlossen, zum bleibenden Gerkächinis der im kommenden Jahr bevorstehen den Feier der silernen Hochzeit Ihrer Majestäten des Kaisers und der Katserin

eine Stiftung zur Versorgung der guf Kündigung und ohne Pensiens⸗ bereck ung im Provinzialdienst beschäftigten Personen und ihrer Hinte bliebenen zu errichten und mit einem Kapital von 100 00 4 zu dotieren. ö

7 Der Landesbauinspektor Matthiessen in Itzeho wurde an Stelle, des verstorbenen Landesbaurats Eckermann zum Landesbaurat

8 Das Reglement über die Gewährung von Entschädigungen für Verluste durch Viehseuchen vom 10. März 19065 wurde durch einen Fäzen Nachtrag vervollständigt.

9 Für die Anwendung des Gesetzes, betreffend die Vorausleistungen zum Wegebau, vom 18. Auzust 1502 wurden bestimmte Grundsätze ausfge ite l

15 Für die Verwaltung der Provinzial-Irrenanstalt zu Neu- stadt i. S. warde ein neues Reglement beschlossen.

I Die Bekanntmachung bom 22. Mai 139] wurde dahin ab— geändert, daß künftig bei Gewährung provinzieller Beihilfen zum Auska! von Nebenlandstraßen und Nebenwegen J. Klasse die Kosten des Grunderwerbs nicht berücksichtigt werden sollen.

17 Die Geltungsdauer des Regulativs vom 23. Februar 1900, betreffend die Bedingungen für die Beteiligung der Provinz an dem Bau von Kleinbahnen, wurde auf unbestimmte Zeit verlängert.

13) Zu Vorarbeiten für einen dringend notwendigen Erweiterung bau ober Neubau des Thaulowmuseums wurden die erforderlichen Mittel durch den Etat zur Verfügung gestellt.

14 Der Beitrag der Provinz für den Fonds zur Förderung der Land- und Forstwirtschaft in den westlichen Provinzen (Westfonds) wurde von 10 000 M auf 20 000 M erhöht.

15 Zur Unterstüß ung des Kleinbahnwesens wurden Darlehen im Gesamtbetrage von s78 000 M gewährt. Im ganzen hat die Pro⸗ pinz bis ber zur Förderung des Baues von Kleinbahnen rund 600 00) 1 ausgegeben.

Petitionen waren bei dem Landtage 8 eingegangen. Von diesen fanden unter anderen Berücksichtigung die Petition der Landwirt= schaft'kammer um Bewilligung eines Garantiefonds in Höhe von 160 900 66 für die im Mai d. J. in Altona stattfindende landwirt- schaftlichke Propinzialausssellung. Einem Vorschlage des Prooinzial⸗ ausschusses entsprechend, wurden außerdem noch 30090 ƽ zur Be⸗ schaff ung von Ehrenpreisen der Provinz bewilligt Der Friedrich- Hebbel-Stiftung zu Kiel wurde eine Beihilfe von jährlich 2000 4 auf 5 Jahre gewährt. ;

Zar Unterstützung der durch Krankenschwestern des Anscharhaufes in RTI und der Biakonissenanstalten zu Flensburg und Altona aus⸗ zusbenden GSemeindepflege wurden 5000 a6 zur Verfügung gestellt. Ferner wurden der Landwirtschaflskammer zur Bekämpfung der Rinder⸗ tuberfulose nach dem Ostertagschen Verfahren auf 3 Jabre jähilich 666 M bewilligt und endlich zu Wiederherstellungsarbeiten am Dom zu Meldorf eine einmalige Beihilfe von 20 000

Deutsche Kolonien. Der Generalleutnant von Trotha befindet sich, wie dem

„W. T. B.“ berichtet wird, auf dem Wege nach dem süd⸗ lichen Kriegsschauplatz in Deutsch-Südwestafrika und ist am 25. März von Rehoboth nach Kub abgegangen. Nach einer Meldung desselben aus Rehoboth vom 25. März haben die Gefechte vom 10. und 11. März in den Karashergen den Erfolg gehabt, daß die Vande Morengas sich nach allen Seiten zer stréeute. Der Oberst Deimling hatte die Absicht, die Orte Hafunr, Garabis, Stinkdoorn und Kalkfontein, sowie die Rargeberge und Hurub mit kleinen gemischten Abteilungen u besetzen, um die Gegend weiter vom Feinde zu säubern. Major von Kamptz kehrte mit dem Rest der Truppen und dem Beutevieh nach Keetmanshoop zurück. Auf dem Wege dort⸗ hin wurde er am 19. März östlich von Hurub von etwa 109 Hottentotten angegriffen, von denen infolge der günstigen Artilltriewirkung 50 fielen; diesseits sind drei Reiter gefallen, und einer ist verwundet. Am 22. März wurde die Abteilung Kamptz wieder von 150 —200 Hottentotten erfolglos an⸗ gegriffen; dabei fiel diesseits ein Bur, vier Reiter und ein Bur würden verwundet. Die feindlichen Verluste konnten der Dunkelheit wegen nicht festgestellt werden.

121

Oesterreich⸗Ungarn. Der Kaiser empfing am Sonnabend, wie „W. T. 24

berichtet, in Bu dapest Koloman Szell in einstündiger Audienz, die aber kein Ergebnis hatte. Der österreichisch⸗

ungarische Botschafter in Berlin von Szoegyeny⸗Marich traf gestern in Bu dape st ein und wurde am Nachmittag von dem Kaiser in besonderer Audienz empfangen. Im Laufe des heutigen

Tages wird er abermals in 2 werden. Die Beru⸗ ung des Botschafters an das Hoflager ist, dem „Ungarischen

legte Korresp-Bureau“ zufolge, ausschließlich in der Absicht erfolgt, dessen Meinung über die Krisis zu vernehmen, da auf

seine Anschauung als ungarischen Staatsmanns und hervor—⸗ ragenden Kenners der internationalen Verhältnisse an ent⸗ scheidender Stelle der größte Wert gelegt wird.

Großbritannien und Irland.

Die verwitwete Königin von Sachsen und die ver— witwete Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz sind, nach einer Meldung des „W. T. B.“, am Sonnabend in London eingetroffen.

Frankreich.

Der . von Orlsans hat an seine Anhänger ein Manihest erlassen, in dem er die Vorlage über die Trennung von Kirche und Staat, die Frage des Gesetzes über die Arbeiterpensionskassen und die Angeberei— angelegenheit bespricht, die Republikaner für die „drohende Anarchie“ verantwortlich macht und erklärt, daß die Zeit für die Royalisten arbeite, deren Zahl durch bie in ihren Hoff⸗ nungen getäuschten Republikaner, die eine Aenderung dieses Regimes herbeiwünschten, täglich zunehme.

Rußland.

Ein Kaiserlicher Tagesbefehl vom 25. d. M. enthebt, wie dem, W. T. B.“ gemeldet wird, den General der Infanterie Gripenberg von dem Posten des Komm andierenden der zweiten Mandschureiarmee, heläßt ihn jedoch in der Stellung eines Generaladjutanten des Kaisers.

Die „Handels- und Industrie-⸗Zeitung“ meldet über die neuen Steuern: von den Beamtengehältern über 600 Rubel jährlich würden vom 14. Mai ab 2 Prozent in Abzug ge⸗ bracht werden; außerdem würden erhöht: die Eibschafts teuer um 50 Prozent, die Biersteuer um 331 Prozent, die Zünd⸗ holzsteuer um 100 Prozent, ferner die Steuer auf Hefen in—⸗ ländischer Herkunft um 100 Prozent und die auf solche aus⸗ ländischer Herkunft um 71 Prozent; Destillationsprodukte von Naphtha selen mit 60 Kopeken für das Pud belegt.

Vertreter des Börsenkomitees und der Industrie haben in einer Beratung über die von den Industriellen in der Arbeiterfrage zu beobachtende Haltung beschlossen, ohne die Regierung: maßnahmen abzuwarten und unabhängig davon ein eigenes Programm selbständig durchzuführen. Ein von den Industriellen entworfenes Programm empfiehlt, dem „W. T. B.“ zufolge, eine entschiedenere Haltung gegen die Arbeiter; die ann der Regierung sei schwach, die For— derungen der Arbeiter seien übermäßig und unbegründet.

Die St. Petersburger K meldet, es sei beschlossen worden, Maxim Gorki dem Gericht zu über⸗ geben unter der Anklage der Anfertigung von Pro⸗ klamationen, die den Zweck gehabt hätten, die bestehende Staats- und öffentliche Ordnung umzustoßzen.

Eine Abordnung des Moskauer Semstwos, die dem Minister des Innern Bulygin gleichzeitig mit der Abordnung der Moskauer Duma eine identische Petition überreichen wollte, ist, wie „W. T. B.“ erfährt, am Sonnabend von St. Petersburg nach Moskau zurückgekehrt, da der Minister den Empfang ablehnte.

Die Moskauer Pädagogische Gesellschaft hat sich über die Notwendigkeit ausgesprochen, die polnische Sprache zur ne riichtssprache in den polnischen Schulen von N ch⸗Polen zu machen. Gestern fand in Moskau eine zahlreich besuchte Versammlung von Rechtsanwälten stait, die sich mit dem Kaiserlichen Erlaß vom 3. März beschäftigte. Es wurde beschlossen, darum nach⸗ zusuchen, daß die Kommission des Ministers des Innern ein Wahlgefetz nach den Grundsätzen der geheimen, direkten und gleichtn Wahl ausarbeiten solle.

In Warschau explodierte gestern abend um Sin Uhr, wie dem „W. T. B.“ berichtet wird, im Hofe der Pragaschen Polizeiverwaltung eine Bombe, wodurch 6 Personen ver⸗ wundet wurben, darunter 2 tödlich. Der Täter, der gleich⸗ falls verwundet worden war, wurde verhaftet Der Ober⸗ polizeimeister Baron Nolken eilte sofort im Wagen nach dem Tatort. Unweit der Weichselbrücke wurde auf ihn eine Bombe geworfen; Baron Nolken erlitt schwere Verwundungen im Gesicht, an der rechten Hand und am rächten Fuß und wurde in seine Wohnung gebracht. Die Aerzte hoffen, ihn am Leben erhalten zu können. Ein vorübergehendes junges Mädchen wurde gleichfalls durch die Bombe verletzt. Der Täter, auf den die Polizisten feuerten, ist entkemmen, nach— dem er auf der Flucht noch einen Polizisten getötet hatte.

Im Kreise Fer fan Gouvernement Tula, wurde am Sonnabend durch Bauern ein Landsitz geplündert, der bis vor kurzem dem Grafen Ignatiew gehoͤrt hatte und jüngst durch Kauf in den Besitz mes Bauern namens Basmanow über— gegangen war. .

1500 Handlungsgehilfen in Ssamara haben, infolge der Weigerung der Prinzipale, die Arbeitszeit einzuschränken, be— schlossen, in den Ausstand zu treten.

Die technische Schule in Nieshin (Gouvernement Tschernigow) ist zeitweilig geschlossen worden, da von den Schülern infolge eines Konflitts mit den Lehrern. Aus— schreitungen begangen wurden. Die Schule wird polizeilich bewacht.

Die Arbeiter der Sadon-Bergwerke bei Wladikawkas haben wegen Lohnstreitigkeiten die Arbeit eingestel',s t.

In Halta sind Unruhen ausgebrochen. Die Geschäfte am Kai und im Bazar werden von den Unruhestiftern ge⸗ plündert. ö

Aus verschiedenen Ortschaften des Gouvernements Tiflis werden Bauernunruhen gemeldet. Am 13. drangen 350 Bauern der Ortschaft Chidari Wardsija (Greis Schorapan) unter den Rufen: „Hurra, Freiheit, Brüderlichkeit, nieder mit der alten Verwaltung!“ in die vom Ministerium für Volksaufklärung ressortierende Schule, zertrümmerten Türen, Fenster und Möbel und zerrissen ein Bild des Kaisers sowie Dokumente und Bücher. Aehnliches verübten sie in der Woh— nung des Verwalters eines einem griechischen Kloster ge— hörenden Gutes. In der Zeit vom 14. bis 18. d. M. be— gingen die Einwohner von drei Ortschaften Waldfrevel auf der Apanagebesitzung Muchranskoje; 800 mit Stöcken und Gewehren bewaffnefe Bauern aus verschiedenen Ortschaften er⸗ schienen in der Gutskanzlei und stellten die Forberung, jeder

Ortschaft in Zivil⸗ wie Kriminalsachen unbeschränkte Recht⸗

sprechung durch gewählte Richter zu gewähren, den Dorfgemeinden beigeiretene Personen anderer Stände als vollberechtigte Bauern anzuerkennen, die Staats-, Apanagen⸗ und Privat⸗ güter den Dorfgemeinden als Eigentum zu übergeben und von diesen nur Staatssteuern zu erheben. Weiter verlangten sie Besoldung der Geistlichen und deren Entschädigung für gottesdienstliche Handlungen ohne Kontrolle der Obrigkeit,

Freigabe und Eröffnung von Tesezimmern und Bihli

ensur, Schulen, Verwendung der Ren

innerhalb der Grenzen des. Gon

Grenzen Transkaukasiens sowie Preßfreiheit und Abschz verschiedener Steuern. Zum Schluß erklärten sie sich i mit den russischen Aufruͤhrern, setzten den 27. März als . für die Erfüllung ihrer Forderungen fest und behielten . die i nach diesem Termin Weiteres vor. Zur hen der Srdnung und Beitreibung der Entschädigung für den! den Waldfrevel entstandenen Schaden ist ein Bataillon em worden. Auch im Kreise Gori ist verschiedentlich z fre vel verübt worden.

Italien.

Der König und die Königin trafen, wie W. 3 meldet, am Sonnabend um /a Uhr Nachmittags in Cin vecchia ein und begaben sich alsbald an Bord der „s zollern⸗. Am, Fallréep wurden Allerhöchstdieselben vor Prinzen Eitel-Friedrich erwartet; die Matrosen „Hohenzollern“ brachten drei Hurras aus, wih die Musik die Königshymne spielte. An Bord e eine Ehrenwache die Honneurs. Die Kaiserin Aun

Viktoria empfing die Majestäten im großen Salo „Hohenzollern“. Bald darauf fand eine Frühstückstafel

Um A Uhr verabschiedeten sich der König und die Kön Die Prinzen Eitel-Friedrich und Oskar begleiteten König und die Königin zum Bahnhof. Um 35 Uhr m die Majestäten nach Rom ab, wo Allerhöchstdieselben 5 Uhr eintrafen.

Die „Hohenzollern“ ging von Civitavecchia um 4! unter dem Salut der Geschütze in See und traf gestern mittag gegen 3 Uhr in Begleitung des Depeschenht „Sleipner“ und mehrerer italienischer Torpedoboote Hafen von Messina ein. Beim Einlaufen der ) wurden vom Fort San Salvatore Salutschüsse gegeben, die die „Hohenzollern“ erwiderte. Der der Ronsul Jacob hegab sich alsbald an Bord der Jacht. 31½ Uhr ging dis Deutsche Kaiserin mit den Prin Eitel-Friedrich und Oskar an Land, um verschig Sehenswürdigkeiten der Stadt zu besichtigen. Die Rick auf die „Hohenzollern“ erfolgte nach 5i /, ÜUhr.

In der vorgestrigen Sitzung der Deputiertenkammet klärte der Minister Tittoni, das Kabinett trete zurück. Entlassungsgesuche befänden sich schon in den Händen des Kön der sich seine Entscheidung vorbehalten habe. Die Minister hi bis zur Erledigung der laufenden Geschäfte und im Interesse der rechterhaltung der öffentlichen Ordnung vorläufig in ihren Aen Tittoni bat die Kammer, sich zu vertazen. Die Sitzung wurde hi aufgehoben.

Spanien.

Die Königin von England ist gestern, wie, W. 2.

berichtet, in Cadix eingetroffen.

Schweiz.

Die eidgenössische Staatsrechnung für 1904 sch wie „W. T B.“ berichtet, mit 115 3654 000 Fr. Einnaht gegenüber 115 293 234 Fr. Ausgaben ab. An Stell in Budgetvoranschlag eingesetzten Fehlbetrages von 3 610 00! hat sich also ein Ein ahmeüberschuß von 70 766 Fr. ern

Türkei.

Aus Kanea (Kreta) meldet die „Agence Havas“, daß mit der Verwaltung des Prinzen Georg von Griech land unzufriedenen Teile der Bevölkerung sih den Bergen sammelten; die Gendarmerie sei außerstand⸗ daraus zu vertreiben. Zwei Gendarmen seien verm worden.

Serbien.

In den Beratungen der Minister, die, wie das We Telegr. Korresp⸗Bureau“ erfährt, seit der Rückkeh Finanzministers Patschu statifanden, wurde dessen Ba uber die Anleiheaussichten zur Kenntnis genommen die Aufteilung der Anleihe folgendermaßen festaeseht Eisenbahnen 35, für Militärzwecke 30 und zur Tilgt der kurzfristigen Anleihe 18 Millionen.

Amerika.

Dem „New York Herald“ wird aus San Domi berichtet, der Gesandte der Vereinigten Staaten Dawson! mit den Vertretern der europäischen Regierun und der Dominikanischen Republik eine Un redung gehabt und ein mündliches Abkommen ein durch das die strittigen Fragen bis zur Beschlußfassum, amerikanischen Senats über das amerikanisch⸗dominilam Proiokoll geregelt würden. Die Zustimmung der ameri schen Regierung vorausgesetzt, werde Da wson einen An kaner mit der Erhebung der Zölle beauftragen. Von d Ertrage sollten netto 45 Prozent an die Do ninikanisch— gierung abgeführt und die übrig bleibenden Prozente dd darüber nach den Bestimmungen des Protorolls Verfüh getroffen werde, in einer Bank hinterlegt werden.

Der „Agence Havas“ wird aus Carâcas gemeldet, Präsident Castro habe angeordnet, daß der Prozeß! die französische Kabelgesellschaft, deren Verurten er betreibe, wieder aufgenommen werde.

Asien. . Der General Linewitsch meldet, wie ‚W. T. B“

ref

Infanterie besttzt hielten, Laufe des Tages keine Veränderungen ein. Reiterabteilungen japanische Kavallerie, die sich der S7 Schuan jau sa genähert hatte, zurück. Am 22. März wurde eine! Persttene Abteilung auf unserer äußerten linken Flauke, 6 Werst be) Station Nantschentsi, von einigen feindlichen Sch wadronen bed Unsere zu Hilfe gesandte Reiterei nötigte die japanische Fapꝛl die den Angriff nicht annahm, nach Nantschentsi zurückzugeben hinter ihrer Infanterie Deckung zu suchen.

Der General Linewitsch meldet ferner unter dem 25. d,

Die Nacht ist rubig verlaufen, bei den Armeen ist heut? Veränderung eingetreten. Kleine japanische berittene Pattoh nähern sich det Station Tschuan miau fa.

Die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ meldet Gunschunling vom 25. d. M.:

Die Truppen nehmen allmählich ihre neuen Stellungen M, treten miteinander in Fühlung. Die nach den Kämpfen bei Mi nach Norden gezogenen Traing nähern sich ihren Truppente len von ihren Truppenteilen getrennten Mannschaften kehren zurrg g der rechten russischen Flanke sollen in der Umgegend det Ma mak al bideutende Tschuntschusenbanden bemeikt worden

Dieselbe Agentur meldet aus Synpingai vom 25. 8. M.

Durch starke Arrieregarden gedeckt, zieht sich die Armee auf befestigte Stellungen zurück. Heute früh umritt der komman diren de General die Truppen und begrüßte besonders die Ueberreste eines Schützenregiments, ke sich mit dem Bajonett durch einen geschlossenen Ring an Zahl äberlegener japanischer Streitkräfte den Wen gebahnt hatten. Nur 126 Mann von ihnen waren mit der Fahne zurückgekehrt; die Stimmung der Truppen ist gut.

Ein amtlicher Bericht der Oberleitung der bei Hsingsching stehenden japanischen Streitmacht meldet Hein Reuterschen Bureau“ zufolge;

Per Feind habe sich von dort 0 Meilen nordöstlich in der Richtung auf Hanungscho u, zurück gezozen Die Eisentbahn bon Mükden nach Kaivugn sei wieder im Betrieb. Die Brücke iber den Hunho sei noch nicht wiederhergestellt.

Aus Sandakan (Borneo) meldet W. T B.“, der japanische Vizeadmiral Dewa sei mit den Kreuzern „Kasagi“, „‚Tschitose! und den Hilfskreuzern „America⸗Maru“ und „FYJamata⸗-Maru“ am 18. d. M. in Lab uan angekommen und amn nächsten Tage wieder in See gegangen.

Die „St. el rh rger Telegraphen⸗Agentur“ berichtet aus Hankau, die Frage des Rechts zum Bahnbau der Linit Hankau— Kanton rufe heftige Erregung in der Bevölkerung hervor, die durchaus die Annullierung der ben Amerikanern erteilten und von diesen an Belgier we terverkauften Kon session und die Uebergabe des Baues an Chinesen fordere. Unlängst habe der Generalgouverneur Tschang⸗tschi-tung gemeldet, die Bevölkerung sei nicht ge⸗ sonnen, auf die Konz ssion zu verzichten, da die Amerikaner ben den Belgiern verkauften Teil der Aktien zurückkauften. Er habe darauf vom chinesischen Auswärtigen Amt die Weisung erhalten, die Frage des Bahnbaus aufmerksam zu verfolgen.

Afrika.

Das dritte russische Geschwader ist, wie das Reutersche Bureau“ erfährt, gestern von Suez in südlicher giichtung abgegangen.

Aus Port Touis erfährt W. T. B.“, Eckundungen liehen die Meldung des von Colombo daselbst eingetroffenen Dampfers, er habe in der Nacht vom 185. März die russische Flotte gesichtet, als unglaubwürdig erscheinen.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Buregus“ aus Tanger hat der Sultan den Kaid Sir Harry Maclean zum Befehlshaber der marokkanischen Truppen während des Besuchs des Deutschen Kaisers ernannt.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (173) Sitzung des Reichstags, welche? der Kriegsminister, Generalleutnant von Einem genannt von Rothmaler und der Staatssekretär des Reichs⸗ schatzamts Freiherr von Stengel beiwohnten, wurde die weite Berakung des Reichshaushaltsetats für 1905 bei . Etat für die Verwaltung des Reichsheeres fortgesetzt, und die Debatte über die Ausgabekapitel: „Artillerie und Waffenwesen“ und „Technische Institute der Artillerie“ wieder aufgenommen.

Abg Zubeil (Soz.) knüpft an die Ausführungen des Abg. Pauli vom Freitag an. Es scheine ja, als ob man sich talsächlich mit Jieforinen in den militärischen Betrieben in Spandau trage; aber ob die Militärs auch die geeigneten Leute seien, um so großen technischen Betrieben in ersprießlicher Weise vorzustehen, sei doch sehr die Frage. Cine im vorigen Jahre erschienene Broschüre eines Haupimanns Preis werfe auf die Verwaltung und Leitung dieser Staats Feteiebe sehr eigen tümliche Lichter. An der Hand einzelner An, gaben der Broschüre sucht der Redner darzutun, daß dort überall Mißwirtschaft herrsche, daß das Streben vor allem dabin gehe, an den Arbeitelzhnen zu sparen, daß von einer fachlichen Ausbisdung der Off iere zu Fabrik. und Betriebeleitern keine Kae sti. Der Fach⸗ mann gehöre auf diesen Posten, nicht aber ein Offizier, der lediglich daran gewöhnt fei, daß auf sein Kommando alles einschwenke. Den fundamentalen Unterschieden, die wischen dem Betrieb und den Funktionen ber Arbeiterschaft im Feuerwerkslaboratorium und in der Geschüßz ie ßerei beständen, würde seitens der Verwaltung nicht Rechnung eiragen. Ebenso widersinnig sei die Ciarichtung verschie dener Lohnklassen, eine Quelle schlimmflet Unzufriedeneit unter den Arbeitern. Ueber die Leistungs—⸗ säbigkeit des einzelnen Arbeiters entscheide lediglich die Willkür der Meister. Der Fehler liege eben in dem unkaltbaren Spstem. Der alt? Arbeiter, der feine beste Kraft geopiert habe, werde zum Losn aus der ersten in Lie zweite Lohnklasse zurückoerletzt. Antererseits gehe es streng nach dem Dienstalter, und auch der Fäbigste bleibe ungerechter⸗ weise viel zu lange in der zweiten Klasse Man führe endlich einmal den Achtstundentag in allen Weristätten und Betrieben rer Militär verwaltung ein, wie es England schon 189 getan, wie er auch in Spanien, Oesterrei b. Nordamerika, ja selbst in Rutland in der Haupifache durchgeführt sei. Lediglich die Rücksicht, die

j

waltung auf die Privatindustrie nebmen müsse, lediglich dieses an die

die Ver⸗

verkehrt? Welt gemahnende Verhältnis hindere die Heeres⸗ verwaltung daran. Auch in der neuen Lobn zdynung kämen

—23*

diejenigen, die es am nötigsten hätten, am schlechtesten wen. Die Vergünstigung für die Arbeiter in gewissen schmutzigen Betriebs⸗ zweigen in der Pulverfabrik, 20 Minnten vor dem normalen Schluß der Arbeit aufhören, um ein Bad nehmen zu können, sei in Wegfall gekommen. Ebenso habe man gewisse Zulagen einfach abgeschafft. Die sebr vernünftige Vorschrift, daß alle vier Wochen in iesen ge.

sundheilsgefäbrlichen Betrieben das Personal wechseln müsse, sei mit

ungerechten Lohnkürzungen verknüpft worden, die man vachber zum Tell habe rückzängtg machen müssen. Die Maschinenarkeiter seien durch die neue Lohnordnung mit ihren verminderten Akkordsãtzen besonders benachteiligt, wie die Vermehrung der Uafälle keweisg. Auch Lohn⸗ abzäge seien nach wie vor an der Tagesordnung; man scheine sich über⸗

haupt in Spank au wenig um dag zu kümmern, was der Kriegs · Kantinen

minister im Reichstag erkläre. Die Ueberschüsse dee

fonds sollten nicht zu Sedanfeiern und Gesangvereinsgründungen, sondern zu ÄUrbeiterunterstüßungen verwendet. werden Herr auli habe in einer Spandauer Versammlung versprochen, ür die Erhöhung der Löhne und für Utlaubegewährung ein—

zutreten, habe dieß aber gm. Freitaz im, Reicht tag vergessen. Die Zahl der Meister und Meislesgehilfen sei viel zu gros, ener entfalle schon auf 12 Arbeiter; da mässe in das Antreiben, besonders in der Feldzeugmeisterei, florieren. Di? Behandlung der Arbeiter lasse nach wie vor fehr zu wünschen übrig; Brutalitäten seren nicht selten. Ein aus Hanau berübergekommener, besonders sHneidiger Antreiher habe dekretiert, daß er mit Herr Meister“ angeredet werden müsse. Die Schurigeleien und Brutalitäten des Ingenieur Behlmann hätten dahin geführt, daß dieser Herr grohrfeigt worden sei; der schuldige Arbeiter sci aber nur zu a6 6 (lt strafe verurteilt worden, well die Brutalitäten des Ingenieurs erwiesen worden seien. Gleiche Rücksichtslofigkeit werde gegen die Acbeiterausschüsse geübt. Auch mit den Gnadenpensionen könne es nicht so weiter gehen wie bisher; es berrsche Willlür Fiatt eines ge⸗ ordneten Verfahrens mit Rechts garnntieen. Dasselbe gelte von den Unterstätzungen Erkrankter; die Mitwirkung der Atheiterausschüsse sei nur ganz äufferlich. Die Spandauer Irbeitsordnung berpäne jede politische Betätigung ingerhalb der Betriebe bis zu dem Punkte, daß der Arbeiter, dessen Frau ihm etwa selne Stußle in ein Stück ‚Vorwaͤrts oder Brandenburger Zeitung“ eingewickelt habe,

gewärtig sein könne, zu fliegen; aber die politische Agitation des „Neuen Wahl vereins“ könne sich in den Betrieben ungehindert breit machen. Während der Arbeilszeii seien die Obermeister und Meister zu einer Kenseren; zusammenberufen und ihnen der Eintritt in diesen konser— vativen Verein nahegelegt worden; anderen habe man mit dem Zaun⸗ pfahl gewinkt, indem man ihnen Statuten und Mitgliedebuch ins Haus schickte. Herr Pauli hahe aach seinerseits erklärt, daß er Mit- teilungen aus den Aibeiterkreisen hinfort nur noch vom Vorstand des Vereins, nicht . von den Aibeiterausschüssen entg-gennehmen werde. In der Gewehrfabrik sei der Prozentsatz der Erkrankungen ganz unver hältnismäßig boch, desgleichen in der Munitionsfabrik und in den Artilleriewerrstätten. Aus der Statistik gehe hervor, daß die Arbeiter

über 50 Jabre soweit irgend möglich ausgemerzt, und dafür möglichst Jugendliche mit minimalem, elendem Lohne einge stelt würden. Bei Submissionen sei vorgeschrieben, daß die Submittenten die AVrheiten in eigenen Betrieben her⸗

stellen; in der Korbmacherei sei dagegen verstoßen worden, der Arbeiter aber, der das meldele, sei von der Direktion den hztreffenden Fabri⸗ lan en ausgeliefert worden, und dieser Arbeiter könne jetzt in ganz Berlin keine Arbeit in seiner Branche finden. Man aue die Spandauer Institute zu Mußerinstituten aus, dann würden diese Klagen verstummen.

Abg. Dr. Becker ⸗Cöln (Zentr): Die Militärverwal tung und Herr Pauli werten ja wohl das Turnier mit Herrn Subeil aufnehmen und durchführen. Nach meiner Kenntnis der Dinge in den analogen Fabriken in Siegburg wird es auch in Spandau so schlimm nicht sein. Auch wir wollen bessern, aber nicht Unzufriedenheit säen, das untersche det uns von Heir Zubeil, bei dem es nur um die Wahlstimmen gebt Im großen und ganzen herrscht bei den Arbeilern der Geschoßfabrik und des. Lahoratoriums in Siegburg Zu—

friedenheit; der Aadrang ist kolossal, und großes Lamento bricht aus, wenn einmal Entlassungen notwendig werden. Im Zukunftsstaat wird es schwerlich so ordentlich und

zufrieden zugehen, wenn Sie dann nicht auch Krakehler vor die Tür setzen. Man hat bedauerlicherweise nicht ämtliche Begmten in Sieg⸗ barg aufgebessert und leider von oben augesangen. Die Meister sind un— beruͤcksichtigt geblieben; anderer seils hat die neue Lohnordnung dahin ge— führt, daß im Dienstalter jüngere Meister höhre Lohne beziehen als ältere. Die Verwasltungeschreiber ersehnen seit lange eine Besser⸗ stellung die ihnen bisher nicht gewährt worden ist; bei ihrer Wichtig⸗ keit im Betriebe köngen wir sie nur dem Wohlwollen des Ministers empfeblen, namentlich hinsichtlich der Pensionsberechtigung. Die Pferktner, Hausdiener usto. klagen ebenfalls über ihr unzulängliches Gebalt. Auch die Arbeiter wünschen eine eigene Pensionskasse; sie möchten ein Recht, einen gesetzlichen Anspruch statt des bisherigen Woblwollens der Verwaltung.

Abg. Dr. Lucas (ul): Mit Freuden ist zu begrüßen, daß man endlich angefangen hat, den Technikern und Chemikern eine ihrer Leistung entsprechende Stellung anzuweisen. Leider aber hat man wiederum verabfaͤumt, die den Militäranwärtern mit vorbehaltenen Stellen besser auszustatten. Die Lohnordnung erreicht ihr Ideal, Lohn und Leistung genau abiumessen doch nicht und erweckt so um so mehr den Verdacht der Willküc. In sozialpolitischer Beziehung hat zwar Herr Zubenl ganz außerordentlich die bestehenden Mängel übertrieben, aher Denn entgegen § 6lt B. G. B. bei militärischen Uebungen der Lohn nicht voll gezabln wird, bei Urlaub ein Tag oder mehr abgezogen wird, so sind das doch Anläͤsse zu begründeter Beschwerde. Auf dem Gebiete des Wohnungswesens bestehen in Spandau und anderswo noch tat- sächlich Mißstände, ebenso im Punkte der Altersversorgung, die die Verwaltung sich energisch bemühen müßte, aus der Welt zu schaffen.

Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Depart ments— direktor im Kriegsministerium, Generalmajor Sixt von Armin: Am vorigen Freitag hat Herr Pauli bedauert, daß bei der Neuorganisarion nur eine Aufbefserung der oberen Be. amten herausgekemmen sei. Man hatte aber doch gerade darüber geklagt, daß die oberen Beamten, Chemiker, Techniker, In- genieure, nicht so bezahlt würden, wie ihre Stellung verlange. Diese Klage ist beseinigt worden; es sind Gehaltsaufbesserungen in den Etar eingesetz' worden, welche in unmittelbarem Zusammenhange mit der Neuorganisafson stehen. Für die Unterbeamten werden wir bemüht sein, im nächsten Jahre Aufbesserungen zu erreichen, soweit es noch nicht geschehen ist. Herr Pauli rechnete uns 50 090 46 unnützer Ausgaben durch das Schreibwerk vor; diese 50 000 6 würdèn den Kohl auch nicht fett und nicht magerer machen. Ein Drittel der ganzen Summe, die wir zur Verfügung haben, geht für Arbeitelöhne drauf. f

Ueber die Verwaltungsschreiber, Buchsen⸗ macher und Waffenmeister haben wir uns ja in der Kommission ein= gehend unterhalten. Den Schreibern sind alle Wüunsche erfüllt worden biz auf den einen, daß sie Beamte sein wollen. Dieser Wunsch kann nicht erfüllt werden, der Reichstag selbst hat eine bezügliche Petition abgelehnt. Die Waffenmeister stehen bezüglich ihrer Anstellungs— bedingungen unglücklich; das läßt sich aber nicht ändern, wir können nicht Leute, die ibre Stelle auzfüllen, wegjagen, um andere hinein— zubringen. Der Notsiand ist auch nicht 10 groß. Bei der neuen Lohnklasseneinteilung ist diese Kategorie auch, besonders berũcksichtigt worden. Herr Pauli hat auch gemeint, es sei den Meistern gar nicht möglich, in das Höchstgehalt aufzufteigen. Da befindet. er sich im Irrtum. Bezüglich der Urlaubserteilung kann die Militärverwaltung ebensowenig einfeitig vorgehen wie bei der Einführung des Acht un den— tages; der Urlaub würde einen fingnziellen Effekt von etwa Million bedeuten. Was Herr Zubeil aus der Broschüre des verabschiedeten Offijiezs vorgelesen hat, kam doch etwas post festum; denn es konnte in ihr doch nur dargetan werden, daß eine Neuorganisation nötig war, und die ist ein zetceten. Die Techniker sind mehr in den Vordergrund gestellt, die tehnische Vorbildung der Offüiere ist weiter gefördert worden. Was Herr Zuheil gegen die beiten Lohnklassen vorgeführt hat, ist mir nicht Lanz flar geworden. Jüngere, noch nicht soweit vorgeschrittene Arbeiter erhalten weniger Lohn als erfahrene ältere, und dem Dienstalter wird durch die Abstufung in den einzelnen Lohn klassen Rechnung getragen. Auf alle Beschwerdevunkte kann ich eingehen, ich hör von einigen zum ersten mal; ich werde das Vorgebtachte prüfen, wenn mir das Stenogramm vorliegt. Für den Meister Bahlmann, der dem Institut sehr gute Diensse ge⸗ leistet hat, mochte ich noch ein Wort einlegen.

nicht

Er war schroff, das ist richtig; er verstand nicht, mit seinen Arbeitern umzugehen. Die Brutalität, die Rohheit, von der Herr Zubeil in diesen Zusammen⸗ hang gesprochen hat, lag aber auf Seite des betreffenden Arbeiters, und es war kine Heldentat. Konferenzen wahrend der Arbeitszeit bezüg⸗ lich des neuen Wahlvereins haben nicht stattgefunt en,. Den Herren Becker und Lucas spreche ich meinen Dank für die wohlwollende Art ihrer Kritik aus; ihre Anregungen werden geprüft werden. Den Wunsch nach einer Arbeiterrensionskasse zu erfüllen hat seine großen Bedenken, nachdem solche Kassen Bestände hatten und nachher aufgelöst worden sind. Die jeßigen Unterstützungen würden dann pensions ähnliche Unterstũtzungen sein und eventuell eine Rentenkürzung nach sich ziehen, womit dem Betreffenden doch nicht gedirnt wäre. Die nene Lobnordnung begünstigt nicht die höheren Rlassen gegenüber den niederen, wie Hert Zubeil behauptete. Wir glauben, mit der neuen technischen Orgznisalion und mit der neuen Lohnordnung eine ganz wesentliche Verbesserung herbeigeführt zu baben, und kênnen zunächst einmal abwarten, wie sich Beides in der Piaxis bewähren wird.

Bei Schluß des Blattes nimmt der Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel das Wort.

In der heutigen (199) Sitzung des Hauses, der Abgeordneten, welcher der Präsident des Staatsministeriums, Reichskanzler Dr. Graf von Bülow, der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben und der Minister für . und Gewerbe Möller beiwohnten, wurde zunächst die Wahl eines Schrift führers an Stelle des Abg. Marx vorgenommen und auf Vorschlag des Abg. Dr. Dittrich (gentr.) der Abg. Graf Praschma (Zenir durch Zuruf gewaͤhlt.

Auf der Tagesordnung steht ferner die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung ein⸗ zelner Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865/1892 (über die Arhbeiterverhältnisse), und des Gesetzentwurfs, betreffend Lbänberung der 88 65, 156 bis 162, 207a des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1866/1892 (über den Betriebszwang) und des dritten Abschnitts des Ausführungsgesetzes zum Reichsgesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 23. September 1899. und in Verbindung damit die Beratung des Antrags der Abgg. Dr, von Savigny (Zentr) und Genossen, betreffend gesetz⸗ geberische Maßregeln gegen das Stillegen von Bergwerksunternehmungen.

Zuerst findet die Besprechung des Gesetzentwurfs, be— treffend die Abänderung einzelner Bestöimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865/1892 Regelung der Arbeitszeit, Ueber⸗ und Neben⸗ schichten, Abschaffung des Wagennullens, Be— schränkungen der Geldstrafen, obligatorische Ein— führung von Arbeiterausschüssen statt.

Abg. Dr. von Hepdebrand und der Lasa (kons) spricht zur Geschäftsordnung den Wunsch aus, daß bei Erörterung dieses Gegen— standes auch allgemeine Bemerkungen über die zweite, die Verhinderung der Stillegung von Zechen betreffende Novelle zum Berggesetz ge— macht werden dürfen.

Präͤsident von Kröcher erwidert, daß sich dies gar nicht werde verhindern lassen.

Die Abgg. Fischbeck (frs. Volksp), von Synern (u.) und Freiberr von Jedlitz und Neukirch sfreikons.) sind mit der Er— füllung des Wunsches des Abg Dr. von Hevdebrand und der Lasa einverstanden unter der Voraussetzung, daß trotzdem noch eine be— sondere Beratung der jweiten Novelle stattfindet.

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa erklärt sich auch seinerseits damit einverstanden.

Sodann nimmt das Wort der Präsident des Staats⸗ ministeriums, Reichskanzler Dr. Graf von Bülow und nach diesem der Minister für Handel und Gewerbe Möller.

(Schluß des Blattes.)

Verkehrsaustalten.

Vom 1. April ab sind die Postanweisungen nach Deutsch⸗ Ostafrika nicht mebr in der Markwährung, sondern in der im Schutzgebiete geltenden Rupien währung (l Rupie 1060 Heller II „) auszustellen. Ebenso sind auch die Nachnahmen auf Einschreib⸗ brieffendungen sowie auf Briefen und Kästchen mit Wertangabe nach Deutsch-Ostafrika in der Rupienwährung anzugeben.

Fortan sind im Verkehr mit Niederländisch- Indien Briefe und Kästchen mit Wertangabe bis zu 8000 6 zur Beförderung zugelassen. Ueber die Versendungsbedingungen und Taxen erteilen die Poslan alten Auskunft.

Vom 1. April ab sind im Verkehr zwischen Deutschland und Niederländisch⸗Indien telegraphische Postan— weisungen julässig. Ueber die näheren Bedingungen Ter tele⸗ grapbischen Uebermittelung erteilen die Postanstalten auf Verlangen Auskunft.

Theater und Musik.

Berliner Theater.

Am Sonnabend setzte Joseph Kainz sein Gastspiel als Richard der Zweite“ in Shakespeares Drama gleichen Namens fort. Das Stück war zu Gunsten der Hauptrolle stark ge— kürzt, nur das Notwendigste der äußeren Handlung war als Binge— glied und Erklärung der Hauptsjenen des Gastes geblieben. Der Schwervunkt des Ganzen liegt in einigen fein pointierten Dialozen und geistvollen Monologen. Richard ist auf dem Thron ein degene— rierter Herrscher und als Entthronter ein Philosoph und empfindsamer Seesenkenner Die Menge geistvoller Aeußerungen, die der Dichter dieser Gestalt in den Mund legt, gab dem Gast Gelegenheit, seine verfeinerte Ausdruckzfäbigkeit, sein souveränes Beherrschen intimster wie kraftvoll ster schaaspielerischer Mittel zu betätigen. Es ist offen— fundig, daß sich Kainz künstlerische Persönlichkeit reifer, voller ent— wick lf hat, daß sie in sich eine tiefere Resonanz ihrer künstlerischen Aeußerungen erlangt hat. So scheint z. B. auch das Ocgan klang⸗ voller, man könnte sagen heldenhafter, geworden zu sein. Von den anderen Darstellern ist nicht viel zu sagen; sie waren aher alle bemüht. ihre Aufgaben gut zu lösen. Besonders eindrucksvoll in Sprache und Spiel war Hert Pittschau alz alter Herzog von Lancaster.

Lustspiel haus.

Das Lustspielhaus machte gestern in einer Mittagsvorstellung seine Besucher mit drei neuen Stücken bekannt, von denen das zweise und dritte literarisch volle Beachtung verdienen. Den Anfang machte „Der Außenseiter“', ein Akt von Richard Jaffé, dem Verfasser des bor Jahren im Lessingtheater gegebenen Schauspiels Das Bild des Sianorelli. Der Grundgedank-, daß ein moralisch intalter junger Mann au der Provinz in eine großstädtische Gesell— schaft eingeführt wird, wo die Sittenverderbnis alle Ehr⸗ begriffe faft in ihr Gegenteil verkehrt hat, wäre an sich nicht unftuchtbar, aber die Ausführung ist nicht überzeugend. Veiallzemeinerungs fähig ist die hier gejeichnete Gesellschaftssatire nicht, und als Einzelfall betrachtet, vermag sie kaum tiefer zu interessisten. Das Stücklein fand aber immerbin in der gewnzten Darstellung der Herren Schönfeld, Spira, Hofmeister, der Damen Gerno, Gutmar, Wendt um a. eine beifällige Acfnahme Zu tragischer Größe wuchs die zweite Gabe des Abends empor: Klara Virblgs Drama in einem Akt Die Bäuerin, das erste Stück eines den „Kampf um den Mann“ behandelnden Zyklus von Bühnen— werken. Klara Viebigs feine und eindringliche Kunst, ihre Fäͤhig⸗ keit, scharf Beobachtetes lebendig zu gestalten und dabei tro aller Treue der Wiedergabe im einzelnen nicht den großen Zug des Ganzen aus dem Auge zu verlieren, kurz alle die Eigenschaften, die nan an der Erzählerin längst kennt und schätzt, fand man auch er⸗ freulicherweise bei der dramatischen Dichterin wieder. Sie läßt uns einen tiefen Blick in die Seele der alternden Wäuerin tun, die einen jungen Mann zur Ehe nahm, über den sie eifersüchtig wacht. Schwere Krankheit hat ihn aber aufs Lager, geworfen, un) die Hoffnung auf Genesung ist gering Dennoch bleiht nichts unverfucht, und fleißig besucht die Bäuerin auch die Meffe, um für sein Feil zu beten. Da finden sie eines Tages, aus der Kirche beimkehrend. Cilla. die Dorf- schöne, im Krankenzimmer, und aus den Fieberphantasien des schwer alt dem Tode Ringenden schöpft sie dringenden Verdacht, daß sie von ihm und Filla betrogen worden sei. Von Eifersucht gepeinigt, schickt sie Cilla fort, wirft sie sich vor dem Muttergoltesbild auf die Knie, und ebenso heiß, wie sie früher um Genesung für den Kranken gebetet, fleht sie jetzt um seinen Tod, damit er ibn in alle Ewigkeit angehöre, sie allein sein Grab hegen, sie allein an geweihter Stätte später an feiner Seite ruhen dürfe. Um einen sansten Tod sollen nun auch die ans Krankenlager gerufenen Rosenkranz jungftauen, unter denen sich auch Cilla befinden gemeinsam beten. Da aber der Kranke noch immer lebt, schleudert die Bäherin den Mäcschen bie Anklage ins Gesicht, daß wohl eine unter ihnen sich befinden müsse, die keine reine Jungfrau sei. Erschreckt stärzen diese ins Freie, wo Cilla ohnmächtig zufammenbricht. In diesem Augenblicke richtet der Kranke sich mit dem Ausruf „Cilla“ auf, die Bäuerin zwingt ihn