sagen, daß das kein Grund für die Ablehnung wäre, sondern im Gegenteil ein starker Grund für die Bewilligung der Zulage. Die⸗ jenigen Seeoffiziere, meine Herren, die dann 3 bis 4 Jahre früher in die sicheren Stellungen kommen, müssen doch mit der Möglichkeit rechnen, um 3 bis 4 Jahre früher verabschiedet zu werden als ihre Kameraden der gleichen Charge in der Armee. Wenn Sie die Zulage nun ablehnen würden, würden Sie doch zu der Härte, die darin liegt, daß die Seeoffiziere früher verabschiedet werden, noch eine zweite Härte binzufügen, daß Sie nämlich ihre Pensionskompetenzen verringern würden. Schließlich ist noch bemängelt worden, daß die verbündeten Re⸗ gierungen die Zulage für die Fregattenkavitäns auch damit begründet haben, daß sich die Schlechterstellung der Marine gegenüber der Armee im besonderen bei der Pensionierung und weiterhin bei der Witwen und Waisenversorgung fühlbar mache, dieser Nachteil müsse durch das Pensionsgesetz, nicht aber durch den Etat beseitigt werden. Meine Herren, die Pensionsgesetzgebung kann doch nur Grundsätze aufftellen, die tatsächlichen Gebührnisse einer einzelnen Persönlichkeit werden durch den Etat bestimmt, und die Sache liegt tatsächlich so, daß, wenn ein Fregattenkapitän zur Zeit verabschiedet wird, er eine um S00 M geringere Pension bezieht als der verabschiedete Oberst⸗ leutnant der Armee. Bei der Witwe eines Fregattenkapitãns mit 3 Kindern würde der Unterschied etwa 500 M betragen. Meine Herren, das ist doch eine Härte und ein Unterschied zu Ungursten der Marine, der gewiß nicht in der Absicht des hohen Hauses liegen kann. Ich kann daher nur aufs wärmste befürworten, daß das hohe Haus dem Beschluß seiner Budgetkommission seine Zustimmung nicht ver— sagen möge. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.) Die Position wird unverkürzt bewilligt. Darauf wird die weitere Beratung des Etats auf Dienstag 11 Uhr vertagt (außerdem Wahlprüfungen). Schluß 65 Uhr.
Preußischer Landtag.
Herrenhaus. 33. Sitzung vom 27. März 1905, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) er Präsident Fürst zu Inn- und Knyphausen eröffnet
die Sitzung mit folgenden Worten:
Ich glaube in Ihrer aller Namen zu handeln, wenn ich erkläre, daß die Novellen zum Berggesetze nicht zunächst dem Abgeordneten⸗ hause hätten vorgelegt werden dürfen, und daß wir mit dieser Maß⸗ nahme der si
D —
Regierung nicht einverstanden sind. — Sodann liegt es mir ob, einen Ausdruck des Schmerzes zu verlautbaren. Sie wissen alle, daß der Minister Freiherr von Hammerstein einer der besten Freunde des Herrenhauses war, und ich darf ver— sichern, daß er sein gutes Herz und seine Geneigtheit, unser Ansehen zu heben, voll bewiesen hat. Aus diesem Grunde haben wir Anlaß, seinen Deimgang schmerzlich zu empfinden. Ich habe mir gestattet, diesen Schmerz der Familie mitzuteilen. Sie haben sich erhoben. Ich danke Ihnen.
Zur Geschäftsordnung bemerkt
Freiberr von Manteuffel: Ich behalte mir vor, bei der Etats beratung nochmals auf den Gegenstand, den der Herr Präsident zunächst berührte, zurücksukommen, und bin überjeugt, daß auch die Herren, die nicht ju meinen näheren Freunden gehören, ganz dieselbe Ansicht haben werden, die zu meiner großen Freude der Herr Prä⸗ sident bier aus zesprochen hat. g
Oberburgermeifter Becker⸗Cöln: Ich möchte namens unserer
Fraktion die Erklärung abgeben, daß wir diese Ansicht teilen.
Das Haus ehrt sodann das Andenken des verstorbenen Mitgliedes Grafen von Pfeil-⸗Burghauß durch Erheben von den Sitzen.
Der Präsident teilt eine Liste neu berufener Mit— glieder mit.
Hierauf tritt das Haus in die Tagesordnung ein.
Herr Dr. Itten bach berichtet über eine Petition um Rechts—
i etition zur Tagesordnung überzugehen. Ohne Erörterung tritt das rr Dr. Ittenbach berichtet bierauf über den zur einmaligen Schlußberatung stebenden Gesetzent wurf, betreffend die Aende— g der Amtsgerichtsbezirke Alt⸗Landsberg und Lichten g. Er beantragt, diesem Entwurf unverändert die verfassungs⸗ äßige Zustimmung zu erteilen. Das Haus beschließt entsprechend. Erster Bürgermeister Dr. Jo hansen⸗ Minden empfiehlt des weiteren unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs, betr. die Erweiterung des Stadtkreises Dortmund. Der Entwurf wird in einmaliger Schlußberatung angenommen, ebenso der Gesetz⸗ entwurf, betr. die Erweiterung des Stadtkreises Königs— berg, nachdem Graf zu Eulenburg⸗Prassen als Referent die Annahme der Vorlage empfoblen hat. Es folgt der mündliche Bericht der Finanzkommission über
die vom Hause der Abgeordneten genehmigten Staats— verträge zur Regelung der Lotterieverhältnisse zwischen Preußen und Mecklenburg-Schwerin vom 28
& L* -= .
Ges GMF
ßprotokollen. Der Referent Graf von Keyserlingk beantragt namens der Kommission die Genehmigung.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Der Herr Referent bat die Sach. und Rechts- lage in so eingehender und lichtvoller Weise klargelegt, daß mir nur übrig bleibt, ihm meinen Dank abzustatten und ich mich auf einige wenige Bemerkungen beschränken kann. Die Zustände im deutschen Lotteriewesen sind allgemein Gegenstand der Klage gewesen, nicht nur des Landtags und der Presse sondern auch seitens aller beteiligten Kreise, und es muß die Klage zum großen Teil als gerechtfertigt anerkannt werden. Der Zustand war deshalb ein nach mannigfacher Richtung bin un— erwäunschter, weil eine große Anzabl der Einzelstaaten ihr Spielkapital auf einen Betrag gebracht hatten, den im eigenen Lande unterzubringen, unmöglich war. Während wir in Preußen nur 2.35 Æ an Spiel kapital auf den Kopf der Bevölkerung haben, steigt dasselbe anderswo bis zu 60 Æ auf den Kopf der Bevölkerung. Es ist klar, daß die kleinen Staaten außerstande sind, die vielen Lose bei sich abzusetzen, und es entstebt infolgedessen ein Raubzug nach den andern Staaten, namentlich nach Preußen. Die Folge davon war eine finanzielle und, wenn ich so sagen soll, eine moralische. Die finanzielle besteht darin, daß das Hineindrtingen fremder Lose den Absatz
Regelung dieser Verhältnisse im allgemeinen.
verschärfte Strafbestimmungen das Eindringen fremder Lose ver⸗ hindern will. Ich habe schon damals ausgeführt, daß dieses Gesetz nicht Selbstzweck ist, sondern nur Mittel zum Zweck sein kann, die Lotterieverhältnisse in unserm Vaterlande anders zu gestalten. Zu einem erheblichen Teile ist der Zweck alsbald erreicht und der Nutzen in die Erscheinung getreten. Das Gesetz war nämlich noch nicht ver⸗ öffentlicht, als schon von allen Seiten die verschiedenen Bundesstaaten mit dem Wunsche an mich herantraten, ich möchte zu einer ent— sprechenden Regelung die Hand bieten. Ich habe mich dazu gern bereit erklärt, habe aber diejenigen Wünsche ablehnen zu müssen ge—= glaubt, welche eine Freizügigkeit der einzelnen Lotterien von den außer⸗ preußischen Staaten nach Preußen und von Preußen nach den außer preußischen Staaten herbeiführen wollten. Denn dabei würde der Leid-⸗ tragende lediglich Preußen gewesen sein, weil bei uns ein großer Absatzmarkt für die Lose noch vorhanden ist. Und es würde dadurch nur der jetzige Zustand dieser Rivalität in einer ganz unwürdigen Form, kann ich nur sagen, aufrecht erhalten bleiben.
Ich habe mich also auf den Standpunkt gestellt, daß eine Regelung nur auf der Basis möglich ist, daß die preußische Lotterie, die nach der Art ihrer Geschäftsgebarung eine durchaus solide angelegte Lotterie ist, allein in den andern Staaten zugelassen wird, und die andern Staaten eine Abfindung erhalten.
Es ist nun gelungen, mit den drei Staaten, mit denen ihnen Verträge hier vorliegen, solche Abkommnen zu treffen. Dabei unter⸗ liegt Mecklenburg⸗Schwerin und Lübeck einer besonderen Beurteilung, Strelitz einer anderweiten. Schwerin und Lübeck müssen ihre Staats—⸗ lotterie aufgeben und konnten dafür mit Recht Entschädigung fordern. Mecklenburg ⸗Strelitz hatte keine eigene Lotterie; wir haben aber das größte Interesse, gerade die bisher hinsichtlich des Lotteriewesens in Mecklenburg ⸗Strelitz bestehenden Verhältnisse zu ändern; denn gerade von dort fand ein besonders schwunghafter Import der Loose statt und wir hatten ein großes Interesse, diese Einfuhr hintanzuhalten. Wenn nun auch Mecklenburg ⸗Strelitz keine eigene Lotterie aufgab, so hatten doch dort eine große Anzahl von Losehändlern ihren Sitz, deren umfangreicher Geschäftsbetrieb sowohl für die staatlichen Finanzen wie für die Gemeindefinanzen von Strelitz erhebliche Vorteile bot, und deswegen war es gerechtfertigt, auch Strelitz eine Abfindung zu gewähren, das seinerseits sich verpflichtete, daß künftig nur preußische Lose in Mecklenburg ⸗Strelitz Eingang finden sollten. Was nun die
Höhe d er Abfindungen betrifft, so kann man sagen, daß sie reichliche sind, und wenn man sich lediglich auf den Standpunkt stellt, wieviel
Lose in den betreffenden Ländern Abnahme finden, sogar eine über— reichliche; denn wir werden weder in Mecklenburg. Schwerin so viel Lose absetzen, daß 400 C0 46 herauskommen, noch in Lubeck 200 00. , noch in Mecklenburg ⸗Strelitz 67 000 Æ Aber einmal entsprach es der ganzen Stellung Preußens als der hauptsächlichen Vormacht und des jenigen Bundes staals, zu dem die kleineren Staaten mit Vertrauen empor—⸗ blicken sollen, sodann wollten wir unsere verschärften Strafbestimmungen doch nicht dazu gebrauchen, um die kleinen Staaten finanziell in Be—⸗ drängnis zu bringen; denn die Staaten hatten — allerdings infolge ihrer eigenen Schuld, weil sie zu große Lotterien hatten — von Jabr zu Jahr mit ihren Losen einen Rückgang und waren infolgedessen in ungünstiger Lage. Aber diese hohen Abfindungen lassen sich auch vom finanziellen Standpunkt insofern vertreten, als nun durch das Fern halten anderer Lose. von dem eigenen Markt dieser wieder aufnahme— fähiger für die preußischen Lose wird, und wir mit einem steigenden Absatz zu rechnen haben; und die Herren seben, daß wir schon jetzt dem Bedürfnis nicht mehr genügen und deshalb zu einer Erhöhung der Anzahl der Lose über das für die Vertragsstaaten bestimmte Quantum hinaus schreiten müssen.
Ich glaube, daß die Verträge, die wir uns erlaubt haben vor zulegen, den ersten Schritt nach der Richtung darstellen, unter Wahrung des preußischen Interesses zu einer Gesundung der Ver— hältnisse auf dem ganzen Lotteriemarkt zu kommen. Ich bin bemüht, auf dem einmal betretenen Wege weiter zu schreiten, um mit den anderen Bundesstaaten zu einer Verständigung zu gelangen. Natür⸗ lich sind solche Verhandlungen nicht leicht; aber wie es mit Mecklen— burg und Lübeck gelungen ist, zu einem Abkommen zu gelangen, hoffe ich, werden wir auch mit den anderen Staaten uns verständigen und schrittweise dazu kommen, daß die vielfach beklagten Uebelstände auf dem ganzen Gebiete des Lotteriewesens beseitigt oder doch sehr wesentlich gemildert werden.
Damit schließt die Erörterung?! Der Kommissionsantrag wird angenommen.
Ueber den Inhalt des Berichts der Staatsschuldenkommission über die Verwaltung des Staatsschuldenwesens im Etats jahr 1903 berichtet
Herr von Graß. Er beantragt, der Hauptverwaltung der Staats- schulden Entlastung zu erteilen.
Das Haus tritt ohne Erörterung dem Antrage bei.
Derr von Graß berichtet hierauf namens der Finanzkommission über den Inbalt der Denkschrift über die Ausführung des Gesetzes vom 26. April 1886, betr. die Beförderung deutscher Ansiedlungen in den Prohinzen Westpreußen und Posen, für das Jahr 1964. Er beantragt, die Denkschrift durch Kenntnisnahme für erledigt zu erklären.
Ohne Erörterung wird auch dieser Antrag angenommen. Es folgt die Beratung von Petitionen.
err Kullak berichtet für die Finanzkommission über eine Petition des Magistratz zu Insterburg um Verlegung der Regierung don Gumbinnen nach Insterburg. Er beantragt, die Petition der Regierung als Material zu überweisen.
Die Petition wird als Material überwiesen, ebenso eine Petition um Wahl eines bestimmten Platzes für den Bau des Amtsgerichis in Emden, über welche Oberbürgermeister Schmieding ⸗Dortmund Finanzkommission berichtet. ö Graf zu Hoensbroech empfieblt namens der Eisenbahn⸗ kommission, eine Petition des Kommerzienrats Koch zu Wiesbaden um Wiederaufnahme des Trajektbetriebes Rüdesheim — Bingerbrück sowie des Schaltebetriebes Rüdesheim — Bingen durch die Staats. bahnverwaltung bejw. um Frachtberechnung nach der direkten Ent.
fernung zwischen den Trajektverkehrsorten der Regierung jur Erwägung zu überweisen.
namens der
unserer eigenen Lose in bohem Maße erschwert und damit dem preußischen Staat eine große Einbuße verursachen kann. Die
moralische Folge, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, bestebt darin, daß nun infolge des Eindringens fremder Lose eine Konkurrenz ; der einzelnen Lotterien unter einander erwächst, daß jede Lotterie ihre die eigenen Lose bis in die Puppen hinein lobt und zum Teil durch An— preisungen, die nicht mehr schön sind, abzusetzen versucht. Dieser Zu⸗ stand erheischte eine Aenderung, und zwar vom Standpunkte der preußischen Interessen im besonderen und vom Standpunkte der Aus diesem Gesichts⸗ punkt ist das Gesetz vom 29. August 1904 ergangen, welches durch
Als Material überweist schließlich das Haus au für⸗ worten des Oberhürgermeisters Knoblo e en r gr. inanzkommission berichtet, zwei Petitionen um Erhõhun des Gehalts der Portiers bezw. der Bahnsteigschaffner 8 preußisch⸗hessischen Staatseisenbahnen auf 1060 = 1500 und eine Petition um günstigere Beför derungs verhältnisse der Hili bahnsteigschaffner der preußisch⸗hessischen Eisenbahnen.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Um 43, Uhr vertagt sich das Haus auf Dienstag 1 Uhr. (Etat)
Haus der Abgeordneten. 169. Sitzung vom 27. März 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegrabhischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in de stri Nummer d. Bl. ber n n worden. 1 der gehrien Auf der Tagesordnung steht die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung ein? zelner Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 1892 (über die Arbeiter verhältnifse), und des Gesetzentwurfs, betreffend Abänderung der 58865 156 bis 162. 207a des Allgemeinen Berggesetz es vom 24. Juni 1865 1892 (über den Betriebszwang) und des dritten Abschnitts des Ausführungsgefetzes zum Reichsgesetz über die Zwangsversteigerung und'die k vom 23. September 1895, und in erbindung damit die Beratung des Antrags der Abgg. Dr; von Savigny (Gentr) und Genossen, betreffend gesch—⸗ geberische Maßregeln gegen das Stillegen von
Bergwerksunternehmungen.
Zuerst findet die Besprechung des Gesetzentwurfs, be— treffend die Abänderung einzelner Bestimmungen des J Berggesetzes vom 24. Juni 1865/18935 ic egen ng der Arbeitszeit, Ueber- und Neben— schich ten, schränkungen der Geldstrafen, obligatorische Ein— führung von Arbeiterausschüssen — statt.
Präsident des Staatsministeriums, Reichskanzler Dr. Graf von Bülow: Meine Herren! Von den beiden Novellen zum Berggesetz, die jetzt den Gegenstand der Beratung in diesem hohen Hause bilden sollen, beruht die eine Novelle, über den Betriebs zwang, im wesentlichen auf früheren Be⸗ schlüssen dieses hohen Hauses. Die andere, die Novelle über die Arbeiter⸗ verhältnisse, hat schon vor ihrem Erscheinen Anlaß geboten zu leb— haften Erörterungen in der Presse, in Vereinen, auch in den parla— mentarischen Körperschaften. Diese Erörterungen waren nicht immer objektiv, sie waren vielfach beherrscht von wirtschaftlichen oder Partei interessen. Der Grund hierfür ist wohl zum Teil in dem Zeitpunkt der Ankündigung dieses Gesetzentwurfs zu suchen. Der Gesetzentwurf wurde in Aussicht gestellt während eines Kampfes, der nicht nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern auch weitere Kreise in zwei Lager getrennt hatte. Man hat den Gesetzeniwiünf ein Notgesetz, man hat ibn ein Gelegenheits,, ein Verlegenheitsgesetz genannt. Diese Be— zeichnung ist geeignet, die Mißdeutung bervorzurufen, als ob Anlaß und Zweck der Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen lediglich in einem augenblicklichen, gleich einem Naturereignis plötzlich hereingebrochenen Notstand und in dessen Linderung enthalten wären. Demgegenüber muß ich zunächst darauf binweisen, daß die Königliche Staatsregierung schon vor dem Ausbtuch des großen Bergarbeiterstreik, im Ruhr⸗ tevier nicht nur mit den Gesetzentwürfen beschäftigt war, die das un⸗ gerechtfertigte Stillegen von Zechen verhindern und das Knappschafts⸗ wesen neu regeln sollten. Es schwebten vielmehr auch Erwägungen über die gesetzliche Einführung einiger den Arbeitsvertrag betreffender soxialpolitischer Maßnahmen, die in den staatlichen Bergwerken des Saarreviers bereits besteben und sich dort schon bewährt haben. Wenngleich ich, meine Herren, es meinem Herrn Nachbarn, dem Herrn Ressort⸗ und Handelsminister, überlassen muß, diesen Gesetz. entwurf im einzelnen zu vertreten und zu begründen, so möchte ich Sie doch auch meinerseits um eine entgegenkommende, ruhige und sachliche Prüfung desselben bitten und zu diesem Zweck in Kürie einige Streiflichter auf den vorhergegangenen Kampf und auf dessen Begleiterscheinungen werfen. Meine Herren, ich erkenne gern an, daß die ausständigen Berg— arbeiter im großen und ganzen eine ruhige Haltung bewahrt haben, und daß die — leider unter Kontraktbruch — niedergelegte Arbeit aus Gründen der Vernunft und im Vertrauen auf Entgegenkommen der Arbeitgeber und auf die in Aussicht gestellten gesetzlichen Schritte wieder aufgenommen worden ist. Das ändert aber nichts an der Tat⸗ sache, das der Streik selbst mit einer Unrechtmäßigkeit begonnen bat; es ändert nichts daran, daß beim Beginn des Streiks die Stimme der Leidenschaft über besonrene Erwägung die Oberhand behalten hatte. In ihren Lohnforderungen haben die Arbeiter nichts erreicht; ibre materielle Lage hat sich verschlechtert durch den Lohnauctfall, der auf t00 000 bis 600 000 M für den Tag berechnet worden ist. Viel Not, viel Elend ist zu meinem tiefen Bedauern über manche Arbeiterfamilie gekommen. In einer sozialdemokratischen Zeitung habe ich gelesen, daß im Ruhrrevier eine Bevölkerung von ca. 1 Mil⸗ lion Menschen infolge des Streiks ihren Lebensunterhalt um mehr als die Hälfte habe herabsetzen müssen. Die Arbeiter haben selbst er⸗ fahren müssen, eine wie zweischneidige Waffe ein solcher Lohnkampf ist. Mögen sie dafür vor allem die Hetzer und Wähler verantwortlich machen (Sehr richtig!), durch die sie sich zur Niederlegung der Arbeit haben verleiten lassen. Auf der anderen Seite verstehe ich ganz wohl, daß die Zechen ⸗ besitzer und daß die Organifation der Grubenbesitzet, der Bergbauliche Verein, zunächst nicht mit kontraktbrüchigen Arbeitern und ihren Ver— treten verbandeln wollten. Dieser Widerstand mußte aber auf⸗ gegeben werden, als die Königliche Staatsregierung im Hinblick auf die weitreichenden schädlichen Folgen dieses Ausstandes von nahezu 200 009 Bergarbeitern im größten Kohlenrevier der preußischen Monarchie mit den Arbeiterrertretern in Unterhandlung getreten war und ibrer⸗ seitz eine Vermittlung anzubahnen versuchte. (Sehr richtig! links.) Wozu die Königliche Staatsregierung bereit war, das konnten die Zcchenbesitzer auch. (Sehr ricktig) Die Zechenbesitzer wollten die Siebener ⸗Kommission, die gebildet war aus Vertretern der christlichen und sozialdemokratischen Gewerkschaft und des Hirsch⸗Dunckerschen Gewerkvereins, nicht als berufene Vertretung der Belegschaften anerkennen. Dabei spielte zweifellos grundsätzliche Abneigung der
Abschaffung des Wagennullens, Be—
Das Haus tritt dem Antrage seiner Kommission bei.
Unternehmer gegen die Organisationen der Arbeiter als solche mit.
ĩ en, wenn wir sehen, wie die moderne Ent 1 und mehr zum Großbetriebe, zum Riesen· hindrängt, wenn wir sehen, wie die Kayitaltrãfte 'endifieten und kartellieren, wie das alte persõnliche Ver⸗ ai. wischen dem Fabrikherrn und seinen Arbeitern immer mehr [ det, wenn wir sehen, wie der Arbeiter gegenüber der unversõn· . Capitals macht vielfach allmãhlich zur bloßen Zabl wird, kõnnen n das Bestreben der Arbeiter unbillig finden, auch ihrerseits —Zufammenschließen zu Vereinen, ju Verbänden von der Macht l ju profitieren? Ich habe im Reichstag gesagt, daß s ein iges Problem ist, einerseits die kartellierten Kapitalskräfte, ene die Gewerkschaftsbildung in den richtigen, durch da Ge⸗ ck gejogenen Grenzen zu halten. Dieses Problem ist nach * festen Ueberjeugung nicht in dem Sinne zu lösen, wie es die * der beteiligten Zechenbesizer und Banken in der Dibernia⸗ „egenbeit und gegenüber den staatlichen Vermittlungs oersuchen bei glamitãt des Bergarbeiterstreiks anzeigt, das heißt im Sinne ter Ausschaltung des Staates. Das geht nicht, der Staat eine ordnende und schützende Hand auch auf diesem weiten 2 walten lassen.
Neine Herren, man hat auch auf den Anteil der Soꝛialdemokratie an * Streik hingewiesen, auf die Haltung, welche diese die Eristen;· va ung des heutigen Staates überhaupt leugnende Partei vor, and und nach dem Streik im Ruhrrevier eingenommen hat. * einderstanden, meine Herren! Die verhetzende Tätigkeit der e Nemckratie ist kaum je drastischer zutage getreten als bei n Anlaß. Diese Tätigkeit mag für die Zeit unmittelbar vor 1a6bruch des Streiks schwieriger nachzuweisen sein. Es bandelt ⸗ x um das allmähliche Wachsen der Saat des Hasses gegen die ande Ordnung der Dinge (Sehr richtig!, der Unzufriedenheit FZ, Staat, Obrigkeit, jene utopistische Vorstellung von einer wo es keine Großen und Kleinen, keine Armen und Reichen, nicht einmal mehr gute und böse Menschen geben soll. it auch möglich, daß die lokalen Führer der sozial uratischen Gewerkschaften im Ruhrrevier diesmal vom Ausbruch Streiks abgeraten, daß sie sich um einen ruhigen Verlauf des Ert bemüht haben. Als aber das Unheil im Gange war, setzte aüaldemokratische Presse auf der ganzen Linie ein, um den 2. nach Möglichkeit zu verbittern und zu vergiften. Der nicht 2m der Autorität des Gesetzes diktierte, sondern wirklich arbeiter · mliche Rat des obersten Reichsbeamten, sich nicht ju Aus · Härnngen hinreißen zu lassen, wurde von dem Fübrer der soʒial natischen Partei im Reichstage als eine, wie er sich ausdrückte, Eerkation der Bergarbeiter verschrien. Statt zu beruhigen, wurde rrint. Die Ankündigung, daß bestimmte Beschwerden der Serg⸗ zer abgestellt werden sollten, war angeblich „ein Hohn auf die e der Bergarbeiter“ und durfte dieselben unter keinen Umstãnden“ n,
die Arbeit wieder aufzunehmen.
der ö nlasse
Meine Herren, es ist mir wohlbekannt, daß in den Kreisen des
2
Faulichen Vereins die Ansicht vorherrscht, der Streik wäre anders
— *
swfen, wenn die staatlichen Organe sich gar nicht um denselben Emmert hätten. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) In en Falle, so meint man, hätte der Streik vielleicht noch länger niert, aber mit einer völligen Niederlage nicht nur der verhetzten iter, sondern auch der Sozialdemokratie geendigt. (Sehr Ee bei den Nationalliberalen.) Meine Herren, ich will von den besonderen Gefahren gerade Streiks für unser ganzes Wirtschafts- und Erwerbsleben ab— Ich will auch davon abseben, daß im Ruhrrevier die christ⸗ zn und freisinnigen Bergarbeiter sich mit den sozialdemokratischen keiübr das Gleichgewicht halten. In der Politik, meine Herren, ant es aber nicht nur auf die rechte Gesinnung, es kommt auch rie Anwendung der tauglichen Mittel, es kommt auf die beste Bel der Zeit und des Terrains für den Kampf an. Bei der noto— en Uebermacht der Zechenbesitzetr würden die Unternehmer in ken Falle das Stilliegen der Zechen und Hochöfen sicherlich noch n: ute Weile haben aushalten können, die Arbeiter hätten schließ⸗ doch die Arbeit auf Gnade oder Ungnade wieder aufnehmen
Eden, den Gewerkschaften einen schweren Stoß versetzen können.
Meine Herren, wäte damit die Sozialdemokratie wirklich wirksam ämrft worden? Verlängerung des Streiks bedeutete Vergrößerung der Ret und des Familienelends unter den Bergarbeitern (sehr richtig 2 Ri und Elend aber sind der beste Acker für die Sozialdemokratie. Derr richtig! Sehr wahr) Warum bätte sonst die Soꝛialdemokratie a schleunigen Beendigung des Kampfes mit allen Mitteln ent- Er gearbeitet? Warum hätte sie nach der Ankündigung des Staats. erz, zu vermitteln, einzugreifen, soweit er es kann, — warum Kr sie nach dieser Ankündigung dieses Staatswillens allen Zorn auf se Regierung abgeladen?! Die Sozialdemokratie braucht, um für 2 Srundsätze gegen diesen sogenannten Klassenstaat, gegen diese swerannte kapitalistische Gesellschaft und Weltordnung neue Anbãnger e erben, um ihre alten Anbänger bei ibrer Fahne zu erbalten, die Lrfriedenheit der Massen und die Hoffnungslosigkeit des armen Dunes. Was die Sozialdemokratie an Mitgliederanzabl des alten Berg⸗ Teterverbandes vielleicht verloren hätte, das würde sie sicherlich an Eaaterischer Kraft reichlich wiedergewonnen haben. (Sehr richtig) lange ich an dieser Stelle stehe, werden Sie mich im Kampfe ken die Bestrebungen, die freiheits, und kulturwidrigen Bestrebungen a Sezialdemokratie immer auf dem Platze finden! Aber auf saankendem, moorigem Boden reite ich keine Attacke.
Meine Herren, die Bergarbeiter des Ruhrreviers haben die Arbeit bieder aufgenommen mit der Hoffnung, daß ihnen die in Aus sicht ge⸗ Ute Noelle jum Berggesetz einen stärkeren Schutz ihrer Arbeits. At eine sichere Gewähr ihrer Arbeitsleistung und die Einführung e Aibeiterausschüässen bringen wird. Mögen auck die Uebelstände den Bergwerken vor Ausbruch des Streiks stark übertrieben worden n., so vermag doch die staatliche Fürsorge in mehr als einer Rich⸗ baz hbelsend und fördernd einzugreifen. Enttäuschen Sie, meine herren, diese Hoffnungen nicht! Prüfen Sie mit Wohlwollen die berschläge, welche Ihnen die Königliche Staatsregierung unterbreitet.
23 Sie, meine Herren, in Erfüllung der sozialen Aufgaben, der Hillen Pflichten des Staates mit Gerechtigkeit und Unxartiilichleit 1 die Abstellung wirklicher Beschwerden tun, das tun Sie gegen
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herren! Der Herr Ministerpräsident bat Ihnen schon
angekündigt, daß mir, als dem Ressortminister, die spezielle Be⸗
gründung der Vorlage obliegt, die zunächst hier zur Tagesordnung
steht. Ich darf mich daher im wesentlichen auf die sperielle Be=
gründung beschränken und nur einige wenige allgemeine Bemerkungen
daran knũpfen.
Meine Herren, die Reformbedürftigkeit des allgemeinen Berg—⸗
gesetzes vom Jahre 1865 1832 ist bereits seit Jahren anerkannt, und
seit Jahren haben wir bereits auch über einen der Hauptjweige, die
reformbedürftig waren, über das Knappschaftswesen Entwürfe der
öffentlichen Kritik preisgegeben. Diese Kritik hat reichlich statt⸗
gefunden. Und wenn die Vorlage bisher nicht hat eingebracht werden können, so hat das in diesem Jahre speziell daran gelegen, daß wir unmöglich eine Session, die mit großen Vorlagen, wie die über die Kanäle, belastet war, auch mit dieser umfangreichen Materie noch belasten konnten. Es sind aber eine ganze Reihe von anderen Materien, wenn
auch nicht öffentlich erörtert, so doch zur internen Beratung seit lãngerer
Zeit gekommen. Dazu gehört in erster Linie die beute berührte Materie.
Es sind aber auch dann aus dem Hause heraus zu wiederholten
Malen Anregungen gekommen, daß weit über den Rahmen der Knappschaftsverhältnise binaus Reformbedürfnisse vorlagen; ins— besondere hat der Abg. Hilbck in dankenswerter Weise zu wiederholten Malen auf solche Punkte hingewiesen. Das ist einmal der Gegen⸗ stand, den die zweite heute zur Verhandlung stebende Novelle be⸗ handelt, die Tatsache, daß der 5 65 des Allgemeinen Berggesetzes schon seit langem als nicht ausreichend anerkannt worden ist, daß die Bestimmung über die Ausführung dessen, was der 5 65 wollte, sich als vollständig unzureichend erwiesen hat. Auf diese Materie werde ich bei der zweiten Vorlage des Näheren eingehen. Weiterhin sind aber auch die Materien, die wir heute in der ersten Vorlage zu behandeln haben, seit langem Gegenstand der Erörterung für uns ge⸗ wesen. .
Als das Allgemeine Berggesetz im Jahre 1865 erlassen wurde, war dieses Berggesetz eine gewaltige Reformarbeit, eine Reformarbeit, wie sie umfangreicher auf irgend einem Gebiete selten im preußischen Staat geleistet worden ist. Gegenüber der großen Abhängigkeit, in der sich das ganze Bergwesen von der Regierungsgewalt befand, wurde, der damaligen politischen Strömung entsprechend, für eine freie Bewegung freier Spielraum geschaffen, und diese Grundsãtze, die in dem Berggesetz von 1865 niedergelegt sind, die der indixiduellen Be⸗ tätigung der Bergbautreibenden einen breiten Svieltaum ließen, daben ungemein segensreich gewirkt, sie sind die Ursachen gewesen, daß der Bergbau bei uns in Preußen sich in einer so unerhörten Weise ent- wickelt hat, wie kein anderer Industriemweig.
Die Grenzen, die der Staatsgewalt für ihr Eingreifen bei der damaligen Strömung gegeben worden sind, haben sich aber inzwischen doch nicht an allen Stellen mehr als ausreichend erwiesen. Wir be— finden uns eben gegenwärtig in einer ganz andern Wirtschaftslage als im Jahre 1865. Im Jahre 1865 lauter kleine Verhältnisse, im Jahre 1865 war vor allen Dingen die Hauptsache, die Kraft und die individuelle Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu erhöhen und zu ver— schärfen. Man erwartete von der freien Konkurrenz alles und man hat vieles damit erreicht, aber die eine Grundlage, daß die individuelle Vielseitigkeit uns zu großen Erfolgen fübren sollte, ist seit den letzten Jahren total verschoben. An Stelle der vielen Einzelkräfte sind einige wenige mächtige Personenkräfte und einige ge⸗ waltige Zusammenballungen von Personen getreten, die als Gesamt⸗ heit vernichtend für das Individuum wirken. Darüber kann kein Zweifel sein, daß es an der Zeit ist, die Grenzen der Staatsgewalt hier anders zu formieren und zum Teil wieder auf frühere Umstände zur ũckzugreifen.
Alles das erfordert aber eine große Tätigkeit, das sind Aufgaben, die sich kaum in einer ganzen Session lösen lassen. Wir waren daher gezenwärtig zweifellos gezwungen, zu erwägen, ob von denjenigen Fragen, die zu lösen waren, nicht einige auszuscheiden seien, die sofortige Lösung erheischen. Aus den dar⸗ gelegten Umständen babe ich mit großer Resignation zugestimmt, daß die Knappschaftsnovelle, die seit lange im wesentlichen fertig ist, noch nicht in Ibre Hände gelangt ist, weil ich eben einsah, daß es schier unmöglich war, in dieser Session diese schwierige Frage zu lösen; wir haben aber, um die Arbeiter nicht leiden ju lassen darunter, daß wir diese Aufgabe nicht gesetzgeberisch lösten, sie wenigstens damit schadlos gebalten, daß wir durch Kaiserliche Verordnung diejenigen Vergünstigungen, welche das neue Krankenkassengesetz den Arbeitern brachte, auch für die Bergarbeiter in Tätigkeit gesetzt haben, sodaß die Arbeiter wenigstens vor materieller Schädigung nach dieser Rich⸗ tung bin bewahrt worden sind.
Meine Herren, dann aber kam eine Reihe von äußeren Um— ständen hinzu, die uns zur Aufgabe dieser Resignation zwangen in bezug auf die beiden Materien, die wir in den beiden Novellen, die Ihnen vorliegen, Ibnen gebracht haben, die in bezug auf die darin behandelten Materien entschieden eine Ausnahme und ein sofortiges Einschreiten verlangten. Daß die Ausgestaltung des § 65 des All
nur seit einem Jahrijehnt, nein, diesseits bereits seit beinahe zwei Jahrjehnten die öffentliche Meinung beschäftigt baben. Es Haben sogar bei den 1389 er Verhandlungen über die Beilegung da da⸗ maligen Streiks erfahrene Leute — wie es Dr. Hammacher war — und auch vorsichtige Geschäftsleute, wie es Dr. Hammacher war, es für notwendig gehalten, die wesentlichsten Paragraphen der Novelle, die wir Ihnen jetzt vorlegen, damals schon als berechtigt anzuerkennen. Auch der Bergbauliche Verein hat damals in der Erklärung vom 18. Mai des Jahres 1889 im wesentlichen das anerkannt,
was Abg. Hammacher seinerseits den Arbeitern glaubte zugestehen zu können. Nur in bezug auf die Ausschüsse waren sie anderer Meinung; in bezug auf die Ausischüsse
haben sie sich direkte Verhandlungen mit ihren Arbeitern vorbehalten. Daher gestatten Sie mir, daß ich auf diesen bestrittensten Punkt der ganzen Vorlage zunãchst eingebe. Aber auch diese Ausschüsse, die wir jetzt von Ihnen verlangen, sind nicht eine neue Erfindung der jetzigen Staatsregierung, sondern sie sind bereits im Jahre 1890 von der da⸗ maligen preußischen und der Reicht regierung aufgestellt worden in der damaligen Novelle zur Gewerbeordnung, in dem sogenannten Arbeiter⸗ schutzgesetz. Damals hat man sich nach Lage der Verhältnisse aber nicht zur Einführung obligatorischer Ausschüsse für alle Industrien aufschwingen können. Man hat geglaubt, sich mit fakultativen Aus-⸗ schüssen unter Regelung der Bedingungen, wie solche gebildet werden müssen, begnügen zu sollen, und die Novelle zum Berggesetz von 18892 ist diesen Fußtapfen gefolgt; sie bat die ursprüngliche Auffassung der Staatsregierung von 1890 nicht wieder aufgenommen, sondern sie hat die Beschlüsse des damaligen Reichstags für sich als bindend erachtet,
sie hat lediglich in der Bergnovelle von 18892 zum 1865 er Berggesetz behandelt, wie Ausschüsse gebildet werden sollen.
Damals schon sind die Bestimmungen über das Wablrecht für die Ausschüsse festgelegt worden, und es ist uns als absolut untunlich, ja unmöglich erschienen, daß wir unsererseits diese Bestimmungen über das Wahlrecht zu den Ausschüssen nach 13 J nachdem wir sonst auf allen Gebieten der Sonalxolitik erheblich baben, bier rückschrittlich revidieren solle unmöglich erschienen.
eine Herren, die damaligen an die Stelle der obligatorischen Ausschüsse getretenen fakultativen Ausschüsse — das ist vollständig zuzugeben — baben einen sehr geringen Erfolg gebabt. Ich habe das zu wiederholten Malen im Reichstage ausgesprochen und stehe auch heute noch auf demselben Standpunkte. Das hat aber seinen naturgemäßen Grund darin gehabt, daß die Ausschüsse, wie sie as 1890 er Gesetz gedacht hatte, eben eine theoretische Konstruktion eine Konstruktion, von der man glaubte, es wäre jederzeit Gelegenheit vorhanden, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Arbeitsbedingungen zu verhandeln, und auf diesem Wege sei auch eine rersönliche, ersprießliche Zusammenarbeit möglich. Das war der große und gründliche Irrtum, in dem man sich damals be— funden hat. Man gab den Arbeiterausschüssen nicht die nötige Arbeit. nicht die nötige regelmäßige Beschäftigung. Wo man das getan hat, oder wo man, wozu das damalige Gesetz auch die Krankenkassenvorstände oder e anderer Wohlfahrts- einrichtungen, die in den esteben, zu den Arbeiterausschüssen herangezogen hat, überall da baben die Arbeiterausschũsse recht gut gearbeitet; da hat sich ein vollständig freundliches Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnebmern herausgebildet. Man hat auf dem Boden gemeinsamer Jateressen, der Woblfahrtsinteressen eine sebr nützliche und wohltuende gemeinsame Arbeit gefunden. Mir sind zahlreiche Fälle bekannt — die Dinge liegen mir ja gar nicht fern, und ich behandle die Dinge nicht theoretisch — wo selbst mit aus gesprochenen Sozialdemokra i derartigen Ausschüssen sich vor⸗ trefflich und friedlich bat verhandeln lassen, und darum wird
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eben die Hauptsorge sein müssen, den Ausschüssen, die wir jetzt * * js .
geglaubt haben, für die Bergwerke obligatorisch einführen ju
müssen, regelmäßige Arbeit zu geben, und daraus erklärt
sich eine der Hauptbestimmungen des Geseßes, de gelder, die früher nach dem Berggesetz von 1893 fakultativ entweder in die Knaprschaftskasse oder in die Unterstützungskasse des besonderen Werkes fließen konnten, und die tatsächlich jetzt, weil man derartige gemeinsame Kassen nicht hatte, besonders im Ruhrreier, fast tegel mäßig in die Knapvschaftskasse geflossen sind — daß die Strafgelder und die Arbeiterbeiträge in eine ad hoe zu bildende Unterstätzungskasse der betreffenden Werke fließen müssen. Damit ist die erste Grund lage zu gemeinsamer Arbeit gegeben. Ich bin aber weiterhin der Meinung, daß eine ganze Reihe von anderen Woblfahrtsbestrebungen sich leicht in den Kreis der gemeinsamen Arbeit werden einfügen lassen. . . Auch der Geselligkeitstrieb der Arbeiter wird sich vielfach mit in den Dienst dieser Organisation stellen lassen. Ich will nur darin erinnern, daß gerade gemeinsame Feste der Arbeiter und Arbeitgeber sebr erbeblich dazu beitragen, das Verhältnis zwischen beiden Parteien besser zu gestalten. . Meine Herren, wenn auf diese Weise für eine regel mäßige persönliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer — in dem Hauptrevier, um das es sich bier handelt, im Ruhrrevier hat man
zesetzes, daß wir die Straf⸗ 18
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wesentlichen auf der Grundlage, wie die Vorlage sie gebracht bat,
Hauses einstimmig anerkannt worden; die Neuordnung gewisser Be—⸗ stimmungen über die Arbeitszeit, über die Lohnberechnung und über die Arbeitervertretung war aber ebenfalls notwendig. Es wäre wirklich im böchsten Grade unnatürlich gewesen, hätten wir lediglich aus dem Vorurteil heraus, daß wir mit derartigen Vorlagen nicht kommen dürften, während eine Aktion im Gange war, bei welcher die Sozialdemokrati: beteiligt war (sebr richtig! bei den Frei⸗ konservativen) — batten wir darum mit diesen Vorarbeiten hinter dem Berge halten wollen; das wäre in der Tat eine durchaus unnatürliche, eine unverständliche und eine meines Erachtens unverständige Auf⸗ fassung gewesen.
Meine Herten, auch die Furcht, daß dieses Vorgehen uns als eine Schwäche ausgelegt werden köante gegenüber der Sozialdemokratie (sehr richtig! bei den Freikonservativen), hat nicht ausreichen können, uns davon abzuhalten, diese Vorlage jetzt zu bringen. Der Herr Ministerpräsident hat sich darüber ja bereits auch des weiteren aus. gesprochen.
Nun, meine Herren, auch dem Inhalte nach, den die Vorlage
Vwialdemokratische Bestrebungen, das tun Sie für die Monarchie ꝛado und Beifall.)
bringt, liegt nichts Neues vor. Es sind das alles Fragen, die nicht
gemeinen Berggesetzes, die in der heute zu 3 auf der Tagesordnung stehenden Novelle behandelt ist, notwendig war, daß sie auch im
notwendig war, ist von der Zechenstillegungskommission dieses bohen
kaum noch irgend einen persönlichen Arbeitgeber, sondern nur einen Direktor, einen Vertreter der Aktionäre oder einen Vertreter der Gewerkschaft; aber auch für diese ist es von der böchsten Vichtigkeit, wenn sie sich in gewissen persönlichen Beziebungen zu den Arbeitern befinden — gesorgt wird, und daß auf diese Weise gemeinsame fried⸗ liche Arbeit sich regelmäßig vollzieht, dann wird in denjenigen Einzel fällen, in denen Beschwerden über Betriebs, und Lobnverhältnisse zur Erörterung kommen, sich viel friedlicher verbandeln lassen, als es jetzt der Fall ist, und als es der Fall sein würde, wenn diese Ausschũsse lediglich fär die Regelung dieser Fragen eingesetzt wären.
Mit der Beschäftigung von derartigen Ausschüssen bat man neuerdings an vielen Stellen erbeblich bessere Erfabrungen gemacht, weil man eben diejenigen Grundsätze, die ich Ihnen eben entwickelt habe, angewandt bat. So ist es auf vielen Staatawerlen gescheben, auch bei der Eisenbabnverwaltung in bervorragender Beise, und in neuerer Zeit ist eins der eklatantesten Beispiele dieser Art die Neu⸗ organisation der Arbeiterausschässe der Berliner Straßenbabn. wo alle die eben entwickelten Siundsätze bis zur Pflege der Geselligkeit eingeführt und bebandelt werden. Dadurch ist das Verbãltnis er⸗ beblich besser geworden, als es fiüber war. Sie wissen, wie gereint hier noch vor jwei Jahren die Verbältnisse waren, und so habe ich auch die bestimmte Hoffnung, daß man. wenn man auf diesem Wee auch bei den Bergwerken forischreitet, in verhältnismäßig kurzer Zeit zu
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