1905 / 77 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

interesse falsch handeln würde, wenn ich mir das nicht zunutze machen wollte. Meine Herren, ich bitte Sie, einmal einen Blick auf die Karte zu werfen und sich zu überzeugen es sind ja eine Reihe von Herren aus jenen Gegenden hier —, wie traurig sich die Verhält⸗ nisse auf der Wasserseite zwischen Pommern also dem Ostsee⸗ gebiet und der Netze und Warthe entwickelt haben, wie dort diese ganzen Höhen entwaldet sind, wie jweifellos die Kultur zurückgehen muß, wenn der Staat dort nicht eingreift. Meine Herren, ich meine, hier hat die Forstverwaltung einzusetzen und bei⸗ zeiten wieder eine Bewaldung dieser Höhenzüge berbeizuführen. Den Herren hier im Hause ist es ja wohl bekannt, daß gerade das letzte Dezennium in unseren Privatwaldbeständen erheblich aufgeräumt hat, daß unendlich Viele, gezwungen durch die Not der Zeit, die Axt an⸗ gesetzt haben und daß Bestände, die vielfach noch hiebsunreif waren, heruntergehauen sind, damit sich der Eigentümer auf dem betreffenden Besitz erhalten konnte. Meine Herren, wir müssen deshalb meiner Ansicht nach von Staats wegen vorgehen und der Entwaldung gegenüber einen Damm errichten, indem wir gerade auf den von mir bezeichneten schlechten Böden allmählich wieder Forsten entstehen lassen, die, glaube ich, von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die ganze wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes sind. Und, diese Aufgaben ich habe sie skizziert für den Westen, sie liegen ebenso für den Osten vor können von der Forstverwaltung nur gelöst werden, wenn wir die Mittel dazu haben, und ausreichende Mittel für diese Zwecke sind, wenn auch der preußische Etat ein zweifellos gländendes Bild darstellt, bei den vielen anderen Aufgaben, die der Verwaltung obliegen, im wesentlichen nur dadurch zu beschaffen, daß ich wertvolle Grundstücke in der Nähe der Städte verkaufe.

Ich wiederhole also, daß ich bereit bin, den Kommunen, wenn sie für ihre Einwohner Parks schaffen wollen, entgegenzukommen nach der Richtung, daß ich die Bodenpreise ihnen gegenüber nicht auf den Punkt schraube, den ich vielleicht von dem Privatunternehmer fordern muß. Der Herr Oberbürgermeister von Elberfeld wird aber aus meinen Ausführungen entnommen haben, daß der Geldbeutel der Stadt doch noch wesentlich gespannt werden muß, denn ich kann unmöglich der Kommune für eine Million Mark Holz zu Füßen legen und dann mich auch noch mit einem recht schlechten Preis für den Grund und Boden begnügen.

Graf von Hoensbroech bittet, der Stadt Kleve den staatlichen Tiergarten zu erhalten, obwohl die Stadt ihn nicht bezahlen könne, die Regulierung wenigstens bis 1909 hinauszuschieben, da das Herzogtum Cleve sich jetzt jur Feier der 300jährigen Wiederkehr des Tages der Einverleibung in Preußen rüste und Kosten genug habe.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Podbiels ki:

Der Herr Graf zu Hoensbroech hat eine Frage hier zur Sprache gebracht, die ziemlich ähnlich liegt wie die vorher berührte, nur mit dem Unterschiede, daß es sich bei Kleve tatsächlich bereits um eine lange Periode von Verhandlungen handelt, die nicht etwa wie bei dem Burg⸗ holz durch die neuere Entwickelung der Stadt entstanden ist, sondern bei Kleve handelt es sich um eine ganze Reihe von Verhandlungen, die allein im Abgeordnetenhause bis in die sechziger Jahre zurückreichen. Auch in neuerer Zeit ist die Frage hier lediglich entstanden aus dem Etat heraus. Wenn die Herren die Etatnummer ansehen, so finden sie dort besondere Summen für die Unterhaltung des Tiergartens bei Kleve und des Eichholzes bei Arnsberg ausgeworfen. Es ist, wie gesagt, schon im vergangenen Jahrzehnt wiederholt angeregt, daß diese Frage endlich aus dem Etat verschwinden solle, meiner Ansicht nach mit vollem Recht. Betreffs Arnsbergs hoffe ich, daß wir noch in diesem Jahre zu einer Regelung kommen werden. Meiner Meinung nach ist der Wunsch berechtigt, daß auch endlich die Frage bei Kleve erledigt wird. Ich will dem Herrn Grafen zu Hoensbroech zugeben, daß die eigenartigen Verhältnisse dort eine wohlwollende und nament⸗ lich eine langsame Ausführung der Maßregeln erheischen, aber ich muß hier doch hervorheben, daß von seiten der Stadt Kleve leider immer wieder neue Momente hervorgehoben werden, die einer endlichen Ausführung der Maßregeln entgegenstehen sollen. Ich will nun zwar dem Herrn Grafen zugeben, daß wir bis zum Jahre 1909 die Sache nach Möglichkeit aufschieben wollen, aber im Jahre 1909 werden wir deutsch reden müssen, das heißt, wir werden fragen: so oder so, und werden uns nicht darauf einlassen, daß etwa auch im Jahre 1909 wiederum gesagt wird: im Jahre 1912 feiern wir wieder in Kleve oder Umgegend ein neues Fest. Darauf würde ich dann nicht mehr warten können. Ich er⸗ kläre also, daß ich bereit bin, der Anregung des Herrn Grafen zu folgen und die Sache bis zum Jahre 1909 hinauszuschieben; dann aber müssen die Herren Farbe bekennen und sagen, was sie wollen.

Graf von Mirbach wünscht Aenderung der Tarife für Holz, Sonderbewirtschaftung jedes einzelnen Waldreviers und gründliche Ver⸗ tilgung des Raubzeugs durch Gewährung staatlicher Schußprämien.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Podbielski:

Ich hatte bereits bei der Generaldebatte den Eindruck, daß Herr Graf Mirbach gelegentlich des Forstetats doch noch auf die einzelnen Fragen zurückkommen würde, und ich habe es mir deshalb versagt, dort über die Frage der Beziehungen unseres Handelsvertrags zu den Holzzöllen mich auszusprechen, und habe mir vorbehalten, auf die von ihm angeregten Punkte an dieser Stelle einzugehen.

Meine Herren, es ist ganz zweifellos, daß wir in Preußen auf das russische Holz und dessen Bearbeitung angewiesen sind, namentlich die ganze Sägeindustrie bis in die Gegend des Finowkanals hin, und es ist ebenso ganz zweifellos, daß eine blühende kräftige Sägeindustrie in der Lage ist, den Holzbesitzern ganz andere Preise zu zahlen, als wenn diese Sägeindustrie schwach ist, und wenn ich so sagen soll, von der Hand in den Mund lebt. Also ich habe in erster Linie bei Be—⸗ rechnung der Zölle immer davon ausgehen müssen, daß wir in Deutsch⸗ land mit unserem selbst produzierten Holz nicht auszukommen ver⸗ mögen und daß man Wert darauf legen müßte, im Interesse der Verwertung unseres Holzes die Sägeindustrie kräftig zu erhalten. Nun standen wir speziell Rußland gegenüber vor der bedenklichen Möglichkeit, daß eines Tages Rußland für sein Rohholz einen Aus fuhrzoll festsetzte (Zuruf des Grafen von Mirbach) Jawobl, diese Frage ist von Rußland verschiedentlich in Erwägung gezogen worden, und, meine Herren, die Einführung eines solchen Ausfuhrzolles würde eine absolute Tõtung unserer Sägeindustrie gewesen sein, denn die Folge davon wäre gewesen, daß die Sägemühlenindustrie in Rußland sich etablierte und das verarbeitete Holz zu uns kam. Zum zweiten ist von der landwirtschaftlichen Verwaltung immer hervorgehoben worden,

daß wir diejenigen Konzessionen, die wir vom Auslande beanspruchen und wünschen, wir auch aus uns selbst bezahlen wollen. Wir wollen kein Abschieben auf andere Gebiete, wie es bei den eisten Vertrags verhandlungen vor 15 oder 13 Jahren der Fall gewesen ist, als die Landwirtschaft vielfach die Kosten für die Industriezölle zu tragen hatte. Wir durften nicht in den umgekehrten Fehler verfallen, nun für die Landwirtschaft zu beanspruchen, daß die Industrie für sie zahle. Es handelte sich also darum, diejenigen Objekte, die zu einem Ausgleich für die Forderungen des Auslandes an uns und umgekehrt für unsere Forderungen an das Ausland in gerechter Weise aus uns selbst herauszufinden. Das ist der Grund gewesen, weshalb wir und speziell ich der Ermäßigung der Holzzölle zugestimmt haben. Ich muß dabei hervorheben, und das habe ich auch im Landes Oekonomiekollegium getan, daß die Differenz gegen den früheren Zu⸗ stand doch verhältnismäßig sehr gering ist. (Widerspruch.) Die ganze Differenz beträgt für den Doppeljentner 8 3. (Zuruf des Grafen von Mirbach.)

Das ist doch wirklich recht wenig, es ist nicht mehr. Der Roh zoll ist um durchschnittlich 80 8 verändert, er bewegt sich von 80 bis 74, von 30 bis 24 und von 20 bis 12. Meine Herren, diese Zölle sind doch überhaupt so gering, daß ich der Auffassung bin: haben wir mit einer steigenden Holzkonjunktur zu rechnen, wird der Zoll bei der Rechnung vollständig verschwinden, und haben wir mit einem Nieder— gang unseres Holzabsatzes zu rechnen, werden diese geringen Zölle uns nach keiner Richtung hin helfen. Das ist der Grund, weshalb ich hier der Ermäßigung der Zölle zugestimmt habe. Meine Auffafsung wird gestützt durch die Aeußerungen einer Reihe von Forstsachverständigen, die bei den Botschaften und Gesandtschaften beschäftigt sind. Diese aus dem Ausland mir zugegangenen Mit—⸗ teilungen haben mich in der Ueberzeugung befestigt, daß wir auf einer aufsteigenden Bahn der Holzverwertung stehen und damit rechnen können, daß wir in Zukunft bessere Holzpreise als bisher werden erzielen können. Begründungen, wie sie in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ gegeben worden sind, sind jedenfalls von der preußischen Forst oder landwirtschaftlichen Verwaltung nicht aus. gegangen. Ich kann für das einzelne, was dort aufgeführt ist, nicht verantwortlich gemacht werden. Wenn Herr Graf Mirbach sagt, ich habe eine Tabelle aus dem Holmarkt, die beweist so recht, welche Unterschiede zwischen den Verhältnissen des Ostens und Westens auf dem Holjmarkte bestehen, so ist das, meine Herren, gewiß richtig, aber, meine Herren, Sie wollen dabei bedenken, daß leider im Osten die Preise für die Hölzer schon deshalb immer auf einem niedrigen Niveau bleiben werden, weil die Abfuhrwege namentlich auch außerhalb der Forsten vielfach recht schlecht sind. (Widerspruch) Ja, meine Herren, es gibt doch Jahre, in denen, weil kein scharfer Winter ist, auf den Wagen mit schlechtem Untergrunde das Holz kaum zu verfahren ist. Die Leute, die solches Holz abnehmen, rechnen natürlich mit diesem Faktor und bezahlen weniger.

Nun fragt Herr Graf Mirbach, und von seinem ostpreußischen Standpunkt aus mit vollem Recht: warum schafft man uns nicht bessere und billigere Tarife nach dem Westen? Ja, meine Herren, auf welche Schwierigkeiten stoßen wir da stets im Eisenbahnrate! Die Waldbesitzer des Westens, nicht der Fiskus, sind jenen billigen Tarifen gerade entgegen, und ich glaube, daß auch

der Herr Graf Mirbach, wenn er im Westen an⸗ gesessen wäre, wahrscheinlich sagen würde: ich wünsche möglichst wenig die Konkurrenz des Holzes vom Osten.

Also die Interessenten selbst sind es gewesen, die in den Eisenbahn⸗ räten unausgesetzt gegen die billigen Tarife gestimmt haben; denn sie fürchteten, daß, wenn große Massen Grubenholz aus dem Osten nach dem Westen kämen, die Preise noch mehr, als es schon der Fall ist, gedrückt werden würden. Graf von Mirbach wird bei den Herren im Westen diesen Widerstand immer finden, denn diese wünschen natürlich nicht, daß der Wert ihres Grund und Bodens, der durch die hohen Holzpreise mit bedingt wird, durch billige Holitransporte vom Osten wesentlich herabgedrückt wird. Das muß man offen aussprechen.

Nun der Artikel in der „Kreuzjzeitung“, respektive die Aus— führungen, die der Herr Graf daran geknüpft hat. Nach einer Nach⸗ weisung über die Umtriebsverhältnisse im preußischen Staate seit 1903 hat die Umtriebszeit für Kiefernbestände zugenommen. Auch über die Abtriebsverhältnisse liegt vor mir eine Zusammenstellung ich halte die Ziffern dem Herrn Grafen zur Verfügung —, hiernach ist der Isteinschlag in der Hauptnutzung bis zu dem Kalamitätsjahr 1903 stets hinter dem zulässigen Abnutzungssoll zurückgeblieben. Ein Mehreinschlag hat lediglich in der Vornutzung stattgefunden, deren die Anschläge übersteigende, höhere Erträge durch eine Reihe von hier nicht näher zu erörternden Gründen veranlaßt werden. Ich betone aber, daß diese Ueberschreitungen des Vornutzungssolls keineswegs eine Erscheinung der Neuzeit, sondern in annähernd gleichem Umfange seit Jahrzehnten aufgetreten sind und zu gerechtfertigten Bedenken gegen die Nachhaltigkeit der Wirtschaft keinen Anlaß geben. Im übrigen kann ich nur auf die wirtschaftlichen Grundsätze hin—⸗ weisen, die in dem bekannten Werke von Hagen und Donner über die forstlichen Verhältnisse Preußens niedergelegt und auch heute noch für die preußische Forstverwaltung maßgebend sind. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich eine Stelle aus diesem Werke ver⸗ lesen, die die Ansichten auch nach der gegenwärtigen Verwaltung in durchaus zutreffender Weise wiedergibt:

Die preußische Staatsforstverwaltung bekennt sich nicht zu den Grundsätzen des nachhaltig höchsten Bodenreinertrages unter An⸗ legung an eine Zinseszins rechnung, sondern sie glaubt, im Gegensatz zur Privatforstwirtschaft, sich der Verpflichtung nicht entheben zu dürfen, bei der Bewirtschaftung der Staatsforsten das Gesamtwohl der Ein⸗ wohner des Staates ins Auge zu fassen und dabei sowohl die dauernde Bedürfnisbeftiedigung in Beziehung auf Holz und andere Waldprodukte, als auch die Zwecke berücksichtigen zu müssen, denen der Wald nach so vielen anderen Richtungen hin dienstbar ist. Sie hält sich nicht für befugt, eine einseitige Finanz⸗ wirtschaft, am wenigsten eine auf Kapital. und Zinsengewinn be— rechnete reine Geldwirtschaft mit den Forsten zu treiben, sondern für verpflichtet, die Staatsforsten als ein der Gesamtheit der Nation gehörendes Fideikommiß so zu behandeln, daß der Gegenwart ein möglichst hoher Fruchtgenuß zur Befriedigung ihres Bedürfnisses an Waldprodukten und an Schutz durch den Wald zugute kommt, der Zukunft aber ein mindestens gleich hoher Fruchtgenuß von gleicher Art gesichert wird.

Die Herren werden die weiteren Ausführungen in diesem Buche finden können; ich darf aber darauf hinweisen, daß wir zweifellos in

Preußen nicht zu kürzeren Umtriebszeiten übergehen werden, sonden gerade in langen Umtriebszeiten eine bessere Ausnutzung unserer wen, vollen Holzbestände sehen. Da aber Herr Graf von Mirbach einzelne Gegenden Bezug genommen hat, möchte ich doch bem daß ich auf meinen Reisen den Eindruck gehabt habe, daß gerade h Forsten in der Neumark vielfach schon zu alt geworden sind und inz, besondere die Schwammhölzer dort schon eine sehr bedenkliche 3. nahme zeigen.

Was die Frage der Schwarzwildvernichtung betrifft, so habe ih hierzu auch von einzelnen Herren aus dem hohen Hause Zuschriften bekommen. Ich möchte auf diese freundlichen Zuschriften mit den Hinweis auf das Wildschadengefetz vom 11. Juli 1891 antworten, i dessen 5 14, letztem Alinea, es heißt:

Die Aufsichtsbehörde hat außerdem zur Vertilgung uneingefrie, digten Schwarzwildes alles Erforderliche anzuordnen, sei es dur Polizeijagden, sei es durch andere geeignete Maßregeln oder Aif— lagen an die Jagdberechtigten des Bezirks und der Nachbarforsten.

Also ich bin durch Gesetz verpflichtet vorzugehen, und es ist nicht eine plötzliche Eingebung von mir gewesen, daß ich dem Schwarzwild den Krieg erklart habe, sondern die Landesgesetze zwingen mich dazu, da ich dem Schwarzwild entschieden entgegentrete. Es liegt auch ohne Zweifel im Interesse des kleinen Grundbesitzes, daß wir das Schwar⸗ wild in den Forsten möglichst einschränken; denn die Herren werden mir zugeben, daß ein Stück Schwarzwild, welches auf den Kartoffel. acker eines kleinen Mannes austritt, hier einen in keiner Weise zu er, setzenden Schaden anrichten kann. Werden also in dieser Beziehung berechtigte Klagen seitens der kleinen, nicht jagdberechtigten Besitze laut, so bin ich nach dem Gesetze verpflichtet, für Abhilfe zu sorgen.

Was nun die Schußgelderfrage betrifft, so kenne ich den Ober forstmeister nicht, der diesen freundlichen Brief geschrieben hat. Kann man Wechsel selbst nicht einlösen, so ist es ja leicht, zu sagen: Der Staat soll bezahlen. Aber ich möchte doch davor warnen, dem Staate zuzumuten, Schußgelder zu bezahlen für die Vertilgung von Raubzeug auf Jagden, die er verpachtet hat. Das ist meines Erachtens nicht angängig. Ich kann doch auch nur sagen, daß im großen und ganzen die Jagdpflege in der preußischen Staatsforstverwaltung eine sachgemäße und gute ist.

DOberbürgermeister Dr. Bender ⸗Breslau: Ich erkenne an, daß die Städte Parkanlagen zu schaffen haben. Das tun sie ja auch. Der Staat soll sie ja nicht schaffen, er soll ja nur Forsten, die er hat, verkaufen zu einigermaßen erschwingbaren Preisen. Denn man kann den Stãdten nicht zumuten, für Gelände, das sie als Forst zu halten sich verpflichten, Bauplatzpreise zu zablen. Gibt es denn ein schöners. Naturdenkmal als unsern deutschen Wald! Immer wieder wird uns gesagt: Kauft Wald! Und das ist ein guter Rat für eine Kommune; aber weshalb fordert der Staat, der uns diesen Rat gibt, möglichst hohe Preise und erschwert unt den Ankauf außerordentlich? So haben wir am oberen Stadtgraben in Breslau ein Stück Land gekauft, für das es unmöglich war, den Kaufpreis zu realisieren. Dann aber verlangte die Regierung von uns, daß wir ihr in der Mitte der Stadt billige Grundstücke nach⸗ weisen sollten für das QVberbergamt und ein Landgericht. Es gibt eben verschiedene Fisci. Der eine verkauft teuer, und der andere ver⸗ langt von dem übervorteilten Käufer, er solle an ibn billig verkaufen. Der Staat sollte die Bestrehungen der Städte unterstützen und Forst⸗ terrains den Städten zu billigen Preisen verkaufen, wenn er auch ihnen die Verpflichtung ie g den Forst als solchen zu erhalten. Durch die Vermehrung der Bevölkerung sind die Werte gestiegen, aber die gestiegene Bevölkerung macht die Erhaltung des Waldes um so notwendiger.

Oberbürgermeister Dr. Lentze⸗ Barmen: Vom fiskalischen Ge, sichtspunkte aus gebe ich dem Minister recht, aber es kommen auch Interessen und Gründe in Frage, die nicht nur die Gemeinden, sondern den Staat selbst berühren. Die Bevölkerung von Elberfeld und Barmen besteht zum größten Teile aus Arbeitern, die det Sonntags die Gelegenheit haben müssen, in Gottes freie Natur zu gehen. Es wäre ein Jammer, wenn unser schöner Hochwald bei diefen Städten in Bauland verwandelt würde. Ver Me nister wird hohen ethischen und sozialen Interessen gerecht, wenn er hier die fiskalischen Interessen zurücktreten läßt. Wir haben bier eine Illustration, wie es kommt, daß die Städte immer meht in Schulden geraten. Wenn der Staat den Ankauf des Walde durch die Stadt verlangt, so belastet das die Finanzen der Stadt er, heblich. Von anderen Ressorts wird verlangt, daß die Städte fir Schulen, Wege, Wohnungen möglichst viel tun. Es wird den Ge—= meinden vorgeworfen, daß sie nicht für billige Wohnungen sorgen Hier wird aber das Bauland vom Fiskus verteuert. Der Staat hat keinen Schaden, wenn er ein paar Mark weniger nimmt. Oberbũrgermeister Funck Elberfeld schließt sich diesen Aus— führungen an.

Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielski:

Meine Herten! Zunächst möchte ich den beiden Herren Ober= bürgermeistern folgendes erwidern: Ich habe geglaubt, durch mein Entgegenkommen auch bei den Herren Entgegenkommen zu finden. Ich kann nur konstatieren: Der ordnungsmäßige Einschlag im Burg—⸗ hol) sollte stattfinden, die Herren kamen und sagten: wir wollen kaufen, bitte schlage nicht ein. Ich habe es getan. Wird aber aus dem Kaufgeschäft nichts, so ist die Konsequenz, daß der ordnungsmäßige Einschlag zur Ausführung kommt. Damit wird dann die Fragt in einer anderen Form gelöst. Das ist die Antwort, die ich den Herren nur geben kann. Der Landwirtschaftsminister alt solcher ist verpflichtet, die Staatsinteressen wahrzunehmen, und der Herr Finanzminister würde mit Recht Vorwürfe gegen mich erheben, wenn ich das Staatsinteresse zurücksetzte und etwa an irgendjemand aus öffentlichen Mitteln Geschenke mache. Es ist zweifellos, daß ich das nicht tun kann. Meiner Ansicht nach kann lediglich in Fragt kommen, daß der Staat den Kommunen das Terrain für einen nicht zu hohen Preis überläßt und die Kommunen sich demgegenüber ver= pflichten, das Holz als Holz zu erhalten. Nach diesen Grundsätzen ist bisher immer verfahren worden.

Aber, meine Herren, gewundert hat mich, daß der Herr Ober= bürgermeister von Barmen gesagt hat, durch den Verkauf von Wald grundstäcken seitens des Fiskus würden die Bodenpreise gesteigert. Meine Erfahrung jeigt das Umgekehrte. (Sehr richtig) Die Herren Terraingesellschafter, die Spekulanten in den Städten, das sind die geschworenen Feinde der landwirtschaftlichen Verwaltung. Sobald wir Terrain verkaufen wollen, drücken wir doch zweifellos auf den Markt, und es kommt mehr Ware auf den Markt, und nach den bisherigen volkswirtschaftlichen Srundsätzen steht fest: wenn mehr Angebot ist, sinkt der Preis. Ich habe 3. B. Berlin die Beobachtung gemacht, wie ich schon im andem Hause ausgeführt habe: sobald ich an irgend einer Stelle aus diesem oder jenem Grunde ein paar Hektar zu verkaufen gedenle, so fallen sofort in sämtlichen Zeitungen alle Terraingesellschaften über mich her, es wäre unerhört, daß der Staat hier verkaufe und in ihre

Feschäfte eingriffe. Das verstehe ich, aber daß ich verteuern soll, ver⸗ size ich nicht. Bitte, meine Herren, sehen Sie sich die ganze Ent elung von Berlin an; würde denn überhaupt Berlin sich ent⸗ delt haben und weiter entwickeln können, wenn ich z. B. absolut uf der Negation stände und der Fiskus in dieser Beziehung men wollte: wir geben nichts heraus!! Meine Herren, denken ie doch einmal an die Industrie! Die Herren sind ja sahrene Leute und sind mit vollem Verständnis für den mal dafür eingetreten, daß auf den Wasserstraßen die Roh— modukte billig befördert werden. Und nun sehen Sie sich doch einmal e Spree hinter Köpenick an, überall ist forstfiskalischer Wald. Die Rdustrie hat das Bestreben, sich am Wasser anzusiedeln, um die Fahstoffe billig beziehen zu können. Wenn die Herren kommen und bgen: Du darfst nicht verkaufen, dann möchte ich einmal die Frage bäörtern, was soll denn nun werden? Es hat mich interessiert, in hem Blatte zu lesen, es solle ein Gesetz erlassen werden, man solle

um Berlin gar keinen Wald mehr verkaufen. Ja, meine Herren, se sah es denn vor hundert Jahren aus, wie haben denn die uußischen Könige die Bodenpolitik Berlins, solange der Fiskus noch

a der Situation war, betrieben?

Die Könige haben die Grundstücke den einzelnen billig gegeben, it der Verpflichtung zu bauen. Erst als das fiskalische Gebiet zurück mat, trat die Bodenspekulation ein. Ich habe noch in den letzten

gen aus anderm Anlaß eine Fahrt um Berlin herum machen müssen. Da fiel mir immer auf, wenn ich an ein Terrain kam und fragte, s kostet hier der Quadratmeter, so wurden mir Preise von etwa N genannt. Und dicht daneben standen die fiskalischen Bäume 1 Jungfernheide, wo wir froh wären, wenn wir 8 - 10 4 be⸗ imen. Ich verstehe also sehr wohl, daß die Terraingesellschaften peine geschworenen Gegner sind, aber die Bevölkerung, die Industrie blte doch froh sein, wenn ich ihnen die Möglichkeit schaffe, an den gasserläufen sich anzusiedeln. Wollte ich aber jenen Herren folgen, würde ein eigentümliches Zerrbild hier um Berlin entstehen: Der kus behielte einfach die Wassergrundstücke an allen Flußläufen, so Tegel, Ruhleben, Nieder⸗Schöneweide und gestattete der Industrie bt, an das Wasser zu gehen. Ich glaube, da würde der Landwirt— baftsminister bald als ein Mann verschrien, der kein Verständnis für Ie Zeichen der Zeit hat, für die Fortschritte der Industrie und der ichen mehr. Ich glaube, man muß die Dinge vom allgemeinen nd nicht vom lokalen Standpunkte betrachten. Aber ich verdenke Fönen auch nicht, daß sie als Vertreter der Städte den Wunsch ben, möglichst billig und ohne Belastungen dazu zu kommen; ich gegen muß die Staatsinteressen vertreten und kann keine Geschenke chen, wenn ich Ihnen auch gern nach Möglichkeit entgegenkomme. em Herrn Oberbürgecmeister von Breslau muß ich noch erwidern: n den Städten ist die preußische Domänen und Forstverwaltung im Ugemeinen nicht Besitzerin der fiskalischen Grundstücke. Ich stehe fo diesen Verhältnissen fern und kann sie nicht beurteilen.

Graf von Mirbach: Gegen das Ausland können wir uns ab⸗ dließen, aber im Innern müssen wir die möglichste Verkehrsfreiheit cken. Wir wollen nur ein Wirtschaftsgebiet haben; die Eisenbahnen len den Verkehr vermitteln, aber nicht hindern.

Herr von Klitz ing erwidert auf eine gelegentliche Bemerkung z Ministers, daß dieser in bezug auf Schwarzwildschaden nicht nchtigt sei, in Privateigentum einzugreifen, wenn nicht etwa Klagen n Wildschaden vorlägen. In seinem Kreise beständen solche zen nicht; denn dort würden die Jagden zu so hoben Preisen

achtet, daß darin eine Entschädigung für den Wildschaden éna liege.

Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielski:

Meine Herren! Ich möchte Herrn von Klitzing gleich erwidern: ars Namens habe ich in meiner Rede mit keinem Worte Er— öznung getan. Ich sagte, ich hätte einen solchen Brief erhalten, d nehme daher an, daß er vielleicht ihn doch mit ver— ͤlaßt hat, da er nur sagt, er hat ihn nicht geschrieben.

ich muß klarstellen, daß die Verfügung, die doch Herrn

Klitzing auch vorgelegen hat, wie folgt, lautet: Ich ersuche, daß berall dort, wo berechtigte Klagen vorgebracht werden usw. Also

xine Verfügung bezieht sich lediglich auf die Fälle, in denen be⸗ 'chtigte Klagen vorgebracht werden, und davon ausgehend, kann ich sagen, eine Reihe von Klagen hat vorgelegen, und ich bin nach

m Gesetze verpflichtet, da vorzugehen, und das ist von meiner Seite

solgt.

Herr von Klitzing: Dann bitte ich den Minister, seine Ver⸗ gungen nur dahin zu richten, wo solche Klagen bestehen. Ich habe Verfügung in meinem Amtsbezick amtlich bekommen, bei uns kehen aber keine Klagen.

DOberbürgermeister Funck bedauert, daß sein Appell an das ale Gewissen der Regierung vergeblich gewesen sei. Er bemerke c, daß die Stücke, welche eingeschlagen werden sollten, gerade die hönsten Naturstücke feien, und daß doit seit Jahrzehnten die Schulen patriotischen Feste gefeiert hätten. Kaffeeküchen und 2 stitute gebe es dort nicht, und man wolle sie auch gar nicht ben

Der Rest des Etats der Forstverwaltung wird ohne batte bewilligt, desgleichen die Rente des Kronfideikommiß— nds und der Etat der Gestütoerwaltung.

Um / Uhr wird die weitere Etatsberatung auf Mittwoch Uhr vertagt.

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B. Sitzung vom 29. März 1905, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Es wird die Beratung des Stagtshaushaltsetgts r das Rechnungsjahr 1905 beim Etat der An—

edlungs kommission fortgesetzt. Dieser wird ohne Erörterung erledigt, 56 der Etat r Preutzisch en entralgeno senschaftskasse. Zum Etat des Finanzministeriums bemerkt . Graf von Mirkach: Jetzt nach Abschluß der Handelsverträge en wir auf die Lösung anderer Fragen dringen, namentlich mit wanderung vom Lande, mit der Kommunalbesteuerung und be. ders mit dem schweren Druck der Schulunterhaltungspflicht uns 3 stigen. Ünfere Kommunallasten im Osten sind wiederum um o auf 120 o geftiegen. Diefer Zustand ist auf die Dauer unertrãg⸗ „. In den napolesnischen Kriegen hat Ostpreußen 25 Millionen ler aufgebracht, der Staat aber hat der Provinz nur mit 37 Millionen ern gebolfen. Nun jäͤge doch nichts näher, als daß der Staat der din. Sstpreußen das Bernftein monopol gäbe. Ich richte ausdrück⸗ ödiese Bitte an den Herrn Finanzminister.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Der Herr Graf Mirbach hat in seinen Aus— zungen behauptet, daß der Staat in steigendem Maße seine mische Provinz Ostpreußen belastet habe. Das kann ich jedenfalls

für die letzte Vergangenheit in keiner Weise zugeben. Er hat auf sehr erheblichen Lasten, die der Provinz und den Kreisen durch die Armenverhältnisse erwachsen, hingewiesen. Ich will das durchaus zu⸗ geben, aber bekanntlich ist das eine Belastung, die auf dem Armen⸗ gesetz von 1871 beruht. Wir sind neuerdings dazu übergegangen, die Kosten der Fürsorgeerziehung jum allergrößten Teil auf die Staats kasse zu übernehmen und auf diese Weise die Provinz zu entlasten. Wir sind dazu übergegangen, den Provinzen die sehr erhebliche neue Dotation von 10 Millionen Mark zu geben, von der die Provinz Ostpreußen ich komme noch darauf zurück den größten Anteil erhalten hat.

Herr Graf Mirbach hat dann den Gedanken angeregt, man solle der Provinz Osspreußen das Bernsteinmonopol übertragen. Meine Herren, ob Sie dabei besonders Seide spinnen werden, ist mir einst⸗ weilen zweifelhaft. (Graf von Mirbach: Ja) Ich möchte aber darauf hinweisen, daß, wenn wir der Provinz Ostpreußen das Bernsteinmonopol überlassen, andere Provinzen, wie zum Beispiel die Rheinprooinz, vielleicht mit der Bitte kommen werden, man möge ihr die staatlichen Kohlengruben im Saarrevier überlassen (Graf von Mirbach: das ist ja ganz etwas anderes!), und das würde ein Weg sein, der dem Staat erhebliche Einnahmequellen entzieht und ihn nötigt, neue Steuern zu erheben, und auf diese Weise würde man um— gekehrt auch wieder zu einer Belastung der Provinz kommen.

Im übrigen kann ich den Wunsch des Herrn Grafen von Mirbach durchaus teilen und veistehen, den Verhältnissen Ostpreußens eine be— sondere Beräcksichtigung zuteil werden zu lassen. Zwar glaube ich, daß auf dem Wege nicht wird geholfen werden können, die Staffel⸗ tarife unsererseits wieder einzuführen. Von meinem Standpunkte als Finanzminister wäre, glaube ich, gegen Gewährung von Staffeltarifen für den Osten nichts einzuwenden. Denn wie schon gestern vom Herrn Grafen von Mirbach mit Recht hervorgehoben worden ist: die Staffeltarife sind eine Maßnahme, die die Staatskasse nicht nur nicht schädigen, sondern ihr erhebliche Einnahmen zuführen würden, und ich gehe auch darin mit dem Herrn Grafen von Mirbach konform, daß ich sage: es gibt kaum eine Maßregel, die in höherem Maße geeignet wäre, unsere entfernten Landesteile wirtschaftlich zu fördern, wie die Staffeltarife für Getreide und Holz. Denn die Schwierigkeit der Lage des Ostens, namentlich Ostpreußens, resultiert daher, daß die Konsumtions⸗ und die Produktionsorte zu weit voneinander getrennt sind ssehr richtig h, sodaß ein großer Teil des Nutzens an der Achse hängen bleibt, bis die Produkte den Konsumtionsort erreichen. Aber, meine Herren, warum sind wir denn genötigt gewesen, die Staffeltarife aufzuheben? Nicht etwa aus finanziellen, fiskalischen Rücksichten, sondern wegen des Widerspruchs der westlichen und südwestlich gelegenen Landesteile. Denn gerade in diesen wirtschaftlichen Fragen gehen die Meinungen am meisten auseinander. Ein Widerstreiten wirtschaftlicher Interessen wird immer bestehen, und dieser Widerstreit, die Furcht der westlichen und südwestlichen Landesteile, sie könnten Holz und Getreide aus dem Osten Preußens zu billigeren Preisen bekommen, dieser wirtschaftliche Gesichtspunkt hat seinerzeit genötigt, die Staffeltarife wieder aufzuheben. Im ubrigen möchte ich darauf hinweisen, daß in den letzten Jahren gerade für die östlichen Landesteile, insbesondere Ostpreußen, Außerordentliches staatlicherseits auf den verschiedenen Gebieten des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens geschehen ist. Ich darf zunächst auf die Eisenbahnen hinweisen, und ich glaube, Herr Graf von Mirbach wird mir zugeben, daß namentlich auf dem Gebiete des Eisenbahnbaus in Ostpreußen in den letzten Jahren sehr viel geschehen ist. Ich habe in dieser Beziehung einige Daten zur Hand, die ich bitte vortragen zu dürfen.

In der Periode von 1880 bis 1904 sind zum Bau von staatlichen Nebenbahnen in Ostpreußen bereit gestellt worden 157 Millionen Mark, in Westpreußen 111 Millionen, in Pommern 69 Millionen, in Posen 112 Millionen, in Schlesien 121 Millionen, in Brandenburg 65 Millionen, dagegen in den stärker ent— wickelten westlichen Landesteilen, und zwar der Provinz Sachsen nur 66 Millionen, in Schleswig - Holstein 20 Millionen, in Hannover 75 Millionen, in Westfalen 81 Millionen, in Hessen⸗-Nassau 81 Millionen und der Rheinprovinz 171 Millionen. Also nächst der sehr großen und volkreichen Rheinprovinz mit 171 Millionen steht Ostpreußen mit 157 Millionen, die aufgewendet worden sind für Nebenbahnen, an der Spitze. Diese Vervollständigung des Netzes der ostpreußischen Eisenbahnen ist ein wichtiges Mittel, die Produktions- verhältnisse in Ostpreußen zu bessern. In noch viel stärkerem Maße sind die Leistungen des Staats gestiegen für Ostpreußen auf dem Gebiete der Volksschulwesens. In den Jahren 1898 bis 1902 sind mehr als 30 Millionen für Volksschulbauten nach Ost— preußen geflossen, im Durchschnitt der Jahre über 6 Millionen Mark. Nun wollen Sie sich vergegenwärtigen, daß im Jahre 1904 in Ost—⸗ preußen an Einkommensteuer 4 000 000 M und Ergänzungssteuern S77 000 M, in Summa rund 4 800 000 4 eingekommen sind. Dabei sind 1904 allein für Volksschulzwecke 7 000 000 1 nach Ostpreußen geflossen; allein für Volksschulzwecke ist also erheblich mehr seitens des Staats ausgegeben worden, als an Einkommensteuer und Er— gänzungssteuer dem Staate zugegangen ist. Rechnet man alle übrigen Aufwendungen des Staats auf dem gesamten Gebiete staatlicher Tätigkeit hinzu, so ergibt sich daraus, daß ein sehr Vielfaches nach Ostpreußen geflossen ist von dem, was an Einkommensteuer aufge—⸗ kommen ist. Ich sage das in keiner Weise, um daraus etwa ein besonderes Verdienst dem Staate vindizieren zu wollen; denn ich glaube in der Tat, daß diejenigen Landesteile, die schwach entwickelt find, durch die Ungunst der wirischaftlichen Verhältnisse getroffen sind, auch einen besonderen Anspruch auf die Fürsorge des Staats haben. Daß in der Tat in Ostpreußen die wirtschaftliche Lage eine solche ist, daß ein solcher Anspruch erhoben werden kann, kann meines Erachtens keinem Zwelfel unterliegen. Das ergibt sich schon aus dem eben von mir erwähnten sehr geringen Aufkommen an Einkommensteuer in Ostpreußen. In dieser Beziehung steht Ostpreußen beinahe hinter allen anderen Landesteilen zurück. Wir haben 1904 in der Monarchie ein Aufkommen an Staatseinkommensteuer pro Kopf der Bevölkerung von rund h, genau gesagt 498 , und dieser Durchschnitt wird in den Städten nach oben verschoben, in den Landgemeinden nach unten, derart, daß der Durchschnitt in den Städten sich auf 8, 18 A auf den Kopf der Bevölkerung beläuft, dagegen in den Landgemeinden ich bitte das wohl zu beachten auf 2.20 M sinkt. Daraus kann man sehen, in welchem Maße sich die Gunst der wirtschaftlichen

Entwickelung auf seiten der Städte gewandt hat und gegen das Land

ausgefallen ist. (Hört! hört) Also bei einem Durchschnitt von 2.20 υι auf dem Lande, in der Monarchie sinkt dieser Durchschnitt

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in den Landgemeinden des Regierungsbezirks Königsberg auf O0, 85 auf den Kopf der Bevölkerung noch nicht eine Mark in Gumbinnen sogar auf O, 5, und es ist lediglich der Regierungsbezirk Marienwerder, der mit O78 diese schon ungünstigen Verhältnisse der Landgemeinden Ostpreußens unterbietet. Und worauf ich noch be⸗ sonders hinweisen möchte, meine Herren, was ich im Reichstage bei der Verteidigung der Handelsverträge ausgeführt habe: das Bedenk⸗ lichste in Ostpreußen ist meiner Ansicht nach das immer stärkere Ab strömen der Bevölkerung, ein Abströmen, das in der Tat zu einer ernsten Gefahr für unsere ganzen östlichen Landesteile zu werden droht. Nach einem Berichte des Oberpräsidenten, der mir vor einiger Zeit vorgelegen hat, haben in Ostpreußen 28 Landkreise vom Jahre 1895 bis zum Jahre 1900 eine absolute Abnahme der Bevölkerung er— fahren, also 28 Landkreise das ist die große Majorität aller Land- kreise und zwar eine Abnahme von 42 000 Seelen. Während Ostpreußen bei der Volkszählung am 1. Dezember 1885 noch 1502000 Menschen zählte, ist die Bevölkerung am 1. Dezember 1900 auf 1439 000 Menschen zurückgezangen. Das ist in 15 Jahren eine Abnahme um 63 600 Seelen. Nimmt man hinzu den Ueberschuß an Geburten gegenüber den Todesfällen, so haben die Landgemeinden Ost— preußens in 10 Jahren nicht mehr und nicht weniger als 4 Million Menschen verloren. (Hört! Hört!) Das ist in der Tat, meine Herten, eine sehr bedenkliche und sehr bedrohliche Erscheinung. (Sehr richtig) Ich habe mich daher der Verpflichtung nicht für überhoben erachtet, auch in dem vorliegenden Etat, der der Beratung des hohen Hauses gegenwärtig unterliegt, wiederum erhebliche Mittel für Ost— preußen einzustellen.

Zunächst sind die, zuständigen Herren der Provinzialverwaltung an mich herangetreten und haben dargelegt, wie die Förderung der Landes meliorationszwecke dieser Landflucht der ländlichen Bevölkerung nach Möglichkeit abzuhelfen geeignet sei, indem jene Maßregel die Scholle rentabler mache. Es ist deshalb mit der Provinzialverwaltung vereinbart worden, durch den vorliegenden Etat die schon erheblichen staatlichen Aufwendungen für Landesmeliorationszwecke für Ostpreußen um die hohe Summe von 200 000 6 jährlich zu verstärken.

Wir sind dann dazu übergegangen, wie die Herren aus dem Etat ersehen, zum ersten Male eine Position einzustellen von 2 Millionen Mark zur Förderung der inneren Kolonisation in Ostpreußen und Pommern. In Hinterpommern ist eine Abwanderung erfolgt, die ungefähr der in Ostpreußen gleichkommt. Wir wollen auf diese Weise staatsseitig die Hand dazu bieten, daß, soweit das überhaupt staatsseitig möglich ist, dieser Abwanderung ein Riegel vorgeschoben wird, indem der Bevölkerung in Ostpreußen die Möglichkeit gegeben wird, sich auf eigener Scholle ansässig zu machen und auf diese Weise die Blutarmut dieses Landesteils einigermaßen wieder zu beseitigen. Wir haben ferner speziell für Ostpreußen den Fonds des Kultusministers zur Gewährung von Beihilfen an unvermögende Schulgemeinden erhöht, um auf diese Weise da, wo Gemeinden leistungsunfähig sind, Beihilfen zu gewähren, die die Gemeinden in den Stand setzen, die Mindestgehälter der Volksschullehrer auf⸗ zubessern und dadurch das ewige Abziehen der Volkeschullehrer einigermaßen zu beseitigen. dem Landtage vorzuschlagen, gierung zu errichten, um bei den übermäßig großen Ent⸗ fernungen in der Provinz Ostpreußen und der dadurch hervorgerufenen Unmöglichkeit der staatlichen Provinzialbehörden, so intensiv auf die Förderung der Verhältnisse einzuwirken, wie das notwendig ist, durch Teilung der übergroßen Bezirke eine kräftigere Initiative der Regierungsorgane zu ermöglichen und dadurch auch die wirtschafllichen Bestrebungen dieses Landesteils zu fördern. Kurzum, ich glaube, der Etat gibt einen beredten Beweis dafür, daß wir uns der Verpflichtung, insbesondere für Ostpreußen zu sorgen, voll bewußt gewesen sind; denn Ostpreußen hat in der Tat, ich möchte sagen einen historischen Anspruch auf die Dankbarkeit des preußischen Volkes. Ez ist Ostpreußen gewesen, das damals in den Zeiten schwersten Niedergangs das Signal gegeben hat zum Wiederaufstehen unseres Vaterlandes und zu der glorreichen Erhebung von 1813. (Bravo) Aber, meine Herren, wenn das alles geschehen ist, so bitte ich doch auch das nicht außer Auge lassen zu wollen, daß es schließlich große wirtschaftliche Bewegungen gewesen sind, gegen die der Staat ein Allheilmittel nicht in der Hand hat. Es ist eben die ganze wirtschaftliche Entwickelung in unserem Vaterlande dahin ge⸗ gangen, die Industrie und den Westen zu begünstigen und die Land— wirtschaft und den Osten minder zu begünstigen, ja zum Teil zu ge— fährden. Dieser Entwickelung wird ja hoffentlich durch die Handels verträge, die jetzt verabschiedet sind, Einhalt getan werden, und diese Handelsverträge werden hoffentlich der Landwirtschaft im Osten wieder eine steigende Produktivität gewähren. Denn das ist doch die einzige Möglichkeit, den Osten wieder zu der alten Bedeutung zu erheben, daß die Landwirtschaft wieder nutzbringend und rentabel gemacht wird. (Sehr richtig!)

Also, meine Herren, ich glaube, daß der Etat vollkommen dem Ausdruck gibt, daß ich ganz in Uebereinstimmung mit dem Herrn Grafen von Mirbach die Verpflichtung der Staatsregierung an— erkenne, für Ostpreußen etwas zu tun, und Sie werden mich stets bereit finden, auf dem Wege fortzufahren, soweit das überhaupt in den Grenzen staatlichen Könnens und Vermögens liegt.

Graf von Mirbach: Der Bernstein wird nur in Ostpreußen gefunden, darum kann der Staat uns das Monopol wohl geben. Durch den Bau von Kleinbahnen werden wir zunächst immer stärker belastet; denn wir müssen den Grund und Boden geben. Der Stgats⸗« zuschuß kommt nur den Industriezentren zugute, weil die Leute dorthin abwandern. Es kommt darauf an, daß man es uns ermöglicht,

durch eigene Arbeit den anderen Landesteilen gleich zu sein. Das kann aber nur durch Einführung günstiger Tarife auf Bahnen und

Kanälen geschehen.

Graf Finck von Tinckenstein Schönberg: Westpreußen ist in der gleichen Lage wie Ostpreußen. Ich bedauere deshalb, daß West⸗ preußen ungerechtfertigterweise mit einem ähnlichen Fonds zur Landes— melioration nicht bedacht worden ist.

Erster Bürgermeister Dr. Soetbeer-Glogau bedauert, daß die Errichtung einer Regierung in Allenstein nicht durch Gesetz erfolgt sei, weil dadurch das Herrenhaus gezwungen sei, die Schaffung der neuen Rezierung zu bewilligen, wenn es nicht den ganzen Etat ablehnen wolle, und wendet sich gegen die Errichtung einer neuen Regierung, die nur dazu beitragen werde, die Selbstverwaltung zu

hemmen. Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: Was zunächst die vom Herrn Vorredner berührte Frage angeht,

ob die Regierung in Allenstein durch ein besonderes Gesetz hätte er—⸗ richtet werden müssen, oder ob es angängig sei, wie die Königliche

Wir sind endlich dazu übergegangen, in Allenstein eine neue Re⸗