*
Staatsregierung es vorgeschlagen hat, nur die Ausgabenposition in den Etat einzustellen, die Bezirksregierung selbst aber durch Königliche Verordnung einzusetzen, so ist diese Frage auch im Abgeordnetenhause und namentlich in der Kommisston desselben sehr eingehend erörtert worden, und es ist auch ein Bericht darüber erstattet. Die Kommission wie auch das Abgeordnetenhaus selbst haben sich der Auffassung der Königlicken Staatsregierung angeschlossen, daß es eine Prärogative der Krone sei, die Errichtung von Regierungen zu bestimmen, und ich glaube, wir haben alle Veranlassung, darin keine Aenderung eintreten zu lassen.
Im übrigen, meine ich, ist der Landtag doch in die Lage versetzt, vor Errichtung der Regierung sein Wort mitzusprechen; denn die Mittel für die Regierung sind in den Etat eingestellt und der Landtag ist also vollkommen in der Lage, der Position zuzustimmen oder sie abzulehnen. Eist nachdem diese Entscheidung gefallen ist, nämlich erst am 1. Oktober dieses Jahres, soll die Regierung ins Leben treten. Durch das Vorgehen der Königlichen Staatsregierung ist also dem Mitwirkungsrecht des Landtags in keiner Weise präjudiniert.
Der Herr Vorredner meinte nun, er vermisse die sachliche Begründung für die Errichtung dieser Regierung. Ich glaube, einen Teil dieser Begründung schon in dem gegeben zu haben, was ich vorher auf die Ausführungen des Herrn Grafen Mirbach zu erwidern die Ehre hatte. Es ist kein Zweifel, daß namentlich die südlichen, die masurischen Teile Ost⸗ preußens in besonderem Maße der Förderung bedürfen, daß diese Teile noch wirtschaftlich sehr erheblich im Rückstande sind, und daß alles darauf ankommt, sie wieder etwas mehr in Flor zu bringen. Wenn das die Aufgabe der Regierung sein muß, so kann im vorllegenden Falle ihre Tätigkeit doch unzweifelhaft dadurch nur schwer beeinträchtigt werden, daß ungefähr eine Tagereise erforderlich, um dem Regierungspräsidenten und seinen Beamten zu ermöglichen, in die südlichen Teile von Osipreußen zu gelangen. Wünscht man, daß die Regierung mit frischer Initiative und anregend und fördernd hier tätig ist, so muß dem Regierungspräsidenten und seinen Beamten die Möglichkeit gegeben sein, mit den Personen in rege Fühlung zu treten und nicht bloß vom grünen Tisch in Gumbinnen oder Königsberg die südlichen Teile der Provinz zu regieren.
Diese persönliche Fühlungnahme der Regierungdorgane mit den Regierten, d. h. mit der Bevölkerung, ist, glaube ich, von ganz außer⸗ ordentlichem Wert, und diese persönliche Fühlungnahme und sachliche Information soll durch die neue Regierung gefördert werden.
Der Herr Vorredner sagte, er befürchte, daß durch die neue Regierung ein vermehrter Eingriff der Regierungsorgane in die städtische Selbstverwaltung sich ergeben werde. Diese Befürchtung teile ich in keiner Weise, das liegt uns ganz fern. Ein Eingriff in angeblich bedrohte städtische Freiheiten könnte übrigens von Königsberg oder Gumbinnen genau so gut wie von Allenstein stattfinden. Das ist absolut nicht der Wunsch. Im Gegenteil, wir erkennen mit dem Herrn Vorredner den hohen Wert der städtischen Selbstoerwaltung durchaus an, und ich glaube, es hätte wirklich der Heraufbeschwörung der Manen des Freiherrn vom Stein nicht bedurft, um uns an unsere Pflicht zu erinnern. Ich vermag auch nicht anzuerkennen, daß der
Herr Vorredner irgend welche Beweise dafür vorgebracht hat, daß die
Staatsregierung in die Selbständigkeit der Gemeinden eingriffe. Namentlich der Entwurf des Wohnungsgesetzes, der doch nur ein Ent wurf von Kommissaren ist und noch gar nicht von der Staatsregierung festgestellt ist, kann diesen Beweis nicht abgeben. Ich kann in dieser Beziehung beruhigen, daß es nicht im entferntesten in der Absicht der Regierung liegt, durch die Errichtung der neuen Regierung in Allen— stein in die Selbständigkeit der beteiligten Kommunen irgendwie ein⸗ greifen zu wollen. .
Graf zu Eulenburg-⸗Prassen; Ich möchte nur bemerken, daß der Provinziallandtag einstimmig für die Errichtung einer dritten Regierung sich aus gesprochen hat.
Zum Etat der dire kten Steuern bemerkt
Graf von Mirbach: In der nächsten Session gedenke ich die abgelehnte Novelle zur Ergänzungssteuer wieder zu unterbreiten.
Zum Etat der Se handlung bemerkt
Graf von Mirbach, nach seiner Ansicht müsse die Seehandlung sich zu einer Depositenbank ausbilden.
Eine Reihe kleinerer Etats wird ohne Debatte erledigt.
Beim Etat der Handels- und Gewerbeverwaltung wünscht
Erster Bürgermeister Dr. Handelskammer in Glogau.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herten! Die vom Herrn Vorredner erwähnte Eingabe ist zu meinem Ministerium bisher nicht gelangt. Ich darf aber mit⸗ teilen, daß ich allerdings seit längerer Zeit mit dem Herrn Regierungs⸗ präsidenten in Liegnitz darüber verhandelt habe, daß er nach Tunlich⸗ keit auf eine Vereinfachung des vielgegliederten Handels kammersystems des Regierungsbezirks Liegnitz hinwirke.
Meine Herren, ich bin selbst immer der Auffassung gewesen und verfolge sie fortwährend, daß die Zersplitterung der Handelẽ kammern in viele kleine Körperschaften für die Vertretung des Handels nicht nützlich ist, und ich halte darauf, daß neue Handeltkammern nur ge⸗ bildet werden, wenn die nötige finanzielle Kraft da ist, um eine verständige Geschäftsführung der Handelskammer zu garan— tieren. Gerade im Bezirk Liegnitz ist das am allerwenigsten der Fall. Die Herren wissen, daß die Handelskammer Sagan wieder⸗ holt den Wunsch gehabt hat, sich auf Glogau und weitere Gebiete auszudehnen. Ich habe auch nichts dagegen einzuwenden. Aber eine Schwierigkeit ist da vorhanden. Es sind Wünsche in den in Frage kommenden Gebieten zu überwinden, die auf Errichtung neuer Handels kammern hinzielen. Namentlich ist das im Bezirke Grünberg der Fall, wo früher eine Handelskammer bestand, die aber vor etwa 20 Jahren infolge eines Streites mit der damaligen Regierung ein—⸗ gegangen ist. Meine Bestrebungen sind dahin gegangen, überhaupt eine Verschiebung der Handelekammer im Regierungsbezirk Liegnitz eintreten zu lassen und dabei auch den Bezirk Grünberg miteinzu⸗ schließen. Ich habe schon im vorigen Jahre gehofft, daß die Ver⸗ handlungen über ein solches Verlangen zu einem angemessenen Aus⸗ gleich führen würden. Aus der Tatsache, daß endgültige Abmachungen noch nicht an mich gelangt sind, möchte ich schließen, daß die lokalen Instanzen noch nicht zu einer Einigung über ein Zusammenschließen gekommen sind. Ich habe aber die Anregung dazu gegeben, daß die Gesamtheit der Handelskammern im Liegnitzer Bezirk sich zu einer Vereinigung zusammengetan habe, um größere gemeinsame Angelegen
Soetbeer die Errichtung einer
heiten gemeinsam zu behandeln. Ich sehe hierin ein sehr viel wirk⸗ sameres Mittel, Handel und Industrie zu vertreten, als wenn jeder nur an seinen eigenen Kirchturm denkt. Ich hoffe, daß es in aller—⸗ nächster Zeit gelingen wird, die Verhältnisse in Liegnitz zu ordnen. An meinem guten Willen wird es nicht fehlen und hat es nie gefehlt.
Der Etat der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung wird ge⸗ nehmigt, ebenso der Etat der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung.
Es folgt der Etat des Bureaus des Staats— min ssterium s. Damit verbunden wird die Beratung der Pensionsgesetznovelle. Ueber beide Punkte berichtet im Namen der Finanzkommission
Oberbürgermeister Schmieding⸗Dortmund. Er beantragt, den Etat wie den Gesetzentwurf unverandert zu genehmigen.
Das Haus tritt ohne Erörterung dem Antrage seiner Kommission bei.
Beim Etat der Staatsarchive befürwortet Graf von Oppersdorff die Errichtung einer Dienstwohnung 9 . Archivdirektor in dem neu zu erbauenden Staatsarchive in reslau. Sberbürgermeister Dr. Ben der Breslau unterstützt die An⸗ regung, weil es überhaupt richtig fei, solchen Beamten Dienstwohnung
zu geben. — ; Ein Regierungskommissar erwidert, die Erfüllung Das kann mich nicht überzeugen.
dieses Wunsches würde ein völliges Novum darstellen.
Herzog zu Trachenberg:
Der Zweck der Archive ist, vom Publikum benutzt zu werden. Um diefe benutzen zu können, muß das Publikum mit dem Direktor ver⸗ kehren könden, nicht nur mit seinen Assistenten. Dazu kommt daß der Breslauer Direktor früher Dienstwohnung hatte. Ich bitte daher, die Frage nochmals zu prüfen.
Professor Dr. Loen ß Ich kann den Vorrednern nicht zustimmen und bitte die Regierung, fü : zu bauen. Denn durch solche Wohnungen wird die Feuersgefahr für das Archiv gesteigert, um so mehr, wenn die Wohnung in einem Ge— bäude neben dem Archiv ift. Der Verkehr des Publikums mit dem Direktor ist kein schlagender Grund, das weiß jeder, der öfter Archive benutzt hat. Denn die Hauptsache ist, daß er zu seinen Dienststunden im Archiv anwesend ist; und das kann und muß er, gleichviel ob er im Archiv wohnt oder nicht.
Graf v Sn Oppersdorff: In jedem Archiv wohnt ein Portier. Da haben wir die Feuersgefahr schon. Mit, der Anführung eines Prinzips können wir uns nicht zufrieden geben; ich denke, aus Gründen der Billigkeit wird man dieses Prinzip aufgeben müssen.
Dber bürgermeister Dr. Ben der: Feuerung ist so wie so in jedem Archl'. Ob) aber der Diener oder der Direktor besser über das Funktionieren der Heizung und den Ausbruch von Feuer wacht, stelle sch dem eigenen Urteil anheim. Wir wünschen, daß der Archivdirektor mit dem Provinzialarchiv verwächst und immer zu haben ist. Wenn er aber erft hinfahren soll, so wird er es oft ablehnen.
Ein Kegierungskommissar: Nur einige wenige Archiv⸗ direktoren haben Dienstwohnung, und trotzdem ist die Benutzung der Archive stetig gestiegen .. 2 n .
Herr von Wedel Piesdorf: Beim Königlichen Hausarchiv wohnt der , . auch nicht im Archiv. Klagen darüber sind nicht laut geworden.
Graf von Oppers dorff: Mit diesem Archiv hat das Publikum auch wenig zu tun; anders ist das in Breslau. Ich bitte, hier einen Versuch mit der Dienstwohnung zu machen.
. n Gir der Genet alot dens kömmission regt
Graf von Roon an, mehr kleine Leute, die sich patriotische Ver⸗ dienste erwerben haben, namentlich auf dem platten Lande und in den kleinen Städten, zu dekorieren und so zur Belebung des Patriotis⸗ mus beizutragen. .
Herzog zu Trachenberg: Die Ordent verleihung ist ein Vorrccht' der Krone, und darüber haben wir nicht zu diskutieren.
Herr von Jerin⸗ Gesess⸗ Wir wollen die Kronrechte nicht
antasten. Wir wünschen nur eine Revision der Grundsätze des Staats⸗ ministeriums über Ordens verleihungen. Graf Botho ju E ulenburg: Die Absicht entscheidet nicht, sondern die Tatsachen; und wenn wir die Verleihungen bemängeln, kritisieren wir ein Kronrecht, und ich möchte raten, in dieser Weise nicht fortzufahren. Im großen und ganzen können wir uns über zu große Zurückhaltung in Order verleihungen nicht beschweren.
Rẽgierungekom missar, Geheimer Oherregierungsrat v on hein⸗ baben: Ich möchte bemerken, daß die Dekorierung kleiner ländlicher Beamten gegen früher erhehlich zugenommen hat.
Erster Bürgermeister Dr. Soet beer⸗Glogau: Ich meine, daß Orden und Chrenzeichen eine Bedeutung beigelegt. wird, die über die tatsächliche Bedeutung hinausgeht. Bedenklich will es mir auch er⸗ scheinen, wenn der Patriotismus mit Orden und Ehrenzeichen be⸗ lobnt werden soll. Solche Sucht nach Orden sollte man nicht fördern.
Beim Etat der Eisenbahn verwaltung beschwert sich
Freiherr von Dürant über die Uebersüllung der Berliner Vor⸗ ortzüge an Sonntagen, .
raf von Mir hach: Zur Frage der Staffeltarife hat der Herr Minister noch nicht Stellung genemmen. Das war ganz richtig, solaage nicht die Handels bertrãge unter Dach waren, Ich meine aber, ohne Siaffeltarife würde unser Bahnspstem ein Torf bleiben. Die Vor⸗ ausfeßzung dafür ist natürlich allgemeine Ein ührung und Ein⸗ führung nach allen Richtungen. Die Nichtduschführung dieser Tarife würde eine Schädigung aller Landesteile sein, die von bestimmten Märkten getrennt und dadurch aufs Ausland angewiesen wärden. Was will denn die Kanalvorlage? Sie will Massengüter billig weithin befördern. Will die Regierung diesen Grundsatz nicht, so tut sie gut, die Vorlagẽ zurückfjuziehen. Denn noch ist Es Zeit. Ueber diese Frage erwarte ich beute noch keine Aeußerung. Aber um eins bitte ich schon heute den Minister: zu erwazen, ob es nicht richtig ist, die Holztarife über Berlin hinaus nach dem Westen auszudehnen. brofeffor Dr. Loening: Ic meine, der Neisende hat einen Rechtsanspruch darauf, den vom Schaffner ihm angewiesenen Platz zu bebelten bis zum Ende Ter Fahrt, auch wenn er in einer höheren Vlasse untergebracht ist, als die ist, für welche seine Fahrkarte lautet. Ich bitte den Herrn Minister, in Dieser Richtung Anweisung geben zu wollen. Ferner bitte ich, daß an den Statienslaternen der Name der Station angebracht wird, so daß der Reisende stets weiß, wo er ist.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Budde:
Wenn der Herr Geheimrat Loening gesagt hat, es wäre, seitdem er vor zwei Jahren die von ihm besprochene Angelegenheit angeregt hal, nichts geschehen, so muß ich dagegen protestieren. Ich habe zur Sache einen Erlaß herausgegeben und auch öfters revidieren lassen, daß er ausgeführt wird; es ist sehr viel in der Bezeichnung der Stationen geschehen; es ist auf vielen Bahnhöfen die Station leuchtend an den Laternen angebracht, soweit dies möglich oder zweck⸗ mäßig ist. Wenn ts hier auf der Stadtbahn nicht geschehen ist, so wird mir eben von dem Referenten, der die Stadtbahn zu bearbeiten hat, mitgeteilt, und ich kann dies aus eigener An⸗ schauung bestätigen, daß auf den Stadtbahnstationen 3 bis 4 mal der Name in sehr großen Lettern angebracht ist, und wer sich die Mühe gibt, ein klein wenig aufzupassen und sich nicht zu gut unterwegs unterhält, der wird über die Station nicht hinausfahren. (Heiterkeit.
Aber man soll nicht alles über einen Leisten schlagen; den Namen an den Laternen anzubringen, soll nicht zweckmäßig sein, weil die
——
ür Ärchirdirektoren keine Dienstwohnungen
Laternen nicht so mächtige Pẽfähle haben, daß an ihnen große Nang Platz haben. Ich glaube also, daß es nicht richtig ist, die Stationsbezeichm. überall gleichmäßig zu machen, sie muß nach den Bedürfnissen gema Ich kann also den Vorn nicht hinnehmen, daß nichts oder sehr wenig geschehe und in de, Ich habe bei verschieden Gelegenheiten selbst auf Reisen die Anregung gegeben, daß die Nan der Station in ausreichender Weise für das Publikum angebtn werden. Immerhin werde ich die Sache im Auge behalten und mm prüfen lassen, ob irgendwo Rückstände vorhanden sind. Daß wir) genau so machen sollen wie die Engländer, dazu habe ich keine M wir haben manches auf unseren Eisenbahnen, ng
und verständig ausgeführt werden.
Frage zu wenig Energie gezeigt wãre.
anlassung; sehr viel besser ist als in England. (Bravo )
Alsdann sind von dem Herrn Grafen von Mirbach eine Anh von Bemerkungen gemacht worden. Hinsichtlich seiner Auffassung nn der Rechtsfrage, wann einer erster oder jweiter Klasse zu fan Ich habe im anderen Hu — darauf ist ja auch Bezug genommen worden — mich darüber as
hat, stimme ich mit ihm überein.
gesprochen.
Ich kann Herrn Dr. Loening auch darin nicht folgen, daß n das Recht auf eine höhere Wagenklasse dadurch erreicht win daß ein Schaffner zufälligerwelse, wenn ich so sagen darf, Gutmütigkeit dem betreffenden Reisenden eine höhere Wagenklasse a gewiesen hat, als ihm nach seiner Fahrkarte zukam. Ich kann auch aus dem praktischen Leben etwas erwähnen. Es kommt in Beispiel vor, daß in einem D-Zuge die zweite Klasse vorübergel⸗ besetzt ist; dann hat der Reisende zweifellos keinen Anspruch g Mitfahrt. Wenn nun der Schaffner weiß, auf der nächsten Stat verlassen eine Anzahl Reisende die zweite Klasse, so wird er zu Reisenden sagen: bitte, wollen Sie vorläufig in der ersten Klasse Y nehmen, ich kann Ihnen erst nachher einen Platz in der zweiten ln anweisen. Ich glaube nicht, daß das eine Ungerechtigkeit gegen
betreffenden Reisenden wäre. (Zustimmung)
Aber ich kann Herrn Geheimrat Loening nicht darin folgen, n ich aun für alle solche Fälle Vorschriften herausgebe; das wür
bureaukratische Dienstvorschriften geben, die die Schaffner nicht ler
und befolgen könnten. Ein bißchen christliche Menschenliebe und bißchen Wohlwollen der Reisenden untereinander, — dann werden;
sich schon in den Eisenbahnzügen vertragen, und die Beamten wen ihre Schuldigkeit tun. (Beifall.) Wenn ich dagegen protestiere, daß ein Recht konstruiert wen
soll, daß einer in einer höheren Klasse fahren darf, als in der, die er nach seiner Fahrkarte einen Anspruch hat, so geschieht namentlich auch deshalb, weil ich das reisende Publikum nicht?
Willkür der Fahrbeamten preisgeben will; das kann ich auch Interesse der Unterbeamten nicht. daß die Rechtsfrage über die Benutzung der Wagenklassen de nichts verschoben werden darf.
Vielfach verlangt der Eisenbahnreisende von der Verwaltung eln Wir haben nun einmal verschiedeng
was niemand leisten kann. bildete Menschen, mit verschiedenem Geldbeutel, mit verschicder Bedürfnissen, mit verschiedenem Gesundheitsiustand; alle d Menschen kommen auf einem Bahnsteig zusammen und wollen kürzere oder längere Zeit in einem engen Raum, nämlich dem Eise bahnzuge, miteinander untergebracht werden. Dabei möchte sich m jeder so glücklich und so wohl fühlen, wie er es m Hau gewöhnt ist. Das kann kein Eisenbahnminister, das k niemand auf der ganzen Welt leisten. Es muß eben jeder, auf die Eisenbabn geht, von seinen Eigentümlichkeiten, von se⸗ Gewohnheiten einen Teil abwerfen, und nur wenn jeder das tas jeder sich sagt: der andere hat auch seine Rechte und Gewohnbehn die man bis zu einem gewissen Grade beräcksichtigen muß, damn ein erträglicher Zustand für das Zusammenreisen erreicht. Der! stand, daß wir verschieden gebildete Menschen mit verschiedenen! sprüchen haben, weist uns darauf hin, daß wir nicht nur eine K haben können, sondern daß es richtig ist, eine vierte und auchn erste Klasse zu haben, für welche verschieden bezahlt wird. E richtig) Wollten wir beute einführen, daß alle Menschen in an und demselben Gasihause und Restaurant verkehren sollen, so ne das allen Menschen unangenehm sein; ein jeder ist eben ehh anderes gewöhnt. So ist es auch im Eisenbahnzuge. Ich muß nc ablehnen, für alle Einzelfälle, die vorkommen können, Bestimmmn zu treffen.
Ich erkenne mit dem Freiherrn von Durant an, daß in den? ortszügen bisweilen Zustände herrschen, die höchst bedauerlich i Ich kann selbst sagen, daß ich manchmal nicht in der Lage get bin, einen Platz zu finden, und daß ich aus einm Abteil 15 bis 20 Menschen im Interesse eines andern heraus und im Packwagen stehenden Fußes nach Berlin f Eine Abhilfe kann im wesentlichen nur vom Publikum kon in dem sich jeder sagt: hier sind schon zu viele Menschen im M wet halb ich nicht mehr einsteigen darf. Würden mehr Wagen gestellt, so würden diese ebenso gestürmt werden. Das Publl weiß genau: die Staatseisenbahnverwaltung fährt so langt Grunewald, Potsdam und den an deren Vororten Züge zurũch⸗ Berlin, wie noch Menschen draußen sind. Es wird Nachmittar⸗ den Hauxtstationen die Zabl der Menschen festgestellt, die ins ĩ
fahten — was sich aus den abgenommenen Fahrt feststellen läßt — und dann werden die Züũge * disponiert, nötigenfalls bis tief in die Nacht hinein. Wer nich
einem überfüllten Abteil fahren will, muß eben auf den nãchster: warten. Das ist keine reine Freude — das gebe ich gem zu ich weiß nicht, wie es anders gemacht werden soll. Die Bab schaff ner versuchen wohl das Publikum zurückzuhalten, aber sie nn einfach überwältigt. Die Hauptabhilfe liegt beim Publikum sell Herr Graf von Mirbach hat mir erlassen, heute aun Bedeutung der Staffeltarife näher einzugehen. Ich * gern davon Gebrauch und eiwähne nur, daß die Seh sich in Untersuchung befinden; und wenn neue Antrãge auf Einfil der Staffeltarife kommen, wird die Staatseisenbahnverwaltun; vorgeschriebenen und bewährten Weg gehen, indem sie zunãcht Beyirkseisenbahnräten und dem Landeseisenbahnrat die Anttů⸗ Prüf ung zuweist. Dadurch erhält die Eisenbahnverwaltung Gulc
(Schluß in der Dritten Beilage.)
Ich muß also daran festhalt
zum Deutschen
9 77.
Dritte Beilage
Berlin, Donnerstag, den 30. März
Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger
1905.
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
öe die Interessen der Gesamtheit ins Auge fassen. An und für sich ss schon öfter von meinem Amtsvorgänger ausgesprochen worden, daß — Staffeltarife vom reinen Eisenbahnstandpunkt aus durchaus ver gindig sind, daß aber die verschiedenen Interessenten in den einzelnen Endetteilen sie nicht immer haben wollen. (Zuruf des Herrn Grafen von Mirbach ⸗Sorquitten: Aber Kanäle) Ich hoffe ja, daß wir recht bald zur Beurteilung der Kanäle kommen, vielleicht schon am Freitag, worauf mich schon ganz besonders freue. Wenn aber der Herr Graf von Mirbach der Königlichen Staatsregierung vorgeschlagen hat, die 7 sserstraßen vorlage wegen ihrer bisherigen Stellung zu den Eisen⸗ Kabnstaffeltarifen zurückzuziehen, dann bemerke ich, daß der Aubau es Wasserstraßennetzes, soweit der Vergleich mit den Staffeltarifen k Frage kommt, von der Staatsregierung bereits fallen gelassen ist, dem auf die Kanalstrecke Hannover — Elbe verzichtet wurde. Die Königliche Staatsregierung hat das Kanalprojekt Hannover = Eÿlbe aus- geschieden, weil es von weiten Kreisen im Osten als wirtschaftlich schidlich erachtet wurde, wie andererseits weite Kreise in der Mitte ud im Westen der Monarchie gewisse Eisenbahnstaffeltarife aus uirtschaftlichen Gründen nicht wünschen. Mit der Beschrãnkung auf die jetzt beantragten Wasserstraßen hat also die Staatsregierung ügentlich den Wunsch des Herrn Grafen von Mirbach auf Zurück⸗ ziehung der Kanalvorlage aus Anlaß der Frage der Eisenbahnstaffel⸗ narife bereits erfüllt. (Bravoh
Freiherr von Land sLberg erklärt, er wolle keine Staffeltarife.
Herr von . Man kann für oder gegen die Staffeltarife sein; aber onsequent muß jedes System durchgeführt sän. Äber sie bis Berlin zu bewilligen, darüber hinaus nicht, das ist keine Konsequenz. begebe mich nun zu den kleinen Bedůrfnissen des Lebeng. Da mochte ich bemerken, daß es auch nicht richtig ist, nenn man in der ersten Klasse sich durch Personen aus der zweiten
die Nachtruhe schmälern lassen, nnz ge frre her n leg dial ble den Herrn Mütter ten dez
der 1 Ühr 45 Min. Abends von Löwenberg nach Zehdenick fahrende Zug an den Stettiner Schnell jug Anschluß erhält.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Budde:
Der Herr Graf von Arnim hat mir vor einigen Tagen einen Zettel in die Hand gegeben, auf dem der Wunsch betreffs des Fahr⸗ plans bei Löwenberg aufgeschrieben war. Dieser Zettel befindet sich schon bei der Eisenbahndirektion Stettin zum Bericht. Wenn mir nun Herr Graf von Arnim den zwelten Wunsch auch aufgeschrieben hätte, würde ich diesen auch bereits geprüft haben; da ich aber nicht weiß, was im ‚Lokalanzeiger' gestanden hat, so kann ich jetzt nicht antworten, wie sich diese Angelegenheit verhält. Ich will aber dem Herrn Grafen gern eiae sofortige Prüfung der Angelegenheit 1. Soetb t, ob beabsichtigt ist, di
ü ; eer fragt, ob bea igt ist, die K * ** zweiten . zu 33 wüͤnscht ere Verbindung Glogaus mit dem Riesengebirge sowie Ver⸗ kerungen des Bahnhofs Glogau und Lösung Niederschlesiens vom
rektionsbezirk Posen. 6 6 . Schulen burg-⸗ Tram pembittet um Aende⸗
d deverbältnisse auf dem Bahnhof Biesenthal. ö
* . ; n Mir ö. ch; Haben die Kanäle den Zweck, Massengũter killig zu befördern, oder nicht? Wenn ja, so sind sie ein Analogon u den Staffeltarifen. Der Redner tritt nochmals für die Holzstaffel⸗
tarife ein. ; . wi e irn erme ier Dr. Bender⸗Breslau wünscht eine bessere
Verbindung von Breslau nach dem Riesengebirge und Böhmen sowie nach Polen.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Budde:
Ich möchte auf die einzelnen lokalen Wünsche hier nicht ein⸗ gehender antworten, um die Diskussion nicht zu verlängern.
Ich beschränke mich darauf, zu bemerken, daß ich die vorgetragenen Wänsche im einzelnen prüfen werde. Den Herrn Oberbũrgermeister Bender bitte ich, sich wegen der russischen Bahn mit mir unterhalten zu wollen, da ich es nicht für nützlich halte, diese schwierige Frage hier von der Tribüne in dem Stadium, in dem sie sich befindet, zu erörtern. Ich habe mich aber im Verkehrsinteresse der beiden befreundeten Nachbarstaaten gefreut, daß es gelungen ist, zwei neue Anschlüsse zwischen preußischen und russischen Bahnen zu erreichen: den schon erwähnten Anschluß von Lodt =Kalisch und dann den An⸗ schlüß bei Heiby. Ich hoffe, daß die Breslau ⸗Warschauer Bahn nun auch endlich das Ziel ihres Namens erreichen wird. Im übrigen haben wir ja erst im Vorjahre die Bahn verstaatlicht, und bis heute ließ sich der Anschluß an das russische Bahnnetz noch nicht erreichen.
Ich möchte mir nun noch erlauben, auf einen Punkt m kommen, der in den letzten Tagen in der Presse Aufsehen erregt hat. Das ist die Veruntreuung von
Altmaterial, die in dem jetzt abgeschlossenen Prozeß in Götlitz zur Sprache gekommen ist. Es könnte aus den fetten Neberschriften, die ich in der Presse über diesen Prozeß gefunden habe, der Schluß ge⸗ folgert werden, als ob das Korps der vreußischen Eisenbahnbeamten zu einem allgemeinen Mißtrauen Veranlassung gebe und daß die Ver⸗ untreuungen in der Werkstätte zu Lauban, die ich bedaure, an vielen Orten vorkamen.
Vor etwa Jahresfrist hatte ich Veranlassung zu dem Verdacht, daß Altmaterial veruntreut würde, und ich entsandte einen der tüch- tigsten Geheimrevisoren aus dem Ministerium, um eine eingehende Untersuchung über den Fall anzustellen. Ich bin des halb in der glück ⸗ lichen Lage, mitzuteilen, daß es durch das Eingreifen der Zentralstelle in Verbindung mit der zuständigen Eisenbahndirektion gelungen ist, die Unterschleife zu entdecken. Im ganzen sind im Jahre 1900 nach den Feststellungen, die gemacht sind, in der Werkstãtte Lauban 28 Wagen⸗ ladungen befördert worden, für die ein Entgelt von dem be⸗ treffenden Empfänger nicht gezahlt worden ist. Im Jahre 1901 waren es 20 Wagenladungen, im Jahre 18065 7 Wagen ladungen, im ganzen also hö mit Alteisen beladene Wagen, im Werte von etwa z36 0g0 A Ferner sind in dem gleichen Zeitraume 13 Soꝛ xg Abfälle wertvollen Materials peruntreut worden, Fupfer, Rot · guß und dergleichen, im Werte von 11 500 Alle diese Sendungen sind
an eine Firma Nathan Friedeberg in Breslau gegangen. (Hört! hört h Der eine Teilhaber diefer Firma ist jener Victor Friedeberg, der in dem Prozesse, der sich in Görlitz abgespielt hat, Angeklagter war. Der Prozeß soll eben zum Abschlusse gekommen sein, nach den Zeitungsberichten — ich habe darüber noch keine amtliche Nachricht. Der Angeklagte Friedeberg soll nach den Zeitungen seine Schuld ein⸗ gestanden haben und auch verurteilt worden sein. Von seiten der Eisenbabnverwaltung waren in dem Proesse noch mit an⸗ geklagt vier Beamte und vier Arbeiter, von denen einige ja auch verurteilt worden sein sollen. Es ist das ein sehr bedauerlicher Vorfall, der mir Veranlassung gegeben hat, alle übrigen Eisenbahnverwaltungen teils von der Zentrale, teils von den Eisen⸗ bahndirektionen untersuchen zu lassen, ob auch sonst irgendwo Ver⸗ untreuungen vorgekommen sind. Die Untersuchung hatte das Er⸗ gebnis, daß zwei Bahnmeister belastet sind mit dem Vorwurf, alte Schienen an einen Direktor in Danzig verkauft zu haben. Sie behaupten, daß diese Schienen ihnen von Privaten zum Verkaufe überwiesen wären und daß die Altschienen herrührten von privaten Anschlußgleisen. Jedenfalls haben die Bahnmeister solche Geschäfte nicht zu übernehmen. (Sehr richtig) Die Sache ist von der Eisenbahnverwaltung dem zuständigen Staatsanwalte übergeben worden. Sonstige Veruntreuungen oder Unredlichkeiten sind nicht festgestellt worden.
Es ist den Herren ja auch wohl bekannt, daß verschiedentlich daruber geklagt worden ist, daß die Materialienverwalter seitens der Staatseisenbahnverwaltung zu oft versetzt würden. Die Verwaltung hat auf die Klagen, die namentlich im Abgeordnetenhause gelegentlich erhoben werden, nicht gehört, sondern sie hält daran fest, daß die Materialienverwalter nicht zu lange an einem Orte bleiben (sehr richtig), vielmehr von Zeit zu Zeit versetzt werden, damit die Beziehungen, die sich unter Umständen angeknüpft haben könnten, gestört werden. (Sehr gut h Meine Herren, ich hoffe — und ich spreche das von dieser Tribüne an die Beamten der Staatseisen⸗ bahnverwaltung aus — daß weitere räudige Schafe“ sich in der preußischen Staatseisenbahnverwaltung nicht finden, sondern ich er⸗ warte von den Staatseisenbahnbeamten, daß sie den alten lauteren Ruf der preußischen Beamten wahren und sich nicht durch Bestechungen von ihrem rechten Wege abbringen lassen. (Bravo) Auf das schãrfste möchte ich aber diejenigen Leute verurteilen — und, wenn es richtig sein sollte, daß der Angeklagte Friedeberg schuldig ist, speziell diesen Mann. Er soll sich in günstiger Vermögenslage befinden und hat sich nicht geschämt, Beamte unglücklich zu machen, für das ganze Leben unglůcklich zu machen, durch Bestechungen, die er vorgenommen hat und wodurch die Leute zu den Veruntreuungen veranlaßt wurden. (Sehr richtig h Dies ist umso bedauerlicher, als die Firma Nathan Friedeberg mit zu den Gesellschaftern der Eisenhandelsgesellschaft in Berlin gehört, die von den oberschlesischen Stahlwerken begründet worden ist (hört! hört, um Altmaterial namentlich auch von der Eisenbahnverwaltung einzukaufen. Diese Eisenhandelsgesellschaft hat mir schon mehr Sorge bereitet, indem sie eine Monopolisterung dieses Handels be⸗ wirkt und die übrigen Althändler im wesentlichen ausschließt. Die oberschlesischen Werke haben sich, soweit mir bekannt, verpflichtet, lediglich von dieser Eisenhandelsgesellschaft zu kaufen, deren Gesell⸗ schafter auch der Herr Nathan Friedeberg ist. Wenn der Herr Nathan Friedeberg für seine Person nun dazu übergeht, daß er Beamte be⸗ sticht, um Altmaterial von der Eisenbahnverwaltung umsonst zu beziehen, so ist das eine überaus bedauerliche Tatsache, die sehr zu denken gibt. Ich hoffe, daß die großen Firmen, mit denen wir zu tun haben, auch solche rãudigen Schafe aussondern werden, damit die Staatseisen⸗ bahnverwaltung nicht nötig hat, mit derartigen Persönlichkeiten zu arbeiten. (Lebhaftes Bravo!) Durch Monopolisierung des Alt⸗ materialgeschäfts werden die Alteisenpreise natürlich gedrückt und die Einnahmen der Staatseisenbahnverwaltung aus dem Alteisenverkaufe wesentlich vermindert, zum Schaden des Staats. Ich gehe mit dem Gedanken um, möglichst mit den großen Werken direkt zu verkehren, von denen ich die Schienen und Schwellen beziehe, um dann durch ein direktes Verhältnis derartigen Veruntreuungen vorzubeugen. (Bravo h)
Ich hielt mich für verpflichtet, diese Sache von dieser Stelle aus zu berühren, da dies die erste Gelegenheit für mich ist, im Parlament im Interesse der Beamten zu betonen, daß im allgemeinen solche Ver⸗ untreuungen in der großen Verwaltung gottlob bis jetzt nicht vor⸗ gekommen sind. (Bravo h
Meine Herren, ich möchte nun zum Schluß noch ein paar Worte über den Etatsabschluß des Jahres 1904 sagen, der ja in wenigen Tagen vor der Tůr steht. Wie den Herren bekannt ist, haben sich die Einnahmen der Staatgzeisenbahnverwaltung und deshalb auch die Ueberschüsse in den letzten Jahren wesentlich verbessert. Nach dem Rückgange der Ein. nahmen im Jahre 1901 von 1392, Millionen auf 1353, Millionen stiegen die Einnahmen im Jahre 1902 wieder auf 1400,6 Millionen und im Jahre 1903 sogar auf 1519, Millionen. Es werden in den nächsten Tagen jehn Jahre, seitdem die große Neuorganisation der Eisenbahnverwaltung durch meinen hochverehrten Herrn Amts—⸗ vorgänger ins Leben gerufen worden ist. Damals, also im Etats⸗ jahre 1894/95, betrugen die Betriebseinnahmen nur 966,9 Millionen, und im folgenden Jahre 189586 überstiegen die Einnahmen zum ersten Mal eine Milliarde. In diesem Dezennium haben sich die Betriebseinnahmen der Staatseisenbahnverwaltung um mehr als bo o/ erhöht. Das laufende Jahr setzte diese Entwicklung zunächst in der glücklichsten Weise fort. Bielang war es möglich, die Einnahmen des laufenden Jahres auf 1688 Millionen Mark zu schätzen. Das war wiederum eine Vermehrung der Einnahmen um etwa 68 Millionen Mack gegenüber dem Etat jahr 1903; es würden die Einnahmen noch um 12 bis 13 Millionen Mark höher sein, wenn der Streik der Bergarbeiter nicht ausgebrochen wäre und die Interessen des Staats in so gewaltiger Weise geschädigt hätte. Die Staatseisenbahnverwaltung hat natürlich auch darunter in ver schiedener Hinsicht gelitten, indem Transporte ausgefallen sind, große
Einnahmen ausfielen und die Ausgaben sich außerordentlich vermehrt haben bei dem stoßweise schwankenden Betriebe. Außerdem hat uns die Beschaffung der Dienstkohle erheblich mehr gekostet, indem wir sogar dazu übergehen mußten, etwa 160 000 Tons englische Kohle zu beziehen, was ich nur sehr ungern getan habe, aber tun mußte, damit die Allgemeinheit nicht unter Umständen noch mehr durch den Streik zu leiden gehabt hätte. Es ist ja möglich, daß diese Ausfälle sich in den nächsten Monaten noch etwas ausgleichen werden, aber in diesem Etatsjahre werden sie doch belastend bleiben. Esentstehen dann der Staats⸗ eisenbahnverwaltung in neuerer Zeit enhebliche Ausgaben dadurch, daß die Verbesserungen im Zugverkehr ja vorschußweise geleistet werden wüssen. Im vorigen Jahre sind für etwa? Millionen Mark Zug⸗ kosten mehr aufgewendet worden, und im Etats jahr 1905 beabsichtige ich, etwa 6 Millionen Mark Zugkosten mehr aufzuwenden. Diesen Kosten steht nicht unmittelbar die Gegeneinnahme gegenüber, sondern die kommt erst später, wenn der Verkehr sich weiter ent wickelt hat. Außerdem habe ich für meine Pflicht gehalten, in denjenigen Gegenden, in denen sich hauptsächlich Nebenbahnen befinden, mit einer Beschleunigung der Züge vorzugehen. Diese wird dadurch erreicht, daß zum Teil der Güterverkehr von dem Fernverkehr getrennt wird, daß also nicht alle Züge auf den Nebenbahnen als ge⸗ mischte Züge verkehren, wodurch natürlich die Fahrpläne ungünstig beeinflußt werden.
Eine zweite Maßnahme ist die, daß ich von der Ermächtigung Gebrauch mache, welche die neue Betriebsordnung gibt, die am 1. Mai eingeführt wird, wonach wir unter gewissen Voraussetzungen auch auf Nebenbahnen mit 50 km Grundgeschwindigkeit fahren dürsen. Ich glaube, daß dadurch manche Klagen beseitigt werden und wir davon absehen können, eine Anzahl von Nebenbahnen in Hauptbahnen umzubauen, was unendlich viel Kosten verursachen würde, wie z. B.
die Linie von Königsberg nach Allenstein, über deren lang⸗ samen Zugverkehr mehrfach geklagt worden ist. Alle solche Verbesserungen im Zugverkehr kosten aber Geld, Geld und nochmals Geld. Gheiterkeit.) Nachdem der Streik
beendet ist, hat sich der Verkehr im allgemeinen wieder in günstige Bahnen gelenkt. Die Wagengestellung ist eine bessere geworden, hat sich aber nicht so entwickelt, wie wir vermutet hatten; nur in Ober⸗ schlesien sind die Verhältnisse wesentlich günstiger als im Vorjahre. Dort beträgt die Gestellung der offenen Wagen vom 1. bis 27. März 10,8 / mehr als im Vorjahre, während im Ruhrrevier nur eine Steigerung von 1,200 vorhanden ist. Ursprünglich war die Steigerung in den gedeckten Güterwagen eine ziemlich gute im Monat März, namentlich weil die Landwirtschaft plötzlich sehr viel Düngemittel zu befördern hat. Es sind denn auch eine Anzahl von Klagen über Wagenmangel entstanden. Meine Herren, ich möchte an dieser Stelle es nicht unterlassen, die Herren von der Landwirtschaft zu bitten, daß sie, wenn irgend möglich, etwas voraus disponieren; es ist für die Staatseisenbahnverwaltung ganz unmöglich, sämtliche Wagen recht ⸗ zeitig zu stellen, wenn die ganze Landwirtschaft an einem Tage oder an wenigen Tagen Wagen für Düngemittel bestellt, sogar zu be⸗ stimmten Stunden. Die Staatsbahnverwaltung wird tun und hat getan, was sie kann; sie hält es für ihre höchste Auf⸗ gabe, alle Bedürfnisse nach Möglichkeit zu befriedigen; aber, meine Herren, hexen kann sie auch nicht, sie ist nicht in der Lage, Wagen an entfernte Punkte zu schicken, wenn die Anforderungen so plötzlich zusammen kommen.
Den Ueberschuß, der trotz des Streiks voraussichtlich gegen das Vorjahr zu erwarten ist, hatte ich im anderen Hause auf 27,6 Millionen Mark über den Etatsansatz angegeben. Nach den letzten Rapporten über die Wagengestellung im März kann der Ueberschuß noch um einige Millionen Mark höher werden. Die Finanzergebnisse für den März gehen erst am 165. April hier ein, und die ge— samte Verrechnung zieht sich bis in den Frühsommer hinein, so daß ich eine bestimmte Ziffer nicht angeben kann. Jedenfalls sind wir aber in der glücklichen Lage, daß wir auf das Etats jahr 1904 mit Genugtuung zurücksehen können, indem die Staatsbahnverwaltung jedenfalls mehr abliefern wird, als der Etat von ihr fordert. Die Staatgbahnverwaltung ist durch die Entwicklung, die sie bekommen hat, ein wesentlicher, vielleicht der wesentlichste Faktor im gesamten Haushalt des preußischen Staates geworden, denn in dem vorliegenden Etat sind nicht weniger als 206,ů? Millionen für andere Ressorts aus dem Säckel der Eisenbahnverwaltung abgegeben, das sind 20 Millionen mehr als die gesamte Einkommensteuer, deren Ergebnis auf 187 Mill. Mark geschätzt ist. Meine Herren, ich glaube, wir haben alle Ursache, die Staatßeisenbahnverwaltung in der bisherigen Weise nach jeder Richtung fortzuentwickeln, sodaß sie das Erwerbsleben bedient, die Verkehrsbedürfnisse erfüllt, und daß sie auch der ganzen Staats finanz. verwaltung das Rückgrat gibt, welches sie nach der historischen Ent⸗ wicklung der preußischen Staatseisenbahnen tatsächlich darstellt. (Lebhafter Beifall.)
err Dr. Wach ler: Die QOberschlesische Eisenhandelsgesellschaft hat keinen Anteil an den Schändlichkeiten der Firma rige eig
Ferner muß ich bemerken, daß sie kein Monopol anstrebt. Sie i eine Einkaufsgenoffenschaft wie andere auch.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Bu dde:
Ich will gern konstatieren — und das amtliche Stenogramm meiner Rede wird es nachweisen —, daß es mir gänzlich fern gelegen hat, anzunehmen, daß die Eisenhandelsgesellschaft in Berlin mit Herrn Friedeberg bezüglich seiner Unterschleife in irgend welcher Beziehung gestanden hat. Ich bin auch überzeugt, daß es der Eisenhandelsgesell schaft selbst sehr unangenehm ist, daß ihr Gesellschafter derartige Ver untreuungen gemacht hat. Ich habe seine Beteiligung bei der Eisen⸗ gesellschaft hauptsãchlich deshalb angeführt, weil es bei diesen ge—⸗ schäftlichen Beziehungen des Friedeberg um so unbegreiflicher und verwerflicher ist, daß er durch Bestechung von Beamten Ver— untreuungen zum persönlichen Vorteil ausgeführt hat.
Ein weiterer Grund, weshalb ich auf die geschäftlichen Verhaͤltnisse
des Friedeberg eingegangen bin, ist der, daß dieser ein vermögender