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ausgabten Baukapitals mit den für die vorbezeichneten Ab⸗ schnitte vorgesehenen Sätzen nicht ausreichen.
Bei Berechnung der aufgewendeten Betriebs- und Unter⸗ haltungskosten gelangt ein bisher zur de, e,, der freien Flußstrecke verausgabter Betrag von einhundertneunzigtausend (190 900) Mark zur Absetzung.
Der 6 der Beendigung der Kanalisierungsarbeiten wird von dem zuständigen Minister festgestellt. U bersteigen die laufenden Einnahmen in einem Rechnungs⸗ jahre die um 190 000 16 gekürzten Betriebs- und Unterhaltungs⸗ kosten der zu kanalisierenden Flußstrecke einschließlich des Großschiffahrtweges bei Breslau und die zur Verzinfung und Abschreibung des für die Kanalisierung verausgabten Bau⸗ kapitals mit 3 / vom Hundert erforderlichen Beträge, so ist der Ueberschuß zu verwenden:
zunächst zur weiteren Abschreibung des Baukapitals für die Kanalisierung,
sodann zur Verzinsung mit 3 vom Hundert des für die Erbauung des Großschiffahrtweges bei Breslau und der Schleusenanlagen bei Brieg und Ohlau verwendeten Bau⸗ kapitals von sechs Millionen fünfhunderttausend (6500 000) Mark und zu dessen Tilgung,
sodann nach vollendeter Abschreibung beider Kapitalien zur Zurückzahlung der vom Staate und den beteiligten Verbänden in früheren Jahren seit der Beendigung der Kanalisierungsarbeiten geleisteten Zubußen, einschließlich der Ausfälle an der Verzinsung des vorbezeichneten Kapitals von . 6, nach dem Verhältnis des beiderseitigen Gut⸗
abens,
darnach zur Erstattung der vom Staat verausgabten Bau⸗ zinsen und .
schließlich zur Erstattung der von den letzteren sowie von den Zubußen des Staats und der Verbände mit 3 vom Hundert zu berechnenden Zinsen nach dem Verhältnis der beiderseitigen Zinsbeträge.
8§ 6.
Wenn und soweit durch die Inbetriebnahme des Groß—
schiffahrtweges Berlin — Stettin die Wettbewerbsverhältnisse der
schlesischen Montanindustrie, insbesondere für Steinkohlen und Eisen, trotz der für die Oder vorgesehenen und bis dahin ausgeführten Verbesserungen gegenüber anderen (in- und aus— ländischen) Montanerzeugnissen ungünstig verschoben werden, sind alsbald diejenigen weiteren Maßnahmen zu treffen, welche geeignet sind, die vorher vorhanden gewesene Frachtenspannung in dem Schnittpunkt Berlin zwischen den schlesischen Revieren einerseits und den konkurrierenden Revieren (für England ab Stettin gerechnet) andererseits . zu erhalten.
Die Erlöse aus der Wiederveräußerung von Grundstücken, die über den dauerden Bedarf hinaus für Bauzwecke erworben werden, sind den Baufonds, solange diese noch offen sind, wieder zuzuführen 6 20 des Gesetzes, betr. den Staatshaus⸗ halt vom 11. Mai 1898, Gesetzsamml. S. 77), nach Schließung derselben aber von den aufgewendeten Baukapitalien abzu— schreiben.
588
Die Beträge, welche von den beteiligten Verbänden auf Grund der vorbezeichneten Verpflichtungen der Staatskasse oder jenen von dieser zu erstatten sind, werden für jedes Rechnungsjahr nach Anhörung von Vertretern der Verbände von dem zuständigen Minister und dem Finanzminister end⸗ gültig festgestellt.
859.
Bei der Aufbringung und Unterverteilung der aus diesen Verpflichtungen den Proyinzen, Kreisen ünd Gemeinden erwachsenden Lasten finden die gesetzlichen Vorschriften über die Mehr- und Minderbelastung einzelner Kreise und Kreis—⸗ teile sowie der 55 9 und 20 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 . S. 152) Anwendung.
91
Der Finanzminister wiro ermächtigt, zur Deckung der im FI erwähnten, jedoch um den nach 82 A2 Absatz 4 zu leistenden Beitrag Bremens verminderten Kosten im Wege der Anleihe eine entsprechende Anzahl von Staatsschuld⸗ verschreibungen auszugeben.
An Stelle der Schuldverschreibungen können vorüber— gehend Schatzanweisungen ausgegeben werden. Der Fälligkeits⸗ termin ist in den Schatzanweisungen anzugeben. Der Finanz—
minister wird ermächtigt, die Mittel zur Einlösung dieser
Schatzanweisungen durch Ausgabe von neuen Schatzanweisungen und von Schuldverschreibungen in dem erforderlichen Nenn— betrage zu beschaffen.
Die Schatzanweisungen können wiederholt ausgegeben werden. Schatzanweisungen oder Schuldverschreibungen, die zur Einlösung von fällig werdenden Schatzanweisungen be— stimmt sind, hat die Hauptverwaltung der Staatsschulden auf Anordnung des Finanzministers vierzehn Tage vor dem Fällig— keitstermine zur Verfügung zu halten. Die Verzinsung der neuen Schuldpapiere darf nicht vor dem Zeitpunkte beginnen, mit dem die Verzinsung der einzulösenden Schatzanweisungen aufhört.
Wann, durch welche Stelle und in welchen Beträgen, zu welchem Zinsfuße, zu welchen Bedingungen der Kündigung und zu welchen Kursen die Schatzanweisungen und die Schuld— verschreibungen verausgabt werden sollen, bestimmt der Finanz— minister.
Im übrigen kommen wegen Verwaltung und Tilgung der Anleihe sowie wegen Verjährung der Zinsen die Vorschriften des Gesetzes vom 19. Dezember 1869 (Hesetzlamml. S. i197), des Gesetzes vom 8. März 1877 (Gesetzsamml. S. 143) und des Gesetzes vom 3. Mai 1905 (Gesetzsamml. S. 155) zur Anwendung.
II.
In Verbindung mit den in diesem Gesetze vorgesehenen Unternehmungen ist eine Verbesserung der Landeskultur— verhältnisse nach Möglichkeit herbeizuführen.
Bei der Aufstellung, Ausarbeitung und Ausführung der Pläne haben die Organe der e r hf icht Verwaltung mitzuwirken.
Bei der Entscheidung über Beschwerden im Planfest⸗ stellungs verfahren (95 22 des Gesetzes über die Enteignung von Grundeigentum vom 11. Juni 1874, 8 13 dieses Gesetzes) ist der Minister für Landwirischaft, Domänen und e e. zu⸗ zuziehen, sofern . in Betracht kommen.
§8 12.
Dem Staate liegt bei Durchführung der in diesem 6. vorgesehenen Unternehmungen die , ,. derjenigen An⸗ lagen ob, die für die benachbarten Grundstücke oder im öffent⸗ lichen Interesse zur Sicherung . Gefahren und Nachteile notwendig sind, ingleichen die Unterhaltung dieser Anlagen, soweit sie über den Umfang der bestehenden Verpflichtungen
zu machen.
ur Unterhaltung vorhandener, demselhen Zwecke dienender nlagen hinausgeht.
Wo die Herstellung der Anlagen zur Sicherung der be⸗ nachbarten Grundstücke gegen Gefahren und Nachteile mit der Ausführung des Bauplanes nicht vereinbar oder wirtschaftlich nicht gerechtfertigt erscheint, ist Schadenersatz zu gewähren. Hat der Grundeigentümer nicht bereits nach geltendem Recht einen Anspruch auf Entschädigung, so ist der Schaden insoweit zu ersetzen, als die Billigkeit nach den Umständen eine Schadloshaltung erfordert. 81s
Soweit nicht eine Planfestsetzung im Enteignungsverfahren stattfindet, erfolgt die Feststellung der Verpflichtungen des Staats nach folgenden Bestimmungen:
Ein Auszug aus dem von dem zuständigen Minister ge⸗ nehmigten Bauplan, aus dem die gemäß 8 12 herzustellenden Anlagen zu ersehen sind, ist in jedem Gemeinde⸗ oder Guts—⸗ bezirk während zwei Wochen zu jedermanns Einsicht offen⸗ . Während dieser Zeit kann jeder Beteiligte Einwen⸗
ungen gegen den Plan erheben. Zeit und Ort der Offen⸗ legung sowie die Stelle, bei welcher solche Einwendungen in bezug auf die herzustellenden Anlagen schriftlich oder muͤndlich zu Protokoll erhoben werden können, ist durch das Kreisblatt und in ortsüblicher Weise bekannt zu machen. Auch der Gemeinde⸗ oder Gutsvorstand hat das Recht, Ein⸗ wendungen zu erheben. Nach Ablauf der Frist sind die Einwendungen durch einen Beauftragten des Regierungs— präsidenten mit den Beteiligten und der Bauverwaltung, nötigenfalls unter Zuziehung von Sachverständigen, zu er⸗ örtern. Nach Abschluß der Erörterung erfolgt die Feststellung der dem Staate obliegenden Verpflichtungen durch den Be— zirksausschuß. ; .
Gegen den Beschluß steht, soweit es sich um die Höhe der Entschädigung handelt, binnen neunzig Tagen der Rechtsweg, im übrigen binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Mi⸗ nister der öffentlichen Arbeiten zu. Die Frist für die Be⸗ schreitung des Rechtsweges läuft, sofern Beschwerde an den Minister der öffentlichen Arbeiten eingelegt ist, von der Zu⸗ stellung der Entscheidung auf diese Beschwerde.
Sofern mit der Bauausführung eine besondere Behörde betraut ist, steht auch dieser die Beschwerde zu; ihr ist der Be⸗
schluß zuzustellen. chluß zuz .
8
Wegen solcher nachteiliger Folgen, welche erst nach der Erörterung vor dem Beauftragten des Regierungspräsidenten erkennbar werden, steht dem Entschädigungsberechtigten ein An⸗ spruch auf Errichtung von Anlagen oder Schadenersatz (5 12) bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Ausführung des Teils der Anlage zu, durch welchen er benachteiligt wird. Die . der Verpflichtung des Staats erfolgt sinn⸗ gemäß nach den im S 13 . Vorschriften.
Fehlt einem Grundstück der Anschluß an den Kanal vom Rhein zur Weser, an den Anschluß nach Hannover, an den Lippe⸗Kanal oder an einen der Zweigkanäle oder Häfen dieser Schiffahrtstraßen und erscheint die Herstellung des An— schlusses aus Gründen des öffentlichen Wohles, ins⸗ besondere im Interesse der Förderung des Kanalverkehrs, geboten, so bedarf es für die Ausführung des An⸗ schlusses zur Enteignung einer Königlichen Verordnung nicht, vorausgesetzt, daß nicht der Eigentümer zur Abtretung des mit Gebäuden besetzten Grund und Bodens und der damit in Verbindung stehenden, eingefriedigten Hofräume gegen seinen Willen angehalten werden soll. Die Zulässigkeit der Ent—⸗ eignung wird von dem . ausgesprochen.
7.
Dem Staate kann an dem Kanale vom Rhein zur Weser, an dem Anschlusse nach Hannover, an dem Lippe⸗Kanal oder an einem der . und Häfen dieser Schiffahrtstraßen durch Königliche Verordnung das Recht zur Enteignung solcher Grund⸗ stücke verliehen werden, deren Erwerb zur Erreichung der mit dem Unternehmen in Verbindung stehenden, auf das öffentliche Wohl gerichteten staatlichen Zwecke erforderlich ist. Von dem Enteignungsrecht ist spätestens bis zum 1. Juli 1909 Gebrauch Auch darf es zu beiden Seiten des Kanals nicht über eine Linie hinaus ausgedehnt werden, welche sich in der Entfernung von 1 km von n , hinzieht.
Zur Durchführung der in diesem Gesetze beschlossenen Ar—
beiten wild neben dem aus den Garantieverbänden zu bildenden
Beirat ein aus Kommissarien der Regierung und Vertretern der verschiedenen in Betracht kommenden Interessenten be⸗ stehenden Wasserstraßenbeirat gebildet.
Der Vorsitzende und sein Stellvertreter werden vom König ernannt.
Das Nähere wird nurch e n he Verordnung geregelt.
Auf dem Kanale vom Rhein zur Weser, auf dem An⸗ schlusse nach Hannover, auf dem Lippe⸗Kanal und auf den Zweigkanälen dieser Schiffahrtstraßen ist einheitlicher staat⸗ licher Schleppbetrieb einzurichten. Privaten ist auf diesen Schiffahrtstraßen die mechanische Schlepperei untersagt. Zum Befahren dieser Schiffahrtstraßen durch Schiffe mit eigener Kraft bedarf es besonderer Genehmigung.
Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung des Schleppmonopols und die Bewilligung der erforderlichen Geld⸗ mittel werden einem besonderen , vorbehalten.
1
Auf den im Interesse der Schiffahrt regulierten Flüssen sind Schiffahrtabgahen zu erheben.
Die Abgaben sind so zu bemessen, daß ihr Ertrag eine angemessene Verzinsung und Tilgung derjenigen Aufwendungen ermöglicht, die der Siaat zur Verbesserung oder Vertiefung jedes dieser Flüsse über das natürliche Maß hinaus im Interesse der Schiffahrt gemacht hat.
Die Erhebung dieser Abgaben hat spätestens mit Inbetrieb⸗ setzung des Rhein —Weser⸗Kanals oder eines Teiles desselben zu beginnen.
. 8 * Die Ausführung dieses Gesetzes erfolgt durch die zu⸗ , 6 un rkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen 2 3 3 Gegeben Gibraltar, den 1. April 1905. L. 8) . wilhelm R.
Graf von Bülow,. Schönstedt. Graf von Posadowsky. von Tirpitz. Studt. Freiherr o on Rheinbaben. van Podbielski. Möller. von Budde. von Einem. Freiherr von Richthofen. von Bethmann-Hollweg.
180. Sitzung vom 6. April 1905, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) .
Auf der Tagesordnung steht die zweite Berat Nachtrags zum Reer ch , fa lla lie fin für eng ö
Ueber den Anfang der Sitzung wurde in d Nummer d. Bl. berichtet. king er gestrigen
han 36 V ob und ich weiß
besitz ebenso
Derr Ledebon,
sen Krieg weggeworfen
Abg. Freiherr von Richthofen Damsdorf C. kon ): Herr Ledebour hat sich hier als Dozent des Vol kerrht aufgespielt. Ich muß entschieden dagegen Protest erheben, Ml ob irgendwie das Völkerrecht hier Platz greift. Um ein Völker, recht kann es sich doch nur handeln, wenn Stagten gegen Staaten kämpfen. Im vorliegenden Falle hat ein Aufstand stan. gefunden, und bei Aufständen hat die Staatshoheit zu bestimmen. wie die Sache zu regulieren ist. Ein Krieg im voölkerrechtlichen Sinns hat hier gar nicht stattgefunden. Vom kaufmännischen Standpunkte betrachtet, haben wir es allerdings hier mit keinem günstigen Refultate zu tun, aber wir glauben, daß eine derartige kaufmäͤnnische Rechnung hier überhaupt nicht aufgemacht werden soll und darf. Es handelt. sich darum, den durch Aufruhr geschädigten deutschen Ansiedlern Re- vanche zu schaffen. Auf die Landfrage gehe ich nicht weiter ein. Recht lich hat darüber das Deutsche Reich zu besinden, praktisch könnte ez sich darum handeln, in welcher Weise Reseroate gebildet werden sollen. Besitzlos sollen ia die Leute für die Zukunft nicht werden.
Abg. Ledebour (Soz.): Herr Arendt uübersieht doch ganz die Ursachen, welche die Herero zum Aufstand getrieben haben. Wo bleiben die Grundsätze der Gerechtigkeit? Mit solchen Anschauungen kann man die barbarischste Behandlung Aufständischer rechtfertigen. Wir stehen solchen Anschauungen diametral gegenüber. Man hat die Leute aufs unerhörteste drangsaliert, ihnen alle Rechte genommen; da ist nicht? wahrscheinlicher, als daß der Aufstand immer von neuem aufflammt. Auf keiner größeren . stehen die Auffassungen des Herrn hon „Richthofen, der das Völkerrecht hier für nicht anwendbar erklärt. An den amerikanischen Sezessionskrieg hat er dabei wohl nicht gedacht, nach dessen Beendigung man mit ausgesuchter Milde verfuhr, um die schlimme Nachwirkung des Kampfes möglichst rasch auszutilgen. Von den großen materiellen Vorteilen, die man dem deutschen Volke aus der Kolonie vorredet, kann in Wirklichkeit gar nicht die Rede sein, sondern lediglich vom Gegenteil. Die Besitzergreifung Südwestafrikas hat sich als ein Unglück für Deutschland erwiesen.
Abg. Latt mann (wirtsch. Vgg): Herr Ledebour hat die große Bedeutung Südwestafrikas als Bergbauland ganz außer Augen gelaffen. Wenn er dann von barbarischen Drangsalierungen spricht, so wird er nirgend in der Kolonialpresse einen so verrückten extremen Standpunkt als berechtigt vertreten finden. Und sind nicht die barbarischen Mißhandlungen der Pariser Kommune viel schlimmer gewesen? Und werhalb macht man nicht die entsprechenden Rechnungen auf für die enormen Ausgaben, die andere Staaten für Kolonieen hingegeben haben? Wieviel Hunderte von Millionen opfert England jetzt nich für Transpaal! Eine Fülle von Aeußerungen von Kennern diest Gebietes läßt sich für die aussichts reiche Zukunft Südwestafrikas an. führen. Nachdem wir einmal in die Weltpolitik eingetreten sind, können wir den Schritt nicht mehr zurück machen; diese Forderungen können nur abgelehnt werden von einer Partei, der die nationale Ehre fehlt. .
Abg. Dr. Paasche (ul.): Wir alle bedauern lebhaft, daß diese Kolonie durch den unglückseligen Aufstand so große Opfer kostet. Sie kann leicht noch eh. Opfer kosten, aber deshalb können wir nicht zurück. Die Sache auszufechten ist für ein ehrliebendes Volk eine Notwendigkeit. Hier und da sind Fehler gemacht, hier und da ist ein Herero ungerecht behandelt worden. Aber ist man den Deutschen gegenüber anders verfahren? Hendrik Witboi ist gegen uns in den Aufstand eingetreten, und ich versteßke nicht, wie ein, guter deutscher Mann, wie Herr Ledebour sich für diese Mörder und Blutschänder einlegt! Der Grundsatz der Gerechtig— keit erfordert, daß ich den Mörder und Näuber cken an dem nächsten Barn: aufhänge. Die Deutschen sollen angefangen haben! Haben wir nicht im Gegenteil die Kulturarbeit dort in fried— lichster Weise aufgenommen? Leider mit unzulänglichn Mitteln. Den blutigen grausamen Aufstand, der dazwischen kam, müssen wir niederwerfen. Die Sozialdemokraten, die keinen Groschen für Kulturarbeit bewilligt haben, werden wir doch nicht überzeugen, daß das Geld hier nicht weggeworfen, sondern nutzbringend angelegt ist. Nach unserer Ueberzeugung wird das Opfer reiche Früchte tragen. Undankbar vom Reichstage und vom Volke wäre es, wenn wir den binauf gegangenen deuischen Pionieren die Quittung ausstellen wollten: Weggeworfenes Geld! und unsere Finger davon abzögen. Wir bitten die Regierung so sparsam wie möglich zu wirtschaften; aber das Opfer muß gebracht werden. .
Abg. Ledebour: Auch * Paasche vergißt wieder, daß die Deutschen als Eroberer in das Land gekommen sind, und die deutschen Farmer haben durch unlautere Praktiken den Herero ihren Bestz, ihr Land, ihr Vieh abgelockt; das ist erwiesen durch das Zeugnis der Missionare der verschiedenen Konfessionen in Dutzenden von Schriften und selbst in der Regierungsdenkschrift. Diese Landspekulanten Händler und Farmer haben die Unwissenheit und Leichtgläubtgkeit de Herero ausgebeutet. Und auch die Zahl der erwiesenen Mißhandlunge⸗ von Herero durch die deutschen Beamten usw. ist ebenfalls sehr gros. Der Hinweis auf Witboi ist ganz haltlos; die Deutschen haben gegen ihn die Treue gebrochen, nicht umgekehrt. Ein * christlich- frommer Mann wie Herr Paasche stellt sich hier k und erklärt, die Grundsätze der Gerechtigkeit hätten hier keine Stätt sondern es könne sich nur darum handeln, den Herero an den nächste Baum zu hängen. Dann sind wir also die einzigen, die hier in Hause noch den Grundsatz der Gerechtiakeit vertreten.
Abg. Dr. Müller- Sagan (fr. Vollgp. ): Aus Anlaß dieses Nach traggetats nochmals in eingehende Erörterungen einzutreten über die Lage in Südwestafrika, schien keine Veranlassung; nachdem aber die Debatte sich soweit entwickelt hat, müssen auch wir dagegen protestieren, das aus Südwestafrika jemals wieder herauszuholen n wird, was dort hineingesteckt wurde. , aber können wir nicht umhin, wo dort Y im Kampfe stehen, die Mittel zur Beruhigung diese⸗ Gebietes, soweit sie notwendig sind, zu bewilligen. Auch bejüglich de⸗ ef Wiiboi kann ich Herrn Ledebour nicht recht geben. Solange ier eine kriegerische Verwicklung vorliegt, sagen auch wir: Right or Rrong, my native country! Wenn aber Herr Paasche die Grund. sätze der Gerechtigkeit außer Kraft setzen will, so proteflieren wir auch
dagegen.
Lig. Dr. Paasche: Ich habe keineswegs erklärt, es solle den Herero und Hoitentotten gegenüber nicht Gerechtigkest und Humanität walten. Wagz ich gesagt ö halte ich in jedem Punkte au
9 der n . für Kamerun bezweifelt der bg. Dr. Südekum (So)), daß eg bei der Verstärkung de
Schutztruppe um zwel Kompagnieen ö. ich um eine pr
äpentide Maßregel handle, er glaube vielmehr, daß die Kolonialverwaltung
: Da wir Näheres über die Lage eteilt erbalten hahen, ist zur Zeit ch. Zu einer solchen werden wir ja wenn eine Eisenbahnvorlage für sollte. Auch hier können wir die Eventualitäten nicht übernehmen,
eine grün leider ba Kamerun an Verantwortun
die durch Able ung entstehen könnten.
Der Rachtragsetak wird nach dem Kommissionsantrage
genehs igt üller⸗-Sagan bittet den Präsidenten, das Haus zu . ; 3 ausnahmsweise die dritte Beratung der soeben , Lesung ln 9e. , ,,. . ; iderspruch eines einzigen Mitgliede Er wisse gebt n, ,,. ⸗ Ein solcher Widerspruch aus
ö öglsch zu machen. zerspruch e genücg nrn . zu besorgen. Selbstverständlich dürfe
er , Vorgang kein Präsudiz für später Tarstellen, Andererseits
ei der Reichstag der . bedürftig, sodaß sich eine solche Ausnahme l erkreten lassen.
man Eren Graf von Balle st rem: Ich habe gegen diesen An-;
weierlei Bedenken. Erstlich, daß die zweite und dritte Lesung nicht
, aufeinander folgen dürfen. Es würde vielleicht in diesem
ö. . keine Unzuträglichkeiten haben, aber man könnte sich später
6 ; Andererseits hat der Präsident Tie Verpflichtung, auch
fen. ! ] rn g. Petitionen gerccht zu werden. Diese Petitignen können
] ĩ eit beraten werden, wo das Haus vollauf mit wich⸗ 4 . beschäftigt ist. Wenn jedoch aus dem Hause kein ler fhtuch gegen den Antrag Müller ⸗ Sagan laut wird, so würde
sc allein nicht dagegen sein.
bg von Tie dem ann (Rp; Ich wider spreche.
Präfident: Damit ist die Anregung des Abg. Dr. Müller⸗
Sagan hinfallig. ; . Es folgen 33 Berichte über Petitionen. stion der Firma F. Brandts in M. Gladbach, betreffend 3 n . für en,, wird dem Reichskanzler zur Berück⸗ lin jn i ge onen des Vorstandes des Tierschutzbereins zu Bamberg, des Magistrats von Braunsberg und des Molkereipächters Kr in Schelejewo, enthaltend Vorschläge zur Abänderung des
JGesctzes über ie Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, geht das Haus zur Tagesordnung über.
Die Petitionen auf Abänderung, des § 61 der Konkursordnung
werden dein Reichskanzler als Material überwiesen.
Ueber die Petitionen, betreffend Abänderung des § 107 Abs. 2 der Konkursordnung, wird zur Tagesordnung übergegangen.
Der Veiband katholischer kaufmännischer Vereinigungen Deutsch= lands zu Cssen petitioniert: I) daß von Reichs wegen eine genaue Statistik über die im Handelsgewerbe beschäftigten weiblichen Per⸗ sonen angestellt werde, bezüglich deren Lohnverhältnisse, Aibeits— arten, Geschäftszweige, Arbeitszeit, Alter. Vorbildung und des Berufsstandes der Eltern; 2) daß im Handelsgewerbe angestellte weibliche Personen bezüglich ihrer Ausbildung denselben gesetz⸗ lichen Vorschriften unterstellt werden. wie die männlichen; 3 kaß Prinzipale, die wegen unsittlicher Handlungen an ihrem weib— lichen kaufmännischen Personal gerichtliche Strafe erlitten haben oder wegen solcher Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuchs abgeurteilt worden sind, fernerhin keine weiblichen Angestellten mehr halten dürfen. Die Kommission ist über die Petition zur Tagesordnung übergegangen. Entgegen diesem Beschluß wird auf Antrag des Abg. Nacken (Zentr.) Nr. 1 dem Reichskanzler zur Berücksichtigung, Nr. 2 als Material überwiesen; auf Antrag der Abgg. Nacken und Lattmann ersolgt auch die Ueberweisung der Nr. 3 als Material.
Die Petition des Stadtrats zu Bitsch, betreffend den Bahnbau Bitsch -Pirmasens, überweist das Haus dem Reichskanzler zur Er— waägung. J
ug, Petition der Taristommission der Militär⸗Effektensattler Deutschlands in Berlin überweist das Haus, soweit sie sich auf die Beseitigung der Zwischenmeister bezieht, dem Reichskanzler zur Be— rücksichtigung, sowelt sie sich auf die Heimarbeit an und für sich be⸗ zieht, zur Erwägung.
Der Voistand des Deutschen Musikdirektorenverbandes und der allgemeine Deutsche Musikerverband bitten um Schutz für die Zivil⸗ musiker und verlangen die Einschränkung bezw. völlige Untersagung des außerdienstlichen gewerblichen Musizierens für die Militärmusiker.
Unter Ablehnung eines Antrags Thiele (Soz) auf Ueber weisung zur Berücksichtigung beschließt das Haus, entsprechend dem Kommissionsantrag, beide öetiek0n rn mit Rücksicht auf die früheren Reichstagebeschlüsse dem Reichekanzler als weiteres Material zu über⸗ weisen.
Die Petition des Provinzial ⸗Bienenzüchtervereins der Provinz Posen um Erlaß eines Gesetzes über den Verkehr mit Honig wird dem Reichekanzler zur Erwägung überwiesen.
Ueber die Petition des Technikers Rainhardt in Dresden, be⸗ treffend die Abschaffung der Briefmarken, geht das Haus zur Tages ordnung über.
Die Petition des deutschen Goethe Bundes um Abschaffung der Theaterzensur, wozu der , Uebergang zur Tagesordnung vorliegt, wird auf Antrag des Abg. Dr. Müller⸗ Sagan von der Tagesordnung abgesetzt. — .
Der Gesamtverband der evangelischen Arbeitervereine Deutsch— lands hat um möglichst baldige Vorlegung eines Gesetzentwurfs über Frrichtung von paritätischen Arbeitsnachweisen petitioniert. Die Petition wird dem Reichskanzler als Material überwiesen, ebenso die Hein des Verbandes katholischer kaufmännischer Vereinigungen
eutschlands, betreffend Erlaß eines Scheckgesetzez. ;
Zur Berücsichtigung will die Kommission die Petition des Kammergutspächters Dobenecker in Zella wegen Gewährung von Schadenersatz für den Verkust von Pferden infolge dermeintlicher Einschleppung der Brustseuche durch Militärpferde dem Reichskanzler überweisen.
Abg. Fries (nl) befürwortet lebhaft das Petitum. Dem Petenten selen acht Pferde kaput gegangen, und es sei ihm ein Schaden von 12 960 entstanden. Der ursächliche Zusammenhang der Eikrankungsfälle mit der Dragonereinquartierung werde zwar von der e,, n,. bestritten, es sprächen aber außerdem ganz überwiegende Billigkeltegründe für die Berücksichtigung.
Kommissar des Bundegraig, Geheimer Kriegsrat Guntel mann: Nach den von der Militärverwaltung J, ,. wissenschaft · lichen Gatachten muß sie auf ihrem ablehnenden Standpunkt verharren. In der Annahme von Billigkeitägründen geht sie sehr weit, hier aber stehen nur Behauptungen und willkürliche Annahmen in Frage, und die Heeresverwaltung würde unberechtigten Ansprüchen Tür und Tor öͤff nen, wenn sie daraufhin Entschädlgungen gewähren würde.
Der Kommissiongantrag wird angenommen.
ö Ueber die Petitionen des Verbandes der , n, Baugewerk⸗ Hf gen offen schaften und des deutschen 89 erbundes für das augewerbe, die sich insbesondere gegen die estellung von Bau⸗ Ontrolleuren aus dem Arbeiterstande wenden, kommt ein Beschluß des
a. nicht zustande, da sowohl ein Antrag Lefche (Soz.) ö lerer gan zur Tagezordnung, als auch der Kommissiongantrag au
erweisung als Material abgelehnt werden.
z etitionen des Internallondlen Vereins zur Herbeiführung 8 erer gesetzlicher Bestimmungen zum Schutze der Tiere und des
ltbundes un Schwe Rr Ki ö ar von Prof. Dr. Paul Förster, fordern wirksamere Straf⸗ e ö en jeh. die Tlerquãlerei. rics 1 us überweist beide Petitionen dem Reichskanzler zur Be—⸗ . tion Tagesordnung geht das Haus über über die vom Verband kee eff ttlicher Frauenvereine in Berlin eingereichte Petition, das l stellen den Verkauf und das Tragen von Maulwurfspeizwerk ‚ be mm ümndliche Strafe zu stellen und dieses im Uebertretungsfalle zu fieren, ebenso wird über die Petition deg Flugtechnikers
ere und gegen die Vivisektion, unter⸗
ab Koch in München wegen chährung einer staatlichen Bei⸗ hülfe zur Förderung der Flugmaschinentechnik zur Tagesordnung übergegangen. . . Die Petition des Deutschen Landwirtschaftsrats wegen Be— arbeitung des stgtistischen Materials über das Heeresergänzungs— geschäft in der Richtung, daß die Bedeutung der ländlichen Be, völkerung für die Wehrkraft des Deutschen Reiches voll hervortritt, wird, dem Reichskanzler als Material, überwiesen, ebenso die in n des Verbandes deutscher Zahnärzte wegen Aenderung des 147 Ziffer 3 der Gewerbeordnung. Die Petilion der Handwerkskammern zu Magdeburg, Nürnberg und Insterburg um Abaͤnderung der Bäckerciverordnung Überweist das Haus dem Reichskanzler als Material.
Die Petition von Cramer u. Gen. in Steele gegen den Verlauf und die Stillegung von Zechen im Ruhrrevier, welche die Kommlssion dem Reichskanzler als Material überweisen will, wird auf Antrag des Abg. Bebel (Soz.) von der Tagesordnung abgesetzt.
Als Material überweist das Haus dem Reichskanzler sodann die Petition des Vorstandes des bayerischen Handwerkerbundes wegen Abänderung der Gewerbeordnung (Feststellung der Begriffe Hand, . u . Lehrlingsausbildung, Einführung des Befähigungs— nachweises).
Ueber die Petitionen verschiedener Drogistenvereinigungen um Freigabe des Verkaufs der Tierheilmittel und Futtermittel⸗Viehpulver geht das Haus, entsprechend einem Antrage des Abg. Rettich (d. kons.), zur Tagesordnung über. .
Die Petition des Verbandes deutscher Milchhändlervereine um reichsgesetzliche Regelung des Verkehrs mit Milch wind dem Reichst— kanzler als Material überwiesen.
Das Eisenbahnkomitee Bolchen erbittet die Hilfe des Reichstages behufs Erlangung der Einmündung der künftigen Bahn Merzig — Waldwiese in Station Anzelingen der Linie Diedenhofen — Teterchen. Auch diese Petition wird dem Kanzler als Material überwiesen, des⸗ 6 die Petition um Erlaß einheitlicher Bestimmungen über die Vor und Ausbildung der technischen Zollbeamten und die Petition des pensionierten Schutzmannes August Plorin in Kiel, betr. die Aut⸗ dehnung der Unfallfürsorge auf die Polizeibeamten. Die Petition des Vereins Berliner Dienstherrschaften und Dienstangestellten, unterstützt von 46 Vereinen für Frauenwohl und Frauenbildung, wird, soweit sie sich auf die Ausdehnung der Kranken- und Unfallversicherung auf die Dienstboten bezieht, dem Kanzler als Material überwiesen, soweit sie auf Einführung obligatorischer Fortbildungsschulen mit anschließendem , gerichtet ist, durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt.
Die Petition des Eigentümers Leichner in Stewken bei Thorn um Aenderung des Rayongesetzes wird dem Kanzler als Material überwiesen, ebenso die Petition des deutschen Müllerbundes um Schaffung eines Spezialorgans für internationalen Nachrichtendienst über Getreide und Mehl.
Damit ist die Tagesordnung erledigt. Schluß 4141 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Dritte Beratung des Nachtragsetats für 1905 und kleinere Vorlagen.)
Prensischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 174. Sitzung vom 6 April 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den ersten Teil der Verhandlungen ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Die daselbst auszugsweise wiedergegebene Antwort des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegen⸗ heiten Dr. Studt auf die Interpellation der Abgg. Faltin (Zentr.) und Genossen, betreffend die Genickstarre in Oberschlesien, hat folgenden Wortlaut:
Meine Herren! Die erste Frage des Herrn Interpellanten gestatte ich mir dahin zu beantworten: Es ist der Königlichen Staatsregierung bekannt, daß die Genickstarre in Oberschlesien epidemisch auftritt. Bereits die ersten Anzeichen dieses Auftretens zu Ende des vorigen Jahres haben die Aufmerksamkeit der beteiligten Kreis- und Bezirks⸗ behörden erregt und sofort diese Behörden zu eingehenden und energischen Maßnahmen veranlaßt. Ebenso sind die Vorgänge durch die Zentralinstanz mit größter Aufmerksamkeit verfolgt worden.
Meine Herren, bereits unter dem 9. Dezember vorigen Jahres, also kurz nach dem Auftreten der ersten Erkrankungen im Stadtkreise Königshütte, habe ich den Regierungspräsidenten in Oppeln zu einer eingehenden Berichterstattung veranlaßt. Es handelte sich damals um 11 Erkrankungen, von denen 8 in Königs⸗ hütte und 3 in Neu⸗Heiduck, 7 im November und 4 im De⸗ zember, vorgekommen waren. Trotz der umsichtigen Maß— nahmen, welche sofort seitens der zuständigen Behörden ergriffen worden sind, hat sich die Epidemie anfangs allmählig, später in schneller Folge verbreitet. Bereits im Januar kam es in Königshütte zu einem ausgesprochenen Epidemiecharakter, und dann kamen ver— einzelte Fälle in mehreren Orten des Landkreises Beuthen sowie der Kreise Tarnowitz, Gleiwitz, Pleß und Zabrze vor. Im Februar traten vereinzelte Fälle in den Kreisen Lublinitz, Rybnik, Groß⸗Strehlitz und Grottkau, im März in den Kreisen Oppeln, Neustadt, Kreuzburg und Kosel hinzu. Gegenwärtig sind nicht nur fast sämtliche Kreise des Regierungsbezirks Oppeln, sondern auch die Kreise Breslau, Brieg, Ohlau, Oels und Schweidnitz des Regierungsbezirks Breslau be— troffen. Die Zahl der Erkrankungen beträgt bis jetzt im Bezirk Oppeln an 1200, im Bezirk Breslau 16, die Zahl der Todesfälle im Bezirk Oppeln über 600, im Bezirk Breslau 9. (Bewegung.)
Meine Herren, die Behörden haben selbstverständlich ihre Auf⸗ merksamkeit darauf gerichtet, die Entstehungsursachen der Epidemie aufzuklären. Leider haben diese Ermittlungen zu einem festen Ergebnis nicht gefsihrt. Daß die Seuche aus Rußland, wo sie häufig auftritt, eingeschleppt sein mag, ist nur eine Vermutung. Vereinzelte Fälle von Genickstarre kommen in jedem Jahre in dem Bezirk Oppeln vor. Zu einer Epidemie ist es aber in der letzten Zeit nicht ge—⸗ kommen. Nur 1886 und 87 und 1895 bis 97 hat die Krankheit einen epidemischen Charakter in dem genannten Regierungsbezirk an⸗ genommen. Damals waren wie jetzt hauptsächlich die Kreise Beuthen und Kattowitz, also 2 Grenzkreise, betroffen. Die Zahlen der Er—⸗ krankungen sind aber damals erheblich hinter den diesjährigen zurück= geblieben.
Die ersten Erkrankungen im vorigen November kamen im nörd⸗ lichen Teile der Stadt Königshütte vor; dort traten auch in der Folge⸗ zeit gehäufte Eikrankungen auf. Kennzeichnend für den Charalter der Krankheit ist dabei die Erscheinung, daß nur ausnahmsweise mehrere Erkrankungen in demselben Hause oder in derselben Familie vorkommen. Ein Stadtplan von Kattowitz, in dem die Fälle eingetragen waren, machte den Eindruck, als wenn diese Fälle regellos über die ganze Stadt ausgesät waren. Auch die in den übrigen Kreisen des Bezirks vorgekommenen Fälle waren nur ganz augnahmsweise an einer
Stelle gehäuft, der Mehrzahl nach dagegen vollkommen sporadisch.
Ich mache auf diese Erscheinungen besonders aufmerksam, weil sie beweisen, daß der Charakter der Krankheit ein ganz eigenartiger ist wegen der Unberechenbarkeit des Auftretens in den einzelnen Ort⸗ schaften und einzelnen Häusern.
Bekanntlich befällt die Krankheit hauptsächlich das jugendliche Alter, namentlich Kinder unter 11 Jahren. Man hat deshalb besonders darauf geachtet, ob die Schule eine Rolle bei der Verbreitung der Krankheit gespielt hat, und da möchte ich die besondere Frage, die der Herr Interpellant heute an mich gerichtet hat, in der Weise be⸗ antworten: es hat sich dabei gezeigt, daß mehrere Fälle aus einer Schule nur selten, aus einer Schulklasse aber niemals gleichzeitig gemeldet worden sind. Es war daher auch nur zweimal erforderlich, eine Schule vorübergehend schließen zu lassen, weil je ein Erkrankungsfall in einer Familie vorgekommen war, die das Schulhaus bewohnte.
Der Grund dafür, daß die epidemische Genickstarre trotz ihrer verhältnismäßig geringen Uebertragbarkeit die Bevölkerung in so hohem Grade beunruhigt, liegt in der Schwere ihres Verlaufs; darauf wird mein Herr Kommissar nachher noch näher eingehen. Mehr als bo o/ der Erkrankungsfälle führen zum Tode, während in einem starken Bruchteil derjenigen Fälle, wo Genesung stattfindet, erhebliche Störungen, wie Taubheit, Blindheit, Lähmung, Geistesschwäche oder Blödsinn zurückbleiben. Mit Recht haben daher die Behörden der Verhütung und Bekämpfung der Krankheit ihre volle Aufmerksamkeit zugewendet, und ich freue mich, ebenso wie in früheren Jahren gelegentlich der großen Typhusepidemie in Oberschlesien und der Ueber⸗ schwemmungen in Schlesien aus dem Jahre 1905, erneut feststellen zu können, daß alle beteiligten Behörden wie Private, Verwaltungs und namentlich auch die Medizinalbeamten und Aerzie, im vollen Umfang ihre Pflicht getan haben.
Wenn jetzt, wie es scheint, in einigen Teilen des Oppelner Be— zirks eine gewisse Beunruhigung auftritt, wenn sogar ganze Familien ihre Wohnorte verlassen oder wenigstens ihre Kinder fortschicken, so ist diese Sorge für ihre Angehörigen ja verständlich. Aber es liegt darin eine gewisse Gefahr für die Allgemeinheit insofern, als dadurch die Verschleppung der Seuche in Gegenden, welche von ihr bis jetzt verschont geblieben sind, begünstigt wird. Ich möchte daher diese Gelegenheit benutzen, um die Bevölkerung von Oberschlesien zu be⸗ schwichtigen und ihr ein ruhiges Ausharren nahezulegen, umsomehr, als in den letzten Wochen die Zahl der Neuerkrankungen bereits etwas zurückgegangen, und nach der Erfahrung früherer Epidemien die Hoffnung nicht unberechtigt ist, daß bei dem Eintreten der wärmeren Witterung die Seuche weiter zurückgehen und vielleicht bald er⸗ löschen wird.
Was nun die Maßregeln anbetrifft, die zur Bekämpfung dieser beklagenswerten Krankheit getroffen worden sind, so sind es im wesentlichen folgende.
Sofort nach Beginn der Seuche wurde die Anzeigepflicht, welche durch Erlaß meines Herrn Amtsvorgängers vom 23. November 1888 für Aerzte eingeführt ist, durch öffentliche Bekanntmachung in Erinnerung gebracht. Ich kann bemerken, daß die Maßnahmen so⸗ wohl bei den Aerzten alt bei der Bevölkerung durchaus beifällig auf⸗ genommen wurden, und daß die Anzeigepflicht allerseits loyal erfüllt worden ist, wodurch die übrigen Maßnahmen wesentlich erleichtert werden. Ich konstatiere das hier mit Befriedigung und möchte hier Anlaß nehmen, den Beteiligten vor diesem hohen Hause meinen Dank dafür auszusprechen.
Zweitens ist man in Verfolgung der schon erwähnten Ministerial⸗ verfügung vom 23. November 1888 bemüht gewesen, die Erkrankten tunlichst abzusondern. Wo dies innerhalb der Familie möglich ist, werden die Kranken in derselben belassen. Bei der Dichtigkeit der Bevölkerung und der Beschränktheit der Wohnungen im Industrie⸗ gebiete läßt sich dies aber nur ausnahmsweise erreichen. Gibt es doch zahlreiche Arbeiterhäuser, in denen 20 und mehr Familien zusammen wohnen, oft an einem Flur, sodaß die innigsten Berührungen zwischen ihnen ganz unvermeidlich sind. Es sind daher etwa 95 von je 100 der Erkrankten in Krankenhäuser übergeführt worden, also ein sehr erheblicher Prozentsatz, beinahe die Gesamtheit der Erkrankten. Das war nur möglich, weil der oberschlesische Industriebezirk an aus— gezeichneten Krankenhäusern reich ist, und weil die Knappschaft in dankenswertem Entgegenkommen gestattet hat, daß, entgegen den Statuten, auch erkrankte Kinder in die Knappschaftslazarette auf- genommen werden. In nächster Zeit wird die Knappschaft außerdem an zwei gefährdeten Punkten Döckersche Baracken aufstellen, um noch mehr Kranke in Lazarettbehandlung nehmen zu können. Das kann nicht genug begrüßt werden; denn alle Aerzte sind darüber einig, daß ein großer Teil der Erkrankten in der geordneten Pflege des Krankenhauses gerettet werden kann, der in den unglücklichen Verhältnissen der Privatwohnung dem Tode verfallen wäre. Auch wird die Gelegenheit zur Krankheitsübertragung wesentlich ein⸗ geschränkt, wenn der Kranke frühzeitig in ein Krankenhaus über geführt wird.
In dritter Linie kam die Sorge für die Schule in Betracht. Schon in den Anfängen der Epidemie hat der Regierungspräsident in Oppeln angeordnet, daß gesunde Kinder aus Häusern, in denen ein Fall von Genickstarre vorkommt, vom Unterricht ausgeschlossen werden müssen und in die Schule erst dann wieder zurückkehren dürfen, wenn der Erkrankungsfall abgelaufen und eine gründliche Desinfektion der Wohnung derselben erfolgt ist. Ein allgemeiner Schulschluß, wie er in der Presse angeraten worden ist, wird von den Regierungs— präsidenten nach Anhörung der Schulabteilung widerraten, weil er⸗ fahrungsgemäß Uebertragungen der Krankheit in der Schule verschwindend selten und die Berührungen der schulfreien Kinder bekanntlich überaus häufig sind. Ich kann diese Auffassung, meine Herren, nur billigen. Natürlich wird dabei nicht ausgeschlossen, daß nicht gelegentlich eine Schule oder eine Schulklasse vorübergehend geschlossen wird, wenn im Schulhause selbst ein Erkrankungsfall vorkommt. Auch kann eventuell eine Verlegung der bevorstehenden Osterferien in Betracht genommen werden.
Meine Herren, als vierte Maßregel kommt die Desinfektion in Frage. In dieser Beziehung kann ich mit Genugtuung feststellen, daß im Bezirk Oppeln nicht nur in der Stadt, sondern auch in vielen Landgemeinden geschulte Desinfektoren angestellt und wirksame Desinfektionsapparate verfügbar sind, und daß in der Mehrjahl der Kreise die Desinfektion auf öffentliche Kosten geschieht. In anderen brauchen nur Bemittelte die Desinfektion zu bejahlen. Die Durch · führung dieser Maßregel ist, wie ich hervorheben darf, wesentlich da durch erleichtert worden, daß die Desinfektorenschulen, welche ich an
verschiedenen Orten, z. B. auch in Breslau, habe errichten lassen, die