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des von Mitgliedern aller Parteien unterstützten Antrages
Preusfischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 175. Sitzung vom 7. April 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung
des Abg. Gamp (freikons) auf Annahme eines Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des allgemeinen Berg— esetzes, wonach die Annahme von Mutungen auf teinkohlen sowie auf Steinsalz auf die Dauer von rf Jahren bei den Bergbehörden nur noch insoweit statt— den soll, als die Mutung auf Grund von Schürfarbeiten, die schon vor dem 31. März 1905 begonnen worden sind, innerhalb von sechs Monaten nach Verkündigung dieses Gesetzes bei den Bergbehörden eingelegt ist. —ͤ . ;
Der Abg. Gamp beantragt ferner eine Resolution, in der die Regierung um eine Prüfung s, wird, in welcher Beziehung das Berggesetz, insbesondere die Bestimmungen über das Muten und die Verleihung des Bergwerkseigentums zu ändern sein möchten. .
Abg. Dr. Friedberg (nl) beantragt eine Umstellung der Tagesordnung dahin, daß vor diesem Gegenstand erst die . der Tagesordnung stehenden Wahlprüfungen erledigt werden.
Abg. Gamp widerspricht diesem Antrage, zieht aber seinen Widerspruch wieder zurück, nachdem dic glbff⸗ von Pappenheim (kons) und Herold (Zentr) sich fuͤr den Vorschlag des Abg. Dr. Friedberg erklärt haben.
Das Haus beschäftigt sich also zunächst mit Wahl— prüfungen. .
Die Wahl der Abgg. Dr. Wolff⸗Gorki (lons.) und Peltasohn (frs. Vgg) im 5. Wahlkreise des Regierungs⸗ bezirks Bromberg (Mogilno, Znin, Wongrowitz) beantragt die Wahlprüfungskommission, für ungültig zu erklären. .
Der Abg. Bosse (kons) beantragt mit Unterstützung der Freikonservativen und der Nationglliberalen, die Wahl für gültig zu erklären.
Abg. Seydel ⸗ Hirschberg (ul): Die Protesterheber haben den Erlaß des Brom berger Regierungspräsidenten an sämtliche Landräte und Bürgermeister seines Bezirks als gesetzlich unzulässige Wahlbeeinflussung hingestellt, und die Kommission hat mit 5 gegen 4 Stimmen daraufhin die Ungültigkeit der Abgeordnetenwahl ausgesprochen. Wir können diese Auffassung nicht teilen. Der Erlaß datiert vom 28. März 1903 u betont die Pflicht jedes Deutschen, sein Wahlrecht im nationalen Sinne auszuüben, um einem Siege der polnischen Kandidatur entgegenzuwirken. Die Wahlen selbst haben erst am 12. bejw. 20. Nobember 1903 stattgefunden. Die Verfügung verweist nur die Beamten auf ihre Pflichten; sie ist zudem ergangen, lange bevor auch nur von der Nominierung deutscher Kandidaten die Rede war, und kann schon deshalb keine Wahl beeinflussung darstellen. Wir treten daher für die Gültigkeit der Wahl ein.
Abg. Tourne au (Zentr.): Wir beantragen im Gegenteil, auch die Wahlmännerwablen für ungültig zu erklären. Die Argumentation des Vorredners ist völlig verfehlt. Der Regierungspräsident hat ge⸗ wiß das Recht, die Beamten auf ihre Amts. und Dienstpflichten hinzuweisen; er hat dieses Recht aber nicht auch auf die Wahlen zu erstrecken. Die Ausführung, daß der r , mehr als ein halbes Jahr vor den Wahlen erfolgte, ist ebenfalls hinfällig, denn diese Verfügung ist in ihrer Wirkung zeitlich nicht beschränkt. .
Abg. Dr. Mizers ki e. tritt lebhaft für die Kassierun der Wahl ein; in der Kommission hätten beide Referenten ng Kenntnisnahme von der Erklärung des Regierungsvertreters über die Verfügung des Regierungspräsidenten die Ungültigkeit beantragt. In der Verfügung heiße es, den Beamten werde es um so leichter werden, ihre Kräfte in den Dienst der nationalen Sache zu stellen, als nicht anzunehmen sei, daß eine Zersplitterung der deutschen Parteien die Entscheidung der deutschen Wähler für die eine oder die andere Kandidatur erschweren werde. Außerdem werde den Landräten und Bürgermeistern die Erfüllung dieser nationalen Auf. gabe zur außerordentlichen Pflicht gemacht. Es werde ihnen auferlegt, die Beamten ihres Geschäftsbereichs entsprechend zu ver⸗ . Wenn das keine amtliche Wahlbeeinflussung sei, dann gebe es keine.
Abg. Keruth (fr. Volksp): Wir können bei unbefangener Prüfung der Sachlage und des Wortlauts der Verfügung des Re-
ierungepräsidenten nur zur Kassierung der Wahl gelangen. Amtliche Een ,, , . dieser Art haben wir immer abgelehnt und lehnen wir auch heute ab. Die Wahl ist Sache des Volks, nicht der Be⸗ amten. Die weiteren Darlegungen des Redners gehen in der steigenden Unruhe des Hauses verloren.
Abg Graf Praschma (Sentr. : Die Herren Seydel und Ge— nossen übersehen doch gar ju sehr den Eingang der 3 Um bei den bevorstehenden Wahlen zum Reichstag und zum Ab— geordnetenhause einem Siege der polnischen Kandidatur tunlichst entgegenzuwirken“! Damit ist doch die amtliche Beeinflussung zu Gunslen der deutschen und zu Ungunsten der polnischen Kandidatur onnenklar gegeben. Im Reichstage würde bei solcher Sachlage im
lenum und sicherlich in der Wahlprüfungskommission die betreffende Wahl einstimmig kassiert werden. Wir müssen auch hier dafür sorgen, daß solche Beeinflussungen sich nicht wiederbolen.
Abg. Gyßling (fr. Volkep.): Im Interesse der Wahrung der verfassungsmäßigen Wahlfreiheit stimmen wir für die Kassierung der Wahl der Abgeordneten und der Wahlmänner.
Dem Antrage Bosse gemäß erklärt das Haus gegen die Stimmen des Zentrums, der Freisinnigen und der Polen die Wahl der beiden Abgeordneten für gültig. .
Die Wahl des Abg. Koenig im 7. Wahlkreise des Regierungsbezirks Frankfurt (nl) wird ohne Debatte ebenfalls für gültig erklärt. : .
Die Wahl des Abg. Rzesnitzek im 6. Wahlkreise (Pleß, Rybnik) des Regierungsbezirks Oppeln (freikons.) joll nach dem Antrage der Kommission gleichfalls für gültig erklärt werden. Von den Abgg. Dr. Dittrich (Zentr.) und Genossen liegt ein Antrag auf Beanstandung derselben und Beweigtzerhebung über die Protestbehauptungen vor.
Referent Abg. Viereck: Die Kommission hat die behauptete Einwirkung des Landrats von Hevking als eine amtliche Wahlbeein . flussung nicht ansehen können und sich mit 10 gegen 1 Stimme für die Gäͤltigkeit der Wahl entschieden.
Abg. von Hagen (Zentr.) befürwortet die Annahme des An⸗ trages Dittrich Herr von Heyking babe durch zwei Rundschreiben an die Vertrauenk männer des Kreises Pleß unzulässige Wahlbeeinflussung
eübt. Die Unterschrift laute zwar nur von Heyking. Mitglied des eren der Abgeordneten“ aber niemand sei über die Person und shren Amtscharakter im Zweifel gewesen. Bei der Ersatzmännerwahl am 27. September 1904 und vor der Abgeordnetenwahl am 6. Oktober 1904 habe er in zablreichen Wählerversammlungen für die Kandidatur Rzesnitzek agitiert. Es müsse ferner durch amtliche Erhebungen fest⸗ gestellt werden, ob bei der Abgeordnetenwahl nicht zu den Wahl- männern gehörige Personen im Wabllokale anwesend gewesen sind und ju Gunsten der genannten Kandidatur agitiert baben, sowie ob die⸗ jenigen Personen, welche bei jener Wahl als Mitglieder des Wahl⸗ vorstandes fungiert haben, überhaupt dazu gewählt worden sind, indem dem Vorschlage des Wablkommissars, bestimmte Personen zu wählen,
Abg. von Neumann (kons.) tritt als J, der Kom⸗ mission für die Gültigkeit der Wahl ein. Der Wahlvorstand sei ordnungsmäßig gebildet worden. .
5 Dr. inn er (fr. Volkep.) hält weitere Beweigerhebungen auch für erforderlich, hält aber den Antiag Dittrich nicht für eine geeignete Grundlage dafür und beantragt die Zurückverweisung der Wahlprüfung an die Kommission.
Die Anträge Wiemer und Dittrich werden abgelehnt, und die Wahl wird ö. ültig erklärt. ̃ .
Die Wahl der Abgg. von n ,,, Cern Dr. Irmer (kons) und Pauli (kons) im 4. Wahlkreise des Reg. Bez. Potsdam (Oberbarnim, Niederbarnim) wird nach dem Kommissionsantrag ohne Debatte für gültig erklärt.
Bezüglich der Wahl der Abgg. Rudorf 1 Meyer⸗ Bielefeld (kons) und von Bodelschwingh (6. k. P) im 2. ö des Regierungsbezirks Minden (Herford, Halle, Bielefeld) wird . dem Antrag der Kommission Be⸗ anstandung und Beweiserhebung über eine Reihe von Protest⸗
punkten beschlossen. Darauf geht das Haus zur Beratung des Antrages Gamp über. Abg. Gamp freikons.): (Die ersten Sätze gehen vollständig in der Unruhe des Hauses verloren, da das während der Abstimmung sehr gut besetzke Haus sich rasch leert) Die bisherigen Be— ,, des Gesetzes haben nur zu oft die Möglichkeit gegeben, bei den Mutungen Konkurrenzen zu verscheuchen, mögen dieselben den Betreffenden auch viele Tausende gekostet haben. Das geschieht ganz entgegen der Absicht des Gesetzes. Bis vor einigen Jahren war die Sache allerdings nicht so bedenklich. Da haben sich nun große Bohr—⸗ esellschaften gegründet, die technisch vollkommene Einrichtungen 6 sie erreichen in wenigen Wochen, wozu früher Monate ge⸗ hörten. Dadurch ist die Gefahr sehr groß, daß die Schätze an Kohle und Kali in die Hände weniger intelligenter, kapitalkräftiger Gesfellschaften gelangen. Welche Mißstände das hat, hat neulich der Abg. Traeger geschildert. Das sind Zustände, die man nicht mehr so welter gehen lassen kann. Wir haben es geseben, als der Staat Bergeigentum in Westfalen 1902 erwarb, daß er einzelne Grund- stellen dielleicht mit dem zehnfachen Betrage des bisherigen Wertes bezahlen mußte. Es kommen die wertvollen Mineralien in die Hände einiger weniger Gesellschaften. Man könnte nun das. Berg- gesetz ändern und diese Bedenken dadurch beseitigen. Das ist aber nicht so einfach. Von den Vorgängen hat auch die Regierung noch nicht genügende Kenntnis, um die Sache gesetzgeberisch zu regeln. Auch Über die Zielpunkte einer solchen Gesetzgebung besteht noch keine Einigkeik. Es wären lange Vorarbeiten not wendig, um für ein solches Gesetz das notwendige Material zu be—= schaffen. Die Bohrgesellschaften würden auch sofort alles ins Werk setzen, um sich der Felder zu bemächtigen. Deshalb haben wir mit Unterstützung aller Parteien unseren Antrag eingebracht, der einer definitiven gesetzlichen Regelung in keiner Weise präjudiziert. Wenn in einer Arbeit des Bergrats Engel, welche der Abg. Schmieding überreicht hat, gesagt ist, daß die Annahme des Antrags ein Zurückfallen in die früheren Zustände wäre, so muß ich das durchaus bestreiten. Ich habe ferner eine Resolution beantragt und hoffe, daß, wenn das Haus sie annimmt, die Regierung ihr Folge geben wird. Wir werden damit eine Handhabe für die Vorberatung eines Berggesetzes erhalten, wodurch wir auch die irrationelle Verteilung der Felder beseitigen können. Auch die vom Abg. Schmieding angeregte Zwangsverdoppelung werden wir dabei pruͤfen können. Auf die Be⸗ steuerung der Felder will ich heute nicht eingehen. In Frage kommt ferner eine Maximalgrenze für die Felder. Wenn die Regierung uns eine Denkschrift über alle diese Verhältnisse vorlegt, werden wir zu einer den allgemeinen Interessen entsprechenden Regelung des Bergwesens kommen. Gewiß hat unser Antrag auch Gegner gefunden, aber diese widersprechen sich einander in ibren Argumenten. Die Bohr⸗ gesellschaften haben z. B. das Interesse ihrer Arbeiter geltend ,. aber es werden bei den Bohrgesellschaften gar nicht so viele rbeiter beschäftigt, und die wenigen werden sich mühelos in anderen Betrieben unterbringen lassen. Es sind auch alles Arbeiter, die heute schon einen Wanderbetrieb haben und ihre Arbeitsstätte nicht an der Wohnstätte haben. Es ist ferner eingewendet worden, daß bereits wohlerwogene Verträge abgeschlossen seien; ich stehe der Frage wobl⸗ wollend gegenüber, wie wohlerworbene Rechte berücksichtigt werden können. Daß dem Kohlensyndikat oder dem Bergbaulichen Verein für Rheinland und Westfalen der Antrag unannehmbar ist, verstehe ich sehr wohl. Dem jetzigen Vorgeben des Syndikats wird allerdings ein Riegel vorgeschoben. Bergrat Engel weist auf eine große Ver⸗ teuerung der Felder hin. Barüber brauchen wir uns keine großen Sorgen zu machen, denn die bis jetzt gemuteten Bergwerke decken unseren Kohlenbedarf noch auf lange Jahre hinaus. Das ferner eingewendete Bedenken, daß durch Den Antrag un—⸗ gleiche Verhältnisse im Reich geschaffen würden, ist nicht durchschlagend. Wenn die preußischen Interessen ein solches Vorgehen nötig machen, muß es eben erfolgen. Man hat anläßlich der jetzigen Berggesetzvorlagen behauptet, daß zum Schaden der Konsumenten die Kohlen wesentlich verteuert werden würden, aber die größte Verteuerung der Kohlen liegt darin, daß sie von vornherein mit einem erheblichen Agiogewinn der Bohrgesell—⸗ schaften belastet sind. Ich bekenne, daß mein Antrag in wirtschaftliche Verhältnisse eingreift, aber im allgemeinen Interesse, das die Er— haltung unserer wertvollen Mineralschätze verlangt, müssen wir diesen Eingriff machen. Eine Beratung des Antrages in einer Kommission wäre nicht nötig, aber sie ist von anderer Seite gewünscht worden, und ich beantrage deshalb die Ueberweisung des Antrages an eine Kommission von 14 Mitgliedern. Möge der Landtag im nationalen Interesse dem Antrage zustimmen.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herren! Ich halte mich für verpflichtet, gegenüber dem in gewisse Sphären tief eingreifenden Antrage Gamp von vornherein die Stellung der Staatsregierung kurz zu skizzieren.
Es ist, meine Herren, im Laufe der letzten Session von ver— schiedenen Seiten bereits angeregt worden, daß das seitherige Mutungs⸗ wesen und die Bestimmungen über den Erwerb des Bergeigentums einer Aenderung bedürften, daß sich Mißbräuche eingeschlichen hätten, die abgeschnitten werden müssen. Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden — ich glaube, es war zuerst der Abg. Hilbck — daß gewisse große Bohrgesellschaften durch Ausbeutung der Systeme, wie man das Gesetz anwendet, sich ungeheure Felder sichern, daß dadurch monopolartige Besitze geschaffen werden, und daß hier unbedingt ein Einschreiten notwendig wäre. In der vorigen Woche hat das noch der Herr Abg. Traeger hervorgehoben, und ich habe bei allen diesen Gelegenheiten sofort ausgesprochen, daß ich bereit sei, in eine Er⸗ örterung einzutreten, in welcher Weise eine gesetzliche Aenderung auf diesem Gebiete möglich sei.
Uns selbst sind ja auch diese Vorgänge nicht unbemerkt geblieben. Wir haben uns schon seit längerer Zeit mit der Frage befaßt, wie wir Aenderungen eintreten lassen könnten. Wir sind aber auf so große Schwierigkeiten gestoßen, diese Frage einheitlich zu lösen, daß wir bisher davon Abstand genommen haben, dem Hause Vorschläge nach dieser Richtung hin ju machen. Ich habe aber bei allen Gelegenheiten, wenn hierauf die Rede kam, immer darauf hingewiesen, daß wir bei einer Neuordnung des Berggesetzes, die absolut notwendig sei, auf diese Materie auch kommen würden.
gewissermaßen Gefahr im Verjuge. Es wird jetzt angenommen. die freien Felder, die an Kohle und Kalisalzen noch vorhanden nicht mehr sehr groß seien, daß verhältnismäßig kurze Zeit aus. reichen würde, um bei den in ihrem Effekt ungemein
steigerten Bohrmethoden das freie Feld alebald gänzlich zu legen und alsdann uns vor die Frage zu stellen, ob es richtig sei, mehrern Privatmonopolisten an Stelle des staatlichen Regals treten zu lassen Da habe ich den Antrag Gamp allerdings als eine sehr unerwartet. sehr plötzliche Maßregel bezeichnen müssen, aber als eine Naßreyel.
eingreifenden Aenderungen des Berggesetzes vorzunehmen, ohne aus der langen Zeit, die zur Veränderung des Berggesetzes notwendi ist, weiterer Schaden entsteht.
Meine Herren, das Bergagesetz von 1865, das ja mit vielen alten Gewohnheiten, mit Bevormundungen des Bergbaus durch staatlich Organe aufgeräumt hat, ist in seinem Grundpfeiler aufgebaut auf de Bergbaufreihelt, und wenn wir hieran etwas ändern, können wir nigf nur diese eine Materie ändern, sondern wir müssen den ganzen Austh des Berggesetzes auch ändern, und das ist in kurzer Zeit nicht mögt dazu bedarf man — darauf sind wir bei allen unseren Vorarben gestoßen — Jahre; denn dazu bedarf man nicht nur unserer genn nisse, sondern man wird auch der Mitwirkung der fen lichen Kritik bedürfen, ehe man mit einem neuen grundlegenden Ggey entwurf an dieses hohe Haus herantritt. Also dieser Vorschlag w Herrn Abg. Gamp ist uns durchaus sympathisch, da er uns Zeit gt, in aller Ruhe auch mit den Interessenten zu überlegen, wie dige wichtigen Fragen zu regeln sein werden.
glaube ich, zu unbillig gegen die Bohrgesellschaften. Es werden g
Hause heraus kommenden Antrage auf Kommissionsberatung zugestimm hat, darf ich des näheren auf diese Angelegenheit hier nicht eingehen wir werden bereit sein, in der Kommission sofort Erweiterungeba— schläge zu machen.
Nach zwei Richtungen hin darf ich aber doch schon hier unsen Meinung kund geben. Einmal ist die Frist von 6 Monaten zu kun sie muß mindestens auf ein Jahr erstreckt werden. Weiterhin nö man mit Rücksicht auf die mit dem System des Zurückziehens n dem immer wieder von neuen zulegenden Mutungen verbundene grö Arbeitslast, die eintreten wird, wenn jetzt sofort die Felder definttt gemutet werden müssen, auch eine Frist von mindestens drei Monate geben müssen, um die Anmeldungen von neuem zu substantiieren, scha aus dem einen meiner Auffassung nach technisch dringend notwendig Grunde, daß die Zeichner, die die Grubenrisse machen müssen, gu nicht in der Zahl vorhanden sind, die nötig sein würde, um auf en, mal die vielen Zeichnungen zu liefern, die für die Mutungsantti⸗ notwendig wären. Ueber die übrigen Details werden wir in d Kommission sprechen können.
Ich darf dann noch einen Vorwurf, den Herr Abg. Gamp de Fiskus gemacht hat, zurückweisen. Er hat gesagt, die Methode, die Feldererstreckung in so willkürlicher Weise zu machen, wie sie R Zeichnung darlegt, die Herr Gamp auf den Tisch des Hauses niern, gelegt bat und die ich vor Beginn der Sitzung eingesehen habe, erfunden von dem Fiskus selbst. (Zuruf) — Ja so, das ist a reproduziert von Herrn Engel. Diese Methode ist lange vor mer Zeit eingeführt gewesen. Sie ist, glaube ich, zu einer Zeit entstann als die Bergverwaltung unter dem Ministerium der öffentlichen Arben stand. Es wird mir von meinen sachkundigen Beratern in der Ban abteilung versichert, daß die Behauptung des Bergmeisters Engel durches falsch sei, daß der Fiskus überhaupt erst in seine Bohrtätigkeit er gelreten sei, als die systematische Einrichtung der Bohrtätigkeit *r privater Seite lange stattgefunden habe und der Fiskus sich gezwunze gesehen habe, zur Abwehr gegen die Bohrungen der Privaten aᷣ seinerseits eine eigene Bohrtätigkeit zu entfalten. Ich will nä untersuchen, ob die damalige Bergberwaltung etwa den nötigen Wder stand gegen eine mißbräuchliche Ausbildung des Systems der Felde
zehnte das System besteht und sich immer weiter ausgebildet hat nn allerdings zu groben Mißbräuchen führt, wie das von verschiedenn Rednern, besonders von Herrn Hilbck und Herrn Traeger des weilen ausgeführt ist.
Stelle verzichten können, wenn wir in der Kommission gründlich! die Beratung eintreten. Soll die Frage gelöst werden, dann, bi⸗ 1 der Meinung, ist es gut, sich so rasch wie möglich schlüssig zu mate und so rasch wie möglich Mißbräuche abzustellen, die zweinel⸗ bestehen.
gesetz in bezug auf die Mutung einer Aenderung bedarf, und nan Mißstände sich herausgestellt haben. Aber die Vorschläge. n auch von anderer Seite betrachtet werden, um gerecht ju sein. Entwicklung der Industrie ist so gewesen, daß sich große Ges schaften gebildet haben, die eine größere. Aufgabe haben. 9 kann es diefen Gefellschaften nicht verdenken daß sie nick? für den kommenden Tag sorgen, sondern auf Jahrzehnte hinaa n strebt sind, sich ihr Rohmaterial ju sichern. Der Fiekus bat bei den Kalibergwerken ebenso gemacht wie die Privatindustrie * HReichsgericht hat die Art, der Felderbegrenzung als berecht⸗ erkannt. Ich kann also die Behauptung des Abg. Gamp, mit dem Gesetz in Widerspruch stehe, nicht anerkennen, denn * dem Reichsgericht eine höhere Bedeutung bei als dem Abg. ee Der Fiskus hat sich selbst große Felder für den Bergbau s . und hat in den letzten zehn Jahren die Privattätigkeit
Die ganz außerordentlichen Erfolge, welche unsere deu chen 2. bohrgesellschaften erzielt haben, sind ihm etwas ungemütl⸗⸗ worden, und ich verstehe es, wenn er diese unbequemen schaften los sein möchte. Bei der internationalen Bohrge! handelt es sich durchaus nicht um internationales, sondenn. deutsches Kapital, unb es ift, noch kein Beweis erbracht . die Gesellschaft nicht die deutschen Interessen verfolgt. ig.. Antrage liegt ein großer Vorwurf gegen die interngt ionale⸗ geselschaft. Sie haf sich aber ein großes Verdien die Volkewirtschaft erworben und die mangelhafte Tätigkeit im Aufschluß des Landes durch die da ersetzt. Unser verstorbener Kollege Schultz hat
darauf hingewiesen, wie notwendig es sei, unsere aufjuschließen. Die Mittel dazu find nicht bereit gestellt
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
Meine Herren, nach den Darlegungen des Herrn Abg. Gamp,
niemand widersprochen hat.
die ich nach vielen Richtungen hin als richtig anerkennen muß, ist aber
seien, -
die nach vieler Richtung sehr geeignet ist, uns Zeit zu geben, die lie
Allerdings ist der Entwurf, wie er uns vorgelegt worden is.
wisse Abschwächungen anzubringen sein, die die Fristen länger steckn J. Da der Herr Antragsteller schon seinerseits im voraus einen aus den
erstreckung geleistet hat; Tatsache ist aber, daß durch einige Ri
Ich glaube, wir werden auf eine eingehende Diekussion an dia .
Abg. Macco (al): Es besteht kein Zweifel, daß das
gehemmt, daß er sich mit Bohrungen dicht daneben . 1 ischen ö
staal
zum Deutschen Reichsan
Zweite Beilage
Berlin, Sonnabend, den 8. April
zeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger
1905.
M S5.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
logische Landeganstalt hat sich bemüht, die Mittel flüssi 12 ö ge es nicht erreicht. Die internationale 2 stan bat es verstanden, das Kapital aufzubringen und die Bohrungen eedetzubringen, aber sie hat es nicht für sich getan, sondern ihr ge⸗ antes Material der Reglerung und der Geologischen Landes anstalt ur Verfügung gestellt. Es besteht also eine enge Fühlung zwischen der Industrie und der Geologischen Landesanstalt, und wenn der Ober⸗ ketgöauptmann keine Kenntnis wabon hat, so ist das be- dauerlich. Die internationale Bohrgesellschaft hat aber nicht bloß große Reichtümer im Innern des Landes aufgeschlossen, sondern auch die Resultate der Regierung zur Verfügung gestellt. Aber der Staat bat seine Bohrungen in Westfalen eingestellt; man fagte mir, der Finanzminister habe keine Lust, weitere Millionen in solche Bohrlöcher zu stecken mit Rücksicht auf die mangelhaften Resultate des staatlichen Betriebes. Der Antrag Gamp enthält eine vollständige Unterbrechung der privaten Tätigkeit. Nan? kann mit , . ö. bestehenden Bergwerks. mutungen einen be 4 41 ö, ert bekommen werden, und daß, wenn in fünf Jahren eine Aenderung gemacht werden soll, der Widerstand auf ganz anderer Seite liegen wird, und wir vielleicht zu einer Aufhebung des Mutungerechts überhaupt kommen werden. Ob bei den engen Be⸗ jiebungen der Regierung zu dem Antrag Gamp diese Absicht anzunehmen it. will ich nicht entsche i den. Durch Annahme des Antrags werden alle linternehmungen unterbrochen, die heute im Gange sind, um weitere Auffchlüsse zu machen und Kohlenfelder zusammenzulegen, damit sie wirtschaftlich ausge utet werden können. Zur Festlegung eines großen Feldes ist eine ganie Anzahl von Bohrungen erforderlich; die Boh⸗ tungen, die nicht so weit gekommen sind, um ein solches Feld festzulegen, werden nach Annahme des Antrags vergeblich gemacht sein. Die Frist ist so kur; bemessen, daß sie bei den Schwierigkeiten, die mit Bohrungen verbunden sind, nicht in Betracht kommen kann; das Kapital sst mit einem Schlage wertlos geworden, alle Verträge, die fest ab⸗ geschlessen sind, sind mit einem Male in Frage gestellt. Ich kenne leinen größeren Eingriff in die Privatrechte als den, der bier gemacht wird. Wenn derartige Grundsätze Gesetz werden sollten, dann würde die Sicherheit des wirtschaftlichen Lebens in Preußen üherhaupt efäbrdet und das Zutrauen zu steter Entwicklung untergraben. err n wird sich mehr mit großem Kapital beteiligen wollen. Was werden die Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Bergbaues sein? Preußen vertritt nur einen Teil des deutschen Bergbaues, und innerhalb Preußens untersteht nur ein Teil des Landes dem Bohrgesetz. Sie wollen hier auf fünf Jahre Unter— nehmungen sperren, die in der Provinz Hannover und in den sämt⸗ lichen sächsischen Kleinstaaten weiter geführt werden können. Sie zwingen also die Bergindustrie in diese Gebiete hinein. Auch in Glsaß Lothringen gibt es noch Reichtümer im Boden, von denen wir noch keine Ahnung haben und die der preußische Staat sich längst bätte sichern müssen. Wenn der Antrag Gesetz wird, wird unsere Industrie in andere Staaten getrieben werden, und in Holland wird, sich eine Kohlenindustrie entwickeln, die uns in hohem Maße schädigt. Sie sperren auf fünf Jahre eine weitere Vermehrung der Kali, und Kohlenbergwerke ab, aber die Syndikate werden dadurch gerade in hohem Maße gestärkt werden, denn Sie werden den Wert der bestehenden Gruben in weitem Maße erhöhen. Das ist für die, welche im Besitz der Kohlenwerke sind, recht angenehm, aber wir sollten uns den Vorwurf, daß die Besitzenden die Glücklichen sind, fernhalten. Von meinen Freunden wird der Antrag einstimmig abgelehnt. Wir halten eine solche Aenderung des Berggesetzes für schädlich. Mißstände sind ja vorhanden und wir wollen ihnen be— gegnen; aber die wirtschaftliche Basis muß bestehen bleiben, auf der sich unsere Industrie so bedeutend entwickelt hat. Es ist nelwendig, den Antrag an die Kommission zu verweisen, damit die schlechten Wirlangen des Antrags beseitigt werden.
Oberhelghauptmann von, Velsen: Wir haben nur unsere ver— dammie Pflicht und Schuldigkeit getan, wenn wir zu eigenen Behrungen übergegangen sind. Wenn wir gegen die Konkurrenz be— leben wollten, mußten wir so vorgehen, wie wir vorgegangen sind. Daß zt Staat die Privatigdustrie erschwert habe, ist nicht richtig. Herr Macco erhebt den Vorwurf, daß ich von der Korrespondenz der Geologischen Landesanstalt keine Kenntnis habe; was die Anstalt mir nickt mitteilt, ann ich nicht wissen. (Abg. Macöco: Das t traurigh Soll ich das alles kennen, was Sie der Anstalt mitteilen? Wenn wir in Westfalen nichts weiter gehört haben, so hatte das seine Gründe. Die inter—⸗ nationale Bohrgesellschaft hat uns selbst eine Barrlere vor- Cöogen. Herr Macco sagt, wir trieben die Industrie in andere Staaten. Wie sollen wir aber in der Provinz Hannçver eingreifen? 39 Allen thüringischen Staaten ist die Kohle für den Staat reserviert. In Holland hat ebenfalls der Staat sich die Kohle reserviert. Wie ell also die Privattatigkeit nach Holland gehen? Daß wir also die ¶Idusttie in andere Landesteile treiben, davon kann keine Rede sein. Abg. Traeger (fr. Volkep.); Der Antrag kann eigenlich nicht hier, sondern nur in einer Kommission beraten werden. Es st en gesetzgeberischer Akt ganz besonderer Art, der noch keinen ee dinger gehabt hat und von dem wir wünschen müssen, daß er . Nachfolger bekommen möchte. Der Antrag hängt mit 5 65 ö Berggeseßes zusammen, und deshalb, beantrage ich, den
ntiag der Kommission zu überweisen, die sich mit den Berggesetz= , beschäftigt. Man meinte, der Antrag fei bon der Regierung . veranlaßt worden, man hatte das Gefühl: es geht etwas vor, man e, fur Gicht was, Nachdem aber der Minister erklärt hat, daß er . en Antrag selbst überrascht sei, kann ich dies auf sich beruben lassen. 2. haben den Antrag mit unterzeichnet, da wir geglaubt haben, er 2 esich gegen das Kohlensyndikat, aber jetzt bemerken wir, daß er
een die Bohrgesellschaften richtet. Das würde für viele Gesell⸗ 9 en ruinss sein. Wir wollen zugeben, daß ganz jungfräuliche 5j der unberührt bleiben müssen, wo aber bereits ein bißchen herum— J hn worden ist, da erscheint mir die Bestimmung nicht am Platze. r wollen uns nicht von vornherein gegen den Antrag erklären, 2 seben, ob ein berechtigter Kern zu einer Revision des Berg ere 33 steckt; bis dahin wollen wir weiter bohren lassen, wer
Abg. Herold (Zentr) erklärt, daß seine Freunde ebenfalls de
d ; ; 1 dn ionsberatung gern zustimmen; von allen Seiten sei anerkannt,
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Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Auf die eben von dem Herrn Vorredner angeregte Frage kann ich kurz und bündig antworten, daß es mir nicht einfällt, die Grund= besitzerrechte in Hannover anzutasten.
Abg. von Bockelberg (kons.): Der Antrag Gamp hat den Zw dem übertriebenen Spekulantentum einen in ed ö * Berggesetz von 1865 sollte die Tätigkeit des Unternehmertums unter stũtzen, diesen Zweck hat es aber vollständig erreicht, ja, es hat zu einer mißbräuchlichen Anwendung geführt. Der Antrag enthält aber noch nicht alles, was notwendig ist, und darum müssen wir uns in * . . 665 3 . Herrn Traeger möchte
zedenken geben, daß er all die Bohrgeister, di ief, bi nicht wieder los geworden ist. ) JJ
Darauf wird ein Schlußantrag angenommen.
Der Antrag Gamp wird einer besonderen Kommissi von 14 Mitgliedern überwiesen. ö.
Das Haus geht darauf zur ern heng der dritten Be⸗ ratung des Gesetzentwurfs, betr. die Bekämpfung über— tragbarer Krankheiten, uͤber. . Die allgemeine Besprechung hat bereits in der Sitzung vom 1. Februar stattgefunden, in der dann die weitere Be— ratung abgebrochen worden ist.
Im 81 wird die Anzeigepflicht auf eine Reihe von über⸗ tragbaren Krankheiten ausgedehnt, welche im Reichsgesetze nicht , . Ein Wohnungswechsel eines Erkrankten ist bei der Polizeibehörde innerhalb 24 Stunden anzuzeigen. Auch jeder Todesfall an Lungen- und Kehlkopftuberkulose ist anzu— Eigen, die Erkrankung jedoch nur, wenn ein an vorgeschrittener
6 und Kehlkopftuberkulose Erkrankter die Wohnung wechselt.
Abg. Pallaske beantragt am Schluß den Zusatz: „und nicht heim Wechsel eine Desinfektion der bisherigen Hihi e ,, hat.“
Abg. Dr. von Savigny (Zentr) beantragt, die Anzeigepflicht für Erkrankungen an Tuberkulose gänzlich zu beseitigen.
Abg. Schmedding (Sentr. : Was würde geschehen, wenn dieses Gesetz nicht zu stande käme? Es würde bestehen bleiben das Reichs- gi betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, das Regulativ von 1835, das Polijeigesetz von 1850 und das Allgemelne Landrecht mit seinen betreffenden Bestimmungen. Die Folge würde sein, daß die Kosten für die zu ergreifenden Maßnahmen, soweit sie landespolizeilicher Natur sind, der Staat, im übrigen aber die Gemeinden zu tragen haben. Das vorliegende Gesetz bringt nun aber den Gemeinden ganz erhebliche Entlastungen, die also bel der Nicht- annahme des vorliegenden Gesetzes den Gemeinden verloren gehen würden. Wenn die im Gesetze vorgesehenen Entlastungen fortfielen, so würde das unter Umständen ruinös für manche Gemeinden sein. Würde nun diese Vorlage nicht angenommen, so würden verschiedene Seuchenkrankheiten, nicht anzeigepflichtig sein, wie Diphtherie, Genickstarre, Kindbettfieber, Rüͤckfallfieber. Wie böse das wäre, namentlich in bezug auf die Genickstarre, haben die gestrigen Ver— handlungen bei der Interpellation Faltin gezeigt. Nun könnte man vielleicht sagen, es genüge, das Gesetz auf die Anzeigepflicht zu be— schränken. Aber mit der Anzeige ist die Sache doch nicht getan; es ind noch andere Maßnahmen erforderlich, über die man ja allerdings im einzelnen verschiedener ug gt sein kann. Das Wichtigste aber bleibt doch die Kostenfrage, Ich möchte besonders betonen, daß auf Grund des § 27 die leistungsschwachen Gemeinden ganz besonders berücksichtigt werden; dasselbe, gilt vom § 28, der von den Ein— richtungen handelt, die zur Bekämpfung der Seuche erforderlich sind. Die Ablehnung des vorliegenden Gesetzes und die Aufrecht⸗ erhaltung der bestehenden Vorschriften würde also für die Gemeinden nicht nur keine Vorteile, sondern einen erheblichen Schaden zur Folge haben. Dazu kommt, daß in diesem Gesetz auch die Rechts⸗ mittel verbessert werden. Bayern, Sachsen, Baden, Hessen haben diese Fragen bereits geregelt. Es wäre gewiß angenehmer gewesen, wenn die Staatgregierung sich dazu halte verstehen können, die gesamten Kosten auf ihre Schultern zu nehmens Die langwierigen Verhandlungen der Kommission und die späteren Kompromißverhandlungen müssen uns davon überzeugt haben, daß mehr, als jetzt vorgeschlagen wird, zur Zeit nicht zu erreichen ist. Ich bin aber der festen Ueberzeugung, daß das, was die Kommission nach langen Kämpfen von der Staatsregierung erreicht hat, ein nicht zu verachtender Sieg ist. Ich bitte Sie, den 1 anzunehmen. Sie , fen zu bedauern haben, daß Sie das nicht schon früher getan haben.
Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal— angelegenheiten Dr. Studt:
Meine Herren! Da der Herr Vorredner auf die allgemeinen Ge⸗ sichtépunkte. die bei dem vorliegenden Gesetzentwurf wesentlich in Be⸗ tracht kommen, näher eingegangen ist, so halte ich es für meine Pflicht, zunächst namens der Königlichen Staatsregierung meiner besonderen Genugtuung und dem lebhaften Dank dafür Ausdruck zu geben, daß aus der Mitte dieses hohen Hauses, also diesmal nicht seitens der Königlichen Staatsregierung, die Vorteile, welche mit dem Zustande⸗ kommen des Gesetzes verbunden sein würden, in einer lichtvollen und, wie ich im allgemeinen anerkennen muß, auch durchaus zutreffenden Darstellung Ihnen vor Augen geführt worden sind.
Meine Herren, ich kann es mir ersparen, auf die Einzel heiten zu⸗ rückjzukommen, welche der Herr Vorredner hier zur Geltendmachung seiner Ansicht Ihnen vorgefübrt hat; aber eins möchte ich betonen. Hoffentlich ist durch die Ausfübrungen des Herrn Vorredners das Vorurteil beseitigt, als ob von der Königlichen Staatsregierung mit diesem Ge⸗ setzentwurf nun eine Fülle von neuen Lasten und Ausgaben den Ge— meinden zugemutet würde. Gerade das Gegenteil ist der Fall, und ich habe schon früher hervorzuheben die Ehre gehabt, daß namentlich das vielseitige Entgegenkommen des Herrn Finanzministers, welches Schritt für Schritt bewiesen worden ist, eine so erhebliche Entlastung der Gemeinden und der Verpflichteten herbeifübrte, daß meiner Ansicht nach dem hohen Hause die Wahl nicht schwer fallen kann, ob in Rücksicht auf meines Erachtens untergeordnete Bedenken das Gesetz
zu verwerfen ist oder ob es angenommen werden soll.
Zur Ergänzung der Ausführungen des Herrn Vorredners möchte
ich nur folgendes bemerken. Gerade der § 25 bedeutet einen so
enormen Fortschritt in bezug auf die Entlastung der Gemeinden, wie
es vorab gar nicht vorausgesetzt werden konnte. Sowohl in der
Kommission wie namentlich in der Verhandlung des boben Hauses am
15. Juni v. J. war betont worden, daß die Uebernahme der Kosten
der amtsäritlichen Feststellung von übertragbaren Krankheiten auf den Staat eine ju weit gehende Zumutung sei. Dies hat in der gedachten Sitzung der Herr Abg. von Kölichen ausdrücklich anerkannt und noch hinzugefügt, daß er infolgedessen einen Vermittlungsvorschlag eingebracht habe, der die Kosten des Staates erleichtern sollte. Trotzdem hat der Herr Finanzminister sich bereit erklärt, die Kosten zu übernehmen; und, meine Herren, dies bedeutet einen so außer⸗ ordentlichen Fortschritt erstens nach der Richtung der Entlastung der Gemeinden, zweitens aber nach der Richtung der wirksamen Be⸗ kämpfung der Krankheiten, wie er eigentlich gar nicht hoch genug ver⸗ anschlagt werden kann. Ich bitte zu berücksichtigen, daß sich bisher die Medizinalverwaltung zehnmal überlegen mußte, ob sie in einen leistungsschwachen Gutsbezirk oder in eine leistungsunfähige Gemeinde einen beamteten Arzt schicken sollte, um eine Krankheit zu konstatieren, weil diese Konstatierung auf Kosten der betreffenden Verpflichteten also des Gutsbezirks oder der Gemeinde, erfolgen mußte. Jetzt werden . alle diese Kosten auf die Staatekasse übernommen, und infolgedessen hat die Medizinal verwaltung freie Hand. Eg wird aber auf diese Weise die Aufgabe der Medizinalverwaltung die Seuchen wirksam ju bekämpfen, so gesichert, wie es kaum durch irgend eine andere Maßnahme möglich sein kann. Ich meine, derartige Vorteile können doch wirklich nicht aufgegeben werden.
Aber, meine Herren, der Herr Finanzminister ist noch viel weiter gegangen. Er hat sich bereit erklärt, die Kosten für die Bekãmpfung der Körnerkrankheit, die im Osten unserer Monarchie bekanntlich große Verheerungen anrichtet, bis zu sechs Siebenteln auf den Staat zu übernehmen. Er hat sich endlich bereit erklärt, den Dispositionsfonds der Medizinalverwaltung für medizinal polizelliche Zwecke zu ver— doppeln und somit die Mittel zur Gewährung staatlicher Beihilfen für leistungsschwache Gemeinden erheblich zu verstärken.
Ich darf dann noch erinnern an die bereits erwähnte zugestandene Beteiligung des Staates an den Kosten der Herstellung von Einrich⸗ tungen zu seuchenfreier Zeit und außerdem an die Fälle des § 27, wo es sich um Entschädigungen handelt — meine Herren, lauter Dinge, die bisher jedenfalls in ihrem wesentlichen Teile den Gemeiden zur Last fielen.
Nun, meine Herren, darf ich endlich noch darauf zurückkommen: soweit dieser Widerstand sich auf die Besorgnis gründet, daß der Uebereifer der Medizinalbeamten den Gemeinden erhebliche Mehrkosten aufbürden würde, habe ich diese Besorgnis schon früher zu widerlegen versucht. Diesem vermeintlichen Uebelstande wird aber durch die Ab—⸗ lehnung des Gesetzes und durch die Beibehaltung des bisherigen Rechtszustandes in keiner Weise abgeholfen. Aber wenn Sie sich das Regulativ von 1835, welches Gesetzeskraft hat, näher ansehen, so werden sie darin eine Anzahl von Bestimmungen finden, die, wenn sie durch einen übereifrigen Medizinalbeamten jetzt noch praktisch an— gewendet werden sollten, eine große Beunruhigung und Unzufriedenheit hervorzurufen geeignet sind. Der beträchtliche Vorteil der gegen— wärtig in Aussicht genommenen Gestaltung der gesetzlichen Vor— schriften besteht darin, daß nicht bloß die Befugnisse der Medizinal⸗ beamten genau festgestellt sind, sondern sie sind auch begrenzt, sodaß über den Rahmen derselben nicht mehr hinausgegangen werden kann, während das Regulativ von 1835 in dieser Beziehung einen großen Spielraum bietet. Die Vorteile sprechen hiernach alle so zu Gunsten dieses Gesetzentwurfs, daß, meine Herren, meiner An— sicht nach die Wahl Ihnen nicht zweifelhaft sein kann.
Ich bitte nun, meinem Herrn Kommissar zu 5 1 des Gesetzes, zu dem Antrage des Herrn Abg. von Savigny, das Wort zu erteilen.
Geheimer Obermedizinalrat Dr. Kirchner weist auf die großen Gefahren der Lungentuberkulose hin, die in Preußen nicht weniger als 70 000 Menschen jährlich dahinrafft. In allen Staaten besteht die Anzeigepflicht für die Lungentuberkulose, namentlich in Norwegen und Oesterreich ist man viel wester gegangen. Bei der großen Zahl von Opfern, welche die Tuberkulose fordert, muß energisch gegen diese Krankheit vorgegangen werden.
Abg. Münsterberg (fr. Vgg.) wendet sich gegen alle abschwächenden Anträge; was die Regierung in § 1 e . sei doch äußerst bescheiden. Seine Freunde stimmten nur dem Antrage Pallaske zu, im übrigen den Beschlüssen zweiter Lesung.
Abg. Dr. von Savigny Gentr.) wiederholt die bereits bei der zweiten Lesung von ihm vorgebrachten Gründe für seinen Antrag. Die Anzeigepflicht werde eine ungeheure Belästigung für die tuber⸗ kulösen Kranken, es werde sogar dazu kommen, daß ein Hauswirt nicht mehr an Tuberkulöse oder wenigstens nur unter sehr erschwerenden Bedingungen vermietet. Auch ohne die Anzeigepflicht sei in der letzten Zeit schon eine Abnahme der Krankheiten durch die bis— herigen Maßnahmen zu erzielen gewesen. Durch den vorgeschrie benen polizeilichen Anzeigejwang würde man 700 C00 Tuberkulöse mit ihren sämtlichen Familienangehörigen in die übelste Lage versetzen. Geheimer Obermedizinalrat Dr. Kirchner: Dag geltende Seuchengesetz stammt von 1836, 70 Jahre ist es in Geltung. Sollen alle Fortschritte in der Erkenntnis der Krankheitsursachen unberück—= sichtigt bleiben? Sollen wir das alte Gesetz vielleicht 100 Jahre und noch darüber in Kraft belassen? Erst die letzten Jahrrehnte haben uns die furchtbare Gefahr, die der Bevölkerung von der Tuber⸗ kulose droht, erkennen gelehrt. Der kranke Mensch ist die Gefahr, die Rücksicht auf den einzelnen Kranken muß zurücktreten gegenüber der Rücksicht auf die Gesamtheit.
Abg. Winckler (kons.): Die letzten Ausführungen des Kommissars haben mich noch weniger überzeugt als seine ersten. Durch die Be— stimmungen, welche Herr von Savigny gestrichen haben will, wird in der Tat das Seuchengesetz so unpopulär gemacht, daß tatsächlich hundert Jahre vergehen mögen, ehe wir ein neues zu bekommen wünschen. Soll das Gesetz gut wirken, so muß es populär gestaltet sein. Die großen Eingriffe in das Familienleben und die Freibeit der Person, die durch diese Zwangsbestimmungen verursacht werden, würden die große Mehrheit meiner Partei bestimmen, das
ganze Gesetz zu ver f, Die . würden noch viel schärfer
6. die Vorlage Front gemacht haben, wenn sie genau gewußt
ätten, was ihnen hier droht. Auch in das Verhältnis zwischen
derrschaft und Dienstboten wird hier in verhängnisvoller Weise ein⸗
gegriffen. Wir werden für den Antrag von Savigny stimmen.
Abg. Pallaske zieht seinen Antrag zu ö I zurück.
Abg. Dr. Ru egen berg Gent spricht sich gegen den Antrag von
Savigny und für § 1 aus, da die Anzeigepflicht für Erkrankungen
als ein neues wertvolles Mittel im Kampfe gegen Tuberkulose zu betrachten sei. ö . 6