1905 / 114 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 May 1905 18:00:01 GMT) scan diff

„Die Bevollmächtigten zum Bundesrat, Großherzoglich

hesisscher Ministerialrat Dr. Best, Bürgermeister der .

und Hansestadt Hamburg Dr. Burchard und Senator der

. und Hansestadt Hamburg Dr. Lappenberg sind in erlin angekommen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. Torpedoboot „Sleipner“ auf der Heimreise am 12. Mai in Ferrol ein— getroffen und am 13. Mai von dort nach Kiel in See gegangen.

S. M. S. „Tiger“ ist am 12. Mai in Futschau eingetroffen.

Samburg.

Eine Senatsvorlage, betreffend Aenderung der Ver— fassung und des Zürgerwahlrechts, ist erschienen. Die Notabeln- und Grundeigentümerwahlen sollen nach der Vor— lage, wie „W. T. B.“ berichtet, bestehen bleiben; in den all— gemeinen Wahlen soll künftighin die Stadt 72 Ab— geordnete, das Land 8 Abgeordnete wählen; die Wahl— berechtigten der Stadt werden in drei Gruppen nach der Höhe des Einkommens abgestuft und zwar bis zu 3006 (o, bis zu 6000 (6 und uͤber 6000 66. Jede Gruppe soll 24 Abgeordnete und zwar nach dem System der Pro— portionalwahlen wählen. Alle drei Jahre soll eine halb⸗ schichtige Erneuerung stattfinden, jede Gruppe soll 12 Ab— geordnete auf 6 Jahre wählen. In den Landbezirken bleibt nach der Vorlage das bisherige Wahlrecht bestehen; den Be— amten wird das passive Wahlrecht verliehen. In der Be— gründung der Vorlage helßt es, daß der ungeheure Hudrang sehr niedrig besteuerter und unselbständiger Elemente zum Erwerb des Bürgerrechts nicht vorausgesehen werden konnte. Binnen kurzem würden diese Elemente in den allgemeinen Wahlen fast alle Mandate an sich reißen und mit der Zeit auch in die Notabelnwahlen eindringen. Der Arbeiter— schaft solle ihr Anteil an den öffentlichen Geschäften nicht verkümmert werden, aber sie dürfe die anderen Bevölkerungs⸗ klassen nicht verdrängen. Die erste Wahl nach dem neuen System soll 190 erfolgen.

Oefsterreich⸗ Ungarn.

Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht ein Kaiserliches Patent, durch das die Landtage in Nie der-Oesterreich und der Bukowina zum 17. Mai, in Istrien zum 25. Mai und die vertagten Landtage von Böhmen zum 18. Mai und von Vorarlberg zum 175. Mai einberufen werden.

Das österreichische Abgeordnetenhaus begann am Sonnabend die erste Lesung der Vorlage, betreffend die Errichtung einer talien ischen Rechtsfakultät in Roveredo. Der Abg. Bennatl erwies, wie W. T. B. berichtet, auf den Widerstand der italienischen Bevölkerung Oesterreichs gegen die Errichtung der Fakultat in Roveredo sowie auf deren wiederholt kundgegebenen una bänderlichen Wunsch nach Errichtung, einer italtenischen Universität in Trieff, allein die praktischen und moralischen Grundlagen für ihr Gedeihen gegeben seien. Der Redner sprach die Hoffnung aus, daß die Rechtsfakultät in Triest errichtet und zu einer voll standigen Universität umgestalttt werden würde. Der Abg. Romanchuk

Ruthene) brachte das Verlangen nach Errichtung einer ruthenischen

echtsfakultät in Lemberg zum Ausdruck. Der Abg. Lantan erklaͤrte, die Slovenen erhüben entschieden Einspruch gegen die Er— richtung einer italienischen Universität in Triest oder in Istrien überhaupt, weil, dadurch in Triest eine Festung gegen die Slobenen errichtet werden würde. Der Redner trat für Errichtung einer slovenischen Universität in Laibach ein. Hierauf erklärte der Unterrichtsminister Ritter von Hartel: die Regierung stehe den in den letzten Jahrzehnten sich mehrenden Wünschen nach Errichtung neuer

Univeisitäten durchaus sympathisch gegenüber, sie müsse jedoch auf die

wiederholt dargelegten unentbehrlichen, notwendigen Vorbedingungen für

diese die gebotene Rücksicht nehmen; es werde sich Gelegenheit bieten,

die Fragen der Errichtung einer zweiten tschechischen, einer ruthenischen und einer slovenischen Universität im Ausschusse zu erörtern. In bezug auf die italienische Fakultät erklärte der Minister, die Regierung habe ihr Wohlwollen gegenüber den Italienern dadurch bekundet, daß sie von dem bisher streng eingehaltenen Grundsatz, nur eine Universität, nicht einzelne Fakultäten, zu errichten, abzugeben bereit sei. Es sei nicht die Schuld der Regierung, daß die Roveredo⸗Vorlage nicht

früher dem Parlament zugegangen sei. Der Redner verwies auf die ( 3

Novemberereignisse in Innsbruck, deren Folgen die Regierung mit allen Mitteln für die italienischen Studenten weniger fühlbar zu machen ge⸗ sucht habe, und erklärte sodann, nicht aug Uebelwollen, sondern weil zu befürchten wäre, daß sich in Triest ähnliche Ereignisse wie in Innsbruck abspielen könnten, habe die Regierung sich für eine Stadt in Südtirol entschieden. Uebrigens werde sich im Ausschusse Gelegenheit bieten, über den Sitz der Fakultät näher zu sprechen. Nach dem Minister

sprach der Abg. Conei (Ital) für die Errichtung einer italienischen

Hochschule in Triest; Ellenbogen (Soz.) befürwortete die Gewährung vollständiger Autonomie für alle Nationalitäten, nur diese biste die Rettung für Oesterreich.

Eine mit Erhebungen über gewerbliche Gefangenen— arbeit betraute Kommission, die aus Vertretern des Handels⸗ und Justizministeriums sowie der Handels- und Gewerbe—

kammern besteht, wird sich, W. T. B.“ zufolge, in dem

nächsten Tagen zur Besichtigung verschiedener Arten Straf⸗ anstalten in Sachsen und Preußen dorthin begeben.

Gestern fand in Prag in Anwesenheit des Unterrichts⸗ ministers sowie des Statthalters die feierliche Eröffnung der vom Kaiser gestifteten Landesgalerie des Königreichs Böhmen statt.

Nußland.

Nach einer Meldung der St. Petersburger Telegraphen— agentur aus St. Petersburg ist der gestrige Sonntag ruhig verlaufen. Zwei unbedeutende Versuche, auf dem Preobra— shenskoje⸗Kirchhof, auf dem die am 23. Januar Gefallenen begraben sind, Kundgebungen zu veranstalten, schlugen fehl. Die Ruhestörer wurden sogleich von Kosaken ohne Anwendung von Waffengewalt auseinandergetrieben. Ebenso wurde eine andere Gruppe von Arbeitern, die singend über Wassili⸗Ostrow zog, von Kosaken zerstreut. Auch aus Moskau, Saratow, Tasan, Kronstadt, Rostow, Kischinew, Jekaterinodar, Tomsk, Tiflis, Kiew und Wologda wird gemeldet, daß dort den TaWg über Ruhe herrschte. In Moskau sammelte sich eine große Menge Arbeiter in den Vorstädten an; es wurden Reden gehalten, doch fanden keine Zusammenstöͤße mit der Polizei statt. In Twer entstand im Basar eine bisher unauf⸗ geklärte Panik, in der Kirche mußte der Gottesdienst auf⸗ è3 Frauen und Kinder flüchteten zum Altar. In Reval versuchten etwa 3000 Arbeiter nach einer Kundgebung in einer Vorstadt während der vorletzten Nacht durch die Stadt

gelehnt.

ielten sie 7 km von der Stadt eine Versammlung ab, doch am es dabei h keinen Zusammenstößen.

Wie dieselbe Telegraphenagentur meldet, hat der Senat das Kassationsgesüch Kokiagjews, des Mörders des Großfürsten Sergius, verworfen und das Todesurteil bestätigt. Ferner wird aus St. Petersburg gemeldet, daß dort am Sonnabend der Vizeadmiral Nazimoff von seinem Burschen durch drei Revolverschüsse ermordet sei.

Italien.

In der italienischen Kammer erklärte der Unter— staatssekretär im Ministerium des Aeußern Fusinato auf eine Anfrage Prinettis, daß die in den Jahren js99g und 1902 mit, Frankreich und England getroffenen Abkommen bezüglich der ö Mittelmeerküste noch in

Kraft seien. Schweiz.

Aus Anlaß der internationalen Konferenz für Arbeiterschutz gab der Bundesrat am Sonnabendabend ein Diner, an dem, „W. T. B.“ zufolge, die Gesandten der bei der Konferenz vertretenen Staaten und die Delegierten dieser Staaten teilnahmen. Der Präsident Ruchet brachte einen Trinkspruch aus, in dem er den Wunsch zum Ausdruck brachte, daß die Beratungen der Delegierten von Erfolg gekröst sein und den Weg für eine Verständigung unter den Nationen vorbereiten möchten. Der Redner trank schließlich auf das Wohl der Souveräne, Staatsoberhäupter und Regierungen der bei der Konferenz vertretenen Nationen und auf das der Delegierten. Im Namen der Diplomaten antwortete der französische Bot— schafter Raindie; im Namen der Delegierten erwiderten Ge— heimrat Caspar⸗-Deutschland und Millerand⸗Frankreich.

Türkei.

Der „Frankfurter Zeitung“ wird aus Konstantinopel unterm 14. Mai gemeldet, der französische Botschafter Constans habe dem Minister des Aeußern Tewfik Pascha eine Note überreicht, in der die französische Regierung erklärt, daß die Kotierung der in der vorigen Woche abgeschlossenen französisch-türkischen Anleihe sowie der Anleihe von 1901 so lange verweigert werden würde, bis die drei fran— zösischen Forderungen, betreffend die syrischen Bahnen, die Kais von Konstantinopel und die Armeebestellungen vollständig und in befriedigender Weise erfüllt seien. Die Gttomanbank habe den im Anleihevertrag vorgesehenen Vorschuß von zehn Millionen Francs an die Pforte noch nicht geleistet, weshalb die Pforte am Sonnabend mit der Tabakregie einen Vorschuß von 25 000 Pfund Sterling abschloß. Die Dette publique habe das wiederholte Verlangen nach Vorschüssen entschieden ab⸗

. ziehen, wurden jedoch von der Polizei zerstreut. Gestern

Amerika.

In Wasphington ist gestern, wie „Reuters Bureau“ meldet, der Internationale Eisenbahnkongreß geschlossen worden. Der Kongreß wird nach 5 Jahren in Bern wieder eine Tagung abhalten.

Am Sonnabendabend wurde zu Ehren der Teilnehmer ein Festmahl gegeben, an dem der Schatz sekretär Schaw und der Kriegssekretär Taft teilnahmen. In einer Ansprache wies der Schatzsekretär darauf hin, daß die Aufgabe der Eisenbahn⸗ leute auf den Frieden gerichtet sei, und erklärte, die Ver— einigten Staaten seien eifrigst auf die Erhaltung des Friedens bedacht. Der Schatzsekretär kam dann auf die Handels— politik zu sprechen und sagte, die Vereinigten Staaten tadelten keine Nation deswegen, weil sie Zölle erhebe, um ihre Einnahmen zu sichern, vorausgesetzt, daß diese Zölle nicht schwerer auf Amerika lasteten als auf anderen Nationen. Amerika verlange nur das Recht, zu denselben Bedingungen

auf fremden Märkten zu kaufen wie feine Wettbewerber

im Handel, sowie das Recht, auf jedem Markte unter ebenso günstigen Bedingungen zu verkaufen wie andere Nationen. Amerika wie die übrigen Mächte würden niemals in Zollkriege verwickelt oder zu einer Vergeltungsgesetzgebung gezwungen werden, solange die Vereinigten Staaten ihre gegenwärtige Politik verfolgten und solange die übrigen Mächte diejenigen nicht unterschiedlich behandelten, die gegenüber ihnen selbst keine Unterschiede machen. Asien.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Tolio hatte das Komitee der Konstitutionalisten bei dem Minister⸗ präsidenten Grafen Katsura eine Audienz, um den Fall mit der französischen Neutralität zu besprechen. Graf Katsura versicherte dem Komitee, daß die Regierung ihr Bestes zu Gunsten des Landes täte, und legte die verschiedenen Schritte dar, die getan wären. Das Komitee erstattete der Partei Bericht, und diese sprach ihre Befriedigung über die Haltung

der Regierung aus. Die in der Handelskammer einge—

brachte Resolulion, betreffend die Boykottierung der französischen Waren, ist zurückgezogen worden.

Afrika.

Der deutsche Spezialgesandte Graf Tattenbach ist, „W. T. B.“ zufolge, am 11. Mai Vormittags in Fez ein⸗ getroffen. .

An Stelle Abdullah ben Kaids ist Hadjahmed el—⸗ Torres, der Sohn Mohammeds el-Torres, zum Vertreter des Sultans in Tanger ernannt worden.

Wie der „Frankfurter Zeitung“ gemeldet wird, griffen in der Nähe von Malaga marokkanische Piraten spanische Küstenfahrzeuge an. Die Besatzung des Fahrzeugs „Joven Teresa“ flüchtete in einem Boot und wurde von dem Post⸗ dampfer „Ciudad de Mahon“ geborgen. Die „Joven Teresa“ wurde von den Seeräubern weggenommen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die vorgestrige Sitzung des Hauses 1e. Abgeordneten befindet sich in der Ersten und Zweiten eilage.

In der heutigen (181) rn des Hauses der Abgeordneten, welcher der Justizminister Dr. Schönstedt und der Minister für Landwirtschaft 2c. von Pod bielgki bei⸗ wohnten, gelangte zunächst der Gesetz ent wurf, betreffend die Aenderung der Amtsgerichtsbezirke Cochem, Mayen und Zell a. d. Mosel, zur dritten Beratung.

Abg. Mooren (entr) spricht sich in längeren Ausführungen

für die Ablehnung der Vorlage und für die Ueberwelsung einer Petitlon

aus Kaisersesch um Errichtung eines Amtsgerichts in Kaisertesch an die Regierung zur Berücksichtigung aus.

Justiüminister Dr. Schönstedt: Es ist ein nicht gewöhnlicher Vorgang, daß ein a ,. der einer Kommissionsberatung über⸗ wiesen war, in der Kommission mit großer Mehrheit angenommen ist und in zweiter Lesung im Plenum fast ohne Diskussion eine Mehr⸗ heit gefunden hat, bet der dritten Lesung auf eine gaͤnzliche Ablehnung stößt. Dies könnte doch vielleicht benni Jr, auch mit Rücksicht darauf, daß die Besetzung des Hauses bei der dritten Lesung eine andere sein kann als neulich bei der zweiten. In der Sache selbst glaube ich mich auf eingehende Ausführungen nicht einlassen zu sollen, weil, die Sache im ö, bericht ausführlich dargelegt ist. Die Ausführungen des Abg. Mooren sind mir, wie wohl auch den Hause, zum größten Teil nicht ver⸗ ständlich geworden; wir haben nur die . gehört, daß in Kaisersesch früher schon seit dem 14. Jahrhundert eln Gericht be— standen habe. Das ist mir nicht bekannt; ich weiß nur, daß im Jahre 1821 ein damals bestehendes Gericht aufgehoben worden ist. Anträge auf Errichtung eines Amtsgerichts daselbst sind erst seit 1897 gekommen, aber vom Oberlandesgericht in Cöln und vom Land— gericht in Koblenz abgelehnt worden. Der Minister führt weiter aus, daß die Eingesessenen von Kaisersesch mit einer neuen Eisenbahn ihr Gericht in Mayen erreichen könnten, und daß die örtlichen Ver— hältnisse in Kaisersesch nicht für ein Gericht geeignet seien, da die nötigen Wohnungen gar nicht vorhanden seien. Die Einrichtung von Gerichtstagen in Kaisersesch solle in wohlwollende Erwägung gezogen werden. . . sch Abg. Dinslage (Zentr,) tritt für die Petition aus Kaisers— esch ein.

Justizminister Dr. Schönstedt bittet wiederholt um die An— nahme der Vorlage. ;

Nach weiteren Bemerkungen des Abg. Mooren wird die Vorlage gegen die Stimmen eines Teils des Zentrums an— gengmmen. Der Antrag auf Ueherweisung der Petition an die Regierung wird abgelehnt, die Petition für erledigt erklärt.

In dritter Beratung werden ferner der Gesetzent wurf, betreffend die Aenderung der Amtsgerichtsbezirke Köslin, Kolberg und Körlin, und der Gesetzentwurf zur Abänderung des Gesetzes vom 12. März 1881, be⸗ treffend die Ausführung des Reichsviehseuchen— gesetzes, ohne Debatte angenommen.

Darauf folgt die dritte Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Verwaltung gemeinschaftlicher Jagd⸗ bezirke.

Zu 81, in dem nach den Beschlüssen zweiter Lesung der Vorsteher der Gemeinde zum Jagdvorsteher und Verwalter der Jagdgenossenschaft bestellt wird, ist von den Abgg. Herold und Wallenborn (Zentr.) beantragt, folgenden neuen Absatz einzuschalten:

»In Tenjenigen Gemeinden der Rheinprovinz, welche aus mehreren Ortschaften bestehen, bestimmt die Gemeindevertretung für jede Ortschaft aus deren Jagdgenossen den Jagdvorsteher und dessen Stellvertreter. ö .

Ferner hat Abg. von Oldenburg (kons) seinen bei der zweiten Lesung zu abgelehnten Antrag wieder aufgenommen, nach dem nicht „jeder Jagdgenosse“, sondern nur „mindestens ein Drittel der Jagdgenossen“ berechtigt sein soll, Einspruch gegen die Art der Verpachtung und die Pachtbedingungen zu erheben. . ;

In der Diskussion führt

Abg. Sielermann (kons.) aus, daß die bei der zweiten Lesung gefaßten Beschlüsse den Interessen der bäuerlichen Ja dgenossen nicht gerecht würden. Nur ein gewählter Jagdvorftand sei imstande, deren Interessen zu vertreten. Es sei unbegreiflich, wes⸗ halb man den Bauern dieses Wahlrecht nicht geben wolle. Die weiteren Erörterungen des Redners gehen bel der Unruhe des Hauses für die Berxichterstattertribüne verloren.

Abg. Dr. Heisig (Zentr.): Auch wir würden im Interesse unserer schlesischen Bauern es begrüßen, wenn der Jagdvorstand gewahlt würde. Da dies aber nicht zu erreichen ist, sind wir mit dem zu— frieden, was die Vorlage bietet. Der Antrag von Oldenburg würde den Interessen der kleinen Besitzer widersprechen. So weit darf man das Einspruchsrecht unter keinen Umständen beschränken.

Abg. Witzm ann (ul) spricht sich für die bei der zweiten Lesung gefaßten Beschtüsse aus.

Abg. Herold (Zentr.): Wenn der Abg. Sielermann die Auffassung vertritt, daß die Vorlage nach den Beschlüssen der zweiten Lesung die Rechte des Bauernstandes einschränke, so bin ich entgegengesetzter Meinung. Ich würde zu einer solchen Einschränkung nie meine Zu⸗ stimmung geben und ein so gestaltetes Gesetz verwerfen. Da wir ohne die Staatsregierung ein neues Gesetz nicht machen können, den jetzigen Zustand aber niemand, auch Herr Sielermann und feine Gesinnungs⸗ genossen nicht aufrecht erhalten wollen, so müffen wir uns leben auf das Exrreichbare beschränken und uns auf die Beschlüsse der zweiten Lesung zurückziehen. Auch gegen den Antrag Oldenburg muß ich mich wenden. Das Einspruchsrecht jedes Jagdgenossen muß hestehen bleiben. Namentlich im Osten, wo der Großgrundbesitz vorherrscht, unterliegen auch die Gemeindevorsteher starken Einflüssen, und diesen gegenüber muß es auch dem letzten Jagdgenossen freisiehen, gegen die Verpachtung Einspruch zu erheben.

Minister für Landwirtschaft 2. von Podbielski: Das Haus

wolle nicht außer acht lassen, daß ein von den großen Parteien aus⸗ gegangener Initigtivantrag die Staatsregierung aufgefordert hat, Ordnung in dieser Materie zu schaffen. Ein Jagdgesetz, das alle Teile vollständig befriedigt und es allen Tellen recht macht, wird nie zustande zu bringen sein. Auch die hannobersche Jagdordnung ist nach der Meinung der Regierung keine gute; der ursprüngliche Entwurf umfaßte auch diese Provinz, die nunmehr von dem Geltungebereich des Gesetzes ausgenommen werden soll. Wenn Herr Sielermann anregt, die Sache solle bei 10 Morgen anfangen, so geht dies auch nicht an. Niemand liegt es ferner als der landwirtschaftlichen Verwaltung, ein Gesetz borzuschlagen, das die Rechte der Bauernschaft irgenwie beein⸗ trächtigt. Es soll nur Ordnung und Sicherheit geschaffen werden. Gegen den Antrag Oldenburg habe ich meinerseits feine Bedenken. Im übrigen kann ich Sie nur bitten, den Boden der Verständigung zu betreten und durch Annahme der Beschlüsse der zweiten Lesung für eine lange Zeit Ruhe zu schaffen. Abg. von Oldenburg (kon): Die Jagd ist ja eigentlich ine ganz unpolitische Sache. Wir haben Feine konserbativen Hasen, keine Zentrumsfüchse und keine freisinnigen Hirsche. Das politische Moment scheidet hier ganz aus. Wir wöllen den kleinen Grundbesitz nicht glücklicher machen, als er eg selbst will. Für meinen Antrag tritt meine ganze Fraktion einschließlich aller kleinen rn , ein. Wenn er abgelehnt wird, wird das Gesetz für den größten Teil meiner Fraktion unannehmbar. Dag Beste wäre eine prinzipielle Regelung gewesen; die jetzigen Beschlüsse sind in der Kommission nur dadurch zuftande gekommen, daß Hannover und. Hessen,. Nassau ausgeschlossen wurden. Was Herr Sielermann vorschlug, ging darauf hinaus, daß die Besitzer bis zu 10 Morgen eine Stimme, bis zu 20 Morgen zwei Stimmen usw. haben sollten. Dadurch würde die Sache sehr kompliziert werden, aber Hert Sielermann ist mit uns im Gegensatz zu Herrn Herold der Meinung, daß damit die Rechte der kleinen Bauern nicht im geringsten beeinträchtigt werden würden. Um die aufgetretenen Mißstände zu bekämpfen, soll jetzt eine Jagdaufsichtsbehörde geschaffen werden; aber diese soll nur in Funktion treten, wenn die Gemeinde in sich uneintz sst. Diese Uneinigkeit bitten wir erst als in anzusehen, wenn ein Drittel der Jagdgenossen Widerspruch 44 *

6

Hrom berg Breslau

Statiftik und Volkswirtschaft.

Schlachtvieh und Fleischbeschau im Deutschen Reich. Zahl der im 1. Vierteljahr 1905 be scha

uten Schlachttiere.

Zusammengestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt.

Staaten

und

Landesteile

Pferde und andere

Einhufer

Ochsen

Kühe

3 Monate alt

Zahl der Tiere, an denen die Schlachtpieh⸗ und Fleischbeschau vorgenommen wurde

Schafe

probin⸗ Ostpreußen Westpreußen Stadt Berlin

Hohenzollern

370 186 2977 1804 695 166 4537 2325 1385 1995 2252 742 4416

1800 1168 19 397 5993

553 867

4573 29665 3374 3240 2566 8488 18173

59

8 459 6536 41565 26 605 9076 6 856 34 266

3039

751 337 872 031

277 324

29 298 28 889 41217 52 685 25 790 33 146 100100 37 632 41251 30 636 47 750 46 677 96 047

875

7201 9 89 105 523 23 576 36 216 5533 6 6h 23 gi) 363833 17 343 35655 15 257 25 345

33

Königreich Preußen...

Bayern rechts des Rheins ö Bayern links des Rheins...

23 850

2616 204

73 206 28 084

663

247 988

43 071

3515

611993

158 523 12274

289 849 30 277

739

Königreich Bayern,

Königreich Sachsen Württemberg Baden

Reuß ältere Linie. Reuß jüngere Linie

Bremen Hamburg

2819

36 84 7 38 210 675 1381

710

28 747

10229 3863 6141 5780

166 394 39 395 219 245 76 307 323 49 199 41

17 138

1181 4884 5075

1796 1311 2157 2963 2377 1731

1863

46586

39 065 11667 11169 9030 3815 3041

479

985 827 204 591

194 593

1442

806

2046 17940

170797

104 851 44 681 40 525 17716

* 23

375 5 874 3612 5220 6688 3269 3561 3612 4141 1396 1535

691 1144 2516

458 1976 4583 4788

14069 33 7330

31016

49142 5963 4320 3433 5581 3 909

31 167 11256

hb5

.

6 362

1808 1506

2989

5 309 806 843 111 975 1848 61 122 1178

2 864

. 1 22

SSG S

Deutsches Reich ... dagegen im ö. Viertelj. 1904.

Die Ergebnisse der Schlachtvieh und Fleischbeschau so wie der Trichinenschau im Bierteljahr vom 1. J

35 hh 14 669 235 837

142039. 152 8660 145 587

112 6565 115 ih rh 175)

185 782 1120 801 999 291 246 478 1 072 355

bis 31. März 1905 für den preußischen Staat.

451 9458 hoh gg 768 451.

Staat.

Provinzen. Pferde und

andere Einhufer

Regierungsbezirke.

Zahl der Tiere, an denen die Schlachtoieh⸗

Bullen

Kühe

und Fleis

Kälber bis

Q MNonate alt.

chbes

Schafe

.

. Allgemeine Schlach tyieh. und Fleisch ehen chau vorgenommen wurde:

II. Trichinensch au Zahl der auf Trichinen (u. Finnen) unter⸗ suchten Schweine .

davon waren

Provinzen. Ostvreußen .... Westpreußen

Stadtkrelz Berlin 2977

Brandenburg... bommern

Schlesien 4537 Sachs 2325

1385 w 1995 ,, 2252

hessen·Nassau ..

Rheinland... 4416

Hohenzollern ; Regierungs⸗ be zirke Königsberg... Gumbinnen...

73 20s

1800 1168 19 zh 5 ghz 563 867. 4573 2965 3 574

23 850

366 19 397 14756

369 2 564

1540 990

285 221

2898 2748 11763 10561 3996 2443 11085 5 527 2094 6606 4722 1390 6 264

8 459 h 5h6 4 5665 26 565 9076 6556 34 250 19 751 11 357 11 5872 33 65 16 0659

21 338 7960 14122 14767 41217 29 421 23 264 11707 7833 6 250 21 615 11531 40062 28 936 31102 14739 15 546 7347 41251 8230 10 388 4397 1677

2369 9471 8 653 29 626 14 555 32 122 13 938 35 487 22173 14535 9914 875

3. 72 094 247 988 90 203 611 993 2 308917

29298 28 889 41217 52 685 25 790 33 146 109100 37 632 41251 30 636 47750 46677 96 047

1

289 Sag

7201 9959 108 524. 23 526 26 2465 9 623. 18 559

2—

Ddẽů ——— 2

11

1

3 348 818

104 6

96 432 261 651. 342 075 132 453 141 819 381 261 406 895

99165 428 689 334 2265 209 559 411 .

71925 32 524 43904 51 528 261 031 137 368 154 707 92688 27 245 12 520 88 869 52 980 133993 93 877 153 391 156153 169 721 81021 99165 106619 97 572 101 246 60 540 52 921 9791 37 406 132 854 163 966 137 654 71935 27 588 224 4195 77 682 37174 44 845

Die Zentralstelle für Arbeiter wohlfahrtseinrich- tungen versendet jetzt die Einladungen zu ihrer 14. Konferenz, die am 5. und tz. Juni in Ha gen i. W. stattfinden wird. Auf der Tagegordnung stehen folgende Themata: I. Vie Belehrung der Arbeiter über die ,, . in gewerblichen Betrieben“; als Grund⸗ lage für die Diskussion wird die Frage in acht Referaten unter fol⸗ genden Gesichtspunkten behandelt werden: was kann zur Lösung dieser Frage a. der Arbeitgeber, b. der Arbeiter, . de Fabrik bezw. rankenkassenarzt, d. der Gewerbeaufsichtsbeamte, . die Medizinalbehörde, f. die Landegversicherungsanstalt, g. die Schulbehörde, h. die Preffe tun? 11. .Die Gestaltung des Arbeiterwohnhauses (das Haus in feiner srzieherischen Bedeutung, Entwickelung und heutiger Stand des Arbeiterwohnhausbaues, die Notwendigkeit verschiedener Wohnhaus. typen, das Bauernhaus in seiner vorbildlichen Bedeutung für den Arbeiterwohnhausbau, mit Lichtbildern, Grundriß und Außenbau, Innenausbau und Einrichtung, Arbeiterkolonien, Gärten). Gelegentlich der Konferenz wird im Folkwang Museum des Herrn Karl Ernst Osthaus eine Autstellung von Photographien, Zeichnungen und Modellen architektonisch mustergülliger Arbeiter⸗ wohnhäuser und Beispiele guter, einfacher Häuser staltfinden. Auf dieser Ausstellung werden u. a. vertreten fein die Firmen Fried. Krupp⸗Essen, Gelsenkirchener Bergwerks. Aktiengesellschaft, Maschinen. baugesellschaft in Nürnberg, Ulrich Gminder Reutlingen. Am Montag, den . Jun. Nachmittagß, wird K. E. Ssthaus in feinem Museum über seine Bestrebungen zur Hebung der künstlerischen Kultur einen Vortrag halten, an den sich esne Besichtigung des Folkwang. Museums anschließen wird. Anmel dungen zu der Konferenz sind an die Zentralstelle für Arbeiterwohl fahrttzeinrichtungen in Berlin SW. 33 Dessauer Straße 14, zu richten.

Die Einwanderung in die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Verteilung auf die einzelnen Territorien.

Ven den 812 870 Menschen, die im Fiskaljahre vom 1. Juli 1903 bis 30. Juni 19604 in die Vereinigten Staaten von Amerika eingewandert sind, haben nach dem letzten Bericht des Einwanderungskommissars der Union mehr als die Hälfte, nämlich 541 979 Personen oder 67 der gesamten Einwande⸗ rung, ihren Aufenthalt in den nordatlantischen Staaten genommen, und zwar 32 000 im Staate New York, 18 in Pennsylvanien, oo in Massachusetts, Ho in New Jersey, 2,z og in Connecticut, Loo in Rhode Jeland, weitere 15R7 , in den übrigen nordatlantischen Territorien. Nach den nördlichen Binnenstaaten wanderten ins gesamt 176 405 Personen oder 220, die sich in ber Hauptsache auf Illinois oo), Shio (4 o/o, Minnesota (300), Michigan (1, Som), Montana (1,8 o/o) verteilten. Die westlichen Staaten wurden bon 47 221 Ein- wanderern oder 5 oo der Gesamteinwanderung aufgefucht, von denen 30 in Kalifornien und 196 im Staate Washington blieben. Weit geringer war die Einwanderung in die südlichen Staaten; die am Atlantischen Ozean gelegenen zählten 22 621 Personen oder 3 0,, die im Binnenland gar nur 12024 oder 150 Ebenfalls mit 10jñͤ0 (10 938 Personen) sind die Territorien Porto Rico, Hawaii und Alaska beteiligt gewesen.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Bäckergesellen in Frankfurt a. M. beabsichtigen, wie die „Frkf. Ztg., mitteilt, in eine Lohnbewegung einzutreten, um einen Tarif zu erhalten, der ihnen Arbeitszeitverkürzung, Lohnerhöhung und jede Woche einen freien Tag verschafft. In den nächsten Tagen soll über die Lohnbewegung definitiver Beschluß gefaßt werden.

Der Ausstand der Maler und Änstreicher in CEzln (vgl. Nr. 95 d. Bl.) ist, der „Köln. Itg.“ zufolge, beendet; am Sonn- abend., wurde die Arbeit wieder aufgenommen. In einer Ver— sammlung wurde mitgeteilt, daß die Gehilfen den neuen Lohntarif nicht durchzudrücken vermocht hätten, diefen hätten nur 112 Meister anerkannt. Auch einen mäßigeren Lohntarif hätten die Meister

nicht angenommen. Wenn man jetzt empfehlen müsse, die Arbeit bedingungslos wieder aufzunehmen, so handle es sich aber nur um eine vorläufige Wiederaufnahme und um eine Vertagung der Lohn— bewegung auf unbestimmte Zeit.

In der Seidenweberei von Deuß und Oetker in Schief⸗ bahn bei Crefeld haben, wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, 66z Arbeiter e, , vor Ablauf der Kündigungsfrist eingestellt (931. Rr. 102 d. Bl..

Die Verwaltung der Flensburger Schiffs bau gesellschaft hat, wie ‚W. T. B.“ meldet, die von den Arbeitern gewünschte An⸗ rufung eines Einigungsamts abgelehnt. Der Ausstand dauert fort (vgl. Nr. 117 d. BI.).

In Gnesen haben, nach einem Telegramm des W. T. 22 die Tagelöhner, die vor einiger Zeit in den Ausstand getreten waren, heute die Arbeit wiederaufgenommen, ohne Vorteile bei den Arbeitgebern errungen zu haben. Auch bei der Kanalsfation wurden die Arbeiten heute wieder in Angriff genommen.

Der Verband der Arbeitgeber für das Schneider⸗ gewerbe in Hamburg gibt, wie dasselbe Bureau mitteilt. bekannt, daß infolge des Ausstandes die dem Verbande angehörenden Firmen gezwungen sind, ihre Fabrikwerkstätten zu schließen.

Ueber einige Ausstände in Belgien berichtet die Köln. Ztg.“: In Vervierg hat die Aktien-Gießerei ihre sämtlichen Former entlassen, weil sie statt des zehnstündigen nicht den elfstũndigen Arbeitstag einführen wollten. Auf der Zeche Grand Fonty“ bei Charleroi traten 4q0 Bergleute in den Aus- stand, weil vier Kameraden wegen ungenügender Leistungen ent- lassen worden waren. Auf der Zeche Courcelkes ? Nord“ verweigerten 200 Mann die Einfahrt, weil die Grubenleitung ihnen eine Lohnerhöhung abgeschlagen hatte. Auf dem Hüttenwerk La Mötalluargidue“ sind 1II0 Former und Kefselschmiede Aus˖ ständig; sie berlangen einen Anteil an dem Gewinn.

In einer stark besuchten Generalversammlun g des schweizerischen Bau meister verbandes in Zürich wurde, dem W. T. B.“ zufolge, beschlossen, für den Fall, daß die schwebenden Ausstände in Zürich, Basel und Bern nicht in kurzer Zeit unter befriedigenden Bedingungen beendet seien, die Schließung aller Bauplatze bei den Verbandamitgliedern in der ganzen Schweiz in Aussicht zu nehmen. Der Zentralvorstand erbielt den Auftrag, seine Bemühungen dahin zu richten, daß es nicht nötig werde, dieses außerste Verteidigungsmittel zu ergreifen (99. Nr. 113 d. Bl.)

In Chieago hielten, wie W. T. B. berichtet, die Vertreter der Fuhrleute eine Versammlung ab, um ju beraten, ob sie den Ausstand für beendet erklären sollen. Die vereinigten Fubhrwerks-⸗ besitzer haben der Union angeraten, den Ausfland ju beendigen. (Vgl. Nr. 112 d. Bl.)

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Ueber den Stand der Arbeiten und Kulturen wird der Schweizerischen Landwirtschaftlichen Zeitschrift' unterm 6. Mai aus 86 geschrieben; Ein Frühling nach Wunsch ist der heurige für den

bsibauer. Noch haben keine Fröste irgendwelchen Schaden gestiftet, und die anhaltend feuchtwarme Witterung fördert die Befruchtung der Blüten, deren es so viele sind, wie man nach einem fo reichlichen Blütenansatz wie letztes Jahr kaum vermutet hat. Fast kein Baum ist, der nicht blüt. Dem Wiesenwirt winkt eine gute Ernte, trotz der vielen Engerlinge. Auch die Weiden zeigen schönen Graswuchs. Trotz der nicht seltenen Niederschläge hat man doch die Arbeiten in Garten und Feld so fördern können, daß der größte Teil dabon be— wältigt ist. Wenn nun nur nicht etwa verspätete Kälterückschläge die vielen geweckten Hoffnungen zerstören.