handlungen über die Kaufmannktgerichte sich nicht zutreffend erinnert. Nach dem stenographischen Bericht hat der Herr Staatssekretär des Innern in der Sitzung vom 8. Juni vorigen Jahres erklärt, daß es mit der Bildung von Sondergerichten nicht so weiter gehen könne, daß dieser Bildung nunmehr ein Ziel gesetzt werden müsse, und daß, um den be⸗ stehenden, jweifellos vorhandenen Uebelständen abzuhelfen, jetzt der Weg gewählt werden müsse, eine grundsätzliche Aenderung des amts— gerichtlichen Verfahrens herbeizuführen. In dieser Erklärung steht nichts, wie die Ausführungen des Herrn Abgeordneten erwarten ließen, von dem landgerichtlichen Verfahren, und es kommt allein für die Entlastung des Reichsgerichts in Betracht, und es steht in dieser Er— klärung nichts davon, daß diese Revision alsbald erfolgen müsse. Ich kann also meine Erklärung nur aufrecht erhalten und muß betonen, daß das, was der Herr Abg. Müller (Meiningen) vorhin Über die kũnftige Reform des Zivilprozesses ausgeführt hatte, nicht geeignet ist, einen Grund abzugeben für einen noch weiteren Aufschub der durch die Vorlage bezielten Reform.
Nun, meine Herren, hat der Herr Vorredner eine Bemerkung
gemacht, der ich sofort widersprechen muß. Er hat den Oberlandes⸗ gerichten einen Vorwurf gemacht, der, wenn er begründet wäre, die Ehre und das Ansehen der Oberlandesgerichte in einer empfindlichen Weise schädigen müßte. (Sehr richtig) Er hat behauptet, daß, wenn die Kompetenz der Oberlandesgerichte in letzter Instanz erweitert würde, die Uebung, die schon jetzt bestehe, daß die Oberlandesgerichte sich an die Grundsätze der Judikatur des Reichsgerichts nur so weit, wie dessen Kompetenz reiche, bänden, im Übrigen aber nicht, noch vergrößert werden würde, und er hat sich darauf berufen, daß in Referendarienkreisen offen erzählt würde, es würde bei der Beratung in den Kollegien der Oberlandesgerichte die Frage vielfach aufge— worfen, ob denn die Sache revisibel sei. Ich erinnere mich, daß auch schon in den Vorverhandlungen in der Kommission zu meinem lebhaften Bedauern mehrfach auf Gespräche in Weinstuben und auf Bierbänken Bezug genommen worden ist über dasjenige, was beim Reichsgericht und bei Oberlandesgerichten angeblich vorkomme. Ich kann das nicht als eine Art von Diskussion ansehen, mit der viel zu beweisen ist. Wenn aber jetzt sogar der Referendarienklatsch mit als Beweisgrund herangezogen wird (Heiterkeit), dann geht das doch wirklich zu weit. Ich halte es gar nicht für unmöglich, daß in einem einzelnen Falle die Frage gestellt wird, ob eine Sache revisibel sei oder nicht, aber die geehrten Herren Referendarin, die Ohren⸗ zeugen solcher Unterhaltung gewesen sind, haben diese Frage nicht ver⸗ standen. Es handelt sich dabei nicht darum, die Revisibilität festzu⸗ stellen zu dem Zwecke, mangels der Revisibilität leichtsinniger und ohne Rücksicht auf die reichsgerichtliche Judikatur zu verfahren, ondern in dem Zwecke, um um so vstrenger die Rechtsgrundsätze, die bei dem einzelnen Falle zur Anwendung kommen müssen, zu prüfen, weil in solchen Fällen der Partei eine weitere Instanz nicht gegeben ist, während ihr im anderen Falle der Weg an das Reichsgericht noch gegeben sein würde. Das, meine Herren, ist der würdigen Haltung hoher Gerichtshöfe durchaus entsprechend und wird, wie ich glaube, auch in Zukunft noch geschehen, wenn die Vorschläge, die Ihre Kommission gemacht hat, Annahme finden sollten. Wenn aber solche Fragen gestellt sein sollten in dem Sinne, den der Herr Abg. Bruhn unterstellt hat, so muß ich sagen, ich würde das nicht als eine Auffassung ansehen können, die der Würde eines Richters in der oberen Instanz entspricht. Ich würde sie für pflichtwidrig halten, da die Gerichtshöfe bei gleicher Rechtslage in verschiedenen Sachen nach gleichen Rechtsgrundsätzen urteilen müssen, und da ich nicht an= nehmen kann, daß in entgegengesetzter und pflichtwidriger Weise die Gerichte verfahren, so weise ich die Bemerkung des Herrn Abgeordneten entschieden zurück.
Abg. Dove (fr. Vgg.): Wir werden dem Entwurf zustimmen aber nur mit schwerem Herzen. Wir sind der Meinung, daß die sogenannten kleinen Mittel, ein wenig Begründungszwang usw., nicht bis zur äußersten Konsequenz durchgeführt sind, um das Ziel erreichen zu können. Was den Vorschlag einer Vermehrung der Richter angeht so wächst mit deren Zahl, die Schwierigkeit ihrer Auswahl Auch alle die kleinen Nebenrücksichten, die geübt werden, führen dahin daß bei der Auswahl nicht gehörig verfahren werden kann. Der Abg' Bruhn betonte den sozialen Gesichtspunkt der Benachteiligung der Armen. Ven diesem Standrunkt aus wäre jede Revisionssumme zu verwerfen, aber dieser Vorschlag soll nur Eindruck auf die große Masse draußen machen. Das Reichsgericht hat nur allgemeine Gefichts— punkte für die Rechtsprechung aufzustellen; es kann gar nicht jeden einzelnen Fall bis in jede Einzelbeit nachprüfen. Wir haben es hier mit einem Notgesetz zu tun, um den gegenwärtigen Kalamltäten abzuhelfen und erträgliche Zustände zu schaffen, bis die große Reform der Zivilprozeßordnung kommt. Wenn das der Fall ist, wollen wir alle mit vereinten Kraͤften zu einer wirklichen Beseitigung aller Miß⸗ stände zusammenarbeiten.
Abg. Dr. Brun stermann (b. k. F.): Meine Freund in der weiten Lesung für die Hir. J ö. 3 . stimmen, behalten sich aber die endgültige Stellung bis zur dritten
Lesung vor.
Abg. von Chrzanowski (Pole): Auch wir halten die Herauf— setzung der Revisionssumme für eine Benachteiligung und Schadigung der minderhbegüterten Bevölkerung, für einen Räckschritt in' der Sozialpolitik und im Widerspruch stehend mit den leitenden Grund— sätzen unserer Partei. Die Erhöhung der Revisions summe ist aber auch eine Gefahr für die Gesamtheit. Wir befürchten, daß die Urteils der Oberlandesgerichte an Wert verlieren. Das beste Mittel zur Entlastung des Reichsgerichts wäre eine Vermehrung der Mitglieder der Senate oder die Schaffung neuer Senate. Auf keinen Fall darf die allgemeine Rechtssicherheit leiden.
Hierauf wird Vertagung beschlossen.
„Schluß i Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Erst ,, kanknoten zu 8 und 20 6; Fortsetzung der eben abge— brochenen Beratung) ͤ
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 183. Sitzung vom 18. Mai 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht die zweite Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aban derung a n, Bestimmungen des Allgemeinen Ber gesetzes vom 24. Juni 1865/1892 (über die Arbeiterverhaäͤltnisse).
Danach soll der zweite Absatz des 8 8o des Allgemei ; gesetzes folgende Fassung jw. gemeinen Berg
Der Bergwerksbesitzer ist berechtigt, für den Fall der rechts widrigen Auflösung des er , fr dr gf. dies fe Bergmann die Verwirkung des rückständigen Lohnes bis zum Betrage des durchschnittlichen Wochenlohnes auszubedingen.
Der verwirkte Betrag verfällt zu Gunsten der Ünter— stützungs kasse des Werkes oder, wo solche nicht besteht, zu Gunsten der für die Arbeiter des betreffenden Werkes zu stn digen K
er berechtigten Kasse ist der verwirkte Betrag binnen sechs Wochen nach der Abrechnung über den verwirkten W! .
Abg. Brust (Zentr) beantragt, di a,. var hin . ) 9 esen Kommissions—⸗ eber den Beginn der Verhandlungen ist in d tri Nummer d. Bl. berichtet . ö e nen
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herren! Ich habe vorab den Auftrag, das lebhafte Be— dauern des Herrn Ministerpräsidenten auszusprechen, daß er in diesen Tagen nicht hier in Ihrer Mitte sein kann. Leider haben einerseits die Geschäftslage dieses Hauses und anderseits die Pflichten, die ihn auswärts festhalten, es ihm unmöglich gemacht, hier zu erscheinen. Er behält sich ausdrücklich vor, in der dritten Lesung hier seine Meinung zum Ausdruck zu bringen.
. Dieselbe Lage der Verhältnisse hat auch dazu geführt, daß ich leider nicht in der Lage bin, heute hier eine definitive Stellungnahme der Staatsregierung zu den einzelnen Beschlüssen der zweiten Lesung zu erklären, und ich möchte meinen, daß das auch in diesem Augen⸗ blick keine besonders schwere Bedeutung hat. Ich stimme darin im wesentlichen mit dem Herrn Vorredner überein. Auch ich halte die Beschlüsse der zweiten Lesung nicht für endgültige Beschlüsse; auch ich habe die bestimmte Hoffnung, daß das hohe Haus in sehr wesentlichen Punkten sich der Regierungsvorlage wieder annähern wird, um der Königlichen Staateregierung die Möglichkeit zu geben, in der Lösung, die dies bohe Haus dem Gesetzentwurf geben wird, eine Lösung des— jenigen zu sehen, was sie ihrerseits geglaubt hat, vorab öffentlich bekannt geben zu müssen.
Meine Herren, auf die Einzelheiten, auf die die beiden Herren Vorredner eingegangen sind, meinerseits einzugehen, würde meines Er— achtens die Diskussion unnütz in die Länge ziehen. Ich behalte mir vor, bei der Einzeldiskussion auf jeden einzelnen Punkt zurückzukommen. Zu dem jetzt zur Diskussion stehenden Punkt, zu der Einschaltung der Kommission in den 8§ So, liegen erhebliche Bedenken vor, die ich bereits in der Kommission geltend gemacht habe. Die juristischen und staats— rechtlichen Bedenken dagegen vorzutragen, hat sich der Herr Justiz⸗ minister vorbehalten; ich kann daher darauf verzichten. Justizminister Dr. Schönste dt:
Meine Herren, im Anschluß an die Bemerkungen des Herrn Handels ministers möchte ich mir gestatten, gleich hier als Vertreter der Justizverwaltung diejenigen Bedenken vorzutragen, welche gegen den § 80 in der Fassung des Kommissionsantrags zu erheben sind. Dieser Kommissionsöeschluß enthält ein Doppeltes: er wiederholt zu⸗ nächst in positiver Form das, was in dem Berggesetz bereits in negativer Form ausgesprochen sist, daß nämlich für den Fall der rechts⸗ widrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Bergmann die Verwirkung des rückständigen Lohnes bis zum Betrage des durch⸗ schnittlichen Wochenlohnes zwischen dem Arbeiter und dem Bergwerks⸗ besitzer vereinbart werden kann. Gegen diese Bestimmung, die im wesentlichen derjenigen, die geltenden Rechts ist und sich in un— angefochtener Geltung befindet, entspricht, würde an sich kein Be— denken vorliegen. Es wird unsererseits kein Gewicht darauf gelegt, ob die negative oder die positive Fassung gewählt wird, es kommt im wesentlichen auf dasselbe hinaus. Ich möchte glauben, daß der vom Zentrum gestellte Antrag, diesen Absatz 2 zur Streichung zu briugen, eine besondere materielle Bedeutung nicht hat. Es würde dann bei der bestehenden Vorschrift des Berggesetzes verbleiben.
Die rechtlichen Bedenken des Justizministeriums richten sich aber gegen den Absatz 3 und den Absatz 4, in welchen gesagt wird:
Der verwirkte Betrag verfällt zu Gunsten der Unterstüũtzungs⸗ kasse des Werkes, oder, wo solche nicht besteht, zu Gunsten der für die Arbeiter des betreffenden Werkes zuständigen Krankenkasse.
Der berechtigten Kasse ist der verwirkte Betrag binnen 6 Wochen nach der Abrechnung über den verwirkten Lohn zuzuführen.
Die Frage, ob diese Bestimmungen mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch biw. mit anderen Reichsgesetzen vereinbar sind, ist ja schon Gegen⸗ stand der Diskussion in der Kommission gewesen, und wir stehen auf dem Standpunkt, der dort von verschiedenen Rednern vertreten worden ist, daß sie weder mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch noch mit dem Lohnbeschlagnahmegesetz, einem Reichsgesetz, sich vereinbaren lassen. (Sehr richtig! bei den Freisinnigen.)
Es ist ja bekanntlich in dem Ausführungsgesetz zum Bũrgerlichen Gesetzbuch der Vorbehalt gemacht worden, daß die Landes gesetzgebung zuständig bleibe, soweit es sich um die Verhältnisse des Bergrechts handelt. Es geht auch aus der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, inebesondere aus den Motiven zu dem Entwurf hervor, daß dieser Vorbehalt ziemlich weit zu verstehen ist, daß er nicht nur sich bezieht auf streng technische, unter den Begriff des Bergrechts fallende Bestimmungen, sondern daß er über diesen Rahmen hinaus⸗ geht und insbesondete umfaßt die Verhältnisse der Bergarbeiter. Dem entspricht auch das in Geltung gebliebene preußische Berggesetz, das eine Reihe von Vorschriften zur Regelung der Verhältnisse der Berg⸗ arbeiter enthält, und dessen fortdauernde Gültigkeit noch von keiner Seite angefochten ist. Es fragt sich, ob der Inhalt der Abs. 2 und 3 unter den Begriff gebracht werden kann, daß es sich auch bei ihnen um die Regelung der Verhältnisse der Bergarbeiter handelt, und diese Frage glauben wir verneinen zu müssen. Die Bestimmung, daß der verwirkte Lohn einer andern Kasse zufallen soll, richtet sich ja nicht gegen den Bergarbeiter, der seines Lohnanspruchs bereits verlustig ge⸗ gangen ist, sie richtet sich nach ihrem formellen Wortlaut, wenn auch dabei andere Gesichtspunkte mitgewirkt haben mögen, die die indirekte Wirkung dieser Bestimmung ins Auge fassen, lediglich gegen den Bergwerksbesitzer, den Eigentümer. Sie wird erst wirksam nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, das sie ja zur Voraus⸗ setzung hat, und eben dadurch charakterisiert sie sich als eine aus- schließlich in die Rechtssphäre des Bergwerkobesitzers eingreifende Be⸗ stimmung, die mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sich nicht wohl vereinbaren läßt. Es ist eine Beschränkung des dem
Es wird zunächst über die Nr. 1 der Kommissions— beschlüsse verhandelt, die in die Vorlage ,,
Bergwerksbesitzer zustehenden privatrechtlichen Anspruchs auf die ver—
Mag man diese Bestimmung nun auffassen als eine Ron ventionalstrafe, mag man sie dahin verstehen, daß damit die sonst nat dem Bürgerlichen Gesetzbuch unzulässige Aufrechnung etwaig Schadensansprüche des Bergwerkebesitzers gegen rückständigen Lohn 5 statthaft erklärt werden soll — was an und für sich nach dem Vor, behalte des Einführungsgesetzes zulässig wäre — immerhin trifft zu, daß hierdurch dem Bergwerkebesitzer die freie Verfügung über sein. Vermõgensrechte entzogen wird, und dies fällt nach unserer Auffassun nicht unter den Vorbehalt des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Deehn erkennen wir darin einen unzulässigen Widerspruch mit der Reich gesetzgebung und müssen eine derartige Bestimmung für unzulaff erklären. .
Wenn nach dieser Richtung hin aber Zweifel hervortreten mõchten so würde es sich weiter fragen, ob diese Bestimmung denn in Einklan gebracht werden kann mit dem Lohnbeschlagnahmegesetz, dessen Ab. anderung nicht gedeckt wird durch den Vorbehalt des Einführunge⸗ gesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Das Lohnbeschlagnahmegesez kann auch für den Bergarbeiter nicht geändert werden durch Landes gesetz. Nun geht die Tendenz, die Absicht des Lohnbeschlagnahme—⸗ gesetzes doch dahin: es will den Arbeitern sichern, daß bei der Fallig⸗ keit des Lohnes dieser Lohn auch in der Tat an sie ausgezahlt wird Das Gesetz entzieht ihnen jede Verfügung im voraus über diesen Lohn. Es erklärt ausdrücklich die Zesfton, die Anweifung und j. andere Rechtẽgeschãft, wonach etwa anderen Rechte auf den rückstãndigen Lohn eingeräumt würden, für rechtlich unwirksam. Eine derartige nach dem Lohnbeschlagnahmegesetz unzuläͤssige Disposition des Arbeiten selbst glauben wir finden zu müssen in den Bestimmungen des Kommissionsentwurfß. Der Arbeiter erklärt, indem 4 den Arbeitsvertrag nach Maßgabe der Arbeitsordnung ein— geht, sich mit denjenigen Bestimmungen einverstanden, die das Gesetz zum Inhalte des Arbeitsvertrages statuiert hat; die Bestimmung über den Verfall des verdienten Lohnes stellt sich also dar als ein Teil des Arbeitsvertrages, den der Arbeiter mit dem
Bergwerksbesitzer abschließt. Wenn sie auch in der Arbeitsordnung selbst nicht enthalten ist, das Gesetz legt sie kraft seiner Machtbefugnis hinein. In so weit liegt also darin eine Verfügung über den zu verdienenden Lohn, die jedenfalls mit der Absicht des Lohnbeschlag⸗ nahmegesetzes sich schwer in Einklang bringen läßt. Es ist, wenn ich nicht irre, in der Kommissionsberatung von dem Vorsitzenden der Kommission, Herrn Abg. Spahn, auch darauf hingewiesen worden daß eine solche Bestimmung die Rechte derjenigen Gläubiger de Arbeiters zu beeinträchtigen geeignet sei, für die eine Ausnahme von der Unzulässigkeit der Beschlagnahme des verdienten Lohnes in dem Gesetz statuiert ist, insbesondere für alimentationsberechtigte An⸗ gehörige, für welche dieses Verbot der Lohnbeschlagnahme nicht gilt. Auch in deren Rechte würde durch eine solche Bestimmung ein— gegriffen.
. Nebenher könnte es praktisch auch zweifelhaft werden, ob im einzelnen Falle nun die Voraussetzung einer Verwirkung des verdienten dohnes in der Tat vorliege. Der Bergherr, der Bergwerks besitzet könnte unter Umftänden die Frage verneinen und diesen Lohn aus— jahlen; die Unterstützungs⸗ oder Krankenkasse könnte aber anderer Ansicht sein und nunmehr von dem Bergwerksbesitzer die nochmalige Zahlung des von ihm bereits ausgezahlten Lohnes fordern und im Wege Rechtens durchsetzen. Auch mit derartigen Unzuträglichkeiten, meine Herren, würde in diesem Falle gerechnet werden müssen.
Es ist endlich damit zu rechnen, daß, weil diese beiden Absãtze ? und 3 in einem untrennbaren Zusammenhange miteinander stehen, daraus zugleich Rückschlüsse gezogen würden auf die Gültigkeit des Absatzes 2, der, wie ich schon ausgeführt habe, dem bestehenden Rechte an sich entspricht. Absatz 2 bekommt durch die Hinzu⸗ fügung des Absatzes 3 einen anderen rechtlichen Inhalt; und es ift keineswegs undenkbar, daß aus der Ungültigkeit des Absatz 3 gefolgert werden könnte: dann gilt auch der Absatz ? nicht mehr.
Also, meine Herren, auf diese rechtlichen Bedenken babe ich mich für verpflichtet gehalten, das hohe Haus aufmerksam zu machen, und daran die Bitte zu knüpfen, daß Sie, dem Antrage des Zentrum? entsprechend, mindestens die Absätze 3 und 4 des Kommissionsbeschlusses in Wegfall bringen möchten. Abg. Dr. von Heyde brand u Las ): Wir hab unsere , bei der ersten 8 2 376 3 . jenige, die wir aus den Ergebnissen der Beratung gewonnen haben, bei der dritten Lesung zum Ausdruck bringen. Ehe wir nicht wiffen. welche Beschlüsse das Haus faßt, können wir nicht zu einem Gesamtrefustat kommen. Wir haben die von den Vorrednern aufgerollten Bilder Eb, aber der praktische Wert ist nicht sehr groß. Wir werden nut ei den einzelnen Paragraphen sagen, was wir tun wollen. Die um des z 80 haben wir unsererseits nicht beantragt, aber wir aben dem Gedanken, der darin liegt, eine gewisse Berechtigung ju— erkannt, Es liegt ihm der Gedanke zu Grunde, daß das Gefühl 'in der Arbeiterschaft, daß der Kontraktbruch widerrechtlich ist und ge— ahndet werden muß, braktisch und nicht bloß auf dem Paxier ge⸗ schãrft werden soll. Das schien uns ein richtiger Gedanke zu sen, . aus diesem Grunde haben wir in der sKommission für diesen Antrag gestimmt. Aber es sprechen doch sehr gewichtige rechtliche Bedenken ge ßen, und ich kann deshalb erklären, daß meine Freunde
kein Interesse haben, daran festzuhalten, und des 2 ge auf Streichung zustimmen werden. ,, . Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons): stimme dem Vorredner darin bel, daß die Generaldebaste im . Moment eigentlich keinen großen praktischen Wert hat, und will auch nur über diesen einen Punkt sprechen. Wir sollen soweit wie möglich dazu bei⸗ tragen, in der arbeitenden Bevölkerung das Rechtsgefühl wieder zu starken, das verloren gegangen zu sein scheint, daß der Kontraktbruch ein Recht bruch ist. Anderseits haben wir aber die Reichsgesetzgebung auß strengste zu wahren, und deshalb werden wir zur * für die Streichung, dieser Bestimmung stimmen. Meine Freunde baben die erheblichsten Bedenken gegen den Zeitpunkt der Einbringung und gegen die Art, dieser ganzen Vorlage, find aber doch bereit, daran mitzuwirken. Wir meinen, daß das, was die Kom— mission geleistet hat, den Vorzug vor der Reglerungsvorlage verdient. Wir werden deshalb gegen die Anträge stimmen, namentlich auch gen die Anträge wegen der Arbeitszeit, durch die gewiffermaßen ein aximalarbeits tag eingeführt würde. In dem einen oder anderen Punkt ist allerdings die Möglichkeit gegeben, die Kommissionebeschlũsse tes Tu f g tn, ch in,. Grundlage noch zu ändern. ; öffentlichen Wahlrecht werden wir zur Zeit mi öInt⸗ schiedenheit festhalten. k
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
wirkte Strafe, auf den verwirkten Lohn.
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
M 118.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Abg. Traeger (fr. Vollsp.): Es wäre den Tatsachen entsprechender ewesen, wenn der Handelsminister gesagt hätte, daß von autoritatiper 336 nämlich vom Reichskanzler, den Arbeitern ein mehr oder minder feierliches Versprechen gegeben worden ist. Ich habe die Beobachtung gemacht, daß in der Brust des Handelsministers in dieser Frage zwei Seelen wohnen. Der Reichskantler hat den Arbeitern feierlichst versprochen, daß ihren Beschwerden abge⸗ holfen werden soll, und der Handelsminister hat eine zarte Rücicht auf die Arbeitgeber für notwendig gehalten. Die Vorlage ist das Ergebnis des Friedens, den die beiden Seelen im Handelsminister mit einander geschlossen haben. Wir haben uns der Vorlage der Re⸗ gierung wohlwollend, gegenübergestellt und sie nach sorgfältiger Arüfung akjeptiert, nicht als eine dringende Notwendigkeit, die durch den Streik erzeugt ist, sondern als eine Notwendigkeit gegenüber Zu⸗ ständen, die seit langer Zeit unbefriedigend sind. Die Arbeiter wollen ar kein Wohlwollen von den Arbeitgebern, sondern sie verlangen ihr eech Gegenüber den Beschlüssen der Kommission kann von einem Vertrauen der Arbeiter absolut keine Rede sein. Ueberall, wo den Arbeitern irgend eine Erleichterung gewährt werden sollte, hat die Kommission es für nötig gebalten, Kautelen hineinzuschreiben. Das ist nur eine formglistische Lösung der Aufgabe, Wer wünscht, daß die Arbeiter sich in vollständiger Freiheit auf allen Ge— bieten betätigen dürfen, muß für die geheime Wahl eintreten. Den Nationalliberalen, die noch in der Kommission für die öffent- liche Wahl gestimmt haben, scheint nachträglich ein Licht aufgegangen zu sein, denn sie haben uns jetzt den Antrag vorgelegt, diesen schlimmsten Giftzahn der Beschlüsss der Kommission auszubrechen. Der Abg. Trimborn hat ganz richtig ausgeführt, daß man mit dieser so umgestalteten Vorlage der Sozialdemokratie eins der wirksamsten Agitationsmittel in die Hand geben würde. Sollte wieder einmal ein solcher Bergarbeiterstreik ausbrechen, dann würde auch der Beste und Wohlwollendste nicht mehr im stande sein, den Agi⸗ tatoren zu widersprechen, wenn sie sich auf diesen Vorgang berufen. Es wäre sehr schlimm, wenn überhaupt nichts zustande kommt, aber für noch schlimmer würde ich es halten, wenn die Vorlage in der Kommissionsfassung zustande käme. Die Zusätze zum 58 80 des Berggesttzes sind mit dem Reichsgesetz unvereinbar. Die Bestimmungen des bestehenden Gesetzes haben nur den Zweck, die Höhe der Kon⸗ ventionalstrafe zu normieren; was darüber hinaus von der Kommission vorgeschlagen wird, widerspricht tatsächlich dem Bürgerlichen Gesetz⸗ buch und ist auch mit den Vorschriften des Reichslohnbeschlagnahme⸗ gesetzes nicht in Einklang zu bringen. Der Redner spricht zum Schluß die . aus, es möge ein Gesetz zustande kommen, das den be—⸗ rechtigten Ansprüchen der Bergarbeiter wirklich entspreche.
Abg. Korfanty (Pole): Die Kommissionsbeschlüsse recht- fertigen durchweg die im Lande weit verbreitete Meinung, daß das Abgeordnetenhaus nicht im stande ist, die Forderungen der Berg— arbeiter zu verstehen. Durch die Kommission ist das, was die Re⸗ gierung den Bergarbeitern zu teil werden lassen wollte, in hohem Grade verschlechtert worden. Man kann sogar behaupten, daß die Kommissionsbeschlüsse die bedrängte Lage der Bergarbeiter noch ver⸗ schlimmern. Ich habe deshalb namens meiner pelitischen Freunde zu erklären, daß, wenn dieser so verunstaltete Gesetzentwurf Gesetz werden sollte, wir gejwungen sein würden, dagegen zu stimmen. Die Arbeiterausschüsse sollten nach der Absicht der Regierung die Bergarbeiter schützen. Nach den Beschlüssen der Kommission werden sie ein Polizeiorgan der Bergwerksbesitzer. Die Arbeiter sollen auf Schritt und Tritt beobachtet werden, sodaß im Grunde diese Be— schlüsse darauf hinaus laufen, daß die Arbeiterausschüsse eine organisierte Spitzel⸗ und Spionentruppe der Bergwerksbesitzer sein sollen. Zum ersten Male wird hier der Versuch gemacht, die Aus—= übung des Wahlrechts von der Kenntnis einer bestimmten Sprache abhängig zu machen, und man scheint zu glauben, daß der Pole eine minderwertigere Arbeit leiste als der Deutsche. Die Herren außer⸗ halb des Hauses wollen eben die Arbeiterausschüsse nicht; sie wollen absolut sein, wie bis jetzt, und darum tun sie so, als ob es sich hier um die Abwendung einer furchtbaren großpolnischen Gefahr handele. Das ist aber nur ein Vorwand, man sollte offen und ehrlich sagen, daß man die Arbeiterausschüsse nicht haben will. Denn die Herren wissen ganz genau, daß die „großpolnische! Gefahr in Oberschiesien überhaupt nicht existiert, daß die polnische Bevölke⸗ rung ihre Pflichten gegen den Staat erfüllt. Um aber ihr Ueber- gewicht im fozialen Leben beizubehalten, wollen sie auch dieses Gesetz fur ihre Zwecke ausnutzen. Ehrlich ist das nicht. Im Bergwerk muß der Maximalarbeitstag von 8 Stunden mit Einschluß der Ein- und Ausfahrt eingeführt werden; mit Rücksicht auf die schwere Arbeit, die hohe Zabl der Krankheitsfälle ist es eine Forderung der
Menschenpflicht und Nächstenliebe, die Bergarbeiterschicht zu verkürzen. Die Kommission hat aber selbst die schwachen Ansätze der Vorlage dazu abgelehnt. Auch bezüglich des Ueberschichtenwesens ist es beim alten geblieben; nirgends zeigt sich auch nur eine Spur von Entgegenkommen gegen die Klagen und Beschwerden der Belegschaften Wir müssen auch eine gewisse Lehrzeit für die Bergleute fordern, und wir werden dahingehende Anträge stellen.
Gewiffenlofe Agenten kommen ins Land und locken die Arbeiter durch das Versprechen hoher Löhne in die Bergreviere; die Arbeiter haben keine Ahnung von der Arbeit, von den Leistungen, die ihnen zugemutet werden. Das muß unmöglich gemacht werden. Der Regierunge⸗ präsident in Oppeln hat eine Verordnung erlassen, wonach die galizischen Arbeiter von den oberschlesischen Gruben ausgewiesen und an ihrer Stelle Ruthenen eingeführt werden sollen. Wir haben gegen die Einführung von Ruthenen nichts, aber sie müssen vom Bergbau etwas verstehen. Die galizischen Arbeiter sollen eine Gefahr ür den Beftand des preußischen Staates bedeuten; welche Lächerlichkeit! Jene Verfügung ist nicht zum Nutzen der Bevölkerung, sondern nur zum Nutzen und Vorteil der Grubenbesitzer von der Orpel ner Re⸗ gierung ausgegangen. Fällt das Gesetz im Sinne der Kommission aus, so müffen wir im Interesse der Arbeiterschaft dagegen stimmen. Die weitgehendsten Anträge, die zu Gunsten der Arbeiter werden wir unserseits unterstützen. ; =
Abg. Wol ff⸗Lissa (kr. Vgg.): Die Kenntnisnahme der Kom⸗ missionsbeschlüffe bringt tatsächlich den Eindruck hervor, daß dieses hohe Haus recht wenig Reigung besitzt, die Arbeiterverhältnisse zu bessern,
sa, man' glaubt es? wirklich nicht mehr mit einem Arbeiter- f tun zu haben.
sondern mit einem Arbeitgeherschutzgeset 3u Es scheinen sich ja nun für die Freunde der Vorlage Ueberraschungen zwischen zweiter und dritter Lesung anzubahnen, die in
der Richtung der Wiederberstellung der Re ierungs vorlage gehen. Unannehmbar an den Kommisstonsbeschlüssen E besonders die Be⸗ seitigung des geheimen Wahlrechts und die Um estaltung der 6 des Ärbeiterausschusses in der Richtung, daß er zu einem
olijeiorgan des Arbeitgebers wird. Allerdings erscheinen die Einzel⸗ eiten der Kommissionsbeschlußfassung in diesem Punkte praktisch kaum ausführbar? Von! dem sanitären Maximalarbeitstag der Vorlage hat die Kommission nichts übrig gelassen und damit einen der wesent · lichsten Wünsche der Bergarbeller abgeschlagen. Ueber diese Fragen und über die Einführung des Verwalkungsstreitverfahrens werden wir uns jwischen zweiter und dritter Lesung auch zu verständigen haben. Wenn der Vorwurf, die Vorlage sei in ein Arbeitgeberschutzgesetz ver⸗
gestellt sind,
Berlin, Freitag, den 19. Mai
wandelt worden, erhoben wird, so trifft dieser Vorwurf inshesondere kei 5 80 und dem dazu vorliegenden Kommissionsvorschlag zu. Es laͤuft hier immer darauf hinaus, dem Arbeitgeber einen Schutz zu gewähren. Diefe Bestimmung hier ist auch mit der Reichsgesetz gebung unvereinbar. Die gewöhnlichste Form des Kontraktbruchs ist der Streik. Nun soll der Arbeitgeber den räückständigen Lohn ein, behalten und der Unterstützungskasse überweisen. Unter dem Streik leiden auch die Familien der Arbeiter. Wenn der Arbeitgeber den Lohn einbehält, kann er sich immer damit schützen, daß er sagt, das Gesetz zwinge ihn, den zurückbehaltenen Lohn in die Unterstüͤtzungs⸗ kaffe zu geben. Das ist eine Bestimmung, die nicht dem Frieden dient.
Ein Schlußantrag wird angenommen.
Bei der Abstimmung erheben sich nur sehr wenige Mit— glieder für die Kommissionsvorschläge zu 8 80, dieselben sind also fast einstimmig abgelehnt. .
Die von der Vorlage vorgeschlagene Abänderung des
S0 b, wonach die Arbeitsordnung bestimmen kann, daß bei er Lohnberechnung Vertrauensmänner der Ar— beiter mitwirken können, ist von der Kommission nur redaktionell geändert worden; sie wird ohne Debatte an⸗
genommen.
In 8 80e Abs. 2 des Berggesetzes soll das Nullen ver— boten werden.
Die Kommissionsfassung lautet:
„Genügend und vorschriftsmäßig beladene Fördergefäße bei der Lohnberechnung in Abzug zu bringen, ist verboten. Ungenügend oder vorschriftswidrig beladene Fördergefäße müssen insoweit ange⸗ rechnet werden, als ihr Inhalt vorschriftsmäßig ist. Der Berg— werksbesitzer ist verpflichtet zu . daß die Arbeiter auf ihre Kosten durch einen aus ihrer Mitte von dem ständigen Arheiter⸗ ausschuß oder, wo ein solcher nicht besteht, von ihnen gewählten Vertrauensmann das Verfahren bei Feststellung der ungenügenden oder vorschriftswidrigen Beladung und des bei der Lohnberechnung anzurechnenden Teils der Beladung überwachen lassen. Durch die Ueberwachung darf eine Störung des Betriebes nicht herbeigeführt werden; bei Streitigkeiten hierüber trifft auf Beschwerde des Vertrauensmannes die Berg behörde die entsprechen den Anordnungen. Der Vertrauensmann bleibt im Arbeitsverhältnis des Bergwerks. Mit der Beendigung desselben erlischt sein Amt.“
Die gesperrt gedruckten Sätze sind Zusätze der Kommission.
Die Vorlage enthielt ferner noch die von der Kommission gestrichene Bestimmung, wonach der Bergwerksbesitzer verpflichtet sein sollte, den Lohn des Vertrauensmannes auf Antrag des Arbeiterausschusses vorschußweise zu zahlen, er aber berechtigt sein sollte, ihn den Arbeitern bei der Lohnzahlung in Abzug zu bringen. —
Der Abg. Dr. Hirsch⸗Berlin fr. Volksp) beantragt, diese letztere Bestimmung wiederherzustellen in folgender Fassung:
„Der Bergwerksbesitzer ist verpflichtet, den Lohn des Ver trauensmannes zu verauslagen und den verauslagten Lohn den be— teiligten Arbeitern bei der Lohnzahlung in Abzug zu bringen.“
Die Abgg. Bru st (Zentr.) u. Gen. beantragen, die Bestimmung in der Fassung der Regierungsvorlage wieder herzustellen. ;
Die Abgg. Brust u. Gen. beantragen ferner folgende Zusätze zum Zz 8] 0 des geltenden Gesetzes: (
„Sofern der Lohn nach Gedinge bemessen wird, soll die Ver⸗ einbarung desselben spätestens binnen zehn Tagen nach Belegung eines Betriebspunkts (Uebernahme der Arbeit) erfolgen.
„Ist das Gedinge nicht in der vorbezeichneten Frist beziehungs⸗ weise bis zu dem in der Arbeitsordnung zu bestimmenden Zeitpunkte abgeschlossen, so ist der Arbeiter berechtigt, die Feststellung seines Lohnes im Falle der Fortsetzung der Arbeit vor demselben Arbeitsort nach Maßgabe des in der vorausgegangenen Lohnperiode für dieselbe Arbeilsstelle gültig gewesenen Gedinges, in allen anderen Fällen nach Maßgabe des Schichtlohnes gleichartiger Arbeiter zu ver langen.“
Abg. Krause⸗Waldenburg (fr. kons.): Wir sind zwar für das Verbot des Wagennullens eingetreten, aber nur, weil dadurch ein alter Streitpunkt beseitigt wird, nicht etwa, weil wir darin eine un⸗ gerechte Behandlung der Arbeiter durch die Arbeitgeber erblicken. Selbst die Regierung hat erklärt, daß im Wagennullen niemals eine Ungerechtigkeit oder Härte gelegen hat. Ich habe mit einem Arbeitervertreter gesprochen, und dieser selbst hielt das Wagen⸗ nullen für das mildeste Verfahren, da die schlechte Kohle oder die
zuführen ist. Ganz dasselbe sagte auch ein polnischer Arbeitervertreter. Ich halte es für meine Pflicht, auszusprechen, daß wir durch die An⸗ nahme des Verbotes des Wagennullens keinen Mißstand haben aus der Welt schaffen wollen, daß die sog. Mißstände überhaupt ganz und gar nicht vorhanden sind. = !
Abg. von Kessel (kons.): Für uns sind dieselben Gründe maß= gebend. Das Nullen spielt eine große Rolle in den Streitigkeiten jwischen Arbeitern und Bergwerksbesißzern und wird auch in bürger⸗ lichen Kreisen lebhaft bekämpft. Die darüber angestellte Untersuchung hat aber ergeben, daß die Klagen über das Nullen nicht berechtigt sind. Auch die Regierung hat uns nicht überzeugen können, daß das Nullen ein schwerer Mißstand ist. Trotzdem entschlossen wir uns für die Beseitigung des Nullens, weil dadurch ein Stein des Anstoßes beseitigt wird. Selbstverständlich muß ein ausgiebiges Aequivalent dafür geboten werden, denn es kann den Arbeitern unmöglich frei stehen, schlechte Kohle zu liefern. Deshalb haben wir die vor— geschlagenen Strafbestimmungen beantragt. Wir müssen bei den RKommissionsbeschlüssen bleiben und lehnen alle Anträge ab; wohin ent wir kommen, wenn wir hier noch einmal auf alle Einzelheiten eingehen!
Abg. Din s lage (Zentr.) will ebenfalls dem Verbot des Wagen⸗ nullens zustimmen, um dadurch einen alten Streitpunkt zu beseitigen. Im übrigen empfiehlt der Redner die vom Zentrum gestellten Anträge.
Abg. Goldschmidt (rr. Volksp.): Die Abgg. Krause und Kessel meinen ein Opfer des Intellekts bringen zu sollen, indem sie für das Verbot des Rullens stimmen. Man nennt das Nullen eins sebr milde Strafe; das dürfte man höchstens tun, wenn es sich darum handelte, an seine Stelle die Strafe des Räderns und Spießens zu e. Es soll aber nur eine Geldstrafe bestimmt werden. Es be= stehen seit Jahren ganz allgemein Klagen unter den Bergarbeitern über das Nullen; wäre das möglich, wenn das Nullen nur eine ganz milde Strafe wäre? In England und auf unseren staatlichen Gruhen ist das Rullen bereits abgeschafft und ebenso kommt man in Oberschlesien ohne das Nullen aus. Im Ruhrgebiet, wo das Nullen herrscht, haben wir aber schon jwei große Streiks erlebt. Es ginge noch an, wenn das Nullen für wirklich vorschriftswidrige Ladung erfolgte, aber der Oberberghauptmann von Velfen hat in der Kommission dargestellt,
wie in den niedrigen Gängen beim Transpert der Wagen von der Ladung etwas ö werde, und der Minister hat ferner in der Kommission selbst zugegeben, daß der Bergmann nicht schuld daran
ungenügende Beladung nur auf das Verschulden des Arbeiters zurück⸗
1905
sei, wenn die Kohle in den Wagen mit Bergen . sei. Es kommt ferner in Betracht, daß nicht nur der schuldige Bergarbeiter,
sondern die ganze Kameradschaft unter dem Nullen der Wagen zu leiden
hat, also die Unschuldigen mit betroffen werden. Der Bergarbeiter Ham⸗
macher, also ein Mann der Praxis, hat sich auf dem Bergarbeiter⸗
kongreß besonders darüber beschwert, daß das Nullen den Charakter
der Willkür habe. Das Nullen ist auch viel schärfer in Anwendung
gebracht worden, als offiziell zugegeben wird. Es ist berechnet worden,
daß der Lohnausfall in einem Jahre bei einem Nullen von 1 0 der
Wagen 650 000 ½ς ausmacht, d. h. 5H bis 6M für den einzelnen Hauer.
Die Arbeiter sehen überhaupt ein Unrecht darin, daß man sie für un⸗
reine Koble verantwortlich macht. Die Arbeiter sind doch nicht schuld
daran, daß die Flöze mit Bergen versetzt sind. In Oberschlesien ist die
Kohle rein, im Ruhrgebiet aber sehr vielfach mit Bergen versetzt.
Würde man etwa einen Holzarbeiter dafür verantwortlich machen,
wenn das geschlagene Holz einen Ast enthält? Nun soll ein Arbeiter⸗
kontrolleur die Feststellung unrein oder unvollständig geladener Wagen
überwachen. Es besteht aber die Gefahr, daß ein solcher Ken trolleur, der seine Aufgabe pflichtgemäß erfüllt, von der Grube entlassen wird.
Es ist bedauerlich, daß die Kommission nicht einen Weg gefunden hat, der einer willkürlichen Entlassung eines solchen Kontrolleurs entgegenwirken könnte. Ich bitte aber, wenigstens den Antrag meines Freundes Dr. Hirsch anzunebmen. Die Bergarbeiter wollen selbst ihren Vertrauensmann bezablen und ihn vom Bergbesitzer möglichst unabhängig machen, aber sein Lobn muß vom Arbeitgeber verauslagt werden. Von dem Antrage Brust unterscheidet sich unser Antrag wesentlich dadurch, daß wir den Bergbesitzer nicht nur be⸗ rechtigen, sondern verpflichten wollen, den verauslagten Lohn den Arbeitern in Abzug zu bringen, damit er auf jeden Fall nur ein Vertrauensmann der Arbeiter ist. Im übrigen werden wir für die Anträge des Zentrums stimmen. Die Arbeiter selbst wünschen, daß nur reine Koble auf den Markt gebracht werden kann, sie sind durchaus damit einverstanden, daß ein moralischer Druck auf die Arbeiter aus⸗ geübt wird, daß sie möglichst reine Kohle fördern. Nach den Kom— missionsbeschlüssen sollen die Geldstrafen wegen ungenügender oder vorschriftswidriger Beladung nicht 5 S übersteigen durfen. Nach der Fassung ist es aber nicht ausgeschlossen, daß insgesamt das Dreifache an Strafe herauskommt, und dann würden die Arbeiter allerdings sagen, dann hätte man lieber das Nullen beibehalten sollen. Diese Fassung muß also gemildert werden. Wir müssen den Frieden im Bergbau erhalten, der Friede im Bergbau bedeutet die Wohlfahrt so und so vieler Tausende anderer Arbeiter.
Oberberghauptmann von Velsen bemerkt gegenüber einer Aeußerung des Vorredners, daß für die Besichtigungsreise der Kom— missson des Hauses im Ruhrredier auf Wunsch der Kommission gerade solche Gruben ausgewählt seien, die nach Ansicht der Verwaltung als arme Gruben anzusehen seien. Veränderungen in der Grube selbst könnten für den Zweck der Besichtigung überhaupt nicht so schnell vorgenommen werden. Er (der Redner) müsse es als seine persönliche Meinung aussprechen, daß die Untersuchungsresultate bis jetzt für die Berg— werksbesitzer durchaus günstige seien. Das Nullen habe allerdings die Bergleute am meisten erbittert. Die Vorlage habe vorgeschlagen, daß die Strafen während eines Monats den doppelten Betrag des Tagesverdienstes nicht übersteigen dürften; die Kommission habe aber beschlossen, daß die Strafen allein für ungenügende oder vorschrifte⸗ widrige Beladung 5 S im Monat nicht übersteigen sollen.
Abg. Hilbck (nl.): Der Abg. Goldschmidt hat eine Rede ge⸗ halten, die von Uebertreibungen strotzte. Er sagte, daß man die Strafe des Nullens durch Rädern und Spießen ersetzen wolle. Das Nullen kommt überhaupt gar nicht mehr in Frage, denn alle Welt ist einig, daß es abgeschafft werden sollte. Wir können es als abgetan ansehen, und deshalb tun wir gut, daß wir die Vorschläge der Kom⸗ mission annehmen, die auf einem Kompromiß beruhen. Auch die
erren vom Zentrum haben sich in der Kommission dafür erklärt.
ch bitte, es auch bei dem Maximum der Strafen von 5 (ν zu be⸗ lassen. Die Mitglieder der Kommission haben sich auf ihrer Reise überzeugt, daß Kohle gefördert wird, wie sie unbedingt nicht zugelassen werden kann. Wenn die Arbeiter es anders gewollt hätten, hätten sie doch an dem Tage des Besuchs der Kommission besonders reine Kohle fördern sollen; die Kommission hat aber die Kohle so gesehen, wie sie in der Regel gefördert wird. Ich bitte, alle detaillierten Bestimmungen, wie sie das Zentrum vorschlägt, die in die Arbeitsordnung gehören, aus dem Gesetze selbst herauszulassen und lediglich die Kommissions— fassung anzunehmen. ;
Abg. Bru st (Zentr.): Der Abg. Krause hat sich auf die Aeußerung eines Arbeiters berufen für die Berechtigung des Nullens; ich habe mich noch niemals von einer Stimme überzeugen lassen, auf die Aeußerung eines einzelnen kommt es nicht an. Jedenfalls ist während des Streiks die Klage über das Nullen allgemein gewesen. Ich beurteile das von der Regierung vorgelegte Material etwas anders als Herr Kessel; die Arbeiter haben ja niemals behauptet, daß das Nullen auf allen Gruben rigoros sei. Aber wenn es vor—⸗ gekommen ist, daß bis zu 28 , der gesamten Förderung eines Monats genullt ist, so kann man wobl von einem rigorosen Nullen sprechen. Wir stimmen zunächst für den Antrag Hirsch, der weiter geht als der unserige und den Arbeitgeber verpflichtet, den verauslagten Lohn für den Vertrauensmann den Arbeitern wieder abzujehen; in zweiter Linie würden wir nach unserem Antrage für die Wieder⸗ herstellung der Regierungsvorlage stimmen. Der Redner empfiehlt ferner feinen Antrag wegen Feststellung des Gedinges damit, daß die bis— herigen Bestimmungen nicht genügten, um dem geschulten Bergmann einen genügenden Lohn zu sichern.
Ein Schlußantrag wird angenommen.
Abg. Goldschmidt verwahrt sich in persönlicher Bemerkung gegen den Vorwurf der Uebertreibung; er habe sich lediglich auf amt⸗ liches Material berufen. Er habe ferner nicht gesagt, daß das Nullen . . und Spießen ersetzt werden solle, sondern gerade das Begenteil.
ae . Hilb ck bleibt dabei, daß der Abg. Goldschmidt übertrieben habe; wenn man überhaupt das Nullen mit Rädern und Spießen vergleiche, so sei das eine Uebertreibung, wie man sie schlimmer nicht denken könne. ; .
Abg. Goldschmidt: Ich verstehe nicht, wie Herr Hilbck nicht verstehen kann, was ich sage.
Darauf wird § 80e unter Ablehnung sämtlicher Anträge unverändert in der Kommissionsfassung angenommen.
Zum 8 80d schlägt die Kommission vor, daß „die im Laufe eines Kalendermonats gegen einen Arbeiter wegen ungenügender oder vorschriftswidriger Beladung von Förder⸗ gefäßen verhängten Geldstrafen in ihrem Gesamtbetrage fünf. Mark nicht übersteigen dürfen.“ .
Abg. Dr. Hir sch⸗Berlin (fr. Volksp.) 1 die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, wonach die Gesamt⸗ heit aller Geldstrafen überhaupt in einem Monat nicht, den doppelten Betrag des durchschnittlichen Tagesverdienstes über⸗ steigen darf. . ö
Ohne Debatte wird die , ,, unver⸗ ändert angenommen, ebenso die fernere Bestimmung im 9 80d über die Verwendung der Strafgelder zum Besten der
rbeiter.