1905 / 127 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 May 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 39. Sitzung vom XY. Mai 1905, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Der Präsident Fürst zu Inn- und Knyphau sen teilt mit, daß dieser Abschnitt der Tagung nicht vor Sonn⸗ abend geschlossen werden könne. Außerdem werde das Saus wohl noch am Schluß des Monats Juni für einige Tage zusammenkommen.

Der Präsident hat Veranlassung genommen, Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen zu Höchst⸗ dessen Geburtstage die Glückwünsche des Hauses auszusprechen. Darauf ist folgendes Erwiderungsschreiben eingegangen.

„Für die mir namens des Herrenbauses freundlichst dar⸗ gebrachten Glückwünsche sage ich meinen besten Dank. ̃ Wilhelm, Kronprinz.“

Wegen der bevorstehenden Vermählung Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen mit. Ihrer Hoheit der Herzogin Cecilie zu Mecklenburg hat der Präsident sich an zu⸗ ständiger Stelle darüber erkundigt, ob, wann und in welcher Weise Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin und das Kronprinzliche Paar die Glückwünsche des Hauses entgegennehmen würden. n , ist ihm die Antwort zuteil geworden, daß dies bei elegenheit der Cour der

all sein werde. Für den Einzug am 3. Juni sind dem errenhause 50 Tribünen⸗ und 100 Podiumkarten zur Ver⸗

fuͤgung gestellt worden. .

Seik Ende März ist das Mitglied des Hauses Graf von Tehndorff verstorben. Der Präsßident widmet ihm einen ehrenden Nachruf. Außerdem sind die Herren von Birkner⸗ Cadinen und Geheimer Kommerzienrat Dr- Ing. Lu eg⸗Düssel⸗ dorf verstorben. Das Haus ehrt das Andenken der Ver—⸗ storbenen in üblicher Weise. J .

Ausgeschieden sind die Oberbürgermeister Hammer⸗ schmidt und Oehler infolge der Niederlegung ihrer städtischen Aemter.

Reuberufen sind der Regierungspräsident a. D. von Putt⸗ kamer und . von Lanckhart. ; ö

Freiherr von Manteuffel: Die von uns eingesetzte Kommission für die Novellen zum Berggesetze hat bislang nicht tagen können, weil die Beratungen im Abgeordnetenhause sich sehr ausgedehnt und bis heute erstreckt haben. Ich würde für dringend erwünscht halten, wenn unbeschadet des Umstandes, daß die Kommission schon gewählt ist, eine allgemeine Besprechung der Berg gesetznovelle hier im Hause stattfindet, bevor die Kommission in die Beratung eintritt. Ich würde den Freitag für einen geeigneten Tag halten.

Der Präsident und das Haus stimmen diesem Antrage zu.

Darauf wird in die Tagesordnung eingetreten auf der unächst Kommissionsberichte über Petitionen und Rechen— fe ber , stehen.

Die Petition des Oberamtmanns Schwarzenberger und anderer zu Kolmar in Posen um Herstellung einer Güterumschlagstelle bei der Station Milsch der Eisenbahnstrecke Posen Schneidemühl an der schiffbaren Netze wird nach dem Antrage der Kommission, Referent Freiherr von Schlichting, der Regierung als Material überwiesen.

Ueber den Bericht uͤber die Ausführung von Eisenbghnverstaat⸗ lichungsgesetzen referiert namens der Eifenbahnkommission Oberbürger⸗ meiste? Büchte m ann-⸗Görlitz. Der Bericht wird durch Kenntnis⸗ nahme für erledigt erklärt. .

Ramens der Etats. und Finanzkommission berichtet Freiherr pon Burant über die Petition der politischen und kirchlichen Ge— meindevertretung in Brockau um Bewilligung von Staatsmitteln zum Bau einer evangelischen und einer katholischen Kirche in Brockau. Bie Kommisston beantragt Ueberweisung der Petition an die Regierung ais Material. Ohne Debatte tritt das Haus dem Antrage bei.

Es folgt der mündliche Bericht der Handels, und Gewerbe⸗ kommifsion uber den vom Abgeordnetenhause in abgeänderter Fassung zurückgelangten Gesetzent wurf, betreffend die Kosten der Prüfung überwachung sbedürftiger Anlagen.

Der Referent, Oberbergrat a. D. Dr. Wach ler beantragt, dem Gesetzentwurf in der ihm vom anderen Hause gegebenen Fassung zu—⸗ zustimmen. Das Abgeordnetenbaus hat dem Entwurf einen neuen § 2 einverleibt: Ueber Art und Umfang der in Lie Polizeiverordnungen aufzunehmenden Anlagen, sowie über die bei Prüfung dieser Anlagen anzuwendenden Grundsatze erlassen die zuständigen Minister nach gutachtlicher Anhörung von Vertretern der Wissenschaft und Praxis allgemeine Anweisungen.“

Herr von Buch und 52 Mitglieder des Hauses beantragen die Streichung des beantragten Zusatzes. .

Freiherr von Manteuffel: Da Herr von Buch erkrankt ist, komme ich seinem Wunsche nach, seinen Antrag vor Ihnen zu vertreten. Wir halten den Zufatz, dessen Streichung wir beantragt haben, für durchaus unzweckmäßlg. Der Zusatz würde auch ein wunderbares Präjudiz in unsere Gesetzgebung hineinbringen. Die Gefahr, daß das Gesetz in dieser Session nicht zustande käme, wenn es infolge der Abänderung an das andere Haus zurückgehen muß, ist aus. geschlossen, denn das Abgeordnetenhaus wird ohnehin noch mehrere Sitzungen abhalten müssen, um sich mit den Vorlagen zu bes äftigen, 6j wir außerdem noch in abgeänderter Gestalt wieder hinübergehen assen.

Der Referent bittet um Ablehnung des Antrages von Buch, um das Gesetz nicht zu gefährden. Die Staatsregierung habe sich bereits mit dem Zusatz abgefunden.

Gehelmer Dberregierungsrat Frick: Die Regierung ist mit den An⸗ agen darin einverstanden, daß der beanstandete Zusatz unnötig ist; sie hält es auch nicht für unbedenklich, ein solches Präjudiz hier zu schaffen. Dennoch stellt die Regierung dem Hause anheim, ungeachtet diefer doch nur formalen Bedenken der Fasfung des Abgeordnetenhauses zuzustimmen, um so mehr, da das Abgeordnetenhaus auf die aus. drücklich: Beibehaltung dieser Bestimmung Gewicht legt und wieder holt daran festgehalten hat.

Der Antrag von Buch gelangt mit überwiegender Majorität zur Annahme und mit dieser Abänderung das ganze Gesetz.

In einmaliger Schlußberatung wird der Gesetzentwurf wegen Erweiterung des Stadtkreises Essen nach dem Referat des Sberbürgermeisters Marx unverändert angenommen; ebenso der FHefetzentwurf, betreffend die Aenderung der Amtsgerichts beztrke Köslin, Kolberg und Körlin in der vom Abgeordneten haufe beschlossenen Fassung nach dem Referat des Herrn Dr. Frei⸗ herrn von der Goltz.

In einmaliger Schlußberatung wird die Rechnung über die Ver⸗ wendung des zum Zweck der Errichtung von Rentengütern aus dem Refervesonds der Rentenbanken gewährten Zwischenkredits für die Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzesß bis 1904 erledigt; auf Antrag des Berichierstatters Herrn von Wiedebach-⸗Nostiz nimat das Haus die Rechnung zur Kenntnis.

Der Gesetzen wurf zur Abänderung des Ausführungs gesetzes zum Reichsseuchengesetz wird entsprechend dem An⸗ trage des Referenten Herrn von Rheden in einmaliger Schluß beratung unverändert angenommen.

zurückgelangten Entwurf

eng an das Herrenhaus J Provinz Westpreußen.

egeordnung für die

3 ist Graf Finck von Finckenstein ˖ Schönberg. er geordneten hau beschlossenen Fassung. nicht anwelend ist, wird der Gegenstand

ommissionsantrag geht auf Zustimmung zu der vom Ab⸗ Da ver Referent im Hause vorläufig zurückgestellt.

Die Landwirtschaftskammer für die Provinz Westfalen hat um Abänderungdes ini sn mn üg n el M, e petitioniert. Die Etats. und Finanzkemmifsion (Referent Graf on Seidlitz) beantragt Ueberweifung an die Regierung als Material. .

reiherr von Manteuffel weist darauf hin, daß im Reiche dem Vernehmen nach bie Einführung einer Eibschaftssteuer geplant werde. Er werde mit feinen politischen Freunden demnächst eine auf den Gegenstand bezügliche Resolution einbringen, um eine Antwort der Regierung zu extrahieren. Die Erträge aus einer Reichserbschafts. steuer würden doch so gering sein, daß den miserabelen Finanzen des Reiches damit nicht aufgeholfen werde. Mit besonderer Be⸗ forgnis erfülle ihn der Umstand, daß ein bisher der einzelstaat lichen Gesetzgebung vorbehaltenes Gebiet vom Reich fruktifiziert, daß eine direkte Steuer vom Reiche eingeführt, werden solle. Die Gerüchte, von denen der Finanzminister im Abgeordnetenhause gesprochen, hätten sich im Laufe der letzten Woche verdichtet. Es wäre daher sehr erwünscht, wenn, die Staatsregierung Gelegenheit nähme, das Haus nach dieser Richtung zu beruhigen. In diesem Falle würde eine Resolution überflüssig sein. Wir müssen, schließt her Redner, uns vorsehen, daß die Reichserbschaftssteuer für uns nicht ein verschleiertes Bild zu Sais ist, vor dem wir erschreckt stehen würden, wenn der Schleier gelüftet wird.

Der Kommissionsantrag wird angenommen.

In mwischen ist der Referent für die we st preu ßische Wege⸗ ordnung erschienen.

Der Entwurf wird in der Fassung des Abgeordnetenhauses ohne Debatte in feinen 51 Paragraphen und darauf im ganzen an⸗ genommen.

Ueber die Petition der Vertretung der Landgemeinden Bruns⸗ büttel⸗ Eddelaker Koog a. um Verbesserung der ähranlagen am Kaifer⸗Wilhelm⸗Kanal zu Brunsbüttelkoog und estermoor und 6 um Beihilfe zu außerordentlichen kommunalen Aufwendungen be— richtet Oberbürgermeister Jaeh ne. Die Petitionskommission beantragt Ueberweisung des Petitums zu a. an die Regierung zur Erwägung und Uebergang zur Tagesordnung über b., weil der Instanzenzug noch nicht erschöpft sei. .

Ein Regie rungskommissar teilt mit, daß der zweite Antrag der Kommission inzwischen dadurch seine Erledigung gefunden habe, daß der betreffenden Gemeinde einmalige und laufende Beihilfen gewährt worden sind. . . 3.

Graf von der O sten ist Berichterstatter der Petitionskommission über die Petition des Vorsitzenden des nassauischen Pfarrvereins und

pon anderen Vorsitzenden von Pfarrvereinen um Aufhebung der Beiträge der evangelischen Geistlichen zu den Ruhe— gehaltskassen. Die Kommission beantragt Uebergang zur Tages⸗ ordnung.

Freiherr von Du rant befürwortet demgegenüber Ueberweisung zur , , ,, der ,,, lebhaft zu hedauern. Es fei eine Anomalie, daß allein die Geistlichen für die Aufbringung ihrer Ruhegehälter selbst zu forgen hätten. Zu dem auskömmlichen Gehalt, welches die Regierung den Geistlichen gewährleistet habe, ge⸗ höre guch der Pensionsanspruch. .

Ein Kom miffar des Kultusministeriums spricht sich gegen den Antrag Durant aus. . . .

Sberbürgermeister Struckmann gibt den Kirchen anheim, im Sinne der Wünsche der Geistlichkeit Schritte zu tun, nachdem die staatliche Gesetzgebung das kirchliche Besteuerungsrecht neuerdings er⸗ heblich erweitert habe. Das Haus könne sich nicht über den Kopf der Regierung hinweg im Sinne der Petition engagieren.

Graf von Zieten⸗Schwerin: Wir erkennen mit Dank an, was die Staatsregierung getan hat, um in den letzten 10 Jahren der Kirche zu Hilfe zu kommen. Es sind damit aber zum Teil nur alte Verpflichtungen eingelöst worden aus der Zeit, wo der Staat aus Not das Kirchendermögen einzog. Immerhin hat der Kommissar bezüglich der Superintendenten erfreulicher weise auch weiteres Wohlwollen der Staats regierung in Aussicht gestellt. Die Kirche selbst kann den vorliegen⸗ den Wünschen leider nicht entsprechen. Die Gemeindesteuern sind schon fo hoch, daß den Angehörigen der Kirche ein weiteres nicht zugemutet werben kann. Auch ist die Besteuerung in den einzelnen Gemeinden durch⸗ aus verschieden. Welchen Eindruck müßte es im Lande machen, wenn das Haus über eine Petition zur Tagesordnung überginge, die das Abgeordnetenhaus der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen hat? So etwas möchte ich doch auf dem Herrenhause nicht sitzen lassen. Rur aus Bescheidenheit habe sich die Kirchenbehörde noch nicht sirekt mit diesem Petituimn an die Regierung gewendet., Ich kann Sie nur dringend bitten, den Antrag des Freiherrn von Durant anzunehmen. 3 ;

Ein anderer Regierungskommissar erklärt sich namens der Finanzverwaltung ebenfalls gegen den Antrag Durant. Die Beschlußfaffung im Abgeordnetenhause habe stattgefunden, ohne daß Vertreter der Regierung in die Lage gekommen seien, deren gegen— teiligen Standpunkt zu vertreten.

Das Haus beschließt nach dem Antrage Durant.

Die Petition des Vorstandes des Waisenheims zu Wolf an der Mosel und andere gleichlautende Petitionen von Vorständen, bezw. Teßrern an privaten Taubstummen“, Blinden⸗, Idioten⸗, Waisen⸗, Reitungs- und ahnlichen Anstalten um Anrechnung der Dienstzeit der Lehrer an solchen Anftalten beim Uebertritt in den öffentlichen Volks⸗ schuldienst ohne Nachzahlungepflicht und ohne zeitliche Begrenzung sollen nach dem Antrage der Petitionskommission durch Ueber⸗ gang zur Tagesordnung erledigt werden. Referent ist Graf von Keyserlingk. .

Das Haus tritt dem Kommissionkantrage bei.

Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr. (Petitionen; Vorlage, betreffend die gemeinschaftlichen Jagd⸗ bezirke; Ausführungsgesetz zum Reichsseuchengesetz,

Haus der Abgeordneten. 191. Sitzung vom 29 Mai 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte Beratung des Gesetzenfwurfs, betreffen Abänderung des Allgemeinen Berggesetzes und des Ausführungs⸗

esetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Betriebszwang).

Abg. Graf von Ballestrem (3entr) beantragt zu 8 G65, der den Bergwerksbesitzer aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Interesses zum Betriebe verpflichtet, sofern die Eröffnung oder die rng des Betriebs Gewinn ver— spricht, den Schluß folgendermaßen zu fassen:

sofern die Eröffnung Gewinn verspricht oder die Fortsetzung des Betriebs unter Zugrundelegung des Durchschnittsertrags der beiden letzten Jahre gewinnbringend ist!:.

r der Bestimmung des 8 65, nach der bei bisher nicht betricbenen Bergwerken die Frist wenigstens sechs Monate zu . hat, beantragt Abg. Graf von Ballestrem den

usatz: 3 . ist für deren Inbetriebsetzung lediglich der inländische Bedarf an unterirdischen Gütern maßgebend'.

Ferner beantragt Abg. Graf von Ballestrem zu § Höa,

J ̃ ö der den Bergwerksbesitzer sowohl in Fällen des 5 65a (Bau⸗ Es folgt der mündliche Bericht der veistärkten Kommission für die Agrarverhältnisse über den vom Abgeordnetenhaus in abgeänderter

einer

hafthaltung), als auch in Fällen des Zwangsbetriebs zur hung der erforderlichen Kostenvorschüsse , ,. daß der taat in beiden Fällen zur Zahlung der Vorschüsse ver— pflichtet wird. ; Die Abgg. zenning (kons.), von Bülow-Bossee ffrei⸗ kons.) und Dr. Hager (Zentr beantragen zu 8 162 fol— genden Zusatz:

1

und daß ein Verzicht (auf das Bergwerkseigentum) der Ein. leitung und Durchführung des Verfahrens auf Entziehung des Bergwerkselgentums auch dann nicht entgegensteht, wenn er vor der Zustellung der in § 65 Abs. 2 bezeichneten Aufforderung er⸗ klärt ist).

Dieselben , , beantragen ferner, einen 8 1944 einzufügen, der die Bestimmungen über die Zusammen⸗ eb n des Bergausschusses gleichlautend mit den bei

er Berggesetznovelle über die Arbeiterverhältnisse beschlossenen Bestimmungen enthält.

Ueber den ersten Teil der Generaldiskussion ist bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Die daselbst im Auszug wie n gf r. Erwiderung des Minifters für Handel und Gewerbe öller auf die Aus—⸗ führungen des Abg. Schiffer (nl) hat folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Gegenüber der offenen Aussprache des Herrn Vorredners hinsichtlich der Stellungnahme seiner Partei halte ich es für richtig, ebenso klar und offen die Stellungnahme der Staate⸗ regierung hier kundzugeben. Der Herr Vorredner wünscht sowohl den Betriebszwang, als auch die Bauhafthaltung aus dem Gesetz zu streichen. Damit nehmen Sie dem Gesetz die Hauptwaffe und machen es überhaupt unwirksam; Sie machen, wenn Sie einen derartigen Strich vornehmen, schon hierdurch allein das Gesetz für uns wertlos, und wir würden dann, wenn Sie eine solche Streichung vornehmen, auf das Zustandekommen des Gesetzes keinen Wert legen.

Der Herr Vorredner hat sich dann in bezug auf die Kosten gegen⸗ über dem Herrn Abg. Dr. Friedberg auf einen etwas abweichenden Standpunkt gestellt. Er erkennt an, daß der Standpunkt der Staats. regierung für ihn erklärlich sei, wonach die Staatsregierung aus prin⸗ zipiellen Gründen die Koften aus den Maßnahmen, die sie im Interesse der Allgemeinheit vorgenommen hat, nicht tragen kann; aber er meint, das ganze Gesetz sei eine Ausnahmemaßregel, und weil es eine Aus— nahmemaßregel sei, so müßten auch Ausnahmen von den Prinzipien der Regierung gemacht werden. Ich bedaure, dem Herrn Vorredner im Einverständnis mit dem Herrn Finanzminister sagen zu müssen, daß die Staatsregierung der Meinung ist, daß wir bei einem der⸗ artigen, verhältnismäßig unbedeutenden Gesetz gerade von unseren Grundsaͤtzen nicht abweichen können und daher unter allen Umständen jeden Versuch, die Kosten, die hier aus der Ausübung des Gesetzes entstehen könnten, auf den Staat abzuwälzen, von vornherein zurück- weisen.

Sodann hat der Herr Vorredner davon gesprochen, daß die Ober⸗ bergämter mit einer gewissen Willkür das Gesetz handhaben könnten. Ich glaube, der Herr Vorredner hat keine Ursache, hier eine willkür⸗ liche Handhabung des Gesetzes irgendwie anzunehmen, wie er überhaupt eine Willkür bei den Staatsbehörden nicht annehmen kann. Die Berg⸗ behörden, die dazu bestimmt sind, das Gesetz auszuüben, werden darüber mögen die Herren keinen Zweifel haben die volle, schwere Verantwortung dafür fühlen, wenn sie auf Grund des Gesetzes ein⸗ schreiten; sie werden nicht leichten Herzens das Gesetz anwenden, sondern werden es sicherlich nur in solchen Fällen zur Geltung bringen, wenn sie dadurch, daß Zechen stillgelegt werden, wirklich schwere Schäden ausgeübt sehen. Daß diese Stillegung aus andern als betrieblichen Gründen erfolgt, ist eben das, was wir verhüten wollen. Es soll ich wiederhole es nochmals in erster Linie der Mißbrauch verhindert worden, der aus der zufälligen Konstruktion des Syndikatsvertrages mit der Zechenstillegung getrieben wird. Ich bin fest überzeugt, daß, sobald diese Bestimmung des Syndikatsvertrages geändert ist, was im Interesse des Syndikats selbst läge und was bei einer Erneuerung des Syndikats wohl geschehen wird, dann das Gesetz keine oder nur geringe Anwendung finden würde. Dann würde nur die weitergehende Anwendung, die mein Kommissar als möglich in Aussicht gestellt hat, noch in Betracht kommen. Das liegt aber nicht im Gebiet unserer Erörterungen, und ich bitte, darauf nicht einzu⸗ gehen. Ich wiederhole, wir werden uns weder auf Streichung des Betriebszwanges und der Bauhafthaltung einlassen, noch auch darauf, daß die Kosten vom Staat übernommen werden.

Abg. Graf von Ballestrem zieht seinen ersten Antrag zu 8 G65 zurück.

Abg. von Bülow-Bossee befürwgrtet den Kompromißantrag sowie eine Reihe von ihm selbst gestellter Abänderungsanträge zu einzelnen Paragraphen; insbesondere beantragt er die Streichung des Betriebszwanges.

Minister für Handel und Gewerbe Möller:

Ich habe dem Eingang der Rede des Herrn Vorredners nicht vollständig folgen können; ich meine aber, von ihm verstanden zu haben, daß er gesagt hat, die Staatsregierung sei doch einverstanden, den Betriebszwang fallen zu lassen. Das widerspricht durchaus dem, was ich unmittelbar vorher gesagt habe. Ich habe allerdings dem Herrn Abg. von Bülow gegenüber, als er mich am Sonnabend fragte, ob man eventuell den Betriebszwang fallen lasse könne, gesagt: wenn damit eine Mehrheit des Hauses herzustellen sei, daß man den Betriebs zwang fallen lasse und die Bauhafthaltung aufrecht erhielte und gleichzeitig sicherstellte, daß der Antrag Gßling fiele, so würde ich mir überlegen, ob die Staatsregierung einem solchen Kompromiß zustimmen könnte. Ich glaubte, es würde das der Fall sein; aber diese Voraussetzung trifft nicht zu. Soweit ich unterrichtet bin, sind viele große Parteien des Hauses, die unbedingt beides, den Betriebszwang wie die Bauhafthaltung, aufrecht erhalten wollen. Ich habe meine private Aeußerung gegenüber dem Herrn Abg. von Bülow nur gemacht in der Voraussetzung, daß die Bau haft⸗ haltung in „io der Fälle die Inbetriebhaltung in sich schließen wird; denn die Bauhafthaltung macht nur Kosten und bringt keine Intraden. Also in „i der Fälle wird man die Betriebhaltung der reinen Bau⸗ hafthaltung vorziehen. Ich weiß, daß große Parteien des Hauses auf beides Wert legen, und darum muß ich im Interesse des Zustande⸗ kommens des Gesetzes an dem festhalten, was ich eben gesagt habe.

Abg. Henning (kons): Im Namen deg größten Teils meiner Freunde habe ich zu erklären, daß wir nach wie vor auf dem Boden her Kommiffionsbeschlüsse steben. Wir wollen das Zustandekommen des Gefetzeö ermöglichen. Mit dem Vorredner, halten auch wir un= bedingt daran fest, daß das Berggesetz ein preußisches Gesetz sein soll. Mit den Abweichungen von den Kommisstonsbeschlüssen können wir uns nicht einverstanden erklären. Wir halten insbesondere daran fest, daß nicht nur die Bauhafthaltung, sondern auch der Betriebszwang außgesprochen werden muß, wenn das Gesetz mit Erfolg zur An⸗ wendung gebracht werden? soll. Der Redner empfiehlt noch ins besondere den Kompromißantrag zu 162, der eine Milderung enthalte.

Abg. Caf sel (fr Vollzp. ): Meine Freunde werden für den Antrag Bülow nicht stimmen. Sollen seine übrigen Anträge die Grundlage für eine weitere Beratung gewähren, so würde es er⸗ forderlich sein, die Vorlage an die Kommissson zu überweisen oder

mindestens die Beratung zu vertagen, damit man sich über diese Anträge Klarheit verschaffen kann. Die Kostenfrage ist für uns so wichtig, daß, wenn unser Antrag oder der Antrag Schiffer nicht an— enbmmen würde, wir nicht in der Lage wären, für das Gesetz zu timmen. 5 65 r muß gestrichen werden. Wir halten es nicht für gerechtfertigt, eine so schwierige, seit langen Jahren stzrtig g e n. in einem Spezialgesetz zum Austrag zu bringen. Wenn der inister erklärt hat, das Geseß würde scheitern, wenn dem Staat die Kosten auferlegt würden, so muß ich sagen: So sehr wir geneigt. sind, diesem Gefetze zuzustimmen, weil wir mit dessen Zielen einverstanden sind, so würden wir doch auf dieses Gesetz verzichten, wenn es die Bergwerkseigentümer in ungerechter Weise belastete. Daß die Bergbehörden dieses Gesetz nicht willkürlich anwenden würden, sondern nach bester Ueberzeugung, glaube ich dem Handels- minister gern, aber das ist doch kein genügender Schutz gegen eine unrichtige Anwendung des Gesetzes. Kein Staatsanwalt wird will · kärlich das Gesetz gnwenden, und doch erleben wir alle Tage, daß trotz der sorgfältigsten Prüfung Anklagen sich nachher als ungerechtfertigt erweifen. Sollte die Regierung unserer Anträge wegen das Gesetz scheitern lassen, so würde sie damit nur dokumentieren, daß sie die Tragweite des Gesetzes nicht für besonders groß hält, es würde ihr dann auch die Verantwortung zufallen. Die Sicherheit und Freiheit des Eigentums darf nicht mutwillig gestört werden.

Abg. Wolff⸗Lissa (fr. Vgg.): Unsere Stellungnahme hat sich feit der zweiten Beratung nicht verändert. Wir werden alle An träge ablehnen, die auf Beseitigung des Betriebszwanges hinauslaufen. Dlefe Anträge beseitigen nicht die Bauhafthaltung. Es ist bereits hervorgehoben, daß die Bauhafthaltung annähernd dieselben Kosten verursacht, wie der Betriebszwang, ohne die Vorteile des Betrieb⸗ zwanges ju haben. Durch die Bauhafthaltung wird aber trotz der erheblichen Aufwendungen, die den Bergwerksbesitzer treffen, einem öffentlichen Interesse nicht gedient; denn für die Bedienung der Maschinen sind nur wenige Arbeiter erforderlich. Wir sind uns aber alle darüber einig, daß das öffentliche Interesse, das hier at werden soll, gerade das Interesse der Arbeiter ist, die beschäftigt werden sollen. Wir werden aber dem Antrag zustimmen, welcher die Tragung der Kosten für den Fall dem Staate auferlegt, daß rechtskräftig die Anordnung der Bauhafthaltung und des Betriebs. zwanges als ungerechtfertigt erkannt ist. Der Standpunkt des

snanzministers, daß das Zustandekommen dieses Gesetzes von der

blehnung jener Anträge abhängig ist, erscheint allzu fiskalisch. Hat der Staat sich geirrt, so hat er die Kosten zu tragen, und er kann sie nicht auf den unschuldig befundenen ,,, ab⸗ wälzen. Wir meinen endlich, daß die Bestimmung über die Schadens⸗ ersatzpflicht aus dem Gesetz beseitigt werden muß. Der Rechts⸗ zustand ist jetzt der, daß für die ganze Monarchie nur im Rechtsgebiet des Code civil die Ersatzpflicht des Staats für schädliche Hand- lungen seiner Beamten anerkannt ist. Wie meinen aber, daß man es bei dem bestehenden Rechtszustand belassen soll und keinesfalls eine Bestimmung in das Gesetz aufnebmen darf, die die Schadensersatz⸗ pflicht für den Staat beseitigt. Im übrigen kann ich mich nur auf das beschränken, was ich bereits srüher als Stellung meiner Fraktion gekennzeichnet habe. Wir wollen daran mitwirken, das Gesetz mög⸗ lichst zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu gestalten, werden aber den Beschlüssen zweiter Lesung zustimmen.

Damit schließt die Generaldiskussion.

In der Spezialdiskussion findet der Antrag des Grafen von Ballestrem zu 8 65 nicht genügende Unterstützung. Der Antrag Bülow-⸗HFossee auf Streichung des Betriebszwanges wird abgelehnt, S 65 bleibt unverändert.

Zu S 65a (Zwang zur Bauhafthaltung) liegt der Antrag von Bülow⸗Bossee vor, den zweiten Satz des Abs. l, wie folgt, zu fassen:

„Ein Bergwerk gilt im Sinne dieser Vorschrift auch dann als im Betrieb befindlich, wenn der Betrieb zwar eingestellt ist, indessen die Erstattung der in 5 71 vorgeschriebenen Anzeige noch nicht vier Wochen, oder bei nicht rechtzeitiger Erstattung dieser Anzeige seit der jatsächlichen Einstellung des Betriebes noch nicht acht Wochen verstrichen sind. .

Geheimer Oberbergrat Steinbrinck empfiehlt die An— nahme des Antrages.

Der Antrag wird angenemmen und mit dieser Aenderung der 5 6h a.

3 65 c (Betriebszwang) wird entgegen dem Antrage von Bülow⸗Bossee gegen die Stimmen der Freikonservativen, Nationalliberalen, eines Teils der Freisinnigen und einer kleinen Anzahl von Mitgliedern des Zentrums aufrecht erhalten. Zu S 6 d (Verwaltungsstreitverfahren) liegen die Anträge Schiffer und Gyßling vor.

Der Antrag Schiffer lautet:

Wird durch rechtskräftige Entscheidung die Aufforderung aus Fz 65 aufgehoben, so fallen diejenigen Kosten, welche aus den Maß⸗ nahmen der S8 66a und öé entstanden und nicht durch die Er— träge des Bergwerks gedeckt sind, dem Staate zur Last. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Bergwerksbesitzer es unterlassen hat, rechtzeitig die in den 58 71 und 71b erwähnte Anzeige zu machen.

Der Antrag Gyßling deckt sich mit dem ersten Satz 6 Antrags Schiffer und geht außerdem auf Streichung des ? 2

An der Debatte beteiligen sich Geheimer Oberbergrat Steinbrinck und die Abgg. Dr. von Savigny Gentr.), Wolgfe ifa,

865 wird mit einem redaktionellen Amendement des Abg. Dr. von Savigny angenommen; der zweite Satz des Antrages Schiffer wird angenommen, darauf aber der ganze

Antrag Schiffer ebenso wie der Antrag Gyßling abgelehnt. h d 65 wird entgegen dem Antrag ng n aufrecht⸗ erhalten.

3162 wird in der Fassung des Antrages der Abgg. Henning und Gen., nachdem Geheimer Oberbergrat Stein⸗ brinck bemerkt hat, daß dieser Antrag seine in zweiter Lesung geäußerten Bedenken beseitigt, angenommen.

Der von den Abgg. Henning und Gen. beantragte neue Paragraph 1942 (Zusammensetzung des Bergausschusses) wird angenommen.

Der Rest des Gesetzes wird im wesentlichen unverändert nach den- Beschlüssen zweiter Lesung angenommen,

Abg. Kir sch Zentr. empfiehlt, daß die drei Novellen zum Berg⸗ 8 über die Arbeiterverhältnisse, den Betriebszwang und die Mutungssperre, wenn sie vom Herrenhause ebenfalls angenommen worden sesen, von diesem in ein einheilliches Gesetz zusammengefaßt werden mögen. 99

In der Gesamtabstimmung gelangt das Gesetz mit großer Mehrheit zur Annahme.

Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs über die Aenderung der Landesgrenze gegen die Freie Bremen bei Bremerhaven und bei Fischhude,

reis Achim.

Die Vorlage war am 18. März in die Kommission zurückverwiesen worden. Durch neue Verhandlungen mit Bremen ist der Staatsvertrag, welcher der Vorlage anliegt, in verschiedenen Punkten geändert worden, namentlich ist das abzutretende Gebiet beschränkt worden.

Die Kommission beantragt nunmehr die Annahme der Vorlage und des Vertrages sowie g nh Re solution:

„Die Regierung wird ersucht, 1) elne den Anforderungen des Schiffsberkehrz entsprechende Ausgestaltung und Erweiterung des

Geestemünder Handelshafens tunlichst bald in Angriff zu nehmen;

2 für die BVerbesserung und Erweiterung der Geestemünder Fischereihafenanlagen in einem auch weitgehenden Ansprüchen genügenden Umfange Sorge zu tragen; 3) Maßregeln zu treffen, welche dazu beizutragen geeignet sind, daß die Wettbewerbefähigkeit der Geestemünder Schiffs bauindustrie erhalten bleibt.“

Die Petition der Gemeinde Imsum soll nach dem An⸗ ö der Kommission der Regierung zur Berücksichtigung über⸗ wiesen werden, die übrigen getnrl el sollen für erledigt er—⸗ klärt werden.

Berichterstatter Abg. Münsterberg (fr. Vgg.): Die Staats⸗ regierung hat auf den Wunsch des Hauses mit dem Staate Bremen von neuem verhandelt, und es ist gelungen, den Vertrag entsprechend den von der Kommission geäußerten Bedenken zu beschränken. Die Steuerkraft der Gemeinde Lehe ist nunmehr gewahrt worden. Es ist ferner festgestellt worden, daß auf dem von 6 an Bremen ab⸗ getretenen Hafengebiet Anlagen für Neubauten nicht angelegt werden kdürfen, fondern nur Reparaturwerkstätten. Ueber die Wünsche der Gemeinden Geestemünde und Lehe wegen einer Schadloshaltung ist die Kommission hinweggegangen, weil diese Frage noch in weiter Zu kunft liegt. Dagegen ist die Kommission bei der eigenen Besichtigung der lokaken Verhältnisse zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Handelshafen von Geestemünde verschiedener Verbesserungen bedarf, und daß der Fischereihafen vergrößeri werden muß. Ich bitte um Annahme der Vorlage.

Ubg. Menck Greikons.) erklärt sich für die Vorlage.

Abg. Don Arnim (kons.): Es ist gut gewesen, daß die Vorlage nochmals an die Kommission zurückverwiesen wurde und daß die Kommission selbst die lokalen Verhaäͤltnisse besichtigt hat. Es hat sich dabei herausgeftellt, daß diese Verhältnisse in Bremerhaven und in Geestemünde dringend der Abhilfe bedürfen, sodaß der erste Be⸗ schluß der Kommission auf Ablehnung der Vorlage nicht aufrecht erhalten werden konnte. Zwar sind nicht alle Wünsche bezüglich der Verhinderung industrieller Anlagen in dem abgetretenen Gebiet und bezuglich der Berücksichtigung von Geestemünde erfüllt worden, aber es konnte über die weitergehenden Wünsche hinweggegangen werden. Indeffen ist die Resolution der Kommission zu empfehlen, da sowohl der Handelshafen wie der Fischereihafen von Geestemünde dringend der Verbesserung bedarf. Es müssen auch Maßregeln getroffen werden, daß Schiffe neuester Konstruktion auf, den Geestemünder Werften gebaut werden können. Ich bitte deshalb um Annahme der Vorlage und der Resolution der Kommission.

Abg. Me ver- Diepholz (nl): Meine J werden nunmehr auch die Vorlage mit dem dazu gehörigen Vertrag mit Bremen an⸗ nehmen. Wir verbessern dadurch unsere Verkehrseinrichtungen und stärken zugleich unsere Wehrkiaft. Wir erkennen, daß unsere ur⸗ sprünglichen Bedenken beseitigt sind. Die örtliche Besichtigung hat wesentlich dazu beigetragen, den neuen Vertrag zustande zu bringen. Wir haben uns namentlich überzeugt, daß die Eisenbahnderhältnisse in Geestemünde dringend der Verbesserung bedürftig sind. Wir treten auch für die Resolution der, Kommission ein. Wir wollen den Handelshafen und den Fischereihafen von Geestemünde verbessern und seine Werften konkurrenzfäbig machen.

Abg. Reinhard (Zertr): Namens meiner Freunde erkläre ich, daß wir dem abgeänderten Staatsvertrag und dem Gesetze zustimmen, ebenso aber auch der Resolution der Kommission. Wir stimmen der Vorlage mit einem nassen und einem trockenen Auge zu; viele unserer Wünsche sind unerfüllt geblieben. Eigentlich ist nur ein Wunsch erfüllt, daß das Baugelände der Gemeinde Lehe erhalten bleibt. Auf die anderen Wünsche können wir verzichten. Jedenfalls ist die Errichtung von Anlagen für Neubauten von Bremerhaven ein⸗ geschränkt worden. Wir können nicht verkennen, daß der Vertrag große Vorteile entkält; aber mit Hilfe der Resolution müssen Koinpensationen für Geestemünde geboten werden. Mögen unsere Befürchtungen, die wir noch haben, nicht eintreten, sondern mögen sich die Hoffnungen, die daran geknüpft werden, erfüllen.

Sr, von Woyna (freikons.): Die Kommission Hat sich an Ort und Stelle einen Eindruck von der Sache verschafft. Auch der größte Hegner der Gebietsabtretung ist zur Ueberzeugung gekommen, daß die preußische Regierung bei den Vertragsverhandlungen keine preußischen Intereffen vernachlässigt, sondern sie in jeder Beiiehung wahr— enommen hat. In dieser Vorlage wird der gesamte Welt- andel an die Nordseeküste gezogen, und der Westen der Monarchie erhält dadurch das, was der Osten schon längst hat. Wir werden eine ungeahnte Vermehrung und Stärkung der gesamten Weltstellung Deutschlands gegenüber dem Auslande erhalten.

Abg. Sr. Brandt (ul) erklärt sich für die Vorlage. Der Hafen von Geestemünde befinde sich noch in demselben Zustande wie vor 40 Jahren und müsse deshalb verbessert werden.

Abg. Funck (fr. Volksp.): Meine Freunde waren bereits nach dem ersten Kommissionebericht geneigt, für die Vorlage zu stimmen wegen der großen Vorteile derselben. Aber es ist nicht zu verkennen, daß durch die neue Beratung der Vertrag mit Bremen wesentlich schmack⸗ hafter geworden ist, namentlich durch das Verbot der Neubauwerften im Zollauslande. Meine Freunde sind der Ansicht, daß der Auf⸗ schwung der gesamten Verhältnisse an der Unterweser derartig sein wird, daß auch die preußischen Gemeinden in weitem Umfange Vor⸗ teile dapon haben werden. Man braucht also nicht pessimistisch in die Zukunft zu sehen. Meine Freunde stimmen auch der Resolution zu, erkennen aber nicht, daß durch diese in ihrer Allgemeinheit der Re— gierung außerordentliche finanzielle Anstrengungen auferlegt werden. Wir sind jedoch Überzeugt, daß die Regierung mit Vorsicht an die Ausführung herangehen wird.

Darauf wird die Vorlage mit dem Vertrage, sowie die Resolution angenommen. Die Petitionen werden nach dem Kommissionsantrage erledigt.

Auf der Tagesordnung 3 ferner die zweite Beratung des Antrages Gamp auf Aenderung des Berg⸗ gesetzes (Mutungssperre.)

Abg. Dr. Ditkrich (Zenir) beantragt die Absetzung von der Tagesordnung, da der Kommissionsbericht erst am Sonn⸗ abendabend ausgegeben sei.

Abg. G amp freikons.) widerspricht diesem Antrage, weil ja der Sonntag zur Vorbereitung frei gewesen sei und die Sache eile, da nach einer ihm zugegangenen Bepesche in den nächsten Tagen eine ganze Reihe von Mutungen bevorstände.

Die AÄbgg. Dr. Friedberg (ul) und Fisch beck (fr. Volksp.) schließen sich dem Abg. Dr. Dit rich an, und das Haus beschließt die Absetzung von der Tagesordnung,.

Präfident von Kröcher schlägt für morgen vor, die zweite 36. d dritte Beratung des Antrages Gamp auf die Tagesordnung zu etzen.

Abg. Dr. Friedberg (ul.) erhebt gegen die dritte Lesung an demselben Tage Widerspruch.

Abg. Ga mp bittet ibn, diesen Widerspruch zurückzuziehen, da er ja morgen nach der zweiten Lesung die Absetzung von der Tages⸗ ordnung beantragen könne, und Abg. Graf zu Limburg ⸗Stirum (kons) syricht sich in demselben Sinne aus.

Bräsident von Kröcher macht darauf aufmerksam, daß heute der Widerspruch von 15 Mitgliedern gegen die dritte Lesung genüge, während morgen die Absetzung nur bon der Majorität beschlossen werden könne.

Abg. Dr. Friedberg hält seinen Widerspruch zunächst aufrecht, verzichtet aber dann darauf, nachdem Präsident von Kröcher vorgeschlagen hat, die dritte Lesung nicht unmittelbar auf die zweite n zu lassen, fondern zwischen beiden eine Reihe von Petitionen zu erledigen.

Schluß nach A /g Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 11 Uhr. (Interpellation Cahensly wegen Verpachtung der Brunnen

von Niederselters und Fachingen; dritte Beratung der Gebiets⸗

veränderung bei Bremerhaven; zweite Lesung des Antrags Gamp; Pelitionen; dritte Lesung des Antrags Gamp.)

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erweiterung des Stadtkreises Duis⸗ burg und die anderweike Organisation der Amts⸗ gerichte in Duisburg und Ruhrort, nebst . An⸗ lagen, der Begründung und einer Situationsskizze zur Beschlußfassung zugegangen. Nach diesem Gesetzentwurf sollen die Stadtgemeinden Ruhrort und Meiderich am 1. Oktober 1905, unter Abtrennung von dem Kreeise Ruhrort, der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Duisburg nach Maßgabe der in den Anlagen zum Gesetz⸗ entwurf abgedruckten Verträge vom 1. und 4. Mai 19065 einverleibt werden. Zu demselben Zeitpunkt erhält das Amtsgericht in . die Bezeichnun Duisburg-⸗Ruhrort. Die Amtsgerichte in Duisburg 96 Duisburg-Ruhrort behalten ihre bisherigen Bezirke mit der Maßgabe, daß das rechte Ufer der Ruhr die Grenze 3 beiden Bezirken bildet. Veränderungen des rechten Ufers der Ruhr ziehen die Veränderung der Grenze der beiden Amts⸗ gerichtsbezirke von selbst nach sich.

In der diesem Gesetzentwurf beigegebenen Begründung wird u. a. folgendes ausgeführt:

Die beiden Nachbarstädte Duisburg und Ruhrort am Nieder⸗ rhein, von denen zur Zeit jene rund 106009, diese 38 000 Ein wohner zählt, weisen in dem Duisburger städtischen und dem Ruhrorter fiskalischen Hafen den größten Binnenhafen⸗ verkehr der Welt auf. Während der Duisburger städtische Hafen ganz im Gebiet der Stadt Duisburg liegt, befindet sich der Ruhrorter fiskalische Hafen nur mit den ältesten Hafenteilen, den Hafenmündungen und dem Hafenamt im Gebiet der Stadt Ruhrort. Ein anderer Teil des fiskalischen Hafens liegt im Stadt- gebiet von Duisburg. Der weitaus größte Teil dieses Hafens aber befindet sich jetzt schon im Bezirke der zur Zeit etwa 39 500 Ein wohner zählenden Stadt Meiderich; hierzu treten demnächst noch die in der Anlegung begriffenen bedeutenden Hafenerweiterungsbauten, die sich lediglich auf das Gebiet der Stadt Meiderich erstrecken. Damit tritt als dritte wichtige Hafenstadt die Nachbarstadt Meiderich hinzu. Alle drei Städte weisen infolge ihres Charakters als Hafenstädte immer mehr und mehr gemeinschaftliche Lebensbedingungen gu], haben ihr Emporblühen wesentlich den Häfen zu verdanken und sind in ihrem weiteren Fort- schreiten von deren Entwickelung abhängig. Die Gemeinsamkeit der Interessen in den unmittelbar aneinander grenzenden Städten hat schon Ffter den Gedanken einer kommunalen Vereinigung nahegelegt. Daß der Gedanke endlich zur Ausführung gelangt, kann um so freudiger begrüßt werden, als eine Interessen⸗ und Betriebsgemeinschaft der beiden großen Häfen wegen der fortgesetzt wachsenden Konkurrenz immer dringender notwendig wird. Eine folche Gemeinschaft kann aber nur dann einen durchgreifenden und vollständigen Erfolg haben, wenn die an den Häfen beteiligten drei Städte auch kommunalrechtlich vereinigt sind; denn die Verwaltung der Häfen steht mit derjenigen der Gemeinden in engster Beziehung und kann durch fernere Trennung der kommunalen Gebilde erheblich keeinträchtigt, durch ihre einheitliche Zusammenfassung wesent⸗ lich gefördert werden.

Am engsten sind diese Beziehungen auf dem Gebiet der örtlichen

Polizeiverwaltung. Die durch den Hafenverkehr bedingten Schwierig⸗ keiten des polizeilichen Dienstes werden durch den doppelten Mißstand wesentlich gesteigert, daß das Hafengebiet in drei Jefonderte Gemeinde. und Ortspolizeibezirke zerfällt und daß die, Grenzen dieser Bezirke in unübersichtlicher Weise ineinander greifen. Dadurch erwachsen nicht nur große Unbeguemlich= keiten für den Verkehr mit der Arbeiterschaft bei An,. und Abmeldungen und bei den Geschäften der sozialpolitischen Gesetz⸗ ebung, sondern auch erhebliche Gefahren bei dem Ausbruch an⸗ steckender Krankheiten sowie bei der Verfolgung von Delikten. Mit der Vereinigung der Gemeinden und der dadurch bedingten Vereinheit- lichung der Orkspolizeiverwaltung werden die Voraussetzungen für den erforderlichen polizeilichen Schutz gegeben sein.

Unhaltbar sind ferner die durch die kommunale Trennung herbei⸗ geführten Zustände auf dem für die Entwickelung des Hafenverkehrs sehr wichtigen Gebiete der Gemeindebesteuerung geworden. Hier bedarf es nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen für Gewerbebetriebe, welche sich uber mehrere Gemeindebenrke erstrecken, sowohl bezüglich der Ein— kommen, als auch der Gewerbesteuerpflicht schwieriger Verteilungen des Einkommens bezw. der Steuersätze. Gerade auf die an den Hafengrmen angesiedelten Handels, und Gewerbeuntecnehmungen treffen der Natur der Sache nach die Voraussetzungen dieser Steuerverteilung vielfach zu und fuhren zu um so verwickelteren Verhandlungen und Prozessen, als in den beteiligten Städten die Zuschläge zur Staatseinkommensteuer ganz verschleden bemessen und die Gewerbesteuern auf Grund autonomer Ord⸗ nungen nach verschiedenen Maßstäben erhoben werden. Bei der fühlbaren Rückwirkung derartiger Verschiedenheiten auf die Einwohner des Gesamt hafenbezirks tritt der Steuerpolitik der Gemeinden häufig eine solche der Gewerbetreibenden gegenüber, die Sitz und Ausdehnung ihrer Be- triebe von den steuerlichen Folgen abhängig machen und hierdurch die Interessen der Nachbargemeinden gegen einander auszuspielen in der Tage sind. Eine Gesundung der Verhältnisse auf diesem Gebiete ö gleichfalls nur durch die kommunale Vereinigung herbeigeführt werden.

Hand in Hand mit der Ausdebnung des Hafenverkehrs geht die Entwickelung der bedeutsamen Stahl, und Eisenindustrie, an der die drei Städte gleichfalls gemeinsam beteiligt sind. Die schon bestehende Interessenverwandtschaft wird durch die in der Anlegung begriffenen Hafenerweiterungsbauten und durch die Gründung neuer industrieller Werke in dem Ruhrorter Ortsteil Beeck eine noch innigere werden.

Diesen mannigfachen Beziehungen der drei Nachbarstädte ent- spricht ihr räumlicher Zusammenhang. Soweit der Ruhrfluß die Städte von einander geschieden hat, ist die Trennung durch Brücken- verbindung wieder aufgehoben worden. Unter diesen Umständen sind die Stavtverordnetenversammlungen der drei Städte zu Vereinigungsbeschlüssen gelangt und haben die dem Gesetzentwurf bei efügien Eingemeindungsverträge gutgeheißen, und, zwar die Duisburger Stadtverordnefenversammlung einstimmig, die Ruhrorter mit 34 gegen 9 und die Meidericher mit 27 gegen 2 Stimmen. Der Kreistag' des Kreises Ruhrort hat sich mit dem Ausscheiden der Stadt Ruhrort aus dem Kreisverbande einstimmig und mit dem Aus— scheiden der Stadt Meiderich mit allen gegen eine Stimme einver- standen erklärt.

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichs amt des Innern zu sammengestellten Nachrichten für Handel und Industrie“.)

Der Spiritusverbrauch in Rußland.

Die russische Hauptverwaltung der indirekten Steuern und der Branntweinregie hat einen Bericht über den Spirituskonsum Ruß⸗ lands im Jahre 1903 zusammengestellt, aus dem ersichtlich ist, daß die Bevölkerung Rußlands im Jahre 1993: 72 596 300 Wedro 405 Branntwein verbraucht hat, was 0,52 Wedro auf den Kopf der Berölkerung ausmacht. Der größte Spirituskonsum entfällt auf das Schwarzmeergouvernement (1.657 Wedro), St. Petertzburg (1,3) Und Moskau (1,45 Wedro) und der geringste Konsum auf die östlichen Gouvernements (O43), die Nordwestgoubernements (O, 14), das Weichselgeblet (O, 40), die transkaukasischen Gouvernements und das Trantkaspigebiet (0, 15 Wedro). Gegen die vorhergehenden drei Jahre 900 bis 1502 hat sich im Jahre 1903 der Branntweinkonsum um etwa fünf Millionen Wedro gesteigert. (St. Petersburger Zeitung.)