1905 / 151 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 29 Jun 1905 18:00:01 GMT) scan diff

den deutschen Unternehmern und den deutschen und preußischen Fabrikanten mit seiner Rede keinen guten Dienst geleistet hat.

Minister für Handel und Gewerbe Möller:

Auf die Fragen des Herrn Freiherrn von Durant aus dem Kom missionsberichte möchte ich hier nur das eine berichtigen, daß von einer Streichung der Arbeiter als Wahlberechtigte oder als Wählbare nicht die Rede sein kann, lediglich weil er gestreikt hat, sondern nur, wenn er, z. B. infolge des Streiks und des Kontraktbruchs, aus der Beleg⸗ schastsliste, das heißt der Arbeiterliste, gestrichen ist. Ich meine das auch in der Kommission klar hervorgehoben zu haben; da aber noch Zweifel bestehen, glaubte ich dies hier noch ausdrücklich konstatieren zu sollen.

2berbürgermeister Schmieding: Ich bin ein Gegner aller drei Vorlagen. Ich würde es nicht sein, wenn in einer ab— lehnenden Haltung diesen Gesetzentwürfen gegenüber eine Stellung— nahme gegen das gesamte Staatsministerium und die Fest— stellung zum Ausdruck käme. daß das Herrenhaus zu ihm und namentlich zu dem Reichskanzler nicht mehr das volle Ver— trauen besäße. Um mir keinen Vorwurf zuzuziehen, will ich dies gleich hier feststellen. Meine ablehnende Stellung gründet sich auf meine Erfahrungen im Ruhrrevier, während des Streiks. Der ganze Streik war nach meinen Beobachtungen vorbereitet durch das Wirken einer zügellosen Presse, die eine Umkehrung der ganzen Rechtsanschauungen bewirkt hat, welche die Arbeitgeber nicht mehr als die Herren der Werke betrachtete sondern die Arbeiter auf ihnen als die Befehlenden ansah. ie Stellung der gesamten Arbeiterschaft war mehr eine materiell⸗wirtschaftliche, die auf höheren Lohn und kürzere Arbeitszeit ausging; aber ausgegangen war die Be— wegung von der Sozialdemokratie. Als die Bewegung zuerst bei uns in Gang kam, nahm sie ihren Anlaß aus einem verhältnis⸗ mäßig geringfügigen Ereignis auf der Zeche Bruchstraße; sie hat sich dann ausgedehnt und leider sind auch die Christlich⸗ Sozialen ihr beigetreten und ergriff schließlich die gesamte Arbeiter⸗ schaft. Es war notwendig, irgend ein Mittel der Dämpfung zu finden. Der Minister sandte seine Kommissare hin. Ich halte diese Sendung für durchaus verfehlt. Es erschien mir auch unrichtig, aus— zusprechen, daß durch das Uebergreifen des Streiks auf die gesamte Industrie maßloses Unglück entstehen konnte. Wenn eine solche Be⸗ wegung entsteht, muß man die Konsequenzen tragen; greift man ein, so wird naturgemäß dieses Eingreifen von der einen Partei so ge⸗ deutet werden, daß es auf dem Unrecht der anderen Partei beruht. So ist es in unserer Gegend auch gewesen. Wir haben da den Eindruck gehabt, daß das Eingreifen Gunsten der Arbeiter geschah, obwohl keine Grunde dafür vorlagen. Es wurde eine Vorlage versprochen, mitten in der Zeit der Auf— regung. Ich glaube ja, daß man über dieses Gesetz schon seit 1889 vorberiet; aber dem muß doch entgegengehalten werden, daß in den Akten seitdem ein großes Material gesammelt sein mußte, und daß dieses, wenn man es wieder herausholen wollte, erst von neuem ge—Q prüft werden mußte, um schließlich zu einer verständigen Gesetzgebung zu kommen. Ich halte für 36 dieses Versäumnis nachzuholen, wenn diese Vorlage zu Falle kommen sollte, und dann mit einer völlig durchgearbeiteten Vorlage an uns heranzutreten. Ich würde das für kein Unglück halten. Was mich hauptsächlich gegen das Gesetz Front zu machen bestimmt, ist die Rücksicht auf die Sozial⸗ demokratie. Sie ist die Hauptgefahr, die uns entgegensteht. Unter dem Drucke dieser Forderung wollen Sie jetzt dazu kommen, ein solches Gesetz ins Leben zu bringen; Sie werden damit das Ansehen der Sozialdemokratie heben und die Bewegung der nichtsozial⸗ demokratischen Arbeiter zurückdrängen. Als der Minister sich entschloß, mit den Arbeiterausschüssen über die Beilegung des Streiks zu ver— handeln, hat diese Verhandlung zu absolut keinem Ergebnis geführt. Die Arbeitsdelegationen sind mit ihren Vorschlägen zu den Beleg. schaften zurückgekehrt und sind da zum Teil gar nicht als wirkliche Vertreter der Arbeiter anerkannt worden; diese Ausschüsse haben sich also in Kriegszeiten nicht bewährt. Die Arbeiter können sich ja mit ihren Klagen an die Staatsbeamten wenden, ohne daß es zur Kenntnis der Zechenbesitzer kommt. Das sind im wesentlichen die Gründe, die mich gegen das Gesetz bestimmen. Wenn der Minister sagt, es seien keineswegs unerträgliche Zustände in den Bergwerken gewesen, so soll das doch wohl heißen: sie waren immer noch sehr schlimm. Ich muß das entschieden bestreiten. Der Minister des Innern hat sich über⸗ zeugt, daß die Bergleute im großen und ganzen doch in einer recht lücklichen Arbeitslage sind. Man hat davon gesprochen, daß der 6. Standpunkt der Bergwerksbesitzer nicht zu billigen sei. Auch dagegen muß ich Protest einlegen. Auf die Verhandlungen mit Delegierten einer Politischen Partei konnten sich die Arbeitgeber nicht einlassen. Der Vorstand des Bergbaulichen Vereins ist voll⸗ kommen korrekt verfahren. Ich werde gegen die ganze Vorlage stimmen.

Ministerpräsident, Reichskanzler Fürst von Bülow:

Meine Herren! Ich möchte vor allem meinem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß ich durch dringende Besprechungen davon abgehalten worden bin, der heutigen Debatte von Anfang an beizuwohnen. Dieses mein Bedauern bezieht sich nach dem, was ich gehört habe, vor allem auf die hervorragenden Ausführungen des von uns allen gleich hochberehrten Grafen Botho zu Eulenburg, Ausführungen, deren Grundzüge und Ziele mit meinen politischen Ueberzeugungen übereinstimmen. Die Darlegungen auch der anderen Herren, die heute das Wort ergriffen haben, scheinen so anregend und interessant ge⸗ wesen zu sein, daß die Versuchung für mich nabe liegt, auf die mannig⸗ fachen zur Sprache gebrachten Fragen näher einzugehen. Wenn ich mich dessen enthalte, so geschieht dies vor allem, weil ich den Gang der Debatte nicht aufhalten möchte. Anderseits habe ich sowohl in diesem hohen Hause wie im Hause der Abgeordneten manche, vielleicht die meisten der heute entwickelten Bedenken und Zweifel zu widerlegen mich bemüht und möchte nicht in Wieder holungen verfallen. Ich werde mich deshalb auf einige kurze Be⸗ merkungen beschränken.

Die Bedenken auch des Vorredners, des Herrn Schmieding, gegen die Bergarbeiternobelle haben sich weniger gegen die einzelnen Bestimmungen dieses Gesetzentwurfes gerichtet als gegen seine Gesamttendenz; und namentlich gegen seine Zweckmäßigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einbringung. Selbst Herr Schmieding hat die Gefährlichkeit der einzelnen Be— stimmungen der Arbeiternovelle nicht in den Vordergrund geschoben. Den Kernpunkt seiner Ausführungen bildete die Auffassung, daß es sich bei diesem Streik überhaupt nicht um einen wirtschaftlichen, sondern um einen rein politischen Kampf gehandelt hätte; die Arbeitnehmer wären im vollsten Unrecht und die Arbeitgeber durchaus im Recht gewesen. Meine Herren, ich glaube, daß der geehrte Herr Vorredner damit in denselben Fehler verfallen ist, den man gerade von seiner Seite während des Streiks und nicht ganz mit Unrecht der öffentlichen Meinung gemacht hat. Es ist einseitig, es ist nicht objektiv, in diesem Falle die Arbeitgeber als völlige Engel hin zustellen, die in der frivolsten Weise bedroht und angegriffen worden wären. Ebensowenig wie ich jemals die Schuld und den Kontrakt⸗ bruch der Arbeitnehmer verteidigt oder beschönigt habe, kann ich zu— geben, daß bei diesem Streik das Verhalten der Arbeitgeber ganz einwandsfrei gewesen wäre und sie den Streik nicht hätten vermeiden können. Im übrigen, meine Herren, habe ich auch sonst kein Hehl

zu

*

daraus gemacht, daß ich manche Bedenken verstehe, die gegen die Vor⸗ lage erhoben worden sind. Aber die Gründe, welche die Annahme, die unveränderte Annahme der Arbeiternovelle politisch nützlich und politisch notwendig erscheinen lassen, überwiegen doch bei weitem. Es handelt sich darum, eine von der Königlichen Staatsregierung nun ein—⸗ mal gegebene Zusage einzulösen, das Vertrauen der monarchisch ge⸗ sinnten Bergarbeiter auf den Schutz des Staates und in seine Macht nicht zu erschüttern, die Autorität der Staatsgewalt aufrecht zu er⸗ halten. Es handelt sich darum, daß das hohe Haus, wie es das Ab— geordnetenhaus schon getan hat, zeigt, daß es große sozialpolitische Aufgaben lösen kann, daß es der Sozialdemokratie keine Triumphe gönnt und ihre Voraussagen Lügen strafen will. Das wird und darin stehe ich gerade auf dem entgegengesetzten Standpunkt wie der Herr Vorredner nicht durch die Verwerfung, sondern durch die Annahme der Vorlage erreicht werden. Daß in unserem bedeutendsten Montanbezirke die Verhältnisse auf ein gesetzgeberisches Eingreifen hin⸗ drängen, das, meine Herren, hat erst vor wenigen Tagen ein Blatt hervorgehoben, dem weder schwächliche Nachgiebigkeit gegenüber der Sozialdemokratie, noch besondere Vorliebe für gewagte sozialpolitische Experimente nachgesagt werden kann. Die „Deutsche Tageszeitung“ führte vor einigen Tagen aus, man könne den Anlaß bedauern, der zu der Zusage an die Bergleute geführt habe; unbestreitbar aber sei, daß Mißstände vorhanden wären, welche der Remedur bedürften. Diese Mißstände wollen wir in Preußen und mit der preußischen Landesgesetzgebung beseitigen. Herr Vopelius hat an mich das Er— suchen gerichtet, ich möchte die Erklärung abgeben, daß das Bergrecht weder direkt, noch durch Einfügung in die Gewerbe ordnung zum Gegenstand der Reichsgesetzgebung gemacht werden soll. Ich habe sowohl in diesem Hause wie im Hause der Abgeordneten niemals einen Zweifel darüber gelassen, wie lebhaft die Königliche Staatsregierung wünscht, das Bergrecht der preußischen Landesgesetz⸗ gebung zu erhalten. Ich habe mich in demselben Sinne mit großem Nachdruck auch im Reichstag ausgesprochen. In diesem ihrem Be⸗ streben muß die Königliche Staatsregierung aber auch von den beiden Häusern des Landtages unterstützt werden. Wenn Herr Vopelius die Berggesetzgebung dem preußischen Landtag erhalten will, möge er für die Bergarbeiternovelle stimmen, das ist der sicherste Weg dazu. Es handelt sich darum, daß das hohe Haus den festen Willen zeigt und der Königlichen Staatsregierung die Möglichkeit bietet, die Berggesetz— gebung, wie sie wünscht und anstrebt, der preußischen Landesgesetz⸗ gebung zu erhalten. . Meine Herren, es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Berg⸗ arbeiternovelle eine hochpolitische Angelegenheit geworden ist und daß ihre Annahme oder Ablehnung von politischer, nicht nur von sozialpolitischer Tragweite ist. Sie hat unter langwierigen, schwierigen und mühsamen Ver⸗ handlungen im Hause der Abgeordneten zu meiner Genugtuung eine Gestalt gewonnen, mit der die Königliche Staatsregierung noch einverstanden sein kann. Weitere Abschwächungen würden nach Lage der Dinge das Scheitern der Vorlage bedeuten und damit die höchst unerwünschten politischen Konsequenzen nach sich ziehen, die ich, wie ich glaube, ge—⸗ nügend angedeutet habe. Herr Freiherr von Manteuffel hat bei der ersten Lesung Bergarbeitervorlage am Anfang dieses Monats an die hohe Aufgabe erinnert, die diesem hohen Haus für eine wahrhaft staatserhaltende, von Tagesströmungen und Parteirücksichten nicht beeinflußte Politik gesetzt ist. Gewiß, der Augenblick ist gekommen, wo das Herrenhaus zeigen soll, daß es dieser Aufgabe gewachsen ist. Dieses hohe Haus wird diese Session, diese fruchtbare Session des Landtages, welche alte und gefährliche Mißverständnisse endlich beseitigt und für das Gemeinwohl schädliche Gegensätze überbrückt hat, nicht mit einem Mißton schließen lassen. Es wird den ruhigen Gang der preußischen Politik und der allgemeinen Politik des Reiches nicht in vielleicht verhängnisvoller Weise hemmen und stören. Ich bin der zuversichtlichen Hoffnung, daß das Herrenhaus auch diesmal den rechten Weg finden, daß es, seinen staatserhaltenden, monarchischen, konservativen Traditionen folgend, in dieser wichtigen und ernsten Frage der Königlichen Staatsregierung seine Unterstützung nicht verweigern wird. Dann wird es sich wiederum um das Vaterland wohlverdient machen. (Lebhaftes Bravo

Freiherr von Lan ds berg-⸗-Steinfurt (schwer verständlich): Ich gehöre der Provinz an, in der der Ausstand entstanden ist, und kann be⸗ zeugen, daß bei der Arbeiterschaft der Eindruck allgemein vorherrscht, daß die Vorlage auf das Drängen der Arbeiterschaft, die in den Streik trat, erfolgt ist, und diese Tatsache ist sehr bedauerlich. In der Tendenz, die die christlichen Bergarbeitervereinigungen ver— folgen, stehen sie durchaus der Sozialdemokratie gleich. Ihre Organe und ihre Versammlungen erklären gleichfalls die Novelle für durchaus ungenügend; auch sie haben zum preußischen Landtage kein Vertrauen, sondern fordern reichsgesetzliche Regelung; sie erwarten, daß die Regierung im Reichstage von den arbeiterfreundlichen Parteien gedrängt werde, ein genügendes Bergarbeiterschutzgesetz vorzulegen. (Redner verliest eine Anzahl entsprechender Zeitungsnotizen.) Ich kann nicht glauben, daß das Vergehen der Regierung irgendwie der Sozialdemokratie und ihren Tendenzen entgegenwirken wird. Erfreulich ist mir die Ueber— einstimmung, in der ich mich bei der Beurteilung der Vorlage mit dem Prof. Niehues und mit dem Oberbürgermeister Schmieding befinde. In der landwirtschaftlichen Bevölkerung ist natürlich wenig Sympathie für diese Bevorzugung der Bergarbeiter anzutreffen. Wenn der Handelsminister erklärt, die jetzige Vorlage reiche in ihren Anfängen bis 1889 zurück, so ist schon mit Recht gefragt worden, warum man erst jetzt darauf zurückgriff, warum man nicht, wenn sie schon 16 Jahre in Vorbereitung war, noch ein Jahr länger warten konnte, um dann mit einer gründlich vorbereiteten Arbeit an uns heranzutreten. Die Berufung auf die öffentliche Meinung hat ihre zwei Seiten; die öffentliche Meinung wird meistens in Berlin gemacht, oder sie wider— spiegelt nur die Auffassung über eine bestimmte Angelegenheit in einer bestimmten Gegend. In diesem Falle ist die öffentliche Meinung absolut in die Irre gegangen, wie Herr v. Burgsdorff schon in der ersten Lesung überzeugend nachgewiesen hat. Durch das Eingreifen der . nur eine neue Schwierigkeit entstanden. Wir

der

können die Frage jetzt nur vom Standpunkt des kleineren Uebels entscheiden. Wie die Sachen nun einmal liegen, scheint es meinen politischen Freunden das Richtigere, aus allgemeinen politischen Er— wägungen fuͤr die Vorlage zu stimmen; aber wir tun das unter dem großen Bedauern darüber, daß eine eingehende Prüfung der Sache nicht mehr möglich ist. . Oberbürgermeister Becker ⸗Cöln: Der Vorredner ist nach einer scharfen Kritik doch jur Annahme der Vorlage gelangt; Herr Schmieding hat diese Konseguenz nicht gezogen, er steht aber unter seinen . mit dieser Auffassung ziemlich vereinsamt. Nach meiner Meinung ist sowohl der Einwand mangelnden Bedürfnisses, wie die Befürchtung, daß die Annahme der Vorlage die 6 massenhaft in die sozialdemokratischen Reihen treiben würde, unbe⸗ ründet. Die Vorlage kann nur als äußerst maßvoll und nach jeder ichtung als unbedenklich erachtet werden, die in ihren Wirkungen

weit überschätzt wird. In der Kommission hat Fürst Stolberg mit

eteilt, daß sein Vater schon Arbeiterausschüsse eingeführt habe * sich durchauß bewährt. hätten. Die Stadt Cöln b e. zi ihren sämtlichen Betrieben obligatorische Arbeiterausschüsse, ebenfallz zu Beanstandungen, keinen Anlaß gegeben abe Es hat auch noch kein Gegner der Ausschüsse nachgewiesen, daß fi schädlich gewirkt hätten. Warum soll man sie also nicht einführen; Bringen sie die Vorteile nicht, die wir von ihnen erwarten, so haben wir doch wenigstens alles getan, um künftigen Streiks dorzubeugen Und schließlich liegt doch die Möglichkeit vor, daß bei Ablehnung de Vorlage der Reichstag die Sache aus eigener Initiative in Angriff nimmt, und das wollen wir doch alle, wie wir auch sonst zu der Von lage stehen, vermeiden, um die Autorität des Staates aufrechtzuerhalten Ich hitte Sie, in möglichst großer Anzahl für die Vorlage zu stimmen

Graf von Mirbach Gur tatsächlichen Berichtigung): Ich bedauern, das unkorrigierte Stenogramm der Rede des Herrn pon Boettiche nicht zur Hand zu haben. Soweit mir erinnerlich, hat Herr don Boetticher Ausführungen geben gewisse Machinationen, die seinerft im Reichstage gegen das Alters. und Invaliditaäͤtsgesetz im Gang waren, gemacht. Man konnte diese Ausführungen so verstehen, als h sie sich auch gegen mich wendeten. Herr von Boetticher hat mir abe ausdrücklich erklärt, daß er mich nicht gemeint hat.

Staatsminister von Boetticher: Ich werde Herrn Grafen von Mirbach mein unkorrigiertes Stenogramm zur Verfügung stellen Er wird daraus entnehmen, daß ich seinen Namen nicht genannt habe und ich bin deshalb vollständig mit ihm darin einverstanden, wenn g diese meine Aeußerung nicht auf sich bezieht.

Damit schließt die Generaldiskussion.

In der Spezialdebatte referiert Herr von Burgsdorff . über Art,. 1 (Beseitigung des Wagennullens, Gelh— trafen und deren Verwendung, Arbeiterausschüsse).

Der Entwurf in der Fassung des anderen Hauses bestätigt als ständige Arbeiterausschüsse u. 9. die bereits vor dem J. IMR nuar 1892 errichteten ständigen Arbeiterausschüsse, deren Mit— glieder in ihrer Mehrzahl von den Arbeitern aus ihrer Mitte gewählt werden.

Herr von Buch-Karmzow beantragt, „vor dem 1. Januar 1892“ zu streichen.

Herr von Durant beantragt, die Vorschrift, daß die Ausschüsse in unmittelbarer und geheimer Wahl gewält werden sollen, dahin zu ändern, daß die Worte in unmittelbarer und geheimer Wahl“ gestrichen werden sollen; ein Antrag dez Grafen von Roon will das Wort „geheimer“ durch „öffent. licher“ ersetzen.

Graf von Roon: Ich habe zu denen gehört auf unserer Seite, di gehofft haben, die Vorlage würde eine annehmbare Gestalt erlangen, diese Hoffnung hat mich getäuscht. In der veränderten Situation vermag ich der Vorlage nur zuzustimmen, wenn das politisch bedenkt, liche Moment der geheimen Wahl ausgeschieden wird. Das all. gemeine gleiche, direkte und geheime Wahlrecht, besonders das geheime, war das größte Unglück, das unser Land betroffen hat, seine Ein— führung war der schwerste politische Fehler; dieses Wahlrecht ist von den großen Arbeitermassen in der unheilvollsten Weise auf Ver— anlassung der Sozialdemokratie gemißbraucht worden. Da kann ich mich nicht entschließen, hier wiederum großen Arbeitermassen gesetz ich das geheime Wahlrecht zu geben. Bewiesener⸗ und zugestandenermäßen wird dieses Wahlrecht seit Jahrzehnten zu den grundstürzendsten Agita— tionen benutzt. Glücklicherweise hat Preußen, das fast ganz im Deutschen Reiche aufgegangen ist, doch noch einige gute partikulare Eigentümlichkeiten behalten, die auch konservierk werden müssen, und dazu gehört das öffentliche Wahlverfahren. Ich kann meinerseitt es nicht übers Herz bringen und werde, wenn mein Amendement nicht angenommen wird, zu meinem großen Bedauern gegen das ganze Ge— setz stimmen müssen. Das Amendement Durank entspricht ja aller dings auch meinem Standpunkt, weil in ihm auch das Wort „geheim' nicht vorkommt; eventuell würde ich dafür stimmen können, da dann die Frage offen bleibt.

DOberbürgermeister Becker: Ich möchte umgekehrt zu Gunsten des geheimen Wahlrechts ein paar Worte sagen. Es handelt sich hier nicht um Volkswahlen, sondern um Spezialwahlen für einen be, stimmten Zweck. Für solche Wahlen haben wir schon jetzt fast durchweg das geheime Wahlrecht. Bürgermeister, Beigeordnete, Stadträte werden geheim gewählt, die Wahlen in den Provinzial— ordnungen sind geheim. Hier hat die geheime Wahl noch den Vorzug, daß sie geheim bleibt auch den Arbeitsgenossen gegenüber.

Herr von Buch-⸗Karmzow: Ich bin ein Gegner des Gesetzes und werde auch dagegen stimmen, aber man muß sich in solchen Fällen ein Bild davon machen, ob die Folgen der Annahme des Gesetzes gefähr— licher sind als der Schade, den die Ablehnung der Autorität der Regierung zufügt. Nach meiner persönlichen Meinung überwiegen die Gefahren des Gesetzes. Da aber die Annahme des Gesetzes tin der schwerwiegenden Bedenken dagegen gesichert erscheint, möchte i dazu beitragen, einzelne Gefahren, die in dem Gesetzentwurfe liegen, zu beseitigen. Ich bin ein Anhänger der freiwilligen Arbeiterausschüsse, die im höchsten Grade segensreich gewirkt haben. Es war auch ein Fehler der Arbeitgeber in Rheinland Westfalen, solche nicht rechtzeitig freiwillig gebildet zu haben, und auch ein Fehler der Regierung, nicht rechtzeitig in diesem Sinne auf die Arbeitgeber eingewirkt zu haben. Nun sollen alle nach dem 1. Januar 1892 gebildeten freiwilligen Arbeiter ausschüsse beseitigt werden, eine immerhin nicht ganz kleine Anzahl, in denen teilweise Beamte Vorsitzende sind. Mit der Auflösung wird un⸗ nütz in bestehende friedliche Verhältnisse eingegriffen. Daß en dieser Bestimmung die Einigung zwischen den beiden Häusern des Landtag? scheitern sollte, kann ich nicht glauben.

Minister für Handel und Gewerbe Möller:

Meine Herren! Der Herr Antragsteller hat aus den Verhand— lungen der Kommission schon hervorgehoben, daß das Objekt, um daß es sich hier handelt, ein vergleichsweise unbedeutendes ist. Ich habe damals in der Kommission nur über diejenigen Ausschüsse Auskunft geben können, die nach 1892 gebildet sind. Ich kann ergänjend jetzt noch eine Frage beantworten, die ich in der Kommission nicht be— antworten konnte, weil ich erst eine Statistik darüber aufstellen lassen mußte. Es sind im Bergbau bis 1892 im ganzen 41 den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Ausschüsse mit S1 000 Mann gebildet worden; dann ist nach 1892 nur noch eine Neubildung ersolgt auf 23 Werken, aber zum großen Teil sehr kleinen Werken, mit insgesamt 9000 Arbeitern, sodaß insgesamt augenblicklich bestehen: 64 gesetzmäßige Ausschüsse mit 90 000 Arbeitern. Meine Herren, die Bedeutung des Antrags ist also nicht sehr erheblich, und es ist die Frage, ob das hohe Haus zu einer Aenderung schreiten will, die, wie der Herr Vorredner richtig hervorgehoben hat, vielleicht nicht die Ge—⸗ fahr involviert, daß in dem Abgeordnetenhaus Schwierigkeiten ent— stehen könnten, die aber insofern eine Gefahr bedingt, als die Beschluß⸗ unfähigkeit des Abgeordnetenhauses eintreten könnte. Ich möchte also bitten, wenn tunlich in Bestätigung dessen, was der Herr Minister—⸗ präsident gesagt hat, die Gesetzborlage unverändert anzunehmen. Die Geringfügigkeit der Bedeutung der Aenderungen, um die es sich hier handelt, muß doch davon abhalten, immerhin ein gewisses Risiko nech durch die Annahme dieses Antrags zu übernehmen.

Oberbürgermeister Becker: Wenn der Inhalt des Antrages im Gesetz stände, so würden wir nicht das geringste Bedenken haben.

Man soll aber doch nicht dieses höchst wichtige Gesetz einer so unter= geordneten Frage wegen in Frage stellen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

die Worte

urj vor dem Landtagsschluß verhandeln zu müssen.

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königli

M 151.

3 weite Beilage ch Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 29. Juni

1905.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Professor Loening: Die nach 1892 gebildeten Arbeiterausschüsse sind ja im großen und ganzen nach denselben Normen justande gekommen, die dieses Gesetz vorschreibt. Nachdem Herr von Bu ch und Oberbürgermeister Becker noch einmal ihre Ansicht vertreten haben, wird der Antrag von Buch mit knapper Mehrheit abgelehnt.

Graf von Roon: Es ist doch ein großer Unterschied, ob es sich bei der err gr Wahl um kommunale Angelegenheiten handelt, die mit der Politik nichts zu tun haben, oder ob großen Arbeitermasfen das geheime Wahlrecht gegeben werden soll, die sich von der Sozial- demokrgtie beeinflussen lassen, der sich leider auch Tausende bon christ= lichen Arbeitern anschlicßen. Die Institution der geheimen Wahl würde hier zum ersten Male in Preußen durch Gesetz sanktioniert werden. Man ist nun schon seit Jahren Schritt für Schritt vor der Sozial demokratie zurückgewichen und hat sich in eine schmachwolle Defensive treiben lassen. Bas Hehenlohesche Arbeitswilligengesetz ist durch die Umsturz und Judenpresse sofort als Zuchthausgesetz gebrandmarkt und nicht einmal einer Kommissionsberatung für würdig erachtet worden. Das hat sich leider Gottes damals die Regierung gefallen lassen. Gott sei Dank haben wir jetzt einen Reichskanzler, der bei jeder Gelegen— heit der Se zial demokratie entgegentritt. Aber zu gesetzgeberischen Taten hat sich das bis jetzt nicht verdichten können. Wenn ich auch anerkenne, daß solche augenblicklich nicht zulässig sind, so sehe ich doch nicht ein, warum wir nach der entgegengesetzten Seite Schritte tun müssen. Diesen ersten Schritt, das allgemeine geheime Wahlrecht in Preußen zum Gesetz werden zu lassen, mache ich nicht mit. Wir wollen uns unser gutes Preußen dadurch nicht auch noch verruinieren lassen. Die Arbeiterausschüsse sollen ebensowenig Politik treiben, wie die Kommunalverwaltungen.

Minister für Handel und Gewerbe Möller:

Gegenüber dem Herrn Grafen Roon wollte ich nur hervorheben, daß es sich hier nicht um die Neueinführung des geheimen Wahl— rechts an einer Stelle handelt, wo es früher nicht bestand, sondern lediglich darum, eine Bestimmung aufrecht zu erhalten, die bereits in dem Berggesetz von 1892 für die Wahl der Ausschüsse aus— gesprochen war.

Professor Loeni ng: Daß auch eine politische Wahl geheim borgenommen wird, ist altes preußisches Recht. Ein großer Teil der Mitglieder dieses Hauses ist vom Könige berufen worden auf Prä— sentation von Verbänden, durch die sie durch geheime Wahl gewählt sind. Die unbedingte Voraussetzung dafür, daß der Arbeiterausschuß eine gute Wirkung ausübt, ist die, daß er in einer Weise gewählt wird, durch die er das Vertrauen der Arbeiter haben kann. Es ist weifelloß: wenn die Ausschässe öffentlich zu wählen sind, so werden sie entweder nicht zustande kommen, weil die Arbeiter sich nicht be— . oder wenn sie zustande kommen, werden sie nicht das ge⸗ lingste Vertrauen der Arheiterschaft haben. Durch die öffentliche Wahl stellen Sie die Arbeiter entweder unter die Kontrolle des Abbeitgebers oder des sozialdemokratischen Agitators. Lehnen Sie also beide Anträge ab; diese würden alles Gute, das das Gesetz bringen kann, beseitigen, ja das ganze Gesetz in Gefahr bringen.

Herr von Wedel ⸗-Piesdorf: Bei der öffentlichen Wahl kann größerer Einfluß. geübt werden, und es fragt sich nur, ob mir der Einfluß erwünscht ist. Bei den Reichstagswahlen ist mir ein Einfluß auf die große Masse der Wähler erwünscht, und deshalb

ledaure ich, daß wir dabei nicht die öffentliche Wahl haben. Anders itt es aber bei den Arbeiterausschüssen. Hier werden bei der geheimen Wahl die Arbeiter vor dem Terrorismus der Sozialdemokratie ge— schitzßs und es wird wenigstens die Möglichkeit geboten, daß ein Teil don ihnen seiner eigenen Ueberzeugung folgt. So sehr ich gegen die geheime Wahl bei den Reichstagswahlen bin, hier bin ich für die gebeime Wahl.

Graf von Roon: Auch bei den Reichstagswahlen wird der Terrorizmus der Sozialdemokratie geübt. Die Arbeiter wagen gar nicht anders zu stimmen, und es ist eine Illusion, daß wir durch die zeheime Wahl zu besseren Arbeiterausschüssen kommen könnten. Wir laben das Unheil der geheimen Wahl lange genug ausgehalten und pollen nicht mehr auf uns herumprügeln lassen. Die beste Parade it der Hieb; gehen wir endlich zum Angriff vor, hoffentlich auch noch auf anderen Gebieten. Wir müssen lediglich im Interesse unseres geliebten teueren Vaterlandes uns entschließen.

Herr von Buch: Das geheime Wahlrecht können wir allerdings aus dem Berggesetz nicht mehr beseitigen, aber ich meine, der Antra Durant trifft das Richtige. Dann kann in der Arbeitsordnun 9 r millchen Bedürfnissen öffentliche oder geheime Wahl festgesetzt werden.

Oberbürgermeister Becker: Wenn Herr von Buch das geheime Wahlrecht im Berggesetz anerkennt, a er auch nicht für den Antrag Durant stimmen, der die Entscheidung in das freie Er— nessen der Arbeitgeber stellt und fortgesetzte Differenzen herbei⸗ hten wird.

Der Antrag des Grafen von Roon wird abgelehnt. Freiherr von Durant befürwortet seinen Antrag damit, daß

ne solche Verbesserung einem großen Teil des Hauses die Annahme Es Gesetzes wesenilich erleichtern würde. Allerdings befinde sich das

errenhaus wieder einmal in der peinlichen Lage, ein wichtiges Gesetz Es würde aber

tin Schade sein, wenn der Landtag noch eine kurze Zeit zusammen— fbalten würde. Sein Antrag laffe wenigstens die Möglichkeit offen, se öffentliche oder geheime Wahl zu wählen. Der Antrag des Freiherrn von Durant wird abgelehnt. ie Vorlage wird darauf in ihren einzelnen Teilen unver⸗ dert sowie in der Gesamtabstimmung im ganzen mit über⸗ hiegender Mehrheit angenommen. Die dazu eingegangenen ketitionen werden für erledigt erklärt. Das Haus geht über zu der von Herrn von Burgsdorff ngebrachten Refolution: die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, sobald als möglich und mit allem Nachdrucke Maßregeln zu ergreifen, welche geeignet sind ins⸗

ist das öffentlichste Intereffe, und wir kommen in Verlegenheit, wenn die Arbeiter im entscheidenden Moment versagen. Gegen die Arbeitsniederlegung nach einer Kündigung ist nichts zu fagen, aber die Arbeit ist gerade in Westfalen, oft ohne Kündigung niedergelegt worden, und das ist eine Rechtswidrigkeit. Es ist mir nicht eingefallen, wie die demokratische Presse mir vorwirft, das Kwalitiongrecht an sich als unmorglisch anzusehen, aber auf rechts= widriger Basis kann ein Recht nicht konstruiert werden. Hier treibt uns nicht Priwatinteresse, sondern nur das des Gesamtwohls und das des Königtums in Preußen. Geht die Reise so weiter wie bisher, fo de⸗ gradiert man die Krone Preußens. Das preußeische Herrenhaus wird es aber dahin nicht kommen lassen; hier tut Eile not und Energie not, hier liegt periculum in mora.

Justizminister Dr. Schönstedt:

Meine Herren! Ich glaube, es wird kaum jemand in diesem hohen Hause sein, der nicht der Tendenz des Antrags des Herrn Dr. von Burgsdorff wohlwollend gegenüberstände; es wird niemand hier sein, der nicht das Bedürfnis anerkennte, gegen einen rechtswidrigen Kontraktbruch, insbesondere da, wo öffentliche Interessen berührt werden, stärkere Schutzmittel zu suchen und zu finden, als sie nach der bestehenden Gesetzgebung gegeben sind. Ebensowenig wird in diesem Hause die Absicht, die in der Resolution an zweiter Stelle zum Ausdruck gebracht worden ist, daß ein stärkerer Schutz der Arbeitswilligen herbeigeführt werden möge, an sich auf irgend— welchen Widerspruch stoßen. Aber, meine Herren, trotzdem stehen der beantragten Resolution nicht unerhebliche Bedenken entgegen, und ich halte mich für verpflichtet, auf diese Bedenken zu— nächst vom juristischen Standpunkt aus aufmerksam zu machen.

Es werden von der Königlichen Staatsregierung Maßregeln verlangt, die das Ziel, das die Resolution sich gesteckt hat, erreichen sollen. Diese Maßregeln können nur gesetz geberische Maßregeln sein; auf dem Gebiete der Verwaltung läßt sich das, was die Resolution will, nicht erreichen. Da fragt es sich nun an erster Stelle: ist die Landesgesetzgebung oder nur die Reichsgesetzgebung zu einer derartigen gesetzlichen Regelung zuständig? Nun glaube ich mit voller Bestimmtheit die Behauptung ausstellen zu dürfen und aufstellen zu müssen, daß das, was hier ver— langt wird, im Rahmen der Landesgesetzgebung nicht erreicht werden kann. Die Gewerbeordnung hat sich mit der Frage der Arbeits⸗ einstellungen und ihrer Strafbarkeit in den 152 und 153 be— schäftigt und hat im § 152 ausdrücklich die Bestimmung aufgestellt:

Alle Verbote und Strafbestimmungen gegen Gewerbetreibende, gewerbliche Gehilfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter wegen Ver⸗ abredungen und Vereinigungen zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter, werden aufgehoben.

Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auch auf Bergarbeiter ist im § 1542 der Gewerbeordnung ausdrücklich ausgesprochen.

Nun kann man, meine Herren, darüber im Zweifel sein, ob dieser §z 153 alle Vereinigungen und Verabredungen zur Erzielung besserer Arbeitsbedingungen, also auch solche, die auf eine rechtswidrige Ein— stellung der Arbeit hinauslaufen, im Auge hat oder nur die An— wendung gesetzlich zulässiger Mittel schützen will. Die Meinungen darüber gehen auseinander. Eine weit verbreitete Meinung geht dahin, daß jede Art der Arbeitseinstellung zum Zwecke der Erlangung besserer Arbeitsbedingungen durch diese Bestimmung der Gewerbe⸗ ordnung für straflos habe erklärt werden sollen. Diese Meinung hat angesehene Autoritäten zu ihren Vertretern. Ich kann nur erinnern an den Kommentar des früheren bayerischen Ministers Land— mann zur Gewerbeordnung, der auf Grund der Entstehungsgeschichte des Gesetzes diese Auffassung vertritt. Ich gebe aber ohne weiteres zu, meine Herren, daß diese Frage als eine zweifelhafte angesehen werden und daß man darüber verschiedener Meinung sein kann. Aber, meine Herren, gerade auf dem Gebiete des Bergrechts liegt die Sache anders, und für dieses Gebiet ist der Antrag doch zunächst beabsichtigt und gewollt. Wir haben nämlich in der preußischen Gesetzgebung eine Strafbestimmung wegen Kontraktbruchz der Bergarbeiter ge— habt. Das Gesetz vom 21. Mai 1860 über die Beaufsichtigung des Bergbaus und das Verhältnis der Berg⸗ und Hüttenarbeiter ent hielt im 5 18 eine Bestimmung dahin, daß derjenige, welcher ohne gesetzlichen Grund eigenmächtig die Arbeit verläßt, mit Geldbuße bis zu 20 Talern oder verhältnismäßiger Gefängnisstrafe zu bestrafen sei. Diese Bestimmung hat zu Recht bestanden bis zum Jahre 1869, bis zur Einbringung der Gewerbeordaung für den Norddeutschen Bund. Der von den verbündeten Regierungen vorgelegte Gesetzentwurf zur Gewerbeordnung überging sie mit Stillschweigen; sie würde also in Kraft geblieben sein, wenn der Entwurf, wie er eingebracht war, Gesetz geworden wäre. Im Reichstag wurde aber dem Entwurf eine Bestimmung eingefügt, durch welche sämtliche Strafbestimmungen wegen Kontraktbruchs aufgehoben wurden. Der so Gesetz gewordene 5 154 Abs. 2 der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund hebt ausdrücklich diejenigen Bestimmungen auf, welche Bergarbeiter wegen groben Ungehorsams, beharrlicher Wider— setzlichkeit oder wegen Verlassens der Arbeit mit Strafe bedrohen. Damit hat die Reichsgesetzgebung sich der Sache bemächtigt, und es ist anerkanntes Recht, daß, wenn die Reichsgesetzgebung innerhalb

steht auch dem Aibeiter ö. Denn die Kohlengewinnung

I) die rechtswidrige Auflösung des Arbeitsvertrages, besondere da, wo ein öffentliches Interesse obwaltet, unter

Strafe zu stellen; ; Wort oder Schrift zu rechts⸗

2) der Aufforderung durch W widriger Auflösung des Arbeitsvertrages entgegenzutreten; Schutz ju teil werden zu

8) den Arbeitswilligen denjenigen Schi lassen, auf welchen sie einen berechtigten Anspruch haben.“

Dr. von Burgsdorff: Die Resolution ist das Korrelat für nche Bestimmung in dem Gesetzentwurf, und ein großer Teil des ses wird für Hal Gesetz in der Voraussetzung gestimmt haben, die Resolutlon angenommen wird. Für die Einbringung der Resolution zen mich bestimmk das öffentliche Interesse und die Rechtswidrig en, die bielfach zu Tage getreten sind. Der Bergbesitzer wird bestraft, ner den öffentlichen Interessen zuwider handelt, eventuell wird das Bergwerkzeigentum entzogen. Auf derselben Basts be⸗

ihrer Zuständigkeit, die auf diesem Gebiete nicht bestritten werden kann, gesetzgeberisch eine Materie zu regeln unternommen hat, dann der Landesgesetzgebung der Weg verschlossen ist. Allerdings findet sich die Bestimmung, die ich soeben erwähnt habe, nicht mehr in der gegenwärtig geltenden Gewerbeordnung; sie ist bei der Neu⸗ redaktion des § 154 durch die Novelle vom 17. Juli weggelassen worden. Dies ist aber ohne Bedeutung für die vorliegende Frage. Wenn nach dieser Richtung ein Zweifel bestehen könnte, so würde er dadurch erledigt, daß in der Begründung der Novelle von 1878 ausdrücklich gesagt ist: Diese Bestimmung sei nicht aufgenommen, weil sie überflüssig geworden sei; die älteren landegrechtlichen Straf— vorschriften seien eben beseitigt und könnten in der früheren oder

zt sich mein Vorschlag, denn das öffentliche Interesse be—⸗

anderen Gestalt auch dann nicht wieder in Geltung gebracht werden,

wenn das Reichsgesetz ihre Unzulässigkeit nicht ausdrücklich wieder hervorhebe.

Damit, meine Herren, ist für die Landesgesetzgebung der Weg nicht mehr gangbar, der hier beschritten werden sollte, und es bleibt nur der Weg der Reichsgesetzgebung.

Nun will ich mich nicht darüber auslassen, ob die Be— schreitung des Weges der Reichsgesetzgebung an und für sich Aussicht auf Erfolg verspricht, ob sie opportun wäre oder nicht; das sind Fragen, die außerhalb des von mir vertretenen Ressort⸗ standpunktes liegen; aber auf eins glaube ich doch hinweisen zu müssen, nämlich darauf, daß wenn Sie für diese Frage die Reichs⸗ gesetzgebung in Anspruch nehmen wollen, Sie sich in Widerspruch setzen mit der Auffassung, die, wie ich glaube, übereinstimmend von allen Parteien geteilt wird und heute wiederholt lebhaften Ausdruck gefunden hat, daß nämlich auf dem Gebiete der Berggesetzgebung die Landes gesetzgebung sich nicht vom Reich hereinreden lassen solle; daß die Regelung der bergrechtlichen Verhältnisse der Landesgesetzgebung reserviert bleiben müsse und die Reichsgesetzgebung dafür unter keinen Umständen in Anspruch genommen werden dürfe. In einen solchen Widerspruch würden Sie sich, wie ich glaube, setzen, wenn Sie dieser Resolution Folge geben. Dasselbe gilt, meine Herren, für den Schutz der Arbeitswilligen. Herr Graf von Roon hat schon den verunglückten Versuch erwähnt, den die verbündeten Regierungen vor einer Reihe von Jahren gemacht haben, einen stärkeren Schutz der Arbeitswilligen herbeizuführen. Es mag ja nicht ausgeschlossen sein, daß ein solcher Versuch wiederholt wird; ich weiß nicht, ob er bessere Aussichten auf Erfolg haben würde als damals. Aber, ich kann auch hier nur wiederholen: soweit es sich um den Schutz Arbeitswilliger auf dem beschränkten Gebiet des Bergwerksbetriebs handelt, da würden Sie durch An— nahme der Resolution sich in Widerspruch setzen mit Ihrer sonstigen, heute zum Ausdruck gebrachten Auffassung über die für das Gebiet des Bergrechts anzurufenden gesetzgeberischen Faktoren. Nun bin ich der Meinung, daß eine politische Körperschaft, wenn sie eine Re— solution beschließen will, doch nur dann dazu übergehen sollte, wenn sie mit einiger Wahrscheinlichkeit auf einen praktischen Erfolg rechnen kann. Ist diese Frage zu verneinen, so ist es, möchte ich glauben, nicht opportun, die Staatsregierung mit einer Resolution zu belasten, mit der sie nichts anfangen kann, und die schließlich das so häufig beklagte Schicksal so vieler Resolutionen teilen müßte, das unter Umständen wie die vorliegenden unabwendbar ist. Aus diesem Grunde kann ich, obgleich ich wiederhole, daß ich persönlich den Ausgangspunkt des Antrages von Burgsdorff als be—⸗ rechtigt anerkenne, nur bitten, der Resolution Ihre Zustimmung zu versagen und sie nicht durch Mehrheitsbeschluß der Regierung zu unterbreiten.

Oberbürgermeister Becker; Die Resolution scheitert schon an der rechtlichen Schwierigkeit. Mit der Tendenz bin ich und wohl das ganze Haus einverstanden. Die Resolution hat aber außer dem juristischen noch das sozialpolitische Bedenken gegen sich, daß in Arbeiterkreifen noch mehr Unzufriedenheit geschaffen würde, als sie schon vorhanden i Dies Gesetz soll doch Beruhigung und Befriedigung herbei⸗ führen. l

Frhr. von Manteuffel: Ich habe gegen das Gesetz gestimmt, weil es lediglich Unheil anrichten wird. Ich stimme jetzt für die Resolution, weil die Arbeiter mit der Resolution zufrieden sein können, nämlich die guten und arbeitswilligen Arbeiter, auf die wir Gewicht legen. .

Graf von Hohenthal⸗Dölkau: Ich sehe die Resolution als Korrelat zu dem eben angenommenen Gesetz an. Es ist notwendig und an der Zeit, daß das Rechtsbewußtsein. in unserem Volke wieder einmal gestärkt, daß die Arbeitswilligkeit noch mehr als bisher ge— schützt wird. Gerade die christlich⸗monarchisch gesinnten Arbeiter⸗ organisationen müssen wir gegen den sozialdemokratischen Terrorismus einigermaßen zu schützen suchen. Jene Organisationen haben ohnehin mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen, und es ist sehr bedauerlich, daß ein Teil der Presse ihre. Bestrebungen als womöglich noch schlimmer hinstellt als die sozialdemokratischen. Die Delegiertenversammlung des Verbandes evangelischer Arbeiter—⸗ vereine hat neulich in Breslau ausdrücklich resolviert, daß der Miß⸗ brauch des Koalitionsrechtes unter Strafe gestellt wird.

Professor Loening legt für seine Person Protest auch gegen den Inhalt der Resolution ein, die Herr von Burgsdorff vorgeschlagen hat. Bei Massenstreiks sei der Staat gar nicht in der Lage, die gesetzlichen Strafandrohungen auch wirklich durchzuführen; wie solle gegen mehrere hunderttausend Streikende event. das Strafverfahren durchgeführt werden? Der letzte große Streik im Ruhrrevier sei ver⸗ laufen, ohne daß die Arbeitswilligen auch nur im geringsten behindert worden wären.

Die Resolution wird in ihren drei Nummern ange⸗ nommen; für die Nr. 3 stimmt auch ein erheblicher Teil der Neuen Fraktion.

Es folgt der mündliche Bericht der 17. Kommission über das Zechenstillegungsgesetz (Betriebszwang).

Minister für Handel und Gewerbe Möller:

Meine Herren! Ich habe im Anschluß an die Verhandlungen der Kommission über diesen Gesetzentwurf, die in der Kommission abgebrochen worden sind, bier eine Erklärung abzugeben.

In der Kommission des Herrenhauses habe ich ebensowohl wie im Abgeordnetenhause in Uebereinstimmung mit dem Herrn Finanz- minister erklären müssen, daß es bei dieser Gesetzesvorlage zwei Punkte gäbe, mit denen das Gesetz steht oder fällt; das ist einmal die Beibehaltung des Zwangsbetriebes in dem Gesetz und andererseits die Einfügung der geldlichen Verantwortlichkeit des Staates an Stelle der im Entwurf vorgesehenen Haftung des Bergwerks besitzers für die Aktion aus diesem Gesetz.

Meine Herren, ungeachtet dieser Erklärung ist der Antrag, die Streichung des Zwangsbetriebes, in der Kommission einstimmig angenommen worden. Ich habe daraufhin in der Kommission erklärt, daß ich meinerseits beim Staatéministerium auf Grund dieses Be⸗ schlusses, der, wie ich danach nicht zweifelte, dem der Mehrheit dieses hohen Hauses entsprechen würde, die Zurückziehung der Vorlage beantragen würde. Das Staatsministerium hat diesem Antrag bei⸗

gestimmt, und ich bin in der Lage, auf Grund Allerhöchster Er-