Molkenbuhr hat mit Recht darauf hingewiesen, daß hier ein Rätsel vorliegt, und es fehlt uns an jedem Anhalt, warum die Produktion nicht auf dem einen oder anderen Wege ver⸗
rößert worden ist. Es wäre also sehr interessant, wenn die — 9 sich darüber äußern wollten. In bezug auf die Kar⸗ telle im allgemeinen ist hervorgehoben worden, daß die Kartelle sich jedes Mittels bedienten, üm das Aufkommen einer Kon⸗ kurrenz zu verhindern. Es würde interessant sein, wenn dieser Punkt auch noch etwas erörtert würde, welche Mittel das Weiß⸗ blechsyndikat angewandt hat, mit denen es einen Druck aus⸗ geübt hat, daß eine Konkurrenz nicht entstanden ist. Es ist angedeutet worden, daß Schalke seinen Betrieb, ich will einmal sagen, nicht ganz freiwillig eingestellt habe. Es ist weiter be⸗ hauptet worden, daß die Ensstehung des neuen Weißblech⸗ werks von Capito & Klein von einem Syndikat verhindert worden sei. Aber plausible, uns alle überzeugende Gründe, weshalb diese Konkurrenz nicht entstanden ist, sind noch nicht angegeben worden, und es wäre, wie gesagt, höchst interessant, wenn der eine oder andere Herr dazu noch das Wort nehmen wollte. Wenn wir nicht annehmbare Gründe von irgend einem hören, Gründe, die in der wirtschaftspolitischen Lage nicht begründet sind, liegt der Schluß nahe: die Rentabiliät kann doch nicht so sein, daß diese Industrie geeignet wäre, das Kapital anzulocken. Also, wenn die Herren darauf noch ein— gehen wollten, würde ich ö. dankbar sein.
Kommerzienrat E. P Lehm ann, Brandenburg a. H.: Meine Herren, die Mittagsstimmung, von der Herr Kemp sprach, hat er selbst am deutlichsten zu erkennen gegeben in dem gemüt— lichen langsamen Tempo“, das in seiner Rede zur Geltung kam. Er hat seinen guten Willen betont — „aber bitte lang⸗ sam“! Nun, meine Herren, das ist es ja, was wir im wesent— lichen bekämpfen; wir verlangen unter dem Drucke der Zeit, dem wir Fertigproduzenten nicht ausweichen können, ein etwas schnelleres Teinpo und ein etwas besseres Anpassen an unsere Bedürfnisse. Wenn heute von dem Weisblechverkaufskontor eine verhältnismäßig entgegenkommende Stimmung im Ver⸗ hältnis zu seinem früheren Verhalten gezeigt wird, so glaube ich, meine Herren, daß das im wesentlichen durch den Druck seitens unserer Vereinigung veranlaßt worden ist. Fir — ich habe ziemlich lange Erfahrungen auf diesem Gebiete — wurden wir im allgemeinen von dem Kontor sehr kühl ab⸗ gefertigt, und Beschwerden, auch wenn sie berechtigter Natur waren, wurden meist sehr oberflächlich und kurz erledigt. Ueber diesen Punkt haben wir Fabrikanten richt allein geklagt, sondern ich habe auch oft von den Händlern gehört, daß sie sich dadurch beschwert fühlen, und wenn die Händler dies heute nicht ganz so offen zugeben, so liegt das eben in ihrer etwas größeren Abhängigkeit begründet. Ich sage das ganz offen, es soll aber kein Vor— wurf sein; wir Verbraucher stehen jedenfalls nach Lage der ganzen , . etwas freier da. ch freue mich nun darüber, daß das Kontor heute durch den Mund des Herrn Kemp zugegeben hat, daß es unseren Wünschen nachkommen will, wenn auch langsam. Vielleicht können wir doch das Tempo noch etwas beschleunigen. Die heutige Verhandlung wäre vielleicht gar nicht nötig gewesen, wenn die Verhandlung mit dem Cölner Kontor, die unser Verband der Weißblech⸗ verbraucher seinerzeit beantragt hatte, angenommen worden wäre und wenn das Kontor an er en unserer Einladung — berechtigter oder unberechtigter Weise — keinen Anstoß ge⸗ nommen hätte.
Vorfitzen der: Wollen wir diesen Punkt nicht lieber fallen lassen? Wir haben wirklich Wichtigeres zu verhandeln.
Kommerzienrat E. P. Lehm an n-Brandenburg a. H.: Dann hätten die Herren sagen sollen: bitte, kommt nach Cöln, wir sind bereit, mit euch zu verhandeln. Es ist in unserem Vorstand erörtert worden, ob wir nicht selbst gleich die Ver⸗ sammlung dorthin anregen und nach Cöln fahren sollten, und da ist namentlich von mir dagegen gesagt worden: das können die Herren in Cöln doch erst besonders wünschen; wenn wir auf eigene Faust gleich hinreisen, dann sind wir von Hause aus in einer schwächeren Stellung.
Vorsitzender: Ich glaube, daß die Frage, warum die damalige Verhandlung nicht zustande gekommen ist, gewiß von Bedeutung ist; aber sie kostet uns hier zuviel Zeit.
Kommerzienrat E. P. Lehm ann⸗Brandenburg a. H.: Dann will ich darauf zurückkommen, daß die frühere allgemeine Haltung des Kontors in Cöln sehr wohl eine gewisse Un⸗ zufriedenheit auf unserer Seite hat veranlassen koͤnnen, und zum Beweise dafür will ich eine Erfahrung mitteilen, die ich gemacht habe, wenn sie auch nicht auf rein kaufmännischem Gebiete liegt; auch der heute vorliegende amtliche Schriftsatz für diese Sitzung gibt durch mehrfache Erwähnung des Wortes „Hayange“ einen . annehmbaren Beweis dafür. Ich war einmal in Verlegenheit durch Blechmangel, denn das Werk, welches liefern sollte, konnte nicht liefern, und das Handelshaus, von dem ich indirekt gekauft hatte, schrieb mir, ich sollte auf Vorschlag des Cölner Kontors als Ersatz die Lieferung von dem Werk „Hayange“ in Lothringen bekommen. Ich sagte: das Werk ist gut, es liefert ja sonst zwar nur nach Süd— deutschland und nicht nach Norddeutschland, ich bin aber ein⸗ verstanden, wenn die Ware bald kommt und gut ist. Darauf bekomme ich eine Versandanzeige von „Hayange“, durch⸗ weg französisch gedruckt und fran zösisch ausgefüllt. Ich bemerke, daß das allerdings schon eine Reihe von Jahren her ist, etwa 5 Jahre. Ich habe darauf sofort das Ding zurück⸗ gegeben und gebeten, innerhalb Deutschlands nicht französische Versandanzeigen herumzuschicken. (Heiterkeit Auf dem Brief⸗ umschlag . „Hayange“ und daneben der Reichspost— stempel: „Hayingen“; ich hatte mich nun an das Cölner Kontor gewendet und gebeten, doch dafür zu sorgen, daß das Werk etwas mehr Rücksicht auf die Abnehmer nehmen möchte. Etwas derartiges wäre in Frankreich, in England und Amerika undenkbar, da könnte so etwas garnicht vorkommen. Ich habe gleichzeitig die Bitte an den Vertreter des Cölner Kontors ge⸗ richtet, er möchte doch auch dafür sorgen, daß in den gedruckten Preislisten, die regelmäßig vom Cölner Kontor herausgegeben werden, und in denen die beteiligten Werke einzeln genannt sind, das Wort „Hayange“ verschwinden und dafür „Hayingen“ ge t werden möchte. Das hat aber jahrelang gedauert, ehe
ieser doch selbstverständliche Wunsch jetzt endlich gehört wurde, und ich wurde immer als ein wunderlicher Alter ab⸗
'i. t. (Heiterkeit; Herr Schneider hat vorhin in seinen usführungen wieder Hayange gesagt, aber nachher, wahr⸗ scheinlich als er mich hier gegenüber gesehen hat, glücklicher⸗ weise dafür das viel ältere deutsche Wort Fin n enn Hier in dem klassischen rn , , meine ich, ist es wohl nicht ungerechtfertigt, wenn solche Wünsche geäußert werden. Aber
Mittel hat das Kartell angewandt, um die Entste
w
Wünschen gegenüber stets nie ng kühl verhalten. Das ist für die Stimmung bezeichnend, die früher in dem Cölner Kontor herrschte, und erst ganz neuerdings ist es ja damit etwas besser geworden. . ;
Fabrikant Franck-Beierfeld: Ich möchte eine Frage vor⸗ ausschicken, die zwar nur indirekt mit der uns beschäftigenden Frage an, aber doch, glaube ich, von Bedeutung ist: wie groß ist im Verhältnis zur gesamten deutschen Pro⸗ duktion die Erzeugung von Rasselstein? Und eine zweite 2 e, die ich . möchte, geht dahin: wie groß wird die
roduktion werden, nachdem die Vergrößerungen die im Werke sind, durchgeführt worden sind? Das sind Fragen, die, glaube ich, indirekt in Beziehung zu dem Rätsel n an dessen Lösung wir das groͤßte Interesse haben, weil wir ja in erster Linie über ungenügende Lieferung der deutschen Werke klagen. Dieses Rätsel ist von Herrn Molkenbuhr in vorzüglicher Weise beleuchtet worden; wir wissen nicht, wie es eigentlich kommt, daß, obwohl auf der einen Seite behauptet wird, das Fabrizieren von Weißblech sei nicht einträglich, während auf der anderen Seite erklärt wird, es sei dies ja der Fall, daß trotzdem eine dem steigenden Bedarf entsprechende Vermehrung der Produktion durch Erbauung neuer Werke nicht zu konstatieren ist. Die Lösung dieses Rätsels ist umso wünschens⸗ werter, wenn wir berücksichtigen, daß, trotz der Versicherung der Werke, daß die Weißblechfabrikation uneinträglich ist, ja daß sie gewissermaßen ein Opfer für die Kundschaft bedingt, uns in Uussicht gestellt ist, daß Vergrößerungen in erheblichem Maße stattfinden sollen. (Heiterkeit und Sehr richtig) Denn, meine Herren, Vergrößerungen werden nicht nur vorgenommen von einem Werke wie Rasselstein, das ausschließlich Weißblech herstellt, sondern von anderen Werken, welche daneben andere Rohprodukte erzeugen, die, wenn ich richtig unterrichtet bin, eine günstige Konjunktur haben. Das Rätsel wird aber noch größer, wenn wir berücksichtigen, was Herr Kemp gesagt hat: wir wollen nicht mit Bankkredit arbeiten, — und was der Herr Direktor von Rasselstein sagte: wir verbauen einige Millionen. Nun, meine Herren, wenn das der Fall ist, dann machen Sie es eben mit eigen verdientem Gelde, und dann scheint es mir, daß die Millionen nicht schwer bei Ihnen hereinzubringen sind, wenn Sie ohne Bankkredit die Werke so sehr vergrößern können. (Sehr richtig) Es ist sehr schwer, in dieses Rätsel einzudringen, und ich muß mir hier eine kleine Abschweifung gestatten, weil sie vielleicht einen Fingerzeig gibt.
Ich möchte auf eine andere Branche hinweisen, die ö radbranche: da gibt es einen Artikel, die Felgen; das ist ein großer Konsumartikel, der früher einen Preis von 150 , dann einen solchen von 1,20 6, dann von 1 6 hatte, und der gleichzeitig mit der Verminderung des Preises in der Qualität besser geworden ist, denn die Ansprüche wurden immer höhere. Nach und nach kamen die Felgen auf einen Preis von 60 Pfg., und die Werke, die nicht genügend eingerichtet waren und den erhöhten Anforderungen an die Qualität nicht folgen konnten, mußten nach und nach schon auch in Rückicht auf die Preislage die Fabrikation fallen lassen. Zum Schlusse blieb nur eine einzige Firma übrig, die den gesamten, aus Millionen an Stückzahl bestehenden Bedarf allein deckte. Diese Firma — es ist eine westfälische Aktiengesellschaft — hat es fertiggebracht, den Kunden die Meinung beizubringen: bei jeder Felge legen wir Geld zu, wenn ihr uns also Felgen in Auftrag gebt, müßt ihr uns auch etwas anderes abkaufen, woran wir etwas verdienen. Und es war in der Tat bei allen Verbrauchern die Ueberzeugung durchgedrungen, daß der Preis von 60 Pfg. mit einem Verlust verbunden sei. Durch Zufall ist vor AW Jahren eine Konkurrenz hinzugekommen, aus dem einen Lieferanten sind drei geworden und wir sind heute so weit, daß die Felgen, die vor einigen Jahren noch mit 60 Pfg. bezahlt wurden, 356 bis 38 Pfg. kosten, also um 10 Proz billiger geworden sind. Das Hauptwerk, das es so gut ver⸗ standen hat, den Selbstkostenpreis als einen so hohen zu bezeichnen, arbeitet trotzdem immer noch weiter und hat auch a Bestehen dabei gesunden. (Heiterkeit) Ich habe dieses Beispiel ange⸗ führt, weil ich glaube, daß die Taktik des Weißblechsyndikats etwas ähnliches aufweist. Ich glaube, daß das Syndikat — begreiflicherweise von seiner Seite — uns seine Selbst⸗ kosten in möglichst düsteren Farben schildert, um dadurch das Entstehen neuer Produktionsstätten einzudämmen, und daß hinter den Kulissen die Sache doch vielleicht etwas anders aussieht, als sie dargestellt wird. .
Direktor Klinge⸗Nachrodt: Es ist das Wort gefallen — auch der letzte Herr Redner hat davon gesprochen — daß die Weißblechwerke mit ihren Geschäftsergebnissen hinter dem Berge hielten, und daß das We en, mne; nichts getan habe, um die Produktion zu erhöhen und zu erweitern. Das ist vollstandig unrichtig, das Weißblechsyndikat hat nicht allein die bisher Weißblech fabrizierenden Werke fortgesetzt um die Erweiterung ihrer Betriebe ersucht, sondern auch einige Werke, welche bisher kein Weißblech gemacht haben, animiert, doch die Weißblechfabrikation aufzunehmen. ;
Es wurde Wert darauf gelegt, die Selbstkosten, namentlich die Löhne kennen zu lernen. Ich nehme keinen Anstand, Ihnen zu erklären, daß die Löhne bei den Weißblechfabriken praeter propter von der Platine bis zum fertigen Weißblech per Tonne eiwa 56 bis 58 M6 betragen.
(Rufe: Wieviel Prozent? — Wieviel kostet die Tonne?) — Davon habe ich die Aufstellung nicht hier. — Wenn also England, wie wir präsumieren, nur 70 . unserer Un⸗ kosten hat, würde England ca. 17 M pro Tonne billiger fabrizieren als wir.
Vorsitzender: Herr Franck möchte wissen, ob in bezug auf die Anfrage wegen Rasselstein weitere Erklärungen ge⸗ eben werden konnen. Es wird gefragt, wieviel Prozent der
esamtproduktion die Produktion von Rasselstein ausmacht und auf wieviel Prozent es nach Ausführung der Ver— größerung etwa kommen würde.
hrs tsführer Kemp-Cöln: Im vergangenen Jahre war die Produktion von Rasselstein 36, 83 /9 der Gesamtheit.
Vorsitzender: Und dieser Prozentsatz der Produktion würde steigen auf wieviel?
Geschäͤftsführer Kemp⸗Cöln; Um etwa 50 0½, im Laufe eines Jahres und um etwa 100 ͤ im Laufe von zwei bis drei Jahren.
Vorsitzen der: Die Frage, die angeregt ö welche
ung einer
Konkurrenz nicht aufkommen zu lassen? — ist fuͤr die Regie⸗ rung von besonderer Wichtigkeit, weil doch hier gerade die Frage einsetzt: ist es notwendig, daß durch gesetzgeberische Maß⸗ nahmen oder sonst irgendwie eingegriffen wird? Auf diese
das Cölner Kontor hat sich bisher diesen doch berechtigten Frage ist von keiner Seite eine Antwort erfolgt, und ich weiß
nicht, ob daraus Schlüsse gezogen werden. Darüber müßten sich eigentlich die Gegner des Kartells äußern.
Geschäftsführer Schneider⸗-Cöln; Ich möchte mir ge— statten, meine Herren, darauf hinzuweisen, daß heute morgen davon die Rede war, daß große Werke wie Hösch und Hörde sich mit der Frage beschaͤftigt haben, Weißblech zu machen. Vielleicht wäre es angebracht, weil wir hier die Frage, warum keine neuen Weißblechwerke entstanden sind, nicht beantworten können, daß wir bel den betreffenden Werken, die sich mit dieser Frage befaßt haben, einmal anfragen, warum sie wieder davon abgekommen sind. Denn das sind die einzigen, die die Sache zuireffend beantworten könnten. Wir können es nicht beantworten und die Abnehmer auch nicht.
Generalsekretär Dr. Soetbeer⸗Berlin: Meine Herren ich stehe der Weißblechindustrie nicht näher als irgend einem anderen Industriezweig, und so wertvoll es mir 6. ist, durch diese Verhandlungen in die Verhältnisse der Weißblechpro— duktion und onsumtion eingeweiht zu werden, so möchte ich doch in bezug auf die Fragen des Kartellwesens, die uns hier doch in erster Linie beschäftigen, meinen Eindruck dahin aus— sprechen, daß bis jetzt so gut wie nichts aus den Verhand— lungen herausgesprungen ist, was uns in dieser Bezichung von Nutzen sein könnte. (Sehr richtig!! Die ganze Diskussion, die wir gehabt haben, mit wenigen Ausnahmen, hätte genau so geführt werden können, gle gültig, ob die fünf Weißblech produzierenden Werke einzeln stehen oder ob sie, wie es der Fall ist, in einem Kartell vereinigt sind und ein gemeinsames Ver⸗ kaufskontor haben. Fast alles, was an Klagen gegen die kartellierten Betriebe vorgebracht worden ist, bezieht sich nicht auf Maßregeln, die speziell auf dem Gebiete des Kartell⸗ wesens liegen.
Es ist darüber geklagt worden, daß man nicht mit den einzelnen Werken direkt verhandeln könnte. Das hängt aller— dings mit dem Kartellwesen zusammen, ist aber doch nur ein Nebenpunkt. Es ist angedeutet worden, daß man das Material nicht immer von dem Werke bekommen könne, von dem man es haben wolle. Das ist aber wieder eingeschränkt und es ist age g ben worden, daß man es in der Hauptsache doch be⸗ ommen kann. Eine Hauptklage war, daß man mit zu langen Lieferfristen zu rechnen habe, und da hat einer der Herren — ich glaube, es war Herr Molkenbuhr — gesagt, wenn das Kartell nicht vorhanden und mehr Konkurrenz vorhanden wäre, würde man darauf rechnen können, daß die Lieferfristen kürzere würden. Ich glaube, das ist nicht als berechtigt an— zuerkennen. Wir sehen, daß die fünf Fabrikanten, die in dem Kartell zusammen sind, eigentlich vollständig frei arbeiten; der eine hat längere Lieferungsfristen, der andere kürzere, und jeder hat dadurch, daß ihm die Möglichkeit gegeben ist, daß seine Fabrikate an denjenigen Konsumenten gelangen, der sie haben will, auch die Möglschkeit, auf diesem Gebiete durch bessere Leistung einen Vorleil zu erzielen. Ich glaube also, daß nach dieser Richtung von der Wirkung des Kartells auch nicht ge— sprochen werden kann. ;
Ebensowenig haben wir hinsichtlich des Kartellwesens etwas erfahren bei der Hauptklage, mit der die Diskussion sich am eingehendsten beschäftigt hat, nämlich darüber, daß zu wenig Weißblech in Deutschland produziert werde, und daß die Weißblech verarbeitenden Industrien ihren Bedarf nicht im Inland decken können. Es ist von keiner Seite behauptet worden, daß das Kartell in irgend einer Weise damit in Zu⸗ sammenhang stehe. Der Herr Vorsitzende hat verschiedentlich an die Herren appelliert, daß diejenigen, die das behaupten wollen, mit ihrem Beweismaterial herauskommen möchten. In der Denkschrift der Vereinigung der Weißblech verarbeiten— den Industriellen Deuschlands lese ich zwar die Forderung, daß das Weißblechsyndikat der Errichtung neuer Werke nicht durch Kartellmaßregeln hindernd in den Weg treten dürfe; aber es wird auch dort nicht behauptet, daß dies bisher ge— schehen sei. Ich sehe also in der Erörterung eigentlich einen Beitrag zur Beurteilung des Kartellwesens überhaupt nicht. Dem, was Herr Geheimrat Wagner sagte, trete ich insofern entgegen, als von einer Monopolstellung bei einem Industriezweige, dessen Fabrikate zu etwa 30 Prozent aus dem Auslande bezogen werden, überhaupt nicht die Rede sein kann. Darin jedoch hat Herr Geheimrat Wagner sicher xecht, daß festgestellt ist daß die Weißblech verarbeitenden Industrien Grund zur Klage haben, nach der Richtung, daß sie ihren Bedarf im Inland nicht in genügendem Umfange und nicht mit der wünschenswerten Schnelligkeit. decken können. Daß diese Klage aber als eine berechtigte Anklage gegenüber den Fabriken, die Weißblech herstellen, zu gelten habe, kann ich nicht zugeben; denn man hat nicht das Recht, von irgend jemand zu verlangen, daß er mehr produziert, als er nach seinen Verhältnissen zu produzieren für nützlich hält. (Sehr richtig) Anders läge es vielleicht, wenn man nachweisen könnten, daß Maßregeln des Kartells es sind, die es verhindern, das zu erreichen, was man erreichen will. Aber nach wie vor . in unter dem Eindruck, daß ein Zusammenhang zwischen dem Bestehen des Kartells und den Hauptfragen, die uns heute stundenlang be⸗ schaftg haben, überhaupt nicht vorhanden ist. . enn ich nun auf Punkt 8, der ja zur Debatte steht, mit einem Worte eingehen darf, so geht der Eindruck, den ich empfangen habe, dahin, daß weder zu gunsten noch zu un⸗ gunsten des Kartellwesens etwas vorgebracht worden ist. Für die Hebung und Regelung des w im Ausland ist ein⸗ gestandenermaßen nichts geschehen. Eine gewisse Regelung des Absatzes im Inlande findet statt, indem eine Verteilung der Lieferungen auf die einzelnen Fabriken vorgenommen wird, soweit die Besteller damit einverstanden sind. Daß das Kartell zur Hebung des Absatzes im Inland etwas getan hat, habe ich nicht gehört; denn wenn auch etwa der Geschaͤftsführer des Verkaufskontors zu den Fabriken sagt: produziert doch etwas mehr, so kann das als eine Maßregel des Kartells wohl kaum betrachtet werden.
Kommerzienrat Kantorowicz⸗Posen: Nur auf die ein⸗ dringliche Frage unseres Herrn Vorsitzenden, der schon zu wiederholten Malen gesagt hat, man möchte präzisieren, woher es denn kommt, daß sich nicht andere Werke außer diesen fünf in der Weißblechbranche etabliert haben, möchte ich mir er⸗ lauben, einige Ausführungen zu machen. Ich habe mich ge⸗ wundert, 6. . Regierungsrat Dr. Voelcker, der diese Dinge aus fruheren Verhandlungen, denen ich auch beigewohnt habe,
anz genau kennt, nicht darauf geantwortet hat, wenn au
eine Stellung heute eine ganz andere ist, als sie vor einem Jahre war. Ja, . enn die Herren, die den kontra⸗ diktorischen Verhandlungen über den Roheisen⸗ und Halbzeug⸗ verband beigewohnt haben, ganz vergessen, was damals zur Sprache gekommen ist? Ist hn fn denn nicht allen ganz authentisch klargelegt worden, daß man befohlen hat, daß diesem oder jenem
Werk, weil es vielleicht auswärts gekauft hat, nicht geliefert werden dürfe, und daß der Walzdraht⸗Fein⸗ und Grobblechverband einzelnen Fabriken, die aus dem Ausland Bleche bezogen haben, abfolut nicht mehr, als er wollte, geliefert hat. Wo steht denn eschrieben, daß, wenn heute einem Werke, von der Kohle an ki zu den Knüppeln und Platinen, welches seine Rohstoffe nicht selbst macht, sich irgendwie mißliebig macht, der Bedarf einfach nicht geliefert wird? Das kann doch heute ebenso gut passieren, wie es vor zwei, drei Jahren passiert ist, und daß heute eine, wie soll ich sagen, mildere Handhabung im Kartell⸗ wesen eingetreten ist, und daß man vielleicht von diesem Boykottierungssystem und diesen merkwürdigen Bestrafungen einigermaßen zurückgekommen ist, liegt nur in den Zeit— verhältnissen. Unsere Zeit will dieses Odium nicht mehr auf fich nehmen, man kann mit dem Preise nicht so hoch gehen, wie man, will, und nicht vom kurulischen Stuhl herab diktieren, was zu geschehen hat. Man muß sich auch da den Zeitläufen fügen, selbst in den mächtigen Kartellen. Aber wenn heute ein Werk auf— iräte, das sich nicht seine Rohmaterialien selber be— schafft und sich dem Kartell nicht fügte, dann weiß ich nicht, ob es nicht die Antwort erhielte: du bekommst keine Kohlen, kein Roheisen, keine Knüppel, oder du bekommst so und soviel weniger oder mußt dich höheren Preisen fügen. Das scheint mir bei vielen Werken die Befürchtung zu sein, und was Schalke betrifft — wie kann ich wissen, was in der Direktion des Werkes vor sich gegangen ist! Wir haben ja heute von verschiedenen Seiten gehört, daß gesagt worden ist: die Arbeiter, die ich über meine gewöhnliche Arbeiterzahl anstelle, verwende ich lieber zu lukrafiveren Fabrikationen, Weißblech scheint mir nicht lukrativ genug, also lasse ich es von diesen Arbeitern nicht machen. Das sind doch alles Gesichtspunkte, die bei der Gründung eines neuen Weißblechwerkes sicherlich von erheblicher Bedeutung sind.
Vorsitzender: Dann würde also die Antwort des Herrn Kantorowicz darauf hinausgehen, daß nicht das Weißblech— syndikat es gewesen ist, welches die Errichtung neuer Werke hindert, sondern die Vorsyndikate, das Roheisen⸗ und Kohlen— syndikat. Rasselstein produziert aber seine Rohstoffe, von der Kohle und vom Roheisen abgesehen, selber, sodaß es unab— hängig von dem Halbzeug- und Stahlwerksverhande ist.
Direktor, Regierungsrat a. D. Dr. Voe lcker⸗-Düsseldorf: Auf die Ausführungen des Herrn Kantorowicz möchte ich er— widern, daß wir einen Lieferungsboykott im Stahlwerks— verbande perhorreszieren. Es sind kurz nach Gründung des Stahlwerksverbandes Anforderungen an uns herangetreten, wir möchten einigen Werken, die anderen Verbänden nicht bei— treten wollten, das Material sperren. Wir haben das ab— gelehnt und haben dann auch 1g mit einer Reihe hervor— ragender Rechtskundiger uns in Verbindung gesetzt und die Frage durchgesprochen, wie weit wir gegen Sutsiders vorgehen können, ohne die guten Sitten zu verletzen. Wir sind zu der Ansicht gekommen, daß es außerordentlich bedenklich wäre, wenn wir derartige Maßnahmen zur Anwendung bringen wollten und uns nur der äußerste Notfall hierzu veranlassen könnte. Ich habe kärzlich im Zentralverbande deutscher Industrieller einen Vortrag gehalten, der demnächst veröffent⸗ licht werden wird, in dem ich die Lieferungssperre erörtere und sie in der Form, wie sie bei früheren Kartellen angewandt worden ist, durchaus mißbillige.
Direktor Goldstücker-Berlin: Ich darf wohl in Er— gänzung der Mitteilungen des Herrn Kantorowicz auf ein Schreiben hinweisen, welches bei unserer Vereinigung ein—⸗ gegangen ist und zwar seitens der Firma Capito & Klein, und es ist sicherlich keine Indiskretion, wenn ich, die Genehmigung der Firma vorausgesetzt, die Einzelheiten dieses Briefes zur Verlefung bringe. Es wurde uns gerade in bezug auf das— jenige, was soeben von Herrn Kantorowicz zum Gegenstand seiner Mitteilungen gemacht worden ist, seitens dieser Firma folgendes geschrieben:
Auf Ihr Geehrtes vom 25. d. M. teile ich Ihnen mit, daß meine Firma wegen der durch den Stahl⸗ werksverband enistandenen Unsicherheit, das Roh⸗ material in der richtigen Beschaffenheit zu erhalten, bisher von der Anlage eines Weißblechwalzwerks sich hat abhalten lassen, trotzdem die Vorarbeiten dafür vollständig vorhanden sind; es wird daher von der ferneren Entwickelung des Stahlwerksverbandes ab⸗ hängen, ob und wann meine Firma zur Aufnahme dieses Fabrikationszweiges übergehen wird.
(Rufe: Bitte weiter lesenh
Im übrigen ist die von Ihnen erwähnte Gewähr— leistung für die Abnahme der ganzen Fabrikation doch in keiner irgendwie greifbaren Form erfolgt und Herr Goldstücker hat andererseits hei meinem Besuch in Ihrem Bureau direkt die Verpflichtung abgelehnt, die Produktion meiner Firma zu über—
nehmen. Hochachtungsvoll! (gez. Capito & Klein.
Dieser letzte Satz, den ich auf Wunsch des Schreibers
dieses Briefes verlesen habe, bedarf einer Erklärung, und die kann ich um so unbefangener geben, als ich mich dabei auf zwei Zeugen stützen kann, die der bezüglichen Unterhandlung beigewohnt haben. Die gegenteilige Mitteilung der Firma Capito & Klein beruht ö einem Irrtum! Die Herren sind 8 gekommen und haben sich informiert, wie die Lage der
eißblechfabrikation ist. Wir haben den Herren die aus—
r Informationen gegeben, wir haben ihnen die ver⸗
chiedensten Muster eingeschickt, kurz, wir haben es an nichts fehlen lassen, um die Herren zu informieren über die Ansprüche, welche die Weißblechverbraucher an die Qualität des zu verarbeitenden Materials stellen. Bei dieser Gelegenhelt — und hier sind wir augenscheinlich mißverstanden worden — haben wir im Gegensatz zu der betreffenden An⸗ schauung des Briefes den Herten erklärt, es würde uns nicht schwer gal? die Gruppe unserer Verbraucher zusammen⸗ zuschließen und deren Konsum dem neu zu gruͤndenden Werk zu übertragen. Wir müssen also. nach dieser Richtung miß—⸗ verstanden sein, obwohl meine beiden Nachbarn hier mir be⸗ stätigen werden, daß die Verhandlungen so verlaufen sind, wie ich das hier anführe.
Die Frage, warum kein neues Werk entstanden ist, ist, glaube ich, mehr ein Geschäftsgeheimnis unserer Gegner. Wir können diese Frage selbstverstaͤndlich nicht enträͤtseln, aber der gute Rat des Herrn Regierungsrats a. D. Dr. Voelcker, doch ein eigenes Weißblechwerk zu errichten — er hat uns denselben
freundlicher Weise heute zum zweiten Mal erteilt — ist in
ewissem Umfang von uns ja befolgt worden, denn wir * uns Mühe gegeben, einem ernsthaften Interessenten diejenigen Angaben zu unterbreiten, welche ihn dahin führen könnten, zu wissen, was Gegenstand unserer Wünsche in bezug auf die Qualität und die Ausführung der erforderten Weißbleche ist — und welche genügende Unterlagen für die Schaffung eines neu zu errichtenden Weißblechwerks waren.
Fabrikbesitzer Klein-Düsseldorf: Die Verhandlungen hat mein Associe geführt, ich kann deshalb darauf nicht antworten. Was den Brief selbst anlangt, so habe ich heute morgen den Inhalt vollständig bestätigt: wir können uns nicht noch mehr von dem Stahlwerke verbande abhängig machen, wir haben daher von der Errichtung eines Werks abgesehen. Aber wie ich schon ausgeführt habe, sind wir von den Weißblechfabri⸗ kanten . worden, ein Walzwerk zu bauen. Also die haben uͤns nicht daran gehindert, sondern uns im Gegen— teil gebeten, wir möchten ein solches Werk ins Leben rufen.
Vorsitzender: Können Sie sich nicht über die Frage etwas weiter aussprechen? Sie würden doch nicht von dem Stahlwerksverbande abhängig sein, wenn Sie das Rohmaterial selbst erzeugen.
Fabrikbesitzer Klein⸗Düsseldorf: Nein, wenn wir Martin⸗ werke hätten, würden wir nicht abhängig sein. Vorsitzender: Würde die Frage nicht von diesem Ge⸗ sichtspunkte aus in anderem Sinne zu beantworten sein?
Fabrikbesitzer Klein⸗Düsseldorf. Dann müßten wir Martinwerke bauen, das kostete aber so und so viel Millionen, und dann würden wir, wie vorhin einer der Herren gesagt hat, vom Bankier abhängig sein.
Direktor Haecker-Schalke: Meine Herren! Aus den letzten Ausführungen scheint hervorzugehen, daß ich mich heute morgen nicht klar genug ausgedrückt habe, obwohl ich der Meinung bin, deutlich gesagt zu haben, daß effektive Betriebs— verluste meine Firma gezwüngen haben, und zwar auf Grund der — ich wiederhole und betone das — im Jahre 1899 bei uns herrschenden Verhältnisse, den Betrieb vollständig einzu⸗ stellen. Wenn wir heute, wo bei uns andere Verhältnisse vor⸗ liegen, nicht dazu übergehen, diesen Betrieb wieder aufzunehmen, und nachdem ich Ihnen ausdrücklich erklärt habe, daß keinerlei Druck von irgend einer Seite auf uns geübt worden ist, im Gegenteil, daß wir dringend und wiederholt gebeten worden sind, die Weißblechfabrikation wieder aufzunehmen, dann müssen dafür doch wohl die Gründe maßgebend sein, die darin bestehen, daß eine Wiederaufnahme oder Aus⸗ dehnung der Fabrikation in einer Gegend wie Gelsenkirchen mit einigermaßen Aussicht auf Erfolg unmöglich ist. Also fuͤr meine Firma liegt der Grund vor, daß wir gar keine Veranlassung haben, jetzt die Fabrikation wieder aufzunehmen, die, wenn wir sie auch günstiger leiten könnten, als es früher der Fall war, uns voräussichtlich doch keinen Erfolg bringen würde. Das ist der eigentliche Grund. Wir haben ein eigenes Martinstahlwerk, find also darin unabhängig, und ich erkläre auch, daß die Befürchtung gegenüber künftigen Maß— nahmen des Kohlen- oder Roheisensyndikats uns nicht beein— flussen würde, die Fabrikation wieder aufzunehmen, wenn wir eine angemessene Verzinsung der darin angelegten Kapitalien erwarten dürften.
Generalsekretär Dr. Beumer, M. d. R⸗Düsseldorf: Ich weiß nicht, ob ich Herrn Kommerzienrat Kantorowicz richtig verstanden habe; es klang etwas geheimnisvoll, was er sagte, aber ich glaube, er meinte, die Gründung neuer Weißblech— werke könnte durch Drohungen des Roheisen⸗ und Kohlen— syndikats sowie des Stahlwerksverbandes verhindert werden. Herr Kantorowicz nickt und gibt also damit zu, daß ich ihn richtig verstanden habe. Nun, ich glaube von den Verbänden, die in dieser schweren Weise hier angeschuldigt werden, soviel zu wissen, um sagen zu können: ich halte es für vollständig unmöglich, daß sie bei dem Nachweis, eine vermehrte Weiß⸗ blechproduktion liege im Interesse unserer vaterländischen Industrie, aus purer Bosheit zu solchen Drohungen würden Übergehen können. Dazu ist die Leitung dieser Verbände mit den Bedürfnissen unserer nationalen Industrie viel zu sehr vertraut, und auch im eigenen kaufmännischen Interesse viel zu sehr auf die Vergrößerung ihres Absatzes bedacht, als daß fie solche Drohungen jemals machen, geschweige denn jemals ausführen könnte.
Kommerzienrat Kantorowicz⸗Posen: Ich bin Herrn Regierungsrat Dr. Voelcker dankbar für die Zusicherung, die er gewissermaßen gegeben hat, daß er in milderem Sinne auf die weiteren Maßnahmen des Stahlwerksverbands einzuwirken bestrebt sein werde. Aber eine Bemerkung des Herrn Dr. Beumer veranlaßt mich, doch noch ein paar Worte zu sagen. Herr Dr. Beumer siellt es so dar, als ob die An⸗ nahme der Möglichkeit, daß die Syndikate in dem vorhin von mir angedeuteten Sinne wirken könnten, eine gewisse Boörniert⸗ heit voraussetze, ein vollständiges Unvertrautsein mit den Be⸗ dürfnissen unferer Nation. Ja, wie lange ist es denn her, daß man dem „Phönix“ anbefohlen, was er tun und was er lassen soll? Und was bei einem so mächtigen Werke wie der Phönix, mit Herrn Generaldirektor Kamp an der Spitze, der nicht nur ein ausgezeichneter Direktor, sondern auch ein Kartellist mit Leib und Seele ist, passiert ist, das sollte, nach Ansicht des Herrn Dr. Beumer, so ganz und gar außer dem Bereich der Möglichkeit liegen? Nein, verzeihen Sie, wenn ich sage: das ist keine der Unmöglichkeiten.
Direktor Goldstücker⸗Berlin: Ich möchte, anknüpfend an die Ausführungen des Herrn Vorredners, gerade auf den Phönix exemplifizieren.
Vorsitz ender: Wenn wir auf diese Frage eingehen, die ja allerdings mit dem Kartellwesen sicher viel zu tun hat, aber doch mit dem Weißblechverbande sehr wenig, fürchte ich, werden wir vor einer Stunde nicht mehr davon abkommen. Wenn Sie die Frage durchaus berühren wollen, gut, dann aber möglichst kurz.
Direktor Goldstücker⸗Berlin: Es gehört das meines Erachtens durchaus zur Sache.
Vorsitzender: Ich will Ihnen auch das Wort nicht ab⸗ 6 sondern ich bitte Sie nur, es möglichst kurz zu machen.
Direktor Gold stücker⸗Berlin: Es ist vorhin gesagt worden, daß wir bei dem Verlauf, den die Verhandlungen genommen haben, nichts zur Beurteilung des Kartellwesens Dienliches erreicht haben. Ich muß im Gegenteil sagen, daß wir mit dem bis jetzt erreichten Resultat ausgezeichnet zu⸗ frieden find und namentlich mit der Wendung, die die Sache im Laufe der heutigen Verhandlung genommen hat. „Vor
dem Essen / las man's anders, vor dem Essen hat man in den drastischen Erklärungen des Herrn Kemp fortdauernd betonen hören, daß absolut nichts an der Weißblechfabrikation zu ver⸗ dienen sei und daß man deshalb keine Neigung habe, zu ver— größern. Ein paar Stunden später haben wir gehört, daß das Hustener Werk auf 10 609 Kisten vergrößert werden soll, und setzt sind wir so weit, daß Rasselstein im Begriff ist, sich um 105 Prozent zu vergrößern. Sitzen wir weiter bis zum Abend, so werden wir vielleicht in Ber glücklichen Lage sein, ge hören, daß trotz der schlechten Preise die Produktion der euischen Weißblechwerke verdreifacht wird.
Aber, meine Herren, es ist vom Phönix gesprochen worden, und da diese Frage in engem Zusammhange mit der zur Dis⸗ kussion stehenden Frage steht, so möchte ich mit wenigen Worten darauf eingehen. Ich habe in der Generalversammlung des Phönix den Vorzug gehabt zu sprechen, denn ich habe dort einen Großaktionär vertreten, der seit undenklichen Zeiten ein treuer Aktionär des Phönix geblieben ist. In der General⸗ versammlung ist ein Mann von der Bedeutung des Herrn Generaldirektor Kamp aufgetreten und hat klipp und klar vor der Oeffentlichkeit erklärt, daß der Uebertritt des Phönix in den Stahlwerksverband ein Unglück für den Phönix sei und eine schwere Schädigung der Aktionäre bedeute. Er hat dann mit dem ganzen Gewicht seiner Persönlichkeit erklärt, daß in dem Augenblick, wo das geschehe, 13 Millionen, die in die Vergrößerung von neun Anlagen gesteckt seien, nutzlos ver⸗ loren seien! Er hat mit dem Gewicht seiner Erfahrung darauf hingewiesen, daß alles, was an persönlichen Beziehungen zu der Kundschaft in den langen Jahren seiner Wirksamkeit zwischen dem Phönix und seinen Abnehmern gewonnen sei, nunmehr Gemeingut des Stahlwerksverbandes werde, der in anderer Weise, wie es bisher den langjährigen Kunden gegen— uber geschehen sei, dieser gegenübertreten, ihr nunmehr seinen Willen diktieren werde, so wie es jeweilig die Verhältnisse erfordern, und wenn dann eines schönen Tages der Stahl— werksverband auseinanderginge, was nach meiner Empfindung so sicher geschieht, wie die Sonne am Himmel steht, dann sei alles, was das Werk in den langen Jahren seiner Tätigkeit an persönlichen Beziehungen zur Kundschaft, an tausenderlei praktischen Erfahrungen mühsam aufgebaut hat, plötzlich Gemeingut der ganzen Branche geworden! Und was ist bei dem Phönix geschehen? Einzelne Bankiers sind zusammen⸗ gekommen, sie haben die Majorität der Aktien des Phönix nicht etwa erworben, sondern nur, wie es so üblich ist, sich diese für dieselbe Generalversammlung zur Vertretung beschafft, und schließlich ist, trotz des Widerspruches eines Mannes von so außerordentlicher Bedeutung wie der Generaldirektor des Phönix ist, mit Unterstützung der Banken, die dem Stahlwerks⸗ verband nahestehen und dessen Interessen in erster Linie fördern wollten, der Beschluß zustande gekommen, daß das Phönixwerk gegen seinen Willen in den Stahlwerksverband hineingetrieben worden ist! Das sind Tatsachen, die so fest stehen wie die Sonne am Himmel, und Herr Kantorowicz hat durchaus recht, wenn er sagt, wenn solche Vorkommnisse, überhaupt möglich gewesen sind, könne man auch vielleicht befürchten, daß ein ähnlicher modus procedendi bei anderen Kartellverbänden und deren Vorhaben durchgeführt werde! Ich habe hierauf nur kurz hinweisen wollen, weil morgen vielleicht Gelegenheit ge— geben ist, in ausführlicherer Weise als heute dieselbe Angelegen⸗ heit, belegt mit weiteren Daten und Zahlen, zum Gegenstande einer Mitteilung an die Regierung zu machen.
Geschäftsführer Kem p-Cöln: Ich möchte vom Phönix, dem Vogel, der bekanntlich immer aus der Asche neu entsteht, sHeiterkelt) auf das Weißblechsyndikat zurückkommen. Da be⸗ findet sich in der Denkschrift der Weißblech verarbeitenden Fabrikanten auf der dritten Seite eine Zusammenstellung von Preisen, nach dem Bericht der Handelskammer zu Hannover. Die Preise, die dort aufgeführt sind, sind unrichtig. Es ist dort angegeben: Deutsches H. B. Weißblech (56 Taf. p. Kiste) L 6G. in deutschen Formaten, nach Hannover hingelegt, hat im Januar 24 S6 gekostet. Ausweislich unserer Geschäfts⸗ bücher ist der Preis 20,80 6 gewesen, das ist also ein Unter⸗ schied von 320 6 Für Dezember wird wiederum der Preis auf 21 6 angegeben. Im Dezember wan unser Preis 19,30 , also ein Unterschied von 4,20 6. (Hört! hört! Es muß also da in dem Bericht der Handelskammer ein Irrtum unter— gelaufen sein. Damit fallen aber natürlich auch die Schluß⸗ folgerungen, die man aus diesen Preisen gezogen hat. Es wird in der Senkschrift ausgerechnet, daß die deuischen Werke im Jahre 1902 2 Millionen Mark verdient hätten und in dem Zeitraum von 1894 bis 1992 14 Millionen Mark. Es tut mir sehr leid, sagen zu müssen, daß wir das nicht verdient haben; wir haben eben zu billig verkauft, Heiterkeit.) .
Herrn Kommerzienrat Lehmann möchte ich erwidern, daß wir gern rasch vorwärtsgehen möchten; wenn wir langsam gehen, geschieht es nicht etwa aus Mutwillen, sondern weil wir eben nicht anders können. Er hat sich auch darüber be⸗ klagt, daß er von Hayange ein französisches Avis bekommen habe. Nun, Hayange oder Hayingen liegt in dem französisch sprechenden Teil von Lothringen und die Beamten auf dem Werk Hayange sind, bis auf wenige Personen, Leute, die von Geburt an nur französisch gesprochen haben. Es kann also immerhin passieren, daß ein Kommis einmal ein solches Avis französisch geschrieben hat. (Zuruf: Es war gedruckth ae. oder Hayingen hat damals schon französische und deutsche Avise gehabt, und es ist höchst wahrscheinlich nur ein Zufall, daß ein franzöͤsisches Exemplar genommen worden ist. Ich las übrigens in den Zeitungen, unser Kaiser habe in Lothringen ein großes Landgut, welches ganz im französischredenden Ge⸗ biete liegt, und wenn er dort sei, spreche er sehr leutselig zu den Leuten und geniere sich gar nicht, zu dem Maire von Courcelles zu sagen? „Bon jour, Monsieur le maine, comment Allez vous?“ (Heiterkeit) Also, wenn der Kaiser das nicht so genau nimmt, sollte Herr Lehmann es auch nicht so schlimm nehmen. (Heiterkeit.) . ; ; Vorsißender: Die Frage, die hier erörtert worden ist, ist eine solche, die in bezug auf das Kartell wesen speziell interefsiert, und deswegen möchte ich doch noch einige Meinungs⸗ äußerungen aus der Versammlung provgzieren, welche dahin gehen könnten: welches Interesse könnte denn der Stahlwerks⸗ verband daran haben, das Aufkommen eines weiteren Weiß⸗ blechwerks, das eventuell geeignet wäre, die englische Kon⸗ kurrenz aus Deutschland zu beseitigen, zu verhindern?
Direktor Goldstücker⸗Berlin: Je geringer die Pro⸗ duktion ist, desto mehr sind die Herren in der Lage — —
Vorfitzender: Sie werden morgen hören, daß das Gegenteil dem Stahlwerksverband zum Vorwurf gemacht wird. Darum wäre es mir aber doch interessant, zu hören, welches Interesse er hier für das Gegenteil haben konnte.
8