1905 / 288 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 07 Dec 1905 18:00:01 GMT) scan diff

nommenen Aufgaben, die Durchführung des Gesetzes über die Friedens⸗ präsenzstärke des Heeres und die weitere Ausführung des Gesetzes über die Wehrpflicht. Das Reich besitzt aber auch andere Aufgaben, die aus Mangel an Mitteln bisher nicht in Angriff genommen werden konnten und doch dringend der Erledigung harren. Ich verweise in dieser Beziehung auf die organische Schuldentilgung, ich verweise auf die Ausführung des Militärpensionsgesetzes mit seinen etwaigen Rückwirkungen auf die Pensionsverhältnisse der Zivilbeamten. Ich verweise auf die Be⸗ seitigung des Personalsservises der Offiziere und Militärbeamten, ich verweise auf die dringend notwendige Vermehrung der Marine, ich verweise auf die dringend notwendige Sanierung des Reicht⸗ invalidenfonds. .

Es ist nicht das erste Mal, meine Herren, daß wir uns bemühen, Ordnung in die Reichsfinanzen zu bringen und die Mißstände zu bescitigen, auf die ich soeben hingewiesen habe. Ich will die mannigfachen ganz oder teilweise mißglückten An lãufe nicht rekapitulieren, die von 1869 bis heute in dieser Richtung gemacht worden sind. Das Gesetz vom 14. Mai 1904 hat in formeller Be⸗ ziehung zweifellos Erfolge gehabt, seine materiellen Wirkungen waren geringer, weil der Hauptübelstand in unseren Finanzen bestehen blieb, nämlich daß die ordentlichen Einnahmen nicht ausreichen zur Deckung der ordentlichen Ausgaben. Daß die Beseitigung dieses Uebelstandes ohne Gefährdung der Sicherheit und des Wohlstandes des Reichs, ohne die Preisgabe wichtiger Kulturaufgaben nicht anders zu erreichen ist als durch neue Steuern, ist die wohl erwogene und fest begründete Ueber⸗ jeugung aller verbündeten Regierungen. Gewiß, meine Derren, kommt die Finanzreform im wesentlichen heraus auf Einführung neuer Steuern, die Erhöhung der bestehenden; wenn wir aber für die wachsenden Ausgaben nicht vermehrte Einnahmen nölig hätten, dann brauchten wir überhaupt keine Reichsfinanzreform. (Heiterkeit) Wer aber das wachsende Mißverhältnis iwischen Einnahmen und Ausgaben zugibt und das kann niemand leugnen —, der muß auch für die neuen Steuern eintreten. Da heißt es für die verbündeten Regierungen und für dieses hohe Haus: „Es fehlt an Geld; nun gut, so schaff' es denn!“

Meine Herren, der zur Deckung de Fehlbetrags und der dringendsten neuen Ausgaben notwendige Gesamtbetrag ist wie in den Anlagen spezialisiert worden ist, auf rund 250 Millionen u ver⸗ anschlagen. Von dieser Summe werden mutmaßlich nur 75 Millionen, von denen 50 Millionen bereits gesetzlich für die Witwen⸗ und Waisenversorgung der Arbeiter festgelegt worden sind, durch die Mehreinnahmen aus den Zöllen gedeckt werden können. Um den noch fehlenden Betrag möglichst gerecht zu verteilen und die minder be⸗ güterten Volksklassen tunlich zu schonen, ist es nötig, diese Summe möglichst vielen und möglichst leistungsfähigen Schultern auf⸗ zuerlegen. .

Meine Herren, die verbündeten Regierungen wissen sehr wohl, daß in diesem hohen Hause der Wunsch besteht, die breiten Nassen gar nicht zu den neuen Steuern heranzuliehen. Die verbündeten Regierungen glauben, daß in dieser Form und so allgemein gehalten dieser Wunsch zu weit geht und für jede duichgreifende Reichsfinanj⸗ reform ein unüberwindliches Hindernis bilden würde. Gewiß, meine Herren, soll man sich der Besteuerung des notwendigen Bedarfs ent⸗ halten. In der Agitation gegen die neuen Steuern begegne ich aber jmmer wieder der Fiktion, als ob die Regierung nur aus Cigensinn oder aus Einfältigkeit sich nicht aueschließ⸗ lich an dem Luxus der Reichen hielte, und als ob sie die Wahl hätte, den zwischen steigenden Ausgaben und ungenügenden Einnahmen sest⸗ gefahrenen Staats wagen entweder durch ein schnellfüßiges Lurutpferd oder durch die vereinte Kraft tüchtiger Arbeits⸗ und Ackerpferde wieder flottzumachen. Meine Herren, diese Wahl besteht nicht. Der Luxus der Reichen wirft auch bei hoher Besteuerung verhãltnis· mäßig nicht viel ab. Es gibt eben zu wenig Reiche. (Heiter⸗ keit bei den Sozialdemokraten Ich habe vor einigen Wochen in einem Aufsatz, der herrührte von einem Mitgliede dieses hohen Hauses, das mir nicht persönlich bekannt ist, den ich aber mit großem Interesse gelesen habe, in einem Aufsatz des Abg. Fuchs gelesen, daß, wenn man alle Einkommen in Deutschland teilt, auf jeden Deutschen etwa kaum nur 300 Mark jährlich wenn ich mich recht entsinne kommen würden. Ich sage also, es gibt noch zu wenig Reiche. Jede Steuer, soll sie einigermaßen ergiebig sein, muß auch die Genußmittel der Allgemeinheit treffen, das sind die zweckmäßigsten Objekte der Be⸗ steuerung. . j

Diese Erwägung mußte die verbündeten Regierungen in erster Linie auf die indirekten Steuern führen. Für die indirekten Steuern aber sprach auch die Reichsverfassung, welche die direkten Steuern den Einzelstaaten vorbehalten hat. (Sehr richtig! rechts.) Sie müssen den Einzelstaaten erhalten bleiben, wenn anders deren Leistungsfäbigkeit und deren Lebensfählgkeit die Grundlagen der Reichs verfassung und des Reiches nicht gefährdet werden sollen. (Sehr richtig! rechts.)

Das Verhältnis der direkten Steuern zu den indirekten liegt in Deutschland gar nicht ungünstiger als in anderen Ländern. Zieht man die wichtigeren direkten Steuern in Betracht, so ergibt sich für das Reich und die Bundesstaaten eine Belastung von: im Deutschen Reich 772 Mark auf den Kopf der Bevölkerung, in Oesterreich g, 45 Mark, in Ungarn 9,89 Mark, in Italien 12,49 Mark, in Frankreich 12,38 Mark, in Rußland 2.26 Mark, in Großbritannien

19,65 Mark. (Hört, hört) An Zöllen und wichtigeren indirekten Steuern werden dagegen erhoben im Reiche und in den Bundesstaaten zusammen 19,97 Mark auf den Kopf der Bevölkerung, in Desterreich und Ungarn A,l2 Mark, in Italien 22.54 Mark, in Frankreich 4497 Mack, in Rußland 15.45 Mark, in Großbritannien 47,55 Mark (hört, hört! rechts), in den Vereinigten Staaten von Amerika, in welchem es direkte Bundetabgaben überhaupt nicht gibt, 30,01 Mark auf den Kopf der Bevölkerung. .

Ich möchte hierbei aber doch noch auf einen Punkt hinweisen. Im Reiche werden von den Gin zelstaaten jährlich etwa 280 Millionen Mark für Unterrichts wecke verausgabt, die im wesentlichen Volks schullasten darftellen. Ich babe vor einigen Tagen in einer Abhandlung, in einer Zusammenstellung gelesen, man könne wohl annehmen, daß von den Gemeinden und sonstigen Verpflichteten fũr Unterrichts wecke etwa dreimal so viel aufgebracht würde, wie vom Staate. Wir haben also mit einer jährlichen Ausgabe von über einer Milliarde zu rechnen, die im wesentlichen den breiten Massen der Bevölkerung zu gute kommt. Diese Last wird ebenso wie die gleichfalls den Gemeinden

gebracht, die vorzugsweise die besitzen den Klassen treffen. Sehr wahr rechte. Ich kann auch daran erinnern, daß in Preußen von 34 Millionen sber 20 Millionen einkommensteuerfrei sind, und daß nur etwa 13 oder 14 0,0 der Bevölkerung zur Ergänzungẽsteuer veranlagt sind. Meine Herren, Ziel jeder Steuerreform muß sein, den auf⸗ zubiingenden Betrag so einzurichten, daß er mit denkbar geringstem Druck auf die Steuenpflichtigen aufgebracht wird. Wir müssen uns immer vorhalten, wie schon vor langen Jahren Fürst Bismarck gesagt hat: wie sitzt der schwere Steuerrock dem Volke am bequemsten? Oder vielmehr: wie läßt er sich am bequemsten tragen? Denn ganz bequem sitzt der Steuerrock niemand. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend, war mein großer Amtsvorgänger Zeit seines Lebens, seit seiner Prüfungskbeit als Referendar die behandelte das sehr zeitgemäße Thema Die Sparsamkeit im Staatshaushalte, ihre Wirkung und Folgen“ 5 ich sage, seit seiner Prüfungsarbeit als Referendar bis zum Ende seiner politischen Laufbahn ein ausgesprochener Anhänger der indirekten Steuern. Er sah ihre Vorzüge, ihre große Gleichförmigkeit in ihrer leichteren Erhebung, und er hatte den Eindruck, daß gerade der Arme sich unter dem Regime der indirekten Steuern wohler befindet. Ich könnte das mit zahllosen Aussprüchen des Fürsten Bie marck belegen. Dieselben Gesichtspunkte mußten die verbündeten Regierungen auch dahin führen, ihre Vorschläge für die Gesundung der Reichs⸗ finanzen mit auf die indirekten Steuern zu basieren. Wenn sich die verbündeten Regierungen trotzdem entschlossen haben, nach langen Eiwägungen und schwierigen Beratungen die Erbschaftesteuer dem Reiche zu überweisen unter gewissen Voraussetzungen, so wollen Sie, meine Herren, darin einen Bewels sehen dafür, daß die ver⸗ bündeten Regierungen nicht eigensinnig sind, daß die verbündeten Regierungen tun wollen, was an ihnen ist, um zu der so not⸗ wendigen und wünschenswerten Verständigung zu gelangen.

Meine Herren, auf eine Erörterung der Streitfrage, ob die Erbschaftssteuer als eine direkte oder indirekte Steuer anzusehen ist, möchte ich hier nicht eingehen. Tatsächlich wirkt sie jeden- falls als direkte Steuer und dient wie die unbestritten als direkte Steuern zu behandelnden Abgaben bisher den Einzelstaaten als Reserve, um nötigen oder dringenden Bedürfnissen des eigenen Landes oder gesteigerten Ansprüchen des Reichs an Matrikular⸗ umlagen zu genügen. Diese Reserve wird den Einzelstaaten durch die Reichserbschaftssteuer genommen. Die Reichserbschaftssteuer ent⸗ hält auch eine Besteuerung des Vermögens, die von einem zufälligen Umstande, dem Todesfalle des Erblassers abhängt. Sie enthält einen Eingriff in das den Einzelstaaten zustehende Steuergebiet, insofern sie die weitere Auebildung der eimelstaatlichen Vermögenssteuern, also zum Beispiel der preußischen Ergänzungssteuer, beein⸗ trächtigt. Meine Herren, deshalb hat der preußische Derr Finanzminister und hat das preußische Staa tsministerium, deshalb habe ich mich selbst sehr schwer entschließen können, der Erbschaftssteuer zuzustimmen. Die Erbschaftssteuer trifft ferner das mobile Kapital viel weniger scharf als das immobile. (Sehr richtig! rechts) Gewiß ist das ricktig. Ich will noch mehr sagen. Der Besitzer hon mobilem Kapital kann dasselbe viel leichter bei seinen Lebzeiten an die Erben übertragen im Gegensatz zu dem Be⸗ sitzer von Immobilien. (Sehr richtig! rechts) Die Umgehung der Erbschaftssteuer durch Zuwendungen unter Lebenden läßt sich bei mobilem Kapital sehr schwer verhindern ohne ge— hässige Eingriffe (sehr richtig! rechts) in die Privatverhältnisse. Wer Erbe von mobilem Kapital ist, wird die Erbschaftssteuer leicht flüssig machen können. Der Erbe von Immobilien wird, da neben den Grundstücken oft wenig, bisweilen gar kein Barvermögen vor⸗ handen ist, nicht selten Schulden aufzunehmen haben, um die Erb— schaftssteuer zu bezahlen. (Sehr wahr! rechts.)

Meine Herren, ich habe Ihnen absichtlich einige der Bedenken angeführt, die gegen die Erbschaftssteuer sprechen, um Ihnen zu be—⸗ weisen, daß die verbündeten Regierungen an diesen Bedenken nicht achtlos und leichtsinnig vorbeigegangen sind. Wenn die verbündeten Regierungen Ihnen trotzdem die Reichserbschafts⸗ steuer vorschlagen, so geschieht es, weil sie diese Bedenken nicht für unüberwindlich halten. In dem Entwurf der Erbschafts⸗ steuer, von der ein Ertrag von 48 Millionen für das Reich erwartet wird, ist der Versuch gemacht worden, die dieser Steuerart an⸗ haftenden Unebenheiten und Härten tunlichst zu beseitigen, nach Mög— lichkeit wenigstens zu mildern. Ich will auch nicht verschweigen, daß die verbündeten Regierungen zu ihrem Entschluß, Ihnen die Erb⸗ schaftssteuer vorzuschlagen, auch durch die Erwägung veranlaßt worden sind, daß diese Steuer bei uns noch dürftig ausgestaltet ist und geringe Erträge abwirft. Während in England aus der Erbschaftssteuer auf den Kopf der Bevölkerung 7 Mark bezogen werden, in Frankreich, Belgien und Holland, wenn ich nicht irte, 4 Mark, so wirft die Erb⸗ schaftssteuer in Preußen kaum 35 oder 30 Pfennig ab.

Ich muß es dem Herrn Staatssekretär des Reichsschatz— amts überlassen, die einzelnen Steuervorlagen zu begründen, dem Herrn Staatssekretär, über dessen Kompetenz wir wohl alle einig sind. Als ich vor zwei Jahren den Herrn Freiherrn pon Stengel Seiner Majestät dem Kaiser als Staatssekretär für das Reichsschatzamt vorschlug, sagte ich Seiner Majestät, es gäbe in Deutschland drei Personen, welche den Etat, die Etatsverhältnisse, die Finanzverhältnisse aus dem FF kennen, das wäre erstens der Abg. Richter (sehr richtig), den wir zu unserem allseitigen Bedauern noch immer nicht an seinem gewohnten Eckplatz sehen (sehr wahr), das wäre der Herr Unterstaatssekretär Aschenborn und der Freiherr von Stengel. Der Herr Abg. Richter, fügte ich hinzu, würde wohl leider nicht geneigt fein, diesen Posten anzunehmen (Heiterkeit), für den Wissen und Charakter ihn wohl qualifizierten. (Sehr gut!) Der Herr Unterstaatesekretär Aschenborn wäre über die Jahre hinaus, wo es einem Spaß mache, Staatssektetär zu werden (Heiterkeit); ich sei aber überzeugt, daß der Herr Freiherr von Stengel der richtige Mann für diese Stellung sei. Ich bin auch heute überzeugt, daß Herr pon Stengel der rechte Mann ist, um diese große, diese hochwichtige Aufgabe in sachkundiger, gewissenhafter, gerechter Weise mit diesem hohen Hause durchzuführen. Meine Herren, die verbündeten Regierungen, welche einstimmig, welche einmütig hinter dieser Vorlage stehen, hoffen, daß dieses hohe Haus nicht die schwere Verantwortung auf sich nehmen wird, nicht nach besten Kräften zu einem glücklichen Aus— gang dieser notwendigen Vorlage beizutragen. Wir werden um so eher zu einem günstigen Ergebnis gelangen, je mehr wir uns freimachen von der Voistellung, als sollten die neuen Steuern der Regierung bewilligt

der ich noch täglich in der Presse begegne, stammt aus der Kinderzeit des Parlamentarismus. (Sehr wahr! rechts.) Für die Herren hier am Tische des Bundesrats, für die Herren der Ressorts, die diese Vorlage mit so großer Mühe hergestellt haben, ist es, soweit ihr Privatinteresse in Frage kommt, wirklich vollständig gleichgültig, ob das Bier oder der Tabak oder die Fahrkarten belastet werden; persönlich haben sie davon gar keinen Vorteil zu erwarten. Wir leben ja doch nicht in einer exotischen Republik, wo die Minister gelegentlich ihre kurze Amtszeit benutzen sollen ich sage sollen um für sich, ihre politischen Vettern und Anverwandten zu sorgen. (Heiterkeit) Die verbündeten Regierungen haben diese Vorlage auch nicht eingebracht wie ein leichtsinniger Student, der bei seinem Vater um die Erhöhung seines Wechsels einkommt. (Heiterkeit) Nein, meine Herren, hier handelt es sich um eine dira necessitas; was Sie bewilligen, das bewilligen Sie dem Lande, das bewilligen Sie für die Deckung von Ausgaben, die für die Wohl fahrt, die Sicherheit, den Frieden, die Zukunft des deutschen Volles unerläßlich sind! Bewilligen Sie dem Reiche, was es finanziell bedarf, um selbst die nötige Bewegungsfreiheit zu haben und den Einzelstaaten nicht übermäßig zur Last zu fallen! Damit werden Sie die Gegenwart erleichtern, die Zukunft sichern, die Verdienste des Reichstags aber vermehren um eine eminent patriotische Tat! (Leb- hafter Beifall, Zischen bei den Sozialdemokraten.)

Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel:

Meine Herren! Nachdem der Herr Reichskanzler in seiner einleitenden Rede Ihnen den Ernst der gegenwärtigen Lage und die Vorschläge zu einer Sanierung der Reichsfinanzen in großen Zügen dargelegt hat, obliegt es mir, nach beiden Richtungen mehr in das Detail einzugehen. Bevor ich mich jedoch dieser Aufgabe unterziehe, habe ich zunächst in der üblichen Weise, nach einem Rückblicke auf die Rechnungsergebnisse des abgeschlossen hinter uns liegenden Jahres 1904 und nach Darlegung der mutmaßlichen Ergebnisse des gegenwärtigen Rechnungsjahres 1905, den Ihnen vorgelegten Etatsentwurf für das Rechnungsjahr 1906 mit den erforderlichen Erläuterungen zu be— gleiten. Dabei glaube ich auf Ihre Zustimmung rechnen ju können, wenn ich mich in Anbetracht der Fülle des in diesem Jahre zur Beratung stehe nden Stoffes in meinen Ausführungen möglichster Kürze befleißige und mich darauf beschränke, nur wichtigere Punkte besonders hervorzuheben. Das meiste, was ich Ihnen im übrigen zu sagen hätte, das ist Ihnen ja durch die Mitteilungen in der Presse und aus den in Ihren Händen befindlichen Drucksachen ohnehin schon bekannt.

Wenn ich in meiner Rede sowohl in dem ersten als auch in dem zweiten Teil derselben, der die Finanzreform betrifft nicht umhin kann, mehrfach die Ausführungen des Herrn Reichskanzlers zu wiederholen, so bitte ich, mir das nicht zu verübeln; ich bin nicht in der Lage, den Zusammenhang meiner Rede um deswillen zu unterbrechen, und ich glaube, meine Herren, wir können uns dabei auch vielleicht mit dem Gedanken trösten, daß auch in diesem Fall so hoffe ich das Sprichwort sich bewãhrt: Doppelt genäht hält besser!“ (Heiterkeit)

Vas Jahr 1904 hat mit einem rechnungsmäßigen Fehlbetrage von 8 Mill. Mark abgeschlossen. Dieser Fehlbetrag hat jedoch seinen Grund allein in der Unzulänglichkeit des durch den Etat festgestellten Kapitalzuschusses aus dem Reichsinvalidenfonds, für dessen Ausgabezwecke einstweilen ein Vorschuß von reichlich 10 Mill. Mark aus den bereiten Mitteln der Reichskasse hatte entnommen werden müssen. Nach ge⸗ setzlicher Vorschrift ist eine Ueberschreitung des etatsmäßigen Betrages des Kapitalzuschusses aus dem Invalidenfonds nicht zulässig. Die Er⸗ stattung jenes Vorschusses soll nun durch den Etat für das Rechnungk— jahr 1906 herbeigeführt werden. Ohne diese vorübergehende In- anspruchnahme der Reichskasse würde das Rechnungsjahr 1904 einen bescheidenen Ueberschuß in Höhe von 1 Mill. Mark geliefert haben. Im großen und ganzen hätte also der Etat von 1904 das Richtige ge—⸗ troffen. Insbesondere bei den Ausgabefonds sind Abweichungen, die für einen Milliardenetat als beträchtlich anzusehen sind, kaum vor⸗ gekommen. Eine Ausnahme davon macht der Betrag für die Ver—⸗ zinsung der Reichsschulden, der den Etat um mehr als 7 Millionen Mank überschritten bat. Es hatte sich nämlich im voraus nicht hin⸗ länglich übersehen lassen, in welchem Umfange und zu welchem Diskontsatz zur Verzinsung der schon seit langer Zeit durchaus unzulänglichen Betriebsmittel der Reichskasse Schatzanweisungen ju begeben waren.

Ich berühre damit, meine Herren, einen recht wunden Punkt in unserem Reichshaushalt. Nicht weniger als 900 Millionen Mark Schatzanweisungen mußten wir in diesem einen Jahre nach und nach bei der Reichsbank diskontieren lassen, um nicht in Zahlungeberlegenheiten zu geraten. Dabei erreichte der Höchstbetrag der gleichzeitig umlaufenden Reichẽschatzanweisungen die gewaltige Summe von nicht weniger als 328 Mill. Matk. Ich will zugeben, in Zeiten, in denen Geld sehr flüssig ist, mag das an sich nicht viel zu bedeuten haben. Aber in Zeiten der Geldknappheit trägt das Reich mit so hohen Anforderungen an die Fonds der Reichsbank seinerseits nur noch dazu bei, den Diskont in die Höhe zu treiben zum nicht geringen Schaden aller Erwerbsstände. Was will gegenüber solchen, volkswirtschaftlich tief eingreifenden Uebel ständen eine angemessene Mehrbelastung natürlicher Genußmittel besagen?

Die Einnahmen des Jahres 1904 haben sich bei den einzelnen Titeln an das Etatspräliminare weniger genau angeschlossen als die über⸗ wiegende Mehrzahl der Ausgabejweige. Ich brauche in dieser Rich⸗ tung nur auf die Zölle hinzuweisen, die gegen den von seiten des Reichstags um 20 Millionen erhöhten Voranschlag um volle 21 Mill. Mark zurückgeblieben sind, und anderseits möchte ich hinweisen auf die Erträge der Zuckersteuer, die in diesem ersten Jahre der vollen finanziellen Wirkung des Zuckersteuergesetzes von 1903 den vom Reicht⸗ tag um 10 Millionen erhöhten Etatsansatz noch um fast 13 Mil⸗ lionen überstiegen haben. Auch auf die für die Etatbemessung schwer zu fassende Einnahme aus dem Bankwesen möchte ich im Vorüber gehen hinwelsen; sie ist über den Anschlag um etwa 6 Mill. Marl hinausgegangen.

Trotz so erheblicher Abweichungen im einzelnen hat das Gesamt⸗ ergebnis der Einnahmen mit einem Plus von 9] Millionen annãhernd dem Etat entsprochen. Demnach hat das Jahresergebnis von 1906 wenigstens in der eigenen Wirtschaft des Reichs etatrechtlich immerhin befriedigt. ö.

(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

und Komrnunalverbänden obliegende Armenlast durch direkte Steuern auf⸗

werden. Meine Herten, diese Auffassungsweise, diese Ausdtu cksweise,

noch rund 16 Millionen Mark des weiteren noch eine beträchtliche

e, m m m, mem,

Zweite Beilage

. e Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 7. Dezember

1905.

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Bei den Ueberweisungssteuern hat sich der Etatanschlag im ganzen nicht minder wohl bewährt. Die leider nur geringe Mehreinnahme von etwa 700 000 M6 bei einem Soll von 196 Mill. ist übrigens nicht in die Kassen der Bundesstaaten geflossen, sondern mit ihrem Einverständnis zur Abbürdung des für 1904 gestundeten Teils der Matrikularbeiträge im annähernden Betrage von 17 Mill. Mark herangezogen worden.

Die bei der Stundung jener Matrikularbeiträge leitend gewesene Hoffnung, daß durch namhafte Mehreinnahmen eine viel wirksamere Begleichung der Matrikularbeiträge eintreten würde, hat sich nach den Ergebnissen des Jahres 1904 nicht erfüllt.

Auch in dem laufenden Jahr 1905, das ja das hohe Haus bezüglich der mutmaßlichen Ergebnisse mehr interessieren wird als das im allgemeinen schon bekannte Jahr 1904, werden vorautsichtlich die Abweichungen vom Etat bei den Ausgabe⸗ zweigen weit weniger erheblich sein als bei den Einnahmen. In Ansehung der Mehrausgaben, die das Reichsschatzamt in Anspruch nahm, möchte ich erwähnen, daß sich hierunter ein Betrag von etwa 25 000 M befindet, der zum Ankauf von Süßstoffvorräten zu Gunsten der ohne eigenes Verschulden durch den Erlaß des Süßstoffgesetzes ge—⸗ schädigten Händler verwendet wurde. Diese aus Billigkeitsrücksichten getroffene Maßnahme entspricht einer in der vorigen Session des Reichstags hier gefaßten Resolution. Sie ist, wie ich noch mitteilen kann, einer großen Anzahl von kleineren Geschäftsleuten zugute gekommen und hat doch nur den von mir soeben erwähnten ver⸗ hältnismäßig geringen Aufwand erfordert.

Ein größerer Bedarf über den Etat hinaus steht wieder bei der Verzinsung der Reichsanleihe und zur Diskontierung von Schatz— anweisungen in Aussicht. Die Mehrausgabe kann zur Zeit auf 4 Millionen angenommen werden, wird aber vielleicht noch wachsen. Es sind gegenwärtig schon wieder über 200 Millionen Schatz anweisungen im Umlauf, und der Bankdiskont beträgt zur Zeit bekanntlich 5h o / o

Im weitverzweigten Geschäftsbereich des Reichsamts des Innern werden wir im ganzen wohl mit einer Ersparnis von reichlich 600 000 M rechnen dürfen. Die Verwaltung des Reichsheeres stellt ebenfalls eine nennenswerte Minderausgabe namentlich für Naturalienbedarf in Aussicht. Im ganzen mag hier auf eine Ersparnis von etwa einer Million Mark gerechnet werden. Auch bei der Verwaltung der Marine hoffen wir auf einen wenn auch unerheblichen Minderaufwand.

Im ganzen dürfte sich nach unseren Schätzungen bei den gesamten Ausgabezweigen, abgesehen von den Betriebsverwaltungen, ein Mehr⸗ bedarf von etwa 3 Millionen Mark ergeben. J

Bei den Einnahmen sind im laufenden Rechnungsjahr bei einzelnen Titeln ganz erhebliche Ausfälle zu erwarten. Insbesondere be⸗ steht schon heute kein Zweifel mehr darüber, daß die Zuckersteuer allein um etwa 15 Millionen hinter dem Etatsansatz zurück— bleiben wird. Die Ursache dieser Erscheinung liegt hauptsählich darin, daß die infolge einer sehr ungünstigen Rübenernte und einer ungesunden Spekulation eingetretene Steigerung der Zuckerpreise naturgemäß zu einer zeitweiligen Einschränkung des Verbrauchs führen mußte.

Auch die Ueberschüsse der Betriebsverwaltungen werden den Etat nicht erreichen. Bei der Postverwaltung scheint allerdings die Röh— einnahme hinter dem bei den vorjährigen Beratungen namhaft erhöhten Ansatz nicht zurückbleiben zu wollen. Aber die mit der vorausgesetzten Steigerung des Verkehrs verbundene Erhöhung der Betriebekoslẽn hat in den Ausgabeansätzen des Etats nicht den entsprechenden Ausdruck gefunden. Die Postverwaltung rechnet danach mit einem Ausfall an dem etatsmäßigen Ueberschuß von 11 Millionen, dem Dann noch das entsprechende Minus von fast 2 Millionen bei den Aus gleichungsbeträgen hinzutreten würde.

Die Verwaltung der Eisenbahnen schätzt den Minderüberschuß gegen den Etat auf 1 600 0900 S. Bei fast allen übrigen Ein⸗ nahmezweigen besteht dagegen die erfreuliche Aussicht auf Mehrerträge. Sie werden im ganzen auf annähernd 11 000000 KM geschätzt. Zu diesem Mehrertrage liefern mit etwa 5000 000 M den Haupitbẽ frãg die rückständigen Zahlungen, die China infolge des neuen, von dem diplomatischen Korps in Peking erzielten Abkommens leistet; die dem Ftat für die Expedition nach Ostafrika für das Rechnungsjahr 1906 beigefügte Denkschrift gibt hierüber die nähere Auskunft.

Besondere Schwierigkeiten stehen fär 1905 einer zutreffen dẽn Schätzung der Einnahmen aus den Zöllen entgegen. Die Einfuhr der zoll⸗ pflichtigen Waren wird im laufenden Rechnungsjahr, besonders in seinem bevorstehenden letzten Teile, auf das erheblichste beeinflußt durch das Inkrafttreten des neuen Zolltarifs, der neben einzelnen Zoll ermäßigungen doch überwiegend Zollerhöhungen enthält. Von den im Zoll erhöhten Waren wird naturgemäß vor dem 1. März eine das gewöhnliche Maß erheblich übersteigende Einfuhr zu erwarten sein. Auch die neuen Bestimmungen über die Beschränkung der Kredite dürften auf die Zolleinnahmen zunächst eine steigernde Wirkung ausüben. Welcher Betrag aber aus diesen Umständen sich zu Gunsten des laufenden Jahreshaushalts für die Reichskasse ergeben wird, das zu ermitteln gibt es keine zuver— lässige Methode. Von den verschiedenen bezüglich der Voreinfuhr aufgestellten untereinander erheblich abweichenden Schätzungen hat im Augenblick wohl diejenige noch die meiste Wahrscheinlichkeit, die für den Rest des Jahres 1905 einen Mehrertrag von etwa 40 bis 50 Millionen Mark erwartet. Nimmt man den Betrag von 40 Millionen als zutreffend an, so würde der Etatsanschlag der Zölle um etwa 22 Millionen Mark überschritten werden, und es wäre dann im eigenen Haushalte des Reichs gegen die Etatsbilanz wohl ein Ueberschuß zu erwarten. Auf einen so hohen Ueberschuß

wäre allerdings nicht zu rechnen, daß neben den aus dem Jahre 1904 herrührenden gestundeten Matrikularbeiträgen in Höhe von gegenwärtig

Abbürdung der, wie Sie wissen, auch für das laufende Jahr zu einem sehr erheblichen Teile gestundeten Matrikularbeiträge zu er— warten wäre. Die Stundung begreift bekanntlich für dieses Jahr allein eine Summe von ba. Millionen Mark.

Bei den Ueberweisungssteuern wird sich voraussichtlich gleichfalls ein Mehrertrag über den Etat ergeben. Die Branntweinabgaben werden freilich auch im laufenden Jahre die Etatsansätze nicht errelchen. Die durch eine ungünstige Kartoffelernte bedingte Steigerung der Branntweinpreise hat, vielleicht auch in Verbindung mit den Mäßig— keitsbestrebungen, einen erheblichen Rückgang des Trinkverbrauchs von Branntwein zur Folge gehabt; die Mindereinnahme wird auf reichlich 7 Millionen beziffert.

Die sogenannte Börsensteuer hat sich bisher während des Jahres 1905 so einträglich gestaltet, daß trotz eines Ausfalls von 55 Millionen bei den Stempeln von Staatslotterien aus den Reichs stempelabgaben im ganzen eine Mehreinnahme von reichlich 16 Millionen in Aussicht genommen werden kann. Danach würden, eins gegen das andere gerechnet, die Ueberweisungssteuern gegen das Etatssoll einen Ueberschuß von etwa 87 Millionen Mark ergeben. Im Einverständnis mit den verbündeten Regierungen würde aber auch dieser Ueberschuß nicht den Einzelstaaten bar verabfolgt, sondern er würde zur weiteren Abschreibung an den gestundeten Matrikularbelträgen verwendet werden.

Indem ich nun übergehe zu dem Ihnen vorliegenden Etatsentwurf für das Jahr 1906, möchte ich vor allem hervorheben, daß seine Auf⸗ stellung ungemein große Schwierigkeiten bereitet hat. Es ist Ihnen, meine Herren, alleiseits bekannt, daß der Etat des Rechnungsjahres 1905 nur unter Inanspruchnahme von 78 Millionen Mark an un— gedeckten Matrikularbeiträgen hat bilanziert werden können. Da für diese Summe von 78 Millionen Mark auf 1906 Deckungsmittel nicht zur Verfügung standen, mußten sie in voller Höhe ungedeckt in das Rechnungs⸗ jahr 1906 mit herübergenommen werden. Hierzu trat an neuen Mehrüberweisungen, wie bereits in der Begründung des Finanzreform⸗ entwurfs bemerkt ist, die gewaltige Summe von annähernd 1695 Mil lionen Mark. Dem gegenüber gestatteten die ersten Einnahme⸗ schätzungen eine Erhöhung der Einnahmen nur um etwa 67 Millionen Mark. Das nun gegen einander gerechnet, er⸗ gab die außerordentlich hohe, durch regelmäßige Einnahmen des Reichs nicht gedeckte Summe, den sogenannten Fehlbetrag von annähernd 241 Millionen Mark.

Wie sollten nun diese Ausgaben und Einnahmen gegenseitig ins Gleichgewicht gebracht werden? Gleichwohl mußte der Versuch gemacht werden. Doch je eingehender die Ausgabeanmel dungen von seiten des Schatzamts durchgearbeitet wurden, je mehr man sich über die Grenze der Möglichkeit von Abstrichen verständigte, je mehr die Unmöglichkeit auf der anderen Seite sich herausstellte, die ersten Einnahmesätze gewissenhaft über ein bestimmtes Maß hin—⸗ aus zu steigern, desto mehr ergab sich die Aussichtslosigkeit, auf solche Weise auch nur zu einem annähernd befriedigenden Abschlußergebnisse zu gelangen. Man mochte die Sache drehen und wenden, wie man wollte, mit einer immer größeren Gewißheit trat das eine hervor, daß ein Betrag von 160 Millionen Mark, zum allermindesten aber von 150 Millionen Mark verblieb, für den keine regelmäßige Deckung zu finden war. Zuschußanleihen, vorüber gehende Verweisung einzelner großer Ausgabeposten des Ordinariums auf die Anleihen verbot sich nach den dem hohen Hause wohlbekannten Vorgange der letzten Jahre von selbst. Eine Ueber— nahme auf ungedeckte Matrikularbeiträge in solcher Höhe war für die Einzelstaaten eine finanzielle Unmöglichkeit. So ergab sich nun noch als einzigstes Augkunfts⸗ und Rettungsmittel die Veiwertung der aus den neuen Steuerentwürfen für das erste Erhebungsjahr zu erwartenden Mehreinnahmen. Ich erkenne durchaus an, daß dieser Vorgang ein ungewöhnlicher und von der Regel abweichender ist. Aber schon ein altes Sprichwort lehrt: Not kennt kein Gebot, und hier war die Not tatsächlich aufs Höchste gestiegen. Selbstverständlich war nun auch die Konsequenz die, daß gleichfalls auch alle diejenigen Ausgaben schon im Etat berücksichtigt werden mußten, zu deren Deckung jene Mehreinnahmen in erster Linie verwendet werden sollen.

So ist nun der vorliegende Etatsentwurf entstanden. Wenn er jetzt auch außerordentlich mit 2406 Mill. Mark in Einnahme und Aus— gabe balanciert, so dürfen wir uns doch der bitteren Wahrheit nicht verschließen, daß in ihm, streng genommen, auch jetzt noch bis zur Be⸗ willigung der neuen Steuereinnahmen ein Defizit von rund 180 Millionen enthalten ist. (Hört, hört! bei den Soz.) Ich denke, meine Herren, diese Entstehungsgeschichte des vorliegenden Etats und diese Zahlen reden eine ernste und mahnende Sprache, eindringlicher und klarer, als alle Beredsamkeit es Ihnen darzulegen vermöchte.

Wenn ich nun auf den Etat selbst eingehe, so werden Sie mir bei der Fülle des Stoffes, mit dem ich mich heute noch außerdem in dem. zweiten Teil meiner Rede zu beschäftigen habe, gewiß erlassen, auch nur alle Einzelheiten von größerer Bedeutung erschöpfend aufzuzählen. Die Denkschrift, die dem Hauptetat beigefügt ist und die sich in aller Händen bereits befindet, löst diese Aufgabe in ihrer tabellarischen Form ohnehin besser, als es der mündliche Vortrag vermag.

Zur Befriedigung notwendiger Mehrbedürfnisse sind bei den einzelnen Verwaltungszjweigen gegen das Vorjahr insgesamt 103 Millionen Mark im ordentlichen Etat an Ausgaben mehr an— gefordert worden. Hieran ist zunächst die Verwaltung des Reichsheeres mit einem Mehrbedarf von fast 31 Millionen einschließlich 11 Millionen bei den einmaligen Ausgaben be— teiligt. Davon entfallen fortdauernd reichlich 2 Millionen und einmalig über 9 Millionen auf die Heeresverstärkung, über 5 Millionen auf die Durchführung der zweijährigen Dienst⸗ jeit. Die Beseitigung des Personalserviseg der Offiziere und Militärbeamten, soweit sie im Militäretat vorgesehen sind, erfordert eine Mehrausgabe von annähernd 600 000 Mark, um sonst unvermeidliche Ausfälle am bisherigen Einkommen einzelner Kate⸗

gorien auszugleichen, und weil bei einem Zuschlage des Servises zum

Gehalt das letztere selbstverständlich nur einheitlich bemessen werden konnte. Die Maßnahme selbst, die im Reichstage wiederholt angeregt worden ist und die einen wahren Fortschritt sowie eine wesentliche Vereinfachung in dem Verwaltungs, und Rechnungswesen bedeutet, wird sich gewiß Ihrer Zustimmung zu erfreuen haben. Auch die Besoldungsverbesserung des Zahlmeisterpersonals, die im Reichstage schon wiederholt eine sehr warme Vertretung gefunden hat, soll von 1906 an durchgeführt werden. Der dafür sich errechnende Mehrbedarf beträgt über 1 000 000 S0

Für die Marine wird der neue Etat um fast 15 000 000 mehr belastet. Ueber die gegenüber den Geldbedarfsberechnungen des Flotten gesetzes hierbei auftretenden Abweichungen und Mehrbedürfnisse ist durch eine besondere, dem Marineetat beigefügte Denkschrift nähere Auskunft gegeben.

Die Entlastung des Reichsinvalidenfonds von denjenigen ihm nach und nach auferlegten Aufgaben, für die er von Hause aus nicht bestimmt war, bildet den Gegenstand einer besonderen, Ihnen bereits zugegangenen Gesetzesvorlage; ich werde darauf noch kurz zurückkommen. Zu den schon vorweg dem Reichsindalidenfonds ab— genommenen Beihilfen an hilfsbedürftige Kriegsteilnehmer, den sogenannten Veteranenbeihilfen, sind im Etat noch 2 600 000 10 mehr als im laufenden Jahre, nunmehr also 1660) 090 4A eingestellt worden, womit voraussichtlich dem neuerdings erforderlichen Bedarf für 1906 genügt werden kann. Für die folgenden Jahre wird allerdings noch mit einer erheblichen weiteren Steigerung dieses Aufwandes zu rechnen sein, bis endlich der Höhepunkt der Belastung erreicht sein wird. Der kürzlich verteilte Initiativantrag Nißler, dessen Annahme noch eine weitere, sehr be⸗ trächtliche Ausgabesteigerung um viele Millionen nach sich ziehen würde, ist hierbei selbstredend noch nicht berücksichtigt.

Ich möchte übrigens bei diesem Anlaß eine Bitte an das hohe Haus richten. Wenn wiederum Initiativanträge eingebracht werden sollten, die finanziell von so schwerwiegender Bedeutung sind, dann möchte ich es doch für sachgemäß und empfehlenswert erachten, daß solche Initiativanträge sich zugleich auch erstteckten auf Vorschläge in Ansehung der Deckung. Wenn solche Initiativanträge schließlich genehmigt würden, ohne sich zugleich über die Deckung der Mehr⸗ ausgaben schlüssig zu machen, so würde uns die ganze Reichs—⸗ finanzreforimn, mit der wir uns gegenwärtig beschäftigen, auf die Dauer doch nichts nützen können.

Ueber die Kolonialverwaltung, welche als ein selbständiges Reichs⸗ amt von dem Auswärtigen Amte abgetrennt werden soll, möchte ich mich in diesem Augenblick nicht weiter verbreiten, zumal die Be⸗ schaffung der durch das neue Amt bedingten Mehrbelastung des Reichs sich in mäßigen Grenzen hält.

Bei der gebotenen Kürze dieser allgemeinen Darstellung genügt wohl die Angabe, daß die Reichszuschüsse für die Schutz gebiete, abge⸗ sehen von den besonderen Ausgaben zur Bekämpfung der Aufstände in Afrika, gegen das laufende Jahr um 2 600 000 S, nämlich auf 325 Millionen gestiegen sind.

Die schwerwiegendste, seit Jahren die ernstesten Bedenken erregende Post der Verzinsung der Reichsschuld erfordert auch im vorliegenden Etat wiederum einen erhöhten Aufwand. Es ist eine Summe von fast 14 Millionen, die für diesen Zweck diesmal in Zugang hat gestellt werden müssen.

Die Reichspost, und Telegraphenverwaltung ist bei Mehrbedarf des ordentlichen Etats mit einem Zugang in den Ausgaben von 34 Millionen beteiligt. Bezüglich dieser auf⸗ fallenden Steigerung darf ich daran erinnern, daß die Einnahmen bekanntlich in dem Etat des laufenden Jahres vom Reichstage um 10 Millionen heraufgesetzt wurden, ohne daß gleichzeitig eine ent⸗ sprechende Erhöhung der Ausgabenansätze beschlossen worden ist. Dadurch haben wir also im Etat für 1906 bezüglich der Betriebs—⸗ ausgaben der Postverwaltung gewissermaßen mit einem zweijährigen Ausgabenzuwachs zu rechnen. Bei einem Mehransatze der Einnahmen von rund 27 Millionen Mark schließt der. Postetat daher für das Jahr 19066 mit einem um rund 7 Millionen geringeren Ueberschuß ab als im laufenden Etatsjahr.

Als eine neue Aufwendung des Reichs waren erstmalig die nach 8 15 des neuen Zolltarifgesetzes zur Kapitalsansammlung behufs Erleichterung der Durchführung einer Arbeiterwitwen- und Waisen⸗ versicherung zu verwendenden Zollbeträge in den Etat als Ausgabe einzustellen. Sie finden sie mit dem für dieses erste Jahr geschätzten Betrage von 17 Millionen Mark in dem Etat des Reichsschatzamts ausgeworfen. Künftig werden voraussichtlich wesentlich höhere Be⸗ träge für den hochwichtigen Zweck zurückgestellt werden. Außerdem waren, wie bereits erwähnt, in Konsequenz der Behandlung der Ein nahmen aus den neuen Steuerentwürfen auch die Mehraufwendungen mitaufzubringen, die sich aus den anderweiten in Vorlage gebrachten Gesetzentwürfen, nämlich aus den Entwürfen über die Er⸗ höhung des Wohnungsgeldzuschusses für Unterbeamte und, als Folge der beabsichtigten Aufhebung des Personalservises, für die Klasse der Leutnants und Assistenzärzte, dann des Entwurfs über den Servis—⸗ tarif und die Klasseneinteilung der Orte, über die Naturralleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden, über die weitere Entlastung des Reichsinvalidenfonds, endlich über die Regelung des Militär⸗ penstonswesens, ergeben. Sie werden, glaube ich, meine Herren, allseitig zugeben, daß es sich bei diesen neuen Aufwendungen wahrlich nicht um ver— schwenderische, sondern um dringend erwünschte, teils sogar um bitter notwendige Ausgaben handelt, die großenteils nur um deswillen nicht schon früher beantragt worden sind, weil das Reich der nötigen Einnahmequellen ermangelte, um sie aus eigenen Mitteln bestreiten zu können, und weil es nicht angängig war, sie in der Form ungedeckter Matrikularbeiträge einfach auf die Haushalte der Einzelstaaten abzuwälzen. Das Erfordernis aus diesen Gesetzentwürfen, die ich soeben im einzelnen zu erwähnen mir gestattete, beläuft sich jusammen

dem

auf rund 301 Mill. Mark.