1905 / 299 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 20 Dec 1905 18:00:01 GMT) scan diff

In der am 19. d. M. unter dem Vorsitz des Staats-

ministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Grafen von Posadowsky⸗Wehner abgehaltenen Plenar⸗ situng des Bundesrats wurden die Vorlagen,

befreffend die Revision des internationalen Uebereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr und betreffend die Ver⸗ von Korporationsrechten an die mit 53 Sitze in Togo“, den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Der ö

leihun in Berlin gegründete Pflanzungsgesellschaft Kpeme

wegen Wertbestimmung der Einfuhrscheine im Zollverke

Das n nn Staatsministerium trat heute zu

einer Sitzung zusammen.

Der Königlich bayerische Gesandte Graf von Lerchenfeld

Köfering hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt der Legationssekretär Freiherr von Frays die Geschäfte

der Gesandtschaft.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrat, Königlich bayerische

Ministerialrat Kohl ist von Berlin abgereist.

Laut Meldung des „W. T. „Fürst Bismarck“ die Abreise von

S. M. S. „Tiger“ ist gestern in

S. M. S. „Iltis“ Schanghai abgegangen.

B.“ hat S. M. S ongkong verschoben.

In der Ersten und Zweiten Beilage zur heutigen Nummer ie vom Reichs⸗ eisenbahnamt af estellte tabellarische Uebersicht der Be⸗

f Eisenbahnen für den Monat November 1995 veröffentlicht, auf die am Montag

des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ wird

triebs ergebni deut scher

an dieser Stelle aus züglich hingewiesen worden ist.

Bayern.

Die Kammer der Reichs räte hat gestern, wie W. T. B.“ meldet, unter Ablehnung weitergehender Forderungen den Antra angenommen, die Regierung möge von Diäten für die 9m fh hinwirken.

In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer Dr. Becker den Staatsvor⸗ anschlag für 1906/1907 vor und führte, nach dem Bericht

legte der Finanzminister 2 7 i hie * a. h 1

ie Beibehaltung der im Jahre 1994 erfolgten Erhöhung der Einkommen und , , etscheint auch ferner . geboten. Die Entwicklung unserer Landesfinanzen wird aber auch durch die Gestaltung der Reichsfinanzen wesentlich beeinflußt. Es ist dringend erwünscht, das der erneute Versuch der Regierungen gelingt, eine Verbesserung der Reichsfinanzen herbeizuführen; welche Geslaltung sie aber auch annehmen werden, in jedem Falle werden sie von den süddeutschen Staaten namhafte finanzielle Dpfer erheischen. Um so berechtigter ist das Verlangen, daß ganze Arbeit gemacht wird unter grundsätzlicher Abgrenzung der Steuergebiete zwischen Reich und Bundes staaten, und daß dem ersteren neue Einnahmequellen von solcher Ergiebigkeit und Steigerungsfähigkeit eröffnet werden, daß sie für eine Reihe von Jahren ausreichen.

Bremen.

Der Senat hat, wie W. T. B.“ meldet, an Stelle des mit dem Ende dieses Jahres aus dem Amt scheidenden Bürgermeisters Dr. Pauli den Senator Dr. Maxcus für die . 1906 bis 1909 einschließlich zum Bürgermeister gewählt.

Oe sterreich⸗Ungarn.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat das Kriegs⸗ ministerium die Beurlaubung von Mannschaften des dritten Jahrgangs in Ungarn angeordnet. Die j noch nicht Beurlaubten sollten in den letzten Tagen dieses

onats bei Eintreffen des Ersatzes entlassen werden.

Das österreichische Herrenhaus hat gestern ohne Debatte das Budgetprovisorium und das Gesetz, betreffend pro⸗ visorische Regelung der Handelsbeziehungen mit Italien, ferner daz Lokalbahngesetz sowie das Gesetz, betreffend Unter⸗ stützung der Handelsmarine, endlich mehrere jüngst vom Ab⸗ geordnetenhaus erledigte kleine Vorlagen angenommen.

Die ungarische Regierung hat gestern den Gesetz⸗ entwurf, betreffend das allgemeine Wahlrecht, amtlich bekannt gegeben. Danach erhält jeder männliche Staatsbürger, der das 24. Lebensjahr vollendet hat und des Lesens und Schreibens kundig ist, das aktive Wahlrecht. Jeder Wahlbezirk wählt einen Abgeordneten. Die. Wahlbezirke werden in kleinere Abstimmungskreise ar wobei jede Gemeinde nach besonderer Wählerliste ä timmt. Die Wahl ist unmittelbar und geheim und erfolgt mittels Stimmzettels. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das Los. Die ge n g. Zahl der Abgeordneten bleibt unver— ändert bestehen, ebenso die fünfjährige Mandatsdauer. Die bisherigen Wahlberechtigten behalten das Mandat noch für die Dauer der beiden nächsten Wahlperioden, auch wenn sie nicht lesen und schreiben können. Wählbar t jeder 3 Staatsbürger, der von der Ausübung des Wahl⸗ rechts nicht ausgeschlossen ist und mindestens schon zehn Jahre lang das Staatsbürgerrecht besitzt. Nicht wählbar dagegen ist jeder wegen eines aus Gewinnsucht begangenen Vergehens oder wegen Aufreizung zum nnn ue, Verurteilte.

Das ungarische Abgeordnetenhaus ist gestern bis um 1. März nächsten Jahres vertagt worden. Nachdem

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er Präsident das Königliche Handschreiben, das die Ver⸗ nag befiehlt, verlesen hatte, ergriff Apponyi das Wort ö. ;

hrte, W. T. B.“ zufolge, aus: . as System unaufhörlicher Vertagungen des Abgeordnetenhauses ei berfassungswidrig. So sehr das Abgeordnetenhaus bereit sei, die einungsverschiedenheiten zwischen der Krone und der Nation im

r wurde angenommen. Dem Verbande ländlicher Genossenschaften Raiff⸗ eisenscher Organisation für das rechtsrheinische Bayern wurde das Recht zur Bestellung des Revisors verliehen. Außerdem wurde über eine größere Anzahl von Eingaben Beschluß gefaßt.

estern in Schanghai eingetroffen. ist gestern von Hankau nach

im Bundesrat auf Gewährung worenen und die Schöffen

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Wege von Verhandlungen unter Berückftchtig:üng allet Bedenken der

tone n,, so müfsfe er doch aussprechen, daß die ung,

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; Billen brechen zu können, Erfüllung finden Sine Ausgleichung der Gegensätze in einer solchen Weise, die Nation sich unbedingt unter⸗ werfe, wäre schlechter als Absolutismus, denn dies würde einen mit Zustimmung der Nation eingeführten Absolutismus bedeuten. Eigentlich müßte die . nahme des Königlichen Hand⸗ schreibens über die ertagung abgelehnt werden, und Abgeordnetenhaus müßte von dem schlecht informierten an den besser zu informierenden König appellieren. Aber das Ab⸗ geordnetenhaus wolle einem Augglelche keine Hindernisse bereiten und Zeugnis von seiner Mäßigung ablegen. Er stelle daher den An⸗ trag, die Vertagung zur Kenntnig zu nehmen, gleichzeitig aber gegen die Vertagung als verfassungswidrig zu protestieren. Nachdem der Graf Tisza seine Zustimmung zu dlesem Antrage ausgesprochen hatte, wurde er einstimmig angenommen.

Frankreich. In dem gestern abgehaltenen Ministerrat teilte der Ministerpräsident Rouvier mit, daß die Pforte die maze⸗ donische Finanzkontrolle endgültig angenommen hat. Der Ministerpräsident brachte, ‚W. T. B.“ zufolge, ferner zur Kenntnis des Ministerrats, daß der französisch⸗ venezolanische Zwischenfall seine Erledigung gemäß den Wünschen Frankreichs gefunden hat, da der Präsident Castro die Note, gegen welche die französische Regierung Einspruch erhoben hatte, zurückgezogen hat.

Spanien.

Der Ministerpräsident Moret erklärte in der gestrigen Sitzun

der Deputierten kammer, W. T. B.. zufolge, daß 1. .

auf die Wie derherstellung des im Frühjahre dieses Jahres er⸗

mäßigten Ein fuhrzolles auf ausländisches Getreide und

Mehl verzichte, und zwar zu dem Zwecke, um nicht eine Uneinigkeit

in die Masoritaͤt des Hauses hineinzutragen. Man werde aber elnen

,,, durch eine mäßige Steigerung anderer Abgaben, hauptsächlich der direkten, suchen.

Rußland.

Das Exekutivkomitee des Arbeiterdeputierten⸗ rats erläßt, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg meldet, , , mit dem Verband der Verbände einen

ufruf, worin es erklärt, daß dem Lande von der gegen— wärtigen Regierung Gefahr drohe und der von dieser be—

gonnene Kampf aufgenommen werden würde. Das Kampf— mittel würde von dem ferneren Verhalten der Regie⸗ rung abhängen. Vorläufig seien alle Kräfte mobil

6 machen, um für den Generalstreik bereit zu sein, wenn ein olcher angekündigt werde. Ferner veröffentlicht die gestern erschienene, neue sozialdemokratische Arbeiterzeitung ‚Sewerni Golos“ einen Aufruf des Zentralkomitees des all⸗ russischen Verbandes von Militärpersonen aller Waffengattungen, in dem die , chaften und Beamten der Garde, Armee und der Flotte aufgefordert werden, dem Verbande beizutreten. Dieser bezwecke die Unterstützung der freiheitlichen Bewegung und als Endziel die Einberufung einer konstituierenden Versammlun auf Grundlage des allgemeinen, direkten und geheimen Stimmrechts und die Verwirklichung einer von dieser Versammlung ausgearbeiteten Staatsordnung und Armeereform. Die Taktik des Verbandes werde bestehen in der Nichtanwen⸗ dung von Waffengewal gegen die Freiheitskämpfer, Aufrecht⸗ erhaltung der Ordnung, Schutz der Bürger i Gewalttãtig⸗ keit, Verhinderung von hien und Verwirklichung eines all⸗ russischen Armeestreiks. Als Schlußakt seiner Tatigkeit ver⸗ spricht der Verband allen denen Hilfe, die wegen Beteiligung an ihm leiden müßten. .

Wie der „Nowoje Wremja“ aus Moskau gemeldet wird, verfaßten die Vertreter der revolutionären Parteien gestern ein Manifest, das die Arbeiter und die Truppen zur n,, , ,. demokratischen Republik aufruft. Der Ton dieses Manifestes soll derartig herausfordernd sein, daß selbst radikale Blätter sich entschlossen, es nicht zu veröffent⸗ lichen. Laut Meldung des „W. T. B.“ beschlossen die fert. bahnangestellten in Moskau, heute mittag in den Aus⸗ st and zu treten. .

In der gestrigen Sitzung des Verbandes der Verbände wurde mitgeteilt, daß in Sewa st opol wiederum Unruhen stattfinden. Nach einer amtlichen Meldung aus Tiflis finden dort seit dem 12. d. M. abermals blutige Zu⸗ sammenstöße zwischen Armeniern und Tataren statt, nachdem der Statthalter den Armeniern auf deren Gesuch 500 Gewehre zur 1. einer Miliz bewilligt hat. Die Truppen und die Gesellschaft fordern die Entwaff— nung der Miliz. Die Truppen haben aus eigener Initiative mit dieser Entwaffnung begonnen. In der Stadt herrscht Panik. In Jaroslaw bemächtigten sich 600 bewaffnete Arbeiter der Korsinkinschen 4 und erklärten sie als Eigentum des Proletariats. ie aus Warschau gemeldet wird, ist der Vorsitzende des Warschauer Eisenbahnverbandes Morgacewicz heute verhaftet worden; der Verband hat des—⸗ halb beschlossen, daß am Freitag ein Ausstand der Beamten der Weichselbahnen beginnen soll. Nach Berichten aus Bialystok sollen dort Rekruten eine Judenhetze veranstalten.

Schweiz.

Der Bundesrat hat, „W. T. B.“ zufolge, die deutsche Reichsregierung ersucht, die n e. n, angehörigen in Riga unter ihren Schutz zu nehmen. Die deutsche Regierung entsprach dem Gesuch und versicherte, die r ,. würden . 6g f . die von Königsberg und anderen deutschen Häfen abgehen, um die flüchti Deutschen aus Riga aufnehmen. n.

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sowie strenge Maßregeln gegen türkische Attentate verlangt.

Der Nationalrat hat derselben Quelle zufolge die Ueber⸗ einkunft mit dem Deutschen Reiche, betreffend die Errich—⸗ tung deutscher Zollabfertigungsstellen auf den links⸗— rheinischen Bahnhöfen in Basel, ferner die internationale Uebereinkunft, betreffend die Hospitalschiffe, und schließlich den Schiedsvertrag mit Portugal ratiß iert.

Der Ständerat hat gestern die vom Nationalrat bereits be⸗ N Kredite für die Errichtung schweizerischer Gesandt« schaften in Petersburg und Tokio ebenfalls bewilligt.

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Türktei.

Nach einer Meldung des „Wiener Telegr.⸗Korrespondenz— bureaus“ ist die internationale Flotte vorgestern von Mytilene abgegangen und gestern im Piräus eingetroffen.

Der rumaͤnische Gesandte in Konstantinopel e nrg hat wegen eines vor wenigen Tagen erfolgten Ueberfalls des Generalinspektors der kutzo⸗walachischen Schulen, Lazar Dorma, der zugleich rumaͤnischer Vizekonsul ist, bei der Pforte ernste Vorstellungen erhoben und die Bestrafung der Schuldigen

das

Bulgarien.

Die von der allbulgarischen Konferenz beschlossene Grün— dung eines neuen nationalbulgarischen Zentral— komitees zur Unterstützung des Befreiungswerks 8 wie „W. T. B.“ aus Sofia meldet, vollzogen worden

as Komitee führt den Namen Wohltätigkeitsliga. Alle mazedonischen Brüderschaften, die bisher in Bulgarien be— standen haben, werden aufgelöst und der neuen Liga einverleibt

Montenegro.

Die Skupschtina ist gestern vom Fürsten Nikolaus mit einer Thronrede eröffnet worden, die zunächst daz in Fürst und Volk seit Generationen bestehende gegen— eitige Vertrauen betont, dessen Ergebnis die Gründung eines festen, seit o9 Jahren von der ganzen Welt als unabhängi anerkannten Staates gewesen sei, und sodann den Beschlu des Fürsten verkündet, an Stelle der Autokratie, troz— dem diese die Entwicklung und das Gedeihen des Landes nicht beeinträchtigt habe, ein anderes Regime zu setzen, dat n mr auf dem Wege des Fortschritts weiter bringen werde.

Nach dem Bericht des W. T B. kündigt die Thronrede sodann an, daß der Skupschtina ein Verfassungsgesetz sowie ein Gese über die Organisation Montenegros in militärischer fingn zieller und religißfer Bezishung zugehen werde, ver⸗ weist auf das zwischen Christen und Mohammedanern herrschende gute Einvernehmen und kommt dann auf die auswärtige Politit zu sprechen. In erster Linie nennt der Fürst Rußland, dem Monte⸗ negro nach Gott den meisten Dank schulde, und gedenkt dann dez Wohl wollens des Kaisers Franz Jo seph und der niemals getrübten persönlichen Beziehungen zu diesem. Auch die Beziehungen zur Tür kei seien freundichaftliche, und er zweifle nicht an den guten Willen des Sultans, den Frieden und die Ruhe her, zustellen. Ein festes Freundschaftsband bestehe auch mit Italien, be onders seitdem zwischen belden Dynastien verwandtschaftliche Bande entstanden seien. Der Fürst weist sodann auf den ihm in Berlin be⸗ reiteten festlichen Empfang und die durch Kaiser Wilhelm ver. anlaßte Errichtung einer diplomatischen. Vertretung Deut schlands in Cetinje hin und spricht die Hoffnung aus, daz auch der * von England, gleich der Königin Viktoria, Montenegro Wohlwollen entg'genbringen werde. Endlich gedenkt die Thronrede des guten Verbältnisses zu Serbien und Bulgarien und an, die Montenegriner auf, die Verfassung hochzuhalten und zu

ũtzen.

Nach dem Verlesen der Thronrede legte der Fürst den Eid auf die Verfassung ab.

Asien.

n Schanghai haben sich, nach den eingegangenen Depeschen des 3. T. B.“, vorgestern und gestern die . stör ungen wiederholt, wobei mehrere Europäer getötet und verwundet worden sind. Da auch der deutsche und englische Konsul von Chinesen beschimpft worden sind, sind von den in Schanghai eingetroffenen Kriegsschiffen deutsche, englische und amerikanische Truppen gelandet worden, welche die offiziellen Gebäude und die Telegraphenämter bewachen.

Wie der „Daily Telegraph“ aus Tokio meldet, hat sich die Fortschrittspartei mit der liberalen Partei der Seiyoukwai . gemeinschaftlichen Vorgehen gegen die Regierung ver— bunden, wodurch eine Ministerkrisis her de g n. worden ist. Der Ministerpräsident Graf Katsura hat den Führer der Seiyoukwai, Marquis Saionii, zur Neubildung des Ministeriums vorgeschlagen.

Parlamentarische Nachrichten.

Das Mitglied des Herre nhauses Dr. Som merwerch genannt Jacobi, Bischof von Hildesheim, ist am 18. d. M. gestorben.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Grundzüge der Knappschaftsnovelle.

Der dem Hause der Abgeordneten zugegangene Gesetzentwurf, be— treffend die Abänderung des 7. Titels im . erggesetz für die preußischen Staaten vom 24. Juni 1865, bezweckt eine zeitgemäße Reform der berggesetzlichen Bestimmungen über das Knappschaftswesen. Eine Mitteilung der Srundzüge dieser Reform wird daher von all= gemeinerem Interesse sein.

Das Allgemeine Berggesetz stellt den Knappschaftsvereinen bekanntlich die doppelt⸗ Aufgabe, den in berabaulichen Betrieben beschäftigten Arbeitern einerseits in Krankheitsfällen eine ausreichende Krankenunterstützung und anderseits im Falle ihrer Unfähigkeit zur Berufsarbeit eine laufende Invalidenunterstützung sowie im Falle ihres Todes weitere laufende Unterstützungen an die hinterbliebenen Witwen und Waisen zu gewähren. Die Vorschriften des von den Knappschafts . vereinen handelnden 7. Titels im Allgemeinen Berggesetz haben bisher noch keine Abänderung durch die Landesgesetzgebung erfahren. Sie sind in das Allgemeine 3 gef durchweg übernommen aus dem Preußischen Knappschaftsgesetz vom 16. April 1354, stehen also jetzt über ein halbes Jahrhundert in Geltung. Erlassen zu einer Zeit, in welcher das preußische Knappschaftswesen in wohl noch höherem Maße als unser damaliger preußischer Bergbau im Vergleich mit den heutigen Ver halt⸗ nissen noch in den Kinderschuhen steckte, müssen diese gesetzlichen Vor= schriften in vielfachen Beziehungen als veraltet bezeichnet werden. Hinz kommt, daß der Knappschaftstitel des Allgemeinen Berggesetzes durch die Reichs gesetztebung insbesondere die Arbeiterversicherungsgesetzgebunz des Reichs in einem Maße geändert und beeinflußt ist, daß selbtt unter den zünftigen Juristen nut kundige Spenalisten mit Sicherheit beurteilen können, ob eine einselne Vorschrift noch heute zu Recht besteht oder in welchem Maße sie durch die Reichsgesetzgebung abge⸗ ändert worden ist. Das Bedenklichste indessen ist, daß die dauernde Leistungsfähigkeit unserer meisten Knappschaftsvereine nicht ausreichend sichergestellt erscheint, und daß unsere heutige Gesetzgebung keine Hand⸗ habe bietet, um den hieraus drohenden Gefahren begegnen zu können. Berücksichtigt man dabei die Tatsache, daß unsere eu f, Rnapyschafte⸗ vereine im Jahre 19604 mehr als 669 oo aktibe Mitglieder in sich ber. einten, denen die gesamte Krankenunterstützung und zwar in dem gleichen Mindestmaße, wie dies für die Betrlebskrankenkassen vorgeschrieben ist zu gewähren ist, daß diese Knappschaftsvereine daneben und außerdem im Jahre 1904 an mehr als 68 0090 Berufsinvaliden, 6 000 Witwen und 48 000 Waisen fortlaufende Penstonen zu ent⸗ richten hatten, und daß der Gesamtbetrag der neben der vollen reichẽ⸗ gesetzlichen Krankenunterstũtzung sowie Unabhängig von den reichz⸗

esetzlichen Unfall⸗ und Invalidenrenten im . 1904 gewãhrten ortlaufenden Pensionen sich auf nahezu 237 Millionen Mark be— laufen hat, so erhellt ohne weiteres, daß die dauernde Leist inge. fähigkeit der Knappschaftsvereine für weite Kreise unseres Volkes von ganz außergrdentlicher Bedeutung ist. Der Gesetz entwurf stellt sich hiernach die Aufgabe, einmal dit berggesetzlichen Bestimmungen über das Knappschaftswesen mit den für letzteres maßgebenden Vorschriften der Reichsgesetzgebung in Ein klang zu bringen, und sodann die Lücken und Mangel zu beseitigen,

welche die heutigen berggesetzlichen Vorschriften über die Knappschaftt⸗ vereine sachlich aufweisen. Eines Gingckeng auf die ersterwähnte,

r formale Aufgabe des Gesetzentwurfs bedarf es hier nicht. Da= 2. . die Hrn de ge der im Entwurf vorgesehenen sachlichen

nderungen näher zu erörtern sein.

Der Gesetzentwurf sieht es als seine Hauptaufgabe an, auf tunlichste Sicher stellung der den einzelnen Knappschaftͤ⸗ vereinen obliegenden Leistungen hinzuwirken. Das preußische Knappschaftswesen krankt in dieser Benehung an zwei Hauptübel- ständen: einmal an der ungemeinen Zersplitterung in eine übergroße

ahl von Knappschaftsvereinen und sodann an der Tatsache, daß den meisten Knappschaftsvereinen früher und zum Teil noch jetzt ,. 9. Leiftungen nicht nach sachgemäßen Grundsätzen bemessen orden sind. J ö ö Nach welchen Grundsätzen Beiträge und Leistungen zu bemessen sind, dafür fehlt es bisher an jeder gesetzlichen Bestimmung. Wenn 3 auch den Aufsichtsbehörden in den meisten Fallen bisher gelungen sst, Vereine, deren dauernde Leistungsfähigkeit in offenkundiger Weise in Frage gestellt erschien, zur Vornahme sachgemaßer Maßnahmen behnfs Anbahnung einer Gesundung ihrer Finanzverhältnisse zu be⸗ wegen, so hat sich doch daz Fehlen einer solchen ausdrücklichen Vor⸗ schrift bei diesen Verhandlungen als xine offenbare Lücke im bis⸗ herigen Gesetz . gemacht, die unter allen Umständen jetzt aus⸗ efüllt werden muß. . zefnll g ene, we inmwischen im Krankenversscherzngs gescß für die diesem Gesetz unterliegenden Krankenkafsen weitgehende Vorschriften etroffen, um die dauernde Leistungsfählgkeit dieser Kassen tunlichst cherzustellen. Ferner ist auch im Invalidenversicherungsgesetz verlangt, daß die Beitrãge so bemessen sein müssen, daß die dauernde Erfüllbarkeit der vorgesehenen Leistungen gewährleistet ist. Insbesondere ist auch für die zur selhständigen Durchführung der Reiche invalidenversicherung zugelassenen Knappschafts vereine im Invalidenversicherun gẽgesetz dorgeschrieben, daß far die Anteile der Belastungen an den nach diesem Gefsetz zu gewährenden Renten die nach dem Invalide nversicherungẽ⸗ gesetz zu erhebenden Beiträge maßgebend sein sollen. Ebenso ist in rem Reichsgesetz über die privaten Versicherungsanstalten vom 12. Mai 1591 für alle diesem Gesetz unterliegenden privaten Versicherungd⸗ unternebmungen, und damit selbst für die kleinsten Sterberassen, die dauernde Erfüll barkeit der Kassenleistungen zum gesetzlichen Erfoꝛder. nis gemacht und durch entsprechende gesetzliche Vorschriften tunlichst eichert worden. Die Notwendigkeit und Zweckmãßigkeit analoger Hg sslenrnu ngen für die knappschaftlichen Pensionskassen wird hiernach nem begründeten Zweisel nicht unterliegen können. . .

Was zunächst die Krankenkassenleistungen anlangt, so schreibt der Entwurf, dem Krankenversicherungegesetz folgend, vor- die An⸗ sammlung eines Reservefonds im Mindestbetrage der durchschnittlichen Jahresausgabe der drei letzten Jahre. Die hauptsãchlichsten Gefahren drohen den Knappschaftsdereinen indessen vor allem aus einer unsach

emäten Bemeffung der Beiträge für die Pensionskassenleistungen.

F dieser Beziehung verlangt der Entwurf fortan eine derartige Be⸗ messung der Beiträge, daß letztere unter Hinzurechnung der etwaigen weiteren Einnahmen der Pensionskasse und unter Berũcksichtigung aller fonftigen für die Leistungsfähigkeit des Knapypschaftsvereins in Betracht kommenden , . die dauernde Erfüllbarkeit der Pensionskassen leistungen ermöglichen.

Bei der überwiegenden Mehrzahl der preußischen Knappschafts vereine ist die Bemeffung der Beitrage bisher nicht nach den im Entwurf aufgestellten Grundsätzen erfolgt. Das Ziel der hier in Rede stebenden Vorschrift wird hiernach in vielen Fällen nicht sofort, sondern erst in einer unter Umständen weitgesteckten Frist tat sãchlich rrreichbar sein. Der Entwurf sieht es daher in solchen Fällen als auzreichend an, daß durch die Satzung ein Plan festgelegt wird, welcher in einer den Umständen angemessenen Frist zu der tatsãchlichen Er⸗ möglichung der dauernden Erfüllbarkeit führt. . .

Bas zweite Saurtäbel unferes heutigen Knappschaftswesens ist wie bereits erwähnt die Zersplitterung in eine über—

große Zahl von Knappschaftsvereinen und die dadurch verursachte zu geringe Mitgliederzahl vieler einzelnen Knappschaftsvereine. Es bestehen zur Zeit im ganzen 72 Knappschaftsvereine. Von diesen haben:

1 Verein eine Mitgliederzahl von 282 0090

. ö. = 113000

1 . '. 9 49000

1 . ö ö 32000

5 Vereine ijwischen 10000 und 290009.

Mithin haben von den 72 Knappschaftsvereinen nur 9 Vereine eine Mitgliederiahl von 10 009 und mehr Mitgliedern. Von den übrigen 63 Knappschafts vereinen haben 27 Vereine eine Mitglieder · jahl zwischen 1000 und 10 000 Mitgliedern, und gar 36 Vereine eine Mitgliederzahl won weniger als 1000 Mitgliedern, und jwar hinab bis unter 10 Mitglieder ;

Wenn auch die Bergbehörden ihren ganzen Einfluß aufgeboten haben, um die Knappschaftspereine zu veranlassen, sich zu leistungs⸗; fähigen Vereinen zusammenzuschließen, so hat doch die Erfahrung ge⸗ lehrk, daß auf dem Wege des freiwilligen Zusammenschlusses zu einem durchgreifenden Erfolge nicht zu gelangen ist, Zur Beseitigung dieses lebelstandes sind daher im Entwurf der Aufsichts behörde die nach. stehenden Befugnisse beigelegt worden: Ist die Leistungsfãhigkeit eines Vereins derart gefährdet, daß eine dauernde Abhilfe nicht mehr ju erwarten ist, so soll die Aufsichtsbehörde den Verein auflösen und seine Mitglieder einem anderen Verein überweisen konnen, letzteres naturgemäß mit der Maßgabe, daß gegen den neuen Verein aus der bei dem aufgelösten Verein verbrachten Beitragszeit Anfyrüche nicht geltend gemacht werden können. Ferner soll die Auf- sichtsbehörde befugt sein, im Interesse der dauernden Sicherstellung der Anfprüche der Mitglieder die Vereinigung von zwei oder mehreren Penstonskassen anzuordnen, und zwar in der Weise, daß entweder die dollftändige Vereinigung der Pensionskassen erfolgt, oder daß sie ihre Selbständigkelt behalten, aber sich zu einem Rũcktversicherun gs verband vereinigen. Diefe Maßnahmen dürften eine ausreichende Handhabe bieten, die übermäßige Zersplitterung des preußischen Knappschaftẽ⸗ wesens allmählich zu beseitigen. . .

Ein weilerer sehr erheblicher Mißstand des heutigen Knapp⸗ schaftswesens bestebt in der Tatsache, daß die Freizügigteit der dem Knappschaftszwang unterworfenen Personen eben durch diesen Zwang beeinträchtigt erscheint. Regelmäßig ist mit der Beendigung der zur Mitgliedschaft verpflichtenden oder berechtigenden Beschãftigung, fofern diefe Beendigung nicht durch Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt ist, auch der Verlust der Mitglieoschaft verbunden; der Verlust der Mit⸗ gliedschaft hat aber durchweg auch den Verlust aller erworbenen An= sprüche zur Folge. Die vorbehaltlose Anwendung dieser im allgemeinen aus dem Wesen der Knappschaftsvereine sich ergebenden Sãtz e würde indessen namentlich in den Fällen zu einer großen i führen, wenn ein Mitglied nach längerer Mitgliedszeit von einem Vereinswerk abkehrt und bei einem Werke, welches zum Bezirk eines anderen Knappfchasts vereins gehört, die Arbeit wieder aufnimmt, ozer wenn es sei es zeitweise, sei es dauernd aus knappschafts« pflichtiger Beschäftigung überhaupt ausscheidet. Es wird daher dafũr Sorge getragen werden müffen, daß denjenigen Personen, welche ge⸗ jwungen sind, sich knappschaftlich zu versichern, die mit der knapp= schaftlichen Versicherung verfolgten Zwecke auch dann erhalten bleiben, wenn diese Perfonen von ihrem Recht der Freizügigkeit Gebrauch

machen. Nach dieser Richtung hin . es bisher an ausdrücklichen gesetz lichen Vorschriften. Dagegen hat ein Teil der Knappschaftevereine aus eigener Entschließung oder auf Drängen der Aufsichte behörde Maßnahmen getroffen, um ihren Mitgliedern beim Ausscheiden aus der Beschäftigung auf den Vereinswerken die bisherigen Beitrags. leistungen . verloren gehen zu lassen. Dieser Zweck wurde dadurch ju erreichen gefucht, daß mit anderen Knappschaftsvereinen im Wege des Vertrages ein sogenanntes Gegenseitigkeitsverbältuis vereinbart, und daß ferner durch die Satzung denjenigen ausscheidenden Mit- gliedern, welche nicht einem anderen Knarpschaftsberein beitraten, die Möglichkeit gegeben wurde, sich ihre bisher erworbene Anwartschaft auf spãätere Penstonskassenleistungen zu erbalten.

Das vertragliche Gegenseltigkeitsverbältnis beruhte auf der Grundlage, daß das ausscheidende Mitglied aller Ansprüche an den

bisherigen Knappschaftsverein verlustig ging, dagegen in dem neuen Knappschafts vereine fo behandelt wurde, als sei es bereits während feiner ganzen Dienstzeit in dem alten Verein Mitglied des neuen Vereins gewesen, und daß 3 e Verein, bei welchem der Fär⸗ sorgefall fär das betreffende Mitglied eintrat, die Gesamtheit dieser Fütforge allein zu tragen kate. Diese Regelung erscheint indessen nur dann als lech en wenn die Beiträge und Leistungen bei den in Betracht kommenden Vereinen wenigstens annähernd die gleichen sind, und wenn die Zu⸗ und Abgänge der Vereinsmitglieder in ihrer Wirkung auf die einzelnen Vereine sich wenigstens annähernd gegen⸗ seitig aufheben. ͤ . .

Beide Voraussetzungen treffen jedoch für die Gesamtheit der preußischen Knarpschaflsbereine nicht zu, Es ist daher sehr erklärlich, daß ein allgemeines Gegenfeitigkeitsverhältnig unter den preußischen Knappschaftsvereinen bisher ö zustande gekommen ist, sondern daß diefes Vertragsverhältnis, wo es besteht, sich meist nur auf ver⸗ hältnis mäßig wenige Knappschafts vereine, beschränkt. Der Ent. wurf sieht daher auch ferner als feststehend an, daß auf dieser Srundlag; des vertraglichen ,,, n nisses die gesetzliche Regelun der Mitgliederansprũche bei Vereinswechsel fuͤr die preußischen Knappschaftsverine nicht er— folgen kann. Für diese Vereine wird vielmehr eine sachgemäße gesetz⸗ liche Regelung nur auf der Grundlage erfolgen können, daß bei Ver⸗ 2 die Bemeffung der Invalldenunterstützungen und Witwen unterstützungen unter Berücksichtigung der Ansprüche erfolgt, welche nach den Satzungen der im Einzelfall in Betracht kommenden Knapp⸗ schaftsvereine von dem betreffenden Mitglied in diesem Verein er⸗ worben find, und daß an der Aufbringung dieser Unterstützungen sämt liche Vereine, denen das Mitglied angehört hat, beteiligt werden.

Die Ausführung dieses Grundgedankens hat allerdings zur un umgänglichen Voraussetzung, daß die bisherige Autonomie der Knapp= schafts vereine in der Art der Berechnung ihrer Pensionskassenleistungen bis zu einem gewissen Grade eine gesetzliche Einschränkung erfährt. Den geringsten Eingriff in die bestehenden Verhãltnisse bietet folgender Weg: die Invalidenunterstützungen und Witwen. unterstũtzungen werden lediglich nach in Zeitabschnitten, ein⸗ tretenden Steigerungssätzen, also unter Fortfall der Hhisher meift üblichen Grundbeträge, abgestuft; die genannten Unter⸗ stüßungen bemessen sich alsdann gaf die Summe der von dem einzelnen Müglled erdienten Steigerungssätze; sind letztere in verschiedenen Knappschafte vereinen erdient, so fällt jedem einjelnen Verein die Summe derjenigen Steigerungssätze zur Last, welche von dem Mit⸗ glied in dem betreffenden Verein erdient sind. Fär diesen Weg hat fich der Allgemeine Deutsche Knappschaftsverband, welchem fast sämt⸗ liche preußischen Knappschaftsverein? angehören, auf Grund ein⸗ gehendster Erörterungen nahezu einstimmig ausgesprochen. Dieser Weg ist auch dem Entwurf zu Grunde gelegt,.

Zur Herbeiführung der knappschaftlichen Freizügigkeit bedarf in⸗ dessen noch der weitere Fall der Regelung, daß mit dem Ausscheiden aus einem Knappschaftsverein der Eintritt in eine andere Knapp⸗ schaftspenstonskasse nicht verbunden ist. In dieser Beziehung räumt eine Arzabl von Knappschaftsvereinen heute bereits dem ausscheidenden Mitglied das Recht ein, den bis zum Ausscheiden erworbenen An— spruch durch Zahlung einer . aufrechtzuerhalten. Der Entwurf sschreibt diese Einrichtung für alle Knappschaftsvereine gesetzlich vor.

Weiter

sieht der Entwurf eine Aenderung vor hinsichtlich der Aufbringung der Mittel für die den Knappschaftsvereinen obliegenden Leistungen. Die bisherige Vorschrift, daß die Werkẽs⸗ bestzer mindestens die Hälfte der Beiträge der von ihnen be⸗ schäftigten beitrittspflichtigen Mitglieder zu entrichten hatten, ist namentlich mit Rücksicht auf den Umstand, daß nach den bis⸗ berigen und künftigen gesetzlichen Bestimmungen Vorstand und Generalversammlung sich je zur Hälfte aus Vertretern der Werks⸗ besttzer und der Mitglieder zusammensetzen, dahin geändert worden, daß die Werksbefigzer die gleichen Belträge zu entrichten baben, wie die von ihnen beschäftigten beitrittspflichtigen Mitglieder, zu⸗ mal bei dem bisherigen gesetzlichen Beitrags verhältnis die zur Sanierung erforderlichen Mittel vielfach überhaupt nicht aufgebracht Jerden könnten und die Werksbesitzer bei den Veorberatungen über den Gesetzentwurf in ihrer überwiegenden Mehrzahl sich mit dieser Mehrbelastung ein verstanden erklärt haben. Ferner beseitigt der Ent⸗ Turf den bisher in einzelnen Tnappschaftsvereinen noch bestehenden Mißstand, daß auch diejenigen Mitglieder, welche satzungsgemãß keine Antwartfchaft auf Pensionskassenleistungen erwerben können, gleichwohl zu den gleichen oder annäbernd gleichen Beiträgen herangezogen wurden wie die vollberechtigten Mitglieder. ; Sodann ist auch die Organisation der Knappschafts⸗ vereine von der Reform nicht unberührt geblieben. Zunächst wird im Interesse der anzustrebenden Santerung der Knappschafts⸗ vereine verlangt, daß die beiden den Knarpschaftsvereinen gefetzlich obliegenden Versicherungkzweige die Krankenversicherung einer⸗ seits und die Invaliden., Witwen und Waisenversicherung anderer⸗ seits innerhalb der einzelnen Knappschaftsvereine rechnungs mäßig voneinander getrennt gehalten werden. Weiter wird vorgeschrieben, daß die zur Teilnahme an der Verwaltung berufenen Vertreter der Mitglieder, die sog. Knappschaftsältesten, nach dem Vorgang der Reichsgesetzgebung auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung und der Novellen zum Allgemeinen Berggesetz vom 24. Juni 1892 und vom 14. Juli gos in geheimer Wahl gewählt werden müssen. End⸗ lich fehlt es im bisherigen Gesetz an jeder Bestimmung darüber, was zu geschehen bat, wenn die zur Verwaltung des Knappschafts. vereins gesetzlich berufenen Organe nicht vorhanden sind, oder wenn diese Organe gesetzlich oder sag engem g ihnen obliegende Verpflichtungen nicht, erfüllen. Nach dem Entwurf kann das Oberbergamnt in beiden Fällen entweder selbst oder durch Beauftragte die Befugnisse dieser Organe wahrnehmen, ahnlich wie dieg im Krankenversicherungsgesetz für solche Fälle vorgesehen ist. Schließlich erstreckt sich die Reform des Knappschafts- wesens auch auf die Rechtsmittel, welche gegen die Entscheidungen über Mitgliederanspruche gegeben sind. Nach dem bisherigen Recht ist gegen alle Entscheidungen des Knappschaftsvorstandes die Beschwerde an das Oberbergamt und in weiterer Instanz die Beschwerde an den Minsster für Handel und Gewerbe zugelassen. Daneben steht aber hinsichtlich aller Entscheidungen über solche Ansprüche, für welche an und für sich der Rechtsweg zulässig sein würde, auch der Rechtsweg offen. Es liegt auf der Hand, daß die dadurch den Knappschaftemitgliedern und ihren Angehörigen gegebene Möglichkeit, einen und denselben Anspruch sowohl im Beschwerdewege bei den Aufsichtsbehörden als auch im Klagewege bei den ordentlichen Gerichten geltend zu machen, zu Ünzuträglichkeiten führen kann, die namentlich in der Rechtsunsicher⸗ beit bestehen, welche durch das Nebeneinanderbestehen einander wider⸗ sprechender endgültiger Entscheidungen der Verwaltungsbebörden und der Gerichte notwendig hervorgerufen wird. Tatsächlich sind diese Unzuträglichkeiten in der Praxis auch recht empfindlich zutage getreten. Der Entwurf sieht daher vor, daß über die Ansprüche der Mit. glieder und ihrer Angehörigen fortan nicht mehr Beschwerdeweg und Rechtzweg nebeneinander zulässig, sondern daß für eine bestimmte Entscheidung stets nur eine Behörde zuständig ist. . ; Insbefondere sind die Rechtsmittel gegen Entscheidungen über Krankenansprüche im Anschluß an das Krankenversicherungsgesetz dabin geregelt, daß zunächft die Beschwerde an das Oberbergamt und nach dessen Entscheidung binnen einer Ausschlußfrist der ordentliche Rechts. weg gegeben ist. Gegen die Entscheidungen über Pensionskaßen anspruche wird dagegen ein schiedegerichtli Verfahren unter Aus⸗ schluß des Rechtswegg zugelassen. . Diefe in ihren Grundzügen fkinzierte Reform des Kneappschafts⸗ weseng ist allerdings in mehrfacher Beziehung recht einschneidender Art. Indeffen wird es obne ein derartiges Eingreifen nicht möglich sein, unfer Knappschaftgwesen auf die Dauer leistungsfäbig zu er- ballen und zugleich den Segen aus dieser Einrichtung zu zieben, den sie unserer Bergbau treibenden Bevölkerung überhaupt zu verschaffen vermag.

Erhebungen über den Arbeiterschutz in Superphosphat- fabriken.

Bei der Fabrikation von Superphozphat sind die Awbeiter mannigfachen gesundheitsschädlichen Einflüssen ausgesetzt. r. sächlich bietet die Verbreitung des Mineralstaubs in den rbeits˖ räumen und das Auftreten giftiger Gase und Dämpfe Anlaß zu gesundheitlichen Bedenken. Die Gewerbeaussichtsbeamten baben daher, wie ihre Jahresberichte ergeben, den Superphosphatfabriken bereits seit längerer Zeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Zum m, gegen Vergiftungen durch schädliche Gase sind ferner don der Berufägenossenschaft der cheinischen Industrie besondere Unfallverhütungsvorschriften für Düngerfabriken erlassen. Behufs um⸗ fassenderer Bekämpfung der in jenen Betrieben obwaltenden Gesund. heitsgefahren hat neuerdings der Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗ Wehner die Bundesregierungen um die Anstellung eingehender Ermittlungen über die Ginrichtung und den Betrieb der Superphogphatfabriken ersucht. Auf Grund des Ergebnisses der Er⸗ hebungen soll geprüft werden, ob zum Schutze der Arbeiter in Super⸗ phosphatfabriken einheitliche Vorschriften gemäß § 120 e der Gewerbe ordnung zu erlassen sind.

Fleischteuerung in Argentinien.

Wie die Erscheinung der Fleischteuerung international ist, zeigt folgende, in der Zeitschrift für Sozialwissenschaft! wiedergegebene Mitteilung der La Plata Post :

„In Rosario kostet jetzt das Fleisch letzter Qualität 45 50 Cirps. das Kllo. Angesichts dieses exorbstanten Preises wäre es angebracht, daß die Rosariner Munizipalität das Beispiel derjenigen von San Luls nachahmte, die den Fleischverkauf in eigene Regie nahm und das Fleisch für 20 Ctvs. das Kilo verkauft.“

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Leipzig wird der „Köln. Ztg. telegraphiert; Im Noten⸗ stecherge werbe (gl. Nr. 230 d. Bl) ist eine Einigung erzielt worden. Die Gehilfen verzichteten auf eine Verkürzung der Arbeits⸗ zeit und nahmen die ihnen angebotene 8. bis 33 zige Lohnerhöhung an. Ein neuer Tarif ist bis zum 30. September 1968 vereinbart.

In Hamburg ist, wie der ‚Frkf. Ztg. gemeldet wird, ein

egen die Zollverwaltung gerichteter Streik der zwischen Ham⸗ urg und Harburg berkehrenden Ewerführerfirmen zum Ausbruch gekommen. Die vier dabei beteiligten Firmen haben ihren Arbeitern, insgesamt 500 Mann, gekündigt, weil die Zollbehörde ihre ö erhöht hat. Es ist ein Telegramm des inanzministers eingetroffen, das diese Erhöhung bis zur endgültigen Prüfung der Angelegenheit aufschiebt.

In 66 wollten sich geftern, wie W. T. B. meldet, aus—= ständige Erdarbeiter (gl. Nr. 288 d. Bl) nach dem Minister ium des Fnnern begeben, um dort ihre Forderungen vorzubringen. Sie wurden von der Polizei zurückgetrieben. Dabei kam es zu einem Handgem enge, bei dem mehrere Ausständige und mehrere Polizisten verletzt wurden.

Kunsft und Wissenschaft.

A. F. „Die wirtschaftliche Entwickelung von Kamerun“ lautete das Thema eines Vortrags, den Dr. Schulte im Hofe am letzten Montag in der Deutschen Kolonialgesellschaft, Ab- tellung Berlin, hielt. Wie kommt es, so fragte der Vortragende einleitend, daß vielfach Männer, die aus eigener Anschauung unsere Kolonien kennen, ohne Ginflutz auf die die Kolonien betreffenden Enischließungen und Maßnahmen bleiben? Wahrscheinlich wohl daher, meinte der Redner, daß die entscheidenden Persönlich- keiten die Kolonien aus eigener Wahrnehmung oftmals nicht kennen und aus dem Für und Wider der Ansichten, denen sie bei Männern, die an Ort und Stelle waren, begegnen, nicht leicht zu eigenen, bestimmten Ansichten gelangen. anz unberechtigt ist ja eine gewisse vorsichtige Zurückhaltung gegen die Mitteilungen dieser Leute nicht, denn nicht selten besteht bei ihnen der Wunsch, die eigenen Leistungen für bestimmte Zwecke in helleres Licht zu fetzen, als vielleicht berechtigt ist. Ein Beispiel redet, so führte der Redner weiter aus, für viele; Die sogenannte westafrikanische Kausschukexpedition datiert von ihrer Initiative den Aufschwung der Kauischukkulturen in Kamerun, während schon 1898 Dr. Preuß im botanischen Garten von Viktoria jene Kixia, für deren Anbau als für Kamerun am geeignetsten man sich entschieden, in rößeren Beständen angepflanzt und den Interessenten empfohlen n Eben dieser botanische Garten ist im Schwanken der Meinungen über seinen Wert und seine Leistungen ein redendes Beispiel dafür, wie notwendig eigene feste Meinungen in den 4 gebenden Kreisen find und wie sehr es deshalb zu begrüßen und wi kommen zu heißen ist, daß sich neuerdings Männer aus diesen Kreisen zur Gewinnung eigener Anschauungen in die Kolonie begeben haben. Die Erkursion der sechs Reichstags mitglieder nach Togo und Kamerun, deren eines seine Erfahrungen und Beobachtungen jüngst in einem lefenswerten Buch veröffentlicht hat, ist in diesem Sinne ein äußerst dankenswertez Unternehmen zu nennen, und wenn der Geheime Kommerzienrat Lenz, der Eisenbahnerbauer in der Kolonie, sich jener Reisegesellschaft angeschloffen hat, so ist auch das im gleichen Sinne als erfreulich anzuerkennen; denn es wird dieser Herr von dem Wind der hin⸗ und hergehenden Meinungen frei ge⸗ macht und ihm die ganze Bedeutung einer, womöglich zweier, richtig geführter Bahnen in Kamerun zur Erschließung des Inneren von der Küfte aus, an Stelle des früheren, etwas phantastischen Projekts nahe elegt fein. Diese und aͤhnliche sich voraussichtlich weiter an⸗ schließenden Kenntnisnahmen durch maßgebende Persönlichkeiten werden hoffentlich die Folge haben, von dem bisher befolgten System, ohne Rückficht auf die vorhandenen Macht und Geldmittel möglichfst schnell die ganze Kolonie in Verwaltung zu nehmen, abzulenken zu Gunsten eines befonnenen, planmäßigen Vorgehens von der Küste aus zum Zweck der allmählichen Erschließung, Angliederung und sicheren Ge⸗ winnung der Kolonie. Vielleicht liegen in der Anwendung des gegen= wärtigen Systems wirksamere Ursachen für die Unzufriedenheit der Eingeborenen, die in Ostafrika zum Aufstande führte, als in der zu Ünrecht viel geschmähten Hättensteuer. Täuschen wir uns doch nicht darüber: Auch bei uns in Deutschland würde die Steuereinzie hung nicht so friedlich ablaufen, stände hinter dem Steuerzettel nicht der

Gerichtsvoll fieber und die Macht des Gesetzes. Es wäre sicher ein Fehler, die Hüttensteuer wieder Abzuschaffen, weil ihr zu Recht oder ju Unrecht die Schuld an der

Ünzufriedenheit der Eingeborenen zugeschrieben wird. Man reglementiere nicht zupiel und stets mit der größten Ueberlegung; aber man hũte sich mehr noch vor Unstetigkeit und Unbeständigkeit in der Verwaltung und einem öfteren Wechsel der Maßnabmen. Man schlage am Siß der Zentralbebörde der Kolonie auch nicht in überbebendem Besser⸗ wissen die eingehenden Berichte, einschließlich der von den Dorfschulzen anlangenden, in den Wind, sondern sichte sie und würdige sie.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Anbau und Ernte der wichtigsten Körnerfrächte in Oesterreich 1904.

Das von dem K. K. Ackerbauministerium zu Wien herausgegebene Statistische Jahrbuch“ für 1904 bringt über die Anbauflächen und Grnteerträge der wichtigsten Körnerfrüchte in den im Reichsrat ver- tretenen Laͤndern der österreichischen Monarchie folgende Zahlen.

Von der bei der Katastralrevisien im Jahre 1896 auf 10 624 Sõ⁊ ha festgestellten Gesamtackerfläche entfielen auf den Anbau von Weizen, Roggen, Gerste (Winter und Sommerfrucht), Hafer und Mais 6 385 650 ha oder 60,1 Hundertteile. Im einzelnen ergaben sich für

1904 und die vier Vorjahre Hektar: