1906 / 7 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Jan 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Naiserliche Schutztruppen.

Berlin, 4. Januar. Von der Schutztruppe für Sũdwest⸗ afrika: van Sem mern, Oberstlt, von der Stellung als Kom . mandeur des 2. Feldregts. enthoben. v. Estorff, Major und Bats. Kommandeur im 1. Feldregt, zum Kommandeur des 2. Feldregts. ernannt. v. Lettow⸗ Vorbeck, Hauptm. und Adjutant des Kom . mandos, als Komp. Chef in das 2. Feldregt. versetzt.

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 9. Januar.

Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute im hiesigen Königlichen Schlosse den Vortrag des Chefs des Militärkabinetts, Generalleutnants Grafen von Hülsen⸗Haeseler.

Im Jahre 19065 wurden von Ihrer Majestät der Kaiferin und Königin an Hebammen nach vierzig— jähriger Tätigkeit in ihrem Beruf goldene Broschen ver⸗ liehen: in der Provinz Brandenburg 2, darunter 5 in Berlin, in der Provinz Westfalen 2, in der Provinz Hannover W, in der Rheinprovinz 20, in der Provinz Schlesien 20, in der Provinz Sachsen 16, in der Provinz Sstpreußen 11, in den Reichslanden Elsaß⸗Lothringen 9, in der Provinz Hessen⸗Nass au, in der Provinz Pommern 4. in der Provinz Schleswig⸗ Holstein d, in der Provinz Westpreußen 3, in den Hohen⸗ zoͤllernschen Landen 2, in der Provinz Posen 1. Summa 160.

Im Jahre 1905 wurden von Ihrer Majestät der Kaiferin und Königin ferner an weibliche Dienst⸗ boten für 40 jährige Dienstzeit in derselben Familie goldene Dienstbotenkreuze nebst Allerhöchstselbst vollzogenen Diplomen verliehen? in der Provinz Brandenburg 59, darunter Sin Berlin, in der Provinz Schleien 43, in der Rhein— provinz 30, in der Provinz Sachsen 25, in der . West⸗ falen 19, in der Provinz Ostpreußen 18, in der Provinz Hannover 16, in der Provinz Hessen⸗Nassau 12, in der Pro⸗ Finz Pommern 12, in der Provinz Posen 11, in den Reichs⸗ landen Elsaß⸗Lothringen 9, in der Provinz Schleswig⸗-Hosstein 6, in der Provinz Westpreußen 6, Summa 266.

Laut Meldung des ‚W. T. B.“ ist S. M. S. „Char⸗ lotte“' am s. Januar in Syrakus eingetroffen und geht am 19. Januar von dort nach Palermo in See.

S. M. S. „Panther“ ist am 6. Januar in Buenos Aires eingetroffen. .

R. S. „Bremen“ ist am 6. Januar in Santa Cruz (Westindien) eingetroffen und gestern von dort nach St. Thomas in See gegangen. ö

S. HM. S. „Thetis“ ist am 6. Januar in Sadani ein⸗ getroffen und vorgestern von dort nach Daressalam in See gegangen. . .

S. M. S. „Luchs / ist gestern von Saigon nach Haiphong in See gegangen.

Dentsche Kolonien.

Ein Telegramm aus Windhuk in Deut sch⸗Südwest⸗ afrika meldet W. T. B.“ zufolge: ;

Wie nachträglich berichtet wird, ist der Reiter Clemens Siy⸗ mans ki, geboren am 16. 10. 1882 u Posen, früher im Pionier; bataillen Nr. 5, am 23. Mai im Feldlazarett zu Kalkfontein. Süd und der Reiter Emil Kaifer, geboren am 9. 6. 1883 zu Leistenau, früher im Husarenregiment Nr. 2, am 25. Juli in der Kranken sammelstelle ju Dawignab an Typhus ge stor ben.

Großbritannien und Irland.

Der König Eduard hat gestern nachmittag in einer Kronraissitzung die Proklamation unterzeichnet, durch die das Parlament aufgelöst wird. Im Anschluß daran wurden, wie W. T. B.“ berichtet, die Parla mentswahlbefehle an die Wahlvorsteher ausgegeben.

Frankreich.

Nach der offiziellen Zusammenstellung der vorgestrigen Senatswahlen entfallen 71 Kandidaten auf den Block (Republikaner und Linken) und 32 auf die Opposition, die 12 gemäßigte Republikaner, 15 Monarchisten und 5 Nationalisten umfaßt. Der Block hat nach Angabe seiner Parteiorgane 3 Mandate gewonnen. Bemerkens⸗ wert ist, daß die sozialistische men die im Senat bisher nicht vertreten war, den Radilalen 2 Mandate abgenommen hat, und zwar Marseille, wo der frühere Bürger⸗ meister Flessiöres, und das Departement Hérault, wo der Generalrat Delhon gewählt wurde. Die Senatoren, die für die Trennungsvorlage gestimmt haben, darunter der Vor⸗ sitzedde und der Berichterstatter der betreffenden Kommission Valls und Lecomte, sind fast ohne Ausnahme wiedergewählt

worden. Rußland.

Die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ meldet: Um die öffentliche Meinung zu erregen, berichten gewisse links⸗ stehende Zeitungen über Verhaftungen einer sehr

roßen Anzahl von Revolutionären und über die Hehe sa nien der Truppen bei Zusammenstößen mit den Aufständischen. Wir können versichern, daß die Ver—⸗ haftungen nur . hatten, von den Revolutionären geplante Attentate auf die friedliche Bevölkerung zu verhüten. Bei den Verhaftungen sind Waffen und Sprengstoffe in solchen Mengen gefunden worden, daß sie hingereicht haͤtten, Tausende von Personen zu töten und ganze Städte zu zerstören. Was die sogenannte Grausamkeit der Truppen betrifft, so mußten in⸗ 6 des unmenschlichen Vorgehens der Revolutionäre gegen ie' treuen Diener der Monarchie strenge Maßregeln ergriffen werden. Die Regierung ist überzeugt, daß die Bevölkerung die Haltung der Truppen gutheißt.

Mehrere russische sozialistische Blätter behaupten unter Bezugnahme auf die Schwierigkeiten in den Verbindungen mit dem Kaukasus, die infolge des Post⸗, Eisenbahn⸗ und Telegraphenausstandes eingetreten sind. daß der Kaukasus vollständig von dem übrigen Reiche

und dort der volle Aufstand . 2 2 über⸗ Petersburger Telegraphenagentur“ er⸗ herer Quelle, daß 7 Lage im Kaukasus mi gen Monaten war, daß die Verbindungen, iten, gegenwärtig aufrecht erhalten werden. holt ö was sich einige Jahre vorher in der

In gigutasus vi den asigtischen

en ei unter dem Namen armenische hat. Rußland gewährte damals edel⸗ n armenischen ache, eine Zufluchts⸗ gen diese selben Armenier nach dem Kaukasus ihre revolutionäre Organisation und regierungsfeindliche , en an und bringen die Mohammedaner gegen sich auf, wie der Grund der ; . . Kaukasus zugetragen Die Regierung hat energische Maßnahmen ergriffen, um die Bewegung zu bekämpfen.

Ein Telegramm des Generalgouverneurs Sollo hub aus Riga vom gestrigen Tage an das Ministerkomitee ie i. Eine Abteilung Truppen, die nach Windau geschickt wurde, verhaftete das do sozialdemokratische Lokalkomitee. Von den 16 Haup lsfũ wurden bei dem Versuche zu fliehen drei g*otz und einer schwer verwundet.

die sich an mehreren Punkten des

. 3 2 Don . ö , gr „St. Petersburger Telegraphenagentur“, infolge energischen Vorgehens der Trupp 2 Aufständischen in der vorgestrigen Nacht unter Zurücklassung der Waffen aus ihren befestigten Stellungen. Das Lehen in der Stadt beginnt wieder normal zu werden. . NMNiederlande.

Der „Nieuwe Rotterdamsche Courant“ meldet aus Batavia, daß ein Hauptmann mit 2 Mann bei Sawig tto auf Celebes eine von 300 Eingeborenen besetzte befestigte Stellung genommen hat. Der Hauptmann ist gefallen. Die Eingeborenen hatten 35 Tote, darunter drei Häuptlinge, und eine große Anzahl Verwundete.

Waiwupu, Tong, be ie nördliche andschurei und be—

kommens über di sonders über die Einschränkung der Eisenbahnwachen zu ver—

handeln. K

Wie das genannte Bureau ferner meldet, berichten Kauf⸗ leute, die aus Charbin in Peking eingetroffen sind, daß die russischen orden die Truppen so schnell wie möglich in die . ücksenden. Die Reisenden schildern die Truppen als unmittelbar vor der Meuterei stehend, da sie gedroht hätten, wie in Wladiwostok zu brennen und zu plündern, wenn sie nicht nach der Heimat eschafft würden. In letzter Zeit seien wiederholt Brand⸗ tif mmen. Die Eisenbahnangestellten weigern fich, ihren Dienst zu verrichten, soweit nicht Militärzüge in Seng i kommen.

a

m Rang einer Botschaft Gesandte In ouye zum Bot⸗

Das deutsche Marokto⸗Weiszbuch.

Das deutsche Marokko⸗Weißbuch ist gestern ver⸗ offentlicht worden. Es beginnt, W. T. B.“ zufolge, mit der Wiedergabe einer englischen und einiger französischen Stich⸗ proben von Zeitungs äußerungen aus der Zeit von Januar bis April 1965, die einerseits die in französischen Kreisen gegenüͤber Marokko gehegten Monoypolwünsche beleuchten, andererseits bekunden, daß der französische Gesandte in Fez sich auf ein Mandat Europas zur Durchführung der Reformen berufen habe. Auch das erste amtliche Schrifistück, das mit⸗ geteilt wird, ein Bericht des deutschen Konsuls Vas . in Fez vom 21. Februar 1905, handelt von der Mandats frage.

Der Sultan kam gegenüber dem Konsul in einer Unterredung vom gleichen Tage auf die allgemeine Lage zu sprechen und sagte: Er kalte daran sest, drei, nein vier Nationen‘ gleich zu behandeln: Deutfchland und England wegen ihres Handels mit Marokko, Frank. reich und Spanten auch wegen der Nachbarschaft. Er fragte, ob sich der französische Gesandte auf ein allgemeines Mandat berufen könne. Der Kon ful erwiderte: Solches Mandat sei deutscherseits nicht erteilt Der Sultan gah seiner Freude darüber Ausdruck, daß Deuischland sich der französischen Aktion nicht angeschlossen habe.

Am 21. April berichtet der Konsul über den Eindruck der vom Minister Delcasss am 31. ag, im französischen Senat abgegebenen Erklärung in der Marokkofrage.

Der Sultan sei besonders äber die Stelle aufgebracht, wo Delcaffs sagt, daß die marokkanische Regierung die Ratschläge Frank- reichz erbeten und nachdem diese erteilt worden, die Erklärung ab= gegeben babe, diese Ratschlage befolgen zu wollen. Der Konsul berichtet weiter: In einer Audienz, die ich heute bei dem Sultan hatte, kam dieser ebenfalls darauf zu sprechen und verftieg sich dabei zu dem Ausrufe: „Aber das sind ja reine Unwahrheiten! Ich erzählte ihm dann auch, daß die Franosen die Nach dementierten, daß der Gesanzte Saint Rens Taillandier sich hler auf ein europäisches Mandat er hätte. Der Sultan bemerkte dazu: Mir selbst gegenüber haben fich die Franzofen in diesem Sinne ausgesprochen. Auf meine Frage, wer es gewesen sei, erwiderte der Sultan; Herr Saint Rens selbst!“ und fügte hinzu: „Ich habe dann gefragt: Wer sind denn die Nationen? da ich wußte, daß Deutschland und Italien solches Manzat nicht erteilt haben. Der Gesandte Saint Rens bat darauf nichts erwidert und ich habe daraus meine Schlüsse gezogen, die der Verfolg mir bestãtigt hat.

Am 15. Mai meldet dann der deutsche Gesandte Graf Tattenbach folgende Erklärung des Sultans:

Die Aeußerung, die der Minister Delcasss nach dem Kagiserbesuch in der Deputlertenkammer gemacht habe, die marokkanische Regierung habe die französischen Reformvporschläge im Prinzip angenommen, entspreche ebensowenig der Wahrheit, wie die Bebauptung des franzöffschen Gefandten, daß er im Auftrage Europas spreche. Von vornherein habe er die Richtigkeit der letzteren An- gabe bejweifelt und habe lebhafte Freude, empfunden, daß die Sachlage inzwischen klargestellt sei. Er habe den Franzosen bisher nicht das geringfte Zugeständnis gemacht, sondern die Ankunft des deutschen Gesandten abgewartet. um die Verhältnisse eingehend zu befprechen. Der Graf Tattenbach fügt hinzu: Der Sultan ist augen⸗ scheinlsch von dem Bewußtsein durchdrungen, daß es sich gegenwärtig für ibn und sein Reich um Sein oder Nichtsein handelt und daß die Verantwortung und Entscheidung bei ihm allein liegt.

Zwei Taze fpäter berschtet der deutsche Gesandte, daß unmittelbar nach feiner Ankunft in Fe dort der französische Gesandte im Auf- trage des Ministers Delcasss erklärt habe, die französische Regierung

8 in der Türkei geschehen ist. Dies ist andern.

würde es als eine Beeinträchtigung ihrer Interefsen an⸗ sehen, wenn die französischen Reformvorschläge den Signatar⸗ mächten zur Kenntnisnahme und Aeußerung unterbꝛeitet würden. Das Recht, in marokkanischen Angelegenheiten zu intervenieren, sftehe keiner anderen Macht zu. Der Annahme der französischen Vorschläge müsse sich die marokkanische Regierung fügen, da sie nicht ig der Lage sei, Ruhe und Ordnung im Lande ju schaffen. Die französische Regierung behalte sich vor, je nach den Umständen zu handeln und die Dinge in Marokko scharf zu überwachen.

Ein Erlaß des Reichskanzlers an den Botschafter in Paris vom 22. Mai faßt den Inhalt und den Eindruck dieser Meldungen dahin zusammen, daß sie nicht geeignet seien, die Ansicht von dem stuͤrmischen Charakter der bisherigen Marokkopolitit des Ministers Delcasss. zu Der Vertreter Frankreichs wolle ohne weiteres Beschlag auf Marokko legen und dem Sultan den Verkehr mit den übrigen Vertragsstaaten verbieten. Nach des Ministerprãsidenten Rouvier bisherigen , . halte sich der Reichskanzler zu der Annahme berechtigt, jener diese Art des Vorgehens mißbillige.

Eine weitere Reihe von Schriftstücken bezieht sich auf die Unterlassung der offiziellen Mitteilung des französisch⸗ englischen Abkommens durch den Minister Delcass e,

Am 12. April ergeht ein Erlaß des Reiche kanzlers an mehrere Missionen, in dem zu dieser Fraze, wie folgt, Stellung genommen wird: Es ist falsch, daß das französisch · englisch· Maro o⸗Abkommen der deutschen Regierung schriftlich oder mündlich zur Kenntnis ge bracht worden fein oll. Der Minister Delcasss bat jwar wiederholt dem Kaiserlichen Botschafter bier und da Andeutungen allgemeiner Art gemacht über unhaltbare Zustände in Marokko und die Not⸗ wendigkeit, die sich daraus fär Frankreich ergebe, auf die Sicherung feiner algerischen Grenze bedacht zu sein. Als aber im vorigen Sommer bereits längere Zeit nach der englisch - französischen Konvention der deutsche Botschafter an Delcasss eine Frage richtete, die sich auf den Inbalt jenes Ablommens bezog, erwiderte der Minister nur: Sie finden dag alles im Gelbbuch⸗ .

Am nächsten Tage sucht der Minister Delcass Gelegenbeit, sich über dieselbe Frage gegenüber dem deutschen Botschafter in äußern. Er kam auf das vor dem Abschluß des Abkommens mit dem Fürsten Radolin stattgehabte Gespräch iurück und bemerkte, wie der Botschafter am 14. April be- richtet, spontan, diese damalige vertrauliche er, ,. babe keineswegs den Charakter einer amtlichen Mitteilung gehabt noch haben sollen. Der Botschafter erwiderte hierauf: Gern nähme er Akt von dieser seiner Erklärung; denn zu seinem höchsten Erstaunen hätte die Pariser offijiöse Presfe die Tatsache verdreht und ein amt⸗ liches Communiquè aus einem gelegentlichen Gespräch heraus konftruieren wollen, was er nicht ohne weiteres hinnehmen könnte. Dies bestätigte der Minister Delcasss. .

Zur Motivierung der unterlassenen amtlichen Mitteilung des Abkommens führte Delcasss an, daß es in London abgeschlossen und daselbst zu gleicher Zeit veröffentlichl worden sei. Der Gedanke sei hm nicht gekommen, der Kaiserlichen Regierung dieses Schriftstück mitzuteilen, das sofort der Oeffentlichkeit übergeben worden sei. Da⸗ gegen habe er den spanisch fran zõsischen Vertrag in Paris unterzeichnet und ihm vor der Veröffentlichung dem Freiherrn von Richthofen durch den Botschafter Bihourd mitteilen laffen. Der Minister Delcasss fuhr fort, er habe geglaubt, durch die Mitteilung dieses aus dem englisch · ran zõsischen Abkommen entspringenden Vertrages für alles gesorgt zu haben.

Dieser Auffassung tritt ein Erlaß des Reichskanzlers nach Paris vom 1. Mai ren. Darin heißt es

Daß ein diplomatisches stück von solcher Tragweite wie das Marotko. Abkommen nicht auf Grund mündlicher und fragmentarischer Wiedergabe beurteilt werden kann, bedarf keines Beweises. Für Eröffnungen von solcher Wichtigkeit ist die schriftliche Form die durch den diplomattschen Gebrauch konsekrierte. Die formelle und materielle Insuffizien der im Laufe des vorigen Jahre? von dem Minister Delcasss durch Eure Durchlaucht und durch den Botschafter Bihourd bierher übermittelten Andeutungen nnd Finger zeige ist eine Tatsache. über die keiner der beiden Teile sich nachträglich hinwegsetzen kann. Ob bei diesen Andeutungen ein Wink mehr oder weniger gegeben wurde, ist ein unerheblicher Umstand, der keine Remedur schafft für den von Grund aus unvollständigen Charakter des Ganzen. Die Veröffentlichung im „Journal officiel könne die direkte Mitteilung nicht ersetzen, denn beide Arten der Bekanntgabe hätten einen grundverschiedenen Charakter; die direkte Mitteilung ist nicht ein bloßer Alt der Courtoisie, sondern die französische Regierung batte sich dadurch implizite den Adressaten gegenüber bereit erklärt, über deren Interessen, falls sie dieselben berührt glaubten, in Erörterungen einzutreten. Die Ver⸗ öffentlichung im franjẽsischen Amtsblatt hingegen stellt die unbefragten Mitinteressenten einfach vor die vollendete Tatsache. k

Die Anerkennung des deutschen Standpunkts erfolgte durch den Ministerpraͤsidenten Rouvier in dem Exposs vom 21. Juni, dem der Text des französisch⸗englischen Marokko⸗ Abkommens beigefügt ist.

Ueber das in Fez von dem Gesandten Saint René Taillandier entwickelte Reform programm bringen zwei Berichte aus Fez vom 7. März und 30. Mai . es Material bei. In dem ersteren meldet der Konsul a über das der Notabelnversammlung vorgetragene französische Militärprogramm:

Die Gesamtstärke des Heeres babe der franjösische Ge⸗ sandte nicht genau beziffert. Er fordere für jedes Bataillon 500 Mann marokkanischer Soldaten unter einem französischen Kommandeur und einem französischen Vizekommandeur. fünf französische Offijiere und zehn algerische Unteroffiziere. Das Bataillon solle in zwei Einheiten zerfallen. Er verlange für Tanger, Ujda, Avun. Sidi, Mellut je 3 Bataillene, für die Küftenstädte je 2 Bataillone und en und Marrakesch eine „binlängliche Anjahl. Ferner fordere er Artillerie mit einer großen Anzahl Instrukteure. ; '

Zur fre teren Lage babe der Gesandte ausgeführt: Marolko habe die Anleihe bis auf einen kleinen Rest aufgebraucht. Seine laufenden Einkünfte seien beschränkt cuf 0 0 Zolleinnahmen und die Mustafadat. Es werde nicht vermeiden können, eine neue Anleibe aufzunehmen.

Ferner schlage der Gesandte vor: Organisierung eines , , in den Häfen und an der Küste, Ver—

olgung der Kontre bande auch innerhalb des Zollgebiet.

Dann babe der Gesandte gesagt, die Landungs⸗ und Lade verbhältnifse der Häfen bedärften der Reform. Eine fremde Gesellschaft bearbeite das Projekt, den Leichterdienst in eigene Hand zu nehmen. Darauf solle der Magbijen nicht hineinfallen. Das Geschäft pflegten Regierungen selber in der Hand zu bebalten. Nur mäffe man dann Kals und Kräne anlegen. Dafür verlange der Ge— fandte Konzessionen an Franzosen. Auch deutete er an, daß die Hafenkapitäne Fachleute, und zwar nur Franjosen sein dürften.

In einer feiner Audienzen beim Sultan babe der Gesandte auch die innere Verwaltung zum Gegenstand scharfer Forderungen

emacht. Unter anderem babe er gerügt, daß in Casablanca in einem

56 der Gouverneur dreimal gewechselt habe. Endlich babe der

2 die Notwendigkeit der Anlegung eines Küstentelegraphen rgelegt.

Zum Schluß meldet der Konsul noch: Es gilt als wahrscheinlich, daß die Franzosen alljãbrlich mehrere Monate hier residieren wollen, um Hof und Maghjen an ihre dauernde Intervention zu gewöhnen.

Ausführlicher gibt der Bericht des Grafen Tatten bach ar 30. Mai den Inhalt der Vorträge des französischen Ge⸗ andten an:

Als nötige ormen seien in erster Linie bezeichnet worden pr e. eff ar! und Finanzreorganisation unter Erstrebung einer Vermehrung der Einkünfte. An Ter algerischen Grenze sei die Geduld der französischen Be⸗ körden, an der ganzen Nord und Westkuste die Geduld der Fremzen überhaupt erschöpft. Trete die Regierung nicht mit ber Tat an eine Besserung der Zustände heran, und mũsse fran zösisch GSesandte, ohne Erfolg abreisen, so rankteich gedrängt sehen, diese Reformen auf

und werde Dinge tun müssen,

Der Graf Tattenbach berichtet

intergrun wang zu denselben.“ ö Für die Heeresreform habe der Ffranjösische Gesandte die Hilfe erfahrener Leute, wie Frankreich solche ur Verfügung halte, als unumgänglich bezeichnet. Man müsse sich auf ein Mindestmaß be schränken, das heißt, auf je 199 Mann drei Algerier und auf jedes Bataillon einen französischen Offinier als Instrukteur anstellen. Bei ber Artillerie sollten cuf je 100 Mann 4 Algerier kommen. „Die vor den Notakeln geforderten Bataillongstärken sind in den nach dem Kaiserbesuch geführten Verhandlungen er— beblich reduztert. Es wird in Aussicht genommen: fur Ujda 3 Bataillone, je eines Infanterie, Kavallerie und Kanoniere, in Ge—= samtftärke von 933 Mann, mit je 1 französischen Hauptmann, 1 alge⸗ rischen moslemischen und 2 französischen Subalternoffizieren, 15 alge⸗ rischen moglemischen Sergeanten, für Tanger ebenfalls je ein Bataillon Infanterie, Kavallerie und Kanoniere, in Gesamtstärke don S277 Mann mit je 1 französischen Hauptmann, 2 fran⸗ zösischen nud 1 algerischen Subalternoffijier, 10 Sergeanten, = für Rabat je ein Bataillon Infanterie und Kanoniere, usammen 185 Mann, mit 2 französischen Offinieren und 6 algerischen Sergeanten, für Casablanca je 1 Bataillon Infanterie und Kavallerie, zusammen oas Mann, mit 1Lfranzösischen Hauptmann, Lalgerischen und 1 französischen Subalternofftzier und Y algerischen Sergeanten. Bei dem scherifischen Hofe sollen 1 französischer Major, T franzõsische Subalternoffiziere, 1 franiõsischer Stabsarzt und h algerische Sergeanten Verwendung finden. Dabei vorausgesetzt, daß die Aakar nicht nach der alten Art, sondern in wirklich ordentlicher Weise instruiert würden. Zu diesem Zwecke solle die Aufsicht an jedem Orte der oberfte lokale Instruktenr haben, dessen Funktionen im einzelnen aufge⸗ führt werden. Zusammenfassend sagt der Graf Tattenbach: „Es sollen alfo nach den Vorschlägen des Seandten, sämtliche Bataillonechefs 6 sãmtliche Kompagniechefs und Unteroffiziere Algerier sein. liegt auf der Sand, daß in der vorgeschlagenen Organisation die n, rein französischer Interessen ihren unverblämten Ausdruck n 2 Dasselbe gilt bezüglich der Gründung von Polizeitruppen in den Küstenstädten, die der Gesandte kurz stitziert hat. An jedem Ort follen ein Franjose und ein Algerier als Jastrukteure ! an die Spitze der Truppe gestellt werden. Da der französische Poltzeiinstrukteur sich binnen kurzem jur obersten und leitenden städtischen Behörde ent⸗ wickeln und damit der Chef des gesamten zur Stadt gravitierenden Distrikts werden würde, so ist bier der erste Ansatz zum „contrölsur civile nach tunesischem Muster gegeben. Bei den Vorschlägen für die Finanzreform und die Hafen⸗ anlagen tritt gleichfalls die Absicht klar zutage, die marofkanische inanwe waltung stufenweise unter französische Kontrolle zu bringen. eit dem Anleibevertrage besteht bereits ein bedingtes Recht zu solchem Eingreifen, indem man sich vorbehalten hat, eine feste Quote von den Zöllen als ständige marokkanische Subsidie für die Ausübung solcher algerisch französischer Staatehobeitsrechte in Marokko zu ver- wenden. Die 60 00, die beute an den Kontrolldienst abgeführt werden, und die also nach Erlegung der Jahresquote für die Anleihe in Fortfall kommen, sollen andauernd an Frankreich für die sogenannten Reformen geiahlt werden. Damit würde erstens eine Ablösung der Anleibe durch ein fremdes Syndikat unmöglich gemacht, und zweitens 6 finanzielle Freiheit gegeben sein, die Reformen, d. h. taatlichen Funktionen ju versehen, die es in Marekko ausüben will. Da man damit rechnet, daß eine schärfere Zollkontrolle die Einnahmen erheblich steigern würde, so dürfte ein recht ansehnlicher Reformfonds zur französischen Verfügung ste hen. In geschickter Weise wird der Anschein vermieden, als fallen jene 60 /a direkt an Frankreich. Unter dem Vorwand die den leitenden einbeimischen Kreisen angeblich sehr am Herzen liegende Kursreform durchzuführen, schiebt man eine marokkanische Staatsbank vor. Sie soll Banknoten ausgeben, also weitere Kapitalien für französische Zwecke flässig machen, von deren Nutzbackeit der hiesige Hof kaum eine Ahnung hat; sie soll Generalstaatskafse werden und das Privileg erhalten, alles vorzuschießen, was die nach Marokko übergesprungene französische Staatshoheit für die Zwecke, die sie sich und ihren Reformen hier reserviert, benötigt. Im Laufe dieser Verhandlungen erklärte der französische Ge— sandte? die französische Regierung sei bestrebt, die Souveränetät und Freiheit des Magbzen zu achten, sie könne aber nicht erlauben, daß eine fremde Macht sich jzwischen Marokko und Frankreich stelle Frank- reich babe ein scharfes Ohr und klares Auge für alle Worte und Handlungen des Magbjen. Der Maghjen müsse sich der schweren Ver= antwortung bewußt werden, die er auf sich lade, wenn er fortfahre, die in den Verträgen und Abmachungen begründeten Rechte Frank⸗ reichs zu mißa chten.“

Die weiteren Mitteilungen beziehen sich auf den Hafen⸗ betrieb. Es wird vorgeschlagen, die Kontrolle „über alle Hafenangelegenheiten im allgemeinen“ mit der Kontrolle des Anleihedienstes zu vereinigen, d. h. also, sie den Vertretern der französischen Banken zu übertragen. Ferner auf Neu⸗ anlagen der Häfen, auf einen Telegraphen längs der Küste, auf . Speicher nach. Warrantsystem. Dazu die Erteilung eines 1 an das französische Bankkonsortium gar eine Kaiserlich marokkanische d , auf 30 Jahre. Endlich sollten sich die Banken, die unter der Führung der Banque de Paris et des Pays-Bas die letzte Anleihe über⸗ nommen hatten, zum Betriebe einer marokkanisch en Staatsbank zusammentun.

weck der Bank soll der Betrieb sämtlicher bankmäßiger Finani⸗, Induftrie⸗ Handels. und Landwirtschaftsunternebmungen sein. Ferner soll die Bank im allgemeinen und speriell für die Finammwirtschaft dem marolkanischen Staat bei Reformen behilflich sein. Insbesondere: Regulierung des Kurses der Landesmünze, dessen weitere Verschlechterung wegen der schlechten Ernten zu erwarten sei. Der Hafsani könne auf den Wert der spanischen Pesete gehoben und darüber binaus an den Wert deg Franken angenähert werden. Dies könne geschehen durch allmähliche Einziehung der umlaufenden Landesmünze bei sinkendem Kurg durch die Bank. Das erfordere erhebliche Mittel und die Festlegung von Kaꝑitalien. Um diese Kapitalien auf zubringen, solle der Bank das Notenausgabe · Privileg gewährt werden. Die Noten könnten in dreifacher Höbe des baren Geld⸗ und Metall. bestandes ausgegeben werden. Die Erteilung eines olchen Privilegs entspreche der kontinentalen Praxis. Die Monopolisierung sei nötig, um eine Ueberflutung des Marktes mit Noten zu verhũten.

Es würde swecklos sein, daß die Bank sich bestrebe, den Kurs des arabischen Geldes zu ern, wenn gleichzeitig die Regierung fort⸗ fahre, Münzen zu prägen. Die Bank müsse daher notwendig die Kontrolle des gesammten Geldwesens erhalten, Die Prägungen müßten durch die Bank für Rechnung der maroklanischen Regierung veranlaßt werden. Erforderlich wäre, der Bank Einsicht in die der⸗ zeitigen Barbestãnde des Fiskus zu geben, und die Bank müßte ihrer⸗

nach Z 17 des Ansleihevertrages ein Vo

seits dahin arbeiten, die noch bestehenden Münjverträge im Wege

tlicher Verftãnd abzulõsen. at 2 6 gewisse Ausgaben, zu deren Aufbringung

die maroktanis een a bei dem igen Steuerausstand nicht imstande sei. 63 folle die Bank eintreten. Es müsse der k. ein Kredit von 1 Millionen eröffnet werden gegen 6 0 Zins und eine geringe Kommiffion, gesichert durch die Zolleinnabhmen, rüchiahlbar in 15 Jakren. Dieser Krebit solle, falls die Bank dies wünscht, bei Aufnahme einer etwaigen neuen Anleihe, für welche die Banken e t hätten, in Abzug gebracht werden. Die Bank würde in allen Orten, wo dies wünschens wert wäre, Zweigflellen zu errichten kaben, und Zahlungen egen etwa 2bo0 Kömmifston vermitteln. Diese Stellen würden gern nr mahlt Ken werden und die Regierung der Bargeldversendung äabetheben. Ferner sollte die Bank eine laufende Rechnung für die Regierung erßffnen. Endlich wird die Aufsicht durch einen Regierungs kommissar vorgesehen. Abschließend bemerkt der Graf Tattenbach zu diesem

Programm: ö -

Es kann keinem Zweifel ne n, ne, die Durchführung dieser Vorschlãge, die wirtschaftliche Angliederrng. Margolkog an Frankreich zur Folge hätte. Besonders charakteristisch in dieser Hinsicht ist das Beftreben, das gesamte Finanzwesen durch eine privilegierte Noten⸗ bank, das gesamte Exportgeschäft durch ein Warrantspeickerunternehmen und durch die mit diesem Unternehmen in eine lose Verbindung gebrachte generelle Erlaubnis jum Landerwerb die gesamte Ansiedlungẽ politik in franzõsische Hände zu bringen. Die dürftigen Brocken, die für den nichtfranzöstschen Handel oder nicht. er w. Unternehmungen abfallen sollen, find nicht ge e, die Beforgniffe zu jerstreuen, daß ein in eine derartige Abhängigkeit von Frankreichs weltwirtschaftl Sphäre gebrachtes Marokko nur kümmerliche Möglichkeiten fär den freien Wettbewerb der auf dem Weltmarkt konkurrierenden Mãchte zu bieten vermõchte.

Aus einem Bericht vom 6. Juni geht hervor, daß der französische Gesandte die Reformvorschläge nur mändlich vor⸗ e gh. 3 wiederholte Bitten um schriftliche Einbringung abgelehnt hat.

Am 25. Mai übersendet die margkkanische Regierung Dem franjösischen Gesandten eine Note, welche die franzöͤsischen Vor⸗ schläßge ablehnt und die Ginladung zu einer Konferenz an kundigt. In den vorbergebenden Tagen wurden,. wie der deutsche Gesandte am 2I. Mal berichtet, franzssischerseits Die stärksten Anstrengungen gemacht, um die Absendung der Rote zu verhindern. Inebesondere hat der Gesandte Saint Rens dem Sultan sagen lassen, Frankreich werde an einer Konferenz nicht teilnebmen, sollte ei aber doch ju einer Konferenz kommen, so würden die an der Konferenz beteiligten Mächte jedenfalls Frankreich das Mandat erteilen, die französischen Reformpläne allein durchzuführen.

Auf eine Frage des Sultans erklärte hierzu der deutsche Gesandte:

Der Gesandte Saint Rens babe keinerlei Berechtigung, über die Haltung der anderen Mächte auf einer künftigen Konferenz Erklärungen abzugeben. Insbesondere fehle ihm diese echtigung bejũglich der Haltung der Kaiserlichen Regierung.

Die prinzipiellen Gesichtspunkte der deutschen Marokkopolitik sind zunäch elegt in dem vom Reichs—⸗ kanzler bereits im Reichstage verlesenen Erlaß nach London vom 11. April. In gleichem Gedankengang bewegt sich ein Erlaß des Reichskanzlers vom folgenden Tage an eine Reihe von Missionen. Als neues Moment tritt hier hinzu, daß die deutsche Regierung direkt eine neue Konferenz der Vertrags⸗ staaten als das gegebene Mittel . friedlichen Lösung des je n Interessenkonflikts bezeichnet. Dazu wird u. a. aus⸗ geführt:

Der Einwand der französischen e, daß es sich bei den früheren Konferenjen nicht um eine polltische Umgestaltang gebandelt babe, sondern um privatrechtliche Intereffen, int nicht ftichhaltig. Denn da. jetzt mit der Möglichkeit eines französischen Protektorats über Marokko, d. h. mit einer gänili Verdrängung nicht französischer wirtschaftlicher Unternehmungen n dem Vorgange von Tunis zu rechnen ist, so sind die fremden Privatinteressen in ihrer Gesamtbeit bedroht, und eine Konferenz wäre mehr als je am Platze. Es ist das ein Ausweg, der keine berechtigte Empfindlich⸗ feit verletzen kann, da es sich lediglich um die Anwendung eines berests mehrfach erprohten Auskunftsmittels handelt. Indem wir hierbei naturgemäß zunãchst für die eigenen deutschen Interessen eintreten, handeln wir in dem Bewußtsein, daß diese identisch sind mit den wirtschaftlichen Interessen aller nichtfranzösischen Ver tragsstaaten. Auch der schon erwähnte Erlaß vom 1. Mai an den Kaiserlichen Botschafter in Paris enthält einen den Konferenz- gedanken vorbereitenden Passuß:; „Es beweist die konzilianten An. schauungen der deutschen Regierung, wenn sie im Hinblick auf den Artikel des Abkommeng, der die Echaltung des status quo stipuliert, sich zunächst an der Vermutung genügen ließ, daß in absebbarer Zeit Veränderungen, die schäãdlich auf die fremden Interessen wirken könnten, nicht beabsichtigt seien. Indessen wurde nach dem Auftreten des französischen Gesandten in Fez und nach ver⸗ schiedenen anderen Anzeichen diese Vermutung unhaltbar, vielmehr zeichnet sich jetzt mit junebmender Deutlichkeit eine Lage, welche die Gefamtheit der nichtfranzösischen Interessen in Marokko bedrobt. Unter diesen Umständen siebt die deutf Reglerung sich genötigt, darauf hinzuweisen, daß deuts Interessen in Marokko berührt werden können, daß diese Interessen auf , , Srundlage beruben und daß daher über dieselben ohne Mitwirkung Deutschlands nicht verfügt werden kann. Ich will gern annehmen, daß dem Minster Delcasss der Gedanke an eine einseitige und gewaltsame Lösung der Interessenfrage heute ebenso fern liegt wie der Regierung Seiner Majestät des Kaisers, welche letztere sich überdies bewußt ist, daß ihre Interessen in dieser Frage identisch sind mit denen einer Anzahl anderer Staaten. Wir hoffen, daß die jetzige Spannung sich in befriedigender Weise erledigen lassen wird und sind gern bereit, zu unserem Teile dabei mitzuwirken, sobald wir e n. gegenwärtig in Fez geschaffene Lage genügend orientiert sein

rden.

Nachdem dann die marokkanische Regierung die Kon⸗ en vorgeschlagen hat, ergeht am 5. Juni ein Runderlaß es Reichskanzlers, der für den onferenzgedanken nachdrücklich e,, Der deutsche Rechtsstandpunkt wird, wie folgt, dar⸗ gelegt

Da die Reformen voraussichtlich nur unter Anlehnung an die Sianatarmächte erfolgen können, so ist die Möglichkeit . Durch führung beschränkt durch die Bestimmungen der rider Konvention, insbesondere durch den Artikel 17, wonach jeder Signatarmacht in Marokko das Recht auf Behandlung als m ünstigte Nation zu⸗ steht und somit keiner Macht eine bevorzugte erãumt werden darf. Das geplante Reformwerk wurde daher nur mit ung aller Signatarmächte zustande kommen können. Jus diesen ungen hat die Kaiserliche Regierung die Einladung Marokkos angenommen. Sollte die Konferenz an der Weigerung einzelner Signatarmãchte scheitern, so würde die . sein, daß der bisherige Vertragsjustand unverändert aufrecht erhalten bliebe. Hieran würde auch r. ge⸗ ändert werden, wenn einige Signgtarmächte erklären sollten, daß sie mit den für Marokko in Auzsicht . Maßregeln ein⸗ verstanden seien oder daß sie daran kein Interesss nähmen. Denn es würde nach den obigen Ausführungen der Widerspruch einer einzigen Signatarmacht genügen, um der Einräumung irgend welcher Sonderrechte, die mit dem Meisthegünstigungsr Mächte unvereinbar sind, den Rechtsboden zu ent; Die Kon ferenz sei aber auch, abgesehen von der Rechtsfrage, schon deshalb nütz= lich, weil ganz . von der Rechtsfrage die henden pols⸗ lischen und handels politij

te der anderen

n Interessen der Signatarmächte durch die

Gewährung von Sonderrechten an einzelne Mächte beeinträchtigt werden könnten und die Konferenz ein geeignetes Mittel zur Herbei⸗ führung eines Ausgleichs bieten würde.

Nach weiterer Begründung des deutschen Standpunkts schließt der Erlaß:

Gin Gewährenlafsen der französischen Aktion gegen Marokko hieße also nichts anderes, als die den Signatarmächten durch die Madrider Konvention web rn Rechte preisgeben, während ein Gin spruch gegen diese Aktion sich lediglich als eine Verteidigung des be⸗ stehenden Rechts zustandes darstellt.

wei Erlasse nach Paris vom 12 und 16. Juni geben die Ansichten der deutschen Regierung über die Aufgaben der Konferenz in der Form objektlver Deduktionen, nicht als positive Vorschläge, an, halten aber fest, daß eine Aussprache über die Aus⸗ dehnung der Reformen erst erfolgen könne, wenn Frankreich zuvor die Einladung zur ,, annimmt. Die auf dem Gebiete der Polizei notwendigen Reformen seien international fest⸗ zustellen und . zu beschränken, die Fin anzreformen müßten gleichfalls international behandelt werden, die wirt⸗ schaftliche Erschließung Marokkos habe unter voller Beachtung des Grundsatzes der open door zu erfolgen.

Der Ausdruck „international“ wird dahin erläutert:

Heerwesen und Polijei würden zunächst insofern international ju ordnen sein, als die Konferenz, wie der Ministerpräsident Rouvier irn hervorgehoben hat, ein Mandat zur Durchführung der erforder⸗ lichen Reformen erteilen müßte. Diese Aufgabe würde, soweit es sich um die Distrikte an der algerischen Grenze handelt, naturgemãß 1 allein zufallen können, womit, soweit sich aus den Aus.

sährungen Rouviers entnehmen läßt, der Hauptwunsch Frankreichs erfüllt sein würde. Dagegen würde kein Grund vorliegen, das Mandat auch für die entfernter liegenden Plätze, insbesondere die am Atlantischen Ojean, allAein an Frankreich zu übertragen. Hier würde es vielmehr der Sachlage entsprechen, daß die Polizei reformen, soweit erforderlich, in den einzelnen Distrikten verschie denen Mächten zugeteilt würden. Die Finanjzreformen würden vor allem dadurch international zu gestalten sein, daß die nach dem französischen Reformprojelt zu gründende marokkanische Staatsbank nicht lediglich von einer franjösischen Bäͤnkgruppe, sondern don Bankgruppen ver schiedener Mächte ins Leben gerufen würde. Dabei würden die zu besetzenden leitenden Stellen wie das einzuschießende Kapital mözlichst gleich ju verteilen sein.“

Es folgt nunmehr das aus dem französischen Gelbbuch bekannte Exposè des Ministerprãäsidenten Rouvier vom 21. Juni, das die französischen Gesichtspunkte zusammenfaßt und die Bedenken gegen die Konferenz hervorhebt. Eine endgültige Zustimmung wird noch nicht egeben, jedoch die Konferenz auch nicht abgelehnt. Die nch Antwortnote vom 24. Juni geht ausführlich auf den Inhalt des Exposẽs ein. Sie führt zunächst aus:

Wenn Frankreich die Lõösung der Reformen allein in die Hand nebme, so sei zu besorgen, daß es auch gegen seinen Wunsch durch die Macht der Verhältniffe zu einer mit der Unabhängigkeit Marokkos und den Rechten der Signatarmächte nicht zu vereinbarenden Sonder stellung gelangen würde. Die Durchführung von Reformen in Ma⸗ rokko, wenigstens soweit dazu die Einräumung von Sonderrechten iu Gunsten ein elner Signatarmächte erforderlich ist, fetze die Zustimmung der übrigen Mächte voraus. Eine solche Zustimmung aber dürfte am leichtesten auf einer Konferenz ju erzielen sein, die ganz unabhängig von den dafür sprechenden rechtlichen Erwägungen ein geeignetes Mittel zur Herbeiführung eines Ausgleichs zwischen den bestehenden politischen und handelspolitischen Interessen der Signatarmãchte bieten würde. Die Konferenz würde überdies dem Sultan, dessen Zustim. mung die erste Voraussezung der Reformen bildet, ein Eingehen auf die Vorschläge wesentlich erleichtern, da das Reformwerk alsdann die Sanktion aller beteiligten Mächte erhalten würde. Wenn das französische Erposs ausführt, daß Frankreich infolge der Nachbarschaft Algeriens und der Ausdehnung der gemeinsamen Grenze zu dem Reformwerk in erster Linie berufen sei, so ist ohne weiteres zuzugeben, daß Frankreich ein sehr legitimes Interesse daran hat, die Ordnung im Grenzgebiet aufrecht erhalten zu sehen. Dagegen werde es nicht wohl beansrruchen können, andere Mächte von der Teil- nahme an dem marokkanischen Reformwerke von vornherein aus- zuschlie ßen. ; (

Indem das auf der Konferenz zu vereinbarende Reformwerk der Unabhängigkeit des Sultans eine größere Garantie gewährt, würde es auch den Absichten entsprechen, von denen der Sultan bei der Ein⸗ ladung zu der Konferenz ausgegangen ist. In diesem Sinne hat die Kaiserliche Regierung die Einladung angenommen, und dieser Charakter wird auch dadurch nicht geändert, daß sie sich selbst die Wahrung ihrer vertrags mäßigen Rechte vorbehält. Sie betrachtet es nicht, wie dag franzöͤsische Exposs ausfübrt, als Zweck oder gar als Hauptjwed der Konferenz, die Rechte der Signatarmächte aus der Madrider Kon- vention von neuem sicher zu stellen; sie laubt aber allerdings, daß, wenn diese vertragz mäßigen Rechte im en f. der Reformen eine Einschränkung erfabren sollen, dies nur durch den einstimmigen Be— schluñ aller diefer Mächte gescheben kann. Dementsprechend hat auch der Sultan anderweit zu erkennen gegeben, daß er dag Reformwerk von dem einstimmigen Beschlusse der Signatarmächte abbängig mache.“

Ein vollständiges Programm zu entwerfen, lehnt die deutsche Regierung aus formalen und sachlichen Gründen ab.

Die Kaiserliche Regierung“, beißt es zum Schluß, gibt sich der Hoffnung hin, daß die Regierung der Französischen Republik ihre gegenwärtigen Bedenken gegen eine Konferenz den dauernden Vorteilen unterordnen wird, die das Zustandekommen des Reformwerks für Marokko wie für die Rube der Welt mit sich brächte.“

Es folgen darauf die die französische Zustimmung zur Konferenz enthaltenden Erklärungen vom 8. Juli und n . die Vereinbarung vom 28. September über die dem Sultan zu erteilenden Ratschläge hinsichtlich des Konferenzprogramms.

Schließlich teilt das Weißbuch Attenstücke über die Frage des Molenbaus in Tanger mit, die das Verfahren der deutschen Regierung in dieser Angelegenheit klarstellen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die heutige (15) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretãr des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel beiwohnte, eröffnete der Praͤsident Graf von Ballestrem mit einem Neujahrsgruß an die Mitglieder.

Das Haus begann darauf die Generaldiskussion des Gesetzentwurfs, betreffend die Ordnung des Reichshaus⸗ halts und die Tilgung der Reichsschuld mit den An⸗ lagen: Novelle zum Brau⸗ und Tabaksteuergesetz, Zigaretten⸗ nn, n. Novelle zum Reichsstempelgesetz, Erbschaftssteuer⸗ gesetz.

Die Beratung wurde eingeleitet durch den Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherrn von Stengel, über dessen Rede morgen berichtet werden wird.

In der heutigen (7) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanzminister R 2 von Rheinbaben und der Minister der öffentlichen Arbeiten von Budde beiwohnten, gab zunächst der Prãäͤsident von Kröcher einige Eingänge bekannt, worauf der Finanzminister