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besondere auch auf den steuerfreien Branntwein für gewerbliche und Haushaltungsiwecke erstrecken würde, gerade von den grundsaͤtzlichen Gegnern der sogenannten Liebesgabe sicherlich selbst am allerwenigsten gewünscht wird. Es würde natürlich damit Hand in Hand gehen auch eine Verteuerung des Trinkbranntweins. Dagegen hätte ich meinerseits weniger Bedenken, obwohl doch die Differenz im Auge behalten werden sollte, die wir jetzt noch in An⸗ sehung der Steuerbelastung des Trinkbranntweins und des Bieres haben. Während das Bier nach der gegenwärtigen Gesetzgebung in der Norddeutschen Brausteuergemeinschaft — nach dem Werte des Produktes berechnet — belastet ist mit etwa 2 bis 3 0,, beträgt die Steuerbelastung bei dem Trinkbranntwein gegenwärtig das Zehn . bis Zwanzigfache dieses Betrages. (Hört, hört! rechts.)
Anders liegen die Verhältnisse bei der sogenannten kleinen Liebesgabe, die mit der Maischraumsteuer im Zusammenhang steht. In dieser Beziehung ist ja, wie ich auch am 6. Dezember v. J. bereits zu erwähnen Gelegenheit hatte, regierungsseitig die Zusage gemacht, daß der Frage näher getreten werden soll, wie einem weiteren Anwachsen der Maischraumprämie wirksam vorgebeugt werden soll. An dieser Zusage wird unserseits festgehalten. Die Sache eilt aber im Augenblick nicht so sehr, weil sich die Verhältnisse seit Jahr und Tag vollständig verschoben haben, weil nämlich der Gesamtbetrag der Maischraumprämie ohnehin in der letzten Zeit nicht unerheblich gefallen und eine Steigerung in der nächsten Zeit nicht zu er warten ist.
Ich gehe nun über zu der Brausteuer. Hier bin ich genötigt, da von mehreren Seiten auf einen gewissen Vorgang in der Budget— kommission vom 23. März 1905 hingewiesen worden ist, auch meinerseits auf diesen Punkt mit einigen Worten einzugehen. Ich fühle mich verpflichtet, diese Angelegenheit hier in diesem hohen Hause vollständig klarzustellen. Als die damaligen Verhandlungen in der Budgetkommission des Reichstages statt⸗ fanden, da befanden wir uns in Ansehung einer Revision der norddeutschen Brausteuergesetzgebung noch in dem Stadium der Vor⸗ arbeiten. Damals waren, wie ich ausdrücklich zu Protokoll erklärte, die maßgebenden Instanzen, vor allem auch der Bundes⸗ rat, mit der Angelegenheit noch in keiner Weise befaßt. Ich mache nun gar kein Hehl daraus, daß ich von dem ersten Tage an, wo ich mein gegenwärtiges Amt übernommen hatte, in dem fort schreitenden Rückgang des Ertrages der Brausteuer, auf den Heklo— liter Bier berechnet, einen ganz erheblichen Mißstand erblickte, auf dessen Abstellung ich mit tunlichster Beschleunigung hinwirken zu sollen glaubte. Nach Absicht des Gesetzgebers war doch daran gedacht, daß der Hektoliter Bier in der Norddeutschen Brausteuergemeinschaft etwa 1 an Steuer abwerfen sollte. Inzwischen ist bis zu meinem Amtsantritt dieser Ertrag der Steuer per Hektoliter von 11 allmählich heruntergesunken auf den durchschnittlichen Betrag von 73 35 Ich be⸗ merke dabei, daß jeder Pfennig, um den der Ertrag der Brausteuer per Hektoliter sinkt, für das Reich einen Verlust von annähernd 1 Mill. Maik bedeutet. Es war deshalb eine meiner ersten Aufgaben, namentlich bei der Inangriffnahme einer Revision dieses Brausteuer⸗ gesetzes, die ja auch aus dem Reichstage wiederholt angeregt worden war, zu erwägen, wie der Ertrag der Brausteuer wenigstens wiederum auf die Höhe gehoben werden könnte, die der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers entsprach. Diese Frage bildete für mich neben der Frage des Surrogatverbots und der Staffelung einen der wichtigsten Punkte der Revisionsarbeit. Die andere Frage, ob und inwieweit etwa der Ertrag der Steuer für die Folge noch zu steigern sein würde, hing nach der Natur der Sache von der zukünftigen Höhe des ge— samten Deckungsbedarfes im Reiche ab, die damals noch in keiner Weise übersehen werden konnte. Diese Frage konnte daher auch erst in einem späteren Stadium in die dem Reichsschatzamte obliegenden Vorarbeiten zunächst für eine Revision der Brausteuer und dann für die Reform der Reichsfinanzen überhaupt einbezogen werden. Aus diesen Arbeiten, die das Reichsschatzamt erst in einem viel späteren
Zeitpunkt vorzunehmen hatte, ist der gegenwärtige Gesetzentwurf über die Brausteuer hervorgegangen, und dieser jetzt vorliegende Gesetz⸗ entwurf bildet allein den Gegenstand der Erörterung hier im Reichstag.
Nun ist an den Vorgang in der Kommission von einem der Herren Abgeordneten eine Ausführung geknüpft worden, welche darin gipfelte, daß durch die damaligen Behauptungen und Ausführungen auch von der Regierungsseite die öffentliche Meinung, wenn auch ohne Absicht, irregeleitet worden sei. Ich möchte jeden etwaigen Vorwurf in dieser Richtung meinerseits ernstlichst zurückweisen.
Den Ausführungen des Herrn Abg. Büsing bezüglich der Brausteuer kann ich vollkommen beipflichten. Er hat nur die Spannung jwischen dem Ganterpreis und dem Schank⸗ preis, den sog. Schanknutzen, der den Bruttogewinn des Wirtes bildet, mit annähernd 20 M noch etwas zu gering taxiert. Es handelt sich bei der Schätzung des Herrn Abg. Büsing wie auch bei meinen jetzigen weiteren Ausführungen nur um die untergärigen Biere; die ober⸗ gärigen spielen bei dieser Frage nur eine untergeordnete Rolle. Nach neueren Ermittlungen, die erst vor wenigen Tagen zum Abschluß gebracht worden sind, stellt sich dieser Schanknutzen sogar noch etwas höher, nämlich im mittleren Durchschnitt auf 22,62 S per Hektoliter. (Hört, hört! rechts) Im einzelnen gestaltet sich der Betrag dieses Schanknutzens innerhalb der verschiedenen Territorien sehr verschieden. Er beginnt an der untersten Grenze mit 11,50 M und steigert sich bis zum Höchstbetrage von nicht weniger als 35,70 S6 In Süddeutschland ist dieser sogenannte Schanknutzen beträchtlich niedriger, und das ist ja auch von anderer Seite schon erwähnt worden. Ich möchte nur, nachdem die jüngsten Ermittlungen uns vorliegen, darüber noch einige nähere Auskunft geben. Der Schanknutzen wird jetzt in Bayern auf 6,50 M berechnet, in Württemberg auf 10,40 M, in Baden auf 9, 90 . Wenn nun von einer Seite in den letzten Tagen die Behauptung aufgestellt worden ist, das erkläre sich unter anderm für Bayern sehr einfach daraus, daß die Gerste dort sehr billig sei, so möchte ich demgegenüber hinweisen auf die Seite 638 der der Vorlage angefügten Tabellen. Daraus geht im Gegenteil hervor, daß in München die Gerste erheblich teurer ist, als an verschiedenen norddeutschen Plätzen.
Ich erkenne nun meinerseits ohne weiteres an, daß der er— wähnte Schanknutzen sich für den Wirt nicht darstellt als ein reiner Gewinn, sondern bkelastet ist mit mancherlei Aufwen— dungen und Betriebskosten. Aber das ändert doch alles nichts an der einen Tatsache, daß dieser Schanknutzen in der Höhe von durchschnittlich 22,62 4 von dem Biertrinker aufgebracht werden
muß. Daran ist nicht zu jweifeln. Deshalb darf man doch wohl auch fragen: wenn es auf der einen Seite ganz berechtigt und natür⸗ lich erscheint, den Konsumenten mit einem solchen Schanknutzen von durchschnittlich 22 9 per Liter zu belasten, wie reimt es sich damit jusammen, wenn zugleich auf der anderen Seite behauptet wird, daß eine weitere Belastung der Konsumenten mit 11 3 per Liter seitens des Reiches eine unerträgliche Verteuerung des Bieres, einen unberechenbaren Konsumrückgang, eine Ausbreitung der Schnaps pest, eine Vernichtung zunächst der mittleren und kleineren Brauereien und schließlich den Niedergang der ganzen Brau⸗ industrie in der Norddeutschen Brausteuergemeinschaft zur Folge haben werde? Jawohl, meine Herren, den Wirten gegenüber sind die Schultern der Biertrinker stark genug, um mit Leichtigkeit einen Schanknutzen von 22 3 per Liter zu tragen; aber dem Reiche gegenüber sollen dieselben Schultern so schwach und so elend sein, daß sie nicht in der Lage sind, auch nur eine Erhöhung dieser Last um 16 3 tragen zu können. Diese Logik ist mir bisher un— verständlich geblieben.
Es ist dann unter anderem geltend gemacht worden, daß auch in den süddeutschen Staaten, speziell in Bayern, die Er— höhung des Malzaufschlages zunächst die Aufsaugung der mittleren und kleineren Betriebe wesentlich befördert habe, und daß auch die Staffelung in Bayern hieran nichts zu ändern vermocht habe. Es war vielleicht ein Fehler — und das ist, glaube ich, vor einigen Tagen auch von dem Herrn Abg. Speck, der den Verhältnissen näher steht, zugegeben worden —, daß man in Bayern mit der Erhöhung der Steuer nicht sofort die Einführung der Staffelung in Verbindung gebracht hat, daß man mit der Staffe—⸗ lung erst nach Jahren der Erhöhung der Steuer folgte. Seitdem aber diesem Mangel abgeholfen worden ist, ist dort in jenem Auf— saugungsprozeß wenigstens im Ansehen der mittleren Brauereien, soviel mir bekannt, ein erkennbarer Stillstand eingetreten. Bei den kleinen und bei den kleinsten Brauereien handelt es sich — was ja auch von anderer Seite schon zugegeben ist — doch viel⸗ fach mehr um Neben, und Zwergbetriebe ohne besondere wirtschaft⸗ liche Bedeutung. Läge in einem niedrigen Steuersatz eine Bürgschaft für die Erhaltung der kleinen und mittleren Betriebe, dann wäre es geradezu unerklärlich, wie es kommt, daß gerade in Norddeutschland in den 30 Jahren von 1873 bis 1903 ungeachtet einer Verdreifachung der Produktion die Zahl der Brauereien von 13 560 auf 6400 zurück gegangen ist, während gleichzeitig die Zahl der Großbetriebe mit über 60 000 M½ Steuer sich vervierfacht hat. Streng genommen, wenn man nach Adam Riese rechnet, hätten sich während dieser Zeit die 13 560 Betriebe bis auf 40 000 vermehren müssen; das würde beiläufig den Verhält⸗ nissen der Steigerung der Produktion entsprochen haben. Aber das Gegenteil war der Fall, die Betriebe sind der Zahl nach gesunken bis auf 6400.
Gerade Norddeutschland, meine Herren, mit seiner mini⸗ malen Steuerbelastung des Bieres ist das Gebiet, auf dem die großen Brauereien sich zu den größten Riesenbetrieben entwickeln konnten. Wenn irgend etwas geeignet wäre, zu beweisen, daß durch einen niedrigen Steuersatz jener Aufsaugungsprozeß nicht aufgehalten wird, der in ganz anderen Ursachen wurzelt — bei dem Bier ist dieser Aufsaugungsprozeß vielleicht noch besonders begründet in der Entwicklung des Eisenbahnverkehrs und in der Entwicklung des Flaschenbierhandels —, so ist es der Werdegang innerhalb der Norddeutschen Brauereigemeinschaft.
Dem Herrn Abg. Speck möchte ich erwidern, daß das Detail der Art der Staffelung der Brausteuer für uns einen Kardinal punkt überhaupt nicht bildet. Wenn in dieser Richtung Wünsche bestehen, so werden die verbündeten Regierungen wohl darüber mit sich reden lassen. Aber, meine Herren, eine kräftige Staffelung selbst liegt unseres Erachtens durchaus im Interesse der Erhaltung der mittleren und der kleineren Brauereien und nicht bloß in ihrem Interesse, sondern es liegt auch besonders in dem unserer heimischen Landwirtschaft. (Sehr richtig!) Auf dem Wege wird es allein ermöglicht, dem vorzubeugen, daß mehr und mehr die über das flache Land zerstreuten mittleren Betriebe allmählich durch die Großbetriebe aufgesaugt werden, und daß die Großbetriebe nicht die ersten und hauptsächlichsten Abnehmer für die Landwirtschaft in Ansehung ihrer Produkte sind, das, glaube ich, bedarf wohl keiner näheren Darlegung.
Wenn der Herr Abg. Südekum dann auf die Erfahrungen hingewiesen hat, die man in Württemberg mit der Staffe— lung, namentlich mit der in den letzten Jahren ver⸗ schärften Staffelung gemacht hat, so kann ich ihm erwidern und mitteilen, daß nach einer amtlichen Auskunft, die wir von der Königlich württembergischen Regierung erst in der allerjüngsten Zeit erhalten haben, die jetzige höhere Staffelung den Erwartungen, die die Regierung daran geknüpft hat, wenigstens teilweise entspricht. Daß sie ihr ganz entspricht, ist aus dem Grunde schon nicht zu fordern, weil, wie von verschiedenen Seiten auch anerkannt ist, der Aufsaugungsprozeß auch in einer Reihe von anderen Umständen seinen Grund hat. Aber das ist nach der württembergischen Mitteilung als sicher anzunehmen, daß für die mittleren und kleineren Brauereien die gesteigerte Staffelung unbedingt von Nutzen gewesen ist. Die Vorteile des Surrogatverbots werden ja wohl auch von den Gegnern der Vorlage im wesentlichen anerkannt. Auch das Surrogat⸗ verbot liegt im landwirtschaftlichen Interesse, insbesondere, wenn es beschränkt bleibt auf die untergärigen Biere. Für die Landwirtschaft wird dadurch erreicht, daß in Ansehung der Herstellung der unter— gärigen Biere der Wettbewerb der ausländischen Produkte wie Reis und Mais für sie wegfällt.
Nach den Erfahrungen, die anderwärts gemacht worden sind, wird das Surrogatverbot auch mehr als alles andere dazu geeignet sein, der Schnapspest entgegenzuwirken, viel mehr als wenn etwa eine Erhöhung des Preises des Bieres um 11 3 unterbliebe. Je bekömmlicher, je reiner, je besser das Bier bereitet wird, desto mehr wird auch sein Konsum in Aufnahme kommen, und desto mehr darf erwartet werden, daß es dem Schnapsgenuß die Konkurrenz macht, welche den Absichten der Regierungen entspricht.
Was nun die aus den Interessentenkreisen laut gewordenen Prophe⸗ zeiungen anlangt, daß durch die Vorlage nicht bloß die Brauindustrie, sondern, wenn ich gleich das hier noch einfügen darf, auch die Tabaks industrie ihrem Ruin entgegengeführt werde, und daß viele Tausende von Arbeitern dadurch brotlos gemacht und ins Elend getrieben würden, so muß ich sagen: ich stehe allen solchen Prophezeiungen auf Grund lang⸗
jähriger Erfahrungen nachgerade ziemlich skeptisch gegenüber. Ich will das hohe Haus nicht ermüden durch die Erwähnung einer größeren l
Anjahl von Beispielen, ich möchte nur auf einen Vorgang hinweisen, der wohl noch ziemlich frisch im Gedächtnis des hohen Hauses steht. Das sind die Vorgänge, die sich abgespielt haben bei der Ver— abschiedung des Schaumweinsteuergesetzes von 1902. Da wurde auf Veranlassung der Interessenten eine Reihe von Flugschriften verteilt, in denen der von den verbündeten Regierungen eingebrachte Gesetzentwurf bezeichnet wurde als eine verhängnisvolle Torheit, als ein SGesetz gegen den deutschen Schaumwein“, als die antisozialste Steuer, die man sich überhaupt nur denken könne“ (Heiterkeit, und es wurde der Unter- gang der ganzen deutschen Schaumweinindustrie im voraus angekündigt. Es wurde auch behauptet, der Verbrauch an Schaumwein werde ge⸗ waltig überschätzt, der Ertrag der Steuer werde im besten Falle kaum auf mehr als etwa 1— 15 Millionen und in ganz besonders günstigen Jahren auf 2— 3 Millionen Mark geschätzt werden können. Meine Herren, keine dieser Behauptungen hat sich bestätigt. Die Schaum— weinindustrie hat seit der Einführung jenes Gesetzes weitere Fortschritte gemacht, der Ertrag der Abgabe erreicht schon jetzt mit etwa 5 Millionen nahezu die seinerzeitige Veranschlagung in dem Regierungsentwurf, obwohl der Reichstag, was ich hervorzuheben nicht unterlassen will, seinerzeit den Steuersatz um 10 3 per Flasche ermäßigt hat. Ob er es heute wieder tun würde, weiß ich nicht. (Heiterkeit rechts) So bewahrheiten sich die Prophezeiungen aus den Interessentenkreisen.
Bevor ich nun das Bier verlasse, möchte ich mir gestatten, Ihnen auch noch einige nicht uninteressante, lehrreiche statistische Zahlen vor⸗ zuführen. Einen Teil davon entnehme ich aus einer österreichischen Fachzeitschrift, bemerke aber, daß ich meinerseits die volle Bürgschaft für die Richtigkeit der Zahlen nicht zu übernehmen vermag. Aber eg sind regelmäßig wiederkehrende statistische Mitteilungen, die doch auch wohl einen gewissen Glauben verdienen. Da die Produktionsverhältnisse und die Steuerbelastung der süddeutschen Staaten ohnehin genugsam bekannt sind, glaube ich mir nach dieser Richtung hin besondere Mit— teilungen ersparen zu können.
Weniger bekannt sind die Verhältnisse im Ausland. Aus der genannten Fachzeitschrift entnehme ich, daß im Jahre 1903 die gesamte Bierproduktion der Welt, oder vielleicht besser gesagt der Erde, soweit überhaupt die Statistik reicht, 26 6 Milliarden Liter Bier betragen hat. Ich darf wohl annehmen, daß dieses Quantum auch getrunken worden ist. (Heiterkeit) Der gesamte Steuerertrag hat sich auf 940 Millionen Mark belaufen. Danach entfällt für die Erde im Durchschnitt auf den Hektoliter Bier an Steuern 3,60 S6 Diesem Betrag gegenüber erheben wir zur Zeit in der Norddeutschen Brausteuergemeinschaft 6,73 M oder nicht einmal den fünften Teil im Durchschnitt. In England, um wenigstens noch einen anderen Staat vorzuführen, der übrigens gegen⸗ wärtig wohl mit an der Spitze der Bierproduktion steht, sind in den letzten 5 Jahren durchschnittlich aufgekommen an Brausteuer 286 Millionen Mark (hört, hört! rechts), also auf den Kopf der Bevölkerung 6.82 MS (Hört, hört) Das ist der achtfache Betrag gegen— über dem Ertrag der Brausteuer der Norddeutschen Braufteuer⸗ gemeinschaft. Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen allerdings hinter diesem Ergebnisse in England nicht unerheblich zurück, überragen aber in Ansehung des Steuerertrags doch weit die nord⸗ deutsche Steuergeme inschaft. Ich möchte bei dieser Gelegenheit daran erinnern, daß es sich hier um einen Bundesstaat handelt mit republi⸗ kanischer Verfassung. (Hört, hört! rechts). Diese Zahlen reden, glaube ich, eine recht deutliche Sprache, und ich muß sagen, ich ver— stehe nicht, wie man angesichts dessen noch wird behaupten können, daß durch die dem Reichstag hier überreichte Vorlage der verbündeten Regierungen die norddeutsche Brauindustrie dem Untergange geweiht sei. (Hört, hört!)
Nun einige Worte über den Tabak. Hier möchte ich hervor— heben, insbesondere, weil das von allgemeinerer Bedeutung ist, zunächst die Frage des Verbrauchs rückganges. Da ist versucht worden, besonders auch in sehr ausführlicher Weise in der Presse, unter Hin— weis auf die Vorgänge unmittelbar vor und nach dem Jahre 1879, wo bekanntlich eine Aenderung der Tabalsteuergesetzgebung eintrat, nachzuweisen, daß auch von der jetzt vorgeschlagenen Erhöhung der Steuer ein ganz enormer Rückgang zu besorgen sein werde.
Ich möchte bei Würdigung dieser Angelegenheit ganz beifeite lassen den einen Punkt, daß das Tabaksteuergesetz von 1879 doch ver— hältnismäßig weit einschneidender eingegriffen hat in die Tabak— industrie und den Tabakhandel als die jetzigen Vorschläge. Ich will auch zugeben, daß, wenn man nur die Periode der 70er Jahre mit der der S0er Jahre, wie es ja geschehen ist, ganz oberflächlich mit einander vergleicht, man zu einem solchen Schluß kommen kann, wie er von der Tabakindustrie gezogen und uns vorgeführt worden ist.
Aber ich möchte betonen, meine Herren, daß unsere Statistik in Ansehung des Tabaks doch überhaupt keine Verbrauchsstatistik ist. Wir sind ja doch nicht in der Lage, jedem Raucher die Zigarre aus dem Munde zu nehmen, die Zigarren zu zählen und zu wagen; sondern die Statkstik, die wir bezüglich der Tabaksteuer haben, ist eine Produktions und Einfuhrstatistik. Wir schließen nur aus den Produktions, und Einfuhrzahlen auf den Konsum. Dieser Rückschluß von der Produktion und Einfuhr wird uns in normalen Zeiten ein ziemlich zutreffendes Bild liefern von dem wirklichen Verbrauch. Die Periode der siebziger Jahre aber, die aus den Interessentenkreisen beraus benützt worden ist, um zu statistischen Vergleichen zu dienen, ist in der Tat ganz abnorm gewesen. In der ersten Hälfte der 70er Jahre wurde nämlich die Einfuhr von Tabak wesentlich be— einflußt durch die Wirkungen des vorausgegangenen Krieges, während dessen nach der Natur der Sache Handel und Wandel in Stockung geraten waren. Die zweite Hälfte der 70er Jahre aber stand unter dem Einfluß der Zoller höhung, von der alle Welt wußte, daß sie in wenigen Jahren kommen werde. Nun war es natürlich, daß angesichts dieser bevorstehenden Zollerhöhung eine ungewöhnlich hohe Voreinfuhr, die zwei Jahre hindurch dauerte, einsetzte. Diese riesigen Importen von Tabak, die auf die zweite Hälfte der 70er Jahre fallen, wurden großenteils erst konsumiert im Laufe der 80er Jahre. Aber dieser Konsum entzieht sich der Statistik, weil wir eben keine Konsumtions⸗ statistik haben, sondern nur die von mir schon erwähnte Produktions und Einfuhrstatistik. Will man also, meine Herren, genau und richtig rechnen, so muß man jene ganz abnorme Periode der siebziger Jahre überhaupt außer Betracht lassen.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
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(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Tut man dies aber, so gelangt man zu einem ganz anderen Ergebnis, als es uns von der Tabakindustrie vorgeführt worden ist, nämlich zu dem Ergebnis, daß ungeachtet der Steuer— und Zollerhöhung von 1879, welche eine außerordentlich hohe war, und ungeachtet des in diese Zeit fallenden Uebergangs von der Pfeife zur Zigarre und Zigarette, welcher Uebergang den gesamten Konsum von Tabak auch nicht günstig beeinflußt hat, in der Periode von 1861 bis 1906 der Verbrauch langsam aber stetig von 1,3 kg bis auf 1,6 kg per Kopf der Bevölkerung vorge— schritten ist. Meine Herren, Sie können das ganz genau verfolgen, wenn Sie nur die Periode der 70 er Jahre weglassen. Dann ist die fortschreitende Vermehrung des Konsums eine durchaus gleichmäßige von Jahrzehnt zu Jahrzehnt.
Man sieht übrigens hieraus, meine Herren, — und ich kann mir diese Bemerkung durchaus nicht schenken — mit welchen Mitteln eine Industrie, die unter dem Schutze des Deutschen Reichs zu hoher Blüte gelangt ist, zu einer Zeit, wo sich das Reich in Not befindet, die öffentliche Meinung zu beeinflussen weiß, um den Tabak von der durchaus berechtigten Heranziehung dieses entbehrlichen Genußmittels zur Deckung des Defizits loszulösen.
Nun einige Worte über das Kapitel der Arbeiterentlassungen. Auch in dieser Hinsicht ist auf die Folgen des früheren Gesetzes vom Jahre 1879 verwiesen worden, und es sind daraus die schrecklichsten Folgerungen gezogen worden. Ich habe schon früher Gelegenheit gehabt, am 6. Dezember, mich über diese Angelegenheit zu verbreiten. Ich habe damals hingewiesen auf die ganz unglaublichen Uebertreibungen, mit denen in der Presse ge— arbeitet worden ist; ich habe darauf hingewiesen, daß behauptet worden ist, im Eichsfeld allein seien über 150 000 Personen, die in der Tabak— industrie beschäftigt seien und brotlos werden würden, wenn das Gesetz justande käme. Hinterher hat sich herausgestellt, daß im ganzen Eichs— feld überhaupt nicht so viele Einwohner sind, und daß nur etwa 7000 Personen im ganzen Eichsfeld hier in Frage kommen könnten als in der Tabakindustrie und in den Nebenbetrieben beschäftigt. Nun meine Herren, die Statistik rechtfertigt nach unseren Ermittelungen auch diese Besorgnis in keiner Weise. Ich knüpfe hier an die Gewerbezählung von 1875 an. Danach waren in der Tabakverarbeitung damals über⸗ haupt beschäftigt 110 891 Personen; nach der Zählung von 1882, also ein paar Jahre, nachdem das Gesetz von 1879 in Wirksamkeit getreten war, sind es 113 396 Personen. Es sind ja nicht viel mehr, aber immerhin ist von einem Rückgang hier nichts zu bemerken. Jedenfalls können also danach erbebliche Arbeiterentlassungen nach 1879 nicht eingetreten sein. Die Zählung von 1895 hat ergeben 153 080 Per⸗ sonen, also noch eine erhebliche weitere Zunahme. Auf der anderen Seite darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Mehr— belastung, die wir für Zigaretten in Vorschlag gebracht haben, und die Zollerhöhung, die für Fabrikate eintreten soll, nicht verfehlen wird, in Verbindung mit der fortschreitenden Be— völkerungszunahme den Bedarf an Arbeitskräften innerhalb der Zigarren⸗ und Rauchtabakindustrie für die Folge noch beträchtlich zu steigern.
Noch einen Punkt habe ich bezüglich des Tabaks hervorzuheben. Das ist die schon mehrfach besprochene Verschiebung in der Tabak industrie von Nord⸗ und Mitteldeutschland nach Süddeutschland. Es muß zugegeben werden, daß gemäß der Statistik, nach der Zahl der in der Tabakindustrie beschäftigten Personen zu schließen, die Entwicklung der Zigarrenfabrikation in Süddeutschland rascher vor sich geht als in Mittel⸗ und Norddeutschland. Es ist dies auch ganz natürlich, nachdem dort die Fabriken sich mitten in den inländischen Produktionsbezirken befinden. Nicht richtig ist aber, meine Herren, daß sich diese Ent— wicklung vollzogen hat auf Kosten, zu Lasten, unter Zurückdrängung der mittel- und norddeutschen Industrie. Auch in Nord, und Mitteldeutschland zeigt die Zahl der in den letzten Dezennien in der Zigarrenindustrie beschäftigten Arbeiter eine beträchtliche Zunahme. Wenn in Süddeutschland die Zunahme relativ noch eine stärkere war, so ist das für die norddeutsche und mittel⸗ deuische Zigarrenindustrie doch noch kein Grund zur Klage. Wo liegt denn Süddeutschland? Es liegt doch innerhalb des Reichsgebiets, und wir haben doch seit der Gründung des Zollvereins für das ganze Deutsche Reich ein gemeinsames, einheitliches Wirtschaftsgebiet ge⸗ schaffen. In Anbetracht dessen sollten meines Erachtens derartige Klagen, die so wenig begründet sind, füglich unter⸗ bleiben. Uebrigens können nach unserem Dafürhalten die Fabrikanten in Nord⸗ und Mitteldeutschland bezüglich der Gefahr einer weiteren Verschiebung der Industrie nach dem Süden schon insofern außer Sorge sein, als auch in Süddeutschland — was ich ja mit Freuden begrüße — nach den Mitteilungen, die uns von sehr sachkundiger Seite zugegangen sind, die Löhne der Zigarren arbeiter und Zigarrenarbeiterinnen gegen früher erheblich in die Höhe gegangen sind, und gerade die Differenz der Löhne war ja mit eine Hauptursache jener seinerzeit zum Teil vielleicht eingetretenen, zum Teil
nur besorgten Verschiebungen in der Industrie.
Nun noch ein paar Worte über den Konsum an Rauchtabak. Auch der Rückgang dieses Konsums wird dem Gesetz von 1879 in die Schuhe geschoben, und es werden dann auch wiederum die ent sprechenden Folgerungen für den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zu ziehen versucht. Mit Unrecht: der Rückgang des Konfums an Rauch⸗ tabak hängt ohne Zweifel mit der wachsenden — und zwar in den weitesten Kreisen wachsenden — Vorliebe für Zigarren und Zigaretten zusammen. Auch die Arbeiter, die sich früher mit dem Rauchen aus der Pfeife begnügten, sind heute großenteils unter die anspruchsvolleren Raucher der Zigarre und der Zigarette gegangen. Sollten sie sich wiederum an der Pfeife genügen lassen — wie das ja in anderen Ländern noch der Fall ist — so würden sie, wie ich glaube, ungeachtet der jetzt vorgeschlagenen Zoll- und Steuererhöhung noch beträcht⸗ lich billiger wegkommen als bisher mit der Zigarre oder Zigarette.
Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Freitag, den L2. Januar
Zum Schluß dieser Ausführungen, die sich auf den Tabak beziehen, lassen Sie mich noch einen Blick werfen auf die Steuerbelastung in anderen Staaten. Ein Blick auf die Gesetzgebung der uns umgeben— den Staaten lehrt uns, daß der Tabak fast nirgends so niedrig mit Abgaben belastet ist, wie bei uns. Ich will von den Monopolländern gar nicht reden; aber selbst in England, wo bekanntlich kein Monopol besteht, ist der Tabak geradezu um das Fünffache höher belastet als bei uns. Auch in den Vereinigten Staaten beziffert sich die Be— lastung des Tabaks ganz beträchtlich höher, als das im Deütschen Reiche der Fall ist. Es ist nun in keiner Weise ersichtlich, warum gerade in Deutschland, ungeachtet des vorhandenen Riesendefizits, mit dem wir in unserem Haushalt zu kämpfen haben, jenes durchaus entbehrliche, vielen sogar nicht ganz unschädliche Genußmittel gegen⸗ über anderen Ländern steuerlich besonders geschont werden soll. Solange der Reichstag sich nicht in der Lage sieht, uns ein anderes, geeigneteres Steuerobjekt von gleich hoher Ergiebigkeit in Vorschlag zu bringen, werden die verbündeten Regierungen ihrerseits an der von ihnen vor⸗ geschlagenen Erhöhung des Tabakzolls und der Tabaksteuer festhalten müssen.
Ich gehe nun nur mit ein paar Worten über zu der Be⸗ steuerung der Zigaretten oder vielmehr zu der Zigarettenpapier⸗ steuer. Im allgemeinen hat ja gerade dieser Vorschlag ver⸗ hältnismäßig am wenigsten Widerspruch und Bedenken gefunden. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Nur vereinzelt ist auf die Schwierigkeiten in der Durchführung hingewiesen worden. Nun, meine Herren, wir werden darüber in der Kommission uns noch des näheren unterhalten können. Einer der Herren Redner von der linken Seite dieses Hauses hat beklagt, daß in der Folge durch die Vorlage den kleinen Zigarettenpapierfabrikanten die Existenz— möglichkeit genommen sei. Ich wäre dem betreffenden Herin sehr dankbar, wenn er mir mitteilen wollte, wo sich in dem Deutschen Reiche diese kleineren Zigarettenpapierfabrikanten befinden. Uns ist nur eine einzige solche deutsche Zigarettenpapierfabrik bekannt, und von dieser Seite ist uns bis jetzt eine Klage über die beabsichtigte Besteuerung der Zigaretten nicht zu Ohren gekommen.
Nun einige Worte zu den Stempelsteuern. Ich werde mich übrigens auch hier möglichster Kürze befleißigen müssen; denn die Materie ist so ausgedehnt, daß es andernfalls gar nicht möglich wäre, durch sie ohne zu viel Zeitaufwand hindurchzukommen.
Fast alle Einwendungen, meine Herren, die gegen diese Stempel⸗ steuern oder Verkehrssteuern erhoben worden sind, würden sich eigentlich schon dadurch widerlegen lassen, daß der Steuerbetrag, um den es sich handelt, doch ganz außerordentlich gering ist. In den meisten Fällen handelt es sich um Beträge von 10 oder gar nur 5. Pfennig, eine Abgabe, die im Einzelfalle sicherlich niemanden bedrücken wird. Die Bemängelungen, die wir vernommen haben, gehen in der Tat auch mehr dahin, nicht, daß z. B., wer 100 Kilometer in der 3. Klasse zurücklegt, mit 10 3 belastet wird, sondern dahin, daß der andere, der eine viel weitere Strecke zurücklegt, eine Strecke, will ich sagen, von Königsberg bis Metz, auch nicht mehr zu bezahlen hat. Dann gehen die Klagen dahin, daß z. B. von einer Quittung über 1 Million auch nicht mehr Stempel zu entrichten ist als von einer Quittung über 21 S Aehnlich liegen die Einwendungen, die erhoben worden sind gegen die Besteuerung der Frachturkunden.
Demgegenüber möchte ich aber darauf hinweisen, daß gerade für solche Verkehrsabgaben der Fixstempel doch auch einen außerordentlich großen Vorzug hat. Er darf sich natürlich nur in minimalen Beträgen bewegen; aber er hat für die Erhebung auf beiden Seiten jedenfalls den nicht zu unterschätzenden Vorteil außer⸗ ordentlicher Einfachheit, und wie die Herren aus der Begründung unserer Vorlage entnommen haben werden, der Ertrag dieser Abgabe ist gleichwohl ein durchaus nicht geringer.
Berechtigt könnten vielleicht die Klagen größerer Unter⸗ nehmungen erscheinen, die auf einen sehr starken Päckerei⸗ oder Reise⸗ verkehr angewiesen sind. Indessen darf doch auch von diesen nicht außer acht gelassen werden, daß sie es schließlich nicht sind, denen definitiv die Abgabe zur Last fällt, sondern daß sich die Abgabe auf die Konsumenten, auf die Abnehmer verteilt, die auch diese Lasten, ebenso wie bisher schon die Portoausgaben und die sonstigen Spesen, zu tragen haben werden. (Widerspruch links. Hört, hört! in der Mitte)
Auffällig ist bei einem Rückblick auf die bisherigen Be⸗ ratungen in diesem hohen Hause und auf die bisherigen Er— örterungen in der Presse, daß gerade die Geschäfts, und Gewerbskreise, die dem Mittelstande angehören, so ganz besonders gegen die in Rede stehende Steuer opponieren. Diese werden dadurch doch jedenfalls weit weniger getroffen, selbst wenn ein kleiner Teil davon nicht sollte abgewälzt werden, als die Riesenwarenhäuser, die Riesenversand⸗ geschäfte, die gerade dem Mittelstand und den kleinen Kaufleuten eine so außerordentlich große Konkurrenz bereiten, eine Konkurrenz, über die der Mittelstand fortgesetzt und in der Tat auch nicht unberechtigt Klage führt.
Mit diesen Erwägungen, meine Herren, könnte wohl auch über den am meisten angefochtenen Quittungsstempel hinweg gekommen werden. Wenn man bedenkt, wie gering im täg- lichen Leben die Ausgabe eines Nickels von 160 geachtet wird, wenn man dabei auch noch in Betracht zieht, wie sich die Verhältnisse in dem Auslande gestaltet haben, wie leicht dort der Quittungsstempel getragen wird, wie rasch sich dort auch die weitesten Volkskreise an die Abgabe gewöhnt baben, so ist in der Tat schwer abzusehen, wie der geringe Aufwand, den die Stempelung der Quittungen erfordert, etwa davon abhalten sollte, die Quittungs—⸗ erteilung zu unterlassen dort, wo es im Interesse der Rechtzsicherheit irgendwie geboten eischeint, und diese Besorgnis bildet ja doch wohl den Kernpunkt aller Angriffe gegen den Quittungs⸗
stempel. . Es sind ja dann auch bezüglich des Quittungsstempels sowie auch
19006.
in Ansehung der Besteuerung der Fahrkarten gewisse Amendierungen der Gesetzesvorlage in Anregung gebracht worden. Ich kann darauf⸗ hin bemerken, daß die verbündeten Regierungen gewiß ihrerseits gern bereit sein werden, soweit es möglich sein sollte, bei den bevor⸗ stehenden Kommissionsberatungen den Wünschen des Reichstags in dieser Beziehung entgegenzukommen.
Ich gehe nun über zur Erbschaftssteuer, bezüglich deren ich mich ebenfalls auf wenige Bemerkungen beschränken werde. Sie ist von der Mehrheit dieses hohen Hauses, soweit ich dies zu beurteilen ver— mag, an sich nicht angefochten worden. Es ist aber allerdings mehr⸗ fach angeregt worden, eine Ausdehnung der Reichserbschaftssteuer auf Deszendenten und auf Ehegatten eintreten zu lassen. Wie sich die geehrten Herren erinnern werden, ist im Anschluß an die ausführ— liche Begründung des Gesetzentwurfs schon bei der ersten Beratung am 6. und 7. Dezember v. J. vom Regierungstisch aus ausführlich dargelegt worden, welche gewichtigen Bedenken gegen eine solche Ausdehnung der Reichserbschaftssteuer sprechen würden. Ich sehe heute deshalb davon ab, diese Bedenken im einzelnen zu wieder holen. Ich möchte aber eines doch hervorzuheben nicht unterlassen, das eine, meine Herren, daß die in bezug auf die künftige weitere Ausbildung der Steuer namentlich von sozialdemokratischer Seite gemachten Ausführungen sicherlich nicht dazu angetan waren, diese Bedenken der verbündeten Regierungen irgendwie ab⸗ zuschwächen. (Bravo! rechts.)
Dem Herrn Abg. Singer gegenüber möchte ich dann nur noch folgendes betonen. Er hat die vorgesehene Befreiung der Landes fürsten und landesfürstlichen Familien, die übrigens nur in einem sehr engen Rahmen gehalten ist, bemängeln zu sollen geglaubt. Ich möchte demgegenüber bemerken, daß diese Befreiung der Landesfürsten durchaus der in Deutschland zur Zeit geltenden Erbschaftssteuergesetzgebung entspricht, und daß sie auch entspricht den allgemein in Deutschland anerkannten staatsrechtlichen Grund- sätzen. Für die sog. piae causae, das möchte ich gegenüber dem Herrn Abg. Singer ebenfalls noch hervorheben, ist eine Befreiung nur in Ansehung kleinerer Anfälle bis auf 3000 S vorgesehen; im übrigen sollen diese Anfälle an piae causas nur eine Begünstigung in Ansehung der Steuerpflicht genießen, eine Begünstigung, wie sie in fast allen Staaten herkömmlich ist, nicht bloß in den deutschen, sondern auch in einer Reihe von Staaten des Auslandes. Die Begünstigung für den Grundbesitz gegenüber dem beweglichen Vermögen findet ihre Rechtfertigung namentlich darin, daß das bewegliche Vermögen sich er⸗ fahrungsgemäß in Ansehung auch der Erbschaftssteuer dem Zugriff der Steuerbehörde weit leichter zu entziehen vermag, als das bei Grund stücken der Fall ist. Beim ländlichen Grundbesitz kommt es aber ins— besondere noch darauf an, daß er auch in Erbfällen möglichst unzersplittert in einer Hand erhalten bleibe, und es ist hier schon aus diesem Grunde eine gewisse Rücksicht geboten.
Auf die verschiedenen, ziemlich zahlreichen neuen Steuervorschläge, welche aus dem hohen Hause heraus vorgetragen sind, möchte ich im Rahmen der gegenwärtigen Generaldebatte lieber nicht eingehen. Meine Herten, Sie werden mir darin gewiß auch beipflichten, wenn Sie erwägen, daß die verbündeten Regierungen bisher keine Gelegenheit hatten, sich über diese neuen Steuervorschläge ihrerseits ein Urteil zu bilden. Ich wäre also auch nur in der Lage, meine persönliche Auffassung mitzuteilen.
Zum Schluß möchte ich dem Herrn Abg. Pachnicke auf seine Anfrage noch erwidern, daß die verbündeten Regierungen es mit ihrer Stellung zu den Reichstagsbeschlüssen im vorliegenden Fall wohl genau ebenso halten dürften, wie sie es zu halten pflegen bei allen anderen Gesetzesvorlagen; sie werden zunächst abzuwarten haben die Er⸗ gebnisse der Kommissionsberatungen und die Beschlüsse, die der Reichs⸗ tag auf Grund dieser Kommissionsanträge im Plenum in zweiter Lesung fassen wird; erst dann werden sie in der Lage sein, zwischen der zweiten und dritten Lesung sich schlüssig zu machen über die Annehmbarkeit etwaiger Aenderungen, die der Reichstag vorschlagen sollte.
Ich kann meine Ausführungen, die vielleicht doch etwas länger geworden sind als mir lieb ist, nur mit dem auf—⸗ richtigen Wunsche schließen, daß bis dahin, da die verbündeten Re⸗ gierungen in der Lage sein werden, zu dieser Beschlußfassung zu schreiten, eine Einigung zwischen den gesetzgebenden Faktoren über den vorliegenden Gesetzentwurf erzielt sein möchte. (Bravo!)
Abg. Patzig (nl): Die Mahnung des Staatssekretärs, in die Einzelheiten der Deckung des großen Mehrbedarfs nicht allzu tief sich einzulassen, hat sich nach dem Gange der Debatte als durchaus berechtigt erwiesen. Auch die große finanzielle Fundamentierung dieser großen Vorlage wird in der Kommission zu prüfen sein. Ich kann nicht verhehlen, daß ich fürchte, die große Rechnung, die das Reichsschatzamt aufgestellt hat hinsichtlich des Deckungsbetrages, wird wahrscheinlich die richtigere sein. Es wird kaum gelingen, an dieser großen Ziffer des Bedarfs wesentlich etwas herab zu mindern. Wir werden uns also mit dem Gedanken vertraut machen müssen, daß wir in Höhe von weit über 200 Millionen hinaus die Deckungsmittel zu schaffen haben, wenn auch nicht für den ersten Augenblick, aber doch für die Folge. Eine solche Verpflichtung, die uns der Schatzsekretär nochmals ans Herz gelegt hat, ist für den Reichstag zweifellos vorhanden. Nachdem das Parlament in seiner Mehrheit jene Ausgaben beschlossen hat, entspricht es meines Erachtens dem demgkratischen Prinzip, auch für die nötige Deckung der Ausgaben zu sorgen. Es mag ja 3 die Dpposition bequem sein, sich dem zu entziehen, das mag sozialdemokratisch sein, aber demokratisch ist es nicht. Es wäre notwendig, daß die Gesamtheit des Parlaments für, die Deckung des Bedarfs sorgte, aber ich vermisse doch in sãmtlichen Aeußerungen der beiden sozialdemokratischen Redner irgend eine An⸗ erkennung diefes Grundsatzes. Der Abg. Singer hat uns in ganz intereffanter Weise ervliziert, wie er sich eine, man muß wohl sagen, Konfükation der Erbschaften., und des Vermögens in langsamer Weise denit, bis alle indirekten Steuern in Deutschland aus der Welt geschafft wären. Darum handelt es sich aber nicht, sondern darum, neue Steuern zu schaffen, um, den Fehlbetrag aus der Welt zu schaffen, der über 250 Millionen hinaus geht. Der Abg. Singer hat sich die Mühe gegeben, uns klar zu machen, weshalb die sozial⸗ demokratlsche Partei! auch nicht, einmal. mitwirken wolle an dieser Reichserbschaftssteuer. Ich bin doch sehr im Zweifel, ob dafür