1906 / 19 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Jan 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Nachtrag zu dem Regulativ für die Kur⸗ und Neumärkische Ritterschaftliche Darlehns kasse, betreffend die Hergabe und Abwicklung von Darlehnen an Körper⸗ schaften des öffentlichen Rechts und die Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen auf Grund dieser Darlehne.

(S 4 Nr. 5 des Statuts der Darlehnskasse.)

Dem 8 28 des Regulativs für die Kur⸗ und Neumärkische Ritter⸗ schaftliche Darlebnskasse, betreffe nd die Hergabe und Abwicklung von Darlebnen an Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Ausgabe von Inbaberschuldverschreibungen auf Grund dieser Darlebne (86 4 Nr. 5 des Statuts der Darlehnekasse) wird folgender Absatz 2 hinzu⸗

efügt: 2 Dem Spezialreservefonds werden bis auf weiteres 25 90 der Neberschüsse der Veiwaltungsbeiträge (5 15) über die aus diesen zu bestreitenden Ausgaben zugeführt.

. Vorstehender Nachtrag wird auf Grund der Bestimmungen unter 8 4B Abs. 2 des Allerhöchst am 18. Februar 1901 be⸗ stätigten Nachtrags zu den statutarischen Vorschriften der Kur⸗ und Neumärkischen Ritterschaftlichen Darlehnskasse hierdurch von mir genehmigt.

Berlin, den 5. Januar Foz,

. 8. Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. In Vertretung: von Conrad.

Die Forstkassenrendantenstelle Allenstein im Regierungsbezirk Allenstein ist anderweit und

die Forstkassenrendantenstelle Suhl im Regierungs— bezirk Erfurt zum 1. April 1906 anderweit zu besetzen.

Aichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 22. Januar.

Seine Majestät der Kaiser und König empfingen vorgestern abend im hiesigen Königlichen Schlosse den Vertreter des Auswärtigen Amts, Gesandten von Tschirschky und Bögendorff. J .

Heute konferierten Seine Majestät mit dem Reichs⸗ kanzler Fürsten von Bülow und hörten die Vorträge des Praͤses der Generalordenskommission, Generaladjutanten, Generals der Kavallerie Prinzen zu Salm⸗Horstmar sowie des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rats Dr. von Lucanus.

Der Ausschuß des Bundesrats für Handel und Verkehr und die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen hielten heute Sitzungen.

Nach den vorliegenden Nachrichten sind die gestern ab⸗ gehaltenen sozialdemokratischen Protestversamm⸗ lungen gegen das Dreiklassenwahlrecht hier wie auch in Hamburg, Altona, Breslau, Danzig, Dresden, Erfurt, Essen, Frankfurt a. M., Hannover, Kiel, Cöln, Düsseldorf, Crefeld, Posen und anderen Städten des Reichs unter ein⸗ stimmiger Annahme der vom Parteivorstand vorgeschlagenen Resolutionen ruhig und ohne Störung der Ordnung verlaufen.

Laut Meldung des, W. T. B.“ ist S. M. S. „Stosch“ vorgestern von Cadix nach Cartagena in See gegangen. S. M. S. „Luchs“ ist vorgestern in Canton eingetroffen.

Deutsche Kolonien.

Ein Telegramm aus Windhuk in Deutsch-Südwest— afrika melder W. T. B.“ zufolge:

Feldwebel Franz Siebert, geboren am 1. Februar 1876 zu Königsaue, früher im Infanterieregiment Nr. 144, ist am 5. Januar in Otavi infolge Zerreißens der Luftröhre sowie der Halsschlagader und Bruchs der Wirbelsäule durch Kameelbiß gestorben.

Oefterreich⸗ Ungarn.

Der ungarische Ministerpräsident Freiherr von Fejer— vary ist vorgestern vom Kaiser in einer zweistündigen Privataudienz empfangen worden, in der er, W. T. B.“ zu⸗ folge, Bericht über die politische Lage und die laufenden An⸗ gelegenheiten erstattete.

Rußland.

Die Berichte über heute zu erwartende ernste Unruhen werden von der „St. Petersburger Telegrap enagentur“ für grundlos erklärt, da die Mehrheit der Arbeiter wenig . dazu habe und die Regierung entschlossen sei, allen Massenkundgebungen oder mit Unruhen verbundenen Kund⸗

ebungen 9. ein Ende zu machen. Nach einer

eldung der obigen Telegraphenagentur gewinnt Ruß—⸗ land mehr und mehr seine Ruhe wieder, im ger Reiche, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete, ist

dnung und Friede wiedereingekehrt, auch haben die Un⸗ ruhen in den baltischen Gegenden, in Pelen und Sibirien er⸗ 25 abgenommen. Man erwartet, daß überall bald völlige

uhe wiederhergestellt sein wird. Geheime revolutionäre Ver⸗ sammlungen haben anerkannt, daß eine Fortsetzung der bis⸗ herigen revolutionären Aktion wegen ihrer Ohnmacht unzweck— mäßig sei. Dagegen haben sie beschlossen, Anschläge * das Leben hoher Verwaltungsbeamter auszuführen.

Eine vom Regierungsboten“ gebrachte Mitteilung über die seit Anfang Dezember vorigen Jahres entdeckten geheimen Laboratorien und Bombenwerkstätten sowie die dabei ö Materialien, Bomben und Waffen jeder Art gibt ein Bild von dem Um fang der revolutionären Vorbereitungen. Insgesamt

heit, die als ernst angesehen wird, zu untersuchen.

wurden in St. Petersburg, Moskau, Nischninowgorod, Tula, Pensa, Rostow a. Don, Jekaterinos law, Odessa, Nikola⸗ jew, Kiew, Dwinsk, Wilna und Riga entdeckt: 8 Labo⸗ ratorien und Bombenwerkstätten, 268 fertige und unge⸗ füllte Gomben, gegen 2000 Pfund Pulver, über 400 Pfund Dynamit, ferner Patronen in großer Anzahl, davon auf dem Bahnhof Moskau der Moskau⸗Rjäsan- Bahn allein 100 000 Stück und in Jefkaterinoslaw zwei Waggons mit Patronen und Dynamit, ferner Gewehre, Revolver, blanke Waffen, 1 Signalkanone und in der Fabrik Prochorow in Moskau 3 verbesserte englische Maschinengewehre.

Spanien. =

Das vom Redaktionsausschuß der Marokko⸗Konferenz entworfene Reglement für die Unterdrückung des Waffenschmuggels ist gestern den Delegierten der Mächte zugestellt worden. Der Entwurf, der, „W. T. B.“ zufolge, 15 verschiedene Artikel enthält, wird heute in der offiziellen Sitzung der Konferenz beraten werden. Auf Wunsch der spanischen Delegierten ist eine Klausel eingeschaltet worden, durch die die Ueberwachung des Waffenschmugels auf den Grenz⸗ presidios der Sahara Spanien überlassen wird. Als Grund⸗ lage für das Strafmaß dieses Gesetzvorschlags ist in erster Linie die englische Gesetzgebung gewählt worden. Um das Gesetz nach seiner Annahme durch die Konferenz und nach seiner Ratifikation durch die einzelnen Mächte durchführbar zu machen, wird man ihm auch in jedem der beteiligten Länder durch einen Erlaß Gesetzeskraft verleihen müssen, damit auch dort seine Bestimmungen durch die Gerichte zur Durchführung gelangen können.

Türkei.

Die Pforte hat, wie das, Wiener Telegr⸗Korrespondenz⸗ bureau“ meldet, in Belgrad die Erklärung abgeben lassen, daß, wenn die serbisch⸗bulgarische ,. endgiltig um Abschluß gelangen sollte, die Pforte die türkisch—⸗ en isch Handelskonvention nicht ratifizieren könne, da während der Beratungen über diese Konvention der Inhalt des Zollunionvertrags nicht bekannt gewesen wäre.

Serbien.

Von maßgebender Seite wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß die serbische Regierung auf die ihr am 18. d. M. von dem österreichisch⸗ungarischen Gesandten Freiherrn von Czikann . Note noch am selben Tage folgende Antwort erteilt hat:

Die Regierung lege selbst dem Abschluß eines guten Handels⸗ vertrags mit Desterreich⸗Ungarn großes Gewicht bei; sie werde den Vertrag mit Bulgarien, solange die Besprechungen mit Oesterreich Ungarn dauern, der Skupschtina nicht vo legen und den an dem serbisch⸗bulgarischen Vertrag anzubringenden Abänderungen zustimmen, die durch die Natur des mit Oesterreich⸗Ungarn abgeschlossenen Handelsvertrags sich als erforderlich erweisen werden.

Darauf ist der serbischen Regierung, nach einer Meldung des „Wiener Telegr⸗Korrespondenzbureaus“, vorgestern eine Note des österreichisch⸗ungarischen Gesandten zugegangen, in der die Antwort der serbischen Regierung als ungenügend be— zeichnet wird. Die K Regierung müsse darauf bestehen, daß die Schlußworte der von der serbischen Regierung abzugebenden Erklärung so lauten, wie sie in der oben erwähnten Note enthalten seien. Wie der i ig Minister des Aeußern Antonitsch aber gestern dem Gesandten Freiherrn von Czikann erklärte, lehnt es die serbische Regierung ab, die von Oesterreich⸗Ungarn gestellte Bedingung zu erfuͤllen, da sie diese mit ihrer Wuͤrde für nicht vereinbar halte. Daraufhin teilte der Freiherr von Czikann der serbischen Regierung, wie die „Neue Freie Presse“ meldet, mit, daß die Vertragsverhandlungen nicht wieder aufgenommen werden können.

Amerika.

Nach Meldungen des „Reuterschen Bureaus“ Über den französisch-venezolanischen Konflikt hat sich die Schwierigkeit der Lage erheblich vergrößert infolge der Mel—⸗ dungen über die kühle Haltung des venezolanischen Präsidenten Castro gegenüber dem Gesandten der Vereinigten Staaten Russell. Wenn in dieser Haltung , eintreten sollte, wird es möglicherweise erforderlich sein, ein amerikanisches Kriegs⸗ schiff näher an die venezolanische Küste herangehen zu lassen, als augenblicklich beabsichtigt ist. Dem Präsidenten Castro wird zu verstehen fte werden, daß es nicht geduldet werden würde, wenn Russell in ähnlicher Weise behandelt würde wie der französische Geschäststräger Taigny. In Frankreichs Programm ö die Forderung einer umgehenden bundigen Abbitte wegen der Behandlung Taignys vorgesehen. Die Erledigung der übrigen Beschwerden Frankreichs soll so lange vertagt werden, bis die Abbitte geleistet ist. Frankreich erblickt darin, daß Taigny die Erlaubnis verweigert wurde, wieder in La Guaira an Land zu gehen, eine kriegerische Hand⸗ lung. Es stellt sich heraus, daß drei wichtige In⸗ struktionen enthaltende Depeschen Taigny nicht erreicht haben. Russell ist damit beschäftigt, diese en, .

ine

gestern an Russell gesandte Depesche war ihm eben⸗ falls, als er seine letzte Depesche nach Washington sandte, noch nicht ausgehändigt. Wie ferner gemeldet wird, 9 mit den drei französischen Kriegsschiffen, die ich gegenwärtig unweit der venezolanischen Küste be— finden, zwei weiiere Kriegsschiffe vereinigt werden, sobald diese von Europa eintreffen können. Den chuflo ist angeblich eifrig damit beschäftigt, Truppen in den Hafenstädten zu sammeln und auszurüsten.

Asien.

Die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ meldet aus Teheran, daß etwa taäusend Kaufleute und Mullahs, u m * die Regierung des Schahs zu protestieren,

eheran verlassen haben und nach der Ortschaft Schabdullasima gezogen sind. Da der Schah Ruhestoͤrungen und Blut— vergießen vermeiden wollte, kam eine Versöhnung zustande unter der Bedingung, daß eine Versammlung gewählter Ver⸗ treter der Geistlichkeit, der Kaufmannschaft und der Grundbesitzer unter dem Vorsitz des Schahs einberufen werde. Diese Versammlung wird „Haus der Gerechtigkeit“ enannt und übt eine Verwaltungs⸗ und gesetzgeberische

ätigkeit aus. Es wird die Gleichheit aller vor dem Gesetz proklamiert und das Günstlingswesen abgeschafft werden. Der . Gouverneur von Teheran hat seine Entlassung eingereicht.

arlamentarische Nachrichten.

Die heutige (233) Sitzung des Reichstags, wel der Staatsminister, Staglssekretär des Innern Dr. Ge von Posadowsky⸗Wehner und der Staatssekretär Reichsschatzamtes Freiherr von Stengel beiwohnten, vom Präsidenten Grafen von Ballestrem um 1 8 20 Minuten erõffnet.

Vor Eintritt in die Tagesordnung erbat und erhielt Präsident die Ermächtigung, Seiner Majestät dem Kaist zum Geburtstage die Glückwünsche des Hauses darzubrin⸗

Der schleunige Antrag Graf Hompesch und Genosn wegen Einstellung eines gegen den Abg. Fusangel beim Am gericht in Hagen schwebenden Privatklageverfahrens des manns Fehrenberg wegen Beleidigung für die Dauer 2 Session wurde nach kurzer Befürwortung durch den Ant steller vom Hause ohne Debatte angenommen, ebenso schleunige Antrag Albrecht wegen Einstellung des gegen yy Abg. Thiele beim Amtsgericht in Halle a. S. schwebenn Privatklageverfahrens des Rechtsanwalts Suchsland wenn Beleidigung für die Dauer der Session.

Die Novelle zum Gesetz, betreffend die Statistik dea Warenverkehrs des deutschen Zollgebiets mit dem An, lande, und der Gesetzentwurf, betreffend die Wertbestin— mung der Einfuhrscheine im Zollverkehr, erledi das Haus in zweiter Lesung ohne Diskussion.

Es folgte die erste Lesung des Gesetzentwurfs, betreftn die Ausgabe von Reichsbanknoten zu 50 und 20

Abg. Ortel l): Der vorliegende Gesetzent wurf bat im bort Jahre das Schicksal verschiedener anderer Gesetzesverlagen geten die wegen Schlusses des Reichstags nicht mehr zur Verabschtt gelangt sind. Es sellen neben die 100. Markscheine jetzt 63 noten treten zu 50 und 20 . Diese Stückelung könnte nichl n derfänglich erscheinen, da sie aber die fundamentalen Grundlagen h Bankgesetzez und die Währungsfrage nicht berührt, so werden wir n justimmen. Nach der Bilanz von 1904 waren ungefähr von 1 600 Cc in Banknoten Siückelungen zu 100 46 70 o o, und zu 1000 Æ Ni vorhanden. Die Reichsbank ist in der Lage, nach dem Bedärmn des Verkehrs so viel Banknoten augzugeben, als sie für notwendig a achtet; hierin liegt ihre wirtschaftliche Bedeutung. Jetzt s sie der Ansicht, daß es durchaus erforderlich sei, daß wir Ban noten zu 50 und zu 20 4M bekommen, denn es habe sich ein Mm an kleinen Kassenscheinen in verschiedenen Teilen des Reiches bemmh— bar gemacht. Wir müssen diesen Ausführungen glauben. Selz der Entwurf Gesetz werden. so würde § 1 des Geseg betreffend die Ausgabe von Reichskassenscheinen, von 1874 noch Recht bestehen und zum Teil eine Rivalität entsteben zwischen n 50 und 20 Mark⸗Banknoten und den einfachen Kassenscheinen. An geschätzter Seite ist nun gesagt worden, daß die Ausgabe Mn kleinen Banknoten unter Umständen die Gefahr der Zettelwirtsash hervorrufen könnte. Jedenfalls rüttelt die Vorlage nicht den Fundamenten des Bankgefetzes und der Währungsfrage, dieses ist der springende Punkt. Nun wird eingewandt wenn können, der Verkehr könnte das Metallgeld nicht entbehren. Nach k Statistik von 1905 sind bis jetzt 4165 Millionen Goldmümn geprägt worden und 774 Millionen Silbermünzen, im gann ein Metallwert von 5 Milliarden. Wenn man nun davon 1 Millim abzieht, die durch den Export usw. absorbiert wird, so wünn

noch 4 Milliarden übrig bleiben. Es würden danach ungefähr 1654

auf den Kopf der Bevölkerung fallen und wenn man dabdon 500 700 Millionen der Reichs bankbestände abzieht, so blieben noch emm 3 Milliarden 300 Millionen übrig, wodurch sich der Anteil auf zn Kopf der Bevölkerung nicht weseatlich vermindert. Meine politisch Freunde und ich stimmen dem Gesetzentwurf zu und halten eine Ker= missionsberatung nicht für notwendig. ;

Abg. Dr. Marcour Zentr.) : Wir beantragen die Verweism der Vorlage an die Budgetkommission. Warum das Gesetz über de Reichslassenscheine, das der Vorlage entsprechend geändert werden mi nicht gleichseitig mit vorgelegt worden ist, ist nicht aufgellãrt; r erwarten Auskunft darüber in der Kommission. Daß ein Bedi für die Ausgabe kleinerer Werte und Banknoten in dem behaupten Maße vorhanden ist, kann ich persönlich nicht 3. dem nch meiner Meinung wirklich bervorgetretenen Bedürfnisse würde cke und besser abgebhollen werden dadurch, daß man an Stelle einn Teils der Reichskassenscheine zu 50 M solche zu 20 und eventel sogar zu 10 46 ausgibt. Mit dem Abg. Büsing bin ich der Me nung, daß wir hier den ersten Schritt auf einer verhängut⸗ vollen Bahn tun, daß wir einer Zettelwirtschaft, einer Ueba schwemmung mit Papiergeld in Deutschland die Wege eben Die Zustände in unseren Nachbarländern Desterreich, Jialien m der Schweiz können wahrlich nicht zur Nachahmung aufforden Papiergeld geht leicht verloren, wird leichter unbrauchbar und wenlla als Gold und Silber. Man kann auch aus diesen Gründen niet wünschen, daß dag Volk sich allsusehr an den Gebrauch des Pap geldes gewõhne. Die ganie Vorlage wäre nicht notwendig gem wenn man sich hätte entschließen konnen, in Deutschland den S verkehr mehr zu pflegen.

(Schluß des Blattes.)

Die heutige (11) Sitzung des Hauses der Abgeor⸗ neten, welcher der Minister der geistlichen 2c. Angeleger heiten Dr. Studt, der Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollweg und ber Minister fuͤr Handel um Gewerbe Delbrück beiwohnten, eröffnete der Praͤsident ver Kröcher mit folgenden Worten: 4

Wie Ihnen schon bekannt sein wird, ist der Staatzminitht Freiherr von Richthofen am 17. d. M. verstorben. bit geglaubt, in Ihrem Sinne zu handeln, wenn ich namens des Var den Hinterbliebenen die Teilnahme ausgesprochen und mich in die an gelegten Listen eingeschrieben habe. (Zustimmung.)

Der Präsident machte ferner Mitteilung von dem Ablchn des Abg. Schweckendẽeck nl Das Haus ehrte das * denken der beiden Verstorbenen durch Erheben von den Siken

Auf der Tagesordnung stand zunächst die Inter pellatie⸗ der Abg. Roeren (Gentr.) und Genossen: 1 Durch die Gerichtsverbandlung zu Trier vom 30. Dttehe 2. November v. J. in der Prozeßsache Faßbender und von . gegen Follert und durch verschiedene andere in letzter Zeit . gewordene Vorkommnisse ist festgestellt, daß über das Ver ha der katholischen Geist lichen seitens der Polizei und der! 2 Verwaltungtorgane eine besondere Kontrolle geübt und gebe Akten geführt werden. 3 Die Königliche Staatsregierung wird ersucht, ar zuge benz dieses Verfahren auf behördlicher Anordnung beruht und wie selbe gerechtfertigt werden soll.“ . . die Frage des Präsidenten erklärt sich der Mini der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt bereit, Interpellation sofort zu beantworten.

r Begründung der Interpellation erhält das Ver g bg. Roeren (Zentr.): Die Interpellation bejweckt be.

klage oder Anschuldigung gegen den Ministerrat, sondern ein ii , allein, Klarbeit zu suchen in einer Angelegenheit, die in den ke,. 56 Kreisen Erregung und Unwillen herborgerufen hat. Namentli . der letzten Zeit sind aus ten berschiedenen Jeg e ten 9 Monarchie Beschwerden darüber erhoben worden, daß sei⸗ * unteren Verwaltungs organe über die katbolischen Ge fi ee in, geheime Kontrolle geübt wird. Wegen der strengen geben

dieses Verfahrens war es schwierig, einen wirklich faßbaren

hlreiche Vorkommnisse, auffallende Zurüũck⸗ Geistlichen, plößliche Entziehung der Schulaufsicht ohne Lägake von Gründen uhnd Aeußzrungen ban Beamten baben es . e her gemacht. daß hier geheime Berichte vorlagen. Man ging icht bor, teils weil man kei ne strikten Beweise hatte, teils weil man tg en nicht Unannck na licht iter bereiten ollte. Im Kerkst des lezten Jahres bat nun in Trier ein een zwis dem e dne er Faßbender und dem Landrat von FKesseler einerfeits und dem Pfarrer Follert andererseits r. Beleidigung stattgefunden. Der . des letzteren sagte dabei zum Landrat von Kesseler: Sie daben der Staats anwaltschaft geschrieben und ein geheimes Akten- findel über das Verhalten des Pfarrers Follert zur Verfügung gesiellt. Der dandrat bestãtigte dies. Das Aktenbündel wurde vom Gerichtshof nicht är Verhandlung gestellt. Gs trug folgende Aufschrift: Acta über das erhalten des Pfarrers Follert. Daß nun der Landrat von Kesseler ter die Geistlichen feines Kreises solche umfangreichen Aktenbündel lediglich aus persönl icher Liebhaberei ansammelte, ist ausgeschlossen, cbenfo baß er etwa aus Abneigung gegen diese ein Aktenbündel anlegte. Jan kann nur annebmen daß im Landratsamt solche geheimen amt sichen Schriftstücke entweder über sämtliche Geistlichen des Kreises eder über diejenigen, die nach dem Ermessen des Landrats der Kon— trolle bedürftig waren, angelegt wurden. Das eine wie das andere st gleichermaßen verletzenz. 3 wurde nun festgestellt, daß auch in anderen Kreisen der Monarchie eine ähnlich: Kontrolle über die Fährung und das Verhalten der katholischen Geiftlichen besteht, so pamentlich in Sachsen, Schlesien. Westfalen, Westpreußen, selbst⸗ perftändlich auch in Posen, der Rheimrobinz und besonders in den Fieglerungsbezirken Trier und Koblenz. Namentlich unsere strebsamen Randbürgermeifter haben solche Berichte erstattet. Aus Schonung zegen die beteiligten Persönlichkeiten will ich nicht alles anführen. F bezinne mit dem harmlosesten Fall. Im Regierungsbezirk Frler wurde ein Geistlicher vom Bürgermeister denunziert, weil er an des Kaisers Geburtstag kein Hochamt abgehalten habe. Er konnte feftstellen, daß er schon am Sonntag vorher, was der ganzen Ge— meinde bekannt war, wegen starker Heiserkeit und Bronchialkatarrhs nicht predigen konnte. Gin anderer Geistlicher erhielt auf eine für seine Pfarramtliche Stellung sehr wichtige Ein⸗ gabe einen abschläglichen Bescheid mit der Motivierung, daß ibm die notwendigen Eigenschaften der konfessionellen patriotischen Gesinnungstüchtigkeit

ĩ ringen. Za pafür zu erbt gen, m

jedfertigkeit und itriot ü fehlten. . Pfarrer war lediglich in zwei katholis lungen als Redner aufgetreten. Wegen seiner Rede in der zweiten Versammlung, worin er die Frage, ob ein Christ Sozialdemokrat sein dürfe, verneinte, weil diese Partei gegen die christlichen Grundbegriffe Cigentum und Religion verstoße, war er sogar von der staatlichen Aussichts behörde gelobt worden. Der Vorwurf der mangelnden Friedfertigkeit war aber, wie sich bei der Vernehmung des Beamten berausstellte, e, . auf diese Reden begründet. Ein Bürgermeister schrieb an einen Kaplan, der in einem kleinen Dörfcken der Eiffel oder des Hunsrück ich weiß es nicht genau, als Pfarrer angestellt werden wollte: Ich habe über Sie Bericht zu erstatfen, und da ich es stets verschmähe, mir auf anderem Wege Nachrichten zu beschaffen, bltte ich Sie, mir einige Notijen über Sie zu senden.“ Dieser Bürgermeister ist sogar ein Protestant; es muß anerkannt werden, daß er so gehandelt bat. Die besseren Elemente unter den Landbärger. melstern empfinden Ekel an dieser ganzen Spionage. Ein Schreiben des Landrats eines Kreises am Niederrhein. das vervielfältigt ist, also wohl an alle Bürgermeister seines Kreises gegangen ist, lautet; ‚Euer Hochwoblgeboren ersuche ich in diskreter Weise um Mitteilungen binnen acht Tagen über das Verhalten der katholischen Geistlichen bei Gelegenbeit der bevorstehenden Reichstagswahlen.“ Es wird also nur Bericht über daz Verhalten der kfatholischen Geistlichen verlangt. Ich halte Sie nicht mit dem ganzen reichen Material auf, aber noch einen Fall mit komischem Beigeschmack! Gin Pfarrer im Regierungsbezirk Trier, der versetzt war, erhielt nach seinem neuen Ort von seinem früheren Bürgermeister ein amtliches Schreiben, das infolge unrichtiger Adressierung an ihn statt an seinen neuen Bärgermeister gelangte. Zu seiner Ueberraschung fand er darin das Führungszeugnis, das ibm sein früherer Bärgermeister ausgestellt hatte und das für den neuen Bürgermeister bestimmt war. Das Zeugnis lautete wörtlich: Führung gut?. In anderen Fällen lauteten ferner die Zeugnisse: Führung genügend ', Führung be⸗ fried gend. Ein solches Verfahren ist im höchsten Grade für die Geistlichen entwürdigend, es spricht das größte Mißtrauen und der größte Verdacht daraus. Wohl wird jeder Beamte von seinem Vorgesetzten beaufsichtigt, und es werden Personalakten geführt, aber kein anderer Berufestand unterliegt einer solchen all- . polijeilichen Kontrolle. Dabei ist den Geistlichen nicht zelegenheit gegeben, sich gegen die unrichtigsten Berichte zu ver—⸗ teidigrn, die für ihr ganzes Fortkommen maßgebend werden können. Dai gehört nicht immer böser Wille, sondern Persönliche Differenzen oder andere religiöse oder wpolitische Anschauungen können die Berichte beeinflussen. Ein Bürgermeister anderer politischer Richtung kann zum Beispiel schon die Teilnahme eines Geistlichen n einer Versammlung oder die Unterstützung einer Zeitung als Agi⸗ lation und Hetzerei auffassen und dem Pfarrer das Zeugnis geben, daß er ein politischer Hetzer ke und keine Friedfertigkeit habe, und der Pfarrer weiß gar nicht, was uber ihn berichtet ist. Das muß aufs äußerste erbittern. Wenn die Regierung glaubt, in dem einen oder andern Falle vielleicht ein besondereg Interesse an der Qualifizierung des Geist- lichen für eine bestimmte Stelle nehmen zu müssen, weik etwa daz staatliche Intereffe durch die in Frage kommenden Funktionen berührt werde, dann mag sie Informationen einziehen und sich Bericht erstatten sen. Sie wird ja die besten Informationen immer bei der vor- enn kirchlichen Behörde erhalten, es gehört indessen dazu auch der ericht des Landrats; aber es ist nicht notwendig, daß die unteren Verwaltungs organe über die Pfarrer zu Gericht sitzen und berichten. Solche Berichte werden doch auch von der ganzen UÜnterbeamten. ft gelesen, die eventuell zu den Pfarrkindern des Geiftli cbört. Ferner muß der Geistiiche vorher gehört und ihm zelegen heil gegeben werden, sich gegen etwaige Vorwürfe oder Anschul. digun gen zu , Gtwas ganz Anderes und für das ganze kat Ho. liche Volt hochũichf Verletzendes ist die von mir vorhin geschilderte Ge⸗ beimkontrolle. Ich nehme an, eine allgemeine Verfügung, auf die sich dieses . Kontrollsystem gründet, besteht nicht; 26 nehme an, der Manister wird es weit von fich weisen, zu einer foschen pionage seine Hand zu bieten; ich nehme an, daß auch nicht einzelne Regierungen solche Kontrolle allgemein angeordnet haben. Ich glaube, diefes System s don einjelnen Beamten als trauriger Rest aus der Zeit des Kultur⸗ ampfes in die jetzige Zeit hinübergerettet und beibebalten worden. ann den Regierungsbezscken Trier und Koblenz hat es fich aber iat. sächlich wieder vz ig eingebürgert, sodaß es scheint, als ob wir wieder 2 in der Kulturkampfjeit leben, in der die berüchtigte znißzerei allgemeine Entrüstung bervorrief, bis der Urheber dieses niderwärtigen Systemz, der Dr. Konter, schließlich zu einer It renten Strafe verurteilt wurde und das Syssem damit ein vorläufiges *. fand. Ich bilte den Minifter, die böhr ren Beamten anzuwehsen, 2 selche Angeberelen als daz, was sie in Wirklichkeit sind, zu be= . ; eln. Ein harmonifches Zusammenwirken jwischen Geistlichkeit 21 staatlichen Bebörden ist bel folcher Sachlage gar nicht denkbar, n 1. ist aufs tiefste zu bedauern; ein erfolgreiches Belämpfen des * urzeg ist nur möglich beim Nachgeben von Staat und Kirche, J die Grundlage eines solchen Zusammengehens ist das Vertrauen. * latholischen Geistlichen haben ja die Lebensaufgabe, die göttliche e von Gott gesetzte weltliche Aatorität .

„Hierauf nimmt der Minister der geistlichen 2c. Angelegen⸗ heiten Dr Studt das Wort. . Schluß des Blattes)

. Laut amtlicher Meldung wurden bei der am 17. d. M. I sehahten Reichs tagserfatzwahl im Wahlkreise Bonn⸗ e nc ( Reg⸗ Bez. Cöln) insgesamt 17 2366 Stimmen egeben. Davon enifielen duf den Oberlan desgerichtspraäfi⸗

Arbeiterversamm ·

bilder sind Gestalten von

denten Dr. Spahn in Kiel (Zentrum) 15 562, auf den Re—⸗ dakteur Dr. Erdmann in Cöln (Sez) 1533 Stimmen. Der Dr. Spahn ist, wie bereits mitgeteilt, gewählt.

Bei der im Kreise Fulda am 20. d. M. erfolgten Ersatzwahl eines Mitglieds des Hauses der Abgeord— neten wurde, wie ‚W. T. B.“ berichtet, der Oberlandes⸗ gerichtspräsident Dr. Spahn (Zentr.) einstimmig wieder— gewählt. Ein Gegenkandidat war nicht aufgestellt worden.

Kunst und Wissenschaft.

TA. Keller und Reiner kaben in der alten Hochschule für Musik in der Potsdamer Straße eine Meunier Aus stellung ver— anstaltet, die uns das gesamte Lebenswerk des Künstlers in einbeitlichen, großen Zügen vorführt. Seine letzte Zusammenfassung und Krönung kildet das große Denkmal der Arbeit, an dem Meunier die letzten Jahre seines Lebens hindurch mit rastloser Liebe gearbeitet bat und zu dem eine große Zahl seiner früberen Plastiken und Reliefs, ja, selbst seine Bilder nur wie eine Vorbereitung erscheinen. Aus der Fülle seiner Einzelarbeiten ist ihm jedoch der Gedanke zu dem 6 Werk erst emporgewachsen, die Empfindung der siegreichen

raft und beiligen Größe der Arbeit erst entstanden.

Meunier besitzt einen lebhaften und starken Wirklichkeitssinn. Wer die Ausstellungsräume durchschreitet, wird sich des Gefühls nicht erwehren können, daß hier eine Welt voller Wahrheitsgehalt Gestalt gewonnen hat; diese Wesen sind nicht blutlose Schemen, in denen der Künstler irgend einen Gedanken zu verkörpern sucht, sondern Menschen von Fleisch und Blut, die er gesehen, deren Leben er mitgelebt hat. Aber während den Menschen in ibm das Einzelleid fesselt, während er von Liebe und Mitleid bewegt, den Daseins bedingungen der Ringenden nachgebt, sieht der Künstler in ihm weiter und tiefer. Die unbewußte Größe, die dieser stillen Schar rastlos Tätiger innewohnt, geht ihm wie in einer Offenbarung auf. Sein Mitleid schlagt in Bewunderung um, die Arbeit ist nicht mehr Fluch, sondern Segen. Sie adelt ihre Kinder, stellt sie in einen großen Zusammenbang der Dinge, in dem jeder einzelne eine besondere Würde und Hoheit erbält. Jede Handreichung, not wendig im Ganzen, ist wie ein feierlicher Dienft für die Gesamtheit. Das Individuelle tritt zurück. Die Arbeit schafft einen Typus, bildet eine Gemeinschaft, eriwingt jenen großen Rhythmus, der befreiend und erlösend für den einzelnen wird. Und der Künstler schafft das große Denkmal, in dem er die Heiligkeit und Kraft der Arbeit, wie er fi erkannt hat, ju schildern versucht.

Meuniers Entwicklungsgang schien ihn auf andere Wege zu weisen. Seine ersten plaftischen Versuche hielten sich streng an antike Vorbilder. Da sie ihn nicht befriedigten, wandte er sich der Malerei zu und wählte seine Stoffe nun aus dem modernen Leben. Ein gärendes, soziales Empfinden trieb ihn in die Schilderung krasser Not und tiefen Elends. Dann ging er für längere Zeit nach Spanien, wo das bunte Volksleben sein Male rauge fesselte. Aus dieser Schaffens. periode bringt die gegenwärtige Ausstellung eine Reihe von Bildern, die den Künstler vor allem mit Licht. und Farben problemen beschäftigt zeigen und ein bedeutendes malerisches Vermögen verraten. Schließlich kam ein Wendepunkt in Meuniers Leben, als er zum ersten Male die Koblen⸗ und Industriebezirke seines Vater landes kennen lernte. Als Mensch ergriff ihn das Schicksal dieser Tausende, die unter so anderen Bedingungen lebten als ibre Mit menschen, als Künstler fesselte ihn die noch unentdeckte Poesie dieser Distrikte, die in ihrer Oede und Unfruchtbarkeit eine selisame Groß⸗ artigkeit besaßen. ö

Aus seinen Bildern tritt uns das Erlebnis des Känstlers ent— gegen, vor allem in seinen farbenreichen Pastelljeichnungen. Rauchende Fabrikschlote, von Menschenhand aufgetürmte kahle Hügel in unab- sebbarer Reihe, ödes, graues Gestein, das ist das Land der Arbeit, dessen schwermütigen Zauber Meunier findet. In seinen großen Oelgenälden geht er weiter und schildert die Menschen, die hier mit den Kräften der Eide ringen. Die Bergleute, die Morgens zur Ein—⸗ fahrt antreten, sehen wir in ruhigem, gleichmäßigem Schritt den Hügel hinansteigen in der selbstverftändlichen Pflichterfüllung, die jeden Morgen neu wird. Wir sehen sie mit lässigen, müden Schritten am Abend heimkehren, die großen Silhouetten scharf gegen den 6 gestellt. Ihre farblose Arbeitstracht fügt sich ein in das

rau des Landes. An den Hochöfen sind die Puddler beschäftigt, mächtige Stücke glühenden Eisens zu wenden oder mühsam der Gewalt des Feuers zu entziehen. Von den Schiffen schreiten die Lastträger mit den schweren Ballen hin und wieder, ein kühnes Riesengeschlecht, das an seiner Last gewachsen und stark geworden ist.

Mehr und mehr gelangt Meunier dahin, das Individuelle zurũck· zudrängen, es kommt ihm immer weniger auf Beredsamkeit des Aus drucks, als auf Beredsamkeit der Bewegung an. Die Arbeit des einzelnen, das Zusammenarbeiten der vielen soll möglichst eindring-⸗ lich, möglichst deutlich gejeigt werden. Seine malerischen Mittel e gn ihm nicht, wie von selbst kehrt der Alternde zur Plastik zurück, und nun entsteht ihm in einem Alter, in dem andere zu feiern 6 eine ununterbrochene Reihe von Meister⸗ werken in Ginzelplastiken und Reliefs. Alle Hantierungen des modernen Arbeiters zieht er in das Bereich seiner Darstellung, gibt Lastträger, Bergleute, Glasbläser, Hammermeister, Puddler, Auslader. Und schließlich erweitert er sein Gebiet. indem er auch den Land⸗ arbeiter mit, in diesen großen Zusammenklang menschlichen Schaffens bringt: den Miher, den Pflüger, die Garbenbinder. Immer geht er in seiner Darstellung auf höchste Verein fachung auß. Um das. ausdrucksvolle Spiel der Mutkeln her gf ungehindert zeigen zu können, gibt er seinen Ge⸗ stalten als Bekleidung nur ein loses, weites Beinkleid, der Oberkörper bleibt entblößt. Und nun jeigt sich, daß der Jüngling nicht umsonst die Antike studiert hat. Besonders in der 2 Deutlichkeit seiner Reliefs verrät sich die Schulung, die er durch- gemacht hat, und in Meuniers Vermögen, einen lebensvollen Typus lu schaffen, jeigt er eine tiefere Verwandtschaft mit dem Geist jener alten Meister, als alle Künstler des Klassijiemus mit der edlen r enjpic und dem schönen Faltenwurf ihrer Gestalten besessen

a

en.

Dennoch verleugnet sich nirgends, daß Meunier den Umweg über die Malerei zur Plastik genommen hat; besonders in seinen Reliefs lebt ein ungewöhnlich starkes, malerisches Empfinden, das mit den ge⸗= ringsten Mitteln, mit dem Spiel von Schatten und Licht die Stim- 26 Tandschaft, der Jahreszeit, der Tagesstunde vermittelt. Die Garbenbinder arbeiten in brütender Hitze, die Bergleute kehren in lichterfüllten Tag zurück., um die Pflüger dehnt sich die flache, braune Scholle. Mit größter Meisterschaft bietet der Künsller in dem spröden Material der Phantasie die Anregungen, die sie braucht, um das Bild, das er nur andeutet, zu ergänzen.

Das Denkmal der Arbeit ist der letzte Ausdruck alles rege, was Meunier uns zu sagen fen Noch einmal faßt er alles zusammen. In vier wen Hochreliefs schildert er den Bergbau, die Ernte, den Hafen und die Industrie. In der Mitte, ein wenig erhöht, stebt die

roße Gestalt eines Säemanng, der mit weiter Gebärde den frucht genden Samen in die Welt wirft. Drei große Arbeiterstandbilder und die Gruppe Mutterschaft verbinden die Reliefs und s ließen das Denkmal nach außen ab. Ein festgefügter, architektoni Zusammen hang feblt, sodaß eine Wirkung im . auf weitem bezweifelt werden darf. Im geschlossenen Raum, der die einzelnen Glieder zu⸗ ammenfaßt, ift dick Wirkung aber groß und tief. In den wer eliess ist noch eindringlicher als je vorher mit ganz wundervollen Einzelheiten der r e. Rhythmus der Arbeit De,, , Die Entfaltung der Kräfte an den widerstrebenden Aufgaben kommt vollendet zum Ausdruck, die Körper sind individualifiert nur nach Art der Beschäftigung: athletisch der Lastträger, hager der Berg⸗ mann, schlank und ges der Garbenbinder. Die Arbeiterstand⸗ iger Vollendung, gereift und geprüft.

Die Mutterschaft“ ist eine Gruppe volUl Hoheit und Ernst. Neue Geschlechter folgen und setzen den Kreislauf des Lebens. dessen Schönstes und Höchftes die Arbeit ist, fort. So klingt Meuniers Bekenntnis in die Carlpleschen Worte aus: Alle wahre Arbeit ist heilig. In aller wahren Arbeit, wäre es auch nur wahre Handarbeit, liegt ctwas Gõttliches.

A. E. Die erste Sitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie im neuen Jahre begann am letzten Sonnabend mit der Wahl des aus 98 Mitgliedern bestebenden Ausschusses. . Glückwunschadressen sind, wie der Vorsitzende, Professor

Lissauer, mitteilte, dieser Tage nach Breslau abgegangen: die eine an den Geheimen Bergrat Gottlieb Beer ju seinem 70., die andere an den Altmeister der schlesischen anthropologischen Forschung, Geheimrat Grempler ju seinem 80. Geburtstage. Ein dritter Schlesier, Dr. Lebmann⸗Nitsche, ist auf den von Argentinien neu gegründeten Lehrstuhl für Anthropologie an der Univerität Buenos Ares berufen worden. Eine Meldung aus St. Gallen seitens des Leiters des dortigen naturhistorischen Museums gibt Kunde von erfolgreichen Ausgrabungen, die in der berühmten Böble am Säntis vorgengmmen worden sind, wo Scheffel seinen Ekkehard das Walthari. Lied dichten läßt. Die Gebeine dieler Generationen 66. Höblenbären bededen den Boden der klassischen Stätte. So hoch im Gebirge ist man bisher noch nirgends in den Alpen auf Tierreste gestoßen.

Den Vortrag des Abends bielt Dr. Theodor Koch⸗ Grünberg über Bie Indianerstämme des oberen Rio Negro und PYapurä. Der Inhalt des von vielen anschaulichen Licht⸗ bildern begleiteten Vortrags deckt sich im wesentlichen mit den Schilderungen seiner Reise, die Dr. Koch am 2. Dejember v. J. in der Gesellschaft für Erdkunde gegeben bat und worüber an dieser Stelle in Nr. 285 eingebend berichtet worden ist. Nur betonte der Vortragende die anthropologische und ethnographische Seite seiner Forschungen etwas mehr, als früher. Es ist nac seinen Mitteilungen eine ethnograpbische Merkwürdigkeit, daß sich so ver⸗ bälinismäßig dicht nebeneinander wobnende Indianerftãämme auf so be⸗ deutend veischiedenem Kulturniveau finden, wie einerseits die jwischen Vapurâ und unterem Rio Negro auf ausgedehntem Gebiet sitzenden Maku, die noch nicht einmal den Gebrauch des Kanus kennen, und andererseits die an zahlreichen rechten Neber flüssen des oberen Rio Negro recht dicht angesiedelten verschiedenen Stämme, denen Intelligenz, Betriebsamkeit und ein wohlgeord⸗ netes Gemeindeleben nachzurühmen ist. Dr. Kech hält dafür, daß die Maku die Ureinwohner des Landes sind, wodurch sich auch die Mißachtung erklärt, die jene höher zivilisierten Stämme als die Sieger über Besiegte für sie haben. Wo diese mit den Maku zu—⸗ sammenwohnen, erscheint das Verhältnis des Herrn zum Diener ftets als das naturgemäß gegebene. 6.

Es sprach zum Schluß noch Dr. O. Messing über den Ge⸗ brauch des Dpiums bei den Chinesen“. Die Sitte des Drium⸗ rauchens bat sich erst als eine Folge des Tabakrauchens in China ein= gebürgert, wenn auch nachweislich Opium schon im 11. Jahrhundert ber⸗ gestellt worden ist. Erst durch die Gewobnheit des Rauchens ist das Opium zudem bedenklichen Volke vergiftungsmittel geworden, als das es jetzt mit Recht gilt. Wiederholt sind einsichtige Herrscher dagegen eingeschritten, am energischsten der letzte Kaiser der Ming⸗Dynastie Hwai Tsung, 1628 - 1644, mit den strengften Verboten des Rauchens in jeder Ge⸗ stalt, dann der große Kaiser Kao Tiung der Mandschu. Dynastie, der 1729 den Dyiumgenuß für das größte Uebel erklärte und ihn streng untersagte. Freilich blieb auch er der schon allgemein verbreiteten und zur Volkseigentümlichkeit der Chinesen gewordenen Sitte gegenüber ohnmächtig. Bei dem außerordentlich schädlichen Einfluß des Opiumrauchens auf Gesundheit und Charakter es versetzt den Gewohnheitsraucher in einen Zustand der Begierde und erzeugt nach dem Rausch eine Schlaff heit und vollstãndige Unfähigkeit zu anstrengender Arbeit ist es zu verwundern, daß die Wirkung auf die Volksgesundheit noch nicht stärker in die Erscheinung tritt, als es der Fall ist, zumal die üble Einwirkung auf die nächste Gentration fragloes ist, im Falle Vater und Mutter dem Laster des Opiumrauchens frönen, ja, auch wenn die Mutter allein Gewohnbeite⸗ raucherin ist. Die Erklärung dafür, daß trotz alledem die Volks. gesundheit in China noch befriedigen darf, liegt teils darin, daß vom Vater allein sich üble Wirkungen des Opiumrauchens auf die Kinder nicht vererben, zum allergrößten Teil aber darin, daß in China sehr jung gebeiratet wird und die Periode der Kinderzeugung in den Ehen meist abgeschlossen ist, wenn sich die Eltern dem Opiumrauchen ergeben. Nichtsdestoweniger zebrt die Unsitte langsam, aber sicher am Mark des Volkes, und der Kampf egen das Opium muß aufgenommen werden, wenn China nicht in ein oziales Elend ohnegleichen bineintreiben will. Das seben chinesische Patrioten auch vollständig ein und weisen auf die Erfolge Japans auf diesem Gebiet hin, wo es nicht nur keine Opiumraucher gibt, sondern mit aller Schärfe auch die im Lande wohnenden Chinesen daran verhindert werden, sich jenem Laster zu ergeben, wie es u. a. mit vollem Erfolge auch auf Formosa nach dessen vor 12 Jahren erfolgter Abtretung an Japan gescheben ist. .

In der sich anschließenden Diekussion erklärte Dr. Strauch den Alkohol für noch gefährlicher als das Opium. Denn, wenn es auch richtig sei, daß der Opiumgenuß den Charakter verderbe und in ganz merk⸗ würdiger Weise auf die Wahrbeitsliebe des Rauchers wirke, soda Opiumraucher stets auch Lügner seien, so feble diesem Narkotikum d gänzlich die Erweckung des gewalttätigen Instinkts, die den Alkohol⸗ rausch so überaus gefäbrlich mache. An Zerrüttung des Nervensystems aber leisteten beide das gleiche.

Verkehrsanstalten. ö

Laut Telegramm aus Cöln vom 22. Januar hat die dritte englische Post über Ostende vom 21. d. M. in Cöln den wn h nl an Zug 13 nach Berlin über Hannover nicht erreicht. Grund: Schlechtes Wetter auf See.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

Im Königlichen QOpernhause wurde am Sonnabend der Mojart⸗ 6a mit einer Neueinstudierung von Figaros Hochzeit“ ortgesetzt. Fräulein Destinn sang zum ersten Male die Gräfin. Mit ibrer schönen, bis in die Höhe klangvollen und sicheren Stimme führte sie die Partie gesanglich meisterhaft und auch im Spiel ansprechend durch. Die übrigen Rollen der Oper waren ja auch bisber gut besetzt und bei ihren bewährten Vertretern geblieben: Herr Hoffmann sang den Grafen, Herr Knüpfer den Figaro, . Herzog die Susanne und Fräulein Rothauser den Cherubin in ihrer Art alles Muster⸗ leistungen. Das Orchester unter Dr. Strauß seinfübliger und straffer 1 gab sein Besteg. Die szenische Ausstattung und die neuen Kostüme boten geschmackvolle Bilder obne Ueberladung. Die Vorstellung, der die Kaiserlichen Majestäten bis zum Schluß beiwohnten, fand reichen und wohlverdienten Beifall. Im letzten Akt war die Arie der Marzelline gestrichen, dafür sang Herr Tieban die bei den Aufführungen im Opernhaus meist fortgelassene Arie des Basilio. Herr Lieban sang sie mit guter Komik. Der Kontrast zwischen ihr und der unmittelbar an sie sich anschließenden Arie der Susanne ist ar er elfe. daß man das Einschiebsel vielleicht besser allen

Im Königlichen Opernbause wird morgen. Dienstag, als dritte Vorstellung im Mozart. Zyklus „Don Juan, Oper in iwei Akten, gegeben rr Berger un die Titelrolle, . Herzog die Donna Anna, Fräulein Rothauser die Elvira, Fräulein ö die Zerline, Herr Nebe den Leporello, Herr Philipp den Don Detavio, Herr Griswold den Komthur und Heir Krasa den Masetto.