Spanien.
Der vom Redaktionskomitee der Marokko⸗Konferenz ausgearbeitete Entwurf des Reglements zur Unter⸗ drückung des Waffenschmuggels lautet nach dem Bericht des W. T. B.“:
Artikel 1. Die Einfuhr rachstehender Artikel und der Handel mit denselben ist im ganzen Gebiete des scherifischen Reichs untersagt. Kriegswaffen, Waffenteile, Munition aller Art, ferner Pulver, Sal⸗ veter. Schwefel, Blei, Schießbaumwolle, Nitroglycerin und andere Stoffe, soweit dieselben ausschließlich zur Herstellung von Munition bestimmt sind. . . .
Artikel 2. Dem Einfuhrverbot unterliegen nicht Waffen, Waffen⸗ teile und Munition, welche für die Truppen Seiner scherifischen Majestät bestimmt sind nach Erledigung nachstehender Formalitäten: Eine vom marokkanischen Kriegsminsster unterzeichnete Erklärung, in welcher Zahl und Art der bei der ausländischen Industrie in Auftrag gegebenen Lieferungen angegeben ist, muß der Gesandischaft des Her⸗ kunftslandes zur Visierung vorgelegt werden. Die Herausgabe der auf Bestellung der marokkanischen Regierung eingegangenen Kisten mit Waffen und Munition von seiten des Zollamts darf nicht erfolgen ohne Vorlegung .
a. einer solchen visierten Erklärung, —
b. eines Konnossements, in dem Zahl und Gewicht der Kisten scwie Zahl und Art der darin enthaltenen Waffen und Munition angegeben ist. Diese Urkunde muß ebenfalls mit einem Visum der Gesandtschaft des Herkunftslandes versehen sein; von der Gesandtschaft werden auch die einzelnen Munitionsmengen, wie sie nach und nach zur zollamtlichen Abfertigung gelangen, mit einer Marke versehen werden.
Sobald die Bestellung im ganzen zur Ablieferung gelangt sein sollte, wird dieses Visum verweigert werden.
Artikel 3. Gleichfalls verboten ist die Einfuhr von Jagd- und Schußwaffen, von dazugehörigen Waffenteilen und Patronen, geladen oder nicht geladen; dech kann die Einfuhr durch Erlaubnieschein ge⸗ stattet, muß aber beschränkt werden auf die vpersönlichen Be dürfnifse des Importeurs und die Ausrüstung der Waffengeschäfte, die in der Art, wie später angegeben werden wird, genehmigt sind auf Antrag der Gesandtschaft, welcher der betreffende Geschäfts⸗ inhaber untersteht oder für Marokkanern von den Vertretern des Maghien in Tanger. Was die Munition anbetrifft, darf jeder Erlaubnisschein nicht mehr als 1000 Patronenhülsen umfassen und die für die Herstellung von 1009 Patronen nötigen anderen Zutaten. Ein Erlaubnisschein darf nur unbestraften Persanen erteilt werden.
Artikel 4. Die Einfuhr nicht gezogener Jagd und Luxuswaffen aus⸗ wärtiger Herkunft und der dazu gehörigen Munition wird durch Beschluß des Sultans geregelt, der, wenn die Umstände es gestatten, gemäß einem Gutachlen des diplomatischen Korps in Tanger zu treffen ist. Ebenso wird verfahren hinsichtlich solcher Beschlüsse, die bezwecken, diesen
Handel zu verbieten oder zu beschränken. Nur Personen, die von der marokkanischen Regierung eine besondere, zeitlich beschränkte Er laubnis erhalten haben, dürfen Waffen und Munitionsgeschäfte — und auch nur in benimmten Städten — öffnen und betreiben. Diese Erlaubnis wird nur auf schriftlichen Antrag des Interessenten erteilt; der Antrag muß durch ein justimmendes Gutachten der Gesandtschaft, welcher der Antragsteller untersteht, unterstützt werden.
Die Zahl der für jede Stadt zulässigen Waffengeschäfte und das Maximum von Munttion, das die mit der Erlauhnis versehenen Geschäftsinhaber einführen und in ihren Geschäften halten dürfen, werden durch Reglements bestimmt, die gemäß diesem Artikel zu er⸗ lassen sind. Im Falle von Uebertretungen der reglementarischen Vorschriften und der Vorschriften dieser Akte kann die Erlaubnis zeit⸗ weise oder für immer entzogen werden, unbeschadet anderer durch die Uebertretung verwirkter Strafen.
Artikel 5. Im Falle der Einfuhr oder der versuchten Einfuhr verbotener Waren wird von der Zollbehörde die Konfiskation dieser Waren ausgesprochen; außerdem werden von der zuständigen Gerichts⸗
behörde die weiter unten angeführten Geld⸗ und anderen Strafen
verhãngt.
Artikel 6. Die Einfuhr oder die versuchte Einfuhr über einen offenen Handelshafen oder über ein Zollamt wird bestraft a. mit Geldstrafe von 500 bis 2000 Pesetas; 5. mit Gefängnis von 5 Tagen bis zu einem Jahre, oder mit einer dieser beiden Strafen. Nur im Rückfalle müssen beide Strafen zugleich zur Anwendung gelangen.
Artikel 7. Die nicht über einen offenen Hafen oder eia Zollamt bewirkte Einfuhr oder versuchte Einfuhr wird bestraft: 3. mit Geld⸗ strafe von 10600 bis 5000 Pesetas; b. mit Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren oder mit einer dieser beiden Strafen. Nur im Räckfalle müssen beide Strafen zugleich ausgesprochen werden. Der Schuldige wird außerdem mit einer dem dreifachen Wert der eingefübrten Ware entsprechenden Zusatzgeldstrafe belegt.
Artikel 8. Der unerlaubte Verkauf von und das Hausieren mit Waren, die gemäß den vorstehenden Bestimmungen verboten sind, unterliegen den im Artikel 6 aufgeführten Strafen.
Artikel 9 Personen, die sich an den in den Artikeln 6, 7 und 8 aufgeführten Uebertretungen mitschuldig machen, verwirken dieselben Strafen wie die Hauptschuldigen.
Artikel 19. Durchsuchungen von der Einfuhr verbotener Waren verdächtigen Schiffen dürfen von den Zollbeamten nur unter Assistenz eines von dem interessierten Konsulat ermächtigten Vertreters vor⸗ genommen werden, doch kann die Zollbehörde, wenn diese Maßregel nicht getroffen wird, einen oder mehrere Wächter an Bord ssellen, sofern sie es füt nötig erachtet. Diese Amtshandlungen werden gemäß den Bestimmungen der Verträge und der bestehenden Usancen vor⸗ genommen werden.
Artikel 11. Sollte ein Schiff verbotene Waren außerhalb eines offenen Hafens einführen oder einzuführen versuchen, fo kann die marokkanische Zollbehörde das Schiff mit Beschlag belegen, bis das Schiff den Betrag der verhängten Strafen erlegt hat. Die Beschlag⸗ nahme muß aber in jedem Stadium des Verfahrens aufgeboben werden, wenn der Betrag der Höchststrafe zu Händen der Konsular⸗ behörde hinterlegt oder wenn von der Zollbehörde genehmigte, zahlungs fähige Bürgschaft gestellt wird.
Artikel 12. Die konfiszierten Waren werden innerhalb eines Monats von der Zollbehörde vernichtet; die Vernichtung hat in Gegen⸗ wart eines Delegierten des Magbzen und eines ermächtigten Vertreters 0 . gebührender Weise benachrichtigten, zustãndigen Konsulats zu geschehen.
Die an Land konfizzierten Transportmittel werden zum Besten des scherifischen Schatzes verkauft.
Artikel 13. Von der marokkanischen Regierung ausrangierte Waffen dürfen nirgend im ganzen scherifischen Reiche verkauft werden.
Artikel 14. Von dem Betrage der verhängten Geldstrafen werden solchen Personen, welche die Entdeckung verbotener Waren herbei⸗ führen, und den Beamten, welche die Beschlagnahme solcher Waren ausführen, Prämien gezahlt werden, und zwar wird, nach Abzug der Projetziosten, wenn solche entstanden sind, von der Zollbehörde ein Deittel der Strafen unter die Denunzianten verteilt, ein Drittel erhalten die Beamten, welche die Beschlagnahme aus— geführt haben, und ein Drittel fließt dem marokkanischen Staats. schaße zu. Ist die Beschlagnahme ohne Mitwirkung eines Denun⸗ tianten erfolgt, so eihalten die die Beschlagnahme ausführenden Beamten und der Staatsschatz je die Hälfte des Betrages der ver—⸗ hängten Strafen.
Artikel 15. Den divplomatischen Agenten ist von den marokkanischen Zollbehörden von Uebertretungen dieses Reglements, die dem betreffenden dwlomatischen Agenten unterst⸗hende Personen begangen haben, direkt Kenntnis zu geben, damit die schuldigen Personen vor der zuständigen G richts behördꝛ ur Verantwortung gejogen werden. Von marokka⸗ nischen Untertanen begangene Ueberttetungen werden von der Zoll— bebärde direkt den scherifi chen Behsrden mitgeteilt, die beauftragt siad, den Varhandlungen der vor den verschiedenen Gerichitsstellen ver⸗ hängten Angelegenheiten zu folgen.
Artikel 13 JM den Gebiet an der algerischen Grcenie liegt die Anwendung diese? N zlemntz lediglich Fcankreich und Marokko ob;
* 3
dieses Recht kann auch von Spanlen in Anspruch genommen werden bezüglich der Gegend von Santa Cruz und Mar Peguena und der südlichsten Grenze des Reichs in Anbetracht der Ausführung des Artikels 8 des spanisch amerikanischen Vertrags vom 26. April 1860 und der Entwicklung der Beziehungen zwischen den Grenzen der . Besitzungen und der spanischen Besitzungen am Rande er Sahara.
Asien.
Die Kaiserin⸗Witwe von China hat angeordnet, daß ihr zu Neujahr alle Prinzen, die für die Thronfolge in Betracht kommen könnten, vorgestellt werden. Sie beabsichtigt nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“, von den hervorragendsten unter ihnen drei oder vier auszuwählen, sie ein oder zwei Jahre am Hofe zu behalten und dann einen von ihnen zum Thronfolger zu ernennen.
Wie das „Reutersche Bureau“ aus Canton meldet, hat die Aufstellung eines Tarifplans zur Erhöhung der Ein⸗ künfte der Hankau⸗Eisenbahn durch den Vizekönig zu einer Störung des guten Einvernehmens zwischen den Kaufleuten und der Regierung geführt. Die Kaufmannsgilden beschlossen als Gegenmaßregel, ihre Tätigkeit einzustellen. Der Vizekönig hat den Führern der Bewegung Todesstrafe angedroht und aus Schanghai drei chinesische Kanonenboote requiriert.
Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ agentur“ hat die persische Regierung die Ratifikation des ,,,. der Kommission für die Verteilung der
ewässer des Chelmengda zwischen Afghanistan und Seistan abgelehnt und hat dies der englischen Kommission mitgeteilt.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs— tags, der Bericht über die gestrige Sitzung des Herren⸗ hauses und der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.
— Die heutige (N.) Sitzung des Reichstags wurde vom Präsidenten Grafen von Ballestrem um 1 Uhr 20 Minuten eröffnet. - q ᷣ ;
Auf der Tagesordnung stand zunächst die dritte Be⸗ ratung des von den Abgg. Graf von Hompesch und Genossen eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend Abänderung des Artikels 32 der Reichs verfassung.
In der Generaldiskussion ergriff das Wort
Abg. Hoffmann-⸗Berlin (Soz.): Ich hätte nicht das Wort er⸗ griffen, wenn nicht die Abgg. Bassermann, Liebermann von Sonnenberg und Werner bei der ersten Beratung erklärt hätten, daß ich von der sozialdemokratischen Fraktion derjenige gewesen sei, der sich gegen die Diäten ausgesprochen hätte. Der Abg. Bassermann hat zwar nicht meinen Namen genannt, der Abg. von Liebermann hat ihm aber meinen Namen nig ufer und der Abg. Werner hat mich direkt genannt. les, was hier gesagt worden ist, sind Märchen. Selbstverständlich ist nicht einer von der sozialdemokratischen Fraktion gegen die Diäten. Ich habe nicht in Leipzig, sondern in Chemniz auf der Landesbersammlung der sächsischen Sozialdemokraten, als es sich um den Fall der Kandidatur Göhres handelte, i es empfehle sich nicht, wenn einer aus der bürgerlichen Gesellschaft zu ung käme, diesem sofort mit Ehrenämtern entgegenzulaufen. Der Betreffende müßte eist in 6 eih' und Glied geflellt werden, enheit hätten,
damit dis Hart genofsen — die Fähigkeiten, den k, und !die eit des neuen e fh . zu . i nn rn 9 ꝰin
leicht kommen, daß, wenn einmal im Reichtzkage Diäten bewilligt würden, bei uns eine Mandatsjagd erfolge, daß diejenigen, die im bürgerlichen Leben Schiffbruch gelitten hätten, sich zu unserer Partei drängten, um im Trüben zu sischen. Ich habe also damals nur verhindern wollen, daß gewisse Uebergänger, die Schiffbruch ge⸗ litten haben, mittels der Diäten vielleicht ihre Ehrenscheine einlösen.
Damit schloß die Generaldiskussion. .
In der Spezialdiskussion wurde darauf der einzige Artikel des Gesetzentwurfs mit allen Stimmen gegen einige der Rechten angenommen und darauf in der Gesamt—⸗ abstimmung der Gesetzentwurf im ganzen.
Es folgte die erste Beratung des von den Abgg. Graf von Hompesch u. Gen. eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Freiheit der Religions übung.
Abg. Dr. Bachem (Zentr): Meine politischen Freunde legen den sogenannten Toleranzantrag heute dem Hause zum drittenmal vor. Der erste Teil dieses Antrags ist bereits im Sommer 1902 mit großer Mehrheit angenommen worden. 1903 und 1901 wurde er zum zweitenmal vorgelegt, nunmehr legen wir ihn zum drittenmal vor, um ein definitives Resultat zu erreichen. Wie stellt sich nun der Bundesrat zu dem ersten angenommenen Teil des Antrags? Er wurde 1902 in dritter Lesung mit 163 gegen 60 Stimmen und 3 Stimmenthaltungen angenommen. In der Uebersicht über die Entschließungen des Bundesrats vom Jahre 1964 stand zu lesen, die Beschlußfassung des Bundesrats steht noch aus. Im Dezember vorigen Jahres haben wir eine weitere Uebersicht bekommen und in dieser ist der Beschluß des Reichs tags überhaupt nicht erwähnt. Das ist ein höchst befremdliches Vorkommnis. Am liebsten wäre es uns gewesen, wenn der Bundesrat unsern Anteag angenommen hätte. Hätte er ihn abgelebnt, so hätten wir uns wenigsters mit ihm darüber auseinandersetzen können. Er konnte auch seine Beschlußfassung aussetzen, weil wir den gesamten Antrag unterbreitet hatten. Statt dessen hat er einfach keine Antwort gegeben. Er hätte nun das gegenwärtige Stadium dazu benutzen können, um diesem Hause eine Mitteilung zu machen über seine Stellungnahme. Ich sehe einen Vertreter des Bundesrats am Bundesrats- tische sigen; ich weiß nicht, ob er den Auftrag hat, nach dieser Richtung das Versäumte nachzuholen. Jedenfalls ist der Beschluß des Reichstags ein Beschluß des Reichstag, er mag zu stande ge—⸗ bracht sein, wie er wolle, und auf diesen Beschluß dez Reichstags ist der Bundesrat uns elne Antwort schuldig, ebenfo wie wir ver— pflichtet sind, jede Vorlage des Bandesrats zu verabschieden. Nun wurde früher entgegengehalten, die gerügten Mißstände müßten ja ab- geschafft werden, aber man müsse das der Landesgesetzgebung überlassen. Nach dem Einbringen unseres Antrags wurden in Mecklenburg Fort- schritte gemacht, die wir dankbar anerkennen; in Braunschweig warden einige Verbesserungen, aber auch weitere Verschlechterungen vor⸗ genommen, im großen Ganzen blieb es bei der staatsrechtlichen Bevor⸗ mundung; von den übrigen Staaten haben wir nichts gehört. So bleibt uns nichts ührig, da die Reichegesetzgebung zweifelles kompetent ist, als unsere Bestrebungen auf dem Boden der Reichsgesetz gebung weiter zu verfolgen. Von den Personen und Parteien, die betont haben, die einzelnen Landtage müßten vorgehen, ist nichts gescheben. Ueberläßt man die Dinge der Landesgeseßgebung, so ist die aller. verschiedenste R⸗gelung die Folge. Haben wir ein gemeinsames Staatzbärgerrecht, dann muß auch auf dem wichtigsten Gebiete des persönlichen Rechtes, auf dem Gebiete der religiösen Betätigung, dieses Recht einheitlich geregelt werden; oder haben sich etwa in der Praxis die Verhältnisse so erträglich gestaltet, daß man sich damit ab— finden könnte? Keineswegs. In Braunschweig allerdings sind immerhin einige Maßnahmen getroffen worden, die wir nur an⸗ erkennend verzeichnen können. Für Volpke ist zugelassen worden, daß ein preußischer Geistlicher, den der Bischof von Hildeshrim be—⸗ stimmt hat, katholische Amtshandlungen vornehmen kann; aber ihm die Niederlassung zu erlauben auf btauaschweigischem Boden. dazu hat man sich nicht aufschwingen können. In Schöningen ist nach
langen Verhandlungen eine katholische Schule worden; in anderen Gegenden ist man nicht so entgegen kommend gewesen, obwohl sich mehrfach katholische . kinder in der Zahl von hundert und mehr an einzelnen Drtn vorfinden. Die Regierung erklärt zum Beispiel das in Ven dorf, heivorgetretene Bedürfnis für „vorübergehend“, obwohl ne dortige Industrie seit mehreren Menschenaltern dort heimifch t FGani anders, viel ertgegenkom mern der denlt der betreffen. Gemeinderat; aber er hat leider keine entscheidende Stimme In Wolfenbüttel ist nur ein lathbolischer Geistlicker zugelgffen; ne Bemühungen um Beschaffung einer Hilfe für diesen sind bisher an dem Widerstande der Herzeglich hraunschwẽeigischen Regierung g, scheitert, In dem kraunschweigiscken Badeorte Harzburg ift en katholische Kirche vorhanden; ein auswärtiger katholischer Geistlicher darf aber Laselbst nie Messen lesen oder sonst Amtshandlungen va, richten. Auf eine Eingabe von katholischen Ceistlicen, die sich als Kurgäste dort aufhielten, an den Badekomissar zog fi dieser aus der , dadurch, daß er die Urheber der Ein, gabe guf das braunschweigische Gesetz verwies, wonach ein vorüber, gehend in Braunschweig sich aushaltender Geistlicher Amtshandlung nur nach Genehmigung der Regierung und nach Ablegung eines Geszz. nisses die Gesetze zu halten, vornehmen darf. Als nun die Herren die Sache der Oeffentlichkeit übergaben und sich überlegten, def es doch auch andere Kurorte als Harzburg gebe, als also an den Geldbeutel appelliert wurde, da richtete der Badekommissar anz eigenem Antriebe an den Kaplan, der die Eingabe gemacht hatte, ein Schreiben. wenach er unter Verweis guf seine Verpflichtung der Wahr, nehmung der Verlehisinteressen von Bad Kariburg ihm mitteilte, deß dos Lesen stiller Gebete und das Spenden der Sakrgmente gestaltet sei und das Gesetz darauf nicht angewendet werden sollte. Hech muß ich diesen Badekommissar preisen, der vernünftigerweise die Ver. kéehrsinteressen geltend gemocht und dadurch Bresche in das Geset gelegt hat. Das Eeld sst hier mächtiger gtwesen; und nachdem die se; Rejept sich als probat erwiesen hat, werden sich die katholischen Sesst,
genehmigt
lichen auch anderswo daran ein Beispiel nehmen.
(Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (13.) Sitzung, welcher der Minister für Landwirt⸗ schaft ꝛc. von Podbiels ki beiwohnte, die Beratung des Etats der landpwirtschaftlichen Verwaltung und zwar die allgemeine Diskussion bei dem Ausgabetitel „Gehalt des Ministers“ fort.
Abg. Dr. Schroeder ⸗Cassel (nl): Ich möchte bei diesem Titel eine sozialpolitische Frage berühren, die Frage der landwirt— schaftlichen Arbeitetwohnungen. Sie hat alle diejenigen Stellen beschäftigt, die zur Vertretung der Interessen der Landwirtschaft berufen sind. Die Landarbeiterwohnungsf rage hat deshalb ein er— höbtes Interesse für mich, weil ich mit den deutschen Landeß—, versicherungsanstalten und den Lebenzversich erungsanstalten Fühlung habe und weil ich selbst Vorstandsmitglied der Landesversicherunge= anstalt von Hessen. Nassau bin. Vor 2 Jahren hat der Deuische Land. wirtschaftsrat sich mit dieser Frage sehr eingehend keschäͤftigt und einen Beschluß gefaßt, der dahin ging, die Landes. versicherungsanstalten möchten die Baugenossenschaften für land⸗ wirtschaftliche Arbeiterwohnungen durch Darlehen unterstützen. Dadurch sollte ein Ausgleich zwischen den landwirtschastlichen und den städtischen Arbeiterwohnungeverhältnissen herbeigeführt werden. Auch der Landwirtschaftsminister hat Anlaß genommen, in einem Erlaß an die Oberpräsidenten auf, die Wichtigleit der Frage hinzuweisen. Der Redner geht dann im einzelnen auf die Frage ein, er bleibt aber bei der wachsenden Unruhe des Hauses auf der Tribüne im Zusammen— hange unverständlich.
Abg. von Saldern (kons.): Ich möchte die Aufmerksamkeit
des Ministers darauf lenken, daß die amtlich veröffentlichten Durch ,,, die jetzigen Verhältnisse
, , l, hielte, bei Hen fcb, . der landwirtschaftlichen Taxen u . schãden
stimmten Marktorte nicht mehr zutreffend sind und das Ver⸗ fabren an und für sich nicht mehr den heutigen Verhältnissen entspricht. Die Veröffentlichungen der Zentralstelle der Land⸗ wirtschaftskammern und die Feststellungen der freiwillig von den Landwirtschaftskammern gebildeten Kommissionen, die aus Land— wirten und Kaufleuten zusammengesetzt sind, sind zwar zutreffend, haben aber leider keine amtliche Autorität. Ich möchte deshalb den Minister um eine zeitgemäße Abänderung der einschlägigen alten Ver= ordnung bitten. ;
Abg. Freiherr von Wolff -⸗Metternich (Zentr.) befürwortet den Ausbau von Wegen auf dem platten Lande. ;
Abg. Brütt (freikons) beschwert sich über ein von der bisherigen Praxis abweichendes Erkenntnis des Oberverwaltungsgerichts, durch das die Ausübung der Jagd in einem gemeinschaftsichen Jagdbezitl, bei Vorhandensein von Trennstücken eines selbständigen Jagd benrk in unliebsamer Weise erschwert werde. ;
Abg. Glatzel (nl): In bezug auf den Wegebau auf dem platten Lande sollte die Staatsregierung etwas energischer vor geben. Wir verkennen ja nicht die Schwierigkeiten, die diesen Wunsch entgegensteben; aber auf der anderen Seite ist doch die Frage von der größten Wichtigkeit Ich würde gern einer Vor— lage über den Wegebau alljährlich in derselben Beift᷑ en tgegenseber, wie wir einer solchen uber die Sekundärbahnen entgegensehen Es ist dankbar zu begrüßen, daß durch Nebenbahnen auch daz platte Land dem Verkehr angeschlossen wird; aber eint solche Bahn kann nicht Erfolg haben, wenn nicht für Zufußt— wege gesorgt wird. Dies gilt namentlich von vielen Strecken in Ostpreußen. Wir müssen deshalb nach dieser Richtung für einen größeren e lefg des platten Landes sorgen, und h kann nur mit Freuden begrüßt werden, wenn von allen Parteitn auf diese Wunde immer wieder der Finger gelegt wird. Dann möchte ich auf die ländliche Verschuldung und die Statistik darüber hinweisen. Danach gibt es bei ung 620 000 sebständige land= wirtschaftliche Besitzungen mit einem Grundvermögen von 28 Mil⸗ liarden. Die Veischuldung beträgt im ganzen 77 Milliarden, alse 26,409. Diese Zahl erscheint an sick nicht unerfreulich, dat Verhältnis ändert sich aber, wenn man die einzelnen Prodinjen ins Auge faßt. Während Rheinland und Hessen“ Nassen nur eine Verschuldungsziffer von 89 bejw. 11,9 ͤ/0 bat, steigt diese in Ostpreußen und Westpreußen auf 46,8 bezw. 52 1 In der Entschaldungsfrage ist nun nach der Meinung gewiser Theoretiker eine Trennung der Materien nötig in solche, für welche der Realkredit, und solche, für welche der Personalkredit in Anspruch ge nommen werden kann. In der Theorie ist die Idee solcher Schein dung sicherlich ganz richtig; aber wie soll diese Trennung in der Praxl⸗ erfolgen? Es wird vor allem danach uu streben sein, den Amortisationshypothekarkredit auszudehnen. Alle diefe Versuche haben indes auf Erfolg nur zu rechnen, wenn die Landwirtschaft nicht nötis hat, neue Schulden aufzunehmen, wenn sie wieder rentabel geworden ist, und es wird unsere Aufgabe sein und bleiben, dafür mit allen Mitteln zu wirken. ] Abg. Freiherr von Eyng tten (Zentr. wiederholt seine schon früher vorgebrachten Wünsche betreffs der Schonzeit für Rehkälbet und beschwert sich dann über die Verpachtung inländischer Jagen. an Ausländer. Einige derartige Vorkommnisse und die damit in Verbindung stehenden Begleiterscheinungen seien direkt geeignet gewesen, nationale Empfinden zu verletzen. ;
Abg. von Hennigs Tächlin (kons.) fährt darüber Beschwerde, daß gewisse Polizeiverordnungen über die Milchkontrolle lediglich i Belästigungen des Publikums führten, ohne dem Zwecke der Verhütung von Gesundbeitsschädigungen zu dienen. . .
Hierauf nimmt der Minister für Landwirtschaft * von Podbielski das Wort.
(Schluß des Blattes)
nicht mehr ju. a . olgen beispiels weile die En.
die Ablösungen. Das Ermittelungsverfahren ist vereitelt, weil die amtlich be⸗
Statiftik und Volksmirtschaft.
äfts⸗ und Rechnungsergebnisse der Invaliden⸗ erungsanstalten und zugelassenen Kassen—⸗ einrichtungen für das Fahr 1904.
Die Ge] versi
im ss richtungen betrug die Einnahme aus Beiträgen 12175 541, 02 6 nich ö. Abrechnung für das Jahr 1904 wurden 164 832 Renten als im Jahre 1904 zugegangen behandelt, nämlich 142 296 Invaliden . renten, Jo 517 Krankenrenten und 12 969 Altersrenten im durchschnitt lichen Jahresbetrage von 135,13 6, 15887 6 und 167,18 460
Beitragserstattungen (G68 42, 43 und 44 des Invalidenversicherungs⸗ gesetzes) wurden im Jahre 1904 eiaelegn bei. 154 310 Heirats fällen, r Unfällen und 32 523 Todesfällen, wobei sich der durchschnittliche Betrag auf 36,25 , 69, Seͥ M und 79901 ( stellte
Auf diese reichsgesetzlichen Entschädigungen wurden allein zu Lasten der 40 Versicherungsträger, also ohne den Anteil des Reichs, im Rechnungssahre 1804 91 431 715,99 d gezahlt, und jwar an Renten S3 575 87 I, 30 M6, an Heitragserstattungen 7 857.84469 t Die hierin noch tretende Leistung des Reichs belief sich auf 5275 550,37 4M .
⸗ Für das Heilverfahren (68 18 ff. des Invalidenversicherunge⸗ gesetzeg wurden insgesamt 10 968 430 29 „ aufgewendet, worin die bon Krankenkassen, von Trägern der Unfall versicherung und von anderer Seite gezahlten Kostenzuschüsse in Höhe von 2469 227, 2 M bereits berücksichtigt sind. Insbesondere betrugen die Unterstützungen an An⸗ gehörige der in Heilbehandlung genommenen Versicherten 66 18 1h a. a. O.) 896 358,19 , woneben auf Grund des § 45 des Gesetzes noch weitere 486 038,560 6 gewährt wurden. .
Die gesamten Aus gaben für , , beliefen sich auf zö2 572 07 M Hiervon wurden jedoch durch Einbehaltung der Renten der Pfleglinge 78 834. 32 M erstattet und durch Zuschüsse von anderer Seite 15 665,16 M ersetzt, sodaß den Versicherungsträgern aus der Anwendung des 5 25 des Invalidenversicherungsgesetzes eine Rein⸗ ausgabe von 254 668,59 ½ erwuchs. .
An Verwaltungekosten überhaupt wurden 13 744 827,83 16 gus⸗= gegeben, was auf 1000 6 der Einnahme gus Beiträgen eine Aus⸗ gabe von 89 M, auf 1000 M der gesamten Ausgaben eine solche von sI7 M bedeutet. Auf die einzelnen Arten verteilten sich die über- haupt als Verwaltungskosten aufzufassenden Aufwendungen so, daß von 1000 M auf die Ällgemeine Verwaltung 588 , auf die Kosten der Einziehung der Belträge 151 S , auf die Kosten der Kontrolle a6 (S und auf sonstige Kosten 165 M fielen. ;
Insgesamt haben sich im Jahre 1904 die Einnahmen auf 193 224 77,58 6ο, die Ausgaben auf 1171095140 M beziffert, sodaß sich eln Vermögenszuwachs von 76 124 4583,58 „ ergibt.
Am Schlusse des Jahres 1904 belief sich das Vermögen der Versicherungkanstalten und der sür die reichegesetzliche Versicherung bestimmte Teil des Vermögens der Kasseneinrichtungen auf 1160 405 468,44 M, wozu noch der Buchwert der Inventarien mit 4260 363,21 M triit. Von 1000 S Vermögen waren 18 M im Kassenbestande, während 940 M in Wertpapieren und Darlehen und 42 M in Grundstücken angelegt waren. Die durchschnittliche Ver⸗ zinsung des in Wertpapieren und Darlehen belegten Teils betrug 3,54 vom Hundert des Ankaufepreises.
Die Vorliebe der jüngeren und der älteren Semester für einzelne Universitäten.
Der Besuch der einjelnen preußischen Universitäten von seiten der sängsten und ältesten Semester der reichsangehörigen Studierenden ist ein durchaus verschiedener, selbst in den einzelnen Studien— halbjahren. Von den jüngeren Studenten gilt wohl, daß sie gern solche Hochschulen wählen, welche ihnen unter anderen Annehmlichkeiten den Vorzug bieien. dort gesellschaftlich her⸗ vortreten zu können. Der wissenschaftlich ehrgeizige Teil von ihnen sucht wohl auch solche Univeisitäten auf, an denen ihr Fach besonders gut vertreten ist, um wenigstens zu Beginn ihrer Studien⸗ eit die hier wirkenden Berühmtheiten selbst zu hören. Uebrigens kommt für das erste und zweite Semester häufig zunächst die Uni⸗ deisität der Heimatptovinz oder die nächstgelegene in Frage. Bei den ilteren Semestern aber, deren Blicke schon 3. die Pruͤfungen und den dahinter liegenden Beruf gerichtet sind, geben andere Rücksichten bei der Wahl der Universität den AÄusschlag. Hier werden vielleicht Eramenfragen, Zusammensetzung der Prüfungskommissionen u. a. m. ein Wort mitreden. k ; Die preußische Universitätsstatistik (Heft 195 der „Preußischen Statistik.) macht den Versuch, diese Strömungen der Halbjahrsklassen in dem Zu, und Abfluß von Studenten zu den einzelnen Fakultäten für jede preußische Untversität Tarzustellen, und zwar für einen Ge⸗ samtdurchschnitt sowie für die Winterhalbjahre und die Sommer- halbiahre getrennt. Dabei wird nicht der 8 der einzelnen Fakultäten der Üniversität für sich, sondern die Gesamtzahl aller in einem Fach studierenden Reichsinländer auf sämtlichen Universitäten Als Grundlage des Anteilverhältnisses der beiden äͤußersten Halb⸗ äabrsklafsen gewählt, aus dem einfachen Grunde, weil das Bild des Fakultätsbesuchs einer Üntversität fär die eigenen Größenverhältnisse war deutlichere Züge bietet, in dem Gesamtrahmen der übrigen Universitãten aber erst das richtige Verhältais annimmt. Ein Bei⸗ spiel wird die Methode der Ermittelung veranschaulichen. In der Rangelisch,theologischen Fakultät zu Halle studierten im Studienjahre 103 03 26,5 v. Hundert aller evangelischen Theologen der preußsschen Universitãäten, aber 30. 16 v. H. aller evangelischen Theologen des 1. und 2. Semesferg und umgelehrt nur 21.53 v. H aller im 5. oder böheren Semester stehenden. Ber Uaterschied betragt bei den jüngsten Semestern alfo 4 397, bei den ältesten dagegen — 435. Die cwan= zelisch thrologische Fakultät zu Halle hatte also eine Anziehungskraft ür die jüngeren Studenten, während die älteren ihr mehr, als dem Verhaltniffe nach ju erwarten wire, fernblieben. . 3 Von einem Gesamlcharakter einjel ner Hochschulen sst in dieser Dinsicht eigentlich nicht zu reden, da jede Fakultät für sich ein festes und eigenartiges Gepräge befitzt. Deshalb wird. nur das Bild der linlelnen Studien zwẽaige' wie es sich für die verschiedenen Univerfttäten narstellt, esner näheren ziffermäßigen Darstellung unterworfen, au der bier nur einige Hauptergebnisse tertlich und ohne Zahlenbeigabe heraug= gehohen werden mögen. . Da es, wie schon angedeutet, durchaus verschle dene Beweggründe id, welche die Jängflen oder die altesten Hr g r r r tudierenden zu elnzelnen Universitäten besonders zahlreich hinführen, tommt ez nicht allzu häufig vor, daß jängere und, ältere Semester ü einem Studienzweige derfel ben Unwersität gleichzeitig stark oer Hach vertreten sind.! Im Durchschnitt von W. 1891592 bis 865866 fanden gleich großen Anklang bei beiden Halbjahrs, sruppen in der evan elisch⸗theologlschen Fakultät Breslau und Königs⸗ erg, in der unf f, Bonn und Marburg, in der medizinischen hut, Königsberg, in' der philolsgischhiftorischen Abteilung Feine nibersitãt und in der uatb ie , fg chaftlthe Abteilung . Göttingen. Einer gleich großen Abneigung ben seiten beider Tra hlegruphen e een in der juristlschen Fakultät Berlin nd in der philologisch-⸗hiftorischen Abteilung Berlin und Königsberg.
Oberdsterreich ..
— In den beiden Halbjahren S 1899 und W. 18935/1900 zeigte 5 ö Vorliebe für eine der preußschen kiniverfitäten in der edangelisch theologischen Fakultät und in der mathematisch- naturwiffenschaftlichen Abteilung der philosophischen alultät überhaupt nicht, in der juristischen . für Bonn, . und Marburg, in der medizinischen für Halle und in der er erf, gh fi er e Abteilung für Bonn. Eine gleichzeitige
mindere Anziehung übten im vorgenannten Zeitraume aus in Greifz⸗
wald die mathematisch naturwissen schaftliche Abteilung und in Berlin sãmtliche i en f ü — Im Durchschnitt der beiden Halbjahre S. 15635 ünd W. 1802303 zeigten beide, pal. h gh rupen in der edangelischen Theologie eine gewisse Vorliebe für Breslau, dagegen eine Abneigung gegen Berlin, in der juristischen Fakultät eine Vorliebe für Königsberg, in der medizinischen eine Abneigung gegen Königsberg und eine Vorliebe für Göttingen und Greifswald, in der philologisch⸗ historischen Abteilung eine Abneigung gegen Berlin und Halle und eine Vorliebe fär Bonn und Göttingen und in der mathematisch⸗ naturwissenschaftlichen ß eine Abneigung gegen Berlin und Königsberg und eine Vorliebe für Bonn.
ür die jungen evangelischen Theologen waren Breslau, Greifgwalb, Halle und Marburg sowie Königeherg, für die älteren Bonn, Göttingen und Kiel, auch Königsberg in gewisser Beziehung Anziehungspunkte. Starke Abneigung herrschte bei den jungen Theologen gegen Berlin, Bonn, Göttingen und Kiel, bei den älteren gegen Greifswald, Halle und Marburg; auch Berlin wurde von letzteren nicht eben gern aufgesucht. 9
In der Jurisprudenz wurden von den jüngeren Semestern besonders bevorzugt Bonn, Königsberg und Marburg, von den älteren dagegen mehr Göttingen, Greifswald, Halle, Kiel und zum Teil auch Marburg. Die (frühere Abneignung der jüngeren Rechtg« beflissenen gegen Berlin ist allmählich ganz geschwunden, während sie kei den älteren noch sehr stark hervortritt.
In der medizinischen Fakultät ahn Kiel dadurch hervor, daß es von den jüngsten Semestern auffällig übersehen, von den reiferen Studenten aber besonders gesucht wird. Bonn, Göttingen, Marburg und zum Teil Königsberg und Breklau sind in diesem Fache bei den jüngeren, Kiel, Halle und Greifswald bei den älteren Semestern beliebt; Berlin, Bonn, Breslau, Marburg und Göttingen werden von den letzteren nicht gern gewählt, .
Bei der pbilosophischen Fakultät im ganzen leidet Berlin unter starker Abneigung der jüngeren Studenten, Göttingen und Kiel unter einer nicht unmerklichen, während Halle und Bonn eine große, Breslau eine nicht unbedeutende, Marburg und Königsberg immerhin noch eine gewisse Anziehungskraft besitzen; von den älteren wurden Göttingen und Kiel, auch wohl Berlin und Greifswald mit 3 aufgesucht, dagegen Bonn, Breslau und Halle nur ungern ewählt. .
! Die jüngsten Semester der phklologisch-historischen Ab— teilung waren verhältnismäßig stark bertreten in Bonn, Breslau und Münster, weniger stark in Greifswald, Halle, Königsberg und Kiel, die älteren in Breslau, Halle, Königsberg und Marburg, ganz be— senders aber in Berlin.
Die Mathematiker und Naturwissenschaftler bevor⸗ zugen in dem ersten Studienjahre Bonn, Halle, Marburg, Münster und Breslau, in den höhern Studienhalbjahren Göttingen, Kiel, auch Königsberg und Greifswald. Eine stzrke Abneigung herrscht auch hier bei den jungen Studenten gegen Berlin, eine geringere bei den älteren. Greifswald, Kiel, Königsberg und demnächst Göttingen werden von den jüngsten e , n. gemieden, während bei Halle und Marburg, auch bei Bonn und Breslau Gründe für eine geringere Anziehung der älteren Semester vorzuliegen scheinen. (Stat. Korr.)
Bekämpfung der Arbeitsscheu und Fürsorge für Erwerbsbeschränkte in Straßburg i. E.
Dem Organ des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise Der Arbeitsmarkt! (X. Jahrgang, 5. Heft) entnehmen wir die nach⸗ stehende beachtenswerte Mitteilung über die Anstellung eines be⸗ sonderen Beamten zur Sekämpfung der Arbeitsscheu und jur Fürsorge für Kirn m , fh än tt: durch den Arbeitsnachweis in Straßburg i. E.
Wie die meisten größeren Arbeitsnachweise, hat auch der Straß⸗ burger mit Belästigungen durch arbeitsscheue Elemente zu kämpfen, und zwar in so hohem Maße, daß im Jahre 1903 57 Personen und im Jahre 1904 sogar 153 (davon 3 dauernd) diszjplingrisch ausge⸗ schlossen werden mußten. Die Verwaltung entschloß sich, einen eigenen Beamten zu dem Zwecke der Bekämpfung der Arbeite scheu anzustellen. Da der Beamte hiermit nicht vollständig beschäftigt war, so wurde ihm gleichzeitig die Auf⸗ gabe zugewiesen, Arbeitsgelegenheit für Erwerbsbeschränkte zu suchen. Mit dem Erfolge war die Verwaltung zufrieden; insbesondere ist das Ergebnis bemerkenzwert, daß schon die Summe, die der Stadt nach⸗ weltlich an Armenunterstützung erspart wurde, das Gehalt deckte. Im einzelnen spricht sich der Verwaltungsbericht, wie folgt, aus:
Um nach Möglichkeit vorbeugend zu wirken, wurde die Anstellung jenes neuen Beamten beschlossen und als solcher ein bisheriges Mit. glied der Aufsichtskommission eingestellt. Diese Wahl hat sich als lücklich erwiesen; insbesondere war es diesem Beamten durch . Gigenschaft als früherer Arbeiter verhältnismäßig (Leicht möglich, sich das Vertrauen der ju seiner speziellen Obhut übergebenen Leute zu gewinnen. Allerdings bedurfte es
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einiger Zeit der Einarbeitung, insbesondere zur Gewinnung der für diese Tätigkeit besonders nötigen persönlichen Beziehungen ju den Arbeitgebern, und dann mußte der Beamte infolge der Zunahme der sonstigen Geschäfte auch sehr häufig bei diesen mithelfen, sodaß vielleicht nur ein Drittel seiner Zeit für seine ursprüngliche Aufgabe verwendet werden konnte. Andererseits hat sich diese Aufgabe auch alsbald in der Praxis über den anfänglich beabsichtigten Rahmen ausgedehnt. Neben der Fürsorge für jene Arbests scheuen stellte sich nämlich sofort die Sorge für die Er- werbsbeschrãnkten als eine nötige Spezialtätigkeit, für die dem Schalterbeamten nicht die nötige Zeit zur Verfügung steht, heraus. Insgesamt hat der Beamte 27 Personen seine Fürsorge ge⸗ widmet; davon entfallen 17 auf die erste und 10 auf die zweite Kategorie. Was die Erwerbsbeschränkten anbelangt, so liegt hier die Schwierigkeit natürlich am meisten in der Gewinnung geeigneter Stellen. Nur durch persönliche Beziehung kann es gelingen, einen Arbeitgeber zur Einstellung solcher Teilinvaliden zu befstimmen,. Es gelang dies dem Begmten in allen zehn Fällen. Bei der Unterbringung der Arbeitsscheuen wurdeg natürlich oft recht unangenehme Erfahrungen gemacht. Insgesamt gelang es nur 14 von den 17 dieser Kategorie zu einer ständigen Beschäfti⸗ gung anzuhalten. Im allgemeinen kann man wohl sagen, daß das errelchbare Resultat um so besser ist, je jünger der betreffende Arbeits lose ist. Alsdann gelingt es leichter, unter Mithilfe der Familie und bei Auswahl eines passenden Arbeitgebers, den Betreffenden jum regelmäßigen Arbeiten zu veranlassen. Anders dagegen steht es häufig mit den älteren. Hier nützen auch die bestgemeinten Ermahnungen und Warnungen oft nichts, und nach kurier Zeit werden die vermittelten Stellen oft grundlos verlassen Bedenkt man den Schaden, den solche Elemente nicht nur selbst dapon= tragen, sondern guch der Gesamtheit durch Vernachlässizung ihrer Alimentationspflicht. Verleitung anderer, besonders minderjähriger Personen zum Müßiggang usw. verursachen, so kann man sich der Ueberzeugung nicht verschließen, daß die öffentlichen Gewalten hier nicht länger müßig zusehen sollten; und zwar erscheint in erster Linie die Einführung eines Arbeitszwangs u. a. durch Ueberweisung an die Landespolizeibehörde als Ergänzung des 5 361 3. 10 des Strafgesetzbuchs erforderlich. Inter essant dürfte schlleßlich an diesem Versuch noch sein, daß sieben von den untergebrachten Personen vorher Armenunterstützung genossen hatten, die nun teils völlig, teils größtenteils in Wegfall kommen konnte. Bedenkt man, daß diese sieben Personen für sich und ihre Angehörigen im letzten Jahre vor ihrer Unterbringung durch die Arbeits nachweisstelle von der Armenverwaltung Geldunterstützungen im Betrage von 896 M (ohne Anrechnung der daneben gewährten Naturalien) erhalten hatten, so ist allein durch diese Ersparnis das Gehalt dieses neuen Beamten großenteils gedeckt.
Zur Arbeiterbewegung.
Die Cölner Hafenarbeiter, die, um höhere Löhne durchzu⸗ setzen, in den Ausstand getreten waren, haben, wie das Berl. Tagebl.“ 3 zu den früheren Bedingungen die Arbeit wieder aufgenommen.
Die etwa 1000 Mann zählende Belegschaft des Theresien⸗ schachtes der Wittkowitzer Werke in Polnisch-⸗Ostrau ist, dem W. T. B. zufolge, in den Ausstand getreten, weil ein Arbeiter wegen eines Streites mit einem Oberhäuer entlassen wurde.
Der Ausstand bei den Trifailer Kohlenwerken in Steier mark hat sich, wie der ‚Frkf. Ztg. telegraphiert wird, jetzt auch auf die Gruben Hrastnigg und Olstro ausgedehnt, sodaß rund 3500 Mann im Ausstand sind (gl. Nr. 19 d. BI.).
In Triest sind, wie W. T. B. meldet, wegen der Entlafsung von 13 Waggonrangierern, die die Entfernung eines mißliebigen Rangiermeisters gefordert hatten, gestern sämtliche Rangierer und Verlader, zusammen 600 Mann, wieder zur „passiven Resisten;“ übergegangen.
Kunst und Wissenschaft.
Die in der Königlichen Nationalgalerie veranstaltete Jahrhundertausstellung wurde heute durch Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit den Kronprinzen feierlich eröffnet. Der Geheimerat, Professor Dr. Reber aus München, der als Mitglied des Ausschusses für die Ausstellung tätig war, hielt eine Ansprache, in der er auf die Bedeutung der Ausstellung für die deutsche Kunstgeschichte hinwies. Er dankte im Namen des Ausschusses Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen für die Uebernahme des Protektorats, den Fürstlichkeiten, Regierungen, Behörden und Privaten für die Bereitwilligkeit, die sie bei der Darleihung der ausgestellten Werke bewiesen haben. Ueber die bedeutsame Ausstellung selbst wird s. 3. eingehender berichtet werden.
Verkehrsanstalten.
Laut Telegramm aus Cöln hat die dritte englische Post über Ostende vom 23. d. M. in Cöln den nschluß an Zug 13 nach Berlin über Hannover nicht erreicht. Grund: Zugverspätung in Belgien.
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungsmaßszregeln.
Stand der Tierseuchen in Oesterreich am 14 Januar 1906. (Nach den vom K. K. osterreichischen Ministerium des Innern veröffentlichten Aus weisen. )
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Stand der Tierseuchen in Ungarn am 10. Januar 1906. (Nach den wöchentlichen Auswelsen des Königlich ungarischen Ackerbauministerlums)
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Zahl der verseuchten Orte 16
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