daß kein solcher erbärmlicher Gewissensdruck gegen Anders denkende ausgeübt wird. Sie sind es Ihrer eigenen Stellung hier schuldig, wenn Sie hier einen Toleranzantrag einbringen und Toleranz wollen, daß Sie in der Oeffentlichkeit gegen derartige Dinge eintreten und verhindern, daß solche Fälle vorkommen. Wo war denn die vorgesetzle geistliche Behörde in diesem Falle, und wo war auf der anderen Seite der Staat? Und nun erst die Hetze gegen die Mischehe, die Zivilehe und die Staatsschule! Es muß leider Gottes ausgesprochen werden, daß auch auf der orthodox evangelischen Seite eine Verständnislosigkeit und ein Haß fest— zustellen ist, der alles Maß überschreitet. Ich erinnere nur an den Fall Fischer und den Fall Römer, der sich in den letzten Tagen abgesptelt hat. Wenn ich hier den politischen Klerikalis mus auf das schärfste bekämpfe, fo tue ich das nicht einseitiger konfessio⸗ neller Tendenzen halber, sondern lediglich im Interesse der allgemeinen Gewissens, und Religionsfreiheit. Ich habe Ihnen im vorigen Jahre einiges aus einem kleinen netten Büchelchen vorgelesen. Es waren sehr schöne Dinge darin, und es hat, soviel ich weiß, reißenden Absatz auf der äußersten Linken gefunden. (Unruhe im Zentrum.) Ja wohl, ich mache geradezu Propaganda für Ihre Literatur. Der Abg. Hoff mann hat geradezu dafür geschwärmt. Ich wollte Ihnen heute das Original eines Buches vorzeigen, gegen das alles, was ich damalw vorgebracht habe, geraden Spielerei ist. Ich babe, obwohl ich acht Tage gewartet habe und ein, Telegramm an die Süddeutsche Verlagsanstalt esandt hatte, auffälligerweiss das Buch nicht bekommen können. Gere es kommt, weiß ich nicht. Das Buch ist ein wunder— barer, künstlerisch ausgestatteter Prachtband, es strotzt geradezu von Gold und itt so schön, wie ich es bei einem derartigen Er— bauungsbuch noch nicht gesehen kabe. Was aber den Inhalt anbetrifft, so babe ich etwas so Tolles an gemeinster Demagogie egen Andersdenkende überhaupt noch niemals gelesen. Das Werk en. Christliche Standesunterweisungen von Pater Fitscher, und soll sein ein treuer „Berater! in den Händen der Aelteren und der Jugend. Das Kapitel: Der Christ in der Ehe“ ist das Raffinierteste gegen Andersgläubige, was ich je in die Hände bekommen habe.
möchte vor allen Dingen den Abg. Hoffmann bitten, diesez schöne a . sich anzuschaffen, damit er sieht, in welcher Weise gegen eine Partei vorgegangen wird. In dem Kapitel über die ge— mischten Ehen heißt es: „entweder es entsteht ein Religions— krieg zwischen den Ehegatten, oder die gemischte Ehe ist keine christliche Ehe, sondern nur eine tierisch-politische Geschlechts vereinigung. Es heißt dann weiter: „dann wird das Lied gesungen: Wir glauben all an einen Gott, mit Gut und Blut und Hotten— tott. Ueber die Zivilehe heißt (86: „der Fürst dieser Welt, der Menschenmörder von Anbeginn, hat die Zivilehe erfunden, und er ist zum Erstaunen beharrlich in der heldenmütigen Verfolgung seines satanischen Zieles. Merkwürdigerweise sind solche Werke zur politischen Verächtlichmachung von Staatseinrichtungen für den Staatsanwalt gar nicht vorhanden. Handelte es sich um eine andere Partei, so würde man ganz anders vorgegangen sein. Im Anschluß an die Ge⸗ schichte des seligen Nikolaus von Flüelen werden die Schwierigkeiten des Bauernstandes geschildert. Das Kapitel über das jetzige Elend des Bauernstandes und die Ursachen desselben und der Absatz; Wo sind die falschen Propheten des Bauernstandes?“ ist selbstverständlich eine wütende Philippika gegen den Liberalismus und Kapitalismus. Es heißt da: die Liberalen verschwenden Summen, um die Bauern⸗ häuser mit gottlosen Zeitungen, Romanen, Photographien usw. zu versehen, sie bauen auf der anderen Seite Lusthäuser zu Spiel und Tanj;, sie bilden Alpenklubs, sie machen Gebirgsreisen, sie geben den Bauern Geld zu verdienen, um sie von der Messe abzuhalten und ihr Elend durch sinnliche Genüsse zu verzuckern usw. Es kit ein Kapitel: ‚Wer sind die wahren Freunde des Bauern⸗ tandes?. Ich brauche nicht zu sagen, wer diese sind, das wird selbst. verständlich in rührender Weise in der Manier eines Wahlflugblattes entwickelt. Ueber das Gewerbe und den Arbeiterstand wird ein Sammelsurium sozialistischer hetzerischer Phrasen vorgebracht. Es ist wunderbar, wie raffiniert alle diese Angriffe gegen Andersdenkende stets eingehüllt werden in ein heiliges Kostüm. Dies gilt auch von der Geschichte des heiligen Eligius von Limoges. Dies schöne Buch wird die Herren auf der alleräußersten Linken interessieren, weil es zu einer Zeit abgefaßt worden ist, wo sie bekanntlich ihr glorreiches Bündnis in Bayern abgeschlossen haben. Es heißt darin, der Liberalismus habe einen naturlichen Sobn erzeugt, eine Miß geburt mit kurzen Beinen, ungeheurem Unterleib, furzen Füßen, langen Fingern und dicken Lippen, und er heiße Sozialdemekratie. Es ist eigentlich namenlos undankbar, einen Bundesgenossen so schlecht zu behandeln. Es heißt dann weiter: „Solange dieser Sohn mit den langen Fingern klein war, hatte der Herr Papa großes Gefallen an ihm, anders aber, als dieser Sohn auf⸗ wuchs und schrie: Alter, Geld her, ich babe Hunger, großen Hunger!“ Da hieß es: in der ganzen Welt muß Freiheit sein, unerlaubt ist Reichtum, Mein und Dein, an den Weibern, Gut und Haben, soll ein jeder Anteil haben. Das war bis zu derselben Zeit, als ein gewisser Herr, Kohl mit Namen, bekanntlich die Sozialdemokratie als eine Fügung Gottes“ pries. Wenn ich auf dem religiösen Standpunkt stnde, würde ich nicht mit der Sozialdemokratie gehen können. Jeder politische Gegner wird in diesem feinen Buch mit Schmutz bewotfen, und das heißen Sie (zum Zentrum) bürgerliche Toleranz. Auf dem Titelblatt des Buches steht Mit Approbation der Ordensoberen und der Bischöfe von St. Gallen, Freiburg i. Br, München und Rottenburg, mit Empfehlung durch Seine Heiligkeit den Papst Pius X. und den Kardinal Merrv del Val. Sie versuchen auch hier wieder die Ableugnung eines derartigen Machwerks, aber das gelingt Ihnen nicht, denn Sie sind festgelegt mit Ihren vorgesetzten Kirchenobern. (Oho! im Zentrum.) Da können Sie nur noch grunzen, wenn ich mich so aus— drücken darf. Sorgen Sie dafür, daß derartige Machwerke verschwinden. Wenn Sie das in Schutz nehmen würden, dann könnte ich gar nicht anders sagen als, wir sprechen zweierlei Sprachen und verstehen uns überhaupt nicht mehr. Ich komme nun zu dem vorliegenden Antrag. Was wollen Sie mit allen diesen Kautschukbestimmungen in Ihrem Antrag? Und nun gar der zweite Teil dieses Antrages! Warum kommen Sie da nicht mit der Sprache heraus? In der Kommission ist nichts von den Gründen, von dem Material des Zentrums dafür verlautbart worden. So etwas an legislatorischet Unklarheit und Zer⸗ fahrenheit habe ich noch nie vor mir gehabt als den Kommissions bericht über diesen Antrag. Und eine solche Riesenarbeit wollen Sie bier im Plenum diskutieren? Das ist unmöglich. Im Volke hält man deshalb such nicht den Antrag für ernst gemeint. Sie wollen römische und spanische Zustände, weiter nichts. Die Haltung der Sozialdemokratie in dieser Sache ist mir eine, höchst befremdliche; auß dem Her und Hin des Abg. David bin ich nicht ganz klug geworden. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Liegt an Ibnen!) Doch wobl nicht so ganz; wenn Ihre französischen Freunde bis zu Jaurès semhen würden, wie Sie sich von diesem Antrag haben einfangen lassen, bloß weil Toleranz, darauf steht, si würden Ihre Stellungnahme nicht be— greifen. Die Anträge, welche die konfessionelle Spionage unmöglich machen sollten, sind doch mit Zustimmung des Zentrums abgelehnt worden, das sollte doch den Sonaldemokraten ein Fingerzeig sein; dasselbe gilt vom 5 4. Allerdings sind Sie über das Eintreten des Zentrums für die Konfessionsschule gestolpert: der Abg. David sagte, die Konfessionsschule sei die Pflanzschule der Intoleranz. Da ist das Zentrum im eigenen Netz gefangen. Ueber die Be⸗ stimmungen des Antrages, der die ganze Schule dem Klerikalismus ausliefert, ist in der Kommission lein Wort debattiert worden! Das weitere wissenschaftliche Material, das uns die Antragsteller versprochen hatten, ist uns kis heute nicht zugänglich gemacht worden, nicht einmal ein Teil des Syllabus von 1864 ist als Annex dem Berichte beigegeben. Wie kann man eig Gesetz von so einschneidender Wichtigkeit mit solcher Flüchtigkeit machen? „So macht man Würste, aber keine Gesetze', dieses Uiteil ist über eine solche Art Gesetzmacherei draußen gefällt worden. Staat so lieb, wie sie immer behauptet, dann soll sie schleunigst um die Scheidung dieser Ehe einkommen. Nichts ist für den Staat
gefährlicher, als die zärtliche Umarmung feitens Ter Kirche. Erst wenn den religiöfen zurückgesetzt sein.
hat sich ja auch
Hat die Kirche den
auch Sie mlt Gewissens⸗ und Religionsfreihelt cin verstanden sind, kämpfen wir mit gleichen Waffen. Im Interesse des Friedens möchte
ich Sie dringend bitten, diefe ungeheuer schwierige Materie nicht
immer und immer wieder in die Diskussien des Reichstags hineinzu werfen. Die kleinlichen Plackereien und Nadelstiche gegen die katho⸗ lische Religion sollen ecingestellt werden; dem Drängen des Reicht. tags in dieser Richtung werden schließlich selbst so rück— ständige Staaten wie Sachsen und Mecklenburg nachgeben. Wenn das Zentrum dort zufrieden ist; brauchen wir gar kein solches Gesetz. In einer Zeit, wo in Preußen die Volksschule dem krassesten Klerikalismus ausgeliefeit wird, müsen wir als Volks— verkretung einer solchen Gesetzesmacherei aufs entschiedenste ent⸗ gegentreten, und darum fordere ich Sie zur sofortigen Ablehnung des Gesetzentwurfes auf im Interesse der Gewissensfreiheit!
Abg. von Kardorff (Rp): Den Wünschen des Zentrums auf Beseitigung von Mißständen in einielnen kleineren deuischen Bundesstaaten pflichte ich durchaus bei. Im übrigen aber glaube ich, werden sich die Herren doch selbst sagen, daß, wenn irgend etwas dazu angetan ist, unser Zusammenarbeiten zu erschweren, es Dis kussionen sind, wie wir sie eben erlebt haben. Es sind nicht nur diejenigen Kreise der evangelischen Kirche, die um den evangelischen Bund sich scharen, sondern die n Kreise der evangelischen Kirche, die sich in der Auffassung vereinen, daß in dem Antrage etwas sehr Gefährliches liegt, die Ge⸗ fahr der Zersplitterung des Protestantismus in Hunderte von Sekten! Und wenn dieser Antrag erst unter den breiten Volksmassen weiter bekannt ist, ist er geeignet, eine solche Agitation hervorzurufen, daß der kirchliche Frieden dadurch ganz gewiß nicht gefördert wird, den wir doch alle brauchen, wenn wir unser Vaterland vorwärts bringen wollen. Ich wünschte, die Herren verzichteten auf ihren Antrag und seine Weiterberatung. Ich bin bereit, jede Resolution anzunehmen, die die Beseitigung von Mißständen verlangt, aber diesen Antrag halte ich für außerordentlich bedenklich, und es hat mir in der Seele leid getan, als er wieder eingebracht wurde. Wir können nicht anders als ö. vergangenen Jahre handeln, wir werden den Anirag einfach ab— ehnen.
Abg. Schrader (fr. Vag): Ich nehme an, daß den Antrog⸗ stellern nach dem Gang der heutigen Debatte doch etwas eigentümlich zu Mute geworden ist. Wir stehen mit dem Zentrum auf dem Boden, daß die Mißstände, die der Betätigung des katholischen Bekennt⸗ nisses in einigen deutschen Staaten noch entgegenstehen, beseitigt werden müssen, aber zur Erreichung dieses Zweckes mit einem Gesetz von so großer Tragweite vorzugehen, einen so allgemeinen Widerstand der evangelischen Kirchengemeinschaften hervorzurufen, das erscheint nicht als das richtige Mittel. Die einzelnen Fälle, die der Abg. Müller⸗ Meiningen vorgeführt bat, um nachzuweisen, daß die staatsrechiliche Toleranz, die das Zentrum verlangt, von seinen geistlichen Ver— tretern selbst nicht geübt wird, kann das Zentrum nicht ableugnen. Von dem Antrage ist ein Teil uns annehmbar gewesen und von uns angenommen worden, vor allem die Zusicherung der Religionsfreiheit für den einzelnen Reichsangehörigen. Die Bedenken gegen den so⸗ genannten zweiten Teil werden im einzelnen in der zweiten und dritten Lesung zu entwickeln sein. Die Unternehmung, ia ein paar Paragraphen eine ganz neue Kirchenveifassung für Deutschland zu geben, ist eine Unmöglichkeit. Will man die privilegierten Landes⸗ kirchen beseitigen, so ist die unerläßliche Vorbedingung die absolute Trennung von Kirche und Staat. Und was geschieht heute tatsächlich? In Preußen berät man in diesem Augenblick ein Volksschulgesetz, das eine Stärkung des kirchlichen Einflaͤsses verlangt! Für den ersten Teil des Gesetzes, die ersten acht Paragraphen, treten wir ein wie bisher; ablehnen werden wir den zweiten Teil. Eine Kommissions beratung halte ich nicht für nötig; der erste Teil ist durchgearbeitet, über den zweiten hat eine wirkliche Diskussion nicht stattgefunden und würde auch jetzt unfruchtbar sein. Auch ich meine, das Zentrum säte am besten, auf die Weiterberatung zu verzichten und das Gesetz einstweilen zu den Akten zu legen.
Abg. Blumenthal 6 olksp.): Der Gesetzentwurf enthält viele Anregungen, die zwar verfolgt zu werden verdienen, die dber jo, wie sie formuliert sind, keinen gesetzgeberischen Abschluß finden können. Wenn in wenigen Gesetzesparagraphen allcs zusammengestellt wäre, was notwendig ist, um die Beschränkungen in der Ausübung der Religion zu beseitigen, . würde ich vollständig zustimmen. Ich würde nicht davon sprechen, welche Religion im Vergleich zu den andern die in⸗ toleranteste gewesen ist, und nicht untersuchen, wie weit wir aus dem Mittelalter heraus sind, oder wie lief wir noch darin stecken. Etwas Staatsgefährliches ist der Antrag nicht; die Frage kann nicht danach entschieden werden, ob Se Gum Zentrum) unter der Voraus⸗ setzung, daß Sie die Macht dazu hätten, heute noch Ketzer verbrennen würden oder nicht. Da sprechen viele Fragen mit. Es müßten auch so viele Menschen verbrannt werden, daß das bei den hohen Brenn⸗ materialpreisen auch eine wirtschaftliche Frage wäre. Der Staat e einen Vorsptung vor der Kirche gesichert, denn Majestätsbeleidigung wird viel schwerer bestraft als Gotteslästerung. Nun hat der Abg. Bachem am Eingange seiner Rede erklärt, es handle sich um den sogenann ten“ Toleranzantrag. Das ist das Richtigste von seiner ganzen Rede. Es sind einzelne Bestimmungen j wertvoll, daß man ihnen den Begriff der Toleranz beimessen könnte, das ist aber nur etwas, was nicht die Hauptsache ausmacht. Der Gesetzentwurf müßte, wenn er Gesetz werden sollte, eine ganz andere Ueberschrift bekommen; ich würde ihn betiteln: Gesetz, betreffend Neuregelung des staatstirchlichen Konzessionswesens. Es soll doch den anerkannten Religionsgemeinschaften so ganz stillschweigend eine Reihe von Pflichten abgenommen werden, während die Pflichten des Staats gegenüber der Kirche bestehen bleiben würden. Wenn Sie schon einmal auf der Suche nach den Wegen sind, auf welchen man zu einer Scheidung zwischen der Staatsgewalt und der Kirche kommen könnte, so würde ich Ibnen empfehlen, ordentlich aufzuräumen, und statt historische Rückblicke auf Spanien zu werfen, auf ein anderes katholisches Land zu blicken, das mehr Recht hat, beachtet ju werden. Sehen Sie die älteste Tochter der katholischen Kirche an, dort hat man erkannt, daß man in der Kultur⸗ entwicklung am Ende zur Trennung von Staat und Kirche kommen mußte und man hat unter großen Kämpfen den Weg dazu gefunden. Nur haben die Franzosen das vor uns voraus, daß sie nicht mehrere Jahrhunderte über richtige Ideen nachzugrübeln pflegen, sondern daß sie, wenn sie einmal Ideen als richtig erkannt haben, sie auch mit Mut und Tatkraft in die Wirklichkeit umsetzen. Darin sind uns die Franzosen ein bedeutendes Stück in der zivilisatorischen Tätigkeit voran⸗ gegangen und wenn jetzt gewissermaßen das Zentrum Anfänge macht, zu folgen, dann können wir aus dem in Frankreich Geschehenen unsere Lehren zieben. Die erste Lehre ist die: wenn Sie das Kirchliche ausscheiden wollen aus dem Staats rechtlichen, aus dem, was den Laienstaat ausmacht, dann müssen Sie zunächst ein allgemeines Vereinegesetz schffen und müssen Lie religiösen Gesellschaften unter das allgemeine Recht bringen, dafür ist die Reichsgesetzgebung zu⸗ ständig. Unter diesem Gesichtspunkt können Sie dann dse Trennung von Kirche und Staat loyal durchführen, so daß, wenn die Kirche zu ihrem Rechte kommt, der Staat nicht geschädigt wird. Deswegen würde ich gern für diejenigen Paragraphen stimmen, welche die freie Ausübung der Religion sichern sollen, wo diese noch nicht möglich ist. Aber unmöglich ist es mir, für so elastisch- Paragraphen zu stimmen, wie die 55 9 und 12 Wer soll den oft entstehenden Streitfall ent⸗ scheiden, ob eine Lehre und Satzung einer Religion dem Strafgesetz widerspricht? Nehmen Sie nur den Fall der Verweigerung des Mllitärdienstes auf Grund religiöser Auffassungen oder nehmen Sie den Duellzwang. Zur freien Ausübung der Religion gehött, soweit ich infolmiert bin, bei den Katholiken auch die Prozession. Diese muß sich auf den Straßen bewegen können. Wenn nun an demselben Tage andere religiöse Vereine, z. B. ein Anabaptisten⸗Verein einen Umzug veranstalten will, so wollen Sie es ihnen allen kraft des Gesetzes gestatten, aber die Orts⸗ polizei wird kommen und sagen: für die öffentliche Ordnung muß auch den Religionsgemeinschaften gegenüber gesorgt werten. Alle sonstigen Vereine und Gesellschaften würden ja auch gegenüber Im übrigen kann ich auch nur
allerkonservativsten
J
ö
schäftigungszeit bei den Justizbehörden das juristische
meiner Freude Ausdruck geben, daß auch das Zentrum erklärt hat die Fortentwicklung soll gar keine Grenzen haben. Sehr stolz aber möchte ich darauf doch nicht sein, denn denken Sie (zjum Zentrunj nur zurück an die Zeit, wo Leo Taxil und Miß Vaughan die höchsten kirchlichen Autoritäten bis zum Poapst hinauf hineingelegt haben.
Hierauf wird Vertagung beschlossen.
In persönlicher Bemerkung erwidert .
Abg. Da vid dem Abg. von Weyl, daß er in seinen Ausführungen zu der Unterstellung, daß die Sozialdemokratie, wenn sie erst die Macht hätte, die christliche Religionslehre aus dem Unterrichte aug. schließen würde, keine Veranlassung gegeben habe.
Abg von Heyl; Ich habe nur behauptet, daß nach dem Urteis das der Abg. David über die christliche Religion gefällt, die Sozial? demokratie zu diesem Entschluß gelangen müßte.
; Abg. David: Auch diese Behauptung enibehrt jeder Grund— age.
Abg. von Heyl; Der Akg David hat tatsächlich von dem christ. lichen ö t gesprochen.
avid: ach meinem zweimaligen vergeblichen Versuch, ihm klar zu machen, daß er meine Ausführungen entstellt hat, ver— zichte ich an dieser Stelle auf eine weitere Widerlegung des Abg. von Heyl.
Schluß nach 6 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag, 1 Uhr. (leinere Vorlagen, Fortsetzung der ersten Lesung des Ent— wurfs einer Maß⸗ und Gewichisordnung, Vorlagen, betr. daz Recht an Photographien und betr. den fakultativen Be— fähigungsnachweis im Baugewerbe.)
Preufzischer Landtag. Herrenhaus. 5. Sitzung vom 24. Januar 1966. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Der Präsident Fürst zu Inn⸗ und Knyphausen er— öffnet die Sitzung um 1 Uhr 30 Minuten.
Eine Interpellation des Mitgliedes Grafen Finck von Finckenstein, betreffend die Bekämpfung der Sozial— demokratie, ist eingegangen und wird auf die Tagesordnung vom Donnerstag gesetzt werden.
Ohne Debajste wird eine Petition um Gewährung einer laufenden Unterstützung erledigt.
Es folgt der muͤndliche Bericht der Geschäftsordnungs⸗ kommission zu einem Justizministerialschreiben, betreffend die Ermächtigung zur Strafverfolgung des Schriftleiters der „Tribüne“ in Erfurt Max von Lojewski wegen Beleidigung des Herrenhauses.
Der Berichterstatter, Oberbürgermeister Marx⸗Düsseldorf, empfiehlt Verweigerung der Genehmigung zur Strafverfolgung, da es sich in dem bezüglichen Artikel „Das preußische Schand— parlament“ um Beleidigungen handle, wie man sie nur auf der Straße zu hören und in Preßorganen niedrigsten Grades zu lesen gewohnt sei.
Der Antrag der Kommission wird ohne Debatte an— genommen. .
Es folgt der mündliche Bericht der Finanzkommission, betr. die Lotterieverträge mit den zur Hessisch-⸗Thüringischen Lotteriegemeinschaft vereinigten Staaten und mit Reuß J. L. Nach einem Referat des Grafen von Keyserlingk⸗-⸗Neu⸗ stadt werden die Verträge ohne Debatte genehmigt.
Darauf berichtet Herr von Winterfeldt-⸗Menkin
namens der Matrikelkommission über die in der Zu⸗
sammensetzung des Herrenhauses seit Erstattung des
letzten Matrikelberichts vorgekommenen Personalveränderungen.
Das Haus nimmt ohne Debatte von dem Berichte Kenntnig.
Es folgt der Bericht der Kommission über den Gesetz⸗ entwurf über die Befähigung zum höheren Ver⸗ waltungsdienst.
Herr Dr. von Dziem bowski referiert über die Kommissions⸗ verhandlungen. Es seien zwar nur redaktionelle Aenderungen vor⸗ genommen, aber doch mehrere Wünsche geäußert worden, auf Grund deren ein inzwischen eingereichter Antrag Fuß und Dr. Hamm die ern te Neuregelung fordert, durch welche gleichzeitig die Vorbereitung zum höheren Verwaltungsdienst und zum höheren Justisdienst vorgesehen wird Weiter wurde in der Kommission die Vertiefung der staatswissenschaftlichen Vorbildung zum Verwaltungsdienst gewünscht. Die Mehrheit der Kommission ist jedoch der Regierungsvorlage beigetreten und empfiehlt die Annahme des Gesetzes.
Herr Dr. Ham m⸗Bonn: Namens meiner Fraktionsfreunde empfehle ich die Ablehnung der Vorlage. Die gemeinsame Ausbildung der späteren Justiz⸗ und Verwaltungsbeamten ist während des Uni⸗ versitätsstudiums gegeben. Unbedingt nötig erscheint mir aber auch die spätere gemeinsame Ausbildung im Vorbereitungsdienst. Der Jurist muß in den Verwaltungsdienst eingeweiht und der Ver⸗ waltungsbegmte in die Justiz näher eingeführt werden. Die neun— monatige Tätigkeit beim Amtsgericht ist völlig ungenügend, und deshalb hat die Vorlage keinerlei Verbesserang in sich, sie bedeutet vielmehr eine große Verschlechterung gegenüber dem bestebenden Zu⸗ stande. Sollte die Vorlage angenommen werden, so ersuchen wir doch um Annahme unserer Resolution.
Herr Dr. Loening-⸗ Halle; Das wichtigste Argument jur Ablehnung der Vorlage liegk darin, daß dieser Entwurf das Dach für ein Haus bildet, dem das Fundament fehlt, und dieses Fundament ist eine genügende juristische Schulung und eine in⸗ gebende juristische . für die jungen Verwaltungsbeamten. Die Kenntnisse des öffentlichen Rechts sind bei dem heutigen Studium unzureichend, daher muß auf die Ausbildung der Rechtsbeflissenen in diefer Richtung besondetres Gewicht gelegt werden. Tie erste junistische Prüfung muß eine ernste Rechenschaft von den jungen Juristen verlangen darüber, eb sie die drei Jahre ibrer Ausbildung in der erforderlichen Weise ausgrnutzt haben. Die Freibrit des Studiums darf nicht in Schrankenlosigkelt ausarten, und diese Gefahr wird durch die Vorlage nur noch vergrößert.
Herr von Wedel - Piesdorf: Die beiden Vorredner haben uns in überzeugender Weise dargetan, daß die Vorbildung unserer Justizbeamten an wesentlichen Mängeln leidet; dem stimme ich dusch= aus bei. Die Vorlage bringt aber trotzdem einige sehr wefentliche Verbesserungen gegenüber dem Gesetze von 1879. Wesentlich neu ist nur, daß der Referendar nicht mehr zwei Jahre, sondern nur ein Jaͤhr, resp. neun Monate bei den Gerichten arbeiten soll, und daß der Minister etwas größere Freiheit darin hat, Personen, die in anderen Stagten ihre Vorbildung erlangt haben, oder Beamte der Justiz in die Verwaltung zu übernehmen. Alles übrige ist eine Wiederholung des bisherigen Zustandes. Wir stimmen der Vorlage, aber auch Resolution Fuß zu. ; Oberbürgermeister Dr. Tettenborn ⸗ Altona; Schon jeßt ist es außerordentlich schwer für die Verwaltungs beamten, außerha der Verwaltung Anstellung zu gewinnen. Dieser Uebeistand wird aber noch vergrößert, wenn durch übergroße Verkürzun e ö. issen un Denken ieser jungen Leute weiter eingeschränkt wird. Die . dieses Gesetzes wird sein, daß die Referendare sich fast ausschlie ßll der Justiz zuwenden werden. Ich bitte Sie, den Entwurf Gesetzes abzulehnen.
Grster Bürgermeister Dr. Jo hansen⸗Minden: Sompohl die juristischen wie die Verwaltungsbeamten haben das gleiche
eresse daran, daß diese Vorlage nicht Gesetz wird. Die Herren, 3 . Resolution zustimmen wollen, inüssen konsequenter, wesse gegen die Vorlage eintreten. Für wünschenswert erachte ich die Einrichtung wissenschaftlicher Kurse für die Referendare bei den Regierungen.
Minister des Innern Dr. von Bethmann-Hollweg:
Meine Herren! Diejenigen unter Ihnen, welche sich gegen den porliegenden Gesetzentwurf ausgesprochen haben, haben in der Haupt⸗ sache ihre Kritik gegen seinen stückwerkartigen Charakter gerichtet, und ich streiche meinerseits gern die Segel vor den weiteren Plänen, die namentlich Herr Dr. Hamm uns entwickelt hat. Aber mit Herin pon Wedel bin ich der Ansicht, daß das Ziel, welches uns hingestellt worden ist, gegenwärtig kaum zu erreichen sein dürste. Schon bei der ersten Besprechung dieser Angelegenheit in diesem hohen Hause habe ich mir erlaubt, meine Zweifel darüber zu äußern, ob es auch nur praktisch möglich sein würde, bei einer ge— meinsamen Autbildung der Justiz⸗ und Veiwaltungsbeamten alle diese Beamten mit der genügenden Gründlichkeit in der Ver⸗ waltung ausbilden zu lassen. Weder in der Kommission noch heute ist ein irgendwie greifbarer Vorschlag gemacht worden, wie das durch⸗ führbar wäre. Solange solche Vorschläge nicht vorliegen, und solange die Staatsregierung lediglich damit vertröstet werden kann, daß es doch in anderen Staaten, wie in Bayern, ginge, werden wir die tat säͤchlich vorhandenen und von allen Rednern in diesem hohen Hause anerkannten Mißstände auf diesem Wege nicht beseitigen können. Herr Dr. Loening hat seine ablehnende Haltung im wesent⸗ lichen darauf gegründet, daß er als conditio sine qua non eine Reform des juristischen Studiums und der ersten Prüfung hinstellt. Damit wird die Bedeutung der ganzen Angelegen⸗ heit zweifellos sehr viel weiter gefaßt als von dem Gesetzentwurf. Ja, man könnte sagen, man solle selbst nicht bei dem juristischen Studium und der ersten juristischen Prüfung haltmachen, sondeirn, worauf auch in der Kommission hingewiesen worden ist, noch weiter gehen, und auch die mangelhafte Vorbildung unserer jungen Leute auf den höheren Schulen ins Auge fassen. Unzweifelhaft wäre es ein Vorteil, wenn es gelänge, sowohl die Bildung der Jugend auf der Schule wie die der jungen Männer auf der Universität derartig zu gestalten, daß ihnen bei voller wissenschaftlicher Ausbildung diejenige gewisse Weltfremdheit genommen würde, welche ihnen heute vielfach anhaftet. Aber alles dies sind so große Probleme, daß es wenig zweckmäßig sein möchte, sie mit der gegenwärtigen Vorlage, welche ganz richtig als ein Notgesetz bezeichnet worden ist, in Verbindung zu bringen. Es handelt sich hier lediglich um die Frage: können die bestehenden Mißstände durch die Maßregeln des Gesetzentwurfs beseitigt oder abgemildert werden? — und zweitens — den ablehnenden Herren gegenüber — würde die Annahme des Gesetzentwurfs es verhindern, die weiteren Pläne zu verfolgen. Daß das letztere nicht der Fall ist, hat, glaube ich, über⸗ zeugend Herr von Wedel dargetan, sodaß ich nicht weiter darauf ein— zugehen brauche.
Zu der ersteren Frage aber möchte ich mir erlauben, die Vorzüge des Gesetzentwurfs, so bescheiden er auch ist, doch noch einmal kurz int Licht zu stellen, da die bisherigen Redner im wesentlichen eine negative Kritik geübt und die Mängel des Gesetzentwurfs hervor— gehoben haben. Von Herrn Dr. Hamm, wenn ich nicht irre, ist gesagt worden: der Gesetzentwurf sei unlogisch. Einerseits be⸗ schwere er sich über ungenügende juristische Ausbildung der Ver⸗ waltungsbeamten, andererseits schlage er vor, die bestehende Zeit der Ausbildung bei den Gerichtsbehörden zu verkürzen. Beides sei mitelnander unvereinbar. Gewiß, meine Herren, die Mißstände beruhen jum Teil auf einer mangelhaften juristischen Ausbildung. Aber doch nicht allein, sondern zum Teil auch auf der Mangelhaftig⸗ keit der Ausbildung, die gegenwärtig den jungen Verwaltungsbeamten bei den Verwaltungsbehörden gegeben wird. Diese letzteren Mißstände der Ausbildung bei den Verwaltungsbehörden aber einschließlich des Ptüfungsstadiums können nur beseitigt werden, wenn die Beschäftigung bei den Verwaltungsbehörden verlängert wird. Jede Verlängerung der Tätigkeit bei den Verwaltungsbehörden hat aber weiter die notwendige Folge, die Tätigkeit bei den Gerichten einzuschränken, da wir alle darin einig sind, daß die Gesamtvorbereitungszeit nicht verlängert werden darf. Nun ist es an sich ja zweifellos berechtigt zu fragen: wie soll die notwendige Ausbildung eines jungen Beamten in der Rechtspraxis innerhalb von neun Monaten, oder wie die Kommission es will, innerhalb eines Jahres erfolgen? Aber, meine Herren, wie liegen denn die Dinge gegenwärtig? Gegenwärtig stehen zwei Jahre zur Verfügung, aber wir alle wissen, daß namentlich die zweite Hälfte dieser zwei Jahre von der großen Mehrzahl derjenigen Referendare, die zur Verwaltung überzutreten entschlossen sind, nicht völlig aus— genützt wird. In der Kommission ist selbst von Gegnern der Vor—⸗ lage zugegeben worden, daß die Ausbildung der Referendare, die zur Verwaltung übergehen, bei den Gerichtsbehörden stelleweise sehr mangelhaft ist. Es ist sogar hinzugesetzt worden, daß nicht allemal der Fehler auf seiten der Refe⸗ rendare liegt. Da ist es doch wahrlich nicht unberechtigt zu fragen, ob denn dieses zweite Jahr wirklich so fruchtbringend für die Gestaltung des gesamten künftigen Lebens der jungen Männer ist, daß seine Streichung zur Ablehnung der ganzen Vorlage führen muß.
Welche Vorteile stehen nun dem Verlust dieses einen Jahres gegenüber? Als Vorteile der Vorlage sind wohl von allen Herren anerkannt worden meine Absicht, die zweite Prüfung zu modifizieren und zu verkürzen, die Absicht, an den Regierungen seminaristisch ge— staltete, mit der Wissenschaft in Zusammenhang stehende Kurse einzurichten. Diese Vorteile wollen die Gegner der Vorlage zwar gern mitnehmen, im übrigen aber die Vorlage ablehnen. Das muß ich für unmöglich ansehen. Wie soll ich die seminaristischen und wissenschaftlichen Kurse ein richten, wenn der Referendar im großen und ganzen überhaupt nur ein Jahr bei der Regierung ist — das jweite Jahr ist er ja im wesentlichen beim Landrat. Wie soll ich es ermöglichen, daß der Referendar schon bei der Regierung sich vollkommen fertig jur jweiten Prüfung vorbereitet, wenn ihm nur zwei Jahre zur Verfügung stehen, die, wie die gegenwärtigen Zustände zeigen, kaum ausreichen, um ihn in die praktische Tätigkeit einzuführen? Wie soll ich es weiter — worauf doch auch Wünsche gerichtet sind — ermöglichen, daß sich die jungen Leute auch in praktischen Betrieben, sei es der Industrie, des Bankfachs oder anderer Unternehmungen, umsehen? Ohne eine Ver—⸗ längerung der Beschäftigungsjeit bei den Verwaltungsbehörden kann ich es nicht. Die Vorzüge einer Abkürzung, einer Verbesserung
der Prüfung, einer Ersetzong des gegenwärtigen Einpaukerspstems durch die Einrichtung geeigneter Kurse bei den Regierungen, der Möglichkeit, daß die jungen Leute früher als jetzt mit dem zweiten Examen fertig werden und in das Leben eintreten, weiter der Vorzug, daß die Beschäftigung beim Landrat wesentlich ausgedehnt und damit fruchtbringender gestaltet wird — alle diese Vorzüge bitte ich doch nicht völlig als Quantité négligeable zu betrachten und mir nur entgegen zu halten: wir können die Vorlage nicht annehmen, weil von der juristischen Ausbildung etwas Zeit genommen wird. Ich möchte Sie daher dringend bitten, meine Herren, die Bedenken, welche hier gegen die Vorlage geäußert sind, insoweit auf ihren wahren Wert zurückjuführen, als die Annahme der Vorlage den Plänen, wie sie auch in der Resolution verfolgt werden, nicht entgegensteht, und ich möchte Sie weiter bitten, die Vorteile, welche für die Ausbildung bei den Verwaltungsbehörden aus der Vorlage hervorgehen, richtig abzuwägen gegenüber den Schäden, welche durch eine Abkürzung des juristischen Vorbereitungsdienstes vielleicht sich ergeben könnten. Wenn Sie beides tun, glaube ich, werden Sie ohne Bedenken der Vorlage zustimmen können, die, so bescheiden sie auch ist, — ich gebe dabei zu, daß sie sehr wohl in der Form einer Novelle hätte eingebracht werden können — hoffentlich zu einer Besserung der gegenwärtigen Verhält— nisse führen wird. (Bravo)
Damit ist die Generaldiskussion beendet.
In der Spezialdebatte wünscht bei 8 6
Ferr Dr. von Burgsdorff die Ueberweisung der Referendare auch an die Amtsvorsteher, Gemeindevorsteher usw., deren Arbeitspensum in neuerer Zeit wesentlich gewachsen ist. Es wäre daher wünschens— wert, daß die Referendare nicht nur den Landratsämtern zugewiesen, . auch mit der Kleinarbeit genannter Behörden vertraut gemacht würden.
Minister des Innern Dr. von Bethmann-Hollweg:
Die Ausführungen des Herrn von Burgedorff sind mir durchaus sympathisch, und auch ichllerkenne durchaus an, daß ein gewichtiger Schwerpunkt der Verwaltung gegenwärtig auf die Behörden ver⸗ schoben worden ist, welche unter den Landräten stehen. Ich habe seinerzeit, als ich Landrat war, selber nach dem Rezepte, das Herr von Burgsdorff empfiehlt, gehandelt und meine Referendare auch bei Amttvorstehern arbeiten lassen.
Die Wortfassung des 5 6 gestattet eine Beschäftigung bei den Amts. und Gemeindevorstehern durchaus. Ich kann keine direkte Zu⸗ sage dahin geben, daß ich in der Instruktion die Beschäftigung beim Gutsvorsteher zu einer obligatorischen machen werde, weil dabei die Verhältnisse in den einzelnen Kreisen berücksichtigt werden müssen; ich kann aber andererselts erklären, daß die Anregungen des Herrn von Burgsdorff durchaus meiner eigenen Ueberzeugung entsprechen und daß ich danach handeln werde.
Darauf wird das Gesetz mit großer Mehrheit an— genommen, ebenso der Antrag Fuß und Dr. Hamm.
Es folgt die Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Errichtung eines Landgerichts in Crefeld.
Dr. Graf von Wedel⸗Gödens berichtet über die Verhandlungen der Justizkommission über diese Frage. Die Verkleinerung des Land⸗ gerichtsbezirks Düsseldorf ist nach Lage der dortigen Verhältnisse dringend erwünscht, deshalb wird vorgeschlagen, Uerdingen und Viersen von Düsseldorf abzutrennen und dem zu errichtenden Landgericht in Ciefeld zuzuteilen. Bemängelt wurde in der Kommission, daß nicht auch einzelne Teile des Bejrkes des Landgerichts Kleve von diesem abgetrennt werden sollen zu Gunsten des Crefelder Gerichts, dem sie wesentlich näher liegen würden. Die Kommission empfiehlt ein⸗ stimmig die Annahme der Vorlage.
Oberbürgermeister Dr. Oehler-⸗Crefeld: Die Errichtung des Landgerichts entspricht einem alten Wunsche. In bezug auf die Ab⸗ grenzung des Bezirks wird allerdings durch den Gesetzentwurf den Wünschen der Bevölkerung nicht entsprochen. Bedauerlich ist es, daß der Stadt Crefeld bei Errichtung des Landgerichts so schwere Opfer auferlegt werden.
Justizminister Dr. Beseler:
Meine Herren! Es ist sehr erfreulich für mich, daß ich bei der ersten mir gebotenen Gelegenheit, an dieser Stelle für die Staats regierung zu sprechen, einen Gesetzentwurf zu vertreten habe, der, wie ich weiß, den Wünschen dieses hohen Hauses entspricht, und dessen Inhalt, wie ich hoffe, seine Zustimmung finden wird. Der Herr Berichterstatter hat alle die Momente, welche für das Gesetz sprechen, eingehend dargelegt, und er hat auch die Punkte berührt, welche zu einer Erörterung über die Begrenzung des Gerichtsbezirks geführt haben. Ich kann im Namen der Staatsregierung erklären, daß die in dieser Hinsicht hervorgetretenen Bedenken von ihr sorgfältig erwogen worden sind, und daß sie, sobald sich die Gelegenbeit bietet, bereit sein wird, das jetzt etwa noch Unzureichende an der Bildung des Landgerichtsbezirks Crefeld auszugleichen. Es kann dies, wie bereits angedeutet worden ist, aber eist dann ins Auge gefaßt werden, wenn eine bessere Verbindung der beiden Rheinufer in jener Gegend her— gestellt sein wird.
Ich glaube, daß ich mich zur Sache selber nicht weiter zu äußern brauche, mich vielmehr darauf beschränken kann, mich den Ausführungen des Herrn Berichterstatters anzuschließen und das Gesetz der wohl⸗ wollenden Beurteilung des hohen Hauses hiermit zu empfehlen.
Nur die Bemerkung, welche der Herr Oberbürgermeister von Crefeld noch gemacht hat, kann mich veranlassen, einige Worte hinzu⸗ zufügen. ;
Es ist nämlich in der Begründung des Gesetzentwurfs betont, daß es sich hier um eine notwendige Einrichtung handele; das ist selbstverständlich aber nicht in dem Sinne aufzufassen, daß sie unter allen Umständen sofort ins Leben treten müsse. In dem Sinne kann man von einer Notwendigkeit nicht sprechen; denn sicherlich kann man noch einige Jahre in Düsseldorf, wie bisher, die Landgerichtsgeschäfte wahrnehmen; aber wenn, wie hier, allgemein der Wunsch besteht, daß ein Gericht nach Crefeld komme — ein Wunsch, der berechtigt ist, das verkennt ja niemand bei der Bedeutung dieser Stadt — und wenn anerkannt wird, daß eine große Erleichterung für die Rechtspflege ein⸗ treten würde, weil die Verbindungen, so gut sie sein mögen, doch nicht so sind, daß die Geschäfte sich so schnell abwickeln können, als wenn das Gericht an demselben Orte seinen Sitz hat, — und wenn alle diese Erwägungen dahin führen, die Errichtung eines Landgerichts in Crefeld als notwendig zu erkennen, so kann das sehr wohl so, wie es geschehen ist, ausgedrückt werden. Damit ist nicht gesagt, daß die Städte unter allen Um ständen Geldmittel bereit stellen müßten, wenn einem von ihren Be⸗ wohnern empfundenen Notstande abzuhelfen ist. Die Staats⸗ regierung hat zu erwägen, wann und wie am besten den für berechtigt erachteten Wünschen auf Verbesserung der staatlichen Einrichtungen
Rechnung getragen werden kann, und natürlich wird dies dann be—⸗ schleunigt, wenn von seiten der Kommunen, die in Frage stehen, weites Entgegenkommen gezeigt wird. Da die großen Städte, um welche es sich jetzt handelt, gerade diejenigen sind, welche die meisten Vorteile von der Aenderung der Gerichtsorganisation haben werden, so ist es auch billig, daß von ihnen Geldmittel aufgewendet werden, wenn sie ihren Wünschen schneller zum Ziele verhelfen wollen. Ich glaube nicht, daß die Staatsregierung sich nicht darauf verlassen dürfe, sondern unter allen Umständen sofort allein eingreifen müsse,
obgleich die Sache noch nicht so eilig ist, und daß sie auf einem
falschen Standpunkt stehe, wenn sie den Kommunen nahe legt, die Erfüllung ihrer Wünsche dadurch zu beschleunigen, daß sie ihrerseits zu den Kosten beitragen. Ich glaube auch nicht, daß es geboten ist, in der Begründung des Gesetzes es befonders auszusprechen, wenn die Kommunen sich entgegenkommend gezeigt haben, bin vielmehr der Ansicht, daß die Beschaffung der Geldmittel zur Durchführung des Gesetzes im Etat zum Ausdruck kommen muß. Verschweigen zu wollen, daß die Kommunen entgegenkommend waren, daran hat die Staats- regierung in keiner Weise gedacht. Ich erkläre gern im Namen der Staatsregierung, daß ein Entgegenkommen der Stadt Crefeld statt⸗ gefunden hat und als dankenswert anerkannt worden ist (Heiterkeit); aber ich glaube, daß der von mir vertretene Standpunkt begründet ist. Ich habe weiter nichts hinzuzufügen, als daß ich die Annahme des Gesetzes dem hoben Hause empfehle.
Die Errichtung des Landgerichts Crefeld wird darauf ein⸗ stimmig angenommen.
Der Gesetzentwurf, betreffend Errichtung eines Landgerichts in München-Gladbach, wird ohne Debatte angenommen.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft.
Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. (Bericht über die Ausführung der Verstaatlichung von Eisenbahnen, Inter⸗ pellationen, betr. Bekämpfung der Sozialdemokratie, und kleinere Vorlagen.)
Präsident Fürst zu Inn⸗ und Knyphausen macht auf die drei Gemälde, die Denkmäler des Großen . Friedrichs des Großen und Wilhelms J. zu Berlin darstellend, aufmerksam, die nunmehr die Präsidialwand des Saales
ücken. mige nn, 33/4 Uhr.
Haus der Abgeordneten. 13. Sitzung vom 24. Januar 1906, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt die Beratung des Etats der land⸗ wirtschaftlichen Verwaltung und zwar die allgemeine Diskussion bei dem Ausgabetitel Gehalt des Ministers“ fort.
Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielski.
Meine Herren! Es haben sich eine so große Zahl von Herren noch zum Worte gemeldet, daß ich glaube, schon im jetzigen Moment die einzelnen Anfragen und Anregungen, die aus dem Hause an mich bereits herangetreten sind, beantworten zu sollen, damit die Ueber⸗ sichtlichkeit der Verhandlungen wenigstens einigermaßen gewahrt wird. Es sind so verschiedene Materien angeschnitten worden, daß dieser Umstand sehr leicht dazu führen könnte, daß die Herren, die diesen Verhandlungen folgen, sich doch nicht mehr ganz der Ausführungen erinnern, die die einzelnen Herren, die vor ihnen gesprochen haben, gemacht haben.
Zunächst, meine Herren, die Frage der Arbeiterwohnungen! Die Regierung wendet der Frage der Förderung des Arbeiterwohnungk⸗ wesens auf dem platten Lande fortgesetzt ihre Aufmerksamkeit zu. Inebesondere ist sie der Frage der Nutzbarmachung der Fonds der Versicherungsanstalten für diese Zwecke näher getreten. Die eingeforderten Berichte der Oberpräsidien liegen jur Zeit vor, und es wird nunmehr zu prüfen sein, in welcher Form die Mitwirkung der Versicherungsanstalten am besten sicherzuflellen sein wird. Ich kann darauf hinweisen — und daß ist ja auch von dem betreffenden Herrn Redner eingehend ausgeführt worden — daß in der Provinz Ostpreußen bereits auf diesem Gebiet energisch vorgegangen ist. Es handelt sich im wesentlichen darum, daß man diese Baudarlehne bevorzugt, das heißt, ihnen unter gewissen Voraussetzungen einen Vorrang vor dem landschaftlichen Pfandbriefe ⸗ darlehen gibt. Dadurch ist die Sache wesentlich erleichtert, und ich glaube, man muß anerkennen, daß durch die bessere Ausgestaltung der Arbelterwohnungen auf den größeren Gütern zweifellos eine wesent⸗ liche Verbesserung des Gutes eintreten kann. Auf diesem Standpunkt stehe ich, und ich hoffe, daß die Verbesserung der ländlichen Arbeiter- wohnungen von den landschaftlichen Kreditinstituten gefördert werden wird.
Es ist dann auch über die Normalmarktorte und die sie betreffenden Bestimmungen gesprochen worden. Ihnen allen ist bekannt, von welcher hohen Bedeutung die Notierungen in den Marktorten für eine ganze Reihe von anderen Verhäͤltnissen sind; ich erinnere nur an die Ablösungssachen, an die Vergütung der Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden, an die Ankäufe der Proviant ämter usw. Ich erkenne auch vollständig an, daß in vielen Markt- orten zweifellos die Notierungen besser sein könnten wie bisher. Der Getreidehandel hat sich unter dem Einfluß unserer neuen Verkehrgt⸗ verhältnisse zu wesentlich veränderten Formen entwickelt, und man wird meines Erachtens darauf bedacht sein müssen, auch an dem System der Marktpreisnotierungen eine Aenderung vorzunehmen. Aber, meine Herren, nach den bestehenden Bestimmungen ist dies nicht anders möglich als im Wege eines Gesetzes; ich habe deshalb bereits Ver⸗ anlassung genommen, die Frage mit den anderen beteiligten Ressorts zu erörtern. Wenn wir auf diesem Gebiete eine Aenderung vor⸗ nehmen wollen, so ist sie nur auf dem Wege des Gesetzes, nicht etwa auf dem einer Verfügung der zuständigen Minister möglich.
Meine Herren, die Frage der Entschuldung ist auch hier heute wieder gestreift worden. Ich darf wohl auf meine Erklärungen vom vorigen Jahre und in der Budgetkommission vom 17. d. M. hin⸗ weisen, möchte aber immer wieder anschlteßend an meine gestrigen Ausführungen hervorheben, daß in dem neuesten Werke des Statistischen Landesamts wirklich unendlich wertvolles Material vorhanden ist, und wir alle dieser Behörde nur dankbar sein können, daß dieser erste Schritt zur Klarstellung der wirtschaftlichen Verhält⸗
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