1906 / 29 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Feb 1906 18:00:01 GMT) scan diff

erkannt worden, daß die in der Rheinprovinz gezogenen Belgier den Erzeugnissen des Heimatlandes nicht nur nicht nachständen, sondern diese sogar n,, (Präsident von Kröcher bemerkt, daß er dem Redner ziemlich weilen Spielraum gelassen habe, aber bitte, die Sache nicht zu weit auszuspinnen.) Der Minister möge dafür sorgen, daß die Staatsprämien vorzugsweise dem inländischen Material und nicht dem ausländischen zugute kommen.

Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielski:

Meine Herren! Ich erachte es als eine der vornehmsten Pflichten der landwirtschaftlichen Verwaltung, wie überhaupt, so auch auf dem von dem Herrn Vorredner angeschnittenen Gebiet der Landespferde⸗ zucht, unsere heimische Produktion nach jeder Richtung hin zu fördern. Es sind ja dafür, wie Sie sehen, in den verschiedenen Titeln eine ganze Reihe von Sulnmen ausgeworfen worden, und ich möchte hier nur kurz dem hohen Hause gegenüber hervorheben, daß die 500 000 K, die jetzt im Extraordinarium stehen, zur Zeit schwerlich in das Ordinarium zu überführen sind, weil wir vorerst abwarten wollen, in welchem Maße durch die neue Totalisatorgesetzgebung für die Landes⸗ pferdezucht mehr Mittel flüssig gemacht werden können. (Bravo!) Da, wie Sie alle wissen, das neue Totalisatorgesetz erst seit Mitte Juli vorigen Jahres in Wirksamkeit ist, so ist zur Zeit eine genaue Uebersicht über die Wirkungen des Gesetzes noch nicht möglich.

Was das von dem Herrn Vorredner berührte Prämiierungs— wesen innerhalb der Rheinprovinz und die Schäden betrifft, die nach seiner Ansicht auf diesem Gebiete hervorgetreten sind, so kann ich immer wieder nur den Grundsatz hervorheben: es ist notwendig, die heimische Pferdezucht, den heimischen Züchter zu unterstützen. Aber auf der anderen Seite ist die totale Ausgestaltung dieses Grundsatzes ein Internum der Landwirtschaftskammer. Meine Herren ich kann dem Grundprinzip Geltung verschaffen; die einzelne Ausgestaltung des Prinzips möchte ich bitten, den Provinzen und Landwirtschaftskammern zu überlassen. Es ist ein heikles Ding; wenn jemand nachher zu Hause nicht zufrieden ist, wird die Sache hier mir gegenüber hervor—⸗ gehoben, und ich befinde mich wirklich in einer recht schwierigen Lage, wenn ich der einzelnen Landwirtschaftskammer zu viel Vorschriften über die Verwendung der Gelder machen soll. Ich meine immer, die Kammern sind durch Gesetz eingeführt, sie sind die zuständigen Organe, sie müssen lekaliter nach den Bedürfnissen ihrer Heimat die Sache ausgestalten.

Meine Herren, es ist ferner aus dem Rheinland eine Frage an mich gerichtet, die ich in dem Hohen Hause beantworten möchte, das ist die Frage über die Verhältnisse im Gestüt Wickerath. Infolge der dort ausgebrochenen Seuche herrscht in vielen Kreisen des Rheinlandes große Besorgnis. Meine Herren, da will ich hervorheben, daß die Seuche von belgischen Hengsten eingeschleppt ist. Wir haben schon erhebliche Verluste unter den schweren Hengsten gehabt es sind 10 Hengste gefallen. Meine Herren, es zeigt sich in diesem Falle, wohin es führen würde, wenn wir den Fonds für Kaltblut und Halb- blut getrennt hätten. Wir würden in diesem Jahre dann in eine schwierige Lage gekommen sein, während wir in solchen Fällen mit dem Gesamtfonds eingreifen müssen, um der betreffenden Provinz zu helfen. Ich möchte auch hervorheben, daß die Prämiengelder für Pferde in der Rheinprovinz von Jahr zu Jahr gestiegen sind. Wir haben in den letzten Jahren 2000, 3000, 4000 M Prämien gezahlt, die Summen stagnieren also nicht, sondern sie sind gestiegen.

Was das Schicken dieser Hengste auf Stationen es ist das in der Rheinprovinz von Bedeutung anlangt, so möchte ich hervor⸗ heben, daß alle Hengste, die seit 6 Wochen gesund und fieberfrei sind, auf die Stationen geschickt werden, aber dort noch eine Quarantäne von 14 Tagen durchmachen sollen, damit man sicher ist, daß nichts passiert. Da wir aber Ersatz kaufen müssen und diesen Ersatz in Belgien gekauft haben, so sollen diese neuangekauften Hengste, ohne Wickerath zu berühren, direkt auf die Stalion gehen, aber auf den Stationen noch eine 14 tägige Quarantäne durchmachen. Ich glaube, daß die Herren aus Rheinland durch diese Erklärung beruhigt sein werden und zugeben werden, daß seitens der Gestütsverwaltung alles geschehen ist, was notwendig ist, damit die Stationen, die durch einen Abgang der Hengste infolge Krankheit nicht voll besetzt werden konnten, auf diesem Wege besetzt werden. Ich hoffe, daß nicht durch die Influenza, die in weiteren Kreisen Belgiens verbreitet ist⸗ neue Gefahren entstehen. Aber immerhin liegt in der Rheinprovinz das Bedürfnis vor, daß die Stationen besetzt werden, und wir haben das Bestreben, nach Möglichkeit diesen Wünschen der Bevölkerung entgegenzukommen, ohne daß irgendwelche Ansteckungen in die wertvollen Bestände der Rheinprovinz getragen werden. Ich kann es immer wieder vor dem Hohen Hause bestätigen: die Rhein⸗— provinz hat wirklich schöne Erfolge auf dem Gebiet der Pferdezucht gemacht, und ich kann all den Herren, die daran mit Hand angelegt haben, von dieser Stelle nur meinen Dank aussprechen. (Bravo!)

Abg. Dr. Becker (Zentr.) dankt dem Minister für seine Aus⸗ führungen.

Bei dem Fonds zur Förderung des Obst-, Wein⸗ und Gartenbaues bedauert

Abg. Lösch er (fr. kons.) eine Verfügung, wonach größere Besitzer, die sich auch mit Qbstbau beschäftigen, hlerzu keine Unterstützung be⸗ kämen, wenn es sich nicht um gewerblichen Obstbau handele. Jede Bepflanzung, welche den e, der Landwirtschaftskammer ent⸗ spricht, . eine Beihilfe bekommen, gleichviel, ob sie ju gewerb⸗ lichen Zwecken erfolgt sei oder nicht. Ferner müßten einzelne Obst⸗- züchter ebensogut Beih lfen erhalten wie die Gemeinden und Ge— nossenschaften. Eine Reform der Weinsteuer sei nötig, um den kleinen Weinbauer existenzfähig zu erhalten.

Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielski:

Ich möchte dem Herrn Abgeordneten zunächst auf den letzten Punkt erwidern, daß die Nahrungsmittel dem Kultusministerium unterstehen, und daß bei diesem Ministerium das ganze Nahrungs⸗ mittelwesen vereinigt ist. Sonst wäre ich ja gern bereit, die Interessen der Milchproduzenten allein zu vertreten.

Was nun den Wunsch des Herrn Abgeordneten, daß die Summe von 185 000 6, die hier für Obst⸗, Wein und Gaͤrtenbau zur Ver⸗ fügung steht, und die Summe von 70 000 M, die noch im Extra—⸗ ordinarium steht, zu gleichen Teilen an die drei Interessenten⸗ gruppen gegeben werden sollen, so möchte ich zu bedenken bitten, daß dann herzlich wenig für jede Gruppe übrig bliebe. Ich meine überhaupt, daß wir im öffentlichen Interesse am besten tun, die Obstverwertung zu fördern. Ist nämlich die Obst—⸗ verwertung eine leldliche, dann werden auch mehr Leute Obst ziehen; ist das aber nicht der Fall, dann wird auch der Obstbau keine weiteren Anhänger finden. Wir sollten also den Schwerpunkt auf die bessere Verwertung des Obstes legen, und eine gute Marktlage dafür zu schaffen suchen. EIst es dann ein lukratives Unternehmen, das sich für

den einzelnen lohnt, da sich seine Arbeit bezahlt macht, dann stehen wir dem Obstbau viel günstiger gegenüber als jetzt, wo bloß dem einzelnen bei Anpflanzung von Obstbäumen eine Unterstützung gewahrt wird und man mit einer endlichen Tragezeit des Obstbaumes rechnen muß, sodaß, wenn der Betreffende nicht weiter an der Sache arbeiten will, die für die Anpflanzung der Obstbäume gezahlten Summen für das Gemeinwohl verloren gehen. Ich glaube, daß das ein Moment ist, das man nicht übersehen darf und das von sehr großer Be⸗ deutung ist.

Meine Herren, ich bitte zu berücksichtigen, daß wir tatsächlich nicht alle Anlagen unterstützen können; ich würde dies auch gar nicht für günstig halten. Ich kann aus eigener Erfahrung folgendes mit⸗

teilen: ich habe vor 14 Jahren eine größere Anlage gemacht, die sich

aber bis jetzt noch nicht verzinst hat, und ob sie sich verzinsen wird ich werde eine öffentliche Rechnungslegung veranlassen —, ist mir immer noch recht zweifelhaft. Ich habe mich damals, ehe ich in den Staatsdienst eintrat, verpflichtet gefühlt weil es vielfach empfohlen wurde: baut Obst! eine solche Obsiplantage einzurichten. Ich habe mir eine solche von über 50 Morgen angelegt, habe alch manche Freude an den schönen blühenden Obstbäumen gehabt, aber einen klingenden Ertrag habe ich leider noch nicht gehabt. Meine Herren, ich möchte daher der Sache nicht zu sehr das Wort reden und nicht sagen: die Sache hat eine gewisse Aussicht, sondern ich möchte Vor⸗ sicht bei Verwendung der Mittel anraten.

Ich glaube, der Herr Abgeordnete wird mir auch zugeben, daß, wenn ein Antrag abgelehnt wird und in den ablehnenden Bescheid die Gründe hineingeschrieben werden, sich wleder Schreiberelen ohne Ende daraus ergeben; denn der Betreffende ist natürlich nicht zu überzeugen, er will das letzte Wort haben, und erwidert auf den Bescheid, und so geht die Sache ad infinitum weiter. Dies ist der Grund dafür, weshalb in solchen Bescheiden keine Gründe angegeben werden.

Meine Herren, ich möchte dann noch den Weinbau streifen. Wer die Klagen von der Nahe gehört hat, die ich voll und ganz nachfühle, weiß, daß die nicht besonders günstigen Lagen zweifellos zur Zeit nicht mehr rentieren, und ich kann nur dem Abg. Engelsmann, der mir nicht ganz wird zustimmen können, gegenüber hervorheben, meine Herren: wir haben doch z. B. an der Aar ich will gar nicht von der Nahe reden noch eine Menge von Weinbergen, bei denen es schwierig ist, voll und ganz den Verdienst aus der Arbeit zu erlangen, der meiner Ansicht nach beansprucht werden kann. Wir werden nach meiner Auffassung nicht zu sehr die weitere Ausdehnung des Wein— baues in Gegenden, die nicht zum Weinbau geeignet sind, befürworten können, sondern wir werden immer nur sagen: baut, wenn irgend möglich, in guter Lage, dann ist eine gewisse Aussicht auf günstige Er⸗ träge vorhanden; aber ist die Lage schlecht, ist sie mangelhaft, so hat der Staat wenigstens keine Veranlassung, wesentlich mit seinen Mitteln nach der Richtung einzugreifen.

Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Löscher wird der Rest der dauernden Ausgaben bewilligt.

Bei den einmaligen und außerordentlichen Aus— gaben, und zwar bei dem Fonds zur Förderung der Land— und Forstwirtschaft in den westlichen Provinzen ssogenannter Westfonds), der in Höhe von 8o5 900 6, das sind 60 000 M mehr als im Vorjahre, eingestellt ist, bemerkt

Abg. Dr. JJänecke (nl. ): Von diesen 60 000 M entfallen auf die Probinz Hannover 20 000 M mehr als in den früheren Jahren. Diese Summe kann unter allen Umständen nicht ausreichend fein für alle die Zwecke, die in der Begründung angeführt sind, nämlich die Kultivierung von Qedländereien und Mooren. Der Redner glbt ein ausführliches Zahlenmaterial über die Größenverhältnisse dieser Ländereien und Moeorflächen der Provinz Hannober. Er weist nach, in welchem Maße durch die Aufschließung des Oedlandes besonders die Schweinezucht gehoben werden könne. Er erinnert den Minister an dessen Versprechen, dafür einzutreten, daß durch ein Netz von Kleinbahnen und Landstraßen die er nn,, . des Landes gehoben werden solle, und fährt dann fort: Diesen Aufgaben ist nur der Staat gewachsen, aber nicht mit einem Mehr von 20 090 ½Æ. Mit kleinen Mitteln ist hier nicht geholfen, es müssen große Mittel fiskalisch berwendet werden. Kleine, kümmerliche Organisattonen können mehr schaden als nützen. Hier liegen segensreiche, vielversprechende Auf— 86 für den preußischen Staat vor; ich hoffe, daß in den nächsten Etat, nachdem die Kommission zur Nutzbarmachung der Heideflächen. ibre Beratungen beendet haben wird, größere Peittel ein— gestellt werden. Die Kolonisation der Heide ist gleichbedeutend mit einer erwünschten numerischen Stärkung, der ländlichen Bevölke— rung. Die natürliche Bevölkerungszunahme ist immer noch so groß, daß eine Erweiterung der landwirtschaftlichen Betriebe möglich ist. Es muß gelingen, für diesen Ueberschuß der Bevölkerung annehmbare Lebensbedingungen zu schaffen und die Abwanderung ju verhindern. Eine wesentliche Voraussetzung ist dabei aber in erster Linie eine geordnete Wasserwirtschast. Diese wird nur möglich sein bei einem richtigen Zusammenlegungeverfahren. Wenn dieses systematisch durch⸗ eführt ist, werden auch die Heideflächen zu einer höheren Grundsteuer

erangezogen werden können. Die Gesetze über die Gemeinheitsteilung

müssen in richtiger Weise durchgefübrt werden. In Betracht kommt auch die Auswahl des richtigen Menschenmaterials. Es ist Ehren—⸗ pflicht des Staates, diesen Trägern der Kultur den Kampf ums Dasein zu erleichtern. Ein wichtiger Anreiz zur Ansiedlung in der Heide liegt in der Gewährung von Baudarlehen, die natürlich aus den bis⸗ herigen Ctatsmitteln, nicht möglich ist. Bei der Kolonisation der großen Heiden müssen schließlich Strafgefangene benutzt werden, namentlich auch aus ethlischen 6 damit namentlich die jungen Gefangenen statt in ihrer Zelle in der frischen Luft beschäftigt werden können. Wenn durch alle diese Maßnahmen in großem Stil eine Organisation der inneren Kolonisation der Heide angebahnt wird, so ist es nicht Sanguinismus, zu sagen, daß die Lüneburger Heide ein Land werden kann, wo Milch und Honig fließt. Durch großzügige Maßnahmen werden wir einen erheblichen Zuwachs einer zufriedenen Bevölkerung erhalten.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbiels ki:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine ganze Reihe von Fragen gestreift, die ich, wenn auch nicht in allen einzelnen Punkten, doch kurz beantworten möchte, weil meines Erachtens an diese Aus—⸗ führungen eine Menge wichtiger Schlußfolgerungen zu knüpfen sind.

Was junächst die Frage des Westfonds betrifft, so liegt diese so, daß die Initiative immer bei den Provinzen liegt. Die kann nicht ausgehen von der Zentralinstanz, sondern in den Provinzen müssen die Beteiligten zunächst feststellen, was ist notwendig und in welchem Umfange; soll etwas geschehen, dann sind die Anträge zu stellen. Es würde nach meiner Ansicht eine vollständige Verschiebung der gesamten Verhältnisse mit sich bringen, wenn ich gewissermaßen die Provinzen zu dieser oder jener Anlage verführen oder verleiten wollte. Meine Herren, die Provinjen müssen zuerst die Sache in ihren Organen be raten, und dann werden, nachdem die Provinzialvertretungen sich darüber ausgesprochen haben, die Mittel hier beim Herrn Finanzminister beantragt. Ich möchte immer wieder konstatieren, daß der Herr Finanzminister

sehr bereitwillig auf alle diese Sachen, soweit sie begründet sind, ein- gegangen ist, und wie Sie auch sehen, die Mittel des Westfonds er heblich vermehrt hat.

Nun ist eine Menge von Fragen vom Herrn Vorredner ange⸗ schnitten worden. Zunächst muß ich immer wieder hervorheben: im allgemeinen hat sich die Landwirtschaft in den letzten Jahren etwas erholt, ich sage etwas“, und wir hoffen, daß durch die neuen Handels. verträge die Verhältnisse sich noch besser gestalten werden. Sie wollen aber dabei bedenken, daß mit der eventuellen Zunahme der Prosperität zweifellos die Kaufkraft der ländlichen Bevölkerung wächst. Es zeigt sich für uns immer, daß bei steigenden Einnahmen der Landwirt immer bereit ist, zu meliorieren, d. h. sein Geld wieder in den Boden hineinzustecken, in die heimatliche Scholle, um bessere Erträg. nisse daraus zu erzielen. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Meine Herren, es ist eins der wesentlichsten Momente, das von der städtischen Bevölkerung gerade so oft verkannt wird, daß wir in der Landwirtschaft in den letzten Jahren nicht so vorwärts gekommen sind, wie wir es wohl möchten, weil es an dem nötigen Kapital für ö. dringenden Meliorationen fehlte. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts.)

Man sollte in der staatlichen Ferderung nicht zu weit gehen

wollen und etwa alle Meliorationen auf die Schultern des Staatß

abwerfen, sondern wir als Landwirte müssen, wenn wir nur irgend das Geld dazu haben, aus uns heraus die Meliorationen vornehmen, um unsere heimatliche Scholle ertragsfähiger zu machen. In den letzten Jahren, wo es ein bißchen besser gegangen ist, hat man überall Anregungen gegeben und Hand ans Werk gelegt, sodaß man wohl hoffen kann, daß es gelingt den heimischen Boden zu bessern und uns vor— wärts zu bringen zum Besten der Allgemeinheit.

Nun hat der Herr Vorredner angeführt, daß die Oedländereien zunehmen. Meine Herren, das ist eben der Beweis dafür, daß unter den bisherigen Rentabilitätsverhältnissen eine große Zahl von Morgen unseres Besitzes nicht mehr ertragsfähig war, das heißt, daß die aufge⸗ wendete Arbeit sich nicht mehr lohnte; infolgedessen hat auf den geringeren Heideböden das Unland zugenommen. Da der geringste Erfolg ausblieb, wurden die Leute sich immer klarer darüber, daß es sich nicht mehr lohnte, die Saat auszustreuen. Ich freue mich, daß der Herr Vor⸗ redner diese Sache angeschnitten hat, und daß wir auch von seiner Seite Unterstützung erhalten werden bei dem Bestreben, weiter zu kultivieren und weiter die vielen noch öd liegenden Flächen in unserm Heimatlande zu erschließen. Aber, meine Herren, selbst wenn der Staat die ganzen Kosten aufwenden wollte: wenn der Boden keinen Ertrag bringt, nutzt alles nichts (sehr richtig! rechts und im Zentrum), dann ist das Geld weggeworfen, und das würde ich nicht verantworten können.

Was geschieht nun in der Provinz Hannover und welche Hinder nisse stehen da entgegen? Zunächst glaube ich, daß die Provinz Hannover eine warme Fürsorge bei der Staatsregierung erfährt; ich habe die Zahlen augenblicklich nicht ganz zur Hand, aber ich glaube, daß 10 Millionen für innere Meliorationen nicht zu gering gegriffen sind. Ich erwähne den Süd Nordkanal, die Kanäle im Gebiete linls der Ems, ich erinnere an die Meliorationen im Markard⸗ Moor und im Keedinger Moore. Die Budgetkommission hat sich in den letzten Tagen auch noch mit der Kanalverbindung nach dem Jade— kanal beschäftigt. Die Staatsregierung hat also viel Geld auf⸗ gewendet und will es auch weiter aufwenden, namentlich für diejenigen Ländereien, die dem Staat gehören, und die heute, wie neulich mein Kommissar erklärte, noch nichts bringen und öd an der Sonne liegen.

Aber, meine Herren, ein großes Hindernis obwohl ich sagen muß, daß es mich auf der anderen Seite freut, daß es noch so ist das größte Hindernis in der Heide ist der Heidebauer selbst, der sich nicht entschließt, auch nur einen halben Morgen von seinem Besitztum für eine neue Ansiedlung herzugeben. Da können wir mit allen Mitteln nichts gegen machen, das ist die konservative Anschauung der Besitzer, die von dem von ihren Vätern und Voreltern ererbten Hof auch nicht einen halben Morgen missen möchten und meinen, ihre Eltern und Großeltern würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie etwas verkaufen wollten. Also ich persönlich glaube: vielfach würden diese großen Heidhöfe, wenn abverkauft würde, wenn die Leute kapitalskräftiger würden und Neubauern sich ansiedelten, eine viel intensivere Bewirtschaftung ermöglichen. Aber man soll auch ein volles Veiständnis für diese Heidebauern haben, welche das Gut und die Scholle, die sie von den Voreltern überkommen, in vollem Umfang erhalten wollen, damit sie sich auf ihren Besitzungen wohl fühlen. Das sind Momente, die man kennen muß und in die man sich hinein- leben muß, die oft zu ganz anderen Resultaten führen, als es im ersten Moment scheint. Ich persönlich bin in bezug auf innere Kolonisation und Aufschließung der Oedflächen, namentlich der Hochmoore, etwas anderer Meinung als ein Teil der mit mir arbeitenden Herren im Ministerium. Ich persönlich neige mehr der Ansicht zu, daß unsere Landgewinnung an der friesischen Küste viel wertvoller ist, weil wir dort gutes Land erwerben, das vom eisten Tage an ertrags fähig ist und wertvoller als die großen Heidflächen.

Der Herr Vorredner hat auch die Kommission erwähnt, die ich eingesetzt habe, um Aufforstungen und Maßregeln für die Heiden zu treffen, diese tagt in Lüneburg unter Mitwirkung zahlreicher wissen⸗ schaftlicher Autoritäten. Zunächst möchte ich den Herrn Vorredner bitten, einmal aus seiner eigenen Erfahrung festzustellen, daß die Probinz Hannover auz eigenen Mitteln eine große Menge Auf- forstungen, namentlich an der Wieper im Süden der Provinz, vor⸗ genommen hat. In der Heide ist man noch zweifelhaft, wie die Sache gehen wird.

Es liegen ähnliche Aufforstungen in Schleswig ⸗Holstein vor, dort hat die Provinz erhebliche Aufwendungen gemacht zu Aufforstungen. Die Resultate sind leider zur Zeit nicht sehr günstig. Wir doltern an dieser Frage noch herum, und ich meine, man wird an vielen Stellen immer eine Waldkultur anstreben müssen. Ich glaube, und das betrifft nicht bloß die Provinz Hannover, in 100 Jahren werden wir viel⸗ fach in unserem Heimatland in einzelnen Gegenden traurige Verhãältnisse erhalten, weil wir die Höhenzüge zu sehr entwaldet haben (sehr richtig h), denn wo sollen die Quellen sich erhalten, wenn alles 3d und leer ist und der Wind darüber pfeift! (Sehr richtig) Ich kann nur dank bar sein, daß in der diesjährigen Thronrede darauf hingewiesen ist, daß wir nicht vergessen dürfen, wie notwendig ed ist, unsere Quell. gebiete als Waldgebiete für das allgemeine Interesse zu erhalten. Es kommt unmerklich dazu, daß elne allmähliche Verödung fstattfindet.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichsan

M 29.

3weite Beilage

Berlin, Freitag, den 2. Februar

zeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

19006.

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Wer die Eifel ruhig und objektiv studiert, wird sehen, wie der zu⸗ nehmende Wind, der die Höhenflächen kahlfegt, die Kultur von Jahr⸗ zehnt zu Jahrzehnt tiefer in die Täler herabgedrückt hat. Gegenden, die ganz zweifellos vor 100 Jahren bebaut waren, sind heute durch den Wind, der über die Eifel geht, nicht mehr kulturfähig. Der Regen hat das letzte Körnchen Krume von den Steinflaͤchen heruntergewaschen und damlt werden traurige Verhãͤltnisse für die Bevölkerung geschaffen. Darum, meine Herren, möchte ich vom allgemeinen Standpunkt die Aufmerksamkeit des hohen Hauses darauf lenken: denken Sie doch immer daran, daß der Staat eine große Pflicht hat, nicht etwa bloß der Landwirtschaft gegenüber; meine Herren, für Handel und Industrie ist es ebenso wichtig, daß wir unsere Wasserstraßen erhalten (sehr richtig), daß die Quellengebiete der Flüsse und Bäche bewaldet bleiben. (Sehr richtig) Ich glaube, daß ich damit im großen und ganzen wohl auf die vom Herrn Vorredner be⸗ rührten Punkte eingegangen bin.

Ich möchte nur noch kurz die Frage der Strafgefangenen streifen. Auch ich meine: es ist für unsere Strafgefangenen am besten, wenn sie in Gottes freier Natur Kulturarbeiten für die Allgemeinheit ver⸗ richten. (Sehr richtig) Am Rhein geht man in dieser Richtung vor / ebenso in Ostpreußen. Für Hannover möchte ich hier nur anführen, daß unter Tit. 13 des Extraordinariums die fünfte Rate für die Artländer Melioration erbeten wird. Dort sind augenblicklich die Straf⸗ gefangenen aus den hannoverschen Gefängnissen beschäftigt. Ebenso wie diese Artländer Melioration, sollen Gefangene in die Ilmenau⸗ niederung geschlckt werden, für die im Tit. 23 die erste Rate gefordert wird. Dlese Niederung umfaßt, glaube ich, ein Gebiet von 160 Rm oder 16 000 ha. Der Herr Vorredner ersieht daraus, daß von mir alles geschieht, um die Strafgefangenen mit nützlicher Arbeit für das Allgemeinwohl zu beschäftigen.

Ich möchte noch eine kleine Bemerkung auf Grund einer mir vorliegenden Notiz hinzufügen. Der Herr Vorredner sagte zuerst und ich freue mich immer darüber —: wir wollen die Viehzucht heben und für die Ernährung der heimischen Bevölkerung sorgen. Für recht bedenklich halte ich aber den zweiten Satz, seinen Vorschlag der viehlosen Höhenwirtschaften. Gewiß! Es liegen große Erfolge mit rein viehlosen Wirtschaften namentlich in England vor; auch wir haben solche Erfolge, daß man auch viehlos wirtschaften kann. Ich habe selbst in neuerer Zeit einem Domänenpächter die Erlaubnis erteilt, in größerem Umfange einen solchen Versuch ju machen. Ich bin also einem solchen Versuche nicht abgeneigt; nur glaube ich, daß man die Heide, also das jetzige Unland oder Oedland, wie man es bezeichnet, doch erst wirklich erschließen und ertragsfähig machen kann, wenn man eine ordentliche Ackerkrume erzeugt. Dazu brauchen wir aber entschieden den Dung des Viehes. Ist erst die Ackerkrume da, ist also die Krume für den Getreide⸗ und Kartoffelbau geschaffen, so kann man unter Umständen, glaube ich, auch mit Vorteil auf einigen Gütern viehlos wirtschaften. Aber das erste wird doch immer sein, die Schaffung einer möglichst tiefen Ackerkrume. ,

Ich kann also die Herren nur immer wieder bitten: unterstützen Sie darin die landwirtschaftliche Verwaltung; erschließen wir unsere landwirtschaftlichen Gebiete besser; schaffen wir dem Landwirt die Möglichkeit, seine Produkte gut abzusetzen, so werden wir auch auf diesem Gebiete einen Fortschritt für die allgemeine und Landeskultur

machen. ( Beifall rechts.)

Abg. Dr. Becker entr) gibt seiner Freude über die Erhöhung des Westfonds Ausdruck, wünscht aber noch- elne weitere Erhöhung, namentlich zur Unterstützung wasserarmer, notleidender Gemeinden. gebe Gemeinden, die boo 9, und mehr Kommunalsteuern zahlen müßten. Der Minister habe die Notwendigkeit anerkannt, die notleidenden Gemeinden an das Eisenbahnnetz e r,.

Abg. Tourneau Gent) erklärt eine Erhöhung des Westfonds für ebenso notwendig wie die des Ostfonds, die der Minister seinerzeit begründet habe. Die Provinz Westfalen habe ihren Zuschuß für den Westfonds in diesem Jahre um 150 000 4M erhöht, sodaß ihr jetzt im ganzen 410 060 S6, zur Verfügung stehen. Auf die Provinz . entfallen dagegen nur 80 000 M. In der Provinz Sachsen schwebten zur Zeit Meliorationsprojekte von nicht weniger als 8 Mill. Mark; eg handle sich dabei außer um Meliorationen hauptsächlich um die Herstellung von Wasserleitungen für wasserarme Gegenden. Für das Eichsfeld sei vor allem eine Förderung der Viehzucht er⸗ forderlich, deghalb müßten der Provinz Sachsen und namentlich dem Eichsfeld höhere staatliche Beihilfen zufließen, weil die Beteiligten selbst nicht allein zu Meliorationen im stande seien.

Der Titel wird bewilligt, 1, ohne Debatte der Titel zur Förderung der Land⸗ und Forstwirischaft in den öst⸗ lichen Probinzen (Ostfonds), der 1 120 009 16 aufweist.

Zur Förderung der inneren Kolonisation in den Provinzen Ostpreußen und Pommern sind 2 Millionen Mark ausgeworfen.

Berichterstatter Abg. von Arnim berichtet über den bisherigen Fortgang der inneren Kolonisatlon in diesen Provinzen und die Art der Verwendung dieses Fonds. Die Zwecke der inneren Kolonisation seien noch nicht genügend erreicht, es lägen für das Jahr 1906 schon Anträge im Betrage von 400 900 M vor. Bezüglich der Provinz Brandenburg habe die Kommission ein Bedürfnis nach Kolonisation nicht anerkannt, weil in dieser ,, der Großgrundbesitz und der Kleinbesitz richtig verteilt seien; dagegen habe der Minister erklärt, daß er auch in der Provinz Schlesien ebenso vorgehen wolle wle in Pommern und Ostpreußen.

Abg. von Bockelberg (kons. : Seit einer Reihe von Jahren habe ich die Aufmerksamkeit auf diese Frage gelenkt. ,. sind aber feinegwegs die Erwartungen des Landes in bezug auf den Ausbau der inneren Kolonisation in Erfüllung gegangen. Diese Tätigkeit des Staates ist beschränkt durch sein Engagement seit 1886 in den Provinzen Posen und Westpreußen. Noch andere Schattenseiten sind durch dieses Engagement des Staates im Osten hervor⸗ getreten. Besonders die dortigen Grund und Bodenpreise sind der⸗ artig gestiegen, daß sogar ein höherer Beamter erklärt haben soll, man möge nicht mehr ohne Zweck und Ziel Staatsmittel in dem Maße in Anspruch nehmen, wle bisher. Der Redner bespricht die bei einer vommerschen Ansiedlungsgesellschaft, deren , . Kraft zu gering gewesen sei, zutage getretenen Vrhaltn sse. Zum Schluß

bittet er erneut den Minister, der Frage der inneren Kolonisation das bewiesene Interesse zu bewahren. H .

Abg. von Klitzing (kons); möchte dem nister für e Ohr fab ü n b c gi neren Kglonisation danken, aber vor allem auch der e gte eo, welche in mustergültiger Weise ufforstungen vorgenommen hat, wofür namentlich auch den Ober- förstern unser Dank gebührt. Wie die Landbank sich entwickeln wird, müssen wir abwarten, aber sie wird heranzuziehen sein, um die Guͤterschlächtereien zu verhindern. Der Geschäftsgang ist erschwert, weil hier wieder in Berlin alles zentralisiert ist, und 9 allen Sitzungen auch Vertreter der Ministerien für Landwirtschaft, des Innern und der Finanzen hinzugezogen werden müssen. Es ist schwer, die vielen Perfonen auf einmal zusammenzuziehen und Einig⸗ keit unter ihnen herzustellen. Der Seehandlungspräsident wird schon darauf achten, daß alles seinen richtigen Gang gebt. Es follte zu der innern Kolonisation etwas kaufmännisches Del hinzugegossen werden. Ich freue mich, daß die neue Kolonisatlonsgefellschaft auf etwas andere Grundlage gestellt ist als die bisherigen, und daß sie sich nicht allein mit neuen Ansiedlungen befasfen soll, sondern auch damit, bei bestehenden Siedlungen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, Arrondierungen, Auf⸗ forstungen usw. vorzunehmen. Es handelt sich nicht allein darum, neue Besitzungen zu schaffen, sondern guch darum, die vorhandenen zu konfolldieren. Bei der Rentengutsbildung hat sich häufig ein Miß—⸗ erfolg herausgestellt, weil die Zwischenkosten, die Einrichtungskosten und die offentlichen Lasten zu hoch sind. Wenn der Staat nicht die öffentlichen Lasten übernehmen will und sich nicht entschließen kann, lieber keine Kolonisten anzusiedeln als leistungsunfähige, so werden wir ju keinem gesunden Bauernstand kommen. Friedrich der Große hat dafür gesorgt, daß nur gutes, ertragfähiges Land besiedelt wurde, und daß nicht die Leute innerhalb der Provinzen von einem Gut nach dem anderen geschoben, sondern aus anderen Provinzen Leute hergeholt wurden.

Abg. Graf von der Groeben (kons): Es in anerkennenswert, daß der Staat mit größerer Energie an die innere Kolonisation gegangen ist. und sich an der Pommerschen Ansiedlungsgesellschaft beteiligt. Diese Gefellschaft verfolgt lediglich gemeinnützige Zwecke, und daher sollte der Staat sich ausschließlich an dieser Gesellschaft beteiligen und nicht mehr Güterschlaͤchtereien begünstigen. Es sind aber im setzten Jahre eine ganze Reihe von Gütern ohne Inanspruchnahme der Gesellschaft aufgeteilt worden, Allerdings zahlen die Güterschlächter höhere Preise als die Gesellschaft, aber es kommt darauf an, daß die Güterpreise nicht in ungesunder. Weise in die Höhe getrieben werden. Für die Folgeeinrichtungen sind 0 6bo S6 ausgeworfen worden, aber sie sind noch nicht verteilt, weil die beteiligten Ministerien sich noch nicht über die Aus— führungsanweisungen geeinigt haben. Wichtig ist, daß der billige Seehandlungskredit schneller gewährt wird. Bei einer so großen Kulturaufgabe ist aber wünschenzwert, daß nicht allein der Staat, sfondern auch andere große Verbände, auch die Städte, sich daran be⸗ teiligen. Im vorigen Jahr ist in der Budgetkommission auch die Ansiedlung von Militäranwärtern angeregt worden. Bei der jetzigen Lage der Gesetzgebung ist es allerdings unmöglich, daß Militär⸗ anwärter dem . en. Es wird eine Aenderung der Gesetzgebung not⸗ wendig sein. Die Landwirtschaft betrachtet jetzt einen jungen Mann, der sich dem Militärdienst widmet, als für die Landwirtschaft ver⸗ loren. Ich glaube nicht, daß, wenn man von diesem Gedanken ab⸗ geht, das Mllitär selbst dadurch Schaden erlitte. Tatsächlich würde manche Kraft dem Militärstande zugeführt, welche jetzt fern gehalten wird. Die Vorbildung eines Unteroffiziers liegt doch immer mehr in der Richtung der Landwirtschaft als in der irgend elnes anderen Be⸗ rufes. Die Unteroffiziere bewegen sich in den Buregus, für die sie noch Examina machen sollen, nicht so geschickt. Ich bitte die Regierung, das wichtige Gebiet weiter in Angriff zu nehmen und den Bahnen des großen Königs zu folgen.

. & et gr n i te Zensur werd ben können: an preußischen Landgesellschaft eine gute Zensur werden geben können: den i e' sollt ihr sie erkennen. Wir wünschen aber lebhaft, daß auf die Ratschläge der Provinzialbehörden der größte Wert gelegt wird, und das Reglementieren von der gen allt e, vom grünen Tisch aus vermieden wird. Ich hoffe, daß die Sache besser gehen wird, als jetzt noch in den meisten Kreisen Ostpreußens be—⸗ fürchtet wird. =

Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielski:

Meine Herren! Ich habe geglaubt, es würde zur Abkürzung der Debatte beitragen, wenn sämtliche Herren ihre Wünsche, ihre Kritiken vorbringen, und ich dann Gelegenheit hätte, auf die Einwendungen zu antworten.

Zunächst ist mein Verhältnis zu den geplanten Besiedlungen in Ostpreußen berührt worden. Ich möchte mich auf die Erklärung be⸗ ziehen, die ich, zugleich im Namen des Herrn Finanzministers, in dieser Angelegenheit abgegeben habe, und die sich auf Seite 10 des Protokolls über die dritte Sitzung der Budgetkommission befindet. Aus ihr geht meines Erachtens hervor, daß das nicht ganz zutreffend jst, was der Herr Abg. von Klitzing angeführt hat, daß drei Kommissare der Herren Minister im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft Platz ge nommen haben. (Zuruf. )

Ein Herr hat gesagt, daß die Minister durch drei Kommissare vertreten gewesen selen. Demgegenüber darf ich wohl den betr. Passus der eben erwähnten Erklärung verlesen; er lautet:

Das Landwirtschaftsministerium hat sich gegenüber der Land⸗ gesellschaft eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen, weil es als Beschwerde⸗ und Aussichtsinstanz über die obrigkeitliche Tätigkeit der Generalkommission bei der Durchführung der einzelnen Ansiedlungs⸗ unternehmungen zuständig ist und sich darum die Freiheit seiner Entschließung wahren muß.

Daraus geht hervor, daß ich in dem Aufsichtsrate der Gesellschaft nicht mitvertreten sein konnte; denn schließlich würde es doch eine eigentümliche Situation sein, daß einerseits mein Kom⸗ missar mitbeschließt, und daß ich dann nachher bei Beschwerden entschelden soll. Aus dieser Eiwägung sind also von meiner Seite in diese Landgesellschaft keine Kommissare deputiert worden, sondern es sind nur Vertreter der Herren Minister des Innern und der Finanzen dort tätig. Ich glaube auch, daß das ein richtiger und korrekter Standpunkt ist, wiewohl ich nach einer gewissen Richtung hin die Verantwortung für die Tätigkeit dieser Gesellschaft mittrage.

Zu der Frage, wie man kolonisieren muß, möchte ich von vorn⸗ herein ich glaube in Uebereinstimmung mit der großen Mehrheit dieses Hauses das eine immer festgehalten wissen: die sogenannten gewerbsmäßigen Güterschlächter sind unbedingt von der inneren Kolonisation auszuschließen. (Sehr richtig! rechts) Sodann dat

Wir wollen abwarten, ob wir der Ost⸗

möchte ich gegenüber einem der Herren, der darauf kam, bervor⸗

heben ist davon auszugehen, daß die 400 000 SL des Zwei⸗ millionenfonds einerseits die 270 000 für die Regelung der öffentlich rechtlichen Verhältnisse, andererseits die 130 000 für landwirtschaftliche Folgeeinrichtungen regelmäßig nicht dem Aus⸗ geber der Rentengüter, sondern den Rentenguttserwerbern zugewendet werden. Die letztgenannte Summe kann überhaupt nicht zum Vorteil des Rentengutsausgebers verwandt werden. Etwas anders liegt es das gebe ich zu bei derjenigen Summe, die für die öffentlich recht⸗ lichen Einrichtungen bestimmt ist; da ist es auch für den Rentenguts⸗ ausgeber, wenigstens indirekt, eine Erleichterung, wenn aus öffentlichen Mitteln für die Regelung der Kirchen⸗, Schul⸗ und Gemeindeverhält⸗= nisse Beihilfen gegeben werden.

Wenn ich mich darüber äußern soll, wie nach meiner Ansicht der Versuch mit diesen privaten Landgesellschaften, wenn ich sie so nennen soll, der Pmmerschen Ansiedelungsgesellschaft und der Ostpreußischen Landgesellschaft, ausfallen wird, so möchte ich folgendes sagen: Ich hoffe, daß der Versuch glücken wird. Es sind eine Menge Schwierig keiten vorhanden, die schon von dem einen oder dem anderen der Herren Vorredner gestreift sind. Wir wollen aber hoffen, daß wir vorwärts kommen. Hierbei möchte ich aber anknüpfen an Ausführungen, die ich vor Jahr und Tag vor dem hohen Hause gemacht habe in bezug auf die großen Domänenankäufe im Osten. Ich habe schon damals gesagt: es kann unmöglich das Ziel und die Aufgabe der Domänenverwaltung sein, einen ungemessenen Domänen⸗ besitz zu schaffen, dessen Verwaltung und Vertretung große Schwierig⸗ keiten macht, sondern der Domänenbesitz muß meiner Ansicht nach-mit dazu bestimmt sein, uns das Material zum Kolonisieren zu schaffen, und zwar in der Weise, daß, wenn die eine oder andere Domäne aus der Pacht kommt, jedesmal zu überlegen ist: ist es nicht besser, sie aufzuteilen als sie als Gutseinheit zu bewirtschaften? Das würde meines Erachtens die einfachste Kolonisation sein, die direkt von seiten der Domänenverwaltung mit Hilfe der Generalkommission vorzunehmen wäre. Augenblicklich liegt allerdings ein ge⸗ wisses Hindernis darin wir sind in dieser Beziehung in Erwägungen begriffen —, daß unter den jetzigen gesetzlichen Bestimmungen die Domänenverwaltung Rentengüter nur gegen Domänenrente ausgeben kann. Damit wird nur mein liquides Kapital naturgemäß weggenommen, ich werde bloß auf Rente gesetzt, und die Herren wissen ja, wie nachher der Wunsch entsteht, die Rente abzu⸗ lösen. Aber selbst im Falle einer etwaigen späteren Ablösung ver⸗ liert die Domänenverwaltung auf eine Reihe von Jahren ihre liquiden Mittel, sie kann das aufgewendete Geld nicht schnell genug wieder erlangen. Infolgedessen die augenblickliche Erscheinung Herr Graf von der Gröben wird mir das bestätigen können —, daß ich in Vorpommern, wo ich die Aufteilung im Interesse der an⸗ gemessenen Mischung von Groß und Kleingrundbesitz für besonders nötig halte, Domänen an die Pommersche Ansiedlungsgesellschaft ver⸗= gebe, die mit der mir unterstellten Generalkommission die Frage löst. Wir haben also einen Zwischenträger, während man sich sagen muß daß man dasselbe Ziel einfacher erreicht, wenn man Domänen direkt unter der vollen Verantwortung des Landwittschaftsministers aufteilt, wenn das namentlich auch nach Anhörung der betreffenden Organe der Provinz, Generalkommission, Oberpräsident, Regierungspräsident, Landrat, im Interesse der inneren Kolonisation erwünscht ist. Ich möchte das heute nur skizzieren, meine Herren, bin auch heute nur in der Lage, meine persönliche Ansicht zu entwickeln, weil das Staats⸗ ministerium zu dieser Sache noch nicht Stellung genommen hat; denn bei der Durchführung meines Gedankens müssen wir an die Stelle der Domänenrente die Rentenbankrente setzen, und das ist nur durch Gesetzesänderung herbeizuführen.

Darüber, meine Herren, dürfen wir nicht im Zweifel sein, die Verhältnisse haben sich durch die hundert Jahre seit dem Tode des großen Königs wesentlich verändert. Meine Herren, die Nationali- tätenfrage hat sich leider nicht in erfreulicher Weise entwickelt, es ist Hader entstanden. Da handelt es sich nicht bloß darum, im Osten die Population zu vermehren, von anderswoher Leute zu benehen, sondern, wie auch die Herren, die dem Ansiedlungsgesetz zustimmten, hervorgehoben haben, wir wollen im Osten der Monarchie nicht polnische Ansiedler haben. Ich meine, das ist ein wesentlicher Unter⸗ schied gegen die Zeit des großen Königs, die ja nach ganz anderen Gesichtspunkten vorging. Damals hieß es ausdrücklich: um die Population zu vermehren. (Zuruf: zum gemeinen Wohl) Im großen und ganzen war die Absicht der damaligen Zeit nur auf die Volksvermehrung gerichtet; es lagen aber auch insofern andere Ver⸗ hältnisse vor, als damals aus dem Auslande noch größere Mengen von Ansiedlern zu beziehen waren. Heute müssen wir festhalten: wir wollen dem Osten das Deutschtum erhalten und wir wollen im Interesse der Provinzen die Zahl der Menschen vermehren, die sich dort ansiedeln. Denn der angesessene Mann ist melner Ansicht nach ganz anders an seine Scholle, an seine Heimat gefesselt, als wenn er irgendwo als einfacher freier Arbeiter beschäfligt ist; dem wünsche ich, daß er ein eignes Haus und ein Dach über sich hat, das ihm gehört. Dieses Moment können wir garnicht genug betonen.

Auf der anderen Seite möchte ich hier vor dem hohen Hause warnen, die Frage der inneren Kolonisation zu sehr zu überstürzen. Es kommt in einzelnen Distrikten deutlich zur Erscheinung, daß wir nicht mehr das Menschenmaterial für die innere Kolonisation haben. Wir dürfen also nicht sagen, hier oder da sollen gleich 30, 40 Höfe auf einmal aufgetel't werden; das Menschenmaterial ist nicht da, und das zwingt meiner Ansicht nach zu einer gewissen Verlangsamung der ganzen Sache. So sehr ich den Wunsch der Herren teile, möglichst energisch vorzugehen, möchte ich auf der anderen Seite doch sagen, wir dürfen nicht sprungweise vorgehen. Wenn ich plötzlich mit vielen neuen Guttaufteilungen hervortreten wollte, so würden wir entschieden nicht das Material für die Be- siedlung bekommen, das meiner Ansicht nach gerade im Interesse des platten Landes wünschenswert ist.