eine Behörde lähmend wirken würde lsehr richtig), daß wir nur eine Organisation brauchen können, die eine Vereinigung derjenigen Vereine bildet, welche sich der Volkswohlfahrt widmen. Die Leitung der Zentralstelle für Volkswohlfahrt — das würde ihr Name sein — soll durch einen Vorstand erfolgen, der bestehen soll aus 14 von der Mit⸗ gliederversammlung zu wählenden Personen, aus je drei Kommissaren der Reichs, und der preußischen Regierung und dem Geschäftsführer. Ich glaube, hierzu keine weiteren Ausführungen zu machen zu brauchen.
Dann kommt der soge nannte Beirat, der auch den Hauptinhalt des Antrags Douglas bildete. Er ist gedacht worden bestehend aus 48 Mitgliedern, von denen 30 vom Vorstand gewählt, je 9 von Preußen und vom Reiche ernannt werden sollen. Ich erkläre, daß ch im vorigen Jahre gerade gegen die Schaffung eines solchen Bei⸗ rats Zweifel begte; aber ich babe mich überzeugt, daß die Art, wie Herr Graf Douglas sich das Wirken einer Zentralstelle, wenn ich sie in seinem Sinne so nennen darf, denkt, nicht wohl erreicht werden kann obne einen solchen Beirat. Ich glaube deshalb, daß auch nach dieser Richtung bin den Wünschen des Herrn Abg. Douglas voll Rechnung getragen worden ist.
Nun will der beutige Antrag von Zedlitz⸗Douglas, daß die Staatsregierung, die im übrigen zu diesen Vorschlãgen ihrer Kommiffare noch keine endgültige Stellung genommen bat, sondern abwarten will, welches die Ansichten dieses hohen Hauses find, diesen Ausbau der Zentralftelle nicht durchführen soll, bevor nicht in einer freien Kommission von Sachverständigen seine Darchfäbrbarkeit noch einmal erörtert und besprochen worden ist. Mein Gedanke bei der Sache war: Probieren geht über Studieren. Denn wir noch einmal eine große Kommission von Männern einberufen, welche in den ver⸗ schiedenen Zweigen der Wohlfabrtarflege tätig sind, so befürchte ich, daß in dieser Versammlang außerordentlich divergierende Ansichten sich geltend machen werden. (Sehr richtig Mein Gedanke war selbstverständlich nur, mit diesem Ausbau der Zentralstelle zunãchst einen Versuch ju machen: wie die Sache marschiert, weiß keiner von uns. Aber ich glaube, daß der Versuch, wenn er in die Praxis ũbersetzt loft Gelegenheit geben wird, in der Zukunft die⸗ jenigen Abänderungen, diejenigen Umformungen vorjunebmen, welche die Praris als notwendig erweisen wird. Namentlich wird das ge⸗ sckehen können, wenn der Beirat, von dem ich gesprochen babe, in Funktien tritt. Dieser Beirat ist ja eigentlich die Versammlung der Sach verstãndigen, die in dem heutigen Antrag Douglas. Zedlitz genannt worden ist. Wenn es Ihnen aber erwünscht erscheint, daß, bevor an den Ausbau der Zentralstelle in dem mir stizzierten Sinne berangetteten wird, no einmal über die Sa beraten wird, so könnte die Regierung, da dieser Antrag für sie lediglich besagt: überlege dir noch einmal, in welchem Sinne du es machen willst“', darauf eingeben; aber eine ge⸗ wisse Verjõgerung — das darf ich nicht verschweigen — wird dadurch unbedingt eintreten. wenn sie ju einem wirklichen Ergebnis fähren soll, muß sorgfältig vorbereitet werden, und es müssen die Ergebnisse der Konferenz auch grundlich durchgearbeitet werden. Wäarde das bohe Haus sich dagegen damit einverstanden erklären, daß wir sogleich an den Ausbau der Zentralstelle herantreten, so würde sich, glaube ich, eine schnelle re Verwirklichung des Antrages Douglas erreichen lassen.
Ich glaube oder, wenn ich einschränken darf, ich hoffe, daß die ausgebaute Zentralstelle sebr gut wirken wird und daß sie alles das in Zakurft verwirllichen wird, was den edlen und idealen Motiven des Antrages Douglas ju Grunde liegt. (Bravo)
Abg. Graf Douglas ffreikons): Ich danke dem He Minister far das ausgesrrochene Wohlwollen gegenüber unserem trage. Ich kann mich aber nicht seiner Ansicht anschließen, Probieren aber Studieren gehe, man soll eist raten und dann taten? denn wem wir erst einmal auf einen falschen Strang gekommen si wenn wir uns, wie vorgeschlagen, mit dem Reich resp. mit schiedenen Bundesstaaten auf einer gewissen Basis geeinigt baben, darn wird es schwer sein, wieder auf den rechten Weg zmüdck⸗ Daß ich don einem Woblfabrtsamte absebe. habe ich in
von Don
die ich dess * . 6 * . 3 ! unglüds fälle; in diesem Jabre fehlt diese Statistik leider. Berliner
— 12 — des
babe. Darỹ es Stimmungen bandele, Gerade den vielen unser Wablzeseg insjeniert
besten
dadurch vollkommen Befstrebungen gegenüber, die j. 3. sind, haben wir Vol kevertreter und stets die Volkawoblfabrt eis at ie der Staats regierung stets dankba begrũßen, wenn es boff entlich
. 1. * amm nimmt die blfahrter fl
—— ——
Aanfichten hervortreten wörden, o balte ih es für k wenn daz der Fall sein würde Was die Ars übrunge ber
die Auꝛgenstaltung der Zentralstelle ich es für
richlig in den Berat den Schwerrunkt Bir bedurfen nach Art des Landes ẽkoaomie⸗ellegiums de wirtschaft eines Kollegiams roa vraftischen Männern, welche ganje Gebiet der Volkewchlfabrtsfrage, nämlich der Wohlfahr pflege, der Wohltätigkeit und des Volkserziebungswesens nd jzwar aus der Praxis füt die Yraxi inalfebler, we
bt ia der
1. * 3 . 83.5
28 *
kõnnen. Es ist nätig, daß die Ee weitere kocrdinierte Abꝛeilasgen schafft. Boden der beutigen sojiale Geiegzgebur nicht verschließen, daß die Jatereffen d bãltanis jun denen der lãndlichen Bevõllerang ein gt rng sindea. Dadurch wird die Landflacht und der Zag in d Starte bedenklich gefördert. Aach diefer Grichein ang kann darch die Förderung der Woblfabrterflege geftenert werden. Ich halte die Grẽrterang aller dieser Fragen in einer bejonderen Fachkommission für angebrachter als eine Behandlung in der Badgerkommifsio⸗.
Abg Dr. Hiße (Zentr.) glaubt, daß sich die socben geäußerten Sederken anch in der Bud getkommision jearftreaen ließen.
Sierauf wird der Zedlitz der Budzetkommission ũbermiesen.
. Dis kuffion wendet sich nunmehr zu den Ausgaben für die Besoldungen.
Iuns .
der Zertralstelle
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*
6.
16h eim berichtet über die Ver band⸗
ine beson dere uber die Vorschläge betreff einer
gem eʒ̊licheꝛ 8 , Fenerléschwesers Fiasichtlich der Beit agg
richt der Fererls dcs, Fetraffs des Dis iw staarzerfahrenz gegen
Naterbeamte scärferer Betina gen gegen das Zigennernnwesen se⸗
wie den Aatemobilfrert g betreffg der Giegemtiadung der Vororte dea Serlia (Gre Ber lia).
*
der nächsten Session, der vierten in müßte die Reform endlich gemacht werden;
Eine solche Konferenz von Sachverstãndigen,
vorzugeben.
widerlegt. 1 = ; ? ; legt sellte, die Automobile am wentgsten die Menschenleben ge⸗
welche Fahrjenge am schlechteften wegkommen. DSaftflicht für Schaden an Personen und Sachen geregelt werden. Im vorigen Jahre stellte der Regierung kommissat Verhandlungen mit dem Reichs amt des Innern und gesetzgeberische Maßregeln in ⸗ͥAucẽsicht. Man muß doch endlich einmal feststellen, wer eigentlich far den angerichteten Schaden verantwortlich ist, der Automobiljahrer oder der Besitzer des Automobile. daß
gemacht wind;
den Schaden tragen. Die Nummern
— *** z Tm seitigtertt emtreten vnd — 12
Abg. Broemel (fr. Vgg.). In der Thronrede ist über die Teilung großer Wahlbezirke und Aenderung des Wahlverfahrens eine Vorlage in Aussicht gestellt worden. Diese Vorlage gehört in dieses Ressort, und darum muß sie hier erörtert werden. Auch der Ver- treter des Zentrums, Abg. Herold, hat die bestehenden Wahl zuftände für unhaltbar und eine Reform des Wahlrechts für notwendig erklärt. Ven einer solchen Wahlreform scheint allerdings in der Thronrede nicht die Rede zu sein. Es sollen nur einige kleine Mißftände be- seitigt werden, auf die früher hingewiesen wurde. Die Vorlage will das bestehende Wahlrecht unverändert beibebalten, sie stebt also im schärfften Widerspruch mit dem Wunsche des Abg. Herold. Es jst deshalb an der Zeit, daß wir diese Wablreform in die
8 nebmen. Die sonaldemokratische Bewegung auf diesem Gebiete ist im höchsten Grade geeignet, die Aussichten einer wirk- lichen Reform zu verringern. Ich spreche nicht von den sozial demokratischen Versammlungen, diese sind ein gutes Recht jedes Staats⸗ bürgers, aber von der Form, in welcher die Sache behandelt wurde. Von seiten der Sozialdemokratie ist nun eine Petition an den Land tag eingegangen, die der Vorwärts. veröffentlicht. Aber auch diese Petition wird keinen Weg eröffnen. Ich fürchte, daß die Petitionskommission geneigt sein könnte, sie für ungeeignet zur Er. oͤrterung im Plenum anzusehen. Sine solche Forderung ist jedenfalls ungeeignet für irgend eine ernste Bebandlung der Reform. Der ver- storbene Professor Georg Mever Heidelberg, dessen sympathisch. Persön⸗ lichkeit noch aus dem Reichstag bekannt ist, war über den Verdacht, ein Radikaler zu sein, erhaben, er war nationalliberal, aber er be⸗ bauptet, daß die preußische Wablrechte verteilung nicht eine Ver⸗ teilung nach Stenerklaffen sei, jondern eine vollendete Systemlosig= keit. Und Bismarck sagte mit Recht, daß es kein widersinnigeres, elenderes Wablrecht als das in Preußen kestebende gebe. Dazegen ist selbst das vor zehn Jahren gemachte sächsische Wahlrecht ein Muster an Klarheit und Gerechtigkeit. Das preußische Wahlrecht steht also unter allen Wablrechten der deutschen Staaten auf der tiefften Stufe. Wir baben in Preußen Wähler, die über zweihunderttausend Mark Steuern zablen, und doch nur in der jweiten Klafse wählen. Ander⸗ seits kann ein Wähler mit ganz geringer Steuerzahlung ein bundert- mal stärkeres Wahlrecht haben. Es wird eingewendet, daß für die Einteilung die Bevölkerunggnabl nicht maßgebend sein dürfe, aber in Bayein ist es gerade das Zentrum, welches bei der Wahlrechts⸗ reform eine Einteilung nach der Bevölkerungszabl verlangt hat. In Wärttemberg soll jetzt neben der Ständekammer eine reine Volks. vertretung auf Grund des Reichstagswablrechts gebildet werden. Der baverischen Reform liegt ebenfalls im wesentlichen das Reichs⸗ tagswahlrecht zu Grunde; wenn auch verlangt wird, daß der Wähler mindestens ein Jahr lang eine Staatssteuer bezahlt haben muß, so liegt darin keine wesentliche Beeinträchtigung des Wabl⸗ rechts. In Sachsen wird ebenfalls auf eine Reform gedrängt, und nur in Preußen will man dabei beharren, jede Reform abzulehnen. Ich richte einen Appell an die Parteien dieses Hauses, nicht länger die Hände in den Schoß zu legen. Vom Zentrum ist nach den Erklärungen des Abg. Herold ein Widerspeuch nicht zu er—⸗ warten. Die beiden freisinnigen Parteien sind für die Reform. In dieser Legi?eẽlaturperiode, das wãre auch der letzte Termin. Denn in der Übernächsten, der letzten Session dieser TZegislaturperiode, kõnnten die 6 gner die Sache so verjõgern, daß die Reform bis zu den neuen Wahlen nicht mehr zu stande käme. In Sachsen stellt man die Regierung vor die Entscheidung; wir wüßten uns an der sächsischen Kammer ein Beispiel nebmen. Wenn die Konservativen sich nicht beteiligen wollen, so sollte dies für die anderen Parteien kein Anlaß sein, die vorbereitenden Schritte für die Reform ju unterlassen. Das Zentrum darf die Gefahren nicht verkennen, welche für unser politisches und soziales Leben aus der Fortdauer des alten Wahlrechts entftehen müssen. Die volitische Stellung, das pelitische Anseben DYreußens im Reiche mañ beeinttãchtigt werden, wenn es hinter den anderen deutschen Staaten zarück⸗ bleibt. Die Germania nennt es eine rolitische Räückstãndigkeit, wenn die Regierung auf der Fortdauer des Wablrechts be— stehen will. Im Reichstage bat Abg. Mugdan gesagt, daß man alles tun müsse, wodurch die Stellung der nichtsozial⸗ demokratischen Arbeiter gegenũber der Sozialdemokratie gestãrkt werde. Kein unbefaagener Politiker könnte sagen, daß man die Gatwicklung der nicht oꝛialdemokratischen Arbeiterorganisationen fördert, wenn man das vreußiiche Wablrecht aufrecht erhält. Die Aenderung des Wahl
rechts ist eine sittliche und soziale Notwendigkeit.
Abg. Strosser (kons J): Ich möchte wie im vorigen Jahre wieder die Aufmerksamkeit auf die Automobil fcage lenken. Ich habe den Eindruck, als os die Rezierurg nichts gegen die Aufwüchse des Automobilismus ju tun gedenkt. Ich betente das Wort Aus. wüchse', denn es liegt uns fern, gegen die Automobile an sich Daß aber die Auscwächse noch schlimmer geworden läßt sich nicht leugnen. Im vorigen Jahre üdergab uns die Regierung in der Kommission eine Statistik der Automobil- In einer durch
beweisen
ö 1 — M
über Unglũcks ãlle enthalten, die
eine Stat istił
Zeitung war . Darstellung
Fabrjeuge in grapbischer batten in bejng auf die Zahl der Unglücksfälle die lange Striche, die Droschken und andere Fahrzeuge Mit einer selchen Statiftik wird nichts
maß vielmehr die Anzahl der jurũcgelegten
jzu Grunde gelegt werden, dann würden wir sehen,
Es muß endlich die
aber bis jetzt baben wir noch nichts darüber gehört.
Meiner Ueberjeugung nach müßte die Schaden ersatznflicht, wie bei der Gisenbabn. dabin geregelt werden, richt Ter Fahrer, sondern der Gigentũmer verantwortlich wenn er nicht nachweisen kann, daß die verunzlückte Person den Uaglucksfall selbst verichuldet hat, so muß er eben Man hat schoa oft darüber gellagt, daß man nicht erkennen kann. Ich habe selbfst wiederholt ge⸗ seben, daß die Nammwern so tief angebracht warea, daß sie bald durch Schmutz rad dergleichen unkenntlich wurden. Außerdem müssen auch Nummern ora am Auntemobil angebracht werden, da man bãunfig beim Heranfahren die Nammer ganz deutlich erkennen können. was beim Vorbeifahren wegen des Staubes nw. nicht mehr der Fall ist. Wie eft liest man in den Zeitungen, dieser oder oder jener warde durch ein Artomobil schwer derwuntet das Amomobil fuhr in schnellfter Gangart davon; es war
nicht möglich, die Nummer ju eikennen, bejw. den Fahrer oder die
Insaffea zur Verantwortung zu ziehen. Ich habe mir aus den Zei⸗ tungen eise kleine Jasammerstellung gemacht, nach welcher innerhalb weniger Monate ia 15 Fällen die Automobile beim. die Automobil- fahrer überbaupt nicht ermittelt wurden. Ich habe die Zusammen⸗ stellang hier End bin gera bereit, dieselde zur Ginsicht zur Verfugung jn stellen. Schen in vorigen Jahre babe ich ausgeführt, daß die be⸗ jäglich des Fahreas erlaffenen Polizeiworschriften im allze meinen wenig za wänschen aäbrig laffen, daß sie sogar teilweise ganz vorzũgl ich sind. Die Vorschtiften sind da, aber sie werden einfach nicht befolgt, und die Org mne der ẽõffentlichen Sicherheit tua auch nicht immer gan ihre Pflicht Bereits im vorigen Jahre warde der Hert Minifter eisucht, uas einmal eine Zasammenftellung darüber zugeben za lassen, wie diel Fälle von
Icistrafia wegen des zu schaellen Fahrens vorgekommen sind. Im dorigen Jahre fonate uas der Minifter eine solche Aufftellang richt geben, er wollte fie aber veranlassen. Ich möchte ihn jezt . 3 wie diele Fälle denn in diesem Jahre vorgekommen sind. * wollen vorbengen, das können wir aber nur tun, wenn die beste henden Vorsckriften inregebalten werden. Daß die Erregung auch beute noch ia reiten Kreisen mseres Volleg außerordentlich groß ist über die derch Autem chile angericteten Schären, das brauche ich wobl nicht
zu beweisen. Ich habe Zeitungsleitartikel gelesen, in denen unter der Ueberschrift Mordwagen. gegen den Automobilismus zu Felde . zogen wurde. Ich babe mich im vorigen Jahre außerordentlich über. Mabaungen und Anregungen des Vorsitzenden des Deutschen Automobil. klubs gefreut, daß die Mitglieder größere Rücksicht auf das ublilan nehmen sollten. Ich habe aber in dieser Beziehung keine fein; wahrnehmen können. Das ist aber auch gar kein Wunde Denn ich muß geste ben, daß die Strafen, die ausgesprochen sind g die Fahrer bezw. gegen die für den Unfall für perantworr ch klãrten, so außerordentlich gering, so außerordentlich eindruckslos wesen sind, daß man einen Erfolg gar nicht erwarten durfte. * will nur einen Fall anführen, den ich der Freien Deutschen Pref⸗ vom 26. August entnehme. Ein Motorwagen fuhr guf der Chaufa hinter einem Radfahrer ber, und als dieser dem Automobil niht Platz machen wollte, versetzte der Führer des Automobils dem Rn. fahrer einen wuchtigen Schlag mit einem Stock auf den Kopf; der feste Hut des Radfahrers wurde zerschlagen, und der Radler stärn⸗ vom Rade. Vor dem Schöffengericht wurde der Angeklagte fre gesprochen, weil er angab, daß er den Radfabrer nur auffordern wollte, beiseite zu fahren; es legte dann der Amtsanwalt Beruf ein und beantragte 100 M. Geldstrafe, der Gerichts hof erkannt schließlich auf 150 0 Geldstrafe. Das ist nach meine Ueberjeugung gar keine Bestrafkang für eine solche bodenlose Roben Wir baben doch in unserem Strafgeseßbuch einen Paragraphen, raf welchem Körperverletzung mit gefährlichem Werkzeug mit einer Strne von nicht unter drei Monaten Gefängnis geahndet wird. Da möcht. ich nun aber doch fragen: ist denn ein Automobil kein gefährliche Werkjeug? — Hinsichtlich der Wablreform habe ich im Namen meiner politischen Freunde zu erklären, daß wir es durchaus ablebre mäüssen, beute schon auf diese Frage näher einzugehen, denn die Köniz. liche Staatsregierung hat ja ausdrücklich eine dahin gebende Vorlag⸗ diesem hohen Hauje in Aussicht gestellt; sobald diese kommt, werden wir in diesem hohen Hause mit aller Ausführlichkeit in die Be, sprechung eintreten. Zum Schluß meiner Ausfübrungen möchte ich die Aufmerksamkeit des Herrn Ministers noch auf einen Gegenstan lenken, der im vorigen Jahre bier zur Sprache gekommen ist, ohne daß etwas Wesentliches gescheben ist, ich meine den Verkauf der Schundliteratur, den wir überall beobachten können. Mir sind teisz aus meinem Wählerkreise, teils aus Berlin eine Anzobl von Schiiten zu zeschikt worden, deren Inbalt wirklich aller Beschreibung spontet. Ich will bier nicht in Einzelheiten eingeben. Ich möchte auch noch binweisen auf die immer mehr zunehmende Proftitution, die sich an den öffentlichen Straßen Berlins immer mehr und mehr kemerlba macht. Es ist in dieser Beziehung immer schlimmer geworden. Ich boffe, das der Minister die Bestrebungen, diese bösen Säfte ang unserem Volke zu beseitigen, kräftig unterstützen wird, und ich glaube, daß es nicht unmöglich ist, ihnen entgegenzutretea; denn wo ein Wille ist, ift auch ein Weg“.
Abg. Freiberr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Eke wir an die Reform des Wahlrechts in irgend einer Weise heran. treten, müssen wir erst den Zeitpunkt abwarten, bis sich beraxz. geftellt bat, daß die sozialdemokratischen Massendemonstrationen döllig erfolglos gewesen sind, und bis die daraus mit Notwendigkeit ber⸗ vorgehende Reaktion eingetreten ist. Vorher wäre ein Vorgehen arf diesem Gebiete lediglich Wasser auf die Mäble der Sozialdemokratie. Bei den Massendemonstrationen am 21. Januar war das Verhalten der Polizei durchaus einwandfrei. Ich kann mich aber der Befürchtung nicht verschließen, daß durch dieses Aufgebot a Macht das Machtbewußtsein der Sozialdemokratie gerade ge steigert worden ift. In die breiten Massen ist sicherlic dieser Eindruck gekommen. Durch Reichstags diäten würde der sonal⸗ demokratischen Partei etwa L Mill. Mark zufallen. Das würde nur dazu beitragen. Agitatoren zu schaffen die berufsmäßiz Propaganda für die Sonaldem okratiz treiben. Die Sozialdemokratie wärde in den Stand gesetzt, zahlreiche Lebensstellungen zu schaffea für Agitatoren und sich ein geschlofsenes Heer von Agitatoren zu er⸗ balten; denn es würde dazu dienen, den Agitation dienst begehrert⸗ werter zu machen. Schon die Krankenkassenderwaltung hat den soꝛialdemokratischen ¶ Agitatoren eine feste Lebengftellung gegeben. Dieser Mißbrauch wird ron allen Seiten verurteilt, am schärsfte⸗ pon der Freisinnigen Volkspartei, denn schärfer als die Abe Rosenow und Mugdan kann es niemand tun. Es ist notwendig dies durch eine Aenderung der Krankenkassengesetzgebung zu verhindem. Auf diese Maßnahme könnten sich alle bürgerlichen Parteien ven rechts bis links vereinigen unter der Parole, die Fürst Bälew in HSerrenbause ausgegeben hat:. Gegen die revolutionäre Sojial⸗= demotratie! In der letzten Rede des Grafen ben Posadoweky war zu meinem Bedauern nicht ein Wörtchen davon, daß wir in naher Zeit eine solche Vorlaze erhalten sollen Es gewinnt den Anschei, als cb diese Maßnahme erst mit den großen Werke der Veren iaung der Reichgzversicherungs zweige in Vei⸗ bindung gebracht werden soll, das hieße aber, sie vielleicht ad ealendas Graecas verschieben. Wir meinen aber, daß diese ganz drin liche Staatsaufgabe nicht auf Jahre hinaus verschoben werden darf. Die vreußische Regierung muß im Bundesrat energisch ibrea Einfluß dahin geltend machen, daß ohne Verzug eine solche Re vision der Krankenkassengeseßgebung gegen den sozialdemokratischea Mißbrauch stattfindet und endlich die Worte in die Tat umaesetzt werden. Ferner mußten wir eine ganze Reihe daa Unstimmigkeiten im Fommunalabgaben zesetz beseitigen. Die ein derselben werden wic aus der Initiatihe des Hauses gemäß einem Antrage ju 5 53 bezüglich der Verpflichtung der Se triebs gemeinde, für Schal⸗ und Armenlasten der Wohnsitzgemeinde Zaschüsse zu gewähren, erledigen können. Aber noch einige andere Punkte bedürfen dringender Erledigung durch eine Reviston del RKommunalabgabengesetzegs; es hat z. B. die Befreiung der Standet berren von den Kommunalabgaben zu schweren Mißständen geführt Und bei der Beratung des Schallafter gesetzes hat sich erwiesen, daß die Schalverwaltung völlig abseits von den Grundsätzen feht, denen unsere allgemeine Landesverwaltung aufgebaut ist. Wir müßen ohne Verzug die Schulverwaltung nach diesen Grundsätzen organisieren, d. h. nach den Grundsãtzen der Dezentralisation, der Usbertiagung von der Regierung auf die Gemeinden in Verbinden mit der Stärkung der Selbstderwaltung und der Schaffung den Rechtzkentrollen. Ich bitte den Minister, uns nach dieser Richtanz möglichst bald eine Vorlage zu bringen. Das wird zum Nutzen der Verwaltung und der Gemeinde und zum Nutzen der Schul? jellst dienen, die unter der bureankratischen Verwaltung am mieisten leidet
Abg. Cass el (fr. Velkap): Ich kann den letzten Aus fũ hrunge⸗ namers meiner Freunde jzustinmen. Es ist in der Schulverwaltreg eine starke Abneigung vorhanden, den Bedingngen der Selb verwaltung gerecht zu werden. Ich bin überjeugt, daß es eines de wesentlichsten Dinge in unserer Staatsverwaltung ift, daß de Selbstoerwaltung ein großer Spielraum bei der Schulverwaltaag gelaffen werden maß, und daß vor allem ein Rechtsschutz geschaffe⸗ wird gegen die Verwaltung? willkũüt. Die politischen Kämpfe wi Reibungen spielen fich nicht mehr nur bei den Wahlen zu den Darlamenten ab. Es werden Maßnahmen seitens der Staate bebẽrder. speziell der Schulverwaltung, getroffen, die geeignet sind, die destratktwea ¶ Tendenzen der Sozialdemokratie gedeihen zu lamsen Die Beeinttãchtigung der Selbstverwaltung erzeugt eine grehr Verstimmung in Bärgerkreisen, in der die Soylaldemolratie ib
dentendste Nährwurzel findet. Es ist nicht bloß der Uatertichtebebrde, die e Dinge ju regeln, es spielt auch ein al. gememmes Staats nteresse bier binein. Der Minister des Innern bh tafar zu sorgen, daß der Geist der Selbstverwaltung, vor allem aaf einem so wichtigen Gebiete wie dem des Unterrichts, nicht an Gm verliert. Nach dem Gesetz genicßen die Beamten ein beftimmts Gere eindestenerririlegium, fie waren aber nicht befreit von den Lanes der Schulsozietãten. Sollten die jetzt wirkenden Bestrebungen in de⸗ Schulrerwaltung Gestalt annehmen, so würden die Beamten don diesen Lasten befreit werden und damit eine große Autdebrrng
(Schluß in der Zweiten Beilage)
*
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
15 32.
Zweite Beilage
Berlin, Dienstag, den 6. Februar
1906.
ᷣ — — — m m mm ——
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
bres Privilegiums erfahren. Es wird erjorderlich sein, auf dem Rege der e bung dieses Privileg zu beseitigen, sei es auch unter brung von billigen Kompensationen. Eine Härte kann auch in e Bestimmung des 8 53 des Gemeindeeinkommensteuergesetzes liger, wonach ein Unterschied zwischen Betriebsgemeinden und Wohnsitz⸗ mueinden für die Regelung der Schul und Armenlasten gemacht wird. Nur im Falle der Ueberbürdung der Wobnsitz gemeinde soll don dem 5 53 Gebrauch gemacht werden. Die Entscheidungen des DOber⸗ erwalturgsgerichts haben ja im allgemeinen zu einer durchaus nigen Praxis darin geführt. Was. die Heranziehung der Groß⸗ täte zu den Poliizeikosten angeht; so ist nicht zu leugnen, daß in den zen Gemeinden keine große Neigung dafür vorhanden ist. Das liert daraus, daß die Großstädie wobl alle Kosten zu berahlen kaben, aber nicht im entferntesten die Rechte besitzen, die selbst den fieinften Gemeinden in bezug auf Das Polizeiwesen eingeräumt sind. Di Ginverleibung der Vororte Berlins ist seinerzeit von dem Rmister Herfurth geplant worden. Es ist nicht zu bestreiten, daß e Magistrat von Berlin damals nicht sebhr erfreut darüber war. Scsteßlich machte er jedoch eine Vorlage an die Stadtverordneten; weirischen war aber von den Nachfolgern Herfurths ein anderer Slanddunkt eingenommen worden. Hervorgeboben werden muß, Res bei dieser Frage sich die Interessen teilweise gegenüber stehen. Die westlichen Vorortgemeinden lebnen die Eingemeindung mit Aer Entschiedenbeit ab. Ist die Regierung nicht gewillt, die Ein⸗
gemeindung herbeizuführen. so muß ein Ausgleich der verschiedenen
haften der Vororte und Berlins angestrebt werden. Es sind deshalb fegenannte Zweckverbände vorgeschlagen worden, und eine Vorlage e Magisfrat3s schwebt jetzt darüber in einem Ausschuß der Stad derfretung. Welche Fragen hierbei zu lösen sind, zeigt der simfand, daz Berlin bisher bei Aufnahme von Kranken zus anderen Gemeinden in seine Krankenhäuser nicht einmal e Höhe seimer Selbstkosten deckte. Zu den Verhand- lungen zwischen dem Ministerium und der Stadt über die Frage ker Zweckoerkände kann ich nach meiner persönlichen Beurteilung mitteilen, daß auch der Sberbürgermeister Kirschner der Meinung sein wird, daß nur durch Eingemeindung der Vororte zu helfen ft. In bezug auf das Wahlrecht schließe ich mich den Aus⸗= fäßrungen des Abg. Broemel im allgemeinen an. Wir sind fast alle darüber einig, daß das bestehende Landtagswahlrecht ungeeignet ist. Run bat die Thronrede eine gerechtere Einteilung der Wabhlkeise und Aenderung des Wahlverfahrens angekündigt. Wenn in vielen anderen dentschen Staaten jetzt die Reform im Gange ist, kann sich Preußen einer Reform nicht entüehen, die viel weiter geht, als die Thronrede ankündigt. Es muß im Lande dasselbe Wahlrecht gelten wie im Reiche. Wir wünschen auch nicht, daß die Frankenkassen für politische Bestrebungen gemißbraucht werden, ich kann es aber nicht verfieben, wenn Herr von Zedlitz eine Stãrkung der sonlaldemokratischen Parieikasse durch die Reichs tagsdiäten be fürchtet. Die fozialtemokratische Partei verfügt über solche Mittel, daß die Diãten in dieser Richtung nichts zu bedeuten haben. Die Reform der Krankenkassengesetzgebung wünschen wir auch, weil sie ein Gebot der Gerechtigkeit ist. ie preußische Verwaltung des Innern soll die Kulturbedärfniffe fördern und namentlich die Selbst⸗ derwaltung aufrecht erhalten, die Preußen groß gemacht hat.
Minister des Innern von Bethmann⸗Hollweg:
Meine Herren! Ich hoffe auf Ihre Zustimmung, wenn ich aus meiner Erwiderung alle diejenigen Gegenstände ausscheide, welche mein Ressort gar nicht berühren, oder welche für mein Ressort doch nur ein Interesse in zweiter Linie haben. Ich rechne dahin die soeben be⸗ sprochene Diätenfrage, die Frage einer Reform des Krankenkassen gesetzes; weiter den F 53 des Kommunalabgabengesetzes, der ja im wesentlichen nur im Sinne der Schulverwaltung hier besprochen worden ist; endlich auch die Klage des Herrn Abg. Cassel über eine Beeinträchtigung der Selbstverwaltung in der Schulverwaltung. Auch das, glaube ich, ist ein Gegenstand, der zweckmäßiger beim Kultus— etat, wenn überhaupt, zu verhandeln ist. Aber da nun mal von Be—
eintrãthtigung der Selbstverwaltung die Rede ist, so gestatten Sie
mir jwei ganz kurze Worte. .
Ich habe außerhalb dieses Hauses hier und da wobl Gelegen⸗ heit genommen, meine prinzipielle Stellung zu der Selbstverwaltung kurz darzustellen, und das hat hier und da auch in der Presse Anklang gefunden. Aber man hat gesagt: wir wollen doch erst einmal Taten sehen. Ich möchte da eine ganz eigentümliche Erfahrung aus der Freigabgabenkommission mitteilen.
Meine Herren, ich habe mir Mühe gegeben, in das Kreisabgaben⸗ gesetz Bestimmungen aufzunehmen, welche die Selbstverwaltung der Ftreisorgane nach allen Seiten hin sichern, und welche gleichzeitig — das hängt ja mit der Selbstverwaltung jusammen — im Sinne der Dejentralisation gefaßt waren. Ich rufe alle Mitglieder der Kreis⸗ abgabenkommission zu Zeugen auf, daß gerade diese Punkte die größten Schwierigkeiten gemacht haben (sehr richtig), und daß mir da auch Widerspruch von der linken Seite und vom Zentrum diests Hauses entgegengebracht worden ist. Ich glaube beinahe, ich gehe in bezug auf die Selbstverwaltung noch über die linke Seite des Hauses hin⸗ aus. (Hört, hört! und Heiterkeit)
Herr von Zedlitz hat von der Deizentralisation der Schul⸗ verwaltung gesprechen und mein Interesse für diesen Gegenstand wach- gerufen. Ich kann Sie versichern, daß nach meiner versõnlichen Ansicht — und nur die kann ich in diesem Falle aussprechen — allerdings die Dejentralisation der Schulverwaltung eine absolute Notwendigkeit ist. Soweit es an mir liegt, werde ich in diesem Sinne innerhalb der Staatgregierung zu wirken suchen.
Es ist weiter von der Notwendigkeit der Revision des Kommunal⸗ abgabengesetzes gesprochen worden. Ich gebe m, daß die Beratung sowohl in der Kreisabgabenkommission wie in der Schulkommission den Gedanken an die Notwendigkeit einer Reform des Kommunal⸗ abgabengesetzes mir persönlich näher gelegt haben, als dies vor dem Zusammentreten dieser Kommissionen der Fall gewesen ist.
Der Herr Abg. Cassel hat in längeren Ausführungen auch die Frage Groß-Berlin berührt. Ich kann nur wiederholen, was ich bereits in der Budgetkommission gesagt habe: Ich halte eine Ein—⸗ gemeindung der Vororte nach Berlin für unrichtig und werde sie meinerseits nicht betreiben. Die Gründe, weshalb eine solche Ein- gemeindung der Staatsregierung nicht möglich erscheint, sind bereits so oft in diesem hohen Hause erörtert worden, daß ich im einzelnen hierauf nicht zurückkommen will. Ginen und gewiß einen besonders scherwiegenden Grund hat der Hert Abg. Cassel selber angeführt:
Die Vororte selbst wollen in ihrer großen Mehrzahl keine Ein gemeindung. Meine Herren, die Sie nun für die Eingemeindung sind und gleichzeitig einen liberalen Standpunkt vertreten — welche Vor⸗ wärfe müßten Sie mir machen, wenn ich gegen den Willen aller dieser von der Selbstverwaltung getragenen Vororte sie nach Berlin eingemeinden wollte. (Sehr richtig! und Heiterkeit)
Wenn von einer Eingemeindung nicht mehr gesprochen werden kann, so bleiben — das hat der Herr Abg. Caffel ganz richtig aus- geführt — nur jwel Eventualitãten in Frage. Ginmal eine Aus⸗ gleichung der Steuern nach der Richtung bin, daß diejenigen Orte, in welche sich die wohlhabenden Elemente zurückziehen, auch beitragen für solche Vororte, in denen die minderbemittelte, die Arbẽiterberoᷣlke⸗ rung · konzentriert ist. Und zweitens die Eventualitãt der Schaffung von Zweckoerbänden.
Die erftere Frage ist auch in der Presse in diesem Sommer an⸗ geregt worden. Praktisch versucht bereits der 5 3 des Kommunal abgabengesetzes, nach dieser Seite eine gewisse Abhilfe zu schaffen. Ein weiterer Weg würde der sein, eine sogenannte Ausgleichssteuer einzuführen, wie sie beispielsweise in der Grafschaft London besteht. Diese Ausgleichssteuer würde, wenn ich den englischen Verhält⸗ nissen unsere Begriffe zu subsummieren versuche, innerhalb ganz Groß⸗Berlin durch Zuschläge, wahrscheinlich zur Einkommen⸗ steuer, erhoben und nach dem Londoner Muster auf die ein— zelnen Gemeinden nach der Bevölkerungszahl verteilt werden. In London, wo ich ja vor anderthalb Jahren mit meinem Herrn Amts vorgänger jusammen war, wirkt diese Ausgleichssteuer sehr gut; sie wird gern gesehen, und die ärmeren Stadtteile haben einen großen Vorteil von ihr. Ob fie für die Berliner Verhältnisse anwendbar sein würde, darüber, meine Herren, maße ich mir gegenwärtig noch
kein Urteil an. Ich habe, noch als ich in meiner früheren Dienst⸗
stellung war, eine Probeberechnung aufgestellt, die dahin führte, daß die ärmeren Vororte von einer solchen Ausgleichssteuer allerdings einen großen Profit haben würden; ich weiß es aber nicht, ob Sie auch im Sinne der Stadt Berlin liegen würde, wenigstens ergab meine Probe⸗ rechnung, daß Berlin noch ein bedeutendes Teil an die ärmeren Orte ab⸗ geben mũßte.
Die zweite Frage sist die Frage der Zweckverbände. Ich bin mit meinen Aeußerungen in der Budgetkommission miß⸗ verstanden worden, oder der Herr Abg. Cassel ist nicht ganz richtig informiert worden, wenn er sagt, ich hätte zugegeben, die Zweckverbände innerhalb Groß⸗Berlins seien an sich jweck⸗ mäßig und notwendig. So weit bin ich nicht gegangen. Ich habe nur gesagt, daß ich die Frage der Zweckverbände speziell gegenwärtig prüfen lasse, indem ich sowohl den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Berlin gebeten habe, auch zu dieser Seite der Sache Stellung iu nehmen, als auch den Herrn Oberpräsidenten der Provinz Branden⸗ burg aufgefordert habe, diese Frage vom Standpunkte der Vororte zu erörtern. Ich hoffe, daß durch diese Art eines kontradiktorischen Ver⸗
fahrens ein irgendwie brauchbarer Kern herausgeschält werden wird.
Ich habe dann weiter gesagt — und auch darin liegt vielleicht ein kleines Mißverständnis beim Herrn Abg. Cassel vor —: Einstweilen schiene es mir nicht so, als ob die Bildung derartiger Zweckverbãnde zwischen Vororten und der Stadt Berlin in sehr naher Zukunft stände. Wären die Vorbedingungen für die Bildung von Zweckver⸗ bänden gänstig, dann würden sich Ansätze zu solchen Zweckverbänden schon in der Praxis tatsächlich gebildet haben. Aber das ist nicht der Fall; wenigstens habe ich noch nicht von dem Versuch, derartige Zweckvereinigungen zu gründen, gehört, obwohl ein solcher Versuch doch auch bei der gegenwärtigen Lage unserer Gesetzgebung nicht ganz ausgeschloffen wäre. Wäre er schon gemacht, dann wäre die Lösung der Frage wesentlich vereinfacht, denn die Gesetzgebung hätte nur noch praktisch bereits eingeführte Einrichtungen zu le— galisieren. Aber wie gesagt, derartige Versuche liegen meines Wissens noch nicht vor. Ich habe dann weiter bemerkt, daß mir allerdings die Stimmung für derartige Versuche momentan keine besonders günstige zu sein scheine. Dabei habe ich exemplifiziert auf den die städtischen Behörden von Berlin be— schäftigenden Antrag wegen der Taxen in den Krankenhäusern. Ich habe mir nicht herausgenommen, über den Antrag und die Motive, die ihm zu Grunde liegen, eine Kritik nach der einen oder anderen Richtung vorzunehmen. Ich habe nur gesagt, wenn das Verhaltnis ter Vororte zu Berlin gegenwärtig derartig ist, daß eine ungleichmäßige Behandlung der Vororte und der Berliner Einwohner vom Stand⸗ punkt von Berlin aus angezeigt erscheint, so scheint mir dies kein sehr günstiger Boden zu sein, damit aus ihm Zweckoerbände hervorwachsen, die eine sehr nahe Interessengemeinschaft von vornherein voraug— setzen. (Sehr richtig) Wie sich die Frage weiter entwickeln wird, kann ich gegenwärtig nicht sagen; das hängt im wesentlichen ab von der Stellung, die einerseits die Stadt Berlin, andererseits die Vororte einnehmen werden. Ich wünsche in der Frage gar nicht, durch eine Art von Diktatur irgendetwas vorschreiben ju wollen, was nachher für die praklischen Verhältnisse nicht paßt; sondern gerade in einer schwierigen Frage wie dieser, wo die kommunalen Interessen ver⸗ schiedener Gemeinden sich berühren, zum Teil auch gegensätzlich be⸗ rühren, da muß die Praxis vorangehen, und dann solgt die Gesetz⸗ gebung und sucht, der Praxis gerecht zu werden. (Sehr richtig! Der umgekehrte Weg führt uns, wie ich fürchte, zu bureaukratischen Ein ⸗ richtungen, denen von vornherein kein Leben inne wohnt. (Sehr gut) Ich bitte Sie, dabei zu bedenken, wie schwierig auch bei der Ginrichtung von Zweckverbänden die tatsächlichen Verhält⸗ nisse liegen. Berlin hat 2 Millionen Einwohner gegenwärtig, und die gesamten Vororte, selbst wenn man den Zirkel sehr weit faßt, welche in Frage kommen würden, haben 700 000 Einwohner. Die Steuerverhältnisse waren vor anderthalb Jahren, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, ungefähr die, daß in Berlin 45 Millionen aufkamen und in den Vororten jusammen 17 Millionen. Aber ich bitte Sie, diese Zahlen nicht als absolut zutreffend anzusehen. Ich
habe es leider übersehen, die betreffenden Aufzeichnungen mitjubringen.
Aber Sie sehen aus diesen approrimativen Zahlen, wie verschiedene Organe da zu Zweckverbänden zusammengeschweißt werden sollen, und wie schwierig es namentlich sein wird, eine Vertretung dieser Organe zu schaffen, bei denen die Rechte der einzelnen Vororte nicht zu kurz kommen, und bei denen das Uebergewicht von Berlin nicht schließlich dahin führt, daß die den Zweckverbänden zugeteilten Vororte überhaupt nichts zu sagen haben.
Im übrigen wird diese Frage — und sie geht ja alle Zeit durch die Presse — in ihrer Bedeutung stark überschätzt. Sind denn unsere Verhältnisse in den Vororten und in Berlin so schlechte, daß man sagen müßte: das kann nicht so weiter gehen? Ich verneine das. Die Entwicklung der Vororte, die Ent⸗ wicklung von Berlin — man braucht kein übergroßer Optimift zu sein, um das zu sagen — ist doch eine sehr glänzende gewesen, und wenn Schwierigkeiten daraus entstehen, daß die Bezirke der Stadt Berlin und der Vororte so aneinandergrenzen, daß ein Teil der Straße nach Berlin, der andere nach Charlottenburg oder Wilmersdorf gehört, so werden Sie solche Fälle immer haben. Wenn eine Stadt sich so ausdehnt, wie es Berlin tut, so wird sie immer an einen be= nachbarten Bezirk anstoßen, und da im einzelnen Falle die Grenzen auch etwas kurios ausfallen. Das ist in London, was uns jetzt in den Zeitungen vielfach zum Muster vorgehalten wird, in viel stärkerem Maße der Fall. London besteht im ganzen aus 28 oder 29 Städten mit zum Teil kleinen Bezirken, sodaß man häufig nicht weiß in welchem man sich gerade befindet. Und doch geht die Sache aus⸗ gezeichnet. Man sollte sich also durch Aeußerungen in der Presse, die den Dingen vielleicht nicht überall auf den Grund schauen, wegen der Frage Groß ⸗Berlin nicht nervös machen lassen. Meine Absicht ist — um das nochmals zu wiederholen —, überall da, wo mir die Praxis die Notwendigkeit des gesetzlichen Eingreifens dartut, an Sie mit der Bitte heranzutreten, einem entsprechenden Gesetze zuzustimmen.
Meine Herren, ich komme nun kurz auf die Automobilfrage. Es ist eine Anfrage an mich gerichtet worden, ob ich nicht eine Statistik derjenigen polizeilichen Bestrafungen aufstellen lassen möchte, welche wegen zu schnellen Fahrens, ohne daß durch das zu schnelle Fahren ein Unglück angerichtet worden ist, erlassen worden sind. Der Wunsch nach Aufstellung einer solchen Statistik ist wohl schon im vorigen Jahre ausgesprochen worden und, wie ich zugeben muß, bei dem Wechsel, der im Ministerium des Innern stattgefunden hat, bisher nicht erfüllt worden. Aber, meine Herren, soll ich denn nun wirklich für das nächste Jahr diese Statistik vornehmen? und kommen wir damit in der Angelegenheit weiter? An sich liegt ja die Sache be⸗ kanntlich so, daß das Reich sich der Regelung der Automobilfrage nach verschiedenen Richtungen hin annehmen will. Es soll eine Regelung der Haftpflicht stattfinden; es soll das Muster zu gleichlautenden Polizeiverordnungen für den Bereich des ganzen Reichs festgestellt werden; es ist eine Verschärfung der Strafbestimmungen ins Auge gefaßt worden. Schließlich ist die Bildung einer Zwange haftpflicht genossenschaft auf Gegenseitigkeit in den Kreis der Erörterungen ge zogen worden, wie dies ja den Herren allen bekannt ist. Von meinem preußischen Standpunkt aus muß ich einstweilen abwarten, was aus diesen von der Reichsregierung geplanten Maßregeln werden wird. Ich bin darauf beschränkt, die Polizeibehörden anzu⸗ weisen, dem Unfug einzelner Automobilisten zu steuern, so⸗ weit das möglich ist. Daß das nicht in allen Fällen ge⸗ schieht, wegen der Schwierigkeit der Situation nicht geschehen kann, das weiß ich, und das bedauere ich. Aber, meine Herren, ich bitte doch auch, in dieser Beziehung nicht zu weit zu gehen. Gewiß! Durch übermäßig schnelles Fahren können große Gefahren heraufbeschworen werden und werden tatsächlich schwere Unglücksfälle angerichtet. Aber deshalb nun die Polizeibeamten anzuweisen, mit der Uhr dazustehen und zu kontrollieren, daß der Mann tatsächlich nicht mehr als 15 km in der Stunde fährt, das hat wirklich wenig praktischen Sinn. Uebermäßig schnelles Fahren in den Straßen einer Stadt kann gewiß den Verkehr sehr stören; aber wenn man sich jetzt die Verhältnisse in Berlin ansieht, wo die Droschkenautomobile außerordentlich zu⸗ genommen haben, da habe ich persönlich wenigstens den Eindruck be⸗ kommen, daß der Verkehr in den Straßen durch diese Droschken—⸗ automobile in keiner Weise erschwert wird. Im Gegenteil: er ist verbessert worden. Die Automobildroschkenführer fahren sehr viel besser als unsere Pferdedroschkenkutscher. Je vorsichtiger und zugleich je schneller sich ein Verkehr nach vorn entwickelt, um so besser wird für die Sicherheit des ganzen Verkehrs gesorgt. Am un— bequemsten ist doch der Droschkenkutscher, der mit langen Zügeln auf dem Bock sitzt und jeden Bordstein anfährt; vor dem kann sich kein Mensch retten, während ein gut geführtes Automobil, das nicht mit übermäßiger Geschwindigkeit fährt, das entschieden bessere ist. Man soll auch hier nicht das Kind mit dem Bade aucsschütten.
Das freilich beklage auch ich mit dem Herrn Abg. Strosser, daß die Strafen für die Automobilisten, welche aus Leichtfertigkeit, zum Teil leider auch aus bösem Willen Menschen gefährden, häufig viel zu ge— ring ausfallen (sehr richtig), wie ich überhaupt auf dem Standpunkt stehe, daß man nicht in kleinen Dingen unausgesetzt strafen und tribu—⸗ lieren, aber bei Dingen, auf die es ankommt, gründlich strafen soll. (Sehr wahrh,
Aber, meine Herren, das ist eine Angelegenheit, auf die ich, wie Sie wissen, keinen unmittelbaren Einfluß habe; es ist zunächst Sache der Gerichte und dann eventuell Sache der Abänderung unsereg Strafrechts.
Meine Herren, zum Schluß gestatten Sie mir ein paar Worte zur Wahlrechtfrage! (Aha! links.) Ach nein, meine Herren, es bleibt ganz einfach, was ich sagen werde. (Heiterkeit rechtg) Auf die Frage an sich gehe ich nicht ein; denn ich stimme dem Herrn Abg. von Zedlitz und vielen anderen zu, daß heute nicht der rechte Moment dazu ist. (Sehr richtig! rechteö und im Zentrum) Aber ich will ebenso offen und ehrlich sagen, wie die Angelegenheit gegenwärtig liegt.
Als ich in das Ministerium des Innern berufen wurde, fand ich,