1906 / 33 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Feb 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Großhandelsyreise von Getreide

an deutschen und fremden Börsenplãtzen für die Woche vom 29. Januar bis 3. Februar 18906

ne bst entsprechen den Angaben für die Vorwoche. Zusammengestellt im Kaiserlichen Statiftischen Amt.

1000 kg in Mark.

(Preise für greifbare Ware, sowelt nicht etwas anderes bemerkt)

Berlin. R under, mindestens 712 . 450 g

das 1. das 1. das 1.

Bafer, k . 8 Mann beim.

Roggen, Pfäljer, j mittel

We ãljer, rumãn., mittel

Bu dapest. Roggen, Mittel ware Wellen,

Roagen, 71 bis 72 Kg das hl Weijen, Mka, 75 bis 76 kg das PHI.

Riga. Roggen, 71 big Z kg das HM .... Wellen, 75

Paris. lieferbare Ware des laufenden Monats /

Antwerpen.

Roggen Weijen

Ddesfa⸗ Keie e ne. Sint ais t

englisches Getreide, Mittelrreis aus 196 Macktorten (Gazetts averages) Liverpool.

ste, Futter- 2

; anmerikan. bunt, neu 2 . . Nai J 80 plan-

Buenos Aires.

Bemerkungen

dalkten ke rie 504 Pfund engl.

Woche bis 32.

29.1 1906

166,35 179, 17 161.00

175.00 186 55 17336 175 25

12519 15351 157 86 18335 127 74

11480 147 33 isi 15 133415 1s. 19

111.38 12758

12532 15157

128 36 186.66

138.24 142.31 1498 47 151.09 150 85 158.57 13654 148 41

132,76 149,81 147,85 165,45 105. 51 111,10

14325 13 35

135,54 13621 141,49

153,25 14855 150 07 146 296 132,78 163.58 1290.43 105,77

984.95 118,45

130 72 128.91 127.07

73.283

Da⸗ egen 0 r⸗

woche

168,098 181,33 161,67

17500 1986,24 168, 5 175,75

125, 92 16420 137,83 153, 14 129, 32

11443 146.19 127.90 120,39 116,26

11478 128,50

127,41 133, 14

128. 25 185,43

137,36 142.19

1Jrrerial Quarter ist für die Wetzennoti 2

83665 8

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1 Last Roggen 2100. Weijen⸗

1

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Dertscher Reichstag. 36. Sitzung vom 6. . Nachmittags 1 Uhr

(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Tagesordnung Interpellation der Abgg. Albrecht und Genossen, d die am 10. Juli 1305 auf der Kohlenzeche Borussia bei Dortmund stattgehabten Unglücksfälle, und Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Re ichs ha ushalts⸗ etats für das Rechnungsjahr 1906, Spezialetat: Reichs⸗ amt des Innern. ;

Nach Ablehnung der Besprechung der Interpellation der Abgg. Albrecht und Genossen wird, wie bereits gestern be⸗ richtet worden ist, die Beratung des Etats des Reichsamts des Innern mit Kap. 7 Tit. 1 der fortdauernden Ausgaben: Be⸗ soldungen Staatssekretär 2c. fortgesetzt.

Abg. Graf Kaniß (. kons.) fortfahrend: Als im De—⸗ jemker 1802 die ler Trimborn in unseren Zolltarif bineinkam, wonach 50 Millionen Mack jäbrlich für die Witwen⸗ und Waisen⸗ versicherung reserviert werden sollten, mußte man glauben, daß dies in dem Wahlkreise des Abg Trimborn einen sehr guten Eindruck machen würde. Tatsãchlich ist die Zabl der sozꝛialdemokratischen Stimmen in Cöln von 1898 bis 1803 von 000 auf. 16090 Stimmen gestiegen; was bat also seine versöhnliche Tätigkeit nach der soꝛialpolitischen Seite gewirkt? Es gibt eine solche Versöhnung überhaupt nicht. Früber setzte der Arbeiter, wenn er erkrankte, alles daran, um bald wieder gesund und arbeitsfähig zu werden; beute tut er das nicht mehr, beute denlt er an die und jucht das Leiden zu verlängern Zuruf bei den Sꝑnlaldemokraten: Das glauben Sie doch selbst nicht ), also hat die Sonalpolitik sogar eine gewisse Demoralisierung erzeugt. Es sind ganz andere Ursachen, denen das Anwachsen der Sozialdemokratie zu danken ist. Seit den letzten Reichstags wahlen bat es sich gezeigt, daß die letzten großen Handelsplätze Bremen und Stettin an die Sonaldemokratie geiallen sind; nur in Danzig bebauptet sich noch der Liberale; das Königreich Sachsen wäblte in 25 Kieisen 22 Sosaldemokraten, im Regierungsbezirk Arnsberg stiegen die sozialdemokratischen Stimmen von 51 906 auf 104000, in Düsseldorf von S0 C0 auf 150 000, in Berlin von 155 000 auf 218 90. Diese Ziffern berechtigen zu dem Schluß, daß unsere neuere Wirtt⸗ schaftés, und Handelspolitik, die Bevorzugung des Großhandels und der Großindustrie auf Kosten der Kleinbetriebe und der Land- wirtschaft bauptsächlich ju dieser Veischiebung beigetragen hat. Der Graf von Posadowaky fagte, in der französischen Landwirtichaft liegen die beften Garantien für den franjösischen Staat. Ich kann nur wänschen, daß dieser richtige Sas auch auf die sozialdemoktatische Bewegung angewendet wird. Man sorge dafür, daß unsere länd⸗ liche Bevölkerung zufrledengestellt wird und ihr keine neuen Lasten auferlegt werden Wir hbalten eine Rerxision, Ver⸗

einfachung und Verbilligung der bestebenden Organisation der Ver⸗ sickerungen fũr erforderlich. fübrungen des Grafen ju liegen. Wie 86

m

Leider scheint nach den neuerlichen Aus— osador sly die Reorganisation in weiter Ferne en wir denn noch darauf warten? Wenn aller- dings das neue Gesetz den Umfang des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches baben soll dann möchte ich für meine Person ganz ergebenst dafür danken. Man sollte doch zunächst die Lasten der bie berigen Gesetz ; gebung vermindern und dann erst an eine neue Belaftung denken. Bis dor kurzem waren wir uns völlig im unklaren über die Koften der beabsichtigten Witlwen⸗ und Waisen versichtrung. Der Staats- sekretãr Graf von Posadowsky hat uns daruber erfreulicher⸗ weise etwas aufgeklärt, indem er sagte: egß würden im ganzen 220 bis 230 Millionen sein. Woher sollen nun aber die Lo Millionen fommen, um die die 50 Millionen der lex Trimborn überschritten werden würden? Wer soll die Laften tragen? Etwa die Arbeiter? Schließlich weiden die Arbeitgeber, die sogenannten starken Schultern, rie Mehrlasten zu tragen haben. Die starken Schultern dũrfen aber nicht so belaftet werden, daß sie zu. ammenbrechen denn dann haben auch die schwachen Schultern den Nachteil. Der Graf von . empfahl die Errichtung größerer Armer ver- bände auf dem Lande. Diese Aeußerung eines früheren Landrats bat mich doch einigermaßen befremdet. Er muß doch wissen, daß man die großen Veibande beseitigt und kleinere errichtet bat, weil die Lasten nicht aufgebracht werden konnten. Die enragierten Sozialpolitiker sprechen immer von einem Siegeslauf unserer Sojialreform. Dieser Siegeslauf spukt nur in wenigen Köpfen. Es fragt sich, wird unsere Industrie in der Lage sein, mit der nicht belasteten Industrie des Auslandes zu konkurrieren? In Nordamerika gibt es keine derartige Versiche⸗ rung; in einem Staate nur ist es känlich einmal vorgekommen, daß ein Arbeitgeber seine Leute mit 60 Cent versichert hat gegen Unfall, aber das Gericht erkannte, daß eine derartige Versicherung gegen die Verfaffung verstoße, und darum mußte die Versicherung rückgängig gemacht werden. In der Union werden 168 C00 giader unter 16 Jabten in Fabriken beschäftigt. Wenn wir an eine Reform unserer Gesetz- gebung geben sollten, so kann ich nur empfehlen, das Beispiel Frant⸗ reichs u Fesolg- . Das fran 6sische Geseg dom 14. Juls IS0 um- faßt die ganze Materie betreffend den Erwerb und Verluft des Unter⸗ stüßungswobnsitzes und die Alters und Invalidenversicherung. Für die Indalidenvei sicherung zablen die Kommunen über 32 Millionen, die Dexartements über 11 Millionen und der Staat 37 Millionen. Deutschland gibt für denselben Zweck 224 Millionen aus. In Frankreich gibt es keine Klebmarke, keine besonderen Ver—⸗ sicherungsanstalten mit großartigen Paläften. Wir sollten uns die franzõsischen Einrichtungen zum Muster nebmen. Der Graf Posadowsky sprach neulich von der Verwaltung unserer Versicherungsanstalten und meinte, daß die Verwaltungskosten pro Kopf 271 3 betragen. Nach der Statistik beträgt aber die Belastung 60 vro Kopf. Weher kemmt diese Differenz? Nun ein Wort über die Kranken⸗ versicherung der Peimarbeitet. Viele Heimarbeiterausftellung besucht und den Gindruck gewonnen aben. daß ganz miserabele Löbne in der Heimindustrie, auch in Berlin gejablt werden. Ob die Krankendersicherung dieses Elend mildern wird, ift mir weifelbaft. Viel wichtiger ist mir, daß endlich einmal die massenbafte Einwanderun lediger Frauenerersonen nach Berlin eingeschrãnkt wird, da dem Wandertrieb der ländlichen Bevölkerung nach den Groß⸗ stãrten Eiabalt gebeten wird. Aus einem Orte in Dsspreußen wanderten allein 41 Frauenerersenen nach Berlin ab. Die Ver⸗ bältnifse werden sich erst besserm, wenn die Einkommengderbältnisse auch auf dem rlatten Lande fich bessern. Ich gebe mich keinem Humaritättdusel hin, sondern sehe die Dinge an, wie sie sind. Ich abe nie an eine versöhnliche Wirkung der Sozialpolitik gedacht. Ich halte es einfach fär Gewissensrflicht, daß alles geschiebt, was gescheben kann, um die menschliche Not ju lindern. Unsere Ver⸗ ern gs gesc ebun. myß . und vereinfacht werden. Darum sage ich vor allem: Fort mit der Kleberei! .

Abg. Pachnicke (frs. Vgg): Die Zabl der veischiedenen An⸗ regungen auf geseßzgeberische Atfionen, wie sie in dieser Debatte an den Staats sekretät gerichtet worden find, schätzt man mit 20 sicher nicht zu hoch. n das alles früber oder srãter in die gesetz⸗ geberische Tat umgesetzt werden soll, so wird aicht bloß vom Reichs- amt des Jnnern und von dem Bunderrat. sondern auch von dem Reichstag schier Unmẽgliches verlangt. Wäre es nicht richtiger, daß man sich von Fraktion zu Fraktion über das Dringlichste rerfländigte und dies bei den verbündeten ngen zur Durchfũhrung empñehlt? Der Reichetag ist doch nicht dajn da, um ju reden; er soll auch er me nn, e r ,d, ne, voran an Dringlichkeit Verleibung der ig⸗ keit an die Bernfædereine. Wenn die Redner der Rechten meinen, diese Mahnabme läme nnr der Sozialdemolratie ju gute, so ver= eckseln sie dabei die letztere mit der Arkeiterichafi; beides ist vor nicht identisch. Der formalen Gleich echtigang muß die

von Ihnen werden die

sprach von der Intelligenz der

ist im Großbetriebe nicht möglich; der Kollektivarbeitevertrag ist nich n un weden, Dig Zen bes Fehr oithte ms nn weben f den Fabrikbesitzer besteht beute die Pflicht, ju verhandeln, natürlich bisher nur die moralische, nach dem jetzigen Stande der Gesetzgebung. Wird der gesetzliche Zwang abgewiesen, s0o muß die sittliche Pflicht um so nachdiücklicher betont werden, damit der Weg der Verhandlung überhaupt beschritten werden kann und eine mittlere Linie gefunden wird. Das befte Mittel der Vereinbgrung sind immer noch die Tarifverträge, und im Gegensatz zu einem Vertreter der Rechten, der die Kund gens der baverischen Regierung zu Gunsten derselben aus dem vorigen ärz beinahe bedauerte, kann ich von dieser Kundgebung nur mit Befriedigung Akt nebmen. Das Verlangen nach Arbꝛiterkammern wird mit großer Energie wieder geltend gemacht, obwohl über die Ju. sammensetzung, den Wirkungskreis und die Vertretung noch gar keine Klarheit herrscht. Nach melner Meinung wird eine paritättische Ju. sammensetzung das Richtige sein. Von den in der Richtung des Maximal. arbeitstages sich bewegenden Forderungen ist diejenige des Zehn. stundentages für Arbeiterinnen jetzt wirklich fällig. it einem Sprunge werden wir zu der Zusammenlegung der diei Versicherungs. zweige nicht gelangen können; der Zug der Sozialpolitik wird zunächst auf einer Zwischenstation halten müssen. Es muß. vorher die Aut. debnung der Krankenversicherung auf die ländlichen und die Heim. arbeiter und die Reform des Krankenkassengesetzes nach der Richtung erfolgen, daß zum Kummer der Sozialdemokratie die Beiträge zwischen Arbeitgehern und Arbeitern halbiert werden. Was den Mittelftand betrifft, so sind auch wir bereit, berechtigte Forderungen desselben zu prüfen und je nach dem Ergebnis dieser Prüfung zu gewäbren. Ja den nichtberechtigten Forderungen gehört der große Befähigunge. nachweis, der jetzt tot und von seinen eigenen frũberen Befürwortern im Stiche gelassen ist. Bleibt der sogenannte kleine Befähigungsnachweis. Schon heute . doch der Meister, der Lehrlinge anlernen will, als Lehrling und Geselle gearbeitet haben oder einen fünfjährigen Betrieb selbständig oder als Werkmeister hinter sich haben; man kann alfo dön einer Schutzlosigkeit des Handwerks nicht reden. Mit der bloßen barmlosen Form der Meisterprüfung meistert die Regierung das Schicksal des Handwerks nicht; von einem Titel ist noch nie— mand satt geworden. Dem Handwerk liegt viel mehr daran, Arbeit und Verdienst zu baben; die gewerbliche Bildung bat im übrigen in erster Linie zu steben, dazu - werden ins. besondere die Meisterkurse ihr Teil beitragen. Der Abg. Trimborn verlangt neuerdings eine Enguete, übersieht aber wobl, daß wir schon in Erhebungen über das Handweik mitten drinnen steben. Die sozialdemokratischen Redner sind mit der Re—⸗ gierungspolitik scharf ins Gericht gegangen. Auch die Freisinnigen haben ja der Methode der Regierung nicht zugestimmt und andere Wege empfohlen; sie müssen jetzt aber mit der Tatsache rechnen, und da erkennen auch sie an, daß die Leistung der Reichsversicherung den Arbeitern große Vorteile zugeführt, ihnen viel mehr zugewendet bat, als sie . beigetragen haben. Daß das Interesse für die Sozialpolitik draußen im Lande abgeflaut ist, daran sind die Sozial⸗ demokraten selber schuld. Draußen heißt es allgemein: es nützt ja doch nichts. Diejenigen, die einen Bund der Sozialdemokraten mit den Liberalen und sogar mit dem Kaisertum für möglich hielter, baben sich bitter getäuscht; der Revisionismus ift unterlegen. Nicht nur, daß die Sozialdemokratie reine Klaffenpartei sein will, sie regt auch durch das Gerede über Straßendemonftrationen und Massenstreils die Pbantasie ar. Darüber hat der internationale Auf⸗ ruf der Sozialdemokratie keinen Zweifel gelaffen. Auch Bernstein bat, wenn auch vorsichtig, den Massenstreik empfohlen. Vielleicht bat dieser Vorstoß nur einen Rückschlag gegen die ganze freiheitliche Entwicklung zur Folge. Wir Liberalen können bier nicht mitmachen. Man mache don den gesetzlichen Mitteln, z. B. von dem Wahlrecht Ge brauch. Der Abg. Mugdan hat die Enmwicklung richtig geschil dert. Das es so weit gekemmen, bängt mit der Polink zusammen, die jetzt ge⸗ trieben wird. Die Wirtschaftspolitik, die vorzugsweise dem Standes⸗ interesse des Großgrundbesitzes dient, unsere Steueipolitik, die die ärmeren Klassen belastet, die Rechtssprechung, die den Anschein der Klassenjustiz hervorruft, Kastengeist und Standesdünkel, die Wabl⸗ rechte volitik tragen zur Radikalisierung das meiste bei, sie bringen das Reservoir der Unzufriedenheit zum Ueberlaufen. Die Landes, politik in Süddeutschland, speniell in Bayern, Baden, Hessen, wo ein Sozialdemekcat zum Großherzog geht, ist eine ganz andere als in Preußen. In England gibt es auch eine Arbeiterpartei, aber durchaus nicht von der sozialdemokratischen Färbung. Hätten wir eine äbnliche Bewegung, dann würden die Arbeiter dem Volke seine Rechte und dem Staate seine Machtftellung lassen. Wir müssen endlich zu ge⸗ sunderen Parteiverhältnissen kommen. . ; . Abg. Bruhn (D. Rfp.): Von verschiedenen Rednern ist die Mittelstandsfrage berührt worden. Ich bedauere, daß in der Thron⸗ rede nichis über die Lage des Mittelstandes enthalten ist. Der Mittelftand wird durch das Großkapital bedrängt und durch die Geseß gebung in einer Weise belaftet, daß man wohl don einer Mittelstandẽ⸗ frage sprechen darf. Seine Majestät bat in Bielefeld in einer pro— grammatischen Rede den Schutz der nationalen Arbeit aller Produktir⸗ tände und die Kräftigung des gesunden Mittelstandes betont. Der Graf Posadowèky sieht in der Erhaltung des Bauernstandez das Fundament des Staates. Wir freuen uns darüber. Zum Fundament des Staates gebört aber nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die Bürger⸗ schaft der Städte. Die Staatsregierung bat im letzten Jahre nicht nur nichts getan für die Handwerker, sondern sogar in Cöln agitatorisch die Bestrebungen der Handwerker zu lähmen gefucht. Der Standvarkt der Regierung entspricht nicht dem der großen Mehrheit der Hand⸗ weiker. Der Abg. Pauli ist leider in dieser f umgefallen. Wir steben nach wie vor auf dem Boden des allgemeinen Befähigungt⸗ rachweises, alles andere ist und bleibt Flickwerk. Natürlich nebmen

wir auch den kleinen Befähigungs nachweis, aber an unserer Kardinal⸗

forderung halten wir fest. Die Nationalliberalen und der Abg. Mugdan hatten schöne, süße Worte für das Handwerk, aber von Taten fiebt man nichts. Der Abg. Mugdan irrt sich, wenn er glaubt, auch wir ließen die Waren baussteuer fallen. Wir denken gar nicht daran. Die Befsitzer der Warenbanser glauben keinegwegs, daß diese Steuer keine wirklame ist Der Abg. Mugdan verkennt das Wesen der Warenhbäuser. Zwischen Wertbeim, Tie und Hertzog ist ein Unterschied. Die ersteren lecken mit Tricks und Reklame, wie die Weiße Woche“ usw. das Publikum an, das tut og nicht. Die Warenhäuser ruinieren nicht nnr die Handwerkemeifter, sondern sie machen es auch dem Nachwuchs der Kaufleute unmöglich, einmal selbständig ju, werden. Altes soll abhängig gemacht werden vom Großlapital. Der Abg. Müller Waren haãuser. Ein Ministerial⸗ Gaftwirten wegwerfend, als wie ren berkommenen Leuten! Die Gastwirtzverbãn de haben versucht, Genugtuung zu erhalten; bis jetzt haben sie sie aber, soriel ich 2 nicht bekommen. Der 66 Mugdan und seine Freunde balten schöne Reden gegen die Sozialdemokratie, damit ift aber nichts etan. Ich wäre bereit zu Augnahmegesetzen gegen die Seonal⸗ emokratiz um dem Terrorismus der Sonaldemokraien einen Da mm entgegenzusetzen. Der Staat hat die Pflicht, die christlichen Arbeiter gegen jeden Terrorismus zu * Gs ist ein frommer Wunsch des Abg. Eriberger, daß die er ter Sezialdemokratie ibre Gencssen jur Mäßigung anhalten werden. Wenn es a mich ankãme, so würde ich Ihnen bald wie man gegen den Terrorismus vorgehen muß. Die bürgerlichen Par= teien katten am 21. Januar vor der Sozialdemohtatie 3 Der Abg. Bassermann hat die Sache ganz richtig gestellt. Sie sahen, daß bie Sache ernst und brenzlig werden sollte. Heute ist unser Militär noch so, daß es solche Unruhen sofort unter⸗ drũcken wũrde. Wer aber 6 uns dafür, daß es in 20 Jahren noch ebenso sein wird? 3 Millionen sonaldemokratische Stwimmen sind abgegeben worden, ka sollte man doch damit rechnen, daß e? 995 V, * n fe. genen, „in we i eine Part gen wird. orgen 33 einen kräftigen Mittelstand und juftiedene Staateb E e sfer damit wir vor der sozlaldemoktatischen Knute bewahrt

direktor sprach von den

Sie (ju den Sozialdemokraten) haben abgeflaut, als

Stellvertreter des ö des Innern, Siaatsminister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren, ich möchte an die letzten Aeußerungen des Herrn Vorredners anknüpfen. Jede Staatsregierung muß sich bemühen, jufriedene Staatsbürger zu schaffen; aber ob es irgend einer deutschen Regierung gelingen wird, alle Deutschen zufrieden zu stellen, das ist nit recht zweifelhaft.

Es ist gestern und heute eine Reihe von sozialpolitischen Fragen an mich gerichtet worden. Zunächst ist gefordert worden, die Verwendung bleihaltiger Stoffe sollte ganz verboten wer⸗ den. Wir haben bereits in bezug auf die Verwendung solcher Stoffe, namentlich von bleihaltigen Farben, sehr ein⸗ schneidende Bundesrat perordnungen erlassen; die Verwendung fleibaltiger Stoffe ganz zu verbieten, das scheint mir, zunächst wenigstens, technisch ausgeschlossen, ganz abgesehen davon, daß damit cine wichtige Industrie in Deutschland, die gesamte Bleigewinnung, absolut lahm gelegt würde und damit Tausende von Arbeitern ihre Arbeite gelegenheit verlõren. Die Schädigungen, die aus der Verwendung ron bleihaltigen Stoffen folgen, sind zum großen Teil durch Unvorsichtigkeit verursacht. Lange nachdem die Verordnung ergangen war, daß Maler beim Anstreichen mit blei⸗ kaltigen Farben nicht rauchen sollen, weil durch die Be⸗ tähtung der Zigarre fortgesetzt kleine Bleiteile in den Köper gelangen, sah ich bier in Berlin, daß eine Anzahl Maler, näbrend sie mit der einen Hand die bleihaltigen Farben auf ein Bau⸗ veik aufstrichen, mit der anderen Hand gemütlich ihre Zigarre nuchten. Wenn man den Folgen der Bleiverwendung nachdrücklich eñtgegentreten will, müssen auch die Arbeiter das ihrige dazu tun, indem sie die vom Bundesrat erlassenen Vorschriften gewissenhaft beobachten.

Meine Herren, was die Sonntagsruhe im Mühlengewerbe betrifft, so besteben ja Verordnungen darüber. Wenn diese Verordnungen von den Müblenbesitzern nicht beachtet werden, so kann man dafür nicht die Reichsregierung verantwortlich machen. Es müssen eben die einzel⸗ staatlichen Polizeibehörden an Ort und Stelle dafür sorgen, daß die betreffenden Bundesrats verordnungen auch wirklich befolgt werden.

In bezug auf die Sonntagsruhe im Binnenschiffahrtsgewerbe möchte ich dem Herrn Abg. Bassermann antworten, daß jetzt die Erhebungen über die Arbeitszeit in diesem Gewerbe dem Abschluß nabe sind; erst renn dieses Material bezüglich der Arbeitszeit im Binnen⸗ schifahrts gewerbe verarbeitet ist, wird man Beschlüsse in bejg auf die Sonntagsruhe der Binnenschiffer fassen, bezüglich diese Frage regeln können. Arbeitszeit und Sonntagsruhe hängen hier eng miteinander zusammen.

Bezüglich der Beschäftigung von Frauen und jugendlichen Arbeitern in Ziegeleien ist eine Verordnung des Bundesrats ergangen. Wir haben aber damals durch Erhebungen festgestellt, daß die Wanderarbeit von reiblichen Arbeitern im Ziegeleibetrieb nicht in dem Maß stattfindet, vie der Getwerkverein der Ziegler angenommen hatte. Im übrigen kängt diese Frage eng mit der Wohnungsfrage zusammen, und in letzteter sind nur die Einzelregierungen zuständig. Daß eine Vermehrung der Gewerbeinspektoren dringend notwendig ist, erkenne ich an; auf diesem Standpunkt stand auch der frühere Herr Handels minister. Die Revisionen der Fabriken können in der Tat noch nicht in dem Umfange vorgenommen werden, wie es nötig ist. Aber mir erklärte damals der Herr Handelsminister, daß es ihm schwer sei, die nötige Zubl der Anwärter für die Gewerbeinspektion zu gewinnen; er babe vielfache Vakanzen, die Nachfrage nach diesen Stellungen sei derkältnismäßig gering. Als er mit mir Röcksprache nahm, ar eine Anjahl von Aspirantenstellen unbesetzt.

Wenn man verlangt, es sollten zu den Fabrikrevisionen auch Lerjte mit herangezogen werden nach dem Vorbilde von England, wo allerdingZs die Aerzte in engerem Zusammenhang mit der Gewerbe⸗ inspektion stehen, so muß ich bemerken, daß in England der Haupt⸗ inspeltor ein Mann ist von böherer Bildung, daß aber, glaube ich, seine Organe nicht dasselbe Maß wissenschaftlicher Vorbereitung und Bildung besitzen, wie unsere deutschen Gewerbeinspektoren. Ich glaube, daß unsere deutschen Gewerbeinspektoren im großen und ganzen wissenschaftlich bäher vorbereitete Beamte sind als das Gros der englischen Gewerbeaufsichtsbeamten, und daß sie deshalb auch ihren Aufgaben selbständig in höherem Maße gerecht werden können.

S 25 des Unfallversicherungsgesetzes das gestehe ich zu hat gewisse Lücken, und bei der Gesamtrevision der sozialpolitischen Gesetze werden wir erwägen, ob dieser Paragraph nicht zum Besten der Krankenversicherung geändert werden muß, ob nicht der Klage der Krankenkassen Rechnung zu tragen ist, daß sie nicht das voll erstattet bekommen von den Unfallversicherungsberufsgenossen⸗ . was sie veraus lagt haben und worauf sie Anspruch zu haben

auben.

Man klagt darüber, daß die Rechnungsergebnisse der Berufs⸗ genossenschaften erst so spät erscheinen! Ich sehe vorläufig keinen Deg, dieser Klage abjuhelfen. Da die Kosten der Berufsgenossen⸗ Haften im Umlageverfahren gedeckt werden, muß zunächst, ehe man die Rechnungsergebnisse veröffentlicht, die Umlage stattgefunden haben; serner soll in den Rechnungsergebnissen auch stets klargemacht werden, wiediel dauernd und wieviel vorübergehend erwerbzunfähige Renten⸗ npfaͤnger im Rechnungsjahre hinzugekommen sind. Um das festzu— rellen, muß doch mindestens seit Feststellung des Rentenfalles, eit Gewährung der Rente ein halbes Jahr verflossen sen. Wenn also die Rechnungsberichte der Berufsgenossenschaften ein wirklich umfassendes Bild von Soll und Haben der Beruft— denossenschaften in dem Berichtsjahre gewähren sollen, wird es windestens ein halb bis dreiviertel Jahre dauern, bis diese Berichte nusammengestellt und veröffentlicht werden können.

Einer der Herren Redner des hohen Hauses hat gestern anerkannt, daß die Befürchtungen, die man in bezug auf die dauernde Suffizienz der Invalidenversicherung bei den bisherigen Beiträgen hegte, sich nicht bertchtfertigt hätten. Diese Befürchtungen bestanden nicht so sehr bei en Reichsbehörden, als in der Presse, wo fie den lebhaftesten Aus. druck fanden. Hätte die Festsetzung von Renten in dem Umfange, wie das nach Erlaß der letzten Nobelle eintrat wie sich bei den Revisionen ttgeben hat, in vlelfach irrtümlicher Auslegung ihrer Bestimmungen genommen, dann allerdings konnte man mit einigem Recht bentchtungen für die dauernde Suffistenn der Indalidendersicherung

aber die alljährlichen Revisionen haben unzweifelhaft fest⸗ ketelt, daß vielfach irrtümliche Vorausetzungen bei Festsetzung der wn vorgelegen haben, rechtlich irrtümliche Voraussetzungen, daß j gemäß eine Anzahl von Renten gewährt sind, für die die rechtlichen

nautsetzungen nach richtiger Auslegung des Gesetzes nicht vorlagen

und man muß in diesen Dingen wahr sein diese Revisionen haben auch geieigt, daß vielfach die Ermittlungen und Verhandlungen bei Festsetzung der Renten nicht mit der Sorgfalt geführt sind (hört, hört), die eine solche folgenschwere finanzielle Maßregel der Verwaltungsbehörde notwendig macht. Aus diesem Grunde wird das Reichsversicherungsamt auch diese Revisions⸗ m. fortsetzen, die sich als ganz außerordentlich nützlich erwiesen aben.

Die Vereinheitlichung der sozialpolitischen Gesetzgebung ist keines⸗ wegs ad calendas Graecas verschoben. Ich habe nur gegenüber einer verfrühten Anfrage nach dem Zeitpunkte, wann diese Ver—⸗ einheitlichung durchgeführt werden kann, an dem Vergleich mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch jeigen wollen, um welche umfangreiche Arbeit es sich handelt. Meine Herren, legen Sie doch einmal die ganze gegenwärtige sozialpolitische Versicherungsgesetzgebung mit allen Ausführungsvorschriften zusammen, dann werden Sie sehen, welch' gewaltiges Material für die Neuregelung durchgearbeitet werden muß. Selbstverstãndlich werden wir uns bemühen, die gesamte Materie so ein⸗ fach, so kurz zu kodifizieren, wie irgend möglich. Wenn die Herren schließ⸗ lich einen bestimmten Zeitpunkt wissen wollen, so kann ich ihnen sagen, daß wir boffen, gegen Ende des Jahres 1907 mit diesem Gesetz entwurf im Reichsamt des Innern fertig zu sein. (Hört, hört h

Bezüglich der künftigen Gestaltung der Arbeitskammern ging man, besonders im Zentrum, seinerjeit bei dem Antrag auf Aenderung des Gewerbegerichtsgesetzes davon aus, daß man die Arbeits⸗ kammern in Verbindung mit den Gewerbegerichten bringen könnte; man hätte da gleich eine Anzahl Mitglieder, vielleicht auch Wahlkörper gehabt. Das Zentrum hat damals seinen Antrag auf Aenderung des Gewerbegerichtsgesetzes aus= drücklich mit dem Gesichtspunkt begründet, daß die Gewerbegerichte vielleicht die Grundlage für die künftigen Arbeitskammern bieten würden. Seitdem hat man sich mit dieser Frage in der Oeffentlich⸗ keit sehr eingehend beschäftigt. Man hat den Einwand erhoben, daß es nicht wohlgetan sei, eine Interessenver— tretung, wie doch die Arbeitskammern sein werden, eine Interessen⸗ vertretung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zu verbinden mit einer Behörde, die zunächst eine rechtsprechende Tätigkeit hat, wenn auch in einem freieren Verfahren. Ich kann demgegenüber bemerken, daß sowohl in der Reichsinstanz wie im Bundegrat endgültig Grund⸗— sätze darüber, wie die Arbeitskammern zu bilden sein werden, noch nicht festgelegt sind, daß vielmehr die Frage, welchen Weg man gehen wird zur Einrichtung von Arbeitskammern, noch eine vollkommen offene ist.

Der Herr Abg. Graf Kanitz hat es bemängelt, daß ich empfohlen habe, man solle zur Verbesserung der Armenpflege Gesamtarmen—⸗ verbände bilden. Ich erinnere daran, daß das preußische Aus⸗ führungsgesetz schon die Bildung solcher Gesamtarmenverbände vor— sieht, daß man, glaube ich, auch in einzelnen Landesteilen von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht hat. Ich habe diese Gesamt⸗ armenverbände hauptsächlich aus dem Grunde empfohlen, um das Spstem des Abschiebens, das mit den kleinen Ortsarmenverbänden eng zusammenhängt, möglichst zu beseitigen, ein System, über das der verstorbene konservative Abg. von Meyer⸗Arnswalde mit Recht ein so scharfes Urteil gefällt hat. Es ist ja ein offenes Geheimnis, daß es in manchen Ortsarmenverbänden geradezu System ist, Ein sassen, die nur auf ihre Arbeitskraft angewiesen sind, kurz bevor sie einen Unterstützungswohnsitz durch zweijährigen Aufenthalt er—⸗ werben können, abzuschieben, indem man ihnen keine Wohnung weiter vermietet, indem man sie aus ihrem Kontrakt vor Ablauf von 2 Jahren entläßt, damit sie nur nicht unterstützungsbedürftig in der Gemeinde werden. Dieses Verfahren wäre nicht möglich oder wesentlich erschwert, sowie man größere Armenverbände bildete, die z. B. keineswegs auf einen ganzen preußischen Kreis sich zu erstrecken brauchten, sondern die vielleicht mit größeren Armenverbänden zusammen⸗ fallen könnten. Ich würde allerdings in der Bildung von Gesamtverbänden, wenn auch nicht in so großen Verbänden, an die der Herr Graf Kanitz zu denken scheint, aber in der Vereinigung einer größeren Anzahl von Gemeinden und Gutsbezirken zu einem Gesamtverbande einen wesent⸗ lichen Fortschritt in der Armenpflege erblicken, und das Uebel des Abschiebens würde jedenfalls abgemindert werden.

Der Herr Graf Kanitz hat bei Besprechung der sozialpolitischen Gesetz gebung auch daß letzte französische Gesetz über die Unterstützung alter Leute erwähnt. Meine Herren, das französische Gesetz können Sie mit unserer sozialpolitischen Gesetzgebung gar nicht vergleichen. Dieses Gesetz vom 14. Juli 1905 hat etwa folgenden Inhalt: Jeder Franzose, welcher der Hilfsmittel beraubt und unfähig ist, sich durch eigene Arbeit das zum Lebensunterhalt Notwendigste zu verschaffen, sei es, daß er das 70. Lebensjahr überschritten hat, sei es, daß er an einer anerkannt unheilbaren Krankheit oder an Lebensschwäche und Verfall leidet, empfängt nach diesem Gesetz Unterstützung. Sobald jene vier Be⸗ dingungen gegeben sind: französische Nationalität, Alter oder unheil⸗ bare Krankheit, Arbeitsgunfähigkeit, sowie zugleich Entblößung von Hilfsmitteln, besteht die Pflicht der Unterstützung.

Meine Herren, ein namhafter französischer Gelehrter, Professor der Rechte an der Universität Paris, Mr. Raoul Jay, sagt über dieses Gesetz:

Nicht Bedürftigkeit, sondern vollbrachte Arbeit soll man vom Arbeiter fordern, wie dieses auch das Erfordernis für die Alters, und Invalidenrente ist. Fügen wir hinzu, daß jedes Alters« versicherungssystem, das nicht auf Beiträgen des Arbeitgebers fußt,

infolge dieses Mangels als fehlerhaft und verbesserungsbedürftig erscheint.

Dieses französische Gesetz ist also nichts als eine verbesserte Armenpflege, es war abet der große Fortschritt der deutschen sozialen Gesetzgebung, daß an Stelle der Armenpflege ein eigenes Recht und eine gewisse Leistung des Arbeiters trat, eine Rente, an der er, soweit es sich um die Krankenkassen, und Invalidenrente handelt, durch eigene Zahlung mitbeteiligt ist. Gerade darin, daß die Armenpflege nur im Falle der äußersten Bedürftigkeit das Allernotwendigste ohne Beltragtleistung des Empfänger leistet, liegt der wesentlichste Unterschled mit der sozialen Gesetzgebung Deutschlands, und ich glaube nicht, daß man bei uns von diesem System, das in großer Zeit eingeführt worden ist, jemals wieder ab⸗ gehen wird. ,

Uebrigens haben die Herren Vertreter der konservativen Partei, sowohl der Herr Abg. Pauli wie der Herr Graf Kanltz, aus—⸗ drücklich erklärt, daß sie durchaus berelt sind, die soziale Gesetz⸗ gebung mit zu fördern. Melne Herren, wenn man gegen die sozialpolitische Gesetzgebung Deutschlands infolge der

Mißstände, die sich auf manchen Gebieten unzweifelhaft herausgestellt haben, jetzt vielfach so scharfe Angriffe richtet, so sollte man doch eins nicht vergessen: um Dankbarkeit zu erwerben, gibt kein Staat Gesetze. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Das ist ein individuelles Gefühl, meine Herren, das liegt auf sittlichem Gebiete, nicht auf dem streng staatsrechtlichen. Aber, wenn man fortgesetzt klagt und ich bedauere das, ich komme nachher darauf zurück —, daß namentlich von soꝛialdemokratischer Seite die segensreichen Folgen der deutschen Sozialpolitik so wenig oder gar nicht anerkannt werden, so muß man sich gleichzeitig auch fragen: welche Verhältnisse hätten

sich vielleicht entwickelt, wenn man zu jener Zeit, als die Allerhöchste

Botschaft erging, unsere Sozialpolitik nicht eingeschlagen hätte, welche Zustände hätten sich vielleicht dann entwickelt bei unserer ungeheuer wachsenden industriellen Bevölkerung? Und ferner darf man nicht vergessen das ist mir von sehr kompetenten Industriellen versichert worden —: wenn Deutschland einen solch ge— waltigen industriellen Aufschwung genommen hat, wie ihn kein Land Europas in den letzten Jahrjehnten erfahren hat, so verdankt es das unzweifelhaft auch seinem Arbeiterpersonal (sehr richtig! links), der Bildung seines Arbeiterpersonals. Auf dessen moralische Haltung, auf dessen körperliche Entwicklung, auf dessen Intelligenz hat die sozialpolitische Gesetzgebung ganz außerordentlich eingewirkt. (Sehr richtig) Mir hat ein Vertreter der großen chemischen Industrie einmal erklärt: ‚Was wir in der chemischen Industrie in Deutschland in Konkurrenz mit anderen Staaten geleistet haben, das konnten wir nur leisten mit Arbeltern, die so sind wie der deutsche Arbeiter, die in ihrem ganzen Lebensstand, in ihrer ganzen außeren Haltung so gehoben sind durch die soziale Gesetzgebung unseres Vaterlandes. (Zurufe von den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich komme nun auf einige Fragen des Mittelstandes zurück. Es ist die Forderung gestellt worden, ein Handwerkerblatt zu gründen und auf Reichskosten herauszugeben. Ich bemerke, daß wir in Vereinbarung mit den Handwerkerorganisationen einen Fragebogen auf⸗ gestellt haben, nach dem die Berichte der Innungen in Zukunft gleichmäßig erstattet werden sollen, und daß diese Berichte jetzt schon herausgegeben werden und in Zukunft auf Grund jenes einheitlichen Fragebogens heraus gegeben werden sollen. Ob neben diesem Material noch ein besonderes Handwerkerblatt von Reichs wegen notwendig ist, erscheint mir sehr zweifelhaft. Die Handwerkergesetzgebung ist Sache des Reichs, die Gewerbeverwaltung und die Gewerbeförderung ist Sache der Einzelstaaten. Wir könnten also in einem Handwerksblatt, das von Reichs wegen herausgegeben würde, immer nur dag Material veröffentlichen, das uns von den Einzelstaaten zugeht. Ich glaube, es wäre deshalb besser, wenn man die Herausgabe eines Hand⸗ werksblattes neben dem Blatte, das jetzt schon von den Handwerks⸗ verbänden herausgegeben wird, für notwendig hält, daß das seitens der Einzelstaaten geschehe, und zwar vielleicht für die norddeutschen Staaten seitens Preußens, für die süddeutschen Staaten seitens eines süddeutschen Staais.

Meine Herren, ich habe in der letzten Zeit in der Presse einen heftigen Angriff gegen meine Person gefunden wegen der Er— klärung, die ich zum Befähigungsnachweis für das Baugewerbe abgegeben hätte. Es trat wieder und da wende ich mich an den Herrn Abg. Bruhn die Behauptung auf, das Versprechen, das seinerzeit über die Frage der Befähigung jum Baugewerbe abgegeben sei, wäre von der Reichsregierung nicht erfüllt worden. Das ist unbedingt unrichtig. Ich habe bereits meine Erklärung vom 28. Fe— bruar 1905 vorgelesen; aber in dem Artikel, der sich mit meiner da⸗ maligen Erklärung beschäftigte, waren zwei wesentliche Stellen aus jener Erklärung eigentümlicherweise ausgelassen. Ich hatte erklärt:

Eine andere Frage, meine Herren, ist die Befähigung im Baugewerbe. Da sind allerdings das kann man nicht leugnen sehr bedenk— liche Mißstände zutage getreten, und wenn wir eine Novelle zur Gewerbeordnung vorlegen, glaube ich, wird sie Bestimmungen ent⸗ halten, die den Uebelständen, die sich beim Baugewerbe gezeigt haben die nächste Stelle ist in dem Artikel ausgelassen soweit es mit den wirtschaftlichen Interessen, überhaupt mit unserer ganzen Gesetzgebung vereinbar ist, entgegenzutreten versuchen. Ferner ist die Bemerkung ausgelassen, mit der ich schloß: In welcher Form das geschehen wird, darüber kann ich mich zur Zeit nicht äußern. Wie ich da den Befähigungsnachweis versprochen haben soll, das ist mir unklar. Weil aber eine solche irrtümliche Auffassung hier im Hause von einem Redner, der jedenfalls nicht ganz zugehört hatte, geltend gemacht wurde, so habe ich schöon am 2. März, also vier Tage darauf, meine Erklärung wiederholt und habe dort wörtlich ge⸗ schlossen: Meine Herren, es werden solche Bestimmungen das war der Sinn meiner Worte um die hervorgetretenen Mißstände zu beseitigen, in Verbindung mit der nächsten Gewerbe ordnungs novelle ergehen; in welcher Richtung, darüber ist ein endgültiger Beschluß bisher noch nicht gefaßt. Ich bin damals sogar in einzelnen Zeitungen angegriffen worden, weil ich den Befähigungsnachweis nicht zugesichert hatte.

Was die Haltung der Vertreter auf dem Cölner Kongreß be⸗ trifft, so ist das ein Anschauungsunterricht dafür, wie bedenklich es für die Regierung ist, solche Kongresse zu beschicken. Denn beschicken wir sie nicht, dann werden wir getadelt, daß wir kein Interesse an der Sache hätten; beschicken wir sie aber, und der Vertreter einer Einzelregierung ergreift dag Wort, dann heißt es: er mischt sich in die Verhandlungen, und wenn der unglückliche Mann schließlich nichts sagt, sondern nur zuhört, dann heißt es wieder: er hat offenbar kein Interesse, er nimmt offenbar keinen Anteil, da er sich zu diesen wichtigen Fragen nicht geäußert hat. (Heiterkeit) Auch das soll mir wieder ein Fingerzeig sein, daß die verbündeten Regierungen und besonderg der Reichskanzler sehr vorsichtig sein müssen, solche Ver⸗ sammlungen zu beschicken. Außerdem erfährt man hinterher ja doch alles aus dem gedruckten Bericht. (Sehr richtig! und Heiterkeit.)

Von dem Herrn Redner des Zentrums ist eine Enquete über den kleinen und mittleren Kaufmannsstand verlangt worden. Wenn man eine solche Enquete in dem Umfang anstellen könnte, mit den Zwangsmitteln, die notwendig sind, um wirklich die Lage der einzelnen Mitglieder des kleinen und mlttleren Kaufmannsstandes zu ermitteln, so wäre eine solche Enquete sehr nützlich. Aber eine solche Enquete ist tatsächlich undurchführbar. (Sehr richtig) Denn dann