1906 / 33 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Feb 1906 18:00:01 GMT) scan diff

mite man den eden eingelnen Waufwaann Feststellen,

weiche Muaenännkchek Büüderg dak der Wann, welcheg Ver it Mwadilat dark er elg er fein Geschäft anfing. und war Ne Grrkdinmmgz einde nenen Gesckäfkg in der Stadt oder in der Shad hhehend eder im der Stadtstraße üderdaubt eln Bedürsuis ? (Sede ruht) Geden Ste dech einmal durch Berlin! Da ist ia eine Fonkärre'ng den Geschäften, daß man fich mit Wecht fragt: war ier wirklich de Bedürfnig der Ken fumenten maßgebend, einen neuen Daden na errichten, eder war das Bedürfuig der Dauabesitzer maß- Bedend die nene Väufser auffübãren und das Parterrestockwerk durch neue Täden augnntzen wollen? Und immer finden sich ja auck in abgelegenen Stadtgegenden und Straßen unternehmungg⸗ late junge Leute, die neue den einrichten; bäufig aber man kenn fich daden überzeugen ist nach drei Monaten schon wieder ein neuer Inbaber da. Wenn dem leinen und mittleren Kaufmanns stand gebolfen werden foll muß man auch die Frage des Bedürfnisses des Geschäfta und des Betriebekapitals einge bender prüfen, als bisher gescheben.

Eg war gestern auch den den christlichen Gewerkschaften die Rede, es fell angeblich erklärt worden sein, die christlichen Gewerkschaften seien noch schlimmer als die Sozialdemokraten. Meine Herren., es scheint Kreise ju geben, die sich der BSoffnung bingeben, daß trotz unserer großen industriellen Entwicklung die Arbeiterbewegung gesetzlich ganz beseitigt werden könnte, daß die Arbeiterbewegung trotz dieser industriellen Gatwicklung in Deutschland von selbst aufhören könnte cder aufbören sollte. Wer das glaubt, daß in unserer modernen Zeit die Arbeiterbewegung verschwinden könnte, die dahin gebt, die Lebenslage der Arbeiter zu verbessern und sie in höherem Maße als bisher an den öffentlichen Angelegenheiten zu beteiligen, wer da glaubt, daß bei unserer gegenwärtigen, großen industriellen Entwicklung, solange diese Entwicklung besteht, jede Arbeiterbewegung jemals aufhören würde, der, glaube ich, befindet sich in einem starken Irrtum. (Sehr richtig) Man kann diese An⸗ scanung nur haben, wenn man von einem nicht quantitativ, sondern gualstativ ziemlich engbegrenzten Interessenstandpunkt solche Fragen betrachtet. (Sehr gut) Nun lomme ich auf die Sozialdemokratie zu sprechen. Das ist eben der Unterschied zwischen einer berechtigten Arbeiterbewegung und einer unberechtigten, daß die Sozialdemokraten Forderungen stellen im Interesse der Arbeiter, die weder im Gegenwartsstaat noch im Zukunftsstaat noch in irgend einem Staate der Welt jemals ju erfüllen sein werden. Denn die Eifüllung dieser Forderungen würde zum Zu⸗ sammenbruch des gesamten wirtschaftlichen Lebens und mit ihm des Staates führen. Well die Sozialdemokratie hiervon äberzeugt ist, erklärt sie: der ganze bestehende Staat muß be— seitigt werden, es muß ein Zukunfts staat begründet werden. Wie dieser Zukunfsstaat aussehen würde, davon habe ich wenigstens keinen Begriff. (Sehr gut h

Deshalb muß man es doch begrüßen, wenn eine Arbeiterbewegung besteht und sich weiter entwickelt, die er klärt: ja, wir sind auch dafür, daß die materielle Lage der Arbelter dem wachsenden Wohlstand des ge—⸗ samten Volkes entsprechend eine bessere wird, daß die Löhne der Arbeiter den gestiegenen Lebensbedürfnissen und gestiegenen Lebens- mittelpreisen folgen, daß der Arbelter in größerem Maße als bisher auch an öffentlichen Angelegenheiten beteiligt ist, aber wir wollen dies Ziel mit gefetzlichen Mitteln verfolgen in dem bestehenden mon— archischen Staat, innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft. (Sehr gut )

Wenn wir gegenüber den 3 Millionen sozialdemokratischen Stimmen Fortschritte machen wollen in der Bekämpfung der Sozial- demokratle, wenn wir eine Arbeiterpartei schaffen wollen, die innerhalb des gegebenen Staats, innerhalb des bürger— lichen, des monarchischen Staats, innerhalb möglicher wirt schaftlicher Grenzen ihre Wünsche verfolgen will, dann baben wir doch den allerdringendsten Grund, solche Arbeiterbewegung wie die chrlstliche Arbeiterbewegung zu unterstützen. Ich halte deshalb die Richtung, die behauptet: die chrlstliche Arbeiterbewegung ist ja noch viel gefährlicher als die sozialdemokratische, für falsch. Das ist der Standpunkt von Männern, denen jede Forderung des Arbeiters, auch wenn sie noch so berechtigt ist, an sich unsvmpatbisch ist. (Sehr gut h)

Meine Herren, es Herren gegenüber diesen

erinnert mich die Stellung mancher

christlichen Gewerkschaften an die Stellung mancher Minister in konstitutionellen Staaten. Es gibt ja vielleicht Minister, die, wenn sie täglich vom Parlamente gescholten werden, wenn täglich Kritik an ihren sorg— fältig vorbereiteten Gesetzentwürfen geübt wird, dann im stillen an die seligen Zeiten der Minister zurückdenken, die noch in absoluten Staaten regierten, an einen Mazarin, Richelieu, Kaunitz, Metternich. Aber die Zeiten sind vorbei! (Sebr richtig) Diese Zeiten kehren nie wieder. Von diesen Gottheiten ist nur noch der Schatten übrig geblieben. (Sehr gut) Ganz ebenso gibt es Soztalpolitiker, wenn ich sie so nennen darf, denen jede Arbeiterbewegung unsympathisch ist, gerade so wie einem konstitutionellen Minifster, der, wenn ihm etwaß auf die Nerven sällt, rein theoretisch das Schicksal eines allmächtigen Ministers im absoluten Staat beneiden mag.

Die Herren Sozialdemokraten baben aber auf ihr Konto zu schreiben, daß im Lande die Neigung sozialpolitisch tätig zu sein, auf absteigender Linie ist. Darüber kaun gar kein Zweifel sein. Das beruht darauf, meine Herren, daß Sie erftens mit der Revolution spielen (sehr gut! in der Mitte), und zweitens darauf, daß Sie nicht objektiv genug sind, das anzuerkennen, was der Staat und die bürger liche Gesellschaft für die arbeitenden QAMafsen bisher schon getan haben. (Sehr wahr! rechts, in der Mitte und inks) Auch in der Politik ist die strengste Wahrheitsliebe und die strengste Gerechtigkeit die beste Taktik. (Sehr gut! in der Mitte nnd Linke)

Nun komme ich zum Schluß noch anf einen Vorgang. Ich babe hier schon über die Gindrücke gesprachen, die eine Abgesandtschaft der Birminghamer Messingwerle von den deutfschen Arbeiterverhältnissen gehabt hat, und wenn Sie dieses ihr Buch lesen, finden Sie, welchen günstigen Eindruck fie von der Lage der Arbeiter in Deutschland ge⸗ habt haben. Ich habe den Herren ferner erzählt, daß eine Deputation englischer Arbeißer bei mir gewesen wäre, und daß riese Herren geraden erstamt waren über vat, waß in Deutschland für die Arbener auf joglalvolitischem Gebiet geschehen ift. Der Vertreter der Sonal demokratie erklärte

Empfangs erklären daß der Führer der Deputatlon bei mir war und mich bat, ich sollte ibm doch melne Unterstützung dazu lelhen, daß diese englische Arbeiterdeputatlon, die während elnes Monats Deutsch⸗ land bereisen wollte, um deutsche Arbelterverbältnisse kennen zu lernen, von den Behörden in ihrem Unternehmen freundlich unterstützt würde. Dieser Herr hatte sich einen genauen Plan gemacht über das, wag sie sehen und prüfen wollten, und ich war überrascht, mit welcher Gründ-⸗ lichkeit dieser Plan auggearbeltet war. Also darauf, was diese englischen Arbeiter sehen wollten, habe ich auch nicht die Spur eines Einflusses geübt, und auch nicht ein anderes Mitglied der Regierung! Darauf sind diese Arbeiter gekommen, haben durch vier Wochen Deutschland bereist, und der Führer der Deputation bat mich am Ende der Reise, die Arbeiter zu empfangen, weil sie mir danken wollten für die Unterstützung, die ich ihnen zu teil werden ließ, indem ich an sämtliche Regierungen die Bitte gerichtet hatte, den Arbeitern die amtlichen Organe zur Verfügung zu stellen, um ihnen die Besichtigung der Institute zu erleichtern, die sie sehen wollten. Als die englischen Arbeiter bei mir waren, war ich über⸗ rascht, welche positiven, eingehenden Fragen dieselben an mich stellten, mit welch' offenen Augen sie gesehen hatten, und welch' nüchternes Urteil sie be⸗ saßen. Dieses Urteil klang dahin aus, daß sie erstaunt seien über das, was Deutschland für die Arbeiter auf sozialpolitischem Gebiet ge⸗ tan habe. (Hört, hört! rechts, in der Mitte und links.) Hier im Reichstag hören wir immer: die Arbeiter werden dieparitätisch behandelt, die sozialdemokratische Bewegung hat ihre Wurzeln darin,

werden. Jetzt kommen fremde Arbeiter nach Deutschland, um deutsche Einrichtungen zu sehen! Schon die völkerrechtliche Höf⸗ lichkeit gebot es, denselben zu erleichtern, das zu sehen, was sie zu sehen wünschten. Da tritt hler ein Redner der sozialdemokratischen Partei auf und wirft der Regierung vor, sogar ein Bürger⸗ meister hätte die Arbeiter empfangen! (Heiterkeit) Ja, ist das nicht ein Akt der Höflichkeit, wenn sogar daß Haupt einer Kommunalbehörde sich dafür interessiert, daß die fremden Arbeiter das an deutschen Einrichtungen kennen lernen, was sie zu kennen wünschen? (Sehr gut! rechts und in der Mitte.)

Meine Herren, Sie machen aber damit einen taktischen Fehler, Sie erkennen nicht an, was auf sozialpolitischem Gebiete bisher geschehen ist, und weil Sie sich nicht dazu entschließen können, so ver⸗ stimmen Sie die Regierung, verbittern die bürgerlichen Parteien und täuschen Ihre Anhänger. (Lebhaftes Bravo! rechts, in der Mitte, bei den Nationalliberalen und links.)

Abg. Dahlem Gentr.) ist bei der nach der Rede des Staatg.« sekretärs eintretenden Bewegung und Unruhe zunächst nur teilweise verständlich. Er pflichtet den Klagen und Beschwerden bei, welche über die mangelhafte Fürsorge für die Binnenschiffer erhoben worden sind. Es handle sich um eine zahlreiche Bevölkerungeklasse, die jeder geregelten Ruhepause in ihrer Arbeit entbehrten, die weder Sonntag noch Feiertag bätten. Einen großen Prozentsatz stelle die Dampsschiff= fahrt auf dem Rhein. Zur Verteidigung eines solchen Ausnahmezustandes habe man im Interesse der Unternehmer Ausnahmegründe konstruiert; man babe die Wechsel der Wasserstandshöhe und anderseits die Gefahr, daß der Anschluß an die Seedampfer verpaßt werden könnte, gegen die s scpliche Regelung ins Feld geführt. Alles das seien nur Vorwände. Ber wahre Grund sei in dem Widerstand eines kleinen, aber mächtigen Kreises von Großreedern und Altiengesellschaften, der auch auf das Kohlensyndikat seinen Einfluß übe, zu suchen. Die Regierung sollte nicht mehr auf diese Stimmen hören, sondern endlich den Klagen jener armen Binnenschiffer entgegenkommen. Die Mietverträge, durch welche die Schiffer ihre Schiffs gefäße den Großreedern verpachten, seien wahre Muster von Ver trägen, wie sie nicht sein sollten. In die Gewerbeordnung müßten auch für diesen Binnenfrachtschiffverkehr Bestimmungen aufgenommen werden, die solche Vertragswillküt unmöglich machen und den Binnenschiffern zu ihrem Rechte verhelfen. Dle Verhältnisse bezüglich der Nachtruhe der Leute lägen womöglich noch schlimmer als bezüglich der Sonntagsruhe. Die Fahrt beginne im Sommer um 3, ja um 3 Uhr Morgens und ende erst Abends um 7 Uhr oder noch später, ja bis 87 Uhr; und dabei weide sie zuweilen ununterbrochen fortgesetzt! Die Leute seien todmüde, der Schweiß stehe ihnen auf der Brust, sie legten 6 auf die Bohlen, um etwas Schlaf zu finden; denn nach wenigen Stunden müsse die Fahrt weiter geben. Diese Zustände seien unglaublich, aber wahr. Verschiedene Reeder hielten sich ja doppeltes ie , aber die kleinen Schlepp scbiffreeder seien dazu gar nicht in der Lage, müßten aber ibre Schiffe genau so lange fahren lassen wie die Sroßrer der. Eine Abhilfe wäre vielleicht in der Richtung zu suchen, daß die Fahrt nur bis Sonnenuntergang fortgesetzt werden dürfe. Jedenfalls müsse rasche Arbeit gemacht werden.

Abg. Hue (Soz.): Ich werde Ihnen den Nachweis führen, warum die Gewerkschaftẽ bewegung der Sozialdemokratie nicht feindlich geen ber eb sondern ihr naturnotwendig zugeführt werden muß. Von der Deputation englischer Arbeiter, die beim Grafen Posadowèky war, hat keiner ein Wort Deutsch verstanden; ihre Informationen haben sie also nur mittelbar erhalten. Richtig ist, daß die englischen Arbeiter, mit denen ich auf wiederholten internationalen Konferenzen zusammen⸗ gekommen bin, die deutsche Versicherungs esetzgebung, die auf dem Zwangkprinzip aufgebaut ist, anerkannt haben; diese Anerkennung daben sie aber keineswegs ausgedehnt auf den Arbeiterschutz, für den in England ganz bedeutend besser vorgesergt ist als bei uns. Auch wir selbst baben die mancherlei Vorzüge unserer sozialen Gesetz⸗ gebung willig anerkannt, nachdem Bebel schon vor 25 Jahren die Grundlinien dieser Versicherung gezogen hat; um so weniger können wir an den Einzelheiten ohne Kritik vorübergehen. Uns ift eine gute Arbeiterschutzgesetzzebung lieber als die beste Versicherung gegen Un⸗ fälle und Erkrantungen. Wenn man nach Gründen sucht, um unsere Unzufriedenheit zu verstehen, so braucht man ja bloß an die jungste Verhandlung im preußischen Abgeordnetenhause zu denken wo man sich, auch von seiten des Zentrums, wunderbarer weise, krampfhaft dafür ins Zeug legte, daß die Heinen Unfallrenten bis zu 20 Oo in Wegfall kommen sollen. Ich balte es für Pflicht; unter allen Umständen in der Politik die Wahrheit ju sagen. Ich bin bekannt als Vertreter der neutralen Gewerkschaften; dennoch werde ich als Vertreter dieser Neutralität in den verschiedenften Lagern gehaßt. Wir sollen die Leistungen der Regierungsrolitik für die Arbeiter anerkennen, das wird von uns verlangt. Hat man schon je gehört, daß die Agrarier die Leistungen der Regierungswolitik an⸗ erkennen? Sind Sie nicht immer wieder unzufrieden, und machen Sie das der Regierung nicht immer wieder bemerklich Wir heben dasselbe Recht zur Unzufriedenheit wie die Agrarier. Ich kenne leinen Gewerkschaftskollegen, wenigftens keinen bekannten, der nicht jede Art von Terrorismuß verurteilt. Gewerkschaftler, die sich terroristisch gegen Andersgesinnte vergehen, haben bei untz auf Gnade nicht zu hoffen, weil fie der Ehre des Verbandes damtt zu nahe treten. Aber wie stebt e denn mit den chriftlichen Gewerkschmwsten und den Geistlichen? Darüber könnte ich Ihnen stunden erzãhlen. Einige meiner Gewerkschaftekollegen wollen die christlichen Gewerk- schafien nicht anerkennen; das oll ein großes Verbrechen sein, und der Abg. Bruhn hat ja direkt von der Notwendiglett eine neuen Zucht⸗ hausgesetzes gesprochen. Ich jühre dagegen an, daß die Lathrwlischen Fachabteilungen von den intertonfessionellen chriftlichen Gewerk schaften

darauf, man hätte den Arbeitern Potemkinsche Dörfer vorgemacht.

Ich bemerke ich will der Herzen jekt vie ganze Geschichte dieses

auch nicht anerkannt werden; in einem Spezialfalle haben erst unsere Verbandsführer für die Respektierung der Parität gesorgt. In

daß die Arbelter nicht als gleichberechtigte Staatsbürger angesehen

Berlin erlstleten Blätter, die sich in der Besudlung der freien Geweirkschaften, in der Erfindung von Schauermärchen über sie tat, sächlich liberbleten. Wenn irgend. semand. Ursache hat, ieh, Terrorlgmuß keine Klage zu erheben, sondern hühsch zu schweigen 0 und eg die Nagtionalllberalen und die Frei honseraisven. e ersteren treiben ja den Terrorismus jn ihrer Syndikatgpolstit bis zum Ruin der Konsumenten, und ich brauche ja nur das Wort „Saarabien“ k nennen, um die richtige Bewertung der Angriffe der Wortführer dieser Parteien herben. zuführen. Der Abg. Mugdan zog gegen uns zu Felde, als ob wir die Ver, quickung der ha eff ch en, mit der Sozial demokratie anstrebten, und die Neutralität nur vorgeschoben sei. Ich gebe zu, es sind auch bei uns verschiedene Strömungen dieser Frage gegenüber vorhanden aber das ist in allen Partellagern, auch im Jentrum und bei den Freisinnigen, der Fall. Es ist schon klargestellt worden, was es mit der Abwehr des Abg. Mugdan gegen die Berufung des Bergmeisterz Engel auf sein Zeugnis auf hatte; es gerichtlich festgestellt, daß in leichtfertiger Weise Unwahres, behauptet worden ist, daß in keiner Weise der Beweis erbracht worden ist, daß der Bergarbeiterverband sozialdemokratisch fei. Nach meiner Ueberzeugung sollen die Gewerkschasten sich von jeder parteipolitischen, aber auch von jeder religiösen Agitation freihalten. Die Gewerkschaften haben, weil sie Berufsorganisattonen sind, Berufe⸗ interessen zu vertreten, und da wir keine christlichen Stahlwerke und keine christlichen Kohlenbergwerke haben, so haben wir auch keine christlichen Gewerkschaften nötig. Ich glaube, bei den heutigen Ju— ständen kann sich jeder Gewerkschaftler, der sich in seinem Beruf um, gesehen hat, und der eine wirtschaftspolitische Bildung erlangt hat, frei entscheiden, wen er wählt. Wo aber zwei oder drei Bergarbeiter versammelt sind, da ist der Sozialismus mitten unter ihnen. Auch die christliche Gewerkschaftsbewegung, wie jede überhaupt auf dem Boden einer selbständigen , , d, stehende Arbeiterorganisation, führt naturgemäß zur Sozialdemokratie. Der Graf Posadowsky fand etz anz unbegreiflich, warum die Arbeiterschaft keine Anerkennun fer die Großtaten der Regierung in der Sozialpolitik zollt. J meine, wer nur die sozialpolinischen Debatten der letzten Tage gehört bat, wer gehört hat, unter welchen Umständen die Arbeiter im Schiffahrtsgewerbe, in der Mühlen⸗, in der Heimarbeiterindustrie arbelten muͤssen, der kann sich nicht wundern, daß eine ganze Menge deutscher Arbeiter von dem, was man heute sozialpolitische Geseßz, . nennt, absolut nichts weiß. Es sind in der Tat nur eist nsätze vorhanden, gerade in den wichtigsten Industrien ist so gut wie nichts zum Schutze der Arbeiter geschehen. Ich bexauere, daß es meinem Freunde Bömelburg nicht möglich gewesen ist, die heutige Interpellation zu begründen, um zu zeigen, wie im Gtubenbetrieb Verbrechen auf Verbrechen sich häuft, ich bedauere, daß wir nicht Gelegenheit hatten, an einer Reihe von Fällen zu zeigen, wie die Bergbehörden von den Grubenbesitzern in der unverschämtesten Weise beschwindelt werden. Aber die Borussia“ Affäre bleibt den Herren nicht geschenkt. Wir sind dies schon der Arbeiterschaft, wir sind es den Hinterbliebenen der Verunglückten schuldig. In der ganzen Bevölkerung ist die Meinung verbreitet, daß bei diesem Grubenunglück das Sprichwort wahr ge— macht werden sollte, daß man die kleinen Spitzbuben hängt und den großen laufen läßt, daß man einen kleinen Schächer nimmt, und daß die großen, die eigentlichen Verbrecher unbehelligt bleiben. Der Graf Posadoweky sprach so schön von dem Vorzug einer geistig gut entwickelten Arbeiterschaft. Unser Volkswohlstand berubt in erster Linie auf dem Aibeiterftande. Ich begreife darunter Kopf arbeiter und Handarbeiter. Aber wie steht es denn eigentlich mit den Verbältnissen der Arbeiter in den Hätten, an den Hochöfen, in den Stabl. und Eisenbetrieben? In der ganzen Debatte, auch in der vorjährigen, ist nicht mit einem Worte der Lage dieser Arbeiter, ins besondere der Feuerarbeiter, gedacht worden. Man sieht alsoö, wo 19 Millionen Menschen arbeiten, findet sich ein ungeheures, gänzlich unbekanntes Land, dessen Beackerung zunächst vorgenommen werden muß, bevor von sozialpolitischen Fortschritten überhaupt gesprochen werden darf. Zu meinen engeren Berufsgenossen, deren soziale Besserstellung mir *r am Herzen liegt, gehören die Feuerarbeiter in den Hütten, Stahl- und Eisenwerken, die jeden Tag in unerhört quälerischer Arbeit zubringen müssen. Es besteben da überhaupt keine Vorschriften über die gesetzliche Arbeitszeit, insbesondere auch nicht über das Verdingungs⸗ und Penstontwesen. Einzelne Ver= ordnungen sind ja erlassen, aber wie werten sie kefolgt! SGisen und Kohle sind die Grundelemente unserer Industrie. Infolgedessen besteht dort sojusagen eine unbeschränkte Arbeitszeit. Es kommen Arbeitszeiten von 13 und 15 Stunden vor. An den Schweiß und Puddelöfen arbeiten die Arbeiter in der reinsten Hölle bei 40 Grad Hitze 13. 18, auch 17 Stunden. Die Reichsregierung hätte alle Veranlassung, . Schmutzkonkurrenz zu unterbir den, damit diejenigen Arbent= er.

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Leute werden vom Panzerylotten gearbeitet

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(Saluß in der Zelten Bellage)

*

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

1 33.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

In elner ganzen Reihe von Hättenwerken, wo mit Stoffen um⸗ gegangen wird, die dem Blei an Giftigkeit nicht: nachgeben, wird nichts an, um Vergiftungen vorzubeugen, es ist da die Schweinerei an der Tagegordnung; die Arbeiter fassen ihr Brot, ihre Speisen wi den verunreinigten Händen an, denn es gebt einfach niät anders. Das sind die Ursachen, warum die Arbeiter troßz all der schönen Reden von der Sozialpolitik vor dieser keine be—⸗ sondere Hochachtung haben. Trinkwasser gebört einfach zu den Seltenheiten; und von der Beschaffenheit der Aborte könnte zan Wunderdinge erzäblen, namentlich von den Vorrichtungen, die derkindern sollen, daß die Arbeiter sich auch nur einen Augenblick zu lange dort aufhalten. Es gibt nun kaum eine Industrie, die chemische rielleicht ausgenommen, die eine so bohe Dividende abwirft, wie die Gisen- und Stahlindustrie. Die Dividenden weisen Zahlen auf, die nach einer unerträglichen Belastung duch die sonalpolitische Gesetzgebung nicht aussehen, die gegenteilige Behauptung, auch wenn sie von dieser Tribüne herab verkündet wird, ist direkt unwahr. Die Dornersmarckhütte, die Schlesische Zinkhütte, Rote Erde in Aachen, die Ilseder Hütte und andere mehr haben alle in den letzten 10 Jahren über 100 v Dividende verteilt. Da kann auch der Arbeiter etwas mehr ver⸗ sangen, aber der Durchschnittslohn hat 1804 noch nicht einmal 40 bettagen! In Schlesien mit seiner Frauenarbeit beträgt der Durch- schuittslohn nur 858 M. Ich möoͤchte wünschen, daß diese Aus— führungen diejenigen, die es angeht, veranlaßten, gegen die Frauen und Kinderarbeit bier endlich einzuschreiten. In der Walzwerk indrstrie Oberschlesiens ist die Arbeitsleistung gestiegen, die Höbe der Zelegschaft und die gezahlten Lohne sind dagegen gefallen. Bei Krupp it die Scichtzeit 24 Stunden lang, die Ueberschichten werden als Normalschichtjahl festgestellt; bei Krupp gibt es Hunderte und Tausende erwachsene Arbeiter, verheiratete, allerdings ungelernte Abeiter, Hilfsarbeiter, die unter 3 6 bekommen. Haben diese un—⸗ gelernten Arbeiter nicht dasselbe Recht zum Sattessen wie die ge—⸗ lernten? Und wenn es irgendwo in Deutschland eine teure Gegend abt, so ist es Essen und sein Beiirk. Auch an gelernte Schlosser usw. werden pro Schicht in vielen Werken nur 2 bis 22d M Lohn gezahlt; und das sind dieselben Werke, die 10, 20, 25 o Dividende verteilen! Bei Krupp haben die Arbeiter in den letzten Jahren zu wesentlich niedrigeren Akkerdsätzen arbeiten müssen und die frühere Lohnböhe nur durch enksprechend stärkere Anspannung ibter Kräfte herausschlagen können. Die Leute dürfen unmöglich weiter in dieser Weise ausgenutzt werden. Die Entlohnung der Arbeiter ist um so unzureichender, als die neue Wirtschaftspolitik die ganze Er⸗ nährung und Unterhaltung des Arbeiters und seiner Familie außer⸗ ordentlich verteuert hat. dom Bochumer Verein den Mindestsatz zur Ernährung eines Arbeiters and seiner Familie auf 893 M; heute berechnet Schmieding⸗Dortmund denselben auf 1024 6. Der Lohn ist aber nur auf 864 6 gestiegen! Die Lohne sind also in keiner Weise mehr für den Unterhalt einer Arbeiterfamilie ausreichend Bei Krupp ist der Prozentsatz der Kranken seit 1902 auf 1804 wieder ganz erheblich gestiegen; und dabei ät die Kruppische Krankenziffer noch nicht einmal die höͤchste; auf der Zinkhütte Borbeck und bei Schalz⸗Knaudt in Essen waren die Krankenzahlen noch höher, ja die Krankheitsfälle überstiegen die Jill der Belegschafst. Da muß doch eingegriffen werden. Und die UÜnfalliiffern sind in der Eisen⸗ und Stahlindustrie böher als selbst im Bergbau. Nun kenne ich meine Pappenheimer; sie werden wieder jagen, die Unfälle rührten von dem starken Arbeiterwechsel ber. Baare aber hat auch hierzu schon in den siebziger Jahren erllärt, der starke ArbeiterwechseDl komme nur her von der Veduzterung der Löhne. Ich fordere also die Reichsregierung auf, sich mit den Verhältnissen der Arbeiter in den Eisen. und Stahl werken gründlich zu beschäftigen; zu den früheren kontradiktorischen Verhandlungen über diese Materie ist kein einziger Arbeiter zugezogen gewesen, und infolgedessen sind die unsinnigsten Be⸗ kauptungen in dieser Verhandlung aufgestellt worden. Auch die Behauptung, daß die Preiserhöhung der Unternebmersyndikate die Felge von Lobnerhöhungen sei, ist unwabr; man hat im Gegenteil gelegentlich einer Preiserhöhung für Roheisen und Halbieug die Löhne deruntergesetzt. Die Gewerbeinspektion muß weiter ausgebaut werden. Ss sollten zu dieser Inspektion auch Arbeiter als Hilfsinspektoren binzuge zogen werden. Die Zahl der Beamten ist zu gering, auch weiden ihnen vielfach Schwierigkeiten von den Betrieben in den Weg in wenn sie objektiv berichten. Die Besoldungsverhältnisse der nspektoren sind ihren Leistungen entsprechend auch nicht gerade glinzend. Eine Arbeiter ⸗Inspektionskommission hat bei einem Werk eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, von denen die Mehrzahl alieptiert wurde. Dies Beispiel verdient Nachahmung. Der englische Jergbau hat 30 0/0 weniger Todesfälle als bei uns, weil es dort Aibeiterinspektoren gibt. Die gleiche Maßregel würde nicht nur für unsere Arbeiter, sondern auch für die Arbeitgeber von dem größten 233 sein. Man hat behauptet, unsere Organisationen seien rein kraffe Kampforganisationen. Wir schürten nur den Haß. Den Herren, die das behaupten, muß ich den guten Glauben absprechen. Die ¶Netallarbeiterorganisation hat sich mit dem Arbeiterschutz wiederholt beschaftigt und an die Arbeitgeber der Eisen⸗ und Stahlindustrie eine Eingabe gerichtet, worin diese aufgefordert werden, mit dem Verband in Uaterhandlungen einzutreten über Regelung der täglichen Abeitszeit, Ueberzeit ufw., e ge ng eines . Mindest⸗ lobnes, bestimmter Normen über das Akkordsystem usw., Einsetzung iner Schlichtungtkommission, einer Zentralinstanz der er, r, Vereinbarung jwischen Arbeitern und Arbeitgebern. Sie sehen daraus, daß der Verband ein vollständiges Programm vorgelegt hat, um in triedlichem Sinne zu wirken durch Einigungs⸗ und Tarifkommission. Dat war 1904. FPem Norstand war eg bitterer Genst mit der Perbeiführung geordneter Zustände. Die Behauptung, daß der Ver⸗ and den Elektrizität streik geschürt hat, ist hiernach unrichtig. Die Industriellen haben aber an ihre Zwelgbereine die Anwessung ergeben lassen, mit den Metallarbeitern in Verhandlungen nicht eimutreten. Daraus ergibt sich, daß ker Wunsch nach Feichen nicht auf seiten der Metallindustriellen, sondern der Arbeiter vor— anden war. Es wäre nun Sache der Reichsregierung, 64 der Jibeiter anzunehmen. Es kann ihr nicht gleich, ültig sein, baß die rbeiter gesundheitlich immer mehr degenerleren, biesenigen Athelter, ie die Industrie zur Blüte gebracht haben. Pie Arbesterstatistische

mmisston sollte eine Gaquefe veranstalten über alle die Heschwerde⸗ punlte, cie ich angeführt habe. Wollten Sie ung wirklich bekaͤmpfen, machen Sle keine Husarenrifte gegen bie Sojialbemofratie, sonbern staben Sie ung daz Wasser ab durch einen größeren Schutz bor allem der Hũttenarbester,

Darauf wird Vertagung heschlossen.

Präsident Graf von Balle strem schlägt vor, bie 59 Sstz ung

Mitwoch 1 ühr abzuhalten mit der Tagesorbnung; Bweile We—

hung des Toleranjantrageß des Zentrums, erste w, deg An⸗

lagt Albrecht wegen ber Voltepertretungen in ben Bunpetzstagsen

und in Gisaß⸗ Lothringen, und bez Antrag Iiißler, betreffen ble Ge— tung von Beihilfen an Kriegeteilnehmer,

Abg. Graf Hom pesch ( jentt ). Im Namen melnet Freunde be— . ich, hen ersten Gegenssanz von ber morgigen LTaqetorbnund huse n. Wenn wir * pie Beratung für morgen verzichten, so an wir ez mit Nüchsicht Harauf, baß wir eine sehr grünblsche We—

Ende der 70er Jahre berechnete Baare

Berlin, Mittwoch, den 7. Februar

sprechung der einzelnen Artikel unseres A es beabsichtigen; das wärde aber noch mehrere Schwerinstage in Anspruch und anderen Parteien die Möglichkeit nehmen, ihre Anträge jur Beprechung ju bringen. Wir behalten uns aber die Priorität unseres Antrages aus- drücklich vor, um ihn bei der ersten vassenden Gelegenheit wieder auf die Tagesordnung zu bringen.

Der Gegenstand wird darauf von der Tagesordnung ab— gesetzt; im übrigen verbleibt es bei den Vorschlägen des Präsidenten. Schluß 6i, Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. Sitzung vom 6. Februar 1906, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung, in der die zweite Be⸗ ratung des Staatshaushaltsetats für das Etats jahr 1906 im Etat des Ministeriums des Innern bei dem Titel der Ausgaben Gehalt des Ministers“ fortgesetzt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Auf die daselbst im Auszuge wiedergegebenen Ausführungen der Abgg. Hansen (Däne), Goldschmidt (fr. Volksp.) und de Witt (Zentr.) erwidert der

Minister des Innern Dr. von Bethmann-Hollweg:

Meine Herren! Auf die Frage, die der Herr Abg. de Witt soeben an mich gestellt bat, bemerke ich, daß von Plänen der Teilung der Rheinprovinz weder mir noch dem Staatsministerlum das mindeste bekannt ist.

Was die Besoldung der Polizeikommissare in den Provinzen be⸗ trifft, meine Herren, so ist es eine unrichtige Auffassung, eine capitis deminutio darin zu erblicken, daß die Polizeikommissare in den Pro—⸗ vinzen geringer besoldet sind, als ähnliche oder gleichstehende Beamte in Berlin. Davon kann gar keine Rede sein. Es hat weder durch die entsprechenden Bemerkungen meines Herrn Kommissars in der Budget⸗ kommission die Tätigkeit der Polizeikommissare in den Provinzen be⸗ mängelt, noch hat ausgedrückt werden sollen, daß die Anforderungen an die dienstliche Tüchtigkeit in den Provinzen so sehr viel geringer seien als ia Berlin. Aber ich bitte Sie, zu bedenken, daß die Verhältnisse in den Provinzen und in Berlin doch sehr ver— schieden liegen. In Berlin werden an die Polizeileutnants sowohl röücksichtlich der Annahmebedingungen als auch der Anstellungs bedingungen ganz andere Anforderungen gestellt. In der Provinz kommt der Kommissar in der Regel nach einer sechs—⸗ monatigen Vorbereitungszeit in den Dienst; es wird von ihm eine geringere Qualifikation verlangt als in Berlin. Diese Anforderungen bestehen in Berlin darin, daß die Herren Reserveoffiniere sein, eine ganz andere Vorbildung genossen haben müssen, sie bedürfen 18 Monate bis zur interimistischen Anstellung und haben eine nicht leichte Prüfung abzulegen. Da ist es doch gerechtfertigt, daß die fraglichen Beamten hier eine etwas höhere Besoldung beziehen als in der Provinz, wobei Sie immerhin ich glaube, der Herr Vorredner hat das zugegeben berücksichtigen müssen, daß in Berlin ganz be⸗ sonders hohe Anforderungen an den Dienst der Herren gestellt werden.

Der Herr Vorredner hat gesagt, es schiene ihm vollkommen aus⸗ geschlossen, daß solche Anforderungen, wenn ich sie bel der Finanz⸗ verwaltung stellte, dort nicht ohne jede Schwierigkeit angenommen werden würden. Ich hoffe, daß mich meine weitere Dienstzelt zu der⸗ selben Ueberzeugung führen wird, wie sie der Herr Abgeordnete aus⸗ gesprochen hat. ( Heiterkeit.)

Zu den Klagen über die Behandlung von Optantenkindern in der Provinz Schleswig ⸗Holstein gestatte ich mir folgendes zu be— merken. Wie der Herr Abg. Hanssen wenigstens teilweise anerkannt hat, werden die Bestimmungen in einem wohlwollenden Sinne ge— handhabt, wenn auch nicht in dem Umfange, den er für wünschens—⸗ wert hält. Tatsache ist aber diese wohlwollende Behandlung. Es bedarf deshalb von meiner Seite einer neuen Anweisung an die ört⸗ lichen Behörden nicht. Naturalisationsgesuche von Optanten und von Optantenkindern, namentlich wenn sie im Heere gedient haben, werden durchaus entgegenkommend behandelt; aber, meine Herren, unter einer selbstverständlichen Voraussetzung. Wer naturalisiert werden will, der muß seine Treue zum Deutschtum nicht nur mit dem Munde, sondern auch mit dem Herzen bekennen. (Lebhaftes Bravo rechts.) Dietz allein ist die Grenze, welche für die Handhabung dieser Bestimmungen maßgebend ist.

Der Herr Abg. Goldschmidt hat sich über die ober— schlesische Schankverordnung mißbilligend geäußert. Im wesent— lichen habe ich seine Gründe bereltß in einer Petition der oberschlesischen Gastwirte gefunden, welche kurz nach Erlaß der Polijzeiverordnung an mich gerichtet wurde und die um sosortige Wilederaufhebung dieser Verordnung bat, well sie nichts wirke und nichts wirken könne. Gewiß ist es richtig, daß ich kein übergroßer Freund von Polizelverordnungen im allgemeinen bin; aber ncht richtig ist eg, wenn der Herr Abg. Goldschmidt meint, ich hätte im vorigen Jahre im Herrenhause ganz generell erklärt, auf diesem Gebiete erachte ich Pollzelverordnungen nicht für wirksam. Ich habe dlese Bemerkung im Herrenhause in ganz bestimmter Beschränkung auf elnen Fall gemacht; es handelte sich, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, um dag Verbot der Verabreichung von Spirltuosen an Leute unter elnem gewissen Lebensalter. Ich bin aber ulcht so welt gegangen, melne Abneigung gegen PVoltzel. verorbnungen auch für Fälle, wie den vorliegenden auszu— sprechen. Ich glaube im Gegensatz zum Herrn Abg. Goldschmüdt, daß esne Restimmung, welche einen frühzeitigeren Schluß der Schanksttten an KLohnzahlungstagen dusspricht, gäustig wirken kann, und daß sie durchaus nicht illlberal ist. Nach den We richten, welche mir aus herschlesien dus den verschledensten Kreisen, allerbind6 nicht aus densenigen der Gastwirte, zugegangen sind, be— ährt sich schon gegenwärtig die Poltzeiverorduung gut. Gs ist mir

18.

19006.

Ich bin der Ansicht, wir warten dort zuerst einmal, wie diese Polizei verordnung wirklich wirkt. Ist sie gut, dann halten wir sie aufrecht; ist fie unhaltbar, dann wird es leicht sein, sie wieder aufzuheben. Bedenken Sie doch, meine Herren, daß wir in diesen Beziehungen sehr freiheitlichen Ländern, wie Schweden, wie Norwegen, wie Nord⸗ amerika noch lange nicht nachgekommen sind (sehr richtig! rechts), und daß es auf diesem Gebiet vielleicht ganz gut ist, die sittliche Kraft des Einzelnen auch durch gewisse Verordnungen zu stützen. (Sehr gutt rechts.)

Ich komme schließlich noch auf zwei Anregungen des Herrn Abg. Dr. Friedberg von gestern zurück. Herr Dr. Friedberg hat meine Aufmerksamkeit darauf gerichtet, daß in dem Schulgesetzentwurf an⸗— scheinend Lücken uns Inkongruenzen vorhanden seien rücksichtlich der Zuständigkeitsverhältnisse in denjenigen Fällen, wo die Stadt Berlin beteiligt sei. Nach dem Entwurf trete für Berliner Verhältnisse der Oberpräsident an die Stelle des Provinzialrats; das sei doch aber eigentlich untunlich, da derselbe Oberpräsident als Vorsitzender des Provinzialschulkollegiums Vorsitzender der Schulaufsichtsbehörde sei. Die tatsächliche Rechtslage im allgemeinen ist bekannt— lich gegenwärtig folgende: Für Berlin tritt der Ober⸗ präsident erstend an die Stelle des Bezirksausschusses in ganz bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Fällen, zweitens an die Stelle des Provinzialrats, wo dieser in erster Instanz entscheidet, während für alle Fälle, wo der Provinzialrat in zweiter Instanz zu— ständig ist, er für Berlin durch den zuständigen Minister ersetzt wird. Nun sieht der Schulgesetzentwurf, wenn ich recht orientiert bin, Ent- scheidungen des Provinzialrats nur in zweiter Instanz vor. Es würde also in diesen Fällen nicht der Oberpräsident, sondern der zuständige Minister die Entscheidung zu treffen haben. Prima vista glaube ich deshalb nicht, daß eine Notwendigkeit vorliegt, für den Bereich des Schulgesetzentwurfs eine andere Ordnung der Zuständigkeitsverhältnisse herbeizuführen, als sie für alle übrigen Rechtegebiete besteht.

Dann ist der Herr Abg. Dr. Friedberg noch auf einen anderen Gegenstand, wie ich glaube, bon größerer Bedeutung, gekommen. Er hat auch für den Bereich des Schulgesetzentwurfs, wenn ich ihn recht verstanden habe, einen weiteren Ausbau des Verwaltungsstreit⸗ verfahrens an Stelle des Beschlußverfahrens gewünscht. Das ist eine Sache von durchaus prinzipieller Bedeutung. Im allgemeinen gilt ja nach der ganzen Richtung der Ausbildung des Rechtsstaats das Verwaltungsstreitverfahren als das vollkommenere gegenüber dem Be⸗ schlußverfahren, und wir alle werden anerkennen, daß durch die Arbeit der Verwaltungsgerichte, insonderheit der obersten Instanz, des Ober⸗ verwaltungsgerichts, unser öffentliches Recht eine Feinheit der Aus—= bildung erlangt hat, um die uns manche Länder beneiden können. Aber ich lege mir doch wiederholt ernsthaft die Frage vor, ob wir nicht mit der Ausbildung des Verwaltungsstreitverfahrens schon jetzt etwas zu weit gegangen sind. Man kann nicht verkennen, daß das Verwaltungsstreitverfahren seiner Natur nach eln umständliches und langwieriges ist, und daß es infolgedessen auf die praktische Erledigung der Verwaltungstätigkeit in einzelnen Fällen hemmend einwirkt, und vor allem, daß es bisweilen auch die Entschlußfähigkeit der Verwaltungg⸗= beamten lähmt.

Wir können das Verwaltungsstreitverfahren unter keinen Um- ständen entbehren für diejenigen Fälle, wo es darauf ankommt, das öffentliche Recht in seinen Grundlagen zu erforschen und klarzusftellen; aber ob es notwendig ist, auch die kleinen Bagatellsachen bis in die oberste Instanz in einem Monate lang dauernden Verfahren hinein- zutreiben, das ist mir zweifelhaft. Ich fürchte, wir kommen schließlich einmal auf einen toten Punkt, bei dem die Maschinerie so künstlich und verschränkt ausgebildet ist, daß sie nicht mehr bedient werden kann und daß sie keine praktische Arbeit mehr leistet. Es scheint mir doch ein gewisser Widerspruch darin zu liegen, wenn auch hier don diesem hohen Hause aus wiederholt dag Verlangen gestellt wird, zu dezentralisieren, überflüssiges Schreibwerk abzuschaffen, die Verwaltung zu beschleunigen, und wenn man in demselben Atem verlangt, dag Verwaltungestreitverfahren noch weiter auszubilden. Ich bin weit entfernt davon, nicht ein Bewunderer zu sein der Einrichtungen, welche durch unsere Kreizordnung, durch das Landegverwaltungs— gesetz usw. geschaffen sind. Aber ihren Hauptwert erblicke ich in der Heranziehung des Laienelementg, des praktischen Clementg zur Ver= waltung nicht in manchen Formen, die dadurch geschaffen worden sind.

Wenn ich nach dieser Richtung hin Ihrer Zustimmung sicher sein dürfte, dann würde ich wenigfteng bei der Ausarbeitung neuer Gesetzesvorlagen meines Ressorts immer scharf prüfen, ob wirklich das Verwaltungsstreitversahren an der betreffenden Stelle notwendig ist, oder ob eg nicht, selbstverständlich ohne Schädigung der Garantien des Rechts, durch das Beschlußberfahren ersetzt werden kann. Und ich werde weiter bestrebt sein, durch eine möglichste Fernhaltung kasuistischer Bestimmungen in den Gesetzen die Grundlagen zu der- einfachen, auf denen das Verwaltungsstreitverfahren in denjenigen Fällen aufgebaut ist, für die wir es nicht entbehren können. (eb. hafter Beifall.)

Abg. Oeser (freis. Volksp) zur Geschäftgordnung Ich lege Wert darauf, festzustellen, daß unter den wiederholt erwähnten Antrag verschledener Parteien über die Wahlreform mein Name nur durch eim Veisehen und ohne mein Wissen und meine Zustimmung gekommen ist. Ich bin der Ausicht, daß auf dieser Grundlage das Wahlrecht nicht zu verbessern ist.

Darauf wird die Debatte geschlossen.

Persönlich bemerkt

Abg. Goldschuidt (freis. Volks), Roß er sein Maleriat uicht nur gus Vberschlesten bekommen habe, sondern uch selbst au Ort und Stelle die Rerhältuisse kennen gelernt habe. Auch die Pe tition enthalte Gründe für selne Stellungughnie. (Präsident von Kröcher unterbricht den Redner mit der Bemerkung, daß er la eine anz fachliche Wede halte.) Dann eln andermal.

Abg. Br gem el Grels. Whg.) Der Minister machte ir Nen Vorwurf der . Vürch den Schluß der Möeöknsston ist 8s ut unmöglich, diesen Worwars, den ich für einen sehr schweren

piegz auch namentlich dus Kreisen der Geistlichkeit mitgeteilt worden.

halte, zurückzuwelsen.