Abg. Strosser (kons): Herr Goldschmidt meinte, ich hatte auf die Wahlrechtsrede des Abg. Broemel nicht geantwortet, sondern nur die Automobsffrage behandelt. Wenn er etwas länger zugehört hätte, würde er gehört haben, daß ich auf diese Frage sogar im Namen der Fraktion eine fehr klare und deutliche Antwort gegeben habe.
Der Titel „Gehalt des Ministers“ wird bewilligt.
Bei dem Kapitel der Versicherungsreyisoren berichtet Abg. von Pappenheim über die Verhandlungen der Kom⸗ miffion bezüglich des Feuersozietäts⸗- und Feuerlõschwesens.
Abg. Schmedding (entr.) gibt eine Statistik über die Brand⸗ schäden ges . Jahres in Preußen, die sich auf etwa 96 Millionen Mark insgesamt belaufen hätten. Der Verlust an Nationalvermögen seĩ enorm. Rach einem Bericht vom März 1804 hätten die Brände in fo erschreckender Höhe zugenommen, daß infolgedessen elne Privat · gesellschaft sich entschloßen habe, das ländliche Geschäft gänzlich auf⸗ zugeben. Der Redner bittet den Minister, in eine Neuregelung des Feuerfozietätgwesens einzutreten, und verweist für die Gestaltung auch des Feuerlöschweseng auf Bavern, wo die Verhältnisse wesentlich anders lägen.
Abg. von Klitzing (kons) bemerkt, daß 19801 bereits der Abg. Winckler die Stellung seiner Parteifreunde dargelegt habe. Das Bedürfnis nach einem gesetzlichen Zwange zur egelung des Feuerfozetätewesens auf dem Lande sei nicht in dem Maße vor- handen; die Feuerfoztetäten täten aus eigener Initiative alles, was das Gesetz verlangen würde. Die Lasten seien aber dadurch bedeutend größer geworden. In die Feuersozietäten schlichen sich Besorgnisse ein, daß durch die Hineinziehung der Sozietäten in die ,,
ebung, die sich bis jetzt nur auf die Privatver sicherungsgese =
. erstrecke, eine allgemeine Gleichmacherei entstehen würde. Der Redner hofft, daß die Regierung ihr Möglichstes tun werde, um die⸗ jenigen Änstalten, die seit über 199 Jahren im öffentlichen Interesse bestanden hätten, auch ferner zum Wohle des Landes in der bisherigen Weise zu erhalten.
Minister des Innern Dr. von Bethmann-Hollweg:
Meine Herren! Auf den Gesetzentwurf einzugehen, der gegenwärtig dem Reichstag vorliegt und der den Versicherungevertrag betrifft, ist hier nicht der Ort, und ich enthalte mich deshalb näherer Ausführungen darüber. Das Eine aber muß ich aus voller Ueberjeugung aussprechen, daß unsere öffentlichen Feuersozietäten eine bedeutungsvolle und ver⸗ dienstvolle Rolle in der Entwicklung unseres Versicherungswesens ũber⸗ haupt gespielt haben und dazu berufen sind, diese Rolle auch weiterhin zu spielen, und daß ich entschlossen bin, sie in diesem Bestreben ebenso zu unterstützen, wie bei ihrer Verpflichtung zu erhalten, etwaige veraltete Einrichtungen ju modernisieren, damit sie den Aufgaben gerecht werden können, welche die Oeffentlichkeit an sie stellt und stellen muß.
Die Klagen, die heutzutage in der Presse namentlich gegen die zffentlichen Sozietäten erhoben werden, schießen weit über das Ziel hinaus. Es ist hier von diesem hohen Hause, und zwar, glaube ich, von allen Seiten desselben, vor einigen Jahren anerkannt worden, daß Privatgesellschaften und öffentliche Sozietäten neben einander stehen müssen. Es ist bekannt, daß sich neuerdings die Privatgesell schaften zu einem Kartell zusammengetan haben, und da ist es mir vollkommen unverständlich, wie man gerade in diesem Augenblick diesen Sturmlauf gegen die öffentlichen Sozietäten unternebmen kann. Wir haben Kartell, und Trustbildungen auf allen Seilen des gewerblichen Lebens; aber es wird auch eigentlich von allen Seiten an die Staateregierung die Forderung gerichtet, durch staatliche Maßnahmen zu verhüten, daß diese Kartelle eine Uebermacht erlangen. Und wenn sich auf dem Wege der privaten Versicherung gegenwärtig Ansätze dazu zeigen, dann sollte es doch umsomehr unsere Pflicht sein, die vorhandenen öffentlichen Sozietãten zu schützen und weiter zu fördern, damit wir auf dem Gebiete des Versicherungswesens nicht zu ungesunden Zuständen gelangen. (Sehr richtig! rechts)
Wir müssen dabei auch bedenken, daß den öffentlichen Sozietäten zum Teil viel schwierigere Pflichten obliegen wie den Privatgesell· schaften. Die Privatgesellschaften suchen sich ibre Risiken aus, und die öffentlichen Gesellschaften sind dazu verpflichtet, in der Praxis jedes Risiko iu nebmen, das sich überhaupt den Statuten nach als dersicherungsfäbig erweist. So leisten die öffentlichen Soꝛietãten nicht den reicheren und größeren Versicherungẽnebmern ibre besonderen Dienste sondern ibr Hauptverdienst liegt darin, daß sie gerade den kleinen und nur mäßig fundierten Anträgen, welche gegenwärtig nur schlecht oder gegen bobe Prämien, eventuell auch gar nicht bei privaten Versiche⸗ rungsgesellschaften unterkommen, die Möglichkeit der Versicherung bieten. Nach dieser Richtung bin baben wir alle jeden Anlaß, die öffentlichen Sozietäten zu stützen und iu fördern. (Sebr richtig! rechts.)
Die Anregungen des Herrn Abg. Schmedding wegen der Ein bringung eines Gesetzes, das die Heranziebung der vrivaten und offentlichen Sozietãten zu den Kosten des Feuerlöschwesens im weitesten Sinne gestattet, baben mich außerordentlich interessiert. Ich babe in
der Budgetkommission auf die Schwierigkeiten bingewiesen, welche der Ginbringung eines solchen Gesetzes bisber entgegengestanden baben. Ich will auf die Einzelbeiten nicht eingeben und nur das eine betonen, wie es für mich allerdings bisber don einem bestimmten Gin fluß ge⸗ wesen ist, daß die öffentlichen Sorietãten für diesen Sedanken bisber so wenig oder wenigstens eine so wechselnde Neigung ge⸗ zeigt baben. Wenn es richtig ist, daß gerade unsere öffentlichen Sozietäten mit den schlechtesten Risiken belastet sind — und ich glaube, es ist richtig — dann baben doch die öffentlichen Sozietäten das
größte Interesse an einer Verbesserung unsereg sebr verbeffernngs⸗
bedũrftigen Feuerloschwesens auf dem Lande; und da ich es für richtig halte, vor der Einbringung von Gesetzentwürfen auf die Wünsche der Nächũnbeteiligten ein besonderes Gewicht iu legen, so bin ich allerdings stußzig geworden, ob ich einen solcken Gesetzentwurf augarbeiten Iassen
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beurteilen; praktisch durchführbar mag es sein, und ich werde mich nicht daran stoßen, wenn wir in dem betreffenden Gesetze vielleicht zu Rechtsnormen kommen, welche bisher unserem Steuerwesen — und eine Steuerbehörde wird es doch sein — eine volllommen fremde Sache sind. 3. B. ist es mir fraglich, ob man für den Bereich einer Provinz diejenigen Versicherungsgesellschaften heran⸗ zieht, welche dort dominlliert sind, oder ob man die Steuer an den Abschuß des Versicherungsvertrags knüpft. Das sind Einzel- fragen, die sehr erwogen werden müssen, um eine gerechte Verteilung herbeizuführen. Glückt es auf diesen Wege, für die Probinzial⸗ verwaltung und die Sozletäten noch nachhaltiger als es bisher ge⸗ schieht — Herr von Klitzing hat uns Zahlen in dieser Bejiehung ge⸗ nannt — das Feuerlöschwesen zu verbessern, so werde ich der erste sein, der das mit Dank begrüßt. Denn ich weiß aus eigenster Er⸗ fahrung, wie weit wir noch vielfach auf dem flachen Lande mit der Ausbildung unseres Feuerlöschwesens zurück sind. Vom Ministerium des Innern, bevor ich es übernommen habe, sind wiederholt An⸗ regungen, gerade nach der vom Herrn Abg. Schmedding betonten Richtung ergangen wegen der Anstellung von Branddirektoren, und in verschiedenen Provinzen ist man dem gern entgegen gekommen. Ich glaube, daß das eine Grundlage sein wird, um auch ein besseres Feuerlöschwesen auf das platte Land zu verpflanzen. (Bravo! rechts.)
Abg. Kreitling (fr. Volksp) spricht sich gegen eine 5 ziehung der Privatversicherungsanstalten zu Beiträgen für das Feuer
löschwesen aus. . K
Abg. Wol gast (Hosp. d. fr. Volkep.) bedauert, daß die Er⸗ findun geg eh hee nl e if der des Brandmeisters Lamp in Stakendorf in Hoistein, für welche der Erfinder den größten Teil seines Vermögeng verwendet habe, von seiten der Behörden nicht die genügende Understützung gefunden babe. Der Apparat diene dazu, auf dem Lande fofort den Ort eines Feuers genau festzustellen. Er bitte den Minister, sich der Sache wohlwollend anzunehmen und durch Versuche den Wert dieses Feuerfinders“ feststellen ju lassen.
Abg. Fran ken (ul) tritt unter 8 auf die großen Wald- brände in Westfalen im dergangenen Jahre lebhaft dafür ein daß diejenigen, die von der Güte der Feuerlöscheinrichtungen einen Vorteil baben, d. h. die Versicherungsgesellschaften, zu Beiträgen für das Feuerlẽschwesen herangezogen werden.
Beim Kapitel der Standesämter tritt
Abg. Werner (D. Rfp) für eine Besserstellung der Standes. amtsbeamten ein, die nach dem Gesetz von 1874 bisher nur 75 4 pro 1000 Seelen bezögen.
Beim Kapitel Landrätliche Behörden und Aemter“ referiert ö
Berichterstatter Abg. von Pappenheim über die Erhöhung der Dienstaufwandentschädigung für die Landräte um durchschnittlich 600 S und über die Absicht, die staatliche Anstellung der Bureau—⸗ hilfsarbeiter zu vermehren. k
Abg. von Bockelberg (kons): Es mässen alljährlich in den Etat Stellen für die Bureaugebilfen eingestellt werden. Kann denn ein Landrat, ein preußischer Beamter, gezwungen sein, jabraus, jahr⸗ ein Opfer aus seiner Tasche für die Dienste zu bringen, die er dem Staate leistet? Wir baben uns seit Jabren bemübt, in diefer Frage Klärung zu schaffen. Der Etat wirft nun einen Be— trag bon 500 6 namentlich für die Haltung eines Fubrwerkes aus, und das soll alljährlich escheben. Aber meine Freunde können diese Lösung nicht für 6 halten, die Landräte müßten mindestens Wb dis Zoo ( Dienstaufwandsentschädigung erbalten. Der Minister von Hammerstein hat vor 2 Jabren die Berechtigung dieser Forderung anerkannt. Ich möchte dem Mmister des Innern dazu den Rücken stärken, daß er diese Forderung vertritt, denn es kann nicht angenehm sein, wenn die Landräte bier allsährlich mit dieser Forderung wieder. kommen müssen. Es gibt allerdings manche Landratsämter, wo die Haltung eines Fubrwerks nicht notwendig ist; diese könnten viel⸗ leicht mit Automobilbesitzern eine Vereinbarung treffen über die Benutzung dieser Fahrzeuge für ibre landrätlichen Reisen. Ferner möchte ich auf einen Nachteil des 8 4 der Kreisordnung auf⸗ merksam machen. Danach sind Städte, die 25 000 bein 30 bejw. 50 O00 Seelen erreicht haben, befugt, aus dem Verbande der Landgemeinden auszuscheiden und eigene Stadtkreise ju bilden. Die wirtschaftliche Entwicklung der Neujeit macht es erforderlich, eine anderweitige Einteilung und Mindestniffer zu bestimmen. Die Tinanfkraft der Kreise wird beeinträchtigt, wenn die steuerkräftigen Städte ausscheiden. Will man nicht einen vollständigen Stillstand der wirtschaftlichen Entwicklung berbeifübren, so muß man mit dem Ausscheiden der Städte vorsichtiger vorgeben. I möchte daber anregen, ob es nicht notwendig ist, eine gesetzliche Reviston des §8 4 der Kreisordnung vorjunebmen. Dag wäre im Interesse der Erbaltung der Leistungsfäbigkeit der Landgemeinden und der Erfüllung ibrer wirtschaftlichen Aufgaben geboten.
Abg. Dr. Brandt (al): Für viele Landräte ist die Unter⸗ baltung des Burcaus eine der unangenebmsten Sorgen. Meine Freunde sind der Ansicht, daß diese Frage nur durch eine Verstaat. lichung der landrätlichen Bureaus gründlich gelöst werden kann. Sonst wird der Landrat immer die größten Schwierigkeiten haben, die ge eigneten Hilfskräfte zu erhalten, denn solche Gehälter, wie sie die Magistrate oder Industriellen bewilligen, kann der Landrat seinem Sillsarbeiter auf keinen Fall zablen.
Abg. Sraf Praschma (Zentr. : Ich kann mich den beiden Vor⸗ rednern nur anschließen und will desbalb nicht wiederbolen, was ich schon im vorigen Jahr sagte. Ich balte eine Eiböhung der Fubr kostenenlschädigung nicht für genügend, es muß vielmebr die ganze Dienftaufwande entschädigung erböbt werden. Es ist nicht angenehm, alle Jabre mit dieser Ferderung ju kommen, das mangelnde Ent⸗ gegerkommen der Regierung mwingt uns aber dazu. Schwierigkeiten mögen vorbanden sein, aber diese drfen nicht verbindern, daß ein un. ballbarer Zrstand beseitigt wird. Wir können nicht verlangen, daß der Tandrat immerfort aus seinem Vermögen für seine Bareau⸗ bedũrfnisse jusetzt.
Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollweg: Ich kin Ihnen, dem ganzen Hause, kann ich wobl sagen, sehr dankbar far die Srmpatbhien, die fich in dem, was die Herren Vor- tedner ausgesprochen baben, für die Landräte kundgeben. Vielleicht kann ich aus allen diesen Aenßerungen den Vorwurf einer zu großen
sollte, fär den die öffentlichen Sozietãten bigber kein dringliches
Jaterefse gereigt baben. Jedenfalls aber werde ich auf Grund der Aus
fäbrangen des Herrn Abg. Schmedding noch einmal an eine Prüfung der Frage beraageben. Ich möchte aber dem Herrn Abg. Schwedding a
bedenken kitten, daß sich die Sache in Preußen jweifellos nicht so aut · fübren Ksrt wie in den Staaten, die er ung bier vorgefübrt hat. Fast in all den Staaten, die ert gerannt bat, besteßt ein direkter oder indirekter Versichernn gt zwang, und der
Giaritaagen getreffen haben, doch mn ein sebr viel kleineres Gebiet.
Ich begreife es wobl, daß sich in Bärttemberg j. B. eine Zentral-
kase bilten Läßt, die für die angedenteten Zwecke von den BVer⸗
fibherrn ge ge enscheften cingebende Gelder 10 verwalten bat. Das wurde bei a ir Drerßen rickt aεlih sein, sondern ir ten die Sache
feblt nas. Arperden bandelt es sich gerade bei den Staaten, welche musterkafte
Bescheidenbeit berausbören, deren ich mich gegenüber der Finanz derwaltung in meiner Stellung als Mirister des Innern schuldig ge⸗ macht haben soll Ich muß ja diesen Vorwurf entgegennehmen, da ich gestern denselben Vorwurf dem Herrn Abg. Broemel gemacht babe, darch den dieser zu meinem Bedauern so betrübt werden ist. Aber iq will ver ja chen, mich ia dleser meiner Bescheidenbeit in den nächsten SJZabren ja beffern. (Grave)
Abg. Vielsen (Däne) fahrt darüber Beschwerde daß bei den Gewmeinderwablen in Nordschleswig durch die Landräte Wabl- beeias ass stattfãnden. 236 w Abg. Bachmann (al) bestreitet die Richtigkeit dieser Be⸗ banmptung. ; . ;
Ag Fritsch (a) airft an die Bemerkangen deg Aba, von Socelberg ber das Aufscheiden der Städte von 23. O0 Giamohnern aus dem Treieverbande an. Bedauerlich sei. das diese Benlimmung
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und daruber
Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollweg:
Die Frage der Stadtwerdung von Landgemeinden hängt auf dag engste mit der Frage des Ausscheidens von Städten aus den Kreisen zusammen. Nach den gegenwärtigen Bestimmungen für unsere öst. lichen Provinzen — wenn ich von diesen zunächst allein sprechen dar — haben bekanntlich Städte, welche mehr als 25 000 Einwohner er⸗ reichen, das Recht, aus den Kreisen auszuscheiden. Das hat nament. lich in Vorortskreisen wie in dem Teltower Kreise, von dem der Herr Vorredner ja speziell gesprochen hat, zur Folge, daß man die Wünsche der großen Landgemeinden auf Stadtwerdung mit Vorsicht prüfen muß. Denn wenn wir in diesen Vorortskreisen sämtliche Land- gemeinden mit mehr als 25 000 Einwohnern mit einem Male aut ihrem Kreise ausscheiden ließen, so wären diese Kreise in ihrer Lelstungsfähigkeit und in ihrer Handlungsfähigkeit so geschwächt, daj ein solches Vorgehen aicht mit dem Wohle des Ganzen zu vereinbaren sein würde.
Allerdings weicht meine Auffassung über die Aufgaben, welche den Kreisen gestellt sind, von der des Herrn Vorredners ab. Diese Aufgaben sind nicht irgendwie durch Gesetze oder sonstige Vorschriften von vornherein fest umgrenzt, sondern wachsen ebenso gut wie die Aufgaben der einzelnen Kommunen, und die Entwicklung, welche unsere preußischen Kreise in den letzten Dejennien genommen haben, liefert unmittelbar den Beweis, daß die Kreise ihre Tätigkeit weiter ausdehnen müssen, wenn wir in den Verhältnissen unseres Landeg vorwärts kommen wollen.
Gewiß ist es schwierig, die Grenze zwischen den Interessen der einzelnen Gemeinden und denen des Kreises zu ziehen, sodaß es ermöglicht ist, diesen beiden Körperschaften nach jeder Richtung bin gerecht zu werden. Aber wie sich heute auf allen Gebieten des öffent. lichen Lebens die Notwendigkeit der Genossenschaftsbildung, der Zu⸗ sammenfassung von einzelnen Kräften ergibt, ebenso ist es in dem Leben unserer Kommunen der Fall. Wir brauchen ja nicht bei den Kreisen stehen zu bleiben; man werfe einen Blick in die Etats unserer Provinzen, und man wird seben, wie auch deren Aufgaben, obgleich sie von vornherein gemessen sind, unausgesetzt wachsen. (Sehr richtig! rechts.)
Und nun speziell einmal die Verhältnisse eines Vorortekreisez wie des Teltower Kreises. Der Herr Vorredner hat gemeint, der Kreis wäre mit dem Kanalbau, mit dem er sich speziell bei einer anderen Gelegenheit beschäftigen wolle, weit über das Zulässige binaug⸗ gegangen; er habe ein Unternebmen ins Werk gesetzt, das Schiff abrtz. intertssen dienen solle, und das sei nicht die Sache des Kreises. Eine Seite der Sache wird dabei gänzlich überseben. Wenn man die Vor⸗ geschichte des Teltower Kreises, die weit in das vorige Jahrhundert zurückreicht, kennt, dann weiß man, daß dieser Kanal nicht bloß Schiffahrtsinteressen dienen soll, sondern daß er auch Entwässerungt. bedürfnisse der Gemeinden in weitgehendem Umfang befriedigt. Wäre das nicht der Fall, wären nicht, abgesehen von dem Schiffabrteinteresfe, andere Lebensinteressen der einzelnen Bestandteile des Kreises mit im Spiel, so würde ich es nicht begreifen, wie ein so großes Unter. nebmen schließlich den einstimmigen Beifall der Kreisorgane ge. funden hat.
Die Frage, die ju meiner großen Freude der Herr Abg. von Bockelberg angeschnitten bat, die Frage des Ausscheidens der Städte aus dem Kreise, bitte ich, von vornherein nicht als eine politische m behandeln. Ich babe im Laufe des vorigen Sommers diese Frage durch die Oberpräsidenten erörtern lassen; das ist irgendwie belanzt geworden, und ich fand kurze Zeit darauf durchgebends in der liberalen Presse die Aeußerung: der neue Minister des Innern bat nicht Eiligeres zu tun, als die Kreisordnung reaktionär ju verschlechtemn. Mit Reaktion bat die Angelegenbeit gar nichts zu tun; es bandelt sich lediglich darum, welche Bedeutung man dem Kreis kommunalleben beimißt, und daß ich dem Kreiskommunalleben eine große Bedeutung beimesse, babe ich vorbin schon ausgefübrt, auch die Gründe angegeben, ans denen ich es tun muß, und ich glaube, die Herren werden mir recht geben, de diese Grũnde an sich bestehen. Es bandelt sich lediglich um die Frage: ist es richtig, die Korporationen, die ein so reges Leben entwickeln wie die Kreise, unausgesetzt vor eine Amputation ibrer lebenskräftigstea Glieder ju stellen; denn die Städte, die schnell wachsen, also die 25 090 Einwohner überschreiten, sind bestimmend für den Umfanz und die Intensitãt des Krieiskommunallebens. Diese Städte aber sollen aus dem Kreis berausgenommen werden, sobald sie eine be⸗ stimmte Ginwobnerzabl erreicht baben und sobald sie ein wertrolle⸗ Glied für den Kreis sind. Ob das als ein gesundes und jweckmäßige Vorgeben erscheint, ist die Frage, eine sehr schwer zu beantwortende, und ich sage ganz offen, daß ich bisher ju einem festen Entschluß nach der Richtung noch nicht gekommen bin. Es gibt Verbältnisse, wo es ein Unrecht sein wärde, eine Stadt auch mit 25 000 Ginwobnern aus dem Kreise auescheiden zu lassen; es gibt viele Verhältnisse, wo das ganje¶ Kreiskommunalleben vernicktet wird, wenn die Slädte mit 25 000 Ginwohnern ausscheiden. (Sehr richtig! rechts) Am jweckmäßigsten wäre es, wenn wir eine gesetzliche Bestimmmag bätten, die eine Entscheidung von Fall ju Fall zuließe. Ob es mög lich ist, die Angelegenbeit so zu ordnen, weiß ich nicht; ich fürchte, e wird kaum möglich sein. Ich beabsichtige, der Frage weiterhin die⸗ jenige Aufmerksamkeit zu widmen, die sie im Interesse unserer Kreise und nickt in irgendwelchem vpelitischen Interesse verdient. Zu welchea Gatsckluz ich kemmen werde, weiß ich nicht; Sie können aber sicker sein, daß es lediglich Zweck aß igkeitarũckschten sein werden, die nich bei der Frage leiten werden. (Bravo! rechts.)
Abg. Werner (D. Rr): Daß die Städte bei dem An scheiren kerorjugt find, erklart sich aus der Zunahme des Bell. ffardes in den Starten. Im Freise Rotenburg wir 12 Stãdte mit 23 0065 Ginwobnern und im Kreise Hersfeld 12 Städte mi 305 Jiarobnern. Ich kabe schon vor Jabren darauf hinge ie en ard wiererkole er Fente, daß auch in Kurheffen eine Aenderung de Freizgcrdeurg gewärscht wird, weil bei dem Ausscheiden der Stäꝛte die Landgemeinden benachteiligt werden. . ö
; ie m bowski (Pole ber , TZardrat fei in einer Gemeindererttetung erichienen und habe wenn ein Ginwehbner der Gemeinde diesem Verein angehöre, so w. der Staat seinen Zuschuß ven 1000 für die Schule der Gem jurud ie ben. ; .
Das Kapitel wird bewilligt. ö.
Beim Kapitel Polizeiverwaltung in Berlin u Umge bun , , Rixdorf und Schöne⸗
der Verkebrgverhältnifse zu erinngrn. sei. Deshalb müßten die Ge— halter. die =, und die Anstellungsverhältnisse der Beamten
ffert werden. e Polizeibeamten hätten vor allem die Auf⸗ abe, prophvlaktisch zu wirken und nicht zu warten, big eine Tat ge— heben sei. Wenn für diese Beamten mehr Mittel gefordert würden, nüßte natürlich das Polizeikostengelez von 1892 revidiert werden; die Belträge der Städte zu den Pollzeikosten müßten dann nicht mehr Nein nach der Kopfzahl, sondern auch nach den Aufgaben der Polizei hemessen werden. Kein anderer Beamtenstand bedürfe so sehr einer Verbefferung der Gehaltsbejüge wie gerade der Stand der Polizei keamten. Im Etat seien zwar neue Stellenzulagen vorgeseben, aber bas könne nur für die Gegenwart nützen; für die Zukunft müsse für die Rekrutierung der Schutzmannschaft durch Verbesserung der Aus— kildang und der Gehälter gesorgt werden.
Abg. Münsterberg (frs. Vgg. );. Zwei Konservative haben
das Verdienst, zuerst Fragen der Prostitution in dem Hause zur Sprache gebracht zu haben: 1892 der damalige Abg. Stöcker, 18905 de Abg. Pallaske. Seitdem ist diese Frage der Bekämpfung der proöstitutisg und der Geschlechtskrankheiten in den weitesten Kreisen durch Vereine und einzelne Personen, Männer und Frauen, Gegen . stand eingebendster Behandlung geworden. Ich halte es deshalb für meine Pflicht, noch einmal an dieser Stelle die Frage zur Be⸗ sprechung zu bringen, damit von hier aus antegend au Zand hingewirkt wird. Es ist keine Parteisache, im Gegenteil, man muß wünschen, daß einmütig alle Richtungen an dem Kampfe um biese Frage mitarbeiten. Die Haltung des Herrn Mwisters gegen äber allen Fragen freier Betätigung der sozialen Arbeit läßt mich hoffen, daß auch die Staatsregitrung ihre Mitarbeit nicht ver sagen wird. Ich beschränke mich ausschließlich auf die soigle Ind bvgienische Seite der Frage und unterlasse alle Er⸗ örterungen über die moralische Bedeutung und über die Notwendig⸗ keit der Prostitution; es genügt, daß sie vorhanden ist. Aber ich betone ausdrücklich daß ich im Namen der ernsten und denkenden Frauen unseres Volkes spreche, die recht haben, wenn sie sich darüber beklagen, daß diese ganze Sache, die sich um Interessen der Frauen dreht, ausschließlich don Männern behandelt und gesetzlich Teregelt wird. Der gefallenen ee. sällt alle nn,, , alle Schande jur Last, während der Mann in der Achtung der Gesellschaft durch die Beschäftigung mit Prostituierten nichts einbüßt. Der Ausdruck doppelte Moral“ ist kein glücklicher, aber zweifellos ist, soweit von Schuld gesprochen werden soll, Frau und Mann in gleichem Maße schuld. Viele der edelsten Frauen widmen sich heute der Bekämpfung dieser Sache, sie verdienen die wärmste Unterstützung. Allerdings will ich mich nicht zum Anwalt extremer Anschauungen nachen, die die uneheliche Mutter mit einer Art Gloriole umgeben. Ehe und Familie bilden die Grundlage unseres Staatslebeng, deren Würde ge⸗ wabrt bleiben muß. Ich bedaure, daß bei der , , der un⸗ sittlichen Literatur, die ich ebenfalls wünsche, man auch die Münchener „Jugend“ hineingezogen hat. Dieses Blatt hat so hohe künstlerische sele, daß jeder Verdacht gemeiner Gesinnung und Erregung von
Tüsternbeit weit wegjuweisen ist. Ueberbaupt soll man sich hüten, Fragen der reinen Kunst hiermit in Verbindung zu bringen. Sonst wird man wohl damit beginnen müssen, alle Museen zu schließen und Kunstwerke, wie die Venus von Milo, in die Rumpel⸗ kammer zu stecken. Das Gemeine soll man nachsichts⸗ los verfolgen, die Kunst aber als Heiligtum ansehen. Auch im Kampfe gegen die Prestitution stehen im Vorder⸗ unde: 1) die staatliche Aufsicht mit Reglementierung und Slttenpolizei, 2) der Kampf gegen die Geschlechtekrankheiten. Die Reglementierung siebt innerhalb bestimmter Grenzen die Ein⸗ schteibung von Dirnen in das Register der Sittenpolizei vor. Den Mädchen werden dadurch gewisse Beschränkungen auferlegt, sie er⸗ balten aber zugleich eine Art Privileg, ihr Gewerbe umherziehend Mn betreiben. Dadurch wird das ekelhafte Zuhälterwesen beguünstigt. Die Mädchen sind im steten Kampf mit den Gesetzen, die Polizei dedarf ju ihrer Kontrolle sehr weitgehender Vollmachten. Die folge davon ist, daß oft ganz unschuldige Mädchen und auen in empörender Weise polizeilich aufgegriffen werden.
Das sind unerträgliche Zustände; ich verurteile nicht die Peisonen, sondern das System. Alle Sachkenner verurteilen dieses gesamte Spstem. Auch Herr D. Stöcker hat auf dem Kongreß der inneren Mission zu Leipzig die absolute Verwerfung der bebördlichen Sittenkontrolle als Forderung ausge sprochen. Dr. Blaschko, 1 Lesser, Prof. Neißer stimmen in der grundsätzlichen forderung überein, sachlich geben ihre Forderungen vielfach aus—⸗ einander. Kurz zusammengefaßt sind sie: größere Betonung der frei⸗ villigen Untersuchung, alsdann Freiheit von Polizeikontrolle, Er— tichtung von Polikliniken, unentgeltliche Bebandlung, gleichmäßige Verfolgung von Männern und Frauen wegen Körperverletzung bei be⸗ nmußter Verbreitung von Geschlechtskrankheiten. Das jetzige Spstem bindert die Mädchen, in das bürgerliche Leben zurücksukehren. Alle Lerjte halten übereinstimmend die staatliche Reglementierung für den Ichersten Weg zur Verbreitung von Geschlechtekrankheiten, weil junge ute an die volle Sicherheit des Verkehrs mit Prostituierten glauben. Dah durch Kasernierung nichts genützt werden kann, geht aus der Er⸗ dägung hervor, daß in Berlin allein etwa 4600 kontrollterte Nidchen vorhanden sind. Wer soll etwa diese Wohnräume beschaffen? Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten ist die weitere Forderung 1er Aertie und Scezialpolitiker. Nach einer Statistik von Dr. slaschko leiden in Großstädten 224 60 aller jungen Leute von 26 lis 36 Jahren in irgend einer Beziehung an Geschlechtskrankheiten, and leider sind es gerade die jungen Leute der gebildeten Klassen; eine Reße Rolle spielt auch der Alkohol. Man muß deshalb fordern, aß die Animierkneipen möglichst vom Erdboden verschwinden. Sie ad die Quellen namenlosen Unglücks. Gegen all diese Schäden werden alle sozial fördernden Gesetze nützen, vor allem diejenigen, die, die Verbesserung des Wohnungswesens, gute Erziehung sorgsame religlofe Ginwirkung und ö der materiellen Lage der Frauen erstrebende,
t
das ganze
lindernd auf die Prostitution einwirken können. Ich habe verfucht, die dtutunz der Frage in möglichst konzentrierter Form Ihnen vor- tragen. Voll ländige Hellmittel gibt es nicht. Soziale Fragen lasen sich mit Schlagworten nicht lösen. Aber ich hoffe, das Inter— Ne dieses Hauses, dessen Mitglieder dem ganzen Volke dienen wollen, nd der Staatsregierung erregt zu haben, und bitte den Herrn Minister daß er die Initiative ergreife und die Vorkämpfer auf icsem Gebiete aus dem Kreife der Männer und Frauen aus der tariß und aus den Parlamenten zusammenrufe, um zu versuchen, Im. Einverstãndnis über bestimmte Maßregeln zu gelangen. Friedrich gischer hat gefagt: Scham verloren, alles verloren, Seele in Schmutz Hen en. Wenn wir die Schäden der Peostitution auch ernstlichst e men, so sollen wir auch nie be e g, daß die Seelen von senden von Prostitulerten durch welse Gesetze bor dem Schmutz rt werden können. Ich würde mich freuen, wenn meine An— äegungen zu einem positiven Ergebnis führen sollten.
Minister des Innern Dr. von Bethmann-Hollweg: Meine Herren! Ich brauche wohl nicht zu versichern, daß ich
don dem Ernste der von dem Herrn Vorredner berührten Angelegen⸗ heit auf tiefste durchdrungen bin. Zi den einzelnen Punkten, die er ns vorgetragen hat, hier Stellung zu nehmen, halte ich für unmög⸗ lich. Aber ich danke ihm für die Anregungen, die er gegeben hat. Die Stellung der von ihm genannten Aerzte und anderen Persönlich⸗ zu dieser Frage ist bekanntlich keineswegs eine einmütige. Dle riften dieser Herren sind von mit und meinen Referenten genau men. worden und werden weiter genau verfolgt werden. Ich will ö gern in Erwägung nehmen, ob ich nicht diese bedeutungsvolle — rage auch durch eine Besprechung, wle sie der Herr Vorredner an— iegt hat, fördern kann. Jebenfalls aber ist es mir elne angenehme
Abg. Rosenow 26 Volkgy) bespricht die durch das neue e ,,. herbeigefũührte Mang igkeit der Fleischbeschau ür die Großstädie, speziell für Berlin. e Parteien müßten sich vereinen, um zu verhindern, daß verdorbenes Fleisch der städtischen Bevölkerung zugeführt wird. Auf eine Anfrage des Magistrats zu Berlin bei dem hiesigen Polizeipräsidenten habe dieser erklärt, daß er eine weitergehende Kontrolle des Fleisches, insbesondere in den Werk- stätten des Fleischereigewerbes, auszuüben nicht in der Lage sei. Der Redner richtet an den Minister die Frage, ob er nicht dennoch den
olizeiprãsidenten veranlassen könne, irgendwie die Wünsche der
roßstadtgemeinden zu erfüllen. Sollte die Bevölkerung warten müssen, bis die vom Landwirischaftsminister begonnene Enquete über die Zulänglichkeit der jetzt geübten Fleischbeschau beendet sei, so würde sie wohl noch weit über die drei Vierteljahre hinaus zu warten haben, die bisher diese Enquete schon gedauert 33
Seheimer Oberregierungsrat Dr. Mau bach erwidert, daß für diese Fragen nicht der Minister des Innern, sondern der Landwirtschafts⸗ minister zuständig sei.
Ab. Schul ze ⸗ Pe lökum (kons.) bemerkt, daß er auf die Aus- führungen des Abg. Münsterberg nicht mehr eingehen wolle, nachdem der Abg. Pallaske im vorigen Jahre die Stellung der Fraktion aus— führlich dargelegt babe. r könne nur erklären, daß feine Freunde dem Appell des Abg. Münsterberg stets ein williges Ohr leihen würden. Der Redner empfiehlt ferner einen An trag, wonach die in diesem Kapitel und die in dem Kapitel der Polizelderwaltungen in den Prodinzen verzeichneten Stellen und Gehälter für Polizeiräte und Polizeiassessoren gegenseitig übertragbar gemacht werden sollen.
Nach einer kurzen Erwiderung des Regierungs⸗ kommissars, Geheimen Sberregierungsrais Dr. Maub ach wird der Antrag angenommen.
Abg. von Schubert (Hosp. d. Natlib) tritt für eine Besser— stellung der Polizeikanzlisten ein.
Abg. Broem el (Frs. 2 befürwortet eine Besserstellung der
Schutzleute und Gendarmen. Selt Jahren bestehe die Klage, daß in Berlin nicht der genügende Ersatz für die Schutzmannschaft zu haben sei. Der Minister möge darüber Auskunft geben, wie es zurzeit mit diesem Ersatz stehe. Die Leute befänden sich leider in ihrer Stellung nicht wohl, und daher komme der starke Abgang. In Berlin betrage die Zahl der Wachtmeister und Schutzmänner 7352; der Fonds der Stellen zulagen mache schon pro Kopf 120 M aus. Die Stellen zulagen würden in verschiedener Höhe bis zum Höchstbetrage von 200 46 gewährt. Das System der Stellenzulagen sei kein guter Aus⸗ weg, denn sie gäben durch ibre verschledene Höhe nur Anlaß zu Miß stimmungen. Es sei an der Zeit, das System der Stellenzulagen durch Gebaltsaufbesserungen zu ersetzen. ;
Minister des Innern Dr. von Bethm ann-Hollweg:
Ich danke dem Herrn Vorredner für sein lebhaftes Interesse, das er für die Berliner Schutzmannschaft bekundet hat, und wäre er⸗ freut, wenn ich bezüglich der Besoldungsverhältnisse der Schutzleute alles das erreichen könnte, was er selbst als wünschenswert bezeichnet hat. Immerhin aber bitte ich, das, was dieser Etat den Schutzleuten bringt, nicht als zu gering anzusehen. Wir haben einmal die Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses und dann den Stellenzulagefonds, der so bemessen ist, daß für jeden Schutzmann eine Stellenzulage von 120 abfallen kann. Ich hoffe, daß auch bei der Verteilung der Stellen⸗ zulagen diejenigen Mißstände und Schwierigkeiten im einzelnen werden vermieden werden können, welche sonst vielleicht dem System der Stellenzulagen anhaften, und daß sich dieser Stellenzulagenfonds gewissermaßen zu einem Gehaltsfonds herausbildet. Wenigstens ist es mein Bestreben, daß dies in Zukunft geschieht. Ich hoffe, daß durch diese, wenn auch nicht alle Wänsche erfüllende Besserung in den Be⸗ soldungẽverhältnissen der Schutzleute die sehr bedauernswerten Vakanzen innerhalb der Berliner Schutzmannschaft weiter abnehmen werden. Sie haben in den letzten Wochen und Monaten stärker abgenommen als bis dahin, namentlich auch seitdem wieder sechsjährige Unter⸗ offiziere übernommen werden können. Aber ich muß zugeben, daß noch beklagenswerte Vakanzen bestehen, die baldmöglichst zu beseitigen ich andauernd bestrebt bin.
Die Vorschriften über die lebenslängliche Anstellung der Schutz⸗ leute nach 10 jähriger Dlenstzeit werden vollkommen dem Sinne der Bestimmung gemäß ausnahmslos angewendet. Selbstverständlich aber können solche Schutzleute auf eine lebenslängliche Anstellung nach 10 Jahren keinen Anspruch machen, welche sich nicht vorwurfsfrei geführt haben.
Das Kapitel wird bewilligt.
Um 4 / Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung auf Mittwoch 11 Uhr.
EStatistik und Bolkswirtschaft.
Das vorläufige Ergebnis der Volkszählung vom 1. Dezember 1905 für den preu ßischen Staat, dessen Provinzen, Regierungs- bezirke, Kreise beriw. Oberämter und für die Land- gemeinden mit über 10900 Einwohnern so wie für die Fürstentũmer Waldeck und Pyrmont.
In Nr. 27 des Reichs., und Staatsanzeigers! vom 31. v. M. sind die vorläufigen Ergebnifse der Volkszählung vom 1. Dezember 1905 für die preußischen Stadtgemeinden mit 16 000 und mehr Be⸗ wohnern veröffentlicht worden. Nunmehr folgen die vorläufigen e r , auch für den preußischen Staat, dessen Provinzen, Regierungsbezirte, Kreise bejw. Oberämter und für die Landgemeinden mit über 10 000 Einwohnern sowie für die unter preußischer Ver waltung stehenden Fürstentümer Waldeck und Pyrmont bezw. deren Kreise, wie sie in der Stat. Korr. mitgeteilt sind. Vergleichungen mit früheren Zählungen sind an geeigneter Stelle beigefügt.
Wie schon in Nr. 27 hervorgehoben wurde, können die vorläufig ermittelten Bevölkerungszahlen keinen Anspruch auf volle Zuverlässig⸗ keit machen; sie kommen aber erfahrungsgemäß den erst später fest⸗ zustellenden endgültigen Zablen so nahe, daß sie für viele Zwecke der Verwaltung und Wissenschaft durchaus verwertbar sind. Der Unterschied zwischen dem vorläufigen und dem Ergebnis betrug bei der Zäblung im Jahre 1871 noch 0 295 und im Jahre 1875 sogar 1,170 vom Tausend der Bevölkerung, während er sich im Jahre 1900 nur auf 122 vom Tausend der Bevölkerung belief. Als Ursachen dieses Fortschritts dürfen wesentlich die Verbesserungen in der Aufbereitungs methode der Zählpapiere sowie die Gewöhnung der Bevölkerung und der Erhebungsbehörden an große statistische , gelten.
Vach der vorläufigen Ermittlung des Zählungsergebnisses vom 1. Dezember 1905 ist die Bevölkerung Preußens auf 37273762 Köpfe gestiegen und hat seit dem 1. Dejember 1900 um 813 v. H. oder durchschnittlich jährlich um 1,K57 v. H. zugenommen. Innerhalb der 88 Jahre von 1867 bis 1905 war das Anwachsen der Bevölkerung indessen keineswegs gleichmäßig; denn es betrug in Preußen einschließlich des Herzogtums Lauenburg sowie seit 1890 ein—⸗ schließlich der Insel Helgoland: die die jährliche Volkszunahme
i Volkszahl Perfonen vom Hundert Dezember 1867 24 021 440 166 953
1871 2A 689 262 1875 265 742 400 263 288 1880 27 279 1147 307 341 207 872
3.
1 0, 59 1
1.
1. 1885 28 318 470
1 327779
2
J
1,05 1617 0,75 1,13 1,24 1,59.
1890 2s gor zonj 1896 31 865 12s 79 dhl 1900 34 472 5ogs 523 47
Verfolgt man das Wachstum der Bevölkerung im preußischen Staate jeweiligen Umfanges noch weiter zurück und geht von dem Jahre 1816 aus, in welchem dle erste einigermaßen mer fr Volks⸗ zählung in Preußen stattgefunden hat, so erhält man die nachstehende
Uebersicht:
Jahr Jahr , 813. . ö 13. 1819... 13 — 1328 . 1 1858. 17739 913 18334 1861. 18 491 220
1857. .. 14658 125 15853... 19 255155. 1840 14 gᷓs hõl
Wenn es feststeht, daß das schnelle Anwachsen einer leistungs— fähigen Bevölkerung in den Kulturstaaten der Neuzeit die Grund- bedingung aller wirtschaftlichen, finanziellen und militärischen Macht. entfaltung bildet, so sprechen die porstehenden Zahlenreihen für selbst. Bie Ursachen der starken Bevölkerungszunghme Preußens in den letzten Jahrfünften sind weniger in der Vermehrung der Geburten zu suchen als in dem dauernden Sinken der Sterbeziffer und dem Rückgange der Auswanderung.
Die für den Gesamtstaat in stetiger Aufwärtsbewegung befindliche Bevölkerungsentwicklung erfährt in den einzelnen Verwaltungsbezirken nicht unwesentliche Ausnahmen, die um so mehr hervortreten, je kleinere Landesteile einander gegenübergestellt werden. Die Bevölkerungs. Zu⸗ bezw. Abnahme im letzten Jahrfünft bewegt sich nämlich für die n, . in den Grenzen von 4 13,55 bis 4 1,90 v. S.,
Regierungsbezirke, . 20,66 . 40.380 . . reis ö * . 4 656, 90 . 7, 11 2
Gegenüber dem Zeitraume von 1895 bis 1900 sind die Be⸗ völkerungsberschiebungen in den Verwaltungsbezirken etwas weniger sprunghaft gewesen. Welchen Veränderungen die Volksjahl in den einzelnen Provinzen seit dem Jahre 1871 unterworfen war, ergibt sich aus der nachstehenden Tabelle.
Personen 15 471 084 lI6 112938 lI6 331 187 16 935 420 17202 831
Personen 15 349 0651 10 981934 11664133 12 256 725
12726110 13 038 960
13 507 999
Die Bevölkerung in den preußischen Provinzen von 1871 bis 1905.)
am 1. Dez. 187127)
am 1. Dez. 1375
am 1. Dez. 1380
am l. Dez. 13355
⸗ am Provinzen
1890
Ortega nwese nde Vevztterung)
1. Dez.
Zunahme (4) oder Abnahme (-) vom Hundert der Bevölkerung in den Zählungsperioden
1890 895 ISM bis bis bis 1806
1895 1900
am 2. Dez. 1395
am 1. Dez. 1900
am 1. Dez. 19053)
1886 bis 1390
XIII. Rheinland XIV. Hohenzollern
) mit Auszschluß der preu
kennbar eine verhä—
1866 421 1343057
962 050 2157 322 1461983 IL 6060984 3 843 699 2 169 027
1073926 2017393 19056697
1467 898 3 804 381 66 466
I. Ostpreußen II. Westpreußen III. Stadtkreis
Berlin IV. Brandenburg
V. Pommern VI. Posen VII. Schlesien VIII. Sachsen IX. Schletwig⸗
Holstein * 6 XI. Westfalen XII. Hessen⸗
Nassau
1822934 1314611
S26 341 2036 888 1431 633 1583 843 3707 167 2 103 174
1933 936 1405898
1122330 2266 825 1540 034 1703397 41007 925 2 312007
1127149 2120163 2 045 442
1554376 40740900 67 624
1959 475 1408229
1315287 2342 411 1505575 1715618 4112219 2 428 367
1150 306 2172702 2 204 580
1592 464 43441 527 66 720
z mit amn,
Der Osten . demnach keen den Staagtgdurchschnitt unver⸗ — e
r schwache Bevölterunggzunahme
1958663 1433 681
1h73 94 bil Jog hn göh Il 6 1 224 465 2 dd or
12196523 2278 348 2 428 661
1664439 4710391 66 086
des Herjogtumg Lauenburg für die Jahre 1890, 1896, 1900 und 19065 guch mit Elnschluß der Insel Helgolan ischen h ößhß Mtann starken Besahungpttuppen in Frankteich, ö du Sn d dela
noch die ersolgrelchen tützuüng, *
2006689 1494 385
1677 304 2 821 695 1574147 1828 633 44165309 2698 549
1996 626 1 b663 666
l 885 848 3108561 1634832 1887 267 4 668 857 2 832 616
2034593 1611964
2035815 3529796 1684125 1986329 4 935 494 2978 659
1604339 2753699 3 617 841
200081 4,52 6 432 929 8.42 68 098 — 095 —
— *
— d — 8 ——
— — 2 — ö
—
D — 5 Dre 4 — —
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i
— 2 — — * —— — —— —— —
c
* —
C s,
— E S7
k .
. 2328S
2
—
286 416 24122 020 2701 420
1756 802 5106002 65 762
1387963 2h90 939 3 185 777
18979581 5759 798 6tz 80
602 4.86 10,16
— — *
w r frre ff
— 2
323 832
. 3
0504 1,66
4——
Y) vorläufige Ermittlung.
Ansiedelun aversuche
mit staatlicher Unter- für außerdem elne lunge, im Aufblüben
linizmäßig l ge ieren nicht auch auf Landgemeinden ven 25 Q Ginmebnern . se zutteffe; B. die Vorort gemeinden der särte, freziell Serlire, wrden kbafolgedessen 0. Laften berangezogen, die fie ihrer ganzen Natar nach igeatlich richt n tragen bätter.
und in einzelnen Provinzen selbst eine Abnahme. Dag ist bemerkentzwerter, altz die Provlnen Ostpreußen, n Posen in Frage. und Schlesien mit geburtenrelchen slavischen Bevölkerungesementen zu
stark durchsetͤzt sind. Für Westpreußen und Posen kommen
um so begilffene, für lesten eine altelngesessene, bedeutende Judustrie
. ) dem Herrn Vorredner für die ruhige, ernste, vorurteiltzfreie Wüle in Europa die Quellen des , , .
berg; wei * eindringliche Art zu danken, mit der er einen für die Volk
Berichte statter Abg E Pap bene irm auf die immer Peli gesti genen Aufgaben Ee en , e. 26 nur an die NUeberwachan] gesundheit so wichtigen Gegenstand hier besprochen hat. (Bravo)
beamer an die Drertrialdermeltungen nad an die wit den Prob tanal- derweltragen in engerer cder Iescrer Filung ftr dender Sonietäter augliederna. Wie das *ich mt. Hanr ich gegenwärtig noch richt
üchen sind, der sich in alle anderen Erdteile ergießt, so bilden dle össlichen Provlnjen vorwlegend die Auswanderunqegeblete fär