1906 / 44 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 20 Feb 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Cornelius von Bethanien hat sich mit seinem ganzen Anhang bei Chamasis, nordwestlich von Berseba, gestellt unter der einzigen Bedingung der Zusicherung des Lebens, mit Ausnahme der Mörder. Damit ist einer der bedeutenderen Gegner me, . Cornelius befand sich von Juni bis September 1904 a andeskundiger im Stabe des Obersten Deimling und nahm an dem Gefecht bei Wakerberg und der anschließenden Verfglgung teil. Krankheitshalber wurde er in Gpuktro entlassen. Anfang März 1905 tauchte er zum ersten Male als Führer der Nordbethanier auf und hat seitdem in unablässigen Streifzügen kreuz und quer durch die zerklüfteten Gebirge Südwestafrikas unseren Truppen viel zu schaffen gemacht. Nach der ihm beigebrachten Niederlage an der ele fn. fer r am 19. Ja⸗ nuar d. J. . Verfolgung bis in die letzten Tage durch ver= schiedene Abteilun unermudlich fortgesetzt, 86 Cornelius die Weiterführung des Kampfes wohl für aussichtslos hlelt.

Oefterreich⸗Ungarn.

Im österreichischen Abgeordnetenhause begann gestern die Debatte über die Interpellationsbeantwortung, be— treffend die un garische Frgge Sämtliche Redner betonten, „W. T. B.“ 3 daß die gegenwärtige Lage zur Neu⸗ regelung des Ver . mit Ungarn dränge und die Trennung der Armee, die zu verhindern das Parlament ein Mittel habe, die unbedingte Konsequenz hätte, daß die ungarische Armee von Ungarn vollständig erhalten werden müßte.

Im Laufe der Debatte warf der Abg. Grabmayer der Re—⸗ gierung Zögerung vor hinsichtlich der Einbringung des Ermächtigungs⸗ . und betonte, die Regierung müßte sich ein genaues Programm ür die Revision des 67er Gesetzes unter nachdrücklicher Wahrung der oͤsterreichischen Interessen vorbehalten. Der Abg. Groß betonte, die deutsche Fortschrittepartei halte unentwegt fest am Drei- bund, wozu eine starke Armee erforderlich sei. Er hob die Wichtigkeit der Stärkung der Industrie und der übrigen volkswirtschaftlichen Bedingungen hervor. Der Abg. Dzie˖ dus zyeki; schrieb die heutige Lage teilweise dem Um— stande zu, daß die österreichische, seit Jahren der Stütze des Parla- ments entbehrende Beamtenregierung ein ungünstiges Gegengewicht gegen die der Ungarn bilde, weshalb die Einsetzung eirer auf die öffentliche Meinung und das Parlament sich stützenden Regierung eine unabweisbare Notwendigkeit geworden sei Der Abg. Scheicher erklärte, die Grundbedingung für den Bestand der Monarchie fei die Umgestaltung der bꝛiderseitigen Staaten im Sinne der Gleich- berechtigung aller Nationalitäten. Der Abg. Ellenbogen trat fur die vollständige politische Unabhängigkeit beider Staaten ein behufs Neuregelung der wirtschaftlichen Angelegenheiten.

Die Beratung wurde hierauf abgebrochen.

In Beantwortung einer Interpellation Kramarcz be⸗ züglich der Marokko-Konferenz und des handels— politischen Verhältnisses zu Serbien erklärte der Ministerpräsident:

Zur Zeit liege kein Anlaß zu einer Interpretation des der Oeffentlich⸗ keit genau bekannten Allianzdertrages jwischen der Monarchie und der deutschen Reichsregierung vor. Eine näbere Erörterung der aus diefem Bundesverhältnis sich ergebenden gegenseitigen Verpflichtungen fei umsoweniger angebracht, als kein triftiger Grund in Befürch⸗

tungen vorliege, daß aus der gegenwärtigen Lage jzwischen den Ländern Europa Komplikationen entstehen könnten, die den Fiieden, dessen Erhaltung allen Mächten gleich-

naß am Herzen liege, ernstlich gefäbrden würde. Bezüglich Ma‚ rokkos, wo die Monarchie ausschließlich wirtschaftliche Intereffen ver. folge, halte man an dem Prinzip der Gleichberechtigung und der offenen Tür fest und sei bestrebt, im Verein mit anderen Staaten dieses Prinzix mit all' jenen Garantien für die Zukunft zu umgeben, die eine Schädigung unserer, mit jedem Jahr zunebmenden Export intereffen hintanzuhalten geignet wären. In diesem Sinne feien Instruktionen an die . Delegierten nach Algeciras gesandt.

Bezüglich des letzteren P⸗unktes der Anfrage erklärte der Ministerprãsident:

Wir wünschen gewiß aufrichtig die Regelung unseres bandels— politischen Verhältniffes ju Serbien, können aber nicht umhin, auf der Modifizierung jener Bestimmungen im serbisch⸗bulgarischen Ver⸗ trag zu bestehen, die dem allgemeinen Prinzip des Vertrags rechtes zu⸗ widerlaufen und eine Schädigung unserer Handelsinteressen indoidieren würden, und müssen von der Annahme diefer Modifikation feitens der serbischen Regierung die Wiederaufnahme der Vertrags verhandlungen abhängig machen.

Der unggrische Reichstag, der zur Entgegen— nahme des Königlichen Auflösungsdekrets zu einer Sitzung einberufen worden war, ist gestern zusammengetreten. Das amtlich veröffentlichte Dekret begründet die AÄuflöfung des Reichstags damit, daß die zur Mehrheit gehörenden . Parteien die Uebernahme der Regierung ohne Beeintrãchtigung der im Gesetze gewäͤhrleisteten Königlichen Rechte auf an⸗ nehmbarer gouvernementaler Grundlage hartnäckig verweigerten, und daß demnach eine nützliche Tätigkeit im Interesfe des Landes von dem jetzigen Reichstage nicht zu erwarten sei.

Nach dem Bericht des W. T. B. wurde das Auflõsungedekret im Magnatenbaufe mit dem Bemerken zur Kenntnis genommen, daß das Haus auf die Einberufung eines neuen Reichstags innerhalb der gesetzlichen Frist boffe. Die Nation werde dann Gelegenheit baben, über das gegenwärtige System ihr Urteil zu fällen.

In der unter großer Erregung eröffneten Sitzung des Ab. geordnetenhauses teilte der Vijwräsident Rakob sky mit, daß die Umgebung des Parlamentsgebäudes von Militär besetzt und

olizei in die Couloirs eingedrungen sei, ferner daß der Generalmajor

viri eine Zuschrift an den Präͤstdenten gerichtet babe, in der er darum ersucht, seine Ernennung zum Königlichen Kommissar mit un⸗ beschrãnkter Vollmacht im Abgeordnetenbaufe bekanntzugeben sowie das Königliche Handschreiben, das die Auflösung des Abgeordneten. bauses ausspreche, verlesen zu lassen; falls Tas Haus nicht aus⸗ einandergehe, werde er die Auflösung durchfübren. Ralorelv be- antragte, das von dem Generalmajor Nriri übermittelte König liche Handschreiben uneröffnet dem Absender zurũckzugeben, da dieser keinerlei Kompeten besitze, mit dem Abgeordneten aufe in amtlichen Verkehr iu treten, da ferner die Ernennung eines Königiichen Kom— mifsars mit unbeschränkter Vollmacht der Verfaffung wikersprecke, die anordne, daß die Exekutivgewalt nur durch verantwortliche Minister, aber nicht darch underantwortliche Fommiff are ausgeübt werden fönne Nekerdies sei der Generalmajor Nriri, der Ter Müitärdig iwlta unter. stebe, nicht imstande, eing verfassungs mäßige Funktion auszuũben. Dieser Antrag wurde mit Stimmen ein beit angenommen und fũr über morgen eine Sitzung anberaumt.

Nachdem die Sitzung des Abgeordnetenhauses geschlossen worden war, erschien als Vertreter des Königlichen Kommissars der Oberst Fabricius in Begleitung mehrerer Soldaten in

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das Auflõsun

Ein Comm iniqu e der Regierung hebt hervor, daß

fret auf eine baldige Einberufung des Reichs⸗

tags hinweise. könne die Auflösung des Reichstags daher nicht als den des . bezeichnen, da die Auflösung ein unzweifelhaftes Recht des Königs sei. Die , des Königlichen Kommissars, dessen Ernennung unter Gegenzeichnu

egenze des verantwortlichen Minister⸗ präsidenten erfolgt sei, gn? ebenfalls nicht beanstandet werden, da der Koni 3 auch durch einen Kommissar ausüben könnte. 5. ücksicht darauf, daß das Abgeordneten⸗ haus das Verlesen des Auflösungsdekreis verhindert habe, habe

s Fabricius unter einer durch die Umstände erforder⸗

lichen n lin chen He seckung die Verlesung des Dekretes im Ab⸗ eordneten uurchgeführt, jedoch sei gegen das Abgeordneten⸗ 2. keine Gewalt angewendet worden.

Großbritannien und Irland.

werde. Die Be 6 en zu den fremden Mächten seien fort- gesetzt freunds i. .

Weiter u er nig seine Freude darüber aus, daß der russisch⸗ japantsche Krieg einen befriedigenden Abschluß der Verhandlungen . der Initiative des Prãsidenten der Ver. einigten Staaten zu seien. Er erwähnte dann, daß mit dem Kaiser von Japan (in Nebereinkommen abgeschloffen worden sei, durch welcheg das i men vom Januar 1902 ver⸗ längert und weiter werde. und fuhr dann fort: :. Die vom Sultan von Marorke einberufene Konferenz, die über die Einführung ven Reformen in Marokko beraten foll, ist in Algeciras mmenge und die Delegierten der Signatarmãchte der Mad Konvention von 1880 haben ibre Beratungen die noch andauern. Es ist ernftlich zu hoffen, daz mig dieser Verhandlungen jur Aufrecht. erbaltung des allen Völlem führen wird. Dann er. wähnte die Th friedlichen Wege erfolgte Auf.

* die auf ö lösung der schwedisch-norwegiscen Un kon und die Be—

steigung des norm Throne d den Schwiegersobn und die Tochter des Königs. Die au fständis e Bewegung auf Kreta, bieß es in der Rede welter, habe nachgelassen. Bie Lage in den maiedonischen Wilajetg 3 obgleich sie sich in mancher Be⸗ ziehung gebessert fortgesetzs Grund zur Besorgnis. Der Sultan habe seine Zust zur Einsetzung einer internationalen Finanzkommission erteilt, die die Fin erwaltung in den Provinzen überwachen solle. Es sei u hoffen, daß die Wirk famkeit der Finanz kommission zu beilsamen Reformen und zu einer Besserung der Lage der Bevölkerung führen werde. Um eine Te rant wortsiqhe Regierung in Trans ogal zu schaffen, babe der König angeordnet, daß die neue ssung so schnell eingeführt werde, es sich mit einer eratung der Angelegen⸗ beit vereinbaren lasse. len ju der ersten gesetzgebenden Versammlung, die im Monat Juli erwartet worden seien, seien infolgedefsen um . binausgeschoben worden. Die er⸗ lassenen 6 r nach eine Zulaffung von chinesischen Tulis nicht weiter gestattet An solle, blieben während diefer Jeit in Kraft. Ebenso werde eine verantwortliche Regierung in der Oranje Kolonie gebildet. Die Kolonialkonferenz sei bis Anfang nächsten Jahres verschoben worden. Der König sprach so— dann feine Befriedigung aus über die ständige . der Ein und Ausfuhr; die Induftrie des englischen Volkes bewege sich all- gemein auf gesunden Ffortschreitenden Bahnen. Sodann senkte der König die Aufmerksamkeit des Parlaments auf die Vermehrung der Ausgaben des Staateg während der letzten Fabre und die bäupt. sächlichsten Verbindlichkeiten desselben. Von den Ministern wärden Pläne erwogen zur Einfübrung von Verbesserungen und jur Erfielung don Ersparniffen in dem Regierungssystem Irlands durch die Be— teiligung des Volkes an der Führung der irischen Angelegen beiten. Ser König gab dann dem Wunsche Ausdruck, daß die Re ierung des Landes im Vertrauen auf das ordentliche Gesetz weiter 256 't werde in einem, soweit es die Umstände gestatten, auf die Wänsche und Gefũhle der irischen Bevölkerung Rücsicht nehmenden Geiste; er habe das Ver⸗ trauen, daß dies jur Aufrechtbaltung der Ruhe und der guten Se— sinnung unter den verschiedenen Klafsen der Gesellschaft fübren werde. Die Thronrede führte dann verschiedene Maßregeln far Großbritannien auf, darunter eine Untersuchung über die Minel, durch die eine größere Anjabl der Bevölkerung auf das Land gezogen und ihm er⸗ balten werden könnte, ferner eine Abänderung des Schulgesetzes, Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen und Maß regeln betreffend die Gesetze über die Kauffahrteischiffahrt

In der auf die Eröffnung des Parlaments folgenden Sitzung wurde die Adresse zur Beantwortung der Thronrede beraten.

Im Oberbause fübrte der Marquis of Lans downe im Laufe der Debatte aus. Wir alle boffen, daß die Konferen in Algeciraz die Aufrechterbaltang des Friedens zwischen den Nationen sichern wird, und daß man nicht zulasse, daß irgend eine internationale Rivckifät sich einer dauerhaften Rege fang der gegenwärtigen Schwierig keiten in den Weg stellt. Ich glaube, die bene Hoffnung auf eine glückliche osung wäürde darin liegen, daß man eine Macht dan bewegen könnte, die Verantworfung für eine beffer? Re— gierung in Marokto auf sich zu nehmen, mit der Zustimm ung und dem Wohlwollen aller derjenigen, die in Marokko , en kaben, und mit geeigneten Maßregeln für die Wahrnehmung solcher Interessen. Der Marquis of Ripon gab in seiner Erwiderung auf die Bemerkungen des Marquis of Lansdowne und anderer Redner seiner Befriedigung über die Beendigung des russisch⸗ japanischen Trieges Ausdruck, wobei von beiden Seiten ein Tanfensmertes Entgegenkommen gezeigt worden sei. Di⸗ jetzige Regierung nimmt., erklärte der Redner, den englisch · japanischen Vertrag in dem elben Sinne hin, in dem er abgeschlofsen ist, und wir sind fest entschlossen, die bierdurch zwischen beiden Ländern eingegangentn Ver⸗ pflichtungen genau und pũnktlich zu erfüllen. Wir sind stolj auf alle Beziehungen, in die wir mit einem so tapferen Solf. wie die Japaner

elegenheiten zum Ausdruck und sagte in bezug auf die Konferenz

lgeciras: Wir wiffen, daß wir als Freund 2 2 Nachbarstaats Frankreich zur Konferenz gegangen sind, und daß wir als Freund Frankreichs bereits ein Abkommen ge. troffen batten, das für uns zufriedenstellend war, und von dem wir hofften, daß es für andere Länder annehmbar sein würde. Wenn wir durch divlomatische Mittel das fordern können was wir für das gerechtfertigte Interesse Frankreichs halten, fo bin ich ganz sicher, daß dies mit den Wunschen des ganzen Sauses uber. einstimmen wird. Chamberlain ging dann ausführlich auf die dage in Transvaal ein., Ueber die in der Thronrede enthaltenen Anden. tungen über Maßnahmen bezuglich der irischen Angelegenheiten sagte Cbamberlain, sie seien rätselhaft, und er bemerke schon jetzt, daß die Qyposition allen Maßnahmen, die auf Home rule 8 esetzten Wderstand entgegenfetzen werde. Er wied erbolte dann, d selner Uebereugung nach eine Zollreferm notwendig fei. In Beantwortung der Anfrage Chamberlains, ob die Regierung über die Konferenz in Algeciras Mitteilung machen könnte, führte Campbell Bannerman aus: sowelt der Reglerung bekannt sei schritten die Angelegenbeiten in langsamer, aber zuftiedenstellender Weise fort. Die Beziehungen Englands zur franzöfischen Regierung blieben gewiß dieselben, die sie wären. Die britische Regierung laffe der französischen jede diplomatische een me angedeihen, die in ihrer Macht stehe, sie gebe diese ohne geringste . nicht nur für vollkommenes gutes Einvernehmen, ondern für direkte Freundlichkeit Englands zu allen in Betracht kommenden Mächten. Es fei recht und angebracht. daß dem britischen Volke immer und immer wieder gesagt werde, daß die Verstãnd: gung mit Frankreich, die in voller Stärke unveräander fortbestebe, keine schlimmen Absichten gegen irgend eine andere Nation oder Regierung in sich schließe und daß die britische Regierung in dieser Verständigung nur ein Mittel zu finden wünsche, jene freund⸗ lichen, jene sozusagen herzlichen Ge üble zwischen England und Frank. reich zu bekräftigen, die sie zu fördern bedacht sei. Weiter sprach dann Bannerman ausführlich über die Angelegenheiten Transbaals und führte aus, die brinische Regierung strebe auf einen schließlichen Staatenbund in Südafrika hin, aber der Einrichtung einer ver antwortlichen Regierung in Transdaal müßten Unterfuchungen darüber vorausgeben, auf was für ein Wahlspstem eine sosche Regierung ge— gründet fein solle. Die Frage der Anwendung chinessscher Arbeits rãfte in den Minen müsse von den in Transpaal Ansässigen entschieden werden, sobald sie eine verantwortliche Regierung erhalten hãtten, mittlerweile aber würden die Bestimmungen, betreffend die Arbeits. leistungen durch Chinesen, geändert werden. Ueber die irischen Angelegenheiten äußerte sich Bannerman dahin, daß die Untonisten auf Grund des Vertraueng, das sie durch ihre kürzlich getroffenen Maßnahmen dem irischen Volke gezeigt hätten, ein umfassenderes System für die Beteiligung des irischen Bolkes an der Fübrung der irischen Angelegenheiten eher freudig begrũßen, als sich ibm widersetzen sollten. Die Aufhebung der Ausnahmegesetze gegen Irland sei ein Teil der Regierungsvolitik. Dank der Energie Chamberlain sei die Zollfrage in eine neue Phase getreten, und Chamberlain sei nicht Fährer der Opposition, fondern Fũhrer des Führers der Opposition.

Im Laufe der weiteren Diskussion sagte Redmond, daß Irland der Schandfleck des Reiches und sein kostspieligfter, am schlechtesten Tegierter Bestandteil wäre. Die irische Partei wäre nicht im , um geringfügige Verbesferungen der Lage des irischen dolkes, sondern um gänzliche Freibeit für ihr Land zu erreichen, und die gegenwärtige Regierung bätte die Verpflichtung ubernehmen müssen, das Homerulegesetz für den Zeitraum von 20 Zabren zu ge⸗

wãhren. Frankreich. Die Deputiertenkammer begann in ihrer gestrigen Sitzung die Beratung des Koloniakbudgets.

Nach dem Bericht des W. T. B. brachte Racanet Sor.) eine Interpellation ein, betreffend den Congo, und warf dor, daß sie der Mission de Brazias Hinderntsse Bericht der Mission nicht veröffentlicht babe. Sodann kritifierte der . die Haltung Gentils während seines Aufenthaltz im Congo 9 . . .

Sierauf wurde die Weiterberatung auf heute vertagt.

Rußland. Der Handelsminister Timiriasew hat seinen Abschied wegen Meinungsverschiedenheit mit dem Kabinett in Fragen der allgemeinen Politik eingereicht. Laut Meldung der St. Petersburger Telegraphen⸗ agentur aus Tschita sind der Gouverneur und der Vize⸗ gouverneur vom General Rennenkampf wegen Unfãhigkeit von ihren Aemtern abgesetzt worden.

Spanien.

Die „Agence Havas“ veröffentlicht aus Algeciras bezüglich der Polizeifr age folgende deutsche Note und die darauf ergangene französische Antwort: Die am Dienstag v. W. übergebene deutsche Note schlägt zunächst vor, die Polizei in den Händen des Sultans zu belassen, der fremde Offiziere wählt, um sie mit der SOrganisatlon des Polizeikorps zu beauftragen. Die Note schlaͤgt dann weiter vor, daß die Organisation der Polizei von dem diplomatischen Korps in Tanger überwacht werden und daß ein einer neutralen Macht angehöriger Offizier als Mittelsperson für die Ueberwachung dienen soll. Die vorgestern übergebene französische Antwort erklärt sich damit einverstanden, daß die Drganisation der Polizei dem Sultan überlaffen wird unter der Be⸗ dingung, daß die von ihm mit dieser Organifation in den Seestãdten Marokkos beauftragten Offiziere Franzosen und Spanier sind. In der Antwort heißt es weiter, Frank— reich werde sich nicht 3 re. später die Frage der Ueber⸗ wachung zu prüfen, wenn Deuischland sich mit dem Grundsatze einverstanden erklärt, daß die mit der Organisation der Polizei beauftragten Offiziere Franzosen und Spanier sein sollen. Hierzu bemerkt die Norddeutsche Allgemeine Zeitung!: In den Vorbe prechun zen in Algeciras wurde zuerst von französi⸗ scher Seite ein Doppelmandat an Frankreich und Spanien zur Organisierung der Polizei angeregt. Deutschland konnte darauf nicht ein gehen, weil damit Frankreich das absoluie volitische erer g. auch im Westen Maroktes verliehen würbke, was mit Ten Grundsãtzen der Internationalitãt und der offenen Tür nicht ver⸗ träglich erscheint. Die deutschen Delegierten erhielten dann den Auftrag, vorzuschla gen, daß dem Sultan die Verpflichtung

es sind, getreten sind, und wir werden unweigerlich auch auf diesen Vertrag rie Ständigkeit der Politik zur Anwenturg bringe, die bei der Besprechung beivorgeboben ist. Konferenz in Algeckras saate Riwon: Ich wüßte im Augen blick nichts; was mich veranlassen lönnte, an einem be. friedigen Abschluß der Konferen zu wveifeln. So wie die Sache jetzt liegt, werden wir bekanntlich Frankreich unsere volle diplo matijche

Ja ben auf die

dem Sitzungssaal und verlas von der Präsidententribüne in Segenwart von V bis 40 Abgeordneten das die Aufiösung betreffende Handschreiben des Königs. Gleichzeitig erklärte de? Kommissar, daß, falls versucht werden sollte, trotz der recht! kräftigen Auflösung die für übermorgen anberaumte Sitzung abzuhalten, dies mit Waffengewalt verhindert werden würde Hierauf wurde das Abgeordnetenhaus polizeilich ge⸗ räumt, die Türen gesperrt und versiegelt und eine Polizei⸗ wache vor dem Tore aufgestellt ;

S in der Throarede entworfen sei. Chamberlain brachte sein Be— friedigung über die Erklärungen in bezug auf die auswärtigen An⸗

Unterstützung zuteil werden lassen, und der dortige britische Ver. treter hat dement prechende Instrukrionen erhalten. Wir haben bre Frage auch einige gleichberehtigte Interessen in Marokfo, aber Ficse Interessen berieben sich haupt chlich auf Aufrtchterbaltung der Ordnung und des Prinzips der offenen Tũr sowie den For schtitt der Zivilisation. Nach weiterer Diskussion wurde die Adresse angenommen. Im Unterhause sprachen sich Acland und Dickinson an.

erkennend über daz Programm für die soziale Gesetzgebung aus, wie

aufiuerlegen sei, die Polizei mit Hilfe fremder Instrukteure und

unter Uekerrrachung durch das diplomatische Korp in Tanger selbft

zu organisieren, und zwar sollte der Sultan entweder auf Instrukteure von Mächten zweiten Range? beschränktt sein oder freie Bahl unter den verschtedenen Natienalitäten haben. Da ter franzoösische Dele⸗ gierte Rénoil segleich Bedenken gegen die erste Aiecnafipe erbob, beschränkte sich der dertsche Delegierte von Radowitz auf die zweite: freie Wahl des Saltang. z

Die französische Ant wort lehat den deutschen Vorschlag ab und unterschtidet sich in der Sache nicht wefentlich Jon der frũheren For⸗

derung eineg sra t õsisch · sxan ichen Doppel mandatg. In der praktischen Wirkung wäãrde der fran zöstsch⸗ GSegenvorschlag doch darauf hinaus.

laufen. Fran frrich einen fast ausschließlichen politischen Einfluß am atlantischen Fästengebizt zu verschaffen und damit die freie Ent wick. eng der wirticka tlichen Intereffen zu beeinträchtigen. Eben weil

Deutschland die durch rie algerische Grenzlage gegebene, durch

Verträge befestigte be sondere Stellung Frankreichs zu Marokfo anerkannt und ibm daber in dem Grenzgebiete free Hand gelassen

es sich nach seiner ganzen bisherigen Politik nicht wohl 83 te n gn, , tu noch den entscheldenden politischen sinfluß an der margkkanischen Käste unter Ausschluß aller nicht durch Sexaratverträge gebundenen Mächte zu übertragen. Erscheint uns Täber auch die franzäsische Antwort nicht befriedigend, so wollen wir gch noch nicht die Hoff nung aufgeben, daß eine Verständigung auch n der Follielfrage schließlich eriielt werden wird.

In der gestrigen Sitzung der Deputiertenka mmer rechtfertigte, wie W. T. B. berichtet, der Ministerpräsident Moret den Gesetzentwurf, betreffend die Ueberweisung der Aburteilung von Vergehen gegen die Armee und das Vaterland an die Militärgerichtsbarkeit, mit der Notwendigkeit, den Zwiespalt zwischen dem militärischen und dem bürgerlichen Element auf parlamentarischem Wege zu lösen.

Der Deputierte Maura, der Führer der kenserbatlven Partei, erklärte im Laufe der Debatte, daß die Konservatiwen für das Gesetz stimmen würden, da dieses den unglücklichen Verhältnissen in Spanien ein Ziel setzen würde. Moret verlangte darauf eine dringliche Ab⸗ stimmung. Infolge heftiger Qpposition der Katalanisten wurde die Sitzung unterbrochen; nach ihrer Wiedereröffnung erneuerten die

Faialanisten ihre Angriffe.

Dänemark.

Der König Frederik hat, einer Depesche des, W. T. B.“ zufolge, gestern nachstehenden Dan kerlaß bekannt geben lassen: Nachdem unser heißgeliebter, im Herrn dahingeschiedener Vater jetzt zur letzten Ruhe bestattet ist, ist es für meine Geschwister, meine FHemahlin und mich, die wir alle an der Bahre des Königs ver⸗ sammelt gewesen waren, ein tiefgefühltes Bedürfnis, dem dänischen Volke unsern innigsten und wärmsten Dank für alle die liebevolle Teilnahme auszusprechen, für die wir in diesen 36 der Sorge so mannigfaltige, rührende und teure Beweise erhalten haben. Nach dem Trost, den wir bei dem suchen, der in seiner Gnade unseren lieben Fater so sanft, so ruhig und so schön zu sich rief, finden wir, seine Finder, unseren besten Trost in dem Bewußtsein, daß das Volk mit uns über das Hinscheiden seines alten unvergeßlichen Königs trauert. Gott segne das Volk und das Vaterland!

Amerika.

Wie „New York World berichtet, hat das mit dem Ent⸗

wurf einer Gesetzgebung für die Lebensversicherung beauftragte Pruͤfungskomilee die Annahme einer Gesetzgebung nach dem Muster des preußischen Gesetzes empfohlen, in der Absicht, daß es den Versicherungsgesellschaften nicht gestattet sein soll, ihre Kapitalien in Aktien anzulegen. Es soll den Gesellschaften ein Zeitraum von 5 Jahren gewährt werden, innerhalb dessen . über ihr gegenwärtiges Vermögen Ver⸗ fügung treffen sollen. 6. 2. gen. . in Washington eingegangenen Meldung des Reuterschen Bureaus“ ist ein Mordversuch gegen den Präsidenten der Republik Kolumbien, Reyes, am am 10. d. M. verübt worden. Als der Präsident im Wagen fuhr, wurden acht Schüsse abgegeben, von denen fünf den Wagen trafen. Der Präsident blieb unverletzt. ö

Die Streitfrage zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Venezuela wegen der An⸗ gelegenheit der Asphaltgesellschaften wird auf Antrag des Prã⸗ sidenten Castro dem Haager Schiedsgerichtshof zur Entscheidung zugewiesen werden.

A sien.

Nach einer Depesche des W. T. B.“ besetzten die nieder⸗ . Truppen vorgestern nach heftigem en, das Dorf Balboenta in der Landschaft Loewoe in Süd⸗Celebes. Der Feind hatte 90 Tote. Von den Regierungstruppen wurden 11 Mann verletzt. Das Dorf Masambo unterwarf sich.

Afrika.

Wie dem „Matin“ unter dem vorgestrigen Datum aus Melilla gemeldet wird, hat der Dampfer Turki“ die Faktorei Mar Chika beschossen und einen Teil der Gebäude in Trümmer gelegt. Die Rebellen erwiderten das Feuer, jedoch ohne Schaden anzurichten.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des ve ,, 36 Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (18) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatsminister, Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner beiwohnte, stand der am 7. März 1905 in Adis⸗Abeba abgeschlossene deutsch⸗ äthiopische Freundschafts- und Handelsvertrag zur ersten und event. zweiten Beratung. . .

Abg. Patzig (al): Ich möchte die erste Beratung nicht vorüber⸗ ehen . . n. Anerkennung dafür aus zusprechen, daß es ge⸗ ungen ist, in dieser weitgehenden Weise wirtschaftliche Vorteile jür den deutschen Wettbewerb in Abessinien zu sichern, die offene Tür für uns zu gewinnen und für das Deutsche Reich und seine Arbeit Vorteile zu sichern. Der Vertrag ist auf 19 Jahre geschlossen. In diesen jo Jahren werden sich zweifellos die Dinge so weit entwickeln, daß wir zu einem konziseren Vertrag kommen als dieser, der über die bisher geschloffenen Verträge hinausgeht. Ich darf bin zufügen daß wir in, Abeffinien irgendwelche politischen Hintergedanken bei dem Abschluß folcher Verträge und bei dem Eintritt unseres deutschen Handels in dieses Land überhaupt nicht verfolgen. Wir haben lediglich die Abficht, gleichberechtigt mit den übrigen Nationen dort Handel und Wandel zu pflegen. Nun sind ja im Augenblick einzel ne wichtige deutsche Interessen bereits in Abessinien entwickelt, wir werden darüber wobl spaäter noch nähere Auskunft erhalten. Wir müssen aber auch bei dieser Gelegenheit das Verdienst der Persönlichkeiten an⸗ erkennen, die sich um das Zustandekommen des Vertrags bemüht und ihn vorbereitet haben. Ich gedenle hier vor allen Dingen des ersten Unterbändlers, dem es gelungen ilt, die vorhandenen Schwierig- keiten zu überwinden, namentlich die Hindernisse, die früher gegen den Zutritt jede; Deutschen, Desterte chers und Italieners in Abessnien bestanden. Anerkennunz verdient auch unser. Vertreter Dr. Resen und die außerordentliche Gesandt chat, die sich um das Zustandekommen diefes Vertrages ein erhebliches Verdienst erworben Faben. Dr. Rojens Verdienst ist um so höher anzurechnen, alf ihm Ver. bältnisse gegenübertraten, die ihm vollstãndig fremd waren. Man lonnte dielleicht geneigt sein, die wirtschaftlichen Inte re ssen PHeuntl gan da in Abessinlen zu überschätzen, umsomehr ist der Bericht Dr. Rosens anjuerkennen, der uns über die Verhältnisse volle Klarheit. de. schafft. Ich möchte die Hoffnung binzufägen, daß es der Tätigkeit unsereg Gefandten gelingen möge, noch möglichst viel fär a . auf wirtschaftlichem Gebtete herauszuschlagen. Ih bedaure, daß das Kautschukmonopol an England gegeben worden ift. und ich hofft, daß es bei dem Bau von Eisenbahnen, die dort geplant sind, gelingen wird, daß eine internationale Aufsicht statuiert wir? und daß nicht die Gisenbahnen unter der Kontrolle eines einzelnen Landes gebaut werden.

ich, daß es der Tätigkeit unseres Gesandten gelingen k 2 ö. poftalsschen Einrichtungen, die noch recht unzulänglich find, dem Weltpostwerein ö en. Der Vertrag sichert ung Freiheit für den Handel und , , . die offene Tür, ich kann Ihnen deshalb nur empfehlen, den ag anzunehmen.

Damit schloß die erste Beratung. In zweiter Beratung wurde der 9 in seinen Einzelheiten angenommen.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (27) ö welcher der Justizminister Dr. Bese ler bei⸗ wohnte, bie zweite Beratung des Staats haus halts etats für das Ekatsjahr 1906 und zwar zunächst die bei dem ersten Ausgabetitel des Etats der Justizverwaltung, „Gehalt des Ministers“, übliche n,. , fort. Abg. Pallaske (kons.): Ich babe mich eines Auftrags meiner politischen 6. zu entledigen. Zu nicht gerade erfreulichen Be krachtungen? gibt der vieigenannte Mötzen seeprozeß, Anlaß. Zwei Berliner Blatter, darunter der Vorwärts , hatten schwere Beschuldi⸗ gungen gegen die Verwaltung der Strafanstalt Plötzensee, besonders gegen die Gefängnizärzte gebracht, denen sie empörende Behandlung don. Gefangenen, fogar don geisteskranken, Gefangenen vorwarfen. Nach zweiwöchiger, an Aufregungen reicher. Gerichtsver handlung wurde ju meinem Bedauern ein Pakt jwischen den beleidigten Aerzten, ihrer vorgesetzten Behörde und dem Staatsanwalt einer⸗ seits und den angeklagten Redalteuren andererseits geschlossen und das Verfahren eingestellt. Dem Urteil des Abg. Lüdicke, daß dies eine Kapitulation der Stagtsgewalt vor den Re⸗ dakteuren, speziell den sozialdemokratischen, und ein Schlag gegen, das Anseben unserer Justi; war, muß ich mich an= U Der Minister hat darauf keine Antwort geben können, weil der Vorgang sich noch unter seinem Amtsvorgänger abgespielt hat. Nun ist der Projeß vorzeitig beendet worden, indem die An— geklagten eine Erklärung abgaben, wonach sie lediglich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Reformbedürftigkeit des Strafvolliugs hätten lenken wollen, daß sie weder den Nebenklägern, noch der Justimer waltung einen Vorwurf bätten machen wollen usw. Wenn diese Er⸗ klärung der angeklagten Redakteure, nachdem der Wahrheitsbeweis zusammengebrochen war, nachdem die völlige Haltlosigkeit ihrer Behauptungen ergeben hatte, aus freien Stücken abgegeben worden wäre, so wäre dadurch ein freundliches Licht auf die An= geklagten gefallen, und auch politische Gegner hätten ibnen ibre Sympathie nicht versagen können. Aber sie batten aus Partei fanatismus einen erbitterten Kampf gegen die Justiiverwaltung auf⸗ genommen, und diese Erklärung ist nicht aus freien Stücken erfolgt, fondern erst nach der Zurücknahme des Strafantrags haben sie sich dazu berbeigelassen. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß ich hierin eine eigenartige Kapltulation der Staatsgewalt vor den Angeklagten erblicke. Nun muß ich ja anerkennen, daß, wenn der Prozeß nicht auf diese Weise am 9. Juli vorigen Jahres zu Ende gebracht worden wäre, wir vielleicht noch heute mitten in diesem Prozeß stehen würden, der bereits einmal vorher vertagt gewesen war. Solche und äbnliche Erwägungen dürften schließlich die Justizverwaltung und die Staatsanwaltschaft dahin gebracht haben, dem grausamen Spiel ein Ende zu machen. Jedenfalls ist sebr zu bedauern, daß es in diesem Falle durch eine mit allen Künsten der Demagogie betriebene Aktion möglich geworden ist, die Staatsgewalt gewissermaßen lahm zu legen, und wir können nur der Hoff nung Ausdruck geben, daß derartiges künftig nicht wieder vorkommen wird. Im Anse cluß an die Sonnabendverbandlung empfehle guch ich bei der künftigen Straf rechtsreform die schärfere Bestrafung der Beleidigung und Verleumdung. Heute wird die Ehrabschneidung, die Ehrverletzung durchaus nicht hinreichend vom Strafgesetz getroffen, in vielen Fällen erfolgt Frei⸗ sprechung oder eine ganz gelinde Bestrafung; ja, es ist unter den heutigen Vorschriften, namentlich auch hinsichtlich des Wahrheits. ben en, oft sehr schwer, wenn nicht ern unmöglich, vor Gericht die Wiederberstellung der verletzten Ghre zu betreiben und durch- zusetzen. Ferner stimmen wir den 22 Forderungen bei, welche sich auf die Vermehrung des Persongls an Richtern und Justtzverwaltungsbeamten behufs schleunigerer Erledigung der Prozesse bezieben. Mit Befriedigung begrüßen wir die darauf bezüglichen in diesem Etat enthaltenen Vorschläge; aber diese reichen bei weitem nicht aus. Auch den Klagen, ju deren Dolmetscher sich spenell der Abg. Broemel gemacht hat, den Klagen, daß das Publikum ebenso überbürdet ist wie die Richter, daß nicht nur die Sitzungen sich gan ungebührlich ausdehnen, sondern daß auch das Publikum zu überlangem Warten gejwungen wird, können wir ung nur an— schließen. Wir wünschen ferner lebbaft eine Erweiterung. der ustandigkeit der Amtsrichter. Mit der Mehr)abl meiner politischen reunde trete ich diesmal auch für die Gleichstellung der Gerichts- ekretäre mit den gleichgeftellten Beamten der Verwaltung behõrden ein. Wir waren bisher gegen dlese Forderung, aber die Mehr⸗ jahl von uns hat sich dadon überzeugt und anerkennen müssen, daß bezüglich der Leistungen sowohl als auch der Vorbildung der Anfpruch auf Gleichberechtigung mit, den Regierungssekretären gerechtfertigt ist. Ueber die. künftige Gestaltung unserer Strafprozeßordnung zu sprechen, ist nach unserer Meinung ebenfalls hier im preußischen Abgeordnetenbkause der Ort und auch die ein nachdem in den Landstuben zu München, Dresden ꝛc. unter Mitwirkung der Minister davon gesprochen worden ist. Wenn es sich auch um eine Aufgabe der Reichsgesezgebung bandelt, so ist doch der n Staat in der Lage, auf i Rei ge fe , , einzuwirken. Cs ist aber auch Zeit und jwar bobe Fit, darüber ju sprechen. Die verbündeten Regierungen haben im Reichtjustizamt eine Kom mission von Sachverständigen jur Vorberatung dieser Reform zu⸗ sammenberufen, der Professoren, Verwaltunggbeamte 2c. angeb ren. Zar Erörterung steht in diefer Kommission auch die Frage der Bei⸗ behaltung der Schwurgerichte oder ibrer Ersetzung durch grohe Schöffengerichte. Neuerdings hat der sächsische Justizminister erklärt, es werde an den Schwurgerlchten festgehalten werden, man werde an ihnen nicht rütteln. Wir steben auf einem anderen Standhunkt— wir halten die Ersetzung der Schwargerichte durch große Schoffen⸗ gerichte für angezeigt und geboten. Man schilt uns dafür reaktionär; aber wir erwidern: Aus reiner Gefüblsyelitik ohne sachliche Srũnde an etwas Bestehendem festzubalten, ist falsch. Und nun gar die Phrase von dem Palladium der politischen und bürgerlichen Freiheit. Gs bandelt sich um keine politische Frage; ich wüßte auch wirklich nicht, wie wir Konfervativen von Partei wegen dazu kommen sollten, uns gegen die Schwurgerichte zu wenden. Wir wünschen auch keine Aufbebung, sondern nur eine zweck mäßige Umgestaltung der Mitwirkung des Volkes bei der . sprechung. Diese Zweltellung in unserer Rechtspflege, nach der die Geschworenen über die Schuldfrage entscheiden und ein anderer Ge- richtsbof über die Art der Strafe befindet, balten wir für gerade n unnatürlich. Wir meinen auch, daß ein Angeklagter bei dem Berufs- richter beffer aufgehoben ist als bei den Geschworenen; denn wieder bolt haben 1 die Geschworenen irrtümlicherweise schuldig ge⸗ sprochen. Sie Rollen aug alledem entnehmen, daß, wenn wir für eine zweckmäßige Umgestaltung der Schwurgericht. eintreten, wir uns lediglich von sachlichen Gründen leiten lassen. In einer anderen Frage boffe ich nicht nur auf die Zustimmung meiner Freunde, sondern auch der anderen Parteien, nämlich in der Frage einer Entlastung der Geschworenen. Ge ift richt richtig, kaß während einer Schwurgerichts˖ periode Tag für Tag 39 Männer nach dem Gericht gehen und stunden⸗ lang warten müssen, damit bei einer Beanstandung von Geschworenen durch den Staats inwalf oder den Angeklagten Ersatzmänner da fad Wir halten fest an der Mitwirkung des Laienelements, aber sie muß in zweckmäßiger Weise umgestaltet werden.

(Schluß des Blattes.)

Dem Reichstage ist der Vertrag zwischen dem Fiskus des rn . Suͤdwestafrika und der Deutschen cher Eisenbahnbau⸗ und Betriebsgesellschaft zu Berlin über den Bau einer Eisenbahn von Lüderitzbucht nach Kubub zur Kenntnisnahme zugegangen.

Statiftik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die im „Verband der baugewerblichen Hilfsarbeiter organisierten Brunnenbauer und Hilfsarbeiter Berlins und der Umgegend waren, der Voss. Ztg.“ zufolge, am Sonntag versammelt, um über die in Aussicht genommene Lohnbewegung zu beraten. Es wurde be⸗ schlossen, die im Jahre 1905 vertagte Bewegung in diesem Jahre durchjuführen und eine Kommission beauftragt, gemeinsam mit dem Vorstand des Verbandes auf der Grundlage der im vorigen Jahre aufgestellten Forderungen einen Lohntarif auszuarbeiten, der am 5. März einer Versammlung zur Beschlußfassung unterbreitet werden soll. An demselben Tage fand auch eine zahlreich besuchte Versammlung der im tech nischen Hartgumm i⸗ fach beschäftigten Arbeiter statt, die über die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage berieten. Vertreten waren zehn Betriebe, dar⸗ unter die Siemen. Schuckert⸗Werke sowie das Kabelwerk zu Ober- schöneweide. Der Durchschnittswochenverdienst soll sich auf 25 4 stellen, steigt in einzelnen Fällen über 40 , soll aber auch häufig unter 20 S heruntergehen. Die zehnstündige Arbeitszeit ist vor⸗ herrschend. Verlangt wird die allgemeine Einfübrung der Lohnarbeit und gänzliche A af, . , Weitere Versammlungen werden zur Tariffrage Stellung nehmen. ,

Lu Leipzig wird dem W. T. B“ telegraphiert: In der gestrigen Kommisstonssitzung des Verbandes von Arbeitgebern der sächsischen Textil in dust rie wurden nach , Prũfung der Verhältnisse die Arbeitseinstellungen eines Teiles der Arbeiter der Leipiiger Baumwoll spin nereien als vertragswidrig und unge. rechtfertigt erklärt und den genannten Etablissements der Schutz des Arbeitgeber verbandes zugesichert. (Vgl. Nr. 42 d. Bl) . In Ham burg sind, wie der Frkf. Ztg.“ gemeldet wird, S000 Schauerleute und 809 Kohlenarbeiter in eine Lohn bewegung eingetreten, nachdem kleinere Arbeiterkategorien im Hafen in voriger Woche teilweise auf friedlichem Wege Zugeständnisse erzielt atten. 2 .

) Der Kongreß der Bergleute aus dem Bezirk Charleroi bat, wie die Köln. Ztg.“ erfährt, einen Beschluß angenommen, nach welchem die Bemühungen fortgesetzt werden sollen, um von den Grubenleitungen, die noch keine Lohnerhöhung jugestanden haben, eine solche zu erwirken. Die Belegschaften wurden aufgefordert, sich nicht in Teilausstände zu begeben.

Kunft und Wissenschaft.

Für die im Jahre 1966 vom Verbande der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein geplante große Kunstausste llung in Cöln werden die Vorbereitungen eifrig betrieben. Aus Bürgerkreisen gingen dem Unternebmen reiche Geldspenden zu, sodaß sich der Etat der Aus. stellung bereits auf 511 820 6 beläuft. Die Ausstellung soll charakteristische Werke deutscher Malerei aus allen . und Schulen, vornehmlich der rbeinischen Malerei, umfassen. Eine besondere Ab⸗ teilung soll eine Sammlung wertvoller Porträts Cölner Bürger aus allen Zeiten bilden; ferner ist eine Empire⸗Ausstellung in Aussicht genommen.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Die Zentrale für Viehverwertung, e. G. m. b. H, hat ihre 38. ordentliche Generalversammlung am Freitag, den 16. Februar, unter sehr reger Beteiligung ihrer Mitglieder in Berlin abgehalten. Der Vorsitzende des Vorstands, Landes öskonomierat Ring, konnte von einer günstigen Entwickelung des Geschäfts, die fast eine Verdoppelung der vorjährigen Umsätze in Vieh bedeutet, berichten, und die Generalversammlung war in der Lage, nicht nur wiederum sebr bohe Abschreibungen und Rückstellungen vorzunehmen, sondern auch, wie in den vorhergehenden 3 Jahren, die Verteilung einer Divldende von 6 v. H. auf die eingezahlten Geschäftsanteile zu be- schließen. Lebhafte Anerkennung fand das erfolgreiche Eingreifen der Genossenschaft zur Linderung der Fleischteuerung in Oberschlesien durch Lieferung von Schweinen 21. Von allen Selten wurde aber dem Landesökonomierat Ring darin beigestimmt, daß die Genossenschaft auf die Dauer ihre große volkswirtschaftliche Aufgabe, in die Fleisch= versorgung der deutschen Bevölkerung regulierend einzugreifen und der deutschen Viehzucht den Fleischmarkt ju erhalten, nur dann erfüllen könne, wenn die gesamte vieb⸗ baltende Landwirtschaft sich genossenschaftlich orga⸗ nifiere und sich einheitlich zusammenschließe. Es müsse unbedingt erreicht werden, daß die Vieh produnierenden Landwirte den Fleischern wieder nahe gebracht würden; nur dann könne es gelingen, die vielen verteuernden Zwischenstationen vom Landwirt bis zur Hausfrau in der Stadt auszuschalten und den Konsumenten den Viehpreisen ent⸗ sprechende Fleischpreise zu sichern. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Pöajor von Schütz. Weßlienen, richtete einen warmen Appell an die Anwefenden, samtlich an ihrem Teile mitzuwirken, damit der Genossen- schaft immer mehr Mitglieder zugeführt werden; gleich; eitig aber betonte er, daß es Aufgabe der Landwirtschafts kammern sowie der anderen genossenschaftlichen Organisationen sei, einen leistungsfähigen Unterbau in ihren Bezirken für eine einheitliche Zusammenfgssung der Viehverwertung in der Hand der Landwirte ju schaffen. Dann aber werde es auch ficher gelingen, die Fleischteuerung dauernd zu beseitigen. denn der Landwirt wolle keine Wucherpreise für sein Vieh, sondern ihm sei nur an möglichst gleichmäßigen, mittleren Preisen gelegen, die auch für den Konsumenten von Vorteil seien.

Die Qualität der 1905er Rheinweine wird als mittelmäßig bezeichnet; die festgestellten Mostgewichte schwankten mwischen 60 53 nach Dechsle; höhere Mostgewichte bis zu S9 wurden nur dereinjelt wahrgenommen. Quantitativ wurde im Reintal , in besseren Lagen Herbst 26 i mr trat jedoch infolge der Peronospora ein vollständiger Ausfall ein. .

. 2 der Mosel weine war infolge des verheerenden Auf · tretens der Peronospora in den meisten Lagen sehr gering; in dielen Fällen konnten nicht einmal die Kosten des Lesens gedeckt werden, so⸗ daß von vornherein vom Lesen Abstand genommen wurde. Erfreulicher⸗ welse wurde eine ganze Neihe besserer und bester Lagen von der Peronospora wenig oder gar nicht geschädigt, weil die Besitzer sich bemũbt kr rechtfeitig und sorgfältig mit Kupferkalkbrũhe zu spritzen. 4 Spritzen hiermit bat sich ũberall, wo es zur recht en 36

und in der richtigen Weise angewendet wurde, als Mittel zur Bekämpfung der Peronospora bewährt. Auch dort, wo bei der erften Anwendung der richtige Zeitpunkt verfehlt wurde, ist wenigstens das Laub der Weinstöcke dadurch n. und das Ausreifen der Rebstäcke gefördert worden. Die Qualität der Moselweine war in den einzelnen Lagen je nach dem Um ang des Auftretens der Peronospora verschieden, im allgemeinen jedoch besser, als man anfangs vermutete. Es wurden 17 bis 21 6 für den Zentner

n zablt. ,

363 83 Nahe ist die Weinẽrnte im Durchschnitt nicht über Er- trag Hinaus gekommen; die Qualität der 1808er Nabeweine 6 so gut, wie man gehofft hatte, entspricht aber einem guten Mittel⸗ wein.

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