Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. NA. Sitzung vom 20. Februar 1906, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Das Haus setzt die zweite Beratung des Staats⸗ haushaltsetats für das Etats jahr 1906 und zwar zunächst die bei dem ersten Ausgabetitel des Etats der Justlzverwaltung, „Gehalt des Ministers“, übliche all⸗ gemeine Besprechung fort. . .
Nach dem Abg. Pallaske (kons.), über dessen Ausführungen bereits in der . Nummer d. Bl. berichtet worden ist,
erhält das Wort .
Abg. Dr Eckels (ul.): Die Reform des deutschen Strafrechts ist zwar in Aussicht genommen, zweifellos wird aber noch manches Jahr vergehen, ehe sie sich verwirklicht. Es min danach als eine Pflicht der Justizverwaltung erscheinen, noch vor Eintritt der Reform bei . Bestimmungen die bessernde Hand anzulegen. Zu einer solchen Bestimmung rechne ich den 5 270 des preußischen Strafgesetzbuchs vom 4. April 1351, der in das deutsche Strafrecht nicht über nommen, seit 1870 nicht angewendet worden ist und in Vergessenheit geriet. Durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts ist er wieder auf⸗ galvanisiert worden. Nach diesem 5 270 soll mit Geldbuße bis zu 00 Talern oder mit Gefängnis big zu 6 Monaten bestraft werden, wer andere von der Mitbeteiligung bei den von öffentlichen Behörden ver⸗ anstalteten Versteigerungen oder Auktionen durch Gewaͤhrung eines Vorteils abhält. Man sucht vergeblich nach einem diktatorischen Grunde für eine solche Bestimmung. Rechtlich müßte den privaten Versteigerungen der gleiche Schutz gewährt werden. Der Grund ist also lediglich ein fiskalisches Interesse. Als 1904 eine große Anzahl von Holzhändlern sich darüber geeinigt hatte, hei einer Holzauktion in Hannoversch⸗Minden zwar jedem der Vertiagschließenden das Bieten in der Auktion freizulassen, ihm aber die Verpflichtung aufzuerlegen, das von ihm erworbene Holiquantum unter den Vertragschließenden zur Versteigerung zu bringen, wurden die sämtlichen Kontrahenten zu einer Geldstrafe verurteilt und das Urteil vom Kammergericht be⸗ stätigt. Eine beim Abgeordnetenhause eingereichte Petition von der Vereinigung der Handelskammern im Jahre 1905 batte keinen Erfolg. In der Petition war nicht die Aufhebung des 8 270, sondern dessen Aenderung dahin verlangt, daß die Strafbarkeit nur bei Zwangs⸗ versteigerungen eintreten solle, aus dem einleuchtenden Grunde, daß bei Zwangaversteigerungen der Schuldner sich in einer Notlage befindet, 39 er nicht in der Lage ist. bei ungenügendem Gebot den Verkauf aufzuheben, was sonst jedem Veranstalter einer Auktion freisteht. Dies ist damals anscheinend von dem Regierungsvertreter übersehen worden, und ich richte deshalb an den Herrn Justizminister die Bitte, die Frage der Aufhebung oder Aenderung des § 270 erneut zu erwägen. Abg. Brütt (freikons.): Die beweglichen Klagen, die wir in der ,,, und hier auch diesmal wieder geäußert haben über den Mangel an Richtern, werden ja zu einem Teil durch den Etat be— seitigt, da derselbe die Vermehrung der Richterstellen um 200 in Aussicht nimmt. Aber diese Vermehrung ist durchaus unzureichend. Auch wird die Vermehrung der Zahl der Richterstellen allein die so beklagenswerten Verschleppungen der Zivilprozesse nicht beseitigen. In,. Deutschland gelangen 55 (/ aller kontradiktorischen land— gerichtlichen Prozesse zum Endurteil binnen 6 Mongten, in Oesterreich dagegen 54 bo schon binnen 3 Monaten. In Deutschland ist die Zahl der überjährigen Prozesse etwas größer als die Zahl der über halbjährigen in Oesterreich. Dieser Unterschied wird wenigstens teil⸗ weise durch die Verschiedenheit des Prozeßverfahrens herbeigeführt. Deshalb würde die auch sonst sehr notwendige Reform der Zivil⸗ prozeßordnung in Deutschland doch haldigst in Angriff ju nehmen sein. Diese Reform wurde . 1898 versprochen, aber sie ist bis heute nicht gekommen. Insbesondere wird dabei auf eine Verein⸗ fachung des JZustellungswesens Bedacht zu nehmen sein.
Abg. Peltasohn (fr. Vgg.) geht auf die Ausgestaltung der Waisenpflege und die Behandlung der Jugendlichen vor Gericht und in den Gefängnissen näher ein. In Amerika sei man dazu über— gegangen, die Jugendlichen vor Sondergerichte zu verweisen. Ein solches Verfahren in Deutschland nachzuahmen, möchte er nicht empfehlen; aber eine gesonderte Behandlung müsse erstrebt werden. Cine Anzahl. Vorschläge in dieser Richtung seien an verschiedenen Stellen, so in der juristischen Presse und namentlich auch in einem im Ressort des Ministeriums des Innern über die Frage der Jugend⸗ fürsorge erstatteten Bericht gemacht worden. Einiges sei schon ohne Aenderung der Strafprozeßordnung erreichbar, so die vorläufige Unterbringung, in Fürsorgeanstalten an Stelle der Unter— suchungshaft in Gefängnissen, die Absonderung der Jugendlichen von den Erwachsenen im Strafverfahren, Hinzuziehung eines Pfrychiaters zur Beurteilung des. Geisteszustandes, eventuell die Bestellung von Lehrern, Erziehern, Aerjten als Schöffen. Mit der Einführung der bedingten Sg im 1896 sei ja auch ein Schritt der Besserung auf dlesem Gebiete gemacht worden. Der Redner kommt hierauf auf die Frage der Gewährung von Diäten an Schöffen und Geschworene zurück und bemerkt: Das Recht der Laien zur Teilnahme an der Rechtsprechung, ein wichtiges politisches Recht, das sich das Volk errungen hat, wird tatsächlich gemindert und eingeschränkt, wenn im wesent⸗ lichen nur Wohlhabende sich als Geschworene und Schöffen berufen lassen können. Die Befürchtung, daß bei der Gewährun von Diäten etwa die Sozialdemokratie zum überwiegenden 6 . könnte, ist bei dem jetzigen Verfahren der Auswahl aus der HFeschworenen. und Schöffenliste ganz ausgeschlossen. Der Minister hat sich ja auch der Angelegenheit gegenuber sympathisch geäußert, und die Zulässigkeit der Landesgesetzgebung dürfte nicht zweifelhaft sein, die Reichsgesetzgebung widerspricht jedenfalls einer . Maßnahme nicht. Die Ausführungen des Kollegen Keruth über die gegenwärtige Ordnung des Gerichtsvollzieherwesens kann ich nur voll⸗ ständig billigen. Gerichtsvollzieherämter haben den Vorteil, daß größere Bezirke eingerichtet werden können; es würde dann auch eine viel schärfere Kontrolle der Gerichtsvollzieher eintreten können. Die Gerichtsvollzieher haben ihrerseits ebenfalls eine Reihe Ausstellungen an der neuen Gerichtsvollzieherordnung zu machen. Der Kollege Marr bat neulich gegen die Schmutzliteratur eine scharfe Rede gehalten; er ist aber erfreulicherweise dabei nur so weit gegangen, als wir es eben⸗ falls wünschen. Die Auslegung des 5 184 des Strafgesetzbuches durch das Reichsgericht ist eine durchaus zutreffende und zieht die Grenzen zwischen Kunstwerk und dem Gegenteil sehr scharf. Deese Definitlon hat sich indes bei den Gerichten noch nicht eingelebt, und dies⸗ urteilen vielfach den Nicht⸗Kunstwerken gegenüber noch recht lax. Auch nach meiner Meinung hat aber dabei i Marx der „Jugend“ völlig unberechtigte Vorwürfe gemacht. Mit dem Kollegen Brütt halte ich die Beschleunigung der Zivilprozesse für durchaus erwünscht; in Desterreich aber besteht ein ganz anderes Verfahren, das ja praktisch sein mag, aber es fragt sich nur, ob das schnellere Verfahren auch die Richtigkeit der Urteilssprüche verbürgt.
Justizminister Dr. Beseler:
Meine Herren! Der Plötzenseeprozeß, dessen der Abg. Pallaske heute wieder Erwähnung getan hat, ist auch nach meiner Auffassung unbefriedigenderweise zu Ende gekommen. Ich habe noch in Er— fahrung gebracht, daß diese Art der Beendigung gewünscht worden ist von einem der Verteidiger der Angeklagten, der gern die Sache er⸗ ledigt sehen wollte, ohne daß ein Urteil erging. Darauf ist dann eine Erklärung von den Angeklagten abgegeben worden, und der Ober⸗ staatsanwalt, dem, soviel ich weiß, die Entscheidung überlassen worden ist, hat den Strafantrag zurückgezogen. Daß nun bei den Erwägungen, welche er angestellt hat, auch wohl die Frage mit erörtert und ge— prüft sein mag, in welcher Weise der Prozeß denn überhaupt zu Ende gehen könnte, bejweifle ich nicht. Wie weit diese Erwägungen zu den
endlichen Entschließungen beigetragen haben, entzieht sich meiner Kenntnis.
Der Herr Abgeordnete hat sodann darauf aufmerksam gemacht, daß eine Reform des Strafrechts am Platze sei, und ich gebe ihm darin volllommen recht. Soweit es in meinen Kräften steht, werde ich dazu beitragen, daß auch an eine Reform des Strafgesetzbuchs nunmehr bald ernstlich herangetreten wird, und ich glaube, daß man wohl hoffen darf, daß in diesem Gesetz dann auch Vorschriften ent⸗ halten sein werden, welche den Schutz der pversönlichen Ehre wirksam gestalten. (Gravo Gleichzeitig oder noch eher wird eine Reform der Strafprozeßordnung stattfinden müssen. Die Verhandlungen dar⸗ über schweben bereits. Eine bestimmte Stellungnahme seitens der preußischen Staatgregilerung zu den Erwägungen und Vorschlägen, wie sie bisher geschehen sind, hat noch nicht stattgefunden, konnte auch noch nicht stattfinden, weil bestimmte Erhebungen tatsächlicher Art vorher⸗ gehen müssen. Ich hoffe, daß diese Erhebungen bald abgeschlossen sein werden, und die Stellungnahme wird alsdann erfolgen.
Ich hoffe, daß bei der bevorstehenden Reform der Strafprozeß⸗ ordnung sich auch ein richtiger Weg wird finden lassen, um dem oft bemerkten und beklagten Zustande entgegenzutreten, daß Zeugen und sonst vor Gericht erschienene Personen angegriffen werden in einer ungebührlichen Weise, wie das auch von dem Herrn Abgeordneten hervorgehoben und meines Erachtens mit Recht als ein Uebelstand hingestellt worden ist. Die Fragen über das Vorleben der Zeugen sind für das Gericht in vielen Fällen höchst peinlich; nach der jetzigen Gesetzgebung lassen sie sich nicht vermelden. Ich hoffe, daß ein richtiger Weg, dem entgegenzutreten, sich finden lassen wird.
Daß der Herr Abgeordnete sich für die Vermehrung der Richter⸗ stellen ausgesprochen hat, entspricht ja ganz meinen Auffassungen. Wir denken nicht daran, bei dem, was jetzt geschehen ist, stehen zu bleiben, sondern die Justizverwaltung wird auf dem Wege, für eine angemessene Zahl von Richterkräften überall zu sorgen, fortschreiten. (Bravo!) Bemerken will ich nur, daß die Zahl der bei den Land⸗ gerichten als Hilfsrichter beschäftigten Assessoren nicht so groß ist, wie der Herr Abgeordnete vermeint. Es sind dort zur Zeit 65 Amts⸗ richter als Hilfsrichter tätig, also eine ganz stattliche Zahl.
Nun hat der Herr Abgeordnete noch verschiedene Fragen berührt, welche die Prozeßordnung und den Strasprozeß betreffen. Ich glaube, es würde heute zu weit für mich führen, wenn ich darauf eingehen wollte (sehr richtig); das kann doch nur geschehen, wenn diese Gesetze demnächst einmal beraten werden. Für heute glaube ich die Fragen, die der Herr Abgeordnete an mich gerichtet hat, beantwortet zu haben. Der Herr Abg. Dr. Eckels hat auf den 5 270 des preußischen Strafgesetzbuchs hingewiesen. Diese Gesetzesvorschrift ist mir selbst in meiner Praxis häufiger als eine Unbequemlichkeit begegnet; denn man war sich im Unklaren darüber, welche Bedeutung sie noch habe, nach⸗ dem das neue Recht in Kraft getreten war. Die Anregung, diese preußische alte Bestimmung im Wege der Gesetzgebung zu beseitigen, ist dankenswert. Ich kann sie aber allein nicht lösen, sondern sie ge= hört mit in den Bereich anderer Ressorts; ich werde Verhandlungen mit diesen beginnen und, wenn angängig, dem hohen Hause einen den Wünschen entsprechenden Entwurf vorlegen. (Bravo!)
Wenn der Herr Abg. Brütt bemerkt hat, die Rechtsprechung sei zu langsam, so erkenne ich auch das als zutreffend an. Ich habe seit dem Jahre 1879, so lange das jetzige Gesetz in Geltung ist, nach meinen Kräften immer dahin zu wirken gesucht, Verzögerungen in der Prozeßentscheid ung zu vermeiden, so weit es in unseren Kräften steht; das Gesetz setzt den Gerichten aber eine Schranke; sie können nicht immer so schnell entscheiden, wie sie möchten. Das wird sich erst ändern lassen, wenn das Gesetz geändert ist. Es sind Vorarbeiten in diesem Sinne bereits begonnen; die Aenderungen werden sich, so weit ich es übersehen kann, zunächst hauptsächlich auf das amtsgerichtliche Verfahren erstrecken, es werden aber, wie ich hoffe, auch noch Bestim— mungen, die zu einer Beschleunigung der Prozeßführung hinführen mögen, vorgesehen werden können. Es ist hier auch auf die Kauf— mannsgerichte hingewiesen worden; dort geht es schneller, das ist ganz zutreffend. Sie arbeiten nach einem anderen Gesetze; würde dieses auch für die Amtsgerichte gelten, so würden dort die Sachen ebenso schnell wie jetzt bei den Kaufmannsgerichten erledigt werden. (Sehr richtig) Ich habe deshalb für meine Person die Hoffnung, daß die Abzweigung der Kaufmannsgerichte demnächst einmal wieder beseitigt werden wird. (Sehr richtig! Bravo!)
Schließlich hat noch der Herr Abg. Peltasohn einige sehr dankens« werte Anregungen gegeben. Die erste zwar, die Behandlung der Jugendlichen vor Gericht, ist noch eine ganz offene Frage, aber sie ist sehr beachtenswert, und sie wird, wie ich hoffe, mit gutem Erfolge durchgeführt werden. Schon jetzt bemerke ich, daß die Justizverwaltung, soweit die Gefängnisse in Frage stehen, sorgfältig darauf bedacht ist, die Trennung der jugendlichen von den alten Gefangenen durchzuführen, sodaß also dasjenige, was in der Macht der Justizverwaltung steht, schon jetzt geschieht.
Schließlich ist noch die Gerichtsvollzieherordnung erwähnt worden. Ich habe schon erklärt, daß ich bereit bin, sie noch einmal einer Prüfung zu unterziehen. Vieles, was der Herr Abgeordnete heute gesagt hat, entspricht durchaus meinen Ansichten. Ich glaube, das hohe Haus wird das Nähere von mir erst erwarten, wenn die Durcharbeltung stattgefunden haben wird, und ich in der Lage sein werde, über das Ergebnis Auskunft zu geben. (Bravo! rechts.)
Abg. Kir sch (3entr): War es zweckmäßig, in der Weise, wie der konservative Redner es tat, die Frage der Schwurgerichte an— zuschneiden? Wenn jede der polttischen Parteien hier dazu Stellung nehmen wollte, würden wir heute mit dem Justizetat nicht fertig' Ich habe den Eindruck, daß Herr Pallaske die Frage anschnitt, well seine Freunde im Reichstag, wenn wir demnächst die Frage dort be⸗ handeln, auf scharfen Widerspruch rechnen können. Dle Neichsgesetz= gebung zieht immer mehr Gebiete in ihren Bereich, die Gesetzgebung der Einzelstaaten ist beschränkt, und die Justizminister der Ginzel= staaten haben mehr und mehr ihre Tätigkeit auf dem Gebiete der Verwaltung und Srganisagtion und der Ausführung der Reichsgesetze. Aber auch der fande zges ef hung sind noch wichtige Fragen boör⸗ behalten, vor allem der Vorbereitungsdienst der Juristen und das Studium auf den Unlversitäten. Daß sie sich mehr mit staatsrecht. lichen und Verfassungsftagen, mit nationglökonomischen und fozial— politischen Fragen beschäftigen sollten, gebe ich im allgemeinen zu, aber mit Unrecht ist im Kerrenhaus geklagt worden, daß die Amts- gerichte einen zu formalistsschen Sitandyunkt einnehmen, wenn sie zu Unrecht erlassene Polizeirerordnungen kassieren. Warum soll das nicht auch der Amtsrichter tun, wenn daz Kammergericht sogar eine Polizei⸗ verordnung kassiert hat, die 50 Jahre lang bestanden hat? Wenn die im Herrenhause geforderte Beschäftigung der Juristen in der Ver— waltung ihnen nur das Verständnis für Poltzeiperordnungen bei—⸗
bringen soll, dann weise ich es zurück, daß die Amtörichter sich in dieser Weise mit Fragen beschästigen sollen, die nicht schch
mit der Jurisprudenz jusammenhängen. Das Vertrauen des Volkez zum Richter beruht auf dessen obsektivem Urteil. Ueber die Aus bildung der Juristen haben hler solche Se . geherrscht, daß wor ein Gesetz darüber wohl kaum zur Verabschiedung bringen können Ich hoffe, der Minister wird mit einer solchen Vorlage noch warten. bis eine Einigung der großen Parteien darüber stattgefunden hat Weiter habe 1 einen Wunsch daruber vorjutragen, daß der Bibliothefz. fonds der Amtsgerichte in kleinen Städten nicht so gering bemessen werden möchte wie bisher, denn gerade an kleinen Orten ist ber Amtsrichter nicht in der Lage, sich uber 5 Fragen mit Kollegen unterhalten zu können. Zum Schluß bittet der Redner um die Herab. n der Gerichtskosten bei einer Revision des preußischen Gerichts. kostengesetzes; er wünscht ferner den Neubau des Oberlandesgerichtz in Düssel dorf und spricht die Hoff nung aus, daß auch unter dem neuen Justizminister die Rechtspflege gedeihen möge. . Darauf wird die allgemeine Besprechung geschlossen.
Abg. Pallaske bemerkt persönlich gegenüber dem Abg. Kirs daß tier kein Recht hatte, die Lange seiner Rede zu mon , f. Kirsch zu den Herren gehöre, die am meisten das Wort er. griffen. ; . ;
Der Titel „Gehalt des Ministers“ wird bewilligt.
Bei den Ausgaben für die Oberlandes— ger iche ghet; il (
g. Dr. Keil (ul.) für Aufbesserung der Gehälter der ?
präsidenten bei den Qberlandesgerichten ein. h n tn
Abg. Dr. von Cam pe (ul.) bemängelt das Entgegenkommen der Behörden gegen die Querulanten, auf deren Anzeigen die Staatsanwälte mit einer Genauigkeit eingingen, die einer besseren Sache würdig wäre. Wenn vielfach über den Mangel an Assessoren bei den Staatz' anwaltschaften geklagt werde, so liege das daran, daß die Kompetenz der Staatsanwaltschaften durch die ihnen vorgesetzten Behörden so sehr eingeengt werde, daß es nicht verwunderlich sei, daß Leute in ibrem 30. Lebensiahr gern mehr selbständig handeln wollten. In einem Falle sei ein Erster Staatsanwalt seitens der Oberstaatsanwaltschaft durch eine Verordnung die einen starken Schulmeisterton verrate, an— gehalten worden, die Aktenguszüge korrekt und sauber geschrieben und ohne Flüchtigkeiten herstellen zu lassen. Die alten Staate anwãlte, die im Aktenstaub vergilbt seien, sagen zu solchen Verordnungen vielleicht nur: ‚Rede nur“, aber den jungen Assessoren sei es nicht zu verdenken, wenn sie dann lieber zu den Gerichten gingen.
Mit den Ausgaben für die Kanzlisten und Kanzlei— diãtare en die Denkschrift über die Dienst- und Ein⸗ kommensverhältnisse des Kanzleipersonals bei den Justizbehörden zur Besprechung.
Abg. Tourneau (Zentr wünscht Wohnungsgeldzuschüsse auch für die Kanzleigehilfen. Der Prozentsatz der etatömäßig an— gestellten Gerichtskanzlisten sei erheblich niedriger als der ähnlicher Kategorien bei den übrigen Behörden, 3. B. bei der Eisenbahn. Es bestehe auch die Vorschrift, daß den Kanzleidiätaren im Falle der Verhinderung aus zwingenden Gründen persönlicher Natur ihr Tagespensum vergütet werden ka mn; es wäre doch nur billig, wenn die Vergütung bei zwingenden Gründen gewährt werden muß.
Abg. Qu e hl (kons.) wünscht bei den aus Militäranwärtern hervor⸗ gegangenen Kanzlisten volle Anrechnung der Dienstzeit.
Abg. Keruth (fr. Volksp.) weist darauf hin, daß die Kanzlisten, wenn sie angestellt werden, sich oft schlechter stehen als vorher als Diätare. Die Kanzlisten seien auch durch den Fortfall der Orts- zulage schlechter gestellt worden, und bei der allgemeinen Gehalts⸗ erhö ung im Jahre 1897; seien sie vollständig übergangen worden. Wenn die Kanzlisten, um etwas mehr zu verdienen, des Abends bis in die Nacht mustzieren, köngten sie am nächsten Tage nicht mit der nötigen Sorgfalt ihre Arbeiten machen, die durchaus nicht rein mechanisch seien. Die Militäranwärter beschwerten sich mit Recht über Benachteiligung in der Zeit der Erreichung des höchsten Gehalts gegenüber den Zwilanwärtern; sie wünschten daher mit Recht die An— rechnung eines Teiles ihrer Dienstzeit für die Anstellung. ;
Geheimer Oberjustizrat Fritze: Diese Fragen sind bier schon oft besprochen worden. Die Regierung verfolgt sle selbst mit Interesse und wird bestrebt sein, für diese Klassen von Beamten zu erreichen, was irgend zu erreichen ist. In den Kreisen der Kanzlisten sind Irrtümer vorhanden über das, was ihnen dieser Etat bietet; ihre Besorgnisse sind unberechtigt. Die neuen Fristen für die Erreichung der höheren Lohnsätze bis zu 10 sollen für die Verwaltung nur Mußfristen sein, der höhere Lohnsatz kann auch schon vorher gegeben werden. Die Zivilanwärter sind in erster Linie auf die Versorgung in diesem Amte angewiesen, aber auch die Militäranwärter sollen an allen Vorteilen dieser Beamtenklasse teilnehmen. Ueber die Gleichstellung der Kanzlisten bei den Landgerichten mit denen der Oberlandesgerichte wird sich vielleicht reden lassen.
Abg. Werner (Rfy.) dankt dem Minister für sein Entgegen— kommen bezüglich der Versorgung der Witwen und Waisen der Kanzlisten. Leider bleibe die Tatsache bestehen, daß die Kanzlisten auch Sonn und Festtags arbeiten müßten, weil ihr Lohn zu gering sei. Der Kanzlist gehöte auch zu den Heimarbeitern, er müsse schließlich erschlaffen wenn er auch an Sonntagen arbeiten müsse. Als eine erhebliche Verbesserung könne noch nicht angesehen weiden, was für die Kanzlisten geschehen sei. Die Militäranwärter und die Zivilanwärter müßten in der Anstellung gleichberechtigt sein.
Die Denkschrist wird für erledigt erklart; die Be⸗ soldungen der Kanzlisten und Kanzleidiätare werden bewilligt.
Bei den außerordentlichen Remunerationen für , , nn,. beklagt
Abg. Witz mann (nul den Fall der Ueberlastung eines Gerichts- e, ge. und bittet um erhöhte Remuneration für dliese 32
eamten.
Abg. Dr. Dahlem (Zentr) bittet, daß den Beamten, welche zum Sekretär vorbereiten, während der Vorbereitunggzeit . ir, wegen ein Vertreter gestellt werde, damit sie diesen nicht mehr selbst zu bezahlen brauchten.
4 Kapitel der Landgerichte und Amtsgerichte wei
Abg. Bartling (nl) von neuem auf die Verzögerung der Gerichtstermine durch den Mangel an Richtern hin. zn. . in. Wiesbaden beständen in dieser Hinsicht große Mißstände, die schleuniger Abhilfe bedürften. Die Vermehrung der Richterzahl habe in Wiesbaden mit der Zunahme der Bevölkerung nicht Schritt gehalten. Die Bevölkerungszahl möge ja allein nicht maßgebend für die Anzahl der Richter sein, aber die Zahl der Prozesse habe gleich falls in stärkerem Maße als die Zahl der Richter zugenommen. Es sei vorgekommen, daß an einem Tage 95 Termine statt⸗ finden mußten. Das seien Zustände, die natürlich nicht auf die Dauer bestehen könnten, wenn nicht die Rechtsprechung darunter , . ö Abg. Freiherr von Wolff Metterni entr.) wünscht zwei neue Amtsgerichte im Kreise Eanten. . .
Ein Regie runggkommissar erwidert, daß diese Wünsche elner Prüfung würden unterzogen werden, eine beftimmte Zusage aber jetzt noch nicht gegeben werden könne.
Abg. Ca ssel. (fr. Volksp.): Ich will auf die bald in Kraft tretende neue Gerichigeinteilung von Berlin nicht näher eingehen, trotzdem diese viele Uebelstände nach sich ziehen wird. Diese Dinge sind oft genug besprochen und lassen sich jetzt auch nicht mehr ändern. Ich möchte den Herrn Minister nur ganz kurz fragen erstens, ob es nicht möglich sein wird, die sämtlichen Zivilkammern der drei Land— gerichte in einem Gebäude unterzubringen, zweitens, ob die Vorsitzenden der, Kammern nicht sämtlich Direktoren, statt wie jetzt zum Teil Richter, sein können.
Justizminister Dr. Beseler:
Meine Herren! Auch ich werde ganz kurz sein. Ich wollte nur hervorheben, daß alle durch die Neuorganisation der Berliner Gerichte erforderlichen Vorkehrungen getroffen worden sind, daß ich mich der
eren Hoffnung hingebe, daß Richter und Anwaltschaft vollkommen der Höhe ihrer Aufgaben stehen werden und daß die Ueberführung
. neuen Verhaͤltnisse ohne Schädigung des Recht suchenden
Yyublikums stattfinden wird. Im einzelnen bemerke ich, daß die Vereinigung der Zivil kammern n einem Gerichtsgebäude sich nicht wird ausführen lassen, daß da—
gegen für das Vorhandensein der erforderlichen Richterkräfte Sorge getragen werden soll. Einer Anregung des Herrn Vorredners folgend, sollen die Direktorenstellen beim Landgericht l, wie es im Etat vor⸗ gesehen ist, um 6 erhöht werden, beim Landgericht IL um 3. Soviel ist zur Zelt erreichbar gewesen. Es wird aber noch eine weltere Ver nehrung eintreten müssen, und ich hoffe, daß der Anregung des Herrn Vorredners spãter in vollem Maße entsprochen werden kann.
Abg. Faltin (Gentr) wünscht bei der Vermehrung der Richter⸗ stelen auch Groß. Strehlitz berücksichtigt zu sehen. Bei der Zunahme der Bevölkerung in Oberschlesien sei dort ein drittes Landgericht not wendig, wofür Kattowitz vorzuschlagen sei. Im allgemeinen empfiehlt der Redner eine Erweiterung der Kompetenz der Amtsgerichte, weil der Geldwert zurückgegangen sei; die Amtsgerichte müßten auch Wechsel⸗ und Zinsklagen über 300 M erledigen können. ,
Abg. fn nt (nl) tritt für die Beschaffung von Dienst. ph n g genen für die Einführung des Dienstaltersstufensystems ir die Richter ein. ;
ö. Abg. Br. von Campe (nl): Ich möchte die Aufmerksamkeit des Herrn Ministers und des hohen Hauses auf das Bestreben katholischer rden lenken, sich in das Vereinsregister oder in das Handel sregister als Hesellschaften mit beschränkter Haftung oder gar als Aktlengesell⸗ schaften eintragen zu laffen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das in Mißbrauch des Rechts ist, der vielleicht den Schein des formalen Rechts für sich haben mag, aber schen nicht dem Geiste und dem Sinne der Gesetze entspricht. Dieses Vorgehen erscheint mir in söchstem Grade bedenklich, da eg sich hier um religiöse Orden handelt; es kann das unmöglich zur Erhöhung des Ansehens dieser Orden hei⸗ tragen. Das könnte uns ja vielleicht gleichgültig sein; aber ich bin der Meinung, daß das Ansehen des Rechts einen ganz besonders starken Stoß erhält, wenn von seiten derer, deren Lebensaufgabe die flege der Religion sein soll, über das Recht gewissermaßen zur ,, übergegangen wird. Ich bin der Meinung, man sollte sich in dieser Beziehung eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. Anderer- seils ist aber auch gerade.. . .
Vizepräsident Dr. Porsch;: Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß es sich hier um den Titel Landrichter. handelt, mit dem Ihre Ausführungen doch nur in einem recht losen Zusammenbhange stehen. Wenn Sie diese Frage weiter behandeln wollten, so würde ich die anderen Herren Redner nicht daran hindern können, gleichfalls auf dieses Thema einzugehen. .
Abg. Dr. von Cam pe (ul) fortfahrend: In das Vereins⸗ resp. ane n, haben sich unter anderen eintragen lassen: die barm⸗ erzigen Brüder zu Montabaur, die Erziehungsanstalt zu Arenberg, der Orden der Alexandriner zu Aachen, die Ursulinerinnen auf dem Calvarienberge; schon die einfache Zusammenstellung barmherziger Schwestern mit einer Genossenschaft m. b. H. oder gar mit einer Iltiengesellschaft hat etwas geradezu Verhlüffendes und ist ganz absurd. Man e nicht Jurist zu sein, der Laienverstand genügt, um zu sehen, daß das nicht ganz in Ordnung ist. Die Angelegenheit hat einen ernsteren Hintergrund; es liegt ein Gewissenskonflikt vor, der das sogenannte Naturrecht mehr jur Geltung bringen möchte als das geschriebene deutsche Recht, der auch anklingt an den Kom⸗ mentar des Jesuiten Lehmkuhl zum B. G.-B., in dem es heißt, daß 41 über die Vereinsgesetzgebung nicht immer bindend lei und die religiöse Plichterfüllung sich darüber hinwegsetzen könne. Ich will einstweilen jwar annehmen, daß die betreffenden Persönlichkeiten in gutem Glauben vorgegangen sind, daß ihnen das Recht zur Seite stehe; dann haben diese Persönlichkeiten sicherlich Gewicht darauf gelegt, die Rechtsfähigkeit zu erlangen, weil solche Gesellschaften oft evhemere Erscheinungen sind, wenn sie nicht als juristische Persönlichkelten eine feste Position erlangen. Es gibt auch Juristen, welche dies billigen; aber was kann nicht ein Jurlst alles verteidigen und beweisen! In einem Fall ist eine Kammergerichtsentscheidung ergangen. Interessant war dabei die Energie und die Art des Vor—⸗ gehens. Es meldete sich zur Eintragung das Kloster der Benedik⸗ imnerinnen jur ewigen Anbetung mit dem Gesellschaftszweck: Förderung des Gebetelebens. Man denke nur die Förderung des Gebetslebens als Unternehmen einer handelsrechtlichen Gesellschaft! Da müssen doch Dissonanzen vorliegen, die man vermeiden sollte. Das Amtsgericht lehnte diese Eintragung ab; da kam man mit einem neuen Antrag und ab als Zweck des Unternehmens an; Förderung des klösterlichen Zu⸗ ammenlebens der Gesellschaft und Beschaffung des Unterhalts für die Mitglieder der Gesellschaft. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Dann kam ein dritter Antrag, bei dem als Gesellschaftszweck angegeben wurde: Unterhaltung der eingebrachten Immobilien und Kapitalien. . war also der Orden vollständig verblaßt, er trat lediglich in die
rscheinung als Gesellschaft mit dem Zweck, ihre Mitglieder zu ernähren. In dieser Form wurde die Gesellschaft eingetragen. Auf eingelegte Beschwerde erklärte das Landgericht und weiter das Kammergericht die Eintragung für unrechtmäßig auf Grund des 5 84 des Ein⸗ führun ö. zum B. G. B. und auf Grund des Art. 13 der preußi⸗ schen Verfassung, wonach Religionsgesellschaften Korporationsrechte nur durch einen Akt der Gesetzgebung erlangen können. Darauf er⸗ folgte die Löschung im Register. Wir müssen dem Kammergericht danken, daß es diesem Vorgehen Einhalt geboten hat; denn es steht mit dem Rechtsbewußtsein des Volkes und der Verfassungsautorität des Staates in Widerspruch. Nach meinem Gefühl heißt ea das Er⸗ habene herabzieben, wenn man eine Form dafür sucht, die nicht dafür geschaffen ist. In dem erwähnten Fall war die Erzielung eines Ge⸗ winnes der Gesellschaft ausgeschlossen, jeder Gesellschafter war ver⸗ pflichtet, seine Anteile zu einem Zwanzigstel des Betrages an die Gesellschaft oder eine von der Oberin bestimmte Persönlichkeit ohne weiteres abzutreten. Das Kammergericht entnahm auch daraus, 53 die Sache gar nicht ernst gemeint war. Fern liegt mir, au die Ordensschwestern einen Stein zu werfen; aber die Hintermänner, die vorhanden sein müssen, haben die Schwestern auf einen Weg ge⸗ bracht, wo man sonst Persöanlichkeiten findet, die in fraudem egi vorgehen, und wo man sagen kann: es ist etwas faul. Das ist ein
eg, der in mathematischem Sinne einer geraden Linie nicht entspricht. Ich habe 13 Fälle feststellen können. Hier mag wohl ein plan. mäßiges Vorgehen vorliegen; ich entnehme das aus der Zahl der Fälle, aus der Energie des Vorgehens sowie daraus, daß vor einigen Jahren in der bischöflichen Druckerei in Straßburg ein Handbuch er, schien, in dem ein Normalstatut einer religtösen Handelegesellschaft stand, sowie endlich aus einer ganzen Anzahl von Aufsätzen uber
diese Frage in der Literatur. In einem Aufsatze wurde Material
sür eine Statistik darüber erbeten und versprochen, daß auf Wunsch die Namen nicht in die Oeffentlichkeit gebracht werden. Danach sind die Hintermänner nicht so ganz bong fie, gewesen. Ich bitte den Minister, gerade jetzt, wo das Gesetz über die Rechts- fähigkeit der Berufsvereine im Reichstage zu erwarten ist, zu erwägen, ob diesem Vorgehen Einhalt zu gebieten ist. Beim Gesetz über die Eesellschaften m. b. H. wies kein geringerer als Baer darauf hin, daß mit der Eintragung der Orden als . m. b. H. der preußi⸗ schen Versassung ein Schnippchen geschlagen werden könnte. Man hat sich aber darüber hinweggesetzt, weil es genüge, in den Motiven 1 sagen, daß diese Bestimmung für religiöse Orden nicht bestimmt sei. Die erwähnten Fälle sollten aber dem Bundesrat für das Gesetz über die Berufsvereine ein Memento zur Vorsicht sein. Wie will man sonst verhindern, daß sich vielleicht 12 Jesuiten zu einem Berufs- derein zusammentun? Ich bitte den Minister, vorzusorgen, daß das Gesetz über die Berufsvereine die betreffenden Kautelen bekommt, sonst würdẽ der Reichstag vielleicht ein ultramontanes Kuckacksei aushbrüten, aus dessen Eierschalen der Jesuitenorden erstiege. Ich würde mich freuen, wenn das nicht zuträfe. (Zwischenrufe im Zentrum.) Nein, ich für
meine Person habe gar keine Angst. Ich will in die Selbständigkeit der Gerichte nicht eingreifen, aber jene Entscheidung des Kammer- gerichts könnte wohl den Gerichten mitgeteilt werden. Ferner könnte der Justizminister mit dem Kultusminister in Verbindung treten, und die Sandelskammern haben das Recht, Beschwerde gegen solche Ein- tragungen einzulegen. Mein Interesse an der Sache ist lediglich, daß Recht Recht und Gesetz Gesetz bleibt in Preußen, und daß wir vor⸗ sorgen, daß nicht der Buchstabe des Gesetzes über den Geist des Be, Sieger werde. .
izepräsident Dr. Porsch: Sie werden es verstanden haben, wenn gerade ich den Vorredner nicht gehindert habe, diese Ausführungen zu machen, die größtenteils zur . nicht gehören. Nunmehr muß sch aber bitten, daß die Herren, welche diese Digkussion fortsetzen wollen, es beim Kultusetat tun. Ich werde für die Folge darauf halten, daß zu diesem Titel gesprochen wird. ;
( ö To urn eau gentr.) bedauert, 6 beim Justijetat ein kleines Stück Kulturkampf in Siene gesetzt sei. (Vizepräsident Dr. Porsch: Ich habe die Sache bereits erledigt und bitte, darauf nicht zurück⸗ julommen.) Der Redner wünscht, daß bei Ansetzung der Termine auf die fatholischen Feiertage mehr Rücksicht genommen werden möge. Er schlägt ferner Gebühren für Schöffen und Geschworene vor, um a Handwerker und Arbeiter dazu heranziehen zu können. Zum Schlu bittet er den Minister, im Verein mit dem Minister des Innern auf eine Dezentralisation der Waisenpflege und Heranziehung von Frauen zu den Waisenräten, wie es schon jetzt mehrfach geschehe, hinzuwirken.
Geheimer Oberjustizrat Fritze erwidert, daß nach einer bereits seit 1350 bestehenden Verfügung guch außerhalb der Rheinprovinz für die katholische Bevölkerung 1 der Feiertage bei Ansetzung der Termine Rücksicht genommen werde, und daß diese Verfügung noch heute für alle Teile der Monarchie gelte.
Abg. Witzmann (nl) meint, daß viel von dem Schreibwerk, das den Richtern obliege, von den Gerichtsschreibern wahrgenommen werden könne.
Abg. Reinhard entr schließt sich dem Abg. Mathis in dem Wunsche an, daß zur Seßhaftmachung der Richter in den kleinen . Errichtung von angemessenen Dienstwohnungen äußerst angebracht sei.
Darauf wird die Besprechung geschlossen.
Bei den Besoldungen für die Staatsanwälte pricht Abg. Schiffer (nl.) seine Befriedigung über die neue Gerichts⸗ einteilung in Berlin aus, die nach seinem Dafürhalten besonders den Staatsanwälten die Möglichkeit biete, die Sachen, die sie bearbeitet baben, auch selbst in der Oeffentlichkeit vertreten zu können. In betreff der durch die neue Einteilung für Berlin eingeführten Konzentration der Amtsanwälte in Berlin fragt der Redner an, ob diese Form der Konzentration der Amtsanwälte auch für andere große Städte geplant sei. Die Amtsgerichte sollten überhaupt nicht bloß als Anhaͤngsel der Landgerichte behandelt werden, da die Amtsgerichte . n , unserer Justizpflege bildeten und dem Volke auch näher anden. Geheimer Oberjustizrat Supper erwidert, daß er die Frage der , der Amtsanwälte auch für andere große Plätze bejahen önne.
Darauf vertagt sich das Haus. Schluß nach 4 Uhr. 2 Sitzung Mittwoch, 11 Uhr. (Rest des Justizetats und Etat der Bauverwaltung.)
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstage ist folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika, zugegangen.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen usw. . verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, für die Zeit nach dem 28. Februar 1906, was folgt:
Der Bundesrat wird ermächtigt, den Erzeugnissen der Vereinigten Staaten von Ameria bis zum 30. Juni 1907 diejenigen Zollsäͤtze zu gewähren, welche durch die nachgenannten Verträge, nämlich;
Zusatzvertrag jum Handels und Zollvertrage mit Belgien vom 6. Dezember 1891, vom 22. Juni 1904 (Reichsgesetzbl. 1905 S. 599),
Zusatzvertrag zum Handels⸗, Zoll! und Schiffahrtsvertrage mit Italien vom 6. Dezember 1891, vom 3. Dezember 1904 (Reichsgesetzbl. 1905 S. 413),
Zufatzpertrag zum Handels und Zollvertrage mit Dester⸗ reich⸗ Ungarn vom 6. Dezember 1891, vom 25. Januar 1906,
Zusatzbertrag zu dem Handels und Schiffahrtsvertrage mit Rußland vom 10. Februar 1893, vom 28. Juli 1904 (Reichs. gesetzbl. 1905 S. 30),
usatzvertrag zum Handels, Zoll- und Schiffahrtsvertrage mit Rumänien vom 21. Oktober 1893, vom 8. Oktober 1904 (Reichsgesetzbl. 1905 S. 253),
Zusatzvertrag zum Handels. und Zollvertrage mit der Schweiß vom 10. Dezember 1891, vom 12. November 1904 (Reichsgesetzbl. 1905, S. 319),
Zusatzbertrag zum Handels, und Zollvertrage mit Serbien vom 21. August 1892, vom 29 November 1904,
diesen Ländern an, worden sind. ⸗ ;
Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner e . in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei⸗ gedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben usw.
Begründung.
Durch Abkommen vom 10. Juli 1909 (. Reichsanzeiger vom 4. August 1900, Handelsarchiv 1900 1 S. 488) sind den , , der Verelnigten Staaten von Amerika 4 Zollsätze gewährt worden, welche durch die in den Jahren 1891 bis 1894 mit Belgien, Italien, Desterreich Ungarn, Rumänien, Rußland, der Schwein und Serbien abgeschloffenen Handelsoerträge diesen Ländern zugestanden
waren.
Dieses Abkommen verliert mit dem Außerkrafttreten der Zollsätze der genannten Verträge am 1. März d. J seine Grundlage. Es ist daher deutscherselts am 29. November v. J. zum 1. März d. J. ge⸗ kündigt worden. Gleichzeitig haben wir uns bereit erklärt, mit den Vereinigten Staaten ein neues Abkommen zu en das den ver⸗ änderten Verhältnissen inn trägt. Die Verhandlungen haben bisher zu keinem Ergebnisse Har da die amerikanische Regierung sich zu einer Stellungnahme zu unseren Vorschlägen noch nicht hat entschließen können. .
Da aber zu hoffen ist, daß es schließlich doch gelingt, eine Ver ständigung zu erreichen, so erscheint es zweckmäßig, daß bis zur Ver⸗ einbarung eines neuen Abkommens ein Uebergangsstadium geschaffen wird, das elne stetige Fortentwicklung des Verkehrs zwischen den beiden Wirischaftsgebieten sicherstellt. Dies geschieht am besten in der Weise, daß der bisherige Zustand unter Berücksichtigung der Abänderungen, welche die oben genannten Verträge inzwischen erfahren haben, einst⸗ weilen aufrecht erhalten wird. Um dleg Ziel zu erreichen, bedürfen die verblndeten Regierungen der gesetzlichen Ermächtigung, den Er⸗ zeugnissen der Vereinigten Stagten die ermäßigten Zollsätze der ge—⸗ nannten Verträge fär die im Entwurf angegebene Frist einzuräumen.
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Statistik und Volkswirtschaft.
Die Mietpreise und Wohnverhältnisse in den mit Reich s⸗
unterstützung errichteten Genossenschaftswohnungen und
den im freien Verkehr hergstellten Mietwohnungen von Reichsbeamten.
Das Reichtamt des Innern hat im Jahre 19894 eine Erhebung über die Wohnverhältnisse in den mit Reichsunterstützung errichteten Genossenschaftzwohnungen und die Mietpreise im Vergleich mit den⸗ jenigen der im freien Verkehr hergestellten Mietwohnungen ver⸗ anstaltet, deren Ergebnisse vom Kaiserlichen Statistischen Amt be⸗ arbeitet und in einem 181 Seiten umfassenden, dem Reichstage vor⸗ gelegten Quartheft veröffentlicht worden sind. Es kamen etwa 409 Häuser der bezeichneten Baugenossenschaften mit ungefähr 2000 Wohnungen in Betracht, und .. Zwecke eines Vergleiches wurde neben ki Wohnungen eine ungefähr gleich große Zahl von im freien Verkehr gemieteten Wohnungen zu erfassen gesucht. Bezüglich des Vergleiches kam es namentlich darauf an, was diejenigen Beamten und Arbeiter, auf welche sich die Wohnungsfürsorge des Reichs erstreckt, für eine baugenossenschaftliche Wohnung und was Beamte von gleicher Stellung für Wohnungen im frelen Verkehr zablen. Außerdem sollte die Erhebung dazu benutzt werden, um eine Reihe von Feststellungen zu treffen, die für die Beurteilung der baugenossen⸗ schaftlichen Tätigkeit von allgemeinem Interesse sind. Zu dem Ver leich erschienen als besonderg geeignet die im freien Verkehr von . und Unterbeamten der Reichspost gemieteten Wohnungen. ementsprechend wurden an die vom Reiche unterstützten Baugenossen schaften sowie an die Kaiserlichen Post⸗ und Telegraphenämter der Orte, in. denen diese Baugenossenschaften ihren Sitz haben, Fragebogen gesandt mit dem Ersuchen, sie nach dem Stande vom 15. August 1964 auszufüllen. Die Befragung der Baugenossenschaften war insofern eingehender, als diesen Gelegenheit gezeben wurde, sich über die Herstellungs⸗ kosten der vom Reiche beliehenen Häuser zu äußern; eine ent⸗ sprechende Angabe bezüglich der Häuser des freien Verkehrs war nicht zu erhalten. Bei den 417 vom Reiche beliehenen Häusern von Bau— genossenschaften, die in die Erhebung einbezogen worden sind, betrugen die Erwerbskosten des zugehörigen Baulandes (einschließlich der Straßenkosten) 2785 568 , die Baukosten selbst aber 13 234 656 10 Die Größe des Bauplatzes belief sich auf insgesamt 181 631 4m, die Größe der bebauten Fläche auf 63 134 4m. Hiernach berechnete sich der Durchschnittspreis für 1 qm Bauland auf 15 6; auf 100 «. Bodenkosten kamen 475 S Baukosten, und von 160 4m Bauplatz waren durchschnittlich 35 dm bebaut. Die Baukosten für 1 4m bebaute Fläche betrugen beim Einfamilienhaus 90 6; bei den Mehr⸗ familienhäusern steigen sie mit der Zahl der Stockwerke, und zwar stellten sie sich bei denen mit 1 Stockwerk auf durchschnittlich 70 4, mit 2 Stockwerken auf 85 „S, mit 3 Stockwerken auf 158 , mit 4 Stockwerken auf 224 und bei denen mit 5 Stockwerken auf 346 Andere, zum Teil erheblich veränderte Werte nehmen diese für das Reich im ganzen berechneten Baukosten an, wenn man sie in ihrer Verteilung auf Ortsklassen betrachtet. Es entfielen von den insgesamt gezählten 417 Häusern die meisten auf Großstädte (182 und auf Kleinstädte (145). In Mittelstädten und Landstädten waren nur 54 und 36 belegen. Für 1 4m Bauland wurden gezahlt in Großstädten 31 „, in Mittelstädten 11 , in Kleinstädten nur 3 SS und vollends in Landstädten nur noch 0,ss M Diesen Preisen entspricht im allgemeinen die Aus— nutzung des Bauplatzes; sie ist am größten in Großstädten, wo sie bo d / des Bauplatzes beträgt; in Mittelstädten sind nur 320½, in Klein⸗ und Landstaͤdten 22 6/0 des Bauplatzes bebaut. Was endlich das Verhältnis von Boden. und Baupreis beirifft, so kamen auf 100 o Erwerbskosten in Großstädten 418 1 Baukosten, in Mittelstädten 570 „, in Kleinstädten 931 und in den Landstädten 1720 A0 Die Zahl der baugenossenschaftlichen Wohnungen betrug 1995 davon lagen 661 im Erdgeschoß, 489 im ersten, 431 im zweiten, 286 im dritten, 95 im vierten Obergeschoß und 32 in den Mansarden. Nur eine befand sich im Kellergeschoß. Die Bodenkosten für 1 4m Wohnfläche betrugen durchschnittlich 26 46. die Baukosten g3, mithin die Gesamtkosten 113 S Von diesen 1995 Wohnungen kamen 1182 auf Großstädte, je 368 auf Mittel! und Kleinstädte und der Rest von 107 auf Landstädte. Während sich aber die großstädtischen ziemlich leichmäßig (mit je 237 bis 281) auf das Erdgeschoß sowie das erste ki dritte Obergeschoß verteilen und nur 83 bejw. W auf das vierte Obergeschoß und die Mansarden kommen, beschränken sich die mitteistãdtischen Wohnungen in der Hauptsache (mit je 1090 bis 115) auf Erdgeschoß und erstes und iweites Obergeschoß. In den Kleinstädten überwiegt die Benutzung des Erdgeschosses, ebenso in den Landstädten. Die erstere Kategorie weist nämlich unter 363 Woh⸗ nungen 249, die letztere unter 107 Wohnungen 69 auf, die im Erd⸗ geschoß belegen sind. Dies ist im wesentlichen den Boden, nicht den Baupreisen zuzuschreiben. Kostet doch ! 4m Wohnfläche (Grund⸗ fläche der Haupträume [Zimmer, Kammern und Käche] und der be— wohnbaren Bodenkammern)
j an an =
. Bodenkosten Baukosten S 10.
Großstãdten .... 22 94
Mittelstädten.. .. 17 99
enn, h 83
Landstädten.. . 5 79.
Nach den Tabellen, die einen Vergleich der Genossenschafts— wohnungen mit den im freien Verkehr hergestellten, von Postbeamten gemieteten Wohnungen ermöglichen, betrug unter den 1995 Woh⸗ nungen der ersteren und unter den 1705 Wohnungen der letzteren Art, die bon der Erhebung des Reichsamts rer d en 1 worden sind,
ie Zahl der
Genossenschafts⸗ im freien Verkehr wohnungen gemieteten Wohnungen
Olo lo mit 1 Hauptraum.. 7 0,4 4 0,2 Z Hauptrãumen .. 126 6,3 126 7,4 53 . . 541 317 1 é. J 619 36,3 . ö ie nm 303 17,8 „6 und mehr Haupt⸗
mne, 63 2,9 112 6,6.
Unter den Genossenschaftswohnungen sind hiernach die mit 3 Haupt—⸗ räumen (3immer, Kammern und Küche), unter den übrigen Wohnungen die mit 4 Haupttäumen am stärksten vertreten. Die Wohnungen mit anderer Räͤumezahl, mag sie größer oder kleiner sein, sind bei den beiden unterschledenen Wohnungsarten ungefähr gleich häufig, jedoch überwiegen bei den Wohnungen mit 6 und mehr Räumen ein wenig (6, s oso gegen 2,90) die im freien Verkehr gemieteten.
Die Hauptfrage ist nun, wie sich die Mietspreise der mit Reichgunterstützung errichteten Genossenschaftswohnungen und der im freien Verkehr hergestellten Mietwohnungen stellen. Die von der Erhebung erfaßten 1995 Genossenschaftawoahnungen und die 1705 im freien Verkehr gemieteten Wohnungen stufen sich in solgender Weise nach Mietèpreisen ab:
Genossenschaftg. ö Im freien Verkehr ; wohnungen gemietete Wohnungen Mietszpreise im ĩ im ĩ
im im Vorderhaus Hinterhaus Vorderhaus Hinterhaus abs. O,. abs. 0/0 Labs. C0 abs. O0
e, 6 9 5
151 . 25690. 591. 3233 69 39, is 15,3. 527 28,4 2517 35605. 916 282 36 ba, 90 274 18,9 79 432 i , 65 ii 3 5 ,,, . ibi bös. i,, g, in zi zg 7 33
551 und mehr M 135 7.4 — — 251 16.5 3
zusammen . . ] 1831 1000 161 1000 1522 1000 183 100.