1906 / 51 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Feb 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Die Hochzeitsfeiern am Kaiserlichen Hofe.

Gestern nachmittag gegen 4 / Uhr hat im hiesigen Königlichen Schlosse die standesamtliche Eheschließung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Eitel— Friedrich mit Ihrer Hoheit der Herzogin Sophie Charlotte von Oldenburg durch den Minister des Königlichen Hauses von Wedel in Gegenwart Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin, Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Großherzogin von Olden— burg und der Prinzessin Friedrich Carl von Preußen, Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten des Kronprinzen und der Kronprinzessin sowie der Ge—

schwister des Hohen Brautpaares stattgefunden. Hiernach geleitete, dem Bericht des W. T. B.“ zufolge,

er Oberzeremonienmeister, Oberhof⸗ und Hausmarschall Graf zu Eulenburg die Allerhöchsten und Höchnen Herrschaften zu den Plätzen, die von Ihnen in dem feierlichen Zuge nach der Schloßkapelle einzunehmen waren. Die Schloßgarde⸗ kompagnie in Puderperücke mit Zopf, die Gardes du Corps in der roten Supraweste und dem Adlerhelm, die Leib— garde Ihrer Majestät der Kaiserin im Dreispitz hatten die Ehrenwachen und Doppelposten in den Festräumen des Schlosses gestellt. Im Weißen Saal hatten sich die geladenen Obersten und Kapitäne zur See versammelt, ebenso die Ab⸗ ordnungen von Offizieren der Truppenteile des Gardekorps, das gesamte Offizierkorps des 1. Garderegiments z. F. und die auswärtigen Militärabordnungen.

Der Zug der Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften nach der Schloßkapelle ordnete sich in folgender Weise: Zwei Fouriere eröffneten ihn in brauner, mit breiten Goldtressen besetzten Galalivree, Pagen im roten Wams und Spxitzenjabot folgten, sodann die Kammerjunker von Lekow und Graf zu Rantzau als adelige Herolde in Wappentracht. Der Oberst— marschall Fürst zu Fürstenberg trug den Großen Marschallstab. Dann kam die lange Reihe der Kammerjunker und Kammer—

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herren, denen sich der Ehrendienst der Durchlauchtigsten Braut, der Obertruchseß Graf von Wedel zwischen dem Schloßhaupt— mann Grafen Alvensleben⸗Neugattersleben und dem Kammer⸗ herrn von Heimburg anschloß. Darauf das Durchlauchtigste Brautpaar: Seine Königliche Hoheit der Prinz Eülel⸗ Friedrich, in der Uniform des 1. Garderegiments

mit dem oldenburgischen Ordensband und der Kette des Schwarzen Adlerordens, und Ihre Hoheit die Herzogin Sophie Charlotte von Oldenburg in Krone, Myrtenkranz und weißem Brautgewand. Hinter Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen schritten der Hofmarschall von Lettow⸗Vorbeck, der Generalleutnant Freiherr von Lyncker und zwei persön⸗ liche Adjutanten, hinter der Durchlauchtigsten Braut die Ober— hofmeisterin Gräfin von Schlieffen, der Kammerherr von Heynitz und zwei Pagen.

Die glänzende Reihe der hohen Hofchargen, die Herren des großen Vortritts gingen paarweise dem Allerdurchlauch—⸗ tigsten Jubelpaar voran. Seine Majestät der Kaiser hatte die Uniform des 1. Garderegiments angelegt, mit den Ketten der preußischen Orden; ein silberner Myrtenzweig stak zwischen den Ordenssternen auf der Brust, daneben das neugestiftete Erinnerungszeichen mit der

silbernen 26. Ihre Majestät die Kaiferin trug eine Robe von Silberbrokat, mit Pelzbesatz, auf dem Haupte ein kronenartiges Tiadem und einen silbernen Myrtenkranz. Hinter Seiner Majestät dem Kaiser gingen der Mi Hauses von Wedel, der Chef des Zivilkabi

es Königlichen ietts, Wirklicher

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Geheimer Rat Dr. von Lucanus, der Kommandant des Hauptquartiers General von Plessen, die Generaladjutanten, Generale à la snite und Flügeladjutanten; hinter Ihrer Majestät der Kaiserin der Oberhofmeister Freiherr von Mirbach die Oberhofmeisterin Gräfin von Brockdorff, die Herren und Damen Ihrer Majestät sowie zwei Pagen. Es folgten dan die nicht großjährigen Prinzen und Prinzessinnen des König— lichen Hauses mit Seiner Königlichen Hoheit dem Erb— großherzog von Oldenburg und die hohen fürstlichen Gäste.

Der Zug bewegte sich durch den Rittersaal, die Bilder— galerie und den Weißen Saal nach der Kapelle, in der bereits die hoffähigen, besonders geladenen Herrschaften, der hohe Adel, die Botschafter, Botschafterint die und tre 8 diplomatischen Korps, die Ge itẽ ã ie Minister, Staatssekretäre r sammelt waren. Bei Ein r te das vom Domchor gesung l 8 „Elias“: „denn Er hat Seinen Engeln befohlen über Dir“.

Der Königliche Schloßpfarrer, Oberhofprediger D. Dry— ander und die Hof- und Domgeistlichkeit empfingen das hohe Brautpaar und das Allerhöchste Jubelpaar und geleitete Seine Königliche Hoheit den Prinzen Eitel-Friedrich und Ihre Hoheit die Herzogin Sophie Charlotte zum Altar. Nachdem die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften in einem Halbkreis um den Altar Platz genommen hatten, sang die Gemeinde den

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. Choral „Lobe den Herren!“ Der Oberhofprediger D. Dryander sprach dann über den von Seiner Majestät dem Kaiser aus—⸗ gewählten Text Ep. Pauli an die Korinther J. S. ‚„Unser Herr Jesus Christus wird Euch fest behalten bis ans Ende“ und vollzog darauf die Trauung. In dem Augenblick, in dem das Durchlauchtigste Brautpaar die Ringe wechselte, wurden im Lustgarten von der Leibbatterie des 1. Gardefeldartillerieregiments 36 Kanonenschuüsse abgefeuert. Nach dem Gebet und Segen sang der Domchor Glucks „Wo Du hingehst, da will auch ich hingehen“ in der Beckerschen Bearbeitung. Den Schluß des Gottesdienstes bildete der Gesang

Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang“, den der

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Bläserbund mit Posaunen begleitete. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin traten hierauf zu dem Brautpaar, um es zu beglückwünschen, und unter den Klängen des, Wilheimus von Nassauen“ verließ der Hof die Kapelle in gleicher Ordnung,

wie er eingezogen war. Im Ausbau der Bildergalerie nahmen beide Hohen Paare die Glückwünsche der Fürstlichkeiten entgegen und begaben Sich sodann in den Weißen Saal zur Entgegennahme der Gratuhlationscour. Der Vizeoberzeremonienmeister von dem Knesebeck führte die Damen des diplomatischen Korps, der Reichskanzler Fürst von Bülow die Botschafter und Gesandten; der Bundesrat und die lange Reihe der übrigen Geladenen schritten einzeln vorüber. Die fremdländischen Militär— abordnungen machten den Schluß

Nach der Cour begaben Sich die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften nach dem Rittersaal zur Zeremonientafel, bei der das vermählte hohe Paar die Plätze vor dem Thron einnahm.

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Seine Majestät der Kaiser brachte bei der Tafel den folgenden Trinkspruch aus:

Mit diesem Namen darf ich Dich wohl Gestatte Mir, Dir im Namen Meines Hauses innigen und herzlichen Willkommen zu sagen und Dich zu versichern, daß Du nicht nur hochgehalten und geschätzt und geliebt von Deinem Gatten werden wirst, sondern von Uns allen. herein als eine längst Bekannte, und vielfache Erinnerungen führst Du Uns herauf. Trägst Du doch den Namen der ersten preußischen Königin, die durch ihr Wesen, durch ihr Streben und ihr Leben sich einen festen Platz in der Erinnerung ibres Volkes Führst Du doch Unsere Erinnerungen zurück auf jenen großen Prinzen Feldmarschall!

Meine liebe Tochter! heute nennen!

Du trittst in Unsere Mitte

bewahrt hat.

hohen Gestalten, die damals bei ihrer Hochzeit in der Kir sammelt waren und ju denen Wir nunmehr em

Du hast Dir einen Gemahl gekürt, dessen dessen feste Persönlichkeit Dir bürgen werden, wirst, was Du gesucht hast. Meines hochseligen EGczdaters gegenwärtig ist, meine liche Züge mit dem großen Kaiser zu erkennen.

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Schon viele, der

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n und auf Dein und Deines Manne Seine Königliche Hoheit brachte darauf folgenden Trinkspruch aus: Innigst geliebter Bruder, Kai Kaiserin und Herrin! welche die treuen Eltern, welche ein Volk heute vor 25 9g gegeben, sie Hand tratet Ihr den manchmal au ein leuchtend Beispiel treuester Pflichterfllun r n erwuchs Euch, Euch und uns a Es fehlt kein teures Haupt! grünen Kranz Euch zu sein und Euch zu dienen heutigen Tage das Gelöbnis der ebnen, wir w Bahn folgen, d für alles, was an Euch geschehen in in die Zukunft und erhoffen, Gelingen Euch

Heinrich

Schwägerin, wünsche, welche die Großeltern, Jahren Euch mit auf den in Erfüllung Ein herrlicher Kranz

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1 Euch auf Händer hr uns weiset.

n matischen Korp— kanzler und die Fürstin von Tschirschky und Gemahlin, der

Prunkräumen speisten die übrigen Gäste. der Hochzeit feier bildet.

feierlichem Zuge.

liche und Königliche H der Kapellenseite liche Hoheit die Großherzogin ) Lustgartenseite zu. ĩ darauf den Befehl zum Beginn des ürstenberg trat vor; Wachsfackeln. der Gardekürassiere gespielte

Der Oberstmarschall Fürst zu ? paarweise 12 Pagen mit wei Polongise machten Ihre iseri Rundgang, vermählte an. Rundgang machte Ihre Königliche Hoheit die P rriedri Seiner Majestät dem iser hrer Majestät e Paar mit Ihre der Großherzogin

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täutigam mit hohe vermäh dem Großherzog eitere Rundgänge folgten. Nach Schluß ten Pagen r ln dem Zuge der Allerhöchsten und Höchsten Her an den Eingang der für die hohen Vermäh Hier wurde die Prinzessinnenkr Beamten des Hausschatzes wieder überliefert, die meisterin Gräfin von Schlieffen nahm die Verteilun Strumpfbandes vor, und Seine Majestät der Kaiser

Fackeltanzes

richteten Gemächer.

Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Eitel-Friedrich verabschiedeten sich alsbald von den Kaiser— lichen Eltern und fuhren nach dem Stettiner Bahnhof, von wo aus Sich das hohe Paar nach dem Jagdschloß Hubertus— stock begab.

Aus allen Teilen Deutschlands und aus dem Aus weitere Berichte eingelaufen über Festlichkeiten, die aus Anlaß der Silbernen Hochzeit Ihrer Majestäten des Kaisers t ais veranstaltet Majestäten Sachsen und die Königin-Witwe sowie Ihre Königlichen Prinz Johann Georg Mathilde von Sachsen dem preußischen Gesandten in Dresden, Grafen Dönhoff einen Besuch ab, um Ihre Glückwünsche an⸗ läßlich der Jubelfeier Ihrer Majestäten des Kaisers und der Bei Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz-Regenten von Bayern fand gestern im Residenzschloß in München eine Königliche Majestäten

Kaiserin

und die Prinzessin

Kaiserin auszusprechen.

deren Verlauf ; i die Kaiserlichen und auf das neuvermählte hohe Paar ausbrachte.

Galatafel statt, Trinkspruch

Nichtamtliches. Deuntsches Reich. Preußen. Berlin, 28. Februar. Bei Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin

übernimmt vom 1. bis einschließlich 12. März der Schloß— hauptmann Graf von Hohenthal⸗Dölkau den Kammerherrndienst.

Der Ausschuß des Bundesrats für Justizwesen und

die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sitzungen.

Oesterreich⸗ Ungarn. Unter dem Vorsitz des Ministers des Auswärtigen Grafen

von Goluchowski hat gestern eine gem einsame Minister— konferenz stattgefunden, an der die österreichischen und ungarischen Minister teilnahmen. In dieser Konferenz wurden,

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eingehend besprochen. Laut Meldung des „Wiener Telegr. Korrespondenz.

au bureaus“ ist, da es bisher noch immer nicht gelungen ist, die gen mit der Schweiz zutage getretenen erenzen vollständig zu beseitigen, für die Zeit vom 1. März 1I. März ein Handelsprovisorium vereinbart worden, nach dem die österreichischungarischen Provenienzen bei Ein— i Meistbegünstigung Januar 1906 ab

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as österreichische Herren! B.“ berichtet, in seiner gestrigen Sitzung den Beschlüssen d.

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1 Abgeordnetenhauses, betreffend das Scheckgesetz, sowie be⸗ züglich des Gesetzes, betreffend die Gesellschaften mit be— schränkter Haftung, beigetreten.

Eine Kundmachung der Koalition an die un— garische Nation weist, obiger Quelle zufolge, darauf hin, daß die Auflösung des Abgeordnetenhauses nicht nur darum erfolgt sei, weil die Mehrheit die absoluten militä— rischen Hoheitsrechte nicht anerkennen könne, sondern auch, um die Selbstbestimmung der Nation auf wirtschaft— lichem Gebiete zu vereiteln, ohne Rücksicht darauf, daß die gesetzwidrig zustande gekommenen Handelsverträge für das Land nicht bindend seien. Die Kundmachung fordert sämtliche Bürger ohne Unterschied der Partei auf, gegen die gesetzwidrigen Maßnahmen der Regierungsgewalt unermuͤdlichen Widerstand zu leisten. Den einmütigen Kampf um die Ver— eidigung der Verfassung müsse schließlich der Sieg krönen.

zraf Julius Andra ssy hat einen offenen Brief an s ähler gerichtet, in dem er die Verhandlungen darle im Auftrage der Koalition mit dem König gefüh Er sagt, nach einer Depesche des,W. T. B.“,

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geringfügige Konzessionen nicht machen, um dem grun ndrunkt der Krone bejäglich der Militärhobeitsrechte nich lehnte jede Art des Kompromisses ab un Andrassy erklärte ferner: falls

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Großbritannien und Irland. Das Unterhaus bewilligte gestern verschiedene Nach⸗ 8 s 6

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at stand gestern eine Interpellation des Senators

chte) über die Vorfälle bei der Inventar—

aufnahme in der Kirche von St. Servan und die Frage der Herabsetzung des Briefportos zur Beratung. d ründung seiner Interpellation sprach Goulains,

des W. T. B.“, sein Bedauern darüber aus, daß in die Notwendigkeit versetzt habe, zwischen dem er ihrem Glauben und dem Gehorsam gegenüber r n. Die Armee dürfe ju derartigen Auf⸗ trägen nicht benutzt 1den. Der Minister des Innern Dubhief erwidzrte, die Verantwortlichkeit für die bei den Inventar⸗ aufnahmen vorgekommenen Ausschreitungen treffe diejenigen, die

gebrauchten, um d die Gendarmerie b gewesen, Militãr ; Vflicht erfüllen muüͤssen „Wenn Sie heute“, sagte der Minister, die Offiziere zum Ungehorsam auffordern, was würden Sie morgen den Antimilitgristen fagen, die zur Desertion aufreizen? Dabief schloß mit der Erklärung, daß die Regierung entschlossen sei, die Aufrecht⸗ haltung der Ordnung zu sichern. Damit war der Zwischenfall erledigt.

Sierauf begann die Diskussion über die Frage der Herab⸗ setzung des Briefportos. Vorher wies der Ministerpraͤsident Rouvier darauf hin, daß die Kammer die Herabsetzung mit der großen Mehrheit von 525 Stimmen beschlossen habe, und

bat, die Frage zu erörtern und darauf zur Verhandlung über den Entwurf, betreffend die provisorischen Budget— zwölftel, überzugehen, der heute amtlich verkündet werden müsse.

Nach dem Referat des Senators Perinearrss erklärte der Ministerpräsident, die Frage der Portoermäßigung sei zu einer volitischen geworden. Der Senator Maguin protestierte dagegen und ersuchte Rouvier um, Zurücknahme dieser Erklärung, da es sich nicht um eine politische Frage handele. Rouvier erwiderte, er könne, ohne ein Vertrauensvotum erhalten zu haben, den Senat nicht verlassen, und fragte, wer die Vorlage über die Budgetzwölftel zur Abstimmung bringen solle, wenn sich das Kabinett zurückzöge. Der Ministerpräsident bat den Senat dringend, die Portoherabsetzung zu genehmigen. Maguin brachte darauf eine Tagesordnung ein, die die Trennung der Portoherabsetzung von der Budgetvorlage fordert. Der Senator Leydet beantragte, die Debatte über die letztere zu vertagen und über die Postreform zu verhandeln. Der Ministerpräsident hielt die Forderung eines Vertrauensvotums aufrecht und erklärte, er werde nicht eher in die Kammer zurückkehren, bis die Postreform beschlossen sei. Der Antrag Leydet wurde darauf mit 221 gegen 69 Stimmen angenommen.

Nach weiterer kurzer Debatte wurde die Herabsetzung des Portos mit 159 gegen 92 und die Vorlage, betreffend die provisorischen Budgetzwölftel, einstimmig mit 257 Stimmen angenommen. ; .

Die Deputiertenkammer hat gestern in ihrer Vor—⸗ mittagssitzung mit 343 gegen 187 Stimmen endgültig den Antrag angenommen, nach dem das Privileg der Haus⸗ brenner wieder hergestellt werden soll, und darauf die Be— ratung des Kriegsbudgets begonnen. .

Der Kriegsminister Etienne erklärte auf eine Anfrage, die Deputierten und Senatoren, die der Reserve oder der Terri⸗ torialarmee angehören, würden im Falle eines Krieges am achten Tage nach der Mobilisation zu ihrem Truppenteil zu stoßen haben. Uebrigens bereite die Regierung einen Gesetzentwuif vor, durch den die Organisation der öffentlichen Gewalten in Kriegszeiten er— folgen solle.

In der Abendsitzung genehmigte die Kammer endgültig die vom Senat zurückgekommenen Vorlagen, betreffend die zwei provisorischen Zwölftel und betreffend die Postreform.

Entsprechend den Beschlüssen der Kammer und des Senats wird vom 16. April ab das Briefporto im inneren Verkehr und im Kolonialverkehr von 15 auf 10 Cts. herabgesetzt.

Bei der Inventaraufnahme in der Kirche bei Saugues (Dep. Haute-Loire) ist es gestern, W. T. B.“ zu⸗ folge, zu einem heftigen Zusammenstoß zwischen den Beamten und der Bevölkerung gekommen. Die Gendarmen wurden umzingelt und geschlagen; ein Wachtmeister und ein Beamter wurden schwer verletzt. Die Gendarmen gaben schließlich Revolverschüsse ab und verletzten etwa 135 Personen, darunter zwei tödlich.

Rußland.

Wie W. T. B.“ meldet, sind in Warschau drei Personen

: r der Wieichseleisenbahnen

worden. In Lodz wurden gestern sieben Staatsmonopolläden geplündert und ihre Kassen aus— geraubt. Auf der Station Gatschina wurde gestern abend der Betriebzechef der Warschauer Bahn Ruchlow von mehreren Personen überfallen und schwer verwundet. Die Täter, die flüchteten, erschossen einen Schutzmann und verwundeten einen zweiten. Durch verbrecherische Brandstiftungen sind etwa 30 Magazine auf der Station Abarni und ferner die ganze Ortschaft Tokokkaturi zerstört worden.

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Schweiz.

Der Bundesrat hat gestern, W. T. B.“ zufolge, einer Verlängerung des Handel sprovisoriums mit Oester—

reich-Ungarn bis zum 11. März zugestimmt.

Belgien.

Die Repräsentanten kammer setzte in ihrer gestrigen Sitzung die Debatte über den Congostaat fort.

Der Justizminister van den Heuvel verlas, dem Bericht des W. T. B.“ zufolge, Briefe eines Richters und eines Konsuls, worin diese die von dem Sozialisten van der Velde in der Sitzung vom 20. d. M. ausgesprochene Verdächtigung .

erteilung von Geldern an die Presse etwas zu tun gehabt 2

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hãtten. Verhaegen (kath) sprach sich für schleunige Einbringung einer Vorlage, betreffend die Reorganisation der Kolonie, aus. Bertrand (Soz ) verlangte e ge⸗

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naue Darlegung der Finanzlage des Congostaats, der mit einem Fehlbetrage von mebr als 100 Millionen Francs arbeite, während der König fortgesetzt Millionen für Luxusbauten in Belgien ausgebe. Woeste (Rechte) erklärte, die Angriffe gegen den Congo⸗ staat seien von England ausgegangen, jedoch glaube er an die Mög— lichkeit einer ehrenhaften Auseinandersetzung mit England. Unmöglich könne Belgien die mit seinem eigenen Blute aufgeschlossene Kolonie aufgeben. Zahlreiche Mißbräuche und ein verdammenswertes Ver— waltungssystem beständen am Congo. Abhilfe müsse eintreten, aber ein barbarisches Land sei nicht mit den in zwilisierten Ländern üblichen Mitteln zu zivilisieren. Für kindliche Völker sei der Zwang ein not— wendiges Uebel. Colfs (Katholik) warf der Regierung Hartnäckig⸗ keit in der Verteidigung des Congostaats vor.

Darauf wurde die Fortsetzung der Debatte auf heute vertagt.

Norwegen.

In dem gestern abgehaltenen Staatsrat wurde, „W. T. B.“ zufolge, beschlossen, einen Gesetzentwurf, betreffend eine Stempelsteuer auf Schuldscheine, Schecks, Bank— mnweisungen und Versicherungspolicen einzubringen. Es wurde vorgeschlagen, die Stempelabgabe für Schuld⸗— scheine auf 4 Oere für je 200 Kronen bis zu 1000 Kronen und auf 50 Oere für je 1000 Kronen und darüber fest⸗ zusetzen. Für Schecks, Bankanweisungen, die auf 100 Kronen und mehr lauten, soll die Stempelabgabe 4 Oere ohne Rücksicht auf die Größe der Summe betragen, für Lebensversicherungen werden 50 Oere für jede 1000 Kronen vorgeschlagen. Die Einnahmen aus diesen Stempelabgaben werden auf S850 800 Kronen insgesamt berechnet. Frei von Abgaben sollen alle öffentlichen Anweisungen oder Schecks sein. Der Staatsrat beschloß ferner, einen Gesetzentwurf über die Staats- und Kommunalbeiträge zum Unterstützungs— fonds für Arbeitslose einzubringen. Das Gesetz soll am 1. Mai 1906 in Kraft treten und bis spätestens Ende 1910 in Geltung bleiben.

Amerika.

Der Präsident Roosevelt hat, nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“, um die Notwendigkeit zu betonen, das Personal der Armee und Marine in Friedenszeiten auf der w Stufe der Leistungsfähigkeit zu erhalten, um für den Fall des Krieges gerüstet zu sein, ein Schreiben an den Kriegssekretär gerichtet, in dem er die Heldentaten Togos auf— zählt und zu Nutz und Frommen der amerikanischen Soldaten und Seeleute Togos Armeebefehl bei Beendigung des

russischjapanischen Krieges wiedergibt. Dieser Brief ist als allgemeiner Armeebefehl verbreitet worden.

Im Kongreß ist durch das Kongreßmitglied Sheppard eine Resolution eingebracht worden, durch die der Präsident Roosevelt aufgefordert wird, dem Kongreß über die zwischen dem Staatsdepartement und Deutschland bezüglich des Zoll—⸗ tarifs getroffene Regelung oder Vereinbarung Mitteilungen zukommen zu lassen.

Asien.

Nach einer Depesche des W. T. B sind die aus Nanchang geflüchteten Fremden, an Zahl dreiunddreißig, in Kiukiang angekommen. Gestern sind der französische Kreuzer „Descartes“ und das amerikanische Kanonenboot „Quiros“ nach Kiukiang abgegangen, wo sich zwei englische Schiffe, „Clio“ und „Teal“, befinden.

Parlamentarische Nachrichten.

Vor Eintritt in die Tagesordnung der heutigen (53.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel beiwohnte, teilte der Präsident Graf von Ballestrem dem Hause mit, daß das Präsidium des Reichstags aus Anlaß der Silbernen Hochzeit der Kaiserlichen Majestäten und der Vermählung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Eitel-Friedrich mit Ihrer Hoheit der Herzogin Sophie Charlotte von Oldenburg den Majestäten am 25. d. M. und am gestrigen Tage dem hohen Brautpaar die Glückwünsche des Reichstags dargebracht habe, die huldvollst und dankend entgegengenommen worden sind.

Auf der Tagesordnung des heutigen Schwerinstages stand an erster Stelle die erste Beratung des von den Abgg. Nißler und Hufnagel (dkons. am 29. November 1905 eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend Gewährung von Beihilfen an Kriegsteilnehmer.

Der Gesetzentwurf, der 8 Paragraphen enthält, besagt in 5 1, daß die Kriegsteilnehmer, wenn sie sich in unterstützunge bedürftiger Lage befinden, insbesondere, wenn sie für ihren Unterhalt auf ein Einkommen von weniger als 600 M angewiesen sind, und wenn ihre Erwerbsfähig— keit auf weniger als ein Drittel herabgesetzt ist, oder wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben, eine monatlich im voraus zablbare Beihilfe von 120 (66 jährlich erhalten sollen. Nach 5 2 sollen die Hinterbliebenen das Gnadenquartal erhalten. Nach § 3 unterliegt die Beihilfe nicht der Pfändung. 5 4 umschreibt den Kreis, der von der Beihilte ausgeschlessenen Personen, wozu außer den Invalidenpension⸗ beziehera und den Nichtreichsangehörigen auch solche gebören sollen, die noch ihrer Lebensführung der beabsichtigten Fürsorge als unwürdig anzuseben sind. z 5 schließt den Rechtsweg aus. S 6 be stimmt die Einstellung der Zahlung, wenn eine ihrer Voraussetzungen in Wegfall gekommen ist. Nach §7 sollen die Mittel alljährlich auf den Reichsetat gebracht werden und in § 8 wird als Termin des Inkrafttretens der 1. April 19o6 festgesetzt.

(Schluß des Blattes.)

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In der heutigen (33) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt beiwohnte, teilte Rnächst der Praͤsident von Kröcher mit, daß das Präsidium am Sonn— tag bei Ihren Majestäten und am Dienstag bei dem hohen Brautpaar eine Audienz und die Ehre gehabt habe, die Glückwünsche des Hauses auszusprechen. Ihre Majestäten sowohl wie das hohe Brautpaar hätten dafür huldvoll gedankt und den Präsidenten beauftragt, Ihren Dank dem Hause ab— zustatten.

Sodann wurde die zweite Beratung des Staats— haushaltsetats für das Etats jahr 1906 im Etat

es Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten bei den Ausgaben für das Elementarunterrichtswesen fortgesetzt.

Unter diesen Ausgaben befinden sich auch nicht pensionsfähige Zulagen für die dienstältere Hälfte der Direktoren, der Oberlehrer uswp. an Seminaren und Präparandenanstalten.

Die Abgg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch ffreikons.) und Genossen beantragen:

J. diese Zulagen in pensionsfähige zu verwandeln, für den Fall der Ablehnung dieses Antrages die Staats— regierung wiederholt aufzufordern, die Zulagen für die dienstältere

alfte der Direktoren, Oberlehrer, Lehrer und Lehrerinnen an den eminaren und Präparandenanstalten durch den nächsten Staats— haushaltsetat pensionsfähig zu machen,

II. die Staatsregierung zu ersuchen, behufs Erhöhung des Mindestbetrages der Dienstalterszulagen der Volks— schullehrer und ⸗lehrerinnen den Fonds Kap. 121 Titel 34 (Bei— hilfen an leistungsschwache Schulverbände) durch den nächsten Staats—⸗ aushaltsetat um weitere 2 Millionen Mark zu veistärken.

Die Abg. Keruth (freis. Volksp.) und Genossen bean— tragen,

die Staatsregierung zu ersuchen, zur Gewährung von Bei— hilfen an leistungsschwache Schulverbände in den nächsten Staatshaushaltsetat mindestens weitere 2 Millionen Mark einzu— stellen mit der Maßgabe, daß Beihilfen nicht nur leistungsschwachen Schulverbänden im Osten, sondern entsprechend auch solchen in anderen Landesteilen behufs Erhöhung des Mindestgrundgebalts sowie des Mindestbetrages der Dienstalterszulagen der Volksschul⸗ lehrer und lehrerinnen gewährt werden.

Bei den Ausgaben für die Seminare tritt

Abg. Ziesché (Zentr.) für Hebung des gesamten Seminarlehrer— standes durch Besserung der Gehalts. und Pensionsverhältnisse und für eine Vermehrung der Seminarlehrerstellen ein. Nur ein Zehntel der Lehrer erreiche jetzt das Höchstgehalt nach 31 Dienstjahren. Wenn die Seminarlehrer nicht auf der Höhe der Zeit ständen, dann erhalte man ein minderwertiges Lehrerpersonal. Allein in der Rheinprovinz beständen 83 veischiedene Gehaltssätze. Der Weg, den die Lehrerschaft jetzt zur Verbesserung ihrer Verhältnisse einschlage, durch die Organisation in den Lehrervereinen auf eine Verbesserung der Lehrergehälter hinzu— wirken, sei kaum der richtige. Positiv würden diese Bewegungen kaum etwas leisten, dagegen würden sie die Unzufriedenheit in den Lehrer— kreisen in Permanenz erklären. Die Regierung solle wenigstens die jungen Hilfslehrer besser besolden, die sich in einer sehr schlimmen Lage befänden. Sie könnten mit 50 M monatlich wirklich nicht be⸗ stehen. Ferner sei zu wünschen, daß die Zulagen, welche die dienst—⸗ ältere Hälfte des gesamten ordentlichen Lehrerpersonals beziehe, Fenstonsfähig gemacht würden. Ein Mißstand bestehe hinsichtlich der Differenz in der Höhe der Stipendien in den öffentlichen und der— jenigen in den privaten Präparandenanstalten.

Abg. Ernst (freis. Vgg.): Gerade die Seminarlehrer sind in der Lage, auf die Entwickelung unserer Volksschule und damit auf die Entwickelung unseres gesamten Volkslebens einen ungeheuren Einfluß auszuüben. Deshalb müssen sie auch so gestellt werden, daß sie diese hohe Aufgabe erfüllen können. Der Antrag Keruth will ebenso wie der Antrag Zedlitz den Fonds zur Erhöhung des Mindest—⸗ betrages der Dienstalterszulagen für das Volksschuilehrerersonal um 2 Millionen erhöhen. Die uns vorliegenden Petitfonen berlangen Staats- mittel in Höhe von 5. Millionen Mark zur Beseitigung der unbilligsten

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Ungleichheiten in der Lehrerbesoldung. Wir haben nicht weniger als 8000 Halbtagsschulen. Die fehlenden Lehrerstellen haben eine erschreckend hohe Zahl erreicht, die man mit 18000 eher noch zu niedrig einschätzt. Die gesetzliche Bestimmung, nach der dem unverheirateten Lehrer mit eigenem Hausstande derselbe Wohnungsgeldzuschuß zusteht, wie dem verheirateten, hat in der Praxis zu Unzuträglichkeiten und Benach⸗ teiligungen geführt. In einer Reibe von Gemeinden in verschiedenen Landetteilen ist neuerdings der Wert des Brennmaterials, der bisher bei der Penrsionsberechnung mit veranschlagt wurde, davon aus— geschlossen worden. Dadurch ist wiederum den Lehrern eine Ver⸗ schlechterung ihrer Pensionssaäͤtze erwachsen.

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Die Tendenz des ersten Antrages Zedlitz ist meinen Freunden Furchaus vmpathisch. Es ist uns aber fraglich, ob das in der vorgeschlagenen Form gemacht und ob der Antrag so angenommen werden kann, da eine Zustimmung? erklärung der Staaksreg erung noch nicht vor— liegt und er ohne eine solche ein Schlag ins Wasser sein dürfte. Ferner hat sachlich ein Teil meiner Freunde Be— denken, bei dieser Gelegenheit einen Teil der Beamten beraus— zugreifen und diesen eine Besoldungsverbesserung zu teil werden zu lassen. Alle meine Freunde sind einig darin, daß die Ungleichheiten in der Lehrerbesoldung beseitigt werden müßten. Wir wünschen des— halb dringend, daß in einer umfassenden organischen Weise geholfen wird. Wenn dies auf dem Wege der Erhöhung des Fonds geschähe, Wir haben aber das Bedenken, ung eventuell einer organi⸗

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würden wir damit einverstanden sein. daß eine solche mechanische Er 1 schen Neuordnung des Volksschullehrerbesoldungswesens entgegen⸗ wirken könnte, namentlich solange das Volksschulunterhaltungs⸗ gesetz noch nicht fertiggestellt ist. Es handelt sich doch darum, daß auch die Unterhaltungspflichtigen bei der Erhöhung der Gehälter berangezogen werden können. Darüber sind wir einig, daß die im Lehrerbesoldungsgesetz von 1897 aufgestellten Grundsätze in ibrer Schroffheit nicht werden aufrecht erhalten werden können. Wir wollen aber eine organische und keine stückweise Regelung, und lediglich aus diesem Grunde sind wir zur Zeit nicht in der Lage, den Antrag Kerutb anzunehmen. Abg. Rzesnitzek (freikons.) empfiehlt den Antrag Zedlitz und widerspricht der Behar ptung, daß die polnischen Lehrer in den Ost-— j es einere. Der Redner

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marken bedrückt würden. Er müsse ich man einzelne Klagen in dieser Weise verallger verliest eine Reihe von polnischen Preßäußerungen, aus denen hervor— gebe, daß die Versöhnungspolitik, die man gegenuber den Polen ver— sucht habe, vollständig Fiasko gemacht habe. Je stärker die Angriffe der Polen gegen die preußischen Schulen seien, mit desto größerer

Liebe würden die deutschen Lehrer die polnischen Kinder erziehen. Abg. Kopsch (fr. Volksp.): Die Aneikennung der Tätigkeit der Seminarlehrer durch den Abg. von Heydebrand ist sehr erfreulich. Er hat ferner anerkannt, daß Mißstände in der Lehrerbesoldung estehen, aber er will unseren Antrag nicht annehmen, weil er eine umfassende und organische Reform des Lehrerbesoldungsgesetzes wünscht. Diesen Wunsch teilt das ganze Haus mit ihm, aber seine Erfüllung hat leider nach den Erklärungen des Ministers noch gute Wege. Wenn der Abg. Zieschs von ungünstigen Erfahrungen mit den Volksunterhaltungsabenden in Obeischlesien sprechen konnte, so dürfen diese Erfahrungen nicht verall— gemeinert werden. Die Volksunterhaltungsabende haben eine große 55

sozialpolitische Bedeutung; denn sie sind geeignet, die Gegensätze

zwischen den einzelnen Bevölkerungsklassen mehr und mehr zu

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überbrücken. Der preußische Lehrerverein und der Lehrertag vom 25. Dezember 1905 sind von verschiedenen Seiten angegriffen worden. Es ist nicht richtig, daß der preußische Lehrerverein eine politisch 5 19 foi 59

rei g ;

freisinnige Organisation sei. Im Gegenteil, er hält sich von Partei⸗ politik und konfessionellen Streitigkeiten vollkömmen fern und arbeitet lediglich zum Wohle der Schule und des Lehrerstandes. Die Kreuz⸗ zeitung“ bejeichnet Redner, die sich an den Verhandlungen des Lehrer— tages beteiligten, als Schwätzer und spricht von fulminanten Phrasen und Unsinn; dabei hat das Blatt den Mut, sich über den Ton dieser Versammlung zu beklagen, der so gewesen sei, daß man sich über

den Geist in der Schule den ernstesten Besorgnissen hingeben müsse. Der Ton auf dem Lehrertage war allerdings ein anderer als der im Zirkus Busch, den die Kreuzzeitung“ noch nicht beanstandet hat.

Die Lehrerschaft lehnt solche Vorwürfe ab. Redewendungen wie die: „Die Minister können uns sonst was!“ wären auf deutschen

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Lehrertagen undenkbar, jedenfalls würden solche Aeußerungen, wenn sie als Entgleisungen eintreten sollten, richt die jubelnde Zu⸗ stimmung der Versammlung, sondern ernste Verurt ilung finden. Weitere Unterstellungen leistete sich der ‚Reichsbote', indem er die Lehrerschaft einer Hinneigung zum Freidenkertum und zur Sozial—

diese Ver⸗

demokratie verdächtigte. Ich muß es mir versagen, auf dächtigungen etwas zu erwidern: die deutsche Lehrerschaft steht zu hoch, als daß sie mit solchen Verdächtigungen erreicht weiden könnte. Zu meiner Freude hat sich auch bisher in diesem hohen Hause noch kei 1

gefunden, der sich den Ansichten nach der Art derjenigen, die erwähnt habe. angeschlossen bätte. Ich möchte aber ni lassen, zu erwähnen, daß die „Kölnische Zeitung“ geschriebe 5 der Lehrertag einen Lichtblick in trüber Zeit bedeute Aber auch de Herr Minister hat sich nicht gerade anerkennend über den deutschen Lehrertag ausgesprochen. Der stenographische Bericht dieser Verhand- lungen wird bald vorliegen, und ich hoffe, daß dann auf Grund dieses Berichts sein Urteil doch etwas milder ausfallen wird als auf Grund der nicht korrekten Darstellungen in der Tagespresse. Der Herr Minister hat gesagt, es seien ihm viele Klagen von Lehrern zuzegangen, die sich darüber beklagten, daß sie nicht zum Worte gekommen seien. Das ist mir unverständlich, denn auf dem deutschen Lehrertaze kommt jeder zu Worte, der sich gemeldet hat, und zwar in Reihenfolge, wie er sich gemeldet hat. Für solche Klagen schei Herr Minister der richtige Ort nicht zu sein, sondern hätte man an die Leitung des deutschen Lehrertages richten sollen.

(Schluß des Blattes.)

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Dem Herrenhause sind Entwürfe von Gesetzen, betreffend die Erhebung von Kirchensteuern in den Kirchengemeinden und Gesamt- (Parochial Verbänden der evangelisch-lutherischen Kirchen der Provinzen Hannover und Schleswig⸗Holstein sowie in den Kirchengemeinden der evangelisch-reformierten Kirche der Provinz Hannover, nebst Begründung und Anlagen

zugegangen.

Nr. 11 des Zentralblatts für das Deutsche Reich“, berausgegeben im Neichsamt des Innern, vom 26. Februar 19066, dat folgenden Inhalt: Versicherungswesen: Bekanntmachung, betreffend die Außerkraftsetzung von Bestimmungen des Gewerbe und des Bau⸗= unfallversicherungegesetze zu Gunsten von Angehörigen des König— reichs Belgien.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Eine in der Nacht zum Dierstag abgehaltene, stark besuchte Versammlung der Schaffner und Fahrer der Großen Berliner Straßenbahn nahm hiesigen Blättern zufolge eine Resolution an, nach der die Versammlung gegen die Entlassung von acht Angestellten durch die Direktion, als Bruch des Versprechens, daß das Koalitiongrecht verbürgt sei, Einspruch erhebt und sich verpflichtet. mit allen Kräften für die Organisation einzutreten, um die Tireftion zu gegebener Zeit zur Erfüllung ihres Versprechens zwingen zu können. Gegen die erwähnte Entlassung soll der Traneportarbesterverband beim Aufsichtsrat der Straßenbahn vorstellig werden. (Vergl. Rr. 46 d. Bl.)