1906 / 123 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 May 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Ort ist, um in langen Auseinandersetzungen nachher die Sache zu prüfen, vorausgesetzt, daß es sich nicht um eine endgültige Ent⸗ scheidung handelt, die ganz konkret vorliegt und auch nach konkreten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten beurteilt werden kann. Also ich richte nicht bloß an den Herrn Abgeordneten, sondern auch an dieses hohe Haus die Bitte, in denjenigen Fällen, in denen Sie wirklich glauben, daß die Rechte der Selbst verwaltung beeinträchtigt sind, auch entsprechende Beschwerde bei mir zu führen, um eine endgültige Entscheidung in der letzten verantwortlichen Instanz herbeijuführen. Ich behaupte, daß seit einer Reihe von Jahren ein Minimum von Beschwerden in dieser Beziehung an die Zentralinstanz gelangt ist, und ich erwarte nach wie vor den Gegenbeweis durch An⸗ führung einzelner Tatsachen, aus denen eine Kränkung der Rechte der Selbstverwaltung der Gemeinden gefolgert werden kann.

Was nun die Frage der äußeren und inneren Schulverwaltung anbetrifft, so ist meiner Ansicht nach und diese ist auch durch Ihre Kommission geteilt worden die Behauptung des Herrn Abg. Cassel, daß in viel weiterem Maße auch namentlich den Gemeindebehörden eine Mitwirkung an der Verwaltung der inneren Schulangelegenheiten zustehe, eine unrichtige. Sie ist widerlegt durch Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts, mit denen ich Sie aber hier nicht weiter be⸗ helligen will. Sie sind aufs eingehendste dargelegt woꝛden durch meine Herren Kommissare und haben schließlich auch in Ihrer Kommission ihre Erledigung im Sinne der Ausführungen der Herren Regierungs⸗ vertreter gefunden.

Ich möchte nun noch zum Schlusse hervorheben, daß es nicht tunlich ist und die Kommission hat sich auch auf diesen Stand⸗ punkt gestellt hier noch Fragen der inneren Schulverwaltung und Aufsicht in das Gesetz hineinzubringen, das sich lediglich als ein Schul⸗ unterhaltungsgesetz darstellt. Die Grenze zwischen inneren und äußeren Angelegenheiten der Schulverwaltung ist eine namentlich gesetzlich so schwer festzustellende, daß kaum etwas anderes übrig bleibt, als diese Frage von Fall zu Fall zu erledigen. So wird es auch in Zukunft bleiben. Ich kann mich im übrigen auf den Art. 24 Abs. 3 der Ver⸗ fassung berufen, wonach die äußeren Angelegenheiten der Schule der Selbstverwaltung der Gemeinden überwiesen sind, aber nicht die inneren. Wollten wir noch auf innere Fragen hier näher eingehen und dieselben gesetzlich zu fixieren versuchen, dann würden genau die⸗ selben Gefahren entstehen, die den früheren Gesetzentwürfen den Unter⸗ gang bereitet haben. (Abg. Freiherr von Zedlitz: Bravo!)

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Sie werden nicht von mir verlangen, daß ich mich hier als rednerischer Kilometerfreffer bewesse. Ich will nur kurz sagen, was ĩ meine. Ich bitte Sie, alle Anträge der Freisinnigen abzulehnen mit Ausnahme des einzigen, der sich auf die Zulassung eines Rabbiners in die Schuldeputation bezieht. Wir haben in der Kommission die Regierungsporlage in allen den Punkten geändert, wo es den Anschein haben konnte, alß sollten die bestehenden erhältnisse zu Gunsten der Schulaufsichtsbehörde und zu Ungunsten der Gemeinden geändert werden. Die Grenzen zwischen Schulaufsicht und Gemeinde zu ziehen, wird Aufgabe einer späteren , , sein, bei diesem Gesetz können wir es nicht machen. Der Abg. Cassel ist von der Richtigkeit feiner Ansicht so durchdrungen, daß er für geltendes Recht hält, was er wünscht. Er kann sich nicht auf das Sberverwaltungsgericht be⸗ rufen. Das Oberverwaltungsgericht hat mit voller Klarheit immer ausgeführt, daß die Aufsichts rechte der Gemeinden beschränkt sind durch die Aufsichtsrechte des Staates. Beim Schulunterhaltungs⸗ gesetz können wir nicht die Frage der Schulaufsicht regeln. Wir halten deshalb an den Kommisstonsbeschlüssen fest. Der Fall Singer läßt deutlich erkennen, daß wir auch in großen Kommunen eine gewisse Rücksicht bei der Zusammensetzung der Schuldeputationen walten laffen müffen. Wenn wir die Zahl der Schuldeputationen so vermehrt haben, wie die Vorlage es tut, so haben wir es getan im Intereffe der Dezentralisation der Schul perwaltung. Dann müssen wir aber Gewähr haben, daß die Schuldeputationen in richtiger Weise zusammengesetzt sind. Zur Aenderung der staatl ichen Schul⸗ verwaltung wollen wir die Regierung um die Vorlegung eines be⸗ sonderen Gesetzes in einer 9 Rationalliberalen zusammen beantragen. Ich will noch eine all—⸗ gemeine Bemerkung über das ganze Gesetz machen: wenn die vom Zentrum gestellten Anträge angenommen würden, würden wir nicht in der Lage sein, dem Gesetze im ganzen zuzustimmen. Es wäre nicht angängig, das Gesetz in einer allein konservativ klerikalen Form anzunehmen, denn dann, würden wir zu der NUeberzeugung kommen müuͤssen, daß der Geist, in dem das Gesetz ausgeführt werden würde, nicht unseren Ansichten entspräche.

Abg. Münsterberg ir. Vgg.): Wir sind der Meinung, daß man den Vertretern der Gemeinde das Vertrauen schenken kann, daß sie in die Schuldeputation nur Mitglieder wählen werden, die fich ihres Amtes auch da, wo es sich um das Aufsichts recht handelt, würdig erweisen werden. Unser Antrag bringt deutlich zum Ausdruck, daß die Schuldeputation nur Organ des Gemeindevorstandes sein soll, foweit es sich nicht um die staatliche Schulaufsicht handelt. Nicht einberftanden sind wir mit der Bestimmung im 29, daß in die Schulkommission für Schulen mit Lehrern einer Konfession nur Ein⸗ wohner derselben Konfession gewählt werden dürfen. Die Zulassung der Frauen, die wir beantragen, ist für uns von sehr großem Wert; deren Mitwirkung ist im Interesse des ganzen Staatswesens nicht zu entbehren. .

übg. Graf von der Gröben (kons. : Die Anträge der Frei⸗ sinnigen werden wir durch die Bank ablehnen. In der Kommission haben wir unt berstandigt, daß wir die Frage der Schulaufsicht nicht in diesem Gesetze regeln können. Wir haben nicht verkannt, daß in dieser Frage manches vielleicht gegen die Ansicht der Regierung gesagt werden kann, aber in diesem Gefetz wollen wir diese Materie nicht regeln. Die Zulassung von Lehrerinnen haben wir in der Kommission beschlossen. Wir gehen damit von unserem Prinzipe, daß die Frauen nicht in der Kommunalverwaltung tätig sein sollen, nicht ab. Kraft ihres Amtes können natürlich Lehrerinnen in die Schuldeputation hineinkommen. Bei den Personen unter Nr. 3 handelt es sich aber nicht um Er⸗ ziehungsangelegenheiten, sondern um Veiwaltungs⸗ und, Unter⸗ haltungsfragen, und da können wir die Frauen nicht zu⸗ sassen. Die Anträge Schmedding müssen wir zu unserem Bedauern ablehnen. Solange das Kompromiß existiert, wollen wir daran festhalten. Der Abg. von Zedlitz sagte, wenn das Gesetz mit klerikal⸗konserpativer Mehrheit, angenommen würde, müßten er und seine Freunde gegen das Gesetz stimmen. Ich muß mich mit aller Schärfe gegen diese Erklärung wenden. Die Herren von der konservativen und auch der nationalliberalen Partei sind sehr oft mit dem Zentrum gegangen, daher darf man uns hier nicht

raulig machen. Wir müssen unsere Unterstützung suchen, wo wir e finden. Wenn nicht gewünscht wird daß wir uns mit dem Zentrum verständigen, so liegt es an den Freilkonservativen und Rationalliberalen, sich mit uns zu verständigen.

Abg. Fu nck Fir. Vollsp.): Für uns in Frankfurt a. M. bedeutet die Faffung der Kommission bezüglich der Schul deputation zweifellos eine Verschlechterung. Bei dieser Gelegenheit muß ich den Fall des Dr. Penzig in Charlottenburg erwähnen. Er ist einstimmig gewählt, aber nicht bestätigt worden. Dr; Penzig ist mit den Schul- fragen wohlvertraut, seine pädagogischen Schriften sind anerkannt. Er steht allerdings ungefähr auf dem Standpunkt meiner Partei.

Wenn diefe Parteistellung nicht den Ausschlag gegeben hat, so kann man nur annehmen, daß seine Eigenschaft als Dissident den Ausschlag gegeben hat. Man muß aber doch berücksichtigen, daß in Charlotten⸗ urg meist Simultanschulen bestehen.

olution ersuchen, die wir mit den

Ministerlaldirektor D. Schwartz topf f: Wie weit das Be⸗ stätigungsrecht in manchen Provinzen besteht, will ich heute dahin gestellt . lassen. Ich erkenne an, daß Zweifel darüber bestehen konnen. Auf ben Fass Penzig war ich heute gefaßt, ich kann aber nur erklären, daß weder Herr r , , noch die städtische Ver⸗ waltung von Charlottenburg eine Beschwerde beim Minister erhoben hat, und daß der Minister über den ganzen Fall nicht orientiert ist. Der Minister hat aber Veranlaffung genommen, auf Grund der ihm gewordenen Mitteilung einen Bericht von der Regierung in Potsdam einzufordern, und dieser ist noch nicht da. ch möchte aber nicht unterlassen, Herrn Funck dahin zu berichtigen, daß keineswegs in Charloktenburg meist Simultanschulen bestehen.

Nach einigen weiteren Bemerkungen des Abg. Aron⸗

sohn (fr. Vollsp.) wird bie Debatte geschlossen.

Nach Ablehnung der sämtlichen Anträge Cassel und des Antrages Schmedding werden die 86 2, 28 und 29 un⸗ verändert in der Kommissionsfassung angenommen. .

Die g8 30531 a betreffen die Schul v orstände in Landgemeinden und Gutsbezirken.

Nach 5 306 erfolgt in Landgemeinden oder Gutsbezirken, die einen eigenen Schulverband bilden, die Feststellung des Schulhaushaltes und die vermögensrechtliche Vertretung durch die Gemeindeorgane bezw. den Gutsvorsteher. Wenn. der Gutsbezirk nicht ausschlleßlich im Eigentum des Gutsbesitzers steht, oder noch andere selbständige Personen darin wohnen, so ist eine besondere Gutsvertretung zu bilden. e

Nach 3 531 ist für die übrigen Schulverwaltungen in Landgemeinden ein Schulvorstand einzusetzen, der zu⸗ ech nach Anweisung der Schulaufsichtsbehörde für die äußere

rdnung im Schulwesen zu sorgen und die Verbindung ehen Schul und Elternhaus zu pflegen hat. Der Schul= vorstand besteht aus dem Gemeindewvorsteher, in Westfalen und der Rheinprovinz außerdem dem Amtmann und . einem Lehrer und dem Pfarrer der betreffenden onfession, en, auch einem Rabbiner sowie zwei bis sechs vön er Gemeindevertretung zu wählenden Einwohnern. Diese ewählten Mitglieder und der Geistliche oder Rabbiner önnen nach Analogie des 828 re , werden, wogegen Klage beim Kreisausschuß zulässig ist. Der Vorsitzende wird von der Schulaufsichtsbehörde bestimmt. Die in der Re⸗ ierungsvorlage vorgesehene Mitgliedschaft des Ortsschul⸗ nspektors als Vorsitzenden hat die Kommission gestrichen und statt dessen bestimmt: Der Ortsschulinspektor ist, . er nicht Mitglied ist, berechtigt, an den Sitzungen des Schulvorstands teilzunehmen, und muß zu diesen Sitzungen eingeladen werden; er ist auf Verlangen jederzeit zu hören. . .

Der 5 31 N36 ferner, daß in Landgemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern auf Beschluß der Gemeinde⸗ organe und in Landgemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde eine Sch ul⸗ deputation eingesetzt werden kann. In Gutsbezirken ist

leichfalls ein Schulvorstand zu bilden, über dessen Zu⸗ ammensetzung entsprechend den Bestimmungen dieses Para⸗ raphen die Gutsvertretung bezw. der Gutsvorsteher zu be⸗ timmen hat.

Als § 31a hat die Kommisston die Bestimmung eingeschaltet, daß in Landgemeinden oder Gutsbezirken, welche neben konfefsionellen Schulen auch Simultanschulen unterhalten, zur Wahrnehmung der äußeren Ordnung im Schulwesen und der Verbindung von Schule und Elternhaus für jede einzelne Schule oder für mehrere Schulen derselben Art eine besondere e, , als Organ des Schul⸗ e ,. einzusetzen ist, die analog wie der Schulvorstand zusammen⸗ usetzen ist. 2 ; 2 Fz 31 beantragt der Abg. Pallhas ke . einen Zusatz, wonach die Bestimmung über den Ausschluß auch auf den Lehrer aus⸗ gedehnt wird.

Die Abgg. Cassel und Broem el beantragen zu § 31 sinn— gemäß dieselben Anträge wie zu 28.

bg. Cafsel bemerkt, daß er bei der dritten Lesung Gelegenheit nehmen) werde, auf die prinzipiellen Auseinandersetzungen mit dem Minifter über die Rechte der Selbstyerwaltung zurückzukommen, Die Abgg. Freiherr von Zedlitz und Graf Limburg⸗Stirum hätten 1892 bei der Beratung des Volksschulgesetzes ausgeführt, daß die Verfassung die Gemeinden nicht hindere, in die innere Verwaltung der Schulen einzugreifen. Angesichts der Aeußerungen von solchen Männern könne man doch nicht davon sprechen, daß seine Anschauungen von einem einseitigen Parteistandyunkt aus erfolgten.

Abg. Br. Iderhoff (fr. kons.) erklärt, daß seine Freunde dem Antrag Pallagke zustimmen werden. Die Fassung der Kommissions⸗ beschlüsse stelle im übrigen die äußerste Grenze dar, bis zu der seine ö in der Anwendung der für die Städte geltenden Be⸗ timmungen über die Zusammensetzung der Schulverwaltungen in bezug auf die ländlichen Verhältnisse gehen könnten.

Abg. Schmedding erklart, sich weitergehende Anträge vor— behalten zu müssen.

Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Graf von der Gröben (kons) und Münsterberg (fr. Vgg) werden die

s 36 und 312 unverändert angenommen, 8 31 mit der Cin⸗ chaltung nach dem Antrag Pallaske. Die Anträge Cassel werden abgelehnt. .

Die S8 32 bis 39a betreffen die Schulverwaltung in Gesamtverbänden.

Nach 832 erfolgt die Gesamtverwaltung durch den Schul⸗ vorstand und den Verbandsvorsteher.

Nach 8 33 besteht der Schulvorstand aus Vertretern der Gemeinden und Gutsbezirke in einer Gesamtzahl von mindestens drei. Das Stimmrecht bemißt sich nach den Schulabgaben. Dem Schulvorstand treten Lehrer und Geist—

liche hinzu.

9 s 34 wird der Verbandsvorsteher von der Schul⸗ aufsichtsbehörde aus den Mitgliedern des Schulvorstandes er⸗ nannt. Es kann auch ein kommissarischer Vorsitzender ernannt werden, der jedoch in der Vermögensverwaltung kein Stimm⸗ recht * Der Srtsschulinspektor ist, soweit er nicht Mitglied ist, befugt, an den Sitzungen teilzunehmen, und muß zu ihnen ugezogen werden. In Westfalen und der Rheinprovinz sind er Amtmann bezw. ber Bürgermeister Verbandsvorsteher.

Die 85 35 bis 37 treffen nähere Bestimmungen über die Obliegenheiten des Schulvorstandes und die Verteilung der Schulabgaben.

. sz 38 sind in Gesamtschulverbänden, welche neben konfessionellen auch Simultanschulen unterhalten, zur Wahr⸗ nehmung der äußeren Ordnung im Schulwesen und der Ver—⸗ bindung zwischen Schule und Elternhaus besondere Schul⸗ kommissionen nach Analogie des s 314 einzusetzen.

Noch § 39 können e , nachbarliche Zweckverbände wie die Amtsverbände in Westfalen und die Bürgermeistereien in der Rheinprovinz zu Gesamtschulverbänden erklärt werden. Als F 3ha hat die Kommission die Bestimmung einge⸗ schaltet, auch in Gesamtschulverbänden Schuldepu⸗— tationen nach Analogie des 5 31 (bei mehr als 10090 bezw. 3000 Einwohnern) eingerichtet werden können. Gehört dem Gesamtschulverband eine Stadt an, so ist stets eine Schuldeputation einzurichten.

l

Zu 8 33 will ein gemeinsamer Antrag der Rechten, der Nationalliberalen und der Freisinnigen den Zusatz machen daß auch der Rabbiner in den Schulverband des Gesamt schulverbandes eintreten kann.

Zu J 33 beantragt ferner Abg. Pallaske (kons) einen . wonach der Ausschluß der gewählten Mitglieder, des

ehrers, der Geistlichen und des Rabbiners auch in den Ge, samtschulverbänden zulässig ist.

Ju J 34 beantragen die Abgg. Cassel und Broemel die Rbänderung, daß der Verbandsvorsteher aus den Mit—

liedern des Schulvorstandes von diesen ö wird und von er Schulaufsichtsbehörde zu bestätigen ist,

Nach kurzer Debatte werden unker Ablehnung des Antrages Cassel die 85 32—39 mit den zu 8 33 beantragten Er— gänzungen angenommen. ö

S 6, der die gemeinsamen Bestimmungen üher die Lehrer= berufung enthält, bestimmt in der Kommissionsfassung u. a. Die Lehrer und Lehrerinnen werden von der Gemeindebehörde . ah lt. Das Wahlrecht wird ausgeübt in Städten und

andgemeinden, die Schuldeputationen haben, durch den Gemeindevorstand nach Anhörung der Schuldeputation und Schulkommission, in Orten ohne kollegialen Gemeindevorstand durch die Schuldeputation, in den übrigen Landgemeinden, Gutsbezirken und Gesamtschul⸗ verbänden durch den Sm e bezw. den Gutz— vorsteher mit Zustimmung des Schulvorstandes, Die Gewählten bedürfen der Bestätigung durch die Schul— aufsichtsbehörde und werden von ihr angestellt. Die Ge= nehmigung darf aus eheblichen Gründen versagt werden. Wird die Bestätigung zum zweiten Male versagt, so erfolgt die An— stellung unmittelbar durch die Schulaufsichtsbehörde. Die Be— setzung von Stellen, deren Inhabern Leitungs— befugnisse zustehen (Rektoren, Hauptlehrern usw,, erfolgt durch die Schulaufsichtsbehörde nach An— hörung der obengenannten Gemein deschulorgane. Wo mit dem Schulamt ein arch ich Amt verbunden is, wird an dem bestehenden Rechte hinsichtlich der Mitwirkung der Kirchenbeteiligten bei der Anstellung nichts geändert.

Die Abgg. Bachmann (nl) und Gen. beantragen, die Bestimmung Fur die Rektorenberufung folgendermaßen zu fassen:

In Stellen, deren Inhabern Leitungsbefugnisse zustehen (Rektoren, Hauptlehrern usw.), sind solche Lehrer zu berufen, welche den be— sonderen, auf gesetz, oder rechtsgültigen Verwaltungsangrdnungen be= ruhenden Voraussetzungen entsprechen. Die Besetzung erfolgt durch die Schusaufsichtsbehörde nach Anhörung der Gemein deschulorgane. Fedach bewendet es in den einen eigenen Schul⸗ Ferband bildenden Gemeinden, in welchen bisher die bürgerliche Gemeinde Trägerin der Schullast war und den Gemeindeorganen ein Recht auf weitergehende Mitwirkung bei der Berufung der Lehrkräfte für Stellen der vorstehend be zeichneten Art zugestanden hat, rücksichtlich der den Gemeindeorganen zustehenden Befugnisse bei dem bestehenden Recht. Dasfelbe findet in den einen eigenen Schulverband bilkenden Gutsbezirken sowie in den nur aus Gutsbezirken be— stebenden Gesamischulverbänden rücksichtlich des bisher den Gutsherren zustehenden Rechtes auf K Mitwirkung bei der Berufung von Lehrkräften der gedachten Recht durch den Gutsvorsteher ausgeübt wird. Darüber, ob und in welchem Ümfange ein solches Recht besteht, beschließt die Schul⸗= auffichtsbehörbe. Gegen deren Beschluß steht den Beteiligten binnen drei Monaten bei dem Kreisausschuß und, sofern beteiligt ist, dem Beztrksausschuß die Klage im Verwaltungk⸗ streitverfahren zu.“

Die Abgg. ah g und Broemel beantragen einen S ha, der die Ortsschulinspektion aufhebt und die Kreisschulinspektion nur Fachmännern im Hauptamt übertragen will.

Abg. Ko psch (fr. Volksp.): Die Beschlüsse der Kommission zu dem wichtigen Paragraphen über die Lehreranstellung haben die Re⸗ gierungsborlage nicht unerheblich verändert. Praktisch ist dadurch den Gemelnden das Lehreranstellungsrecht entzogen, nur für einen kleinen Teil hannöverscher Gemeinden soll es bei dem bestehenden Zustand bleiben. Die Bestimmungen dieses Paragraphen sind durchweht vom Geiste des Mißtrauens gegen Gemeinde, Volk und Selbstverwaltung. Die Gemeinden haben zwar das Recht, die Lehrer zu wählen, aher die Schulauffichtsbehörde hat sie zu bestätigen und darf die Be— flätigung unter erheblichen Grunden! versagen. Was sind erheb⸗ liche Gründe“? Wo bleibt da vor allem das Recht der Lchrer selböst? Die Nichthestätigung wird immer dann erfolgen, wenn Mißhelligkeiten vorgekommen sind. Aber daß diese Miß⸗ helligkeiten much. immer Schuld der Lehrer sind, lehren mehrere Fälle der letzten Zeit, wo Streitigkeiten zwischen Lehramt und geist⸗ sicher Aufficht vorgekommen sind. Wir hatten in der Kommission beantragt, daß die Regierung im Falle der Nichtbestätigung ben pflichtet sein soll, den Gemeinden die Gründe dafür anzugeben. Durch bie Ablehnung unseres Antrages hat sich die Mehrheit auf einen Standpunkt gestellt, der selbst im Zedlitzschen Schulgesetz nicht vor Eren war. Der Entwurf bekundet sogar einen wesentlichen Rüch⸗

ritt gegenüber dem Gesetz von 1892. Nun haben ja die National⸗ liberalen den bekannten neuesten Kompromißantrag eingebracht, der als Grundlage für weitere Kompromisse angesehen wird, wenn die Ginigkeit nicht vorher eine unerfreuliche Wendung erfährt. Der nationalliberale Antrag will zwar für die Rektorenanstellung die bil · herigen Rechte dort wahren, wo sie besteben, aber man wird so berfahten, daß man die bestehenden Gemeinden zu neuen Gesamtschulverbänden zu⸗ sammensetzt und so auch die alten bestehenden Rechte illusorisch macht. In dem Bestätigungsrecht der Regierung ist volle Gewähr gegeben, daß nur rechte Männer auf den rechten Platz kommen. Kommen einmal Mißgriffe vor, so können sie rektifiziert werden. Man sagt, man habe den Landlehrern eine Laufbahn eröffnen wollen. Ich bin der erste, Ver ihnen dag gönnt, aber bis zur Stunde ist mir unklat geblieben, wie durch diese Bestimmung eine solche Laufbahn eröffnet werden kann. Der Abg. Hackenberg hat seinerzeit wohl ganz etwat anderes im Auge gehabt, als in dieser Vorlage zum Ausdrucke gr enmen ist. Er har wahrscheinlich᷑ gemeint, daß man kleinere Schil, aufsichtsbezirke bilden sollte, und daß dann die tůchtigsten Landlehler n libre sen? zu? Schulgujfichtzbeamten? gemacht. werden. könnten, 2 Regierung bezieht sich darauf, daß in Westfalen ein Brittel aller Lehrer die Mittelschullehrer .; und Rektoratgprüfung gema hätten; warum bezieht man sich nicht auf die Provinzen Pommern und Posen, wo vielleicht nicht zehn Lehrer vorhanden sind. die das Mittelschullehrer ! und Rektoratseramen gemacht und bie e⸗ keine Unterkunft als Rektoren in der Stad' gefunden, haben Die Lehrerschaft hat gegen diese Steigerung der Nachtbefugnisf des Staates bezüglich der Lehrerberufung die größten Bedenken. befteht unter den Lehrern, da die Schulaufsicht nicht von Fachmännern ausgeübt wird, die Befürchtung, daß Kriecherei und Heuchelei an der Tagesordnung sein werden, daß die einzelnen Lehrer nicht nach . pere n, Fähigkeiten beurteilt werden, sondern daß diejenigen di esten Geschäfte machen werden, die am wenigsten selbständig sind * es vermeiden, ihr Standes bewußtsein und ihre Standegehre zum le. druck zu bringen. Gs wird mir berichtet, daß der Minister die meisten Lehrer als Sozialiften und Atheisten ansieht, weil seine Räte ihn das fo mitgeteilt hätten. Wer sind denn diese Räte? Eine solcht Beschuldigung der Lehrer muß ich entschieden zurückweisen. , unbequeme Reschlüsse auf den Lehrertagen gefaßt worden sind, 3 meine sch, daß gerade die unbequemsten Beschlüsse oft die norme t ssth sind. Wenn dis Lehrer gegen 3 40 Stellung nehmen, so ist das de Ausdruck ihres Vertrauens zu den Gemeinden.

rt mit der Maßgabe statt, daß dieses

eine Stadt

2

Ministerialdirektor D. Schwartz k opff: Der Minister hat mich beauftragt. das Bedauern auszusprechen, 9. der Abg. Kopsch auf eine Erzählung hin, die vollkommen frei erfunden ist, Deduktionen begründet hat, die besser unterblieben wären. Aus ken bisherigen Verhandlungen und, aus, der Presse habe ich den Eindruck, daß man über den 40 nicht ausreichend orientiert

Man operiert damit, daß man einer Entrechtung der Gemeinden porbengen müsse, und daß man bestimmen müsse, daß, wer den Lehrer bezahlt, ihn ernennen muß. Diese beiden Gründe sind nicht stich⸗ haltig gegen die Regierunge vorlage und noch weniger gegen die Rommission. Nach dem in Preußen geltenden Recht wird der Lehrer nicht von dem angestellt, der ihn bezahlt, sondern das Ernennungs⸗ recht steht dem Landesherrn, zu, der in gewissem Umfange die Gemeinden oder sonstige Schulintereffenten daran beteiligt. Aber bezahlen tun ganz andere Leute. Von den 92 000 Lehrerstellen besetzt der Staat * ohne jede Mitwirkung 53 000, 12 000 besetzen die Gutsherren, 40900 Bischöfe, Korporationen u. dergl. und nur 20 006 die Magistrate als Ortzobrigkeit. Auch die Verfassung ordnet an, daß die Lehrer vom Staat unter gesetzlich geordneter Beteiligung der Gemeinden angestellt werden, sodaß die Lehrer Rechte und Pflichten der Staatsbeamten haben. In der Kommission hat man sagegen dem Staat seine o3 000 Stellen genommen und den Ge⸗ meinden gegeben. Man hat auch die 12 000 Stellen der Gutebesitzer und die 4500 Stellen der Bischöfe usw. den Gemeinden gegeben. Und dann hat man den Gemeindebehörden einen zweimaligen Vor⸗ schlag gestattet, ehe die Regierung mit eigener Anstellung vorgehen ann. Auf der ganzen Linie ist daher eine Zurückdrängung und Entrechtung des Staates und eine Bevorzugung der Gemeinden vorgenommen. Eine Differenz unter den Parteien hesteht lediglich wegen der Rektorenstellen. Heute besetzt der Staat frei ohne Mitwirkung der Gemeinden von den 6800 Stellen 4000, die Gutéherren 750, sonstige Berechtigte 350 und 1700 die Magistrate. Bie Freisinnigen möchten nun dem Staat auch diese 4090 Rektoren⸗ stellen nehmen. Wenn der Staat nicht von seinem Einfluß auf das Volksschulwesen ganz zurückgedrängt werden soll, kann er auf die Rektoren nicht verzichten. Es gilt hier, dem Staat eine stärkere Be⸗ leiligung zuzuwenden und ferner den Lehrern auf dem Lande die Möglickkeit einer besseren Karriere zu schaffen. Der Abg. Kopsch behauptet, es sollte dadurch die Chargkterlosigkeit großgezogen werden. Sind denn bisher die 40900 Rektorenstellen ee lic mit charakterlosen Strebern besetzt? Ich schätze den preußischen Lehrerstand viel zu hoch, als daß meine, eine weitere Mitwirkung des Staates sznne auf ihn solchen Einfluß haben. Den nationalliberalen Antrag fasse ich dahln auf, daß dem Staat die 4000 Stellen be: laffen werden, daß aber das Prinzip anerkannt wird, daß der Staat die Rektoren anders behandeln muß als die Lehrer, und daß da der staatliche Einfluß sich geltend machen muß. Nach diesem Antrag wird schätzungöweise der Staat 3000 Stellen erhalten, die Guts⸗ herren 256 und die Magistrate 1700. Der Antrag rührt also, indem er das Prinzip der Regierungsvorlage anerkennt, nicht an den 1700 Stellen. Der Minister hat . schon neulich mit diesem Antrag ein⸗ berstanden erklärt. Es ist jetzt Aufgabe der Parteien, unter sich eine Verständigung herbeizuführen, die das Priniip wahrt, an dem die Regierung festhalten muß, und doch die verschiedenen Interessen aus⸗ gleicht. Sollte eine Verständigung hier nicht gelingen, so bliebe die Hoffnung, daß sie im Herrenhaus erzielt wird. .

Darauf vertagt sich das Haus.

Persönlich bemerkt Abg. Kopsch, daß er nicht gesagt habe, es solle die Charakterlosigkeit herbeigeführt werden, sondern nur, daß sie die Folge sein werde. Die erwähnte Mitteilung über die Ansicht pes Ministers über die Lehrer sei ihm von einem hochangesehenen

Schulrat im Dienst gemacht worden, dessen Namen er dem Minister

nennen würde. Schluß gegen 5 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr. (Schulgesetz; Vertrag über die Mainkanalisierung.)

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Hause der Abgeordneten ist ein Vertrag i, reußen, Bayern, Baden und Hessen über ie Kana 6 des Mains von Offenbach bis Aschaffenburg nebst einer Denkschrift zugegangen.

In Uebereinstimmung mit der i fe er . bayerischen Staatsregierung über den Artikel XIII des Ver⸗ trages wird der Beglnn der Bauarbeiten und die Anforderung der Geldmittel so lange ausgesetzt werden, bis die Einführung der Schiffahrtsabgaben auf den natürlichen Wasserstraßen im Sinne des 5 19 des preußischen Wasserstraßengesetzes vom 1. April 1905 gesichert ist.

Die Uebereinkunft ,, . Wortlaut: rtikel J.

) Die Königlich preußische und die Königlich bayerische Re⸗ gierung sind übereingekommen, die von Kostheim bis Offenbach bereits ausgeführte Kanalisierung des Mains nunmehr bis Aschaffenburg sortjusetzen, nach erfolgter Herstellung der Kanalisierungswerke deren Betrieb zu übernehmen sowie dieselben nebst dem Fahrwasser auf dem lanalssierten Strom zu unterhalten. Hierbei übernimmt die Königlich preußische , ,, die Kanalisierung der Strecke Offenbach —anau und die Königlich bayerische Regierung die Kanalisierung der Strecke Hanau Aschaffenburg.

Y Als Grenze für die beiderseltigen Arbeitsgebiete wird die Eisenbahnbrücke Hanau⸗Klein⸗Steinheim bestimmt.

3) Die Großherjoglich badische und die Großherzoglich hessische Reglerung erteilen zur Ausführung des vorbezeichneten Unternehmens ihre Zustimmung.

7 Die fer eg ng der Kanalisierung erfolgt in der Weise, daß das Fahrwasser eine Mindesttiefe von 2,5 m erhält und daß die neuen Strecken auch im übrigen den unteren Strecken in bezug auf die zu⸗ läͤssige Schiffsgröße nicht nachstehen.

5) Die Schleusen follen fo verteilt werden, daß auf die Strecke Offenbach (Hanau zwei und auf die Strecke Hanau Aschaffenburg vier Schleusen treffen.

Bie Schleusen und zugehörigen Wehre werden demnach an die nachbe zeichneten Ortschaften zu liegen kommen: Mainkur, Kesselstadt, Krotzenburg, Großwel heim, Kleinostheim und Mainaschaff,

6) Die Schleusen sollen eine Länge von 300 m (517,2 im pon Drempelspitze zu Drempelspitze) mit einem mittleren Haupt zum Ab⸗ schlusse einer für sich allein zu benutzenden kleinen Kammer (9on 100 m Länge) sowie 1 i Tor⸗ und Sohlenbreite erhalten. Die Schleusen⸗

wände sollen im Verhältnig von 1:1 geböscht und mit tunlichst

glatter Oberfläche versehen sein.

Die Wehre erhalten Flutöffnungen und Schliffahrtsöff nungen, Floßschleufen und Fischpässe.

s) Die festen Wehrrücken der Schiffahrtsöffnungen sind so tief ju legen, daß die in der Uebereinkunft, vom 6. Februar 1846 vor⸗ ,, über denselben bei niedergelegtem Wehr vor⸗

nden ö

) Dieser e,. hat im allgemeinen auch für die Ober- drempel der Schleusen Anwendung zu finden; letztere können indessen bis zu 10 em höher gelegt werden.

10) Die Oberhäupter der Schleusen werden nicht hochwasserfrei

Mgelegt, fondern die Schleusenoberkante gelangt nur auf O, 90 im über

Dberwasser zur Ausführung, .

11) Die allgemeinen Prolekie für die Fortsetzung der Kanali⸗ en bis Aschaffenburg sind den Regierungen der vier Mainufer= faaten behufs Einholung ihrer Zustimmung vorzulegen.

12) Gine wefentliche Aenderung der in Aussicht genommenen Einrichtungen bedarf der . Mainuferstaaten. rtikel I.

IN) Die Kosten der her el des Betriebs und der Unterhaltung

der Kanaliflerungsanlagen einschlleßlich der Unterhaltung des Fahr⸗

wassers werden für die Strecke Offenbach Hanau von der Königlich preußischen und für die Strecke Hanau =— Aschaffenburg von der König. lich bayerischen Regierung getragen. Jedoch erstattet die Ie ul bayerische Regierung der Königlich preußischen Regierung die bei den Schleusen von Mainkur und i ff durch Herstellung der kleinen Kammern entstebenden Mehrkosten im festen Betrage von 307 900 2) Die Herstellung der für die Fortsetzung der Mainkanalisierung erforderlichen Anlagen auf fremdem Gebiet, deren Betrieb und Unter⸗ haltung wird von den Territorialre . den unternehmenden Re⸗ gierungen unter Zusicherung möglichsten Entgegenkommen der Terri⸗ korialbehörden gestattet. bi landespolizeiliche Prüfung und Fest— stellung der Cinjelpläne (einschließlich derjenigen für Brücken, Fluß korrektlonen, Weg⸗, Leinpfad und Dammverlegungen, Veränderung der Landestellen ufw.) erfolgt jedoch nach Maßgabe der Gesetze und 2 er, n e, ö 8 bis Kahl uf der preu he en recke von Hanau bis Ka wird Beh fh und Unterhaltung durch die Königlich preußische Regie⸗ rung auf Rechnung der Königlich bayerischen Regierung betätigt.

Aitikel III.

Insoweit zur Ausführung der Kanalisierung auf fremdem Gebiet die Erwerbung von Grundeigentum notwendig ist, wird, wenn die Erwerbung im Wege guütlicher Vereinbarung zwischen der unter⸗ nehmenden Regierung und den Beteiligten nicht zu erreichen sein sollte, das Enteignungsberfahren nach Maßgabe der Gesetze des Territorial⸗ staates in Anwendung kommen.

1) Insoweit nicht sch ug e gh Zuständigkeit der Gericht

nsoweit n on gesetz eine Zuständigkeit der Gerichte des Territorialstaates begründet ist, veipflichten sich die unternehmenden Regterungen, wegen aller Ansprüche privatrechtlicher Natur, welche in Veranlassung der Anlage, des Betriebes und der Verwaltung der auf fremdem Gebiet gelegenen Werke der Mainkanalisierung gegen die unternehmenden Regierungen erhoben werden, bei den Gerichten des Territortalstaates Recht zu nehmen.

2) Die untermehmenden Regierungen sind verpflichtet, wegen aller Schäden, welche durch die Anlage und den Betrieb der Kanalisierungs⸗ werke, insbesondere auch infolge Hebung des ,,. durch An⸗ steigen des Grundwassers und Ueberstauung Prlgaten, Gemeinden und Korporationen usw. zugefügt werden sollten, die Vertretung nach Maß gabe der im Territorialstaate geltenden Gesetze zu i nme Unter diese Bestimmung fallen auch Ansprüche wegen Veränderung von Lein- pfaden, Straßen und Landestellen sowie wegen Beeinträchtigung von

Fähranstalten. Artikel V.

Die Bestimmung darüber, welche Arbeiten zum Zwecke der Unter⸗ haltung der Kanalisterungs werke und des Fahrwassers auszuführen find, steht für die Strecke Offenbach =-Kahl der Königlich preußischen und für die Strecke Kahl Aschaffenburg der Königlich baverischen Reglerung zu; die Wünsche der anderen Mainuferstagten sollen dabei jedoch tunlichst berücksichtigt werden. Auf der Strecke Hanau Kahl hat die Königlich preußische Regierung den Wünschen der Königlich bayerischen Regierung zu entsprechen.

Artikel VI.

Die Königlich preußische und die Königlich bayerische Regierung werden die Benutzung der neukanalisierten Strecken zur Tauerei wie bisher geflatten und werden Sorge tragen, daß die Kanalisierungs— werke in einer den Betrieb der Tauerei möglichst wenig erschwerenden Weise hergestellt werden.

Artikel VII.

Die unternehmenden Regtlerungen werden darauf Bedacht nehmen, daß der Verkehr der Flöße und Schiffe, einschließlich der den Main regelmäßig befahrenden Dampfschiffe, durch die zu errichtenden Kanalisterungganlagen möglichst ungehemmt bleibe.

Artikel VIII. Den Territorialstaaten verbleibt in Ansehung der auf ihrem Ge- biet gelegenen Stromstrecken die Landeshoheit. Dem gemäß sind als Hoheltszeichen dielenigen des Staates anzu⸗ wenden, auf dessen Gebiet die Hoheitszeichen errichtet werden.

ü Artikel IX.

I) Ueber die gewöhnliche und außergewöhnliche Schleusensperre sowie über den Schiffs und Floßverkehr auf den neukanalisierten Stromstrecken werden die erforderlichen . von derjenigen Regierung, welche die , im Einverständnisse mit den Regterungen der anderen ainuferstaaten getroffen. Bevor⸗ jugungen irgend welcher Art bezüglich der Schiffahrk oder der Flößerei eines der beteiligten Staaten sind dabei ausgeschlossen.

2) Die gewöhnlichen Schleusensperren zu Ausbesserungszwecken sollen möglichst gleichjeitig, und zwar tunlichst im Winter vor— enommen werden. Für außergewöhnliche Schleusensperren in Not i genügt eine gleichzeitige Benachrichtigung der Uferstaaten.

3) Die Regierungen der Territorialstaaten werden für die auf ihrem Gebiet ,, Stromstrecken die hi Ziff. I getroffenen Anordnungen zur Nachachtung öffentlich verkündigen lassen und deren Befolgung, soweit erforderlich, durch Erlaß entsprechender Straf— bestimmungen tunlichst sicher I.

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Die Konzessionierung von Wassertriebwerken und sonstigen Wasser⸗ benutzunge anlagen steht der Regierung des Territorlalstaates jeweils auf ihrem Gebiete zu; dieselbe wird die Erteilung von Konzessionen versagen, wenn die unternehmende Regierung im Interesse des Schiff⸗ fahrtöbetriebes und der Flößerei auf der kanalisierten Stromstrecke ge⸗ gründete Einwendungen dagegen erhebt.

Artikel XI.

Die Anftellung, Beaufsichtigung und Disziplinarbehandlung der Beamten für die Kanalisierungsanlagen erfolgt je durch die Behörden der die Unterhaltung betätigenden Staaten und nach Maßgabe der Vorschriften dieser Staaten; im übrigen aber sind diese Beamten den Gefetzen und Behörden des Staats unterworfen, auf dessen Gebiet

e tätig sind. ñ Artikel XII.

1) Die Handhabung der im Artikel IX bezeichneten Anordnungen innerhalb der auf fremdem Gebiet gelegenen Kanalisierungsanlagen erfolgt je durch Beamte der die Unterhaltung betätigenden Staaten, welche bon den zuständigen Territorialbehörden für die Ausübung diefer Funktion in Pflicht zu nehmen sind,

2) Die Handhabung der allgemeinen Sicherheitspolizei liegt jedoch den Srganen des Terrltorialstaates ob. Dieselben werden den für die Ranalisterungsanlagen bestellten Beamten auf deren Ersuchen bereitwillig Unterstützung leisten.

Artikel XIII.

1) Der Beginn der Bauarbeiten bleibt insolange aufgeschoben, bis die Frage der Einführung von Schiffahrtsabgaben auf dem Rhein und dem Main im Einverstaͤndnisse der vertragsschließenden Staaten ie, ist. Die vertragsschließenden Staaten gehen davon aus, daß

ierdurch ihrer Stellungnahme zur Frage der Einführung der Schiffahrtsabgaben im R mn eh n keiner Weise vorgegriffen wird.

3) Die Ausführung der Kanalisierungswerke soll auf der Strecke Offenbach = Hanau innerhalb 3 Jahren und auf der Strecke Hangu— Äschaffenburg innerhalb 5 Jahren nach Herbeiführung der in Abs. 1 Satz J erwähnten Regelung vollendet sein; doch können diese Termine durch Vereinbarung der beiden unternehmenden Regierungen beliebig verändert werden.

Artikel XIV.

Die Genehmigung der gesetzgebenden Körperschaften bleibt, soweit solche erforderlich ist, . rtite

XV. Die Ratifikationen dieser Uebereinkunft sollen sobald als möglich in Berlin ausgewechselt werden.

In der mit dieser Uebereinkunft dem Abgeordnetenhause zugegangenen Denkschrift wird ausgeführt:

Auf Grund des Staatsvertrages vom 1. Februar 18835 Gesetzsamml. S. 77 wurde die unterste Stredke des Maing von Gustapsburg bis Frankfurt durch Preußen kanalisiert und für Rhein⸗ schiffe zugänglich gemacht. Im Herbst 1886 war der Bau vollendet;

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der Verkehr ist seitdem von 494 200 t im Jahre 1887 auf 2 552 900 t n 1965 an der Kostheimer Schleuse ohne Floßholz gestiegen.

Dieser außerordentliche Erfolg erweckte bei den an der oberen Mainstrecke belegenen Staaten und Städten den Wunsch, durch Ver⸗ längerung des neuen Großschiffahrtsweges in den Besitz ähnlicher Vorteile zu gelangen, wie sie zunächst der Stadt Frankfurt und einigen anderen Uferplätzen, namentlich den industriellen Gemeinden Höchst und Griesheim, durch die billigeren Wasserfrachten zu teil ge⸗ wort ga fsh ne, wude munchst Hrßberꝛolich hesssch

nfolgedessen wurde zun von der Großherzoglich hessifchen Regierung im Interesse der Stadt Offenbach die Kanalisierung bis dahin durch Erbauung einer neuen Staustufe fortgesetzt, nachdem eine Verständigung hierüber mit Preußen durch den Vertrag vom 15. Fe⸗ bruar 1897 Gesetzsamml. S. 161 erzielt war.

Aber auch in der 17 km oberhalb Offenbach liegenden preußischen Stadt Hangu und namentlich in Bayern war inzwischen das lebhafte Bestreben hervorgetreten, durch abermalige Fortsetzung der Main⸗ kanalisterung einen Anschluß an die Rheinwasserstraße zu erlangen,

Die Verhandlungen hierüber mit der Königlich bgyerischen Regierung haben im Frühjahr 1898 begonnen. Bei diesen Verhand⸗ lungen, an welchen spaͤter auch die Regierungen von Baden und Hessen sich beteiligten, war es bis zum Jahre 1893 gelungen, hinsichtlich eines . Teils der bestehenden Meinungsverschiedenheiten einen usgleich zu finden. Eine Ausnahme bestand ledoch hinsichtlich der wichtigen Fragen der Eisenbahntarife und, der Tarife für die auf dem Main zu erhebenden Schiffahrts⸗ abgaben. Das Hindernis der Verständigung lag namentlich darin, daß Bayern eine Bindung seiner Eisenbahntarife zu Gunsten der preußfsch -hessischen Staatgelsenbahnen als nicht vereinbar mit sein er Staats hoheit und unter Umständen mit baverischen Verkehrsinteressen ansah, während es von Preußen gewisse Zusagen über die künftige Gestaltung der Tarife für die Mainschiffahrtsabgaben zu erlangen suchte.

Die Verhandlungen waren hierdurch auf einen toten Punkt ge⸗ kommen, über den sie erst hinausgebracht werden konnten, als durch den 5 19 des preußischen Gesetzes, betreffend die Herstellung und

den Ausbau von Wasserstraßen, vom 1. April 1905 Ge—˖ setzamml. S. 179 der Grundsatz der Erhebung von Schiffahrtsabgaben auf den im Verkehrsinteresse regulierten

Flüffen für den Umfang des preußischen Staategebiets ausgesprochen war. Diejenigen veikehrspolitischen Zwecke, welche die preußische Regierung durch die von ihr gewünschten Zusicherungen hinsichtlich der bayerischen Eisenhahntarife von und nach dem Umschlageplatze Aschaffen⸗ burg verfolgt hatte, lassen sich nach Einführung von Schiffahrtsabgaben auf dem Rhein wenigstens teilweise durch entsprechende Gestaltung der Tarife für diese Abgaben erreichen, weit die über Aschaffenburg zu leitenden Transporte einen großen Teil ihres Gesamtweges auf dem Rhein zurücklegen werden. Unter solchen Umständen erschien es vom preußischen Standpunkte zulässig, auf die seitens der bayerischen Regierung ab⸗ gelehnte Einfügung einer Abrede über die Eisenbahntarife in die Vertragsurkunde zu verzichten und sich mit einer Ver⸗ einbarung jzu begnügen, welche den Beginn der Kanalisierungs⸗ bauten von einer vorherigen Verftändigung über die Rhein⸗ und Mainschiffahrtsabgaben abhängig machte. Die Aufnahme der letzteren Vertragsbestimmung war aber auch aus dem weiteren Grunde sachlich gerechtfertigt, weil in Preußen die Anforderung

erheblicher Geldmittel für den weiteren Ausbau natürlicher Wasser⸗

straßen nicht angezeigt wäre, bevor die Frage der Einführung von Schlffahrtsabgaben auf diesen Wasserstraßen eine entsprechende Lösung gefunden hat.

Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist nunmehr eine Ver⸗ ständigung in Gestalt des am 21. April d. J. in Berlin vollzogenen Staatsvertrages erreicht worden.

Seitens der Königlich bayerischen Regierung wird besonderer Wert darauf gelegt, den Vertrag sobald als möglich ratifiziert zu sehen, weil sie vorher nicht in der Lage sein würde, die von ihr an⸗ läßlich der Mainkanaglisierung benötigten und vorbereiteten Grund⸗ erwerbungen zu vollniehen. Das in Betracht kommende Gelände sst ihr zum großen Teile an Hand gestellt worden durch Verträge, deren Gültigkeit am 1. Juli d. J. abläuft und deren Verlängerung vielleicht gar nicht oder nur mit erheblichen zu erreichen wäre. Zur Verhinderung ungesunder Bodenspekulatlonen ist es daher dringend wünschenswert, die Ratifi= kation durch Preußen in kürzester Frist herbeizuführen. Hierfür bedarf eg nach Art. 45 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1869 der Genehmigung des Vertrages durch den Landtag, weil der preußische Staat einmalige und dauernde Lasten den Bau und die Unter⸗ haltung der Kanalisierung von Offenbach bis Hanau über⸗ nehmen soll. .

In Uebereinstimmung mit der Königlich bayerischen Regierung bleiben die Anforderungen der erforderlichen Geldbeträge so lange vor⸗ behalten, bis die Einfuhrung der Schiffahrtsabgaben auf den natür⸗ lichen Wasserstraßen im Sinne des § 19 des Wasserstraßengesetzes vom 1. April 1505 Gesetzsamml. S. 179 gesichert und damit der Beginn der Kanalisterungsarbeiten ermöglicht ist.

Das Baukapital ist fur den preußischen Anteil auf 3 880 (C00 4M ver⸗ anschlagt. Die Versinsung und Tilgung dieses Kapitals soll ebenso wie der Aufwand für Betrieb und Unterhaltung, da die Kanalisierung im Interesse der Schiffahrt erfolgt, aus dem Ertrage der Rhein. und Mannschfffahrtsabgaben entnommen werden. Die Verbindung der für Rheinschiffe zugänglich gemachten Mainstrecke mit dem Rhein im Sinne der für die Abgabenerhebung in Autsicht zu nehmenden Organisation dürfte sich als zweckmäßig erweisen.

Die Forderung einer Gewährleistung. des. Landeskommunal⸗ verbandes für den Regierungsbezirk Cassel hinsichtlich des Ertrages jener Abgaben etwa nach dem Vorgange deg Wasserstraßengesetzes vom 1. April v. J. erscheint unter den ohwaltenden Umstãnden nicht notwendig und auch bei der eigentümlichen Lage der geographischen Verhältnisse fachlich schwer durchführbar. Denn der Kommunal⸗ verband stößt nur mit einem sehr schmalen und entlegenen Gebiets⸗ streifen an dag rechte Ufer des Mains, während das linke zum Groß herzogtum Hessen gehört. Der Verband ist nur insofern beteiligt, als die Stadt Hanau in Betracht kommt, welche ihrerseits den Bau einer Hafenanlage in Aussicht genommen hat.

In Äschaffenburg hat der bayerische Staat den Bau eines Um⸗ schlagshafens in Aussicht genommen, dessen Kosten einschließlich des Elfenbahnanschlusses vorläufig mit ic,5 Millionen Mark veranschlagt sind, während der Aufwand für die von Bayern zu kanalisie rende Mainstrecke zwischen Hanau und Aschaffenburg zu 9,2 Millionen Mark ermittelt ist. Außerdem zahlt Bayern den Betrag von 307 900 für die Einfügung von Zwischenhäuptern in die Schleppjugschleusen der preußischen Strecke.

Die Bauwesse der Staustufen, deren zwei auf der preußischen Stredfe unterhalb und vier auf der bayerischen Strecke oberhalb Hanau ausgeführt werden sollen, wird sich von derjenigen der vorhandenen Staustufen von Offenbach abwärts nur wenig unterscheiden. Von den technischen Anordnungen, welche hierbei maßgebend in Betracht kommen, find die wichtigsten im Text des Vertrag zum Ausdruck gebracht.

Einer befonderen Erläuterung des letzteren wird es, abgesehen von dem die Suspensivbedingung hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben enthaltenden Artikel Till, nicht bedürfen. Diese Bedingung war ursprünglich nur als eine zwischen Preußen und Bayern geltende ge⸗ dacht, well nur diese beiden Staaten Geldmittel für den usbau der Malnwafferstraße aufbringen sollen und deshalb ein unmittelbares Inter ; esse an der Frage der Kostendeckung aus S iffahrtsabgaben haben. Zu⸗ folge einer Initiative der Großherzoglich hessijchen Regierung hat jene Bedingung aber die aus dem Vertrage ersichtliche weitere Fassung erlangt, wonach die allseitige Verständigung in der Abgabenfrage dem Beginn der Kanalisterungzarbelten vorangehen muß. Auch hierin zeigt sich der Zusammenhang der Abgabenfrage mit der künftigen Ent⸗ wicklung wichtiger Verkehrsinteressen im ganzen rheinischen Wirtschafts⸗ gebiet und der nicht unerhebliche Einfluß, den die Lösung dieser Frage auf die künftige Gestaltung der Verhältnisse nicht nur innerhalb der einzelnen Staaten, sondern auch in ihren Beziehungen untereinander voraussichtlich üben wird.