1906 / 154 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 03 Jul 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Antrag Schiffer vorgesehene Aenderung der Artikel 2z und 112 der Verfassung erfolgen soll. Namens der Königlichen Staatsregierung bin ich zu der Erklärung ermächtigt, daß jufolge der Aller⸗ böchst erbetenen Autorisation die Königliche Staatsregierung der beantragten Verfassungsänderung zustimmt und darauf Bedacht nehmen wird, sofort die Allerhöchste Zustimmung zu dem Gesetz einzuholen und dessen Publikation in der Gesetzsammlung herbeijuführen. Meine Herren, ich sehe mich zu dieser Erklärung veranlaßt, well erneut Bedenken darüber geltend gemacht worden sind, ob es zulässig sei, bevor ein derartiges Gesetz über eine Verfassungzänderung in Kraft tritt, in die Beratung des vorliegenden Volksschulunterhaltungsgesetzes ein⸗ zutreten. Die Frage ist von Herrn von Kostcielskt am 15. Juni dieses Jahres in diesem hohen Hause angeregt worden, hat aber allseitigen Widerspruch gefunden, und ich glaube auch annehmen zu können, daß das hohe Haus nach wie vor an der Auffassung festhalten wird, daß die noch nicht erfolgte Verabschiedung der Verfassungsãnderung das Eintreten in die Verhandlung über die Schulunterhaltunge vorlage nicht verhindert. Wenn darüber ein Zweifel noch hätte besiehen können, so ist er durch die am 16. Juni dieses Jahres er⸗ folgte Erklärung Ihres Herrn Berichterstatters; des Herrn Grafen Botho zu Eulenburg beseitigt, wonach es lediglich darauf an · kommen könnte, daß die Publikation des Gesetzes über die Verfassungẽ⸗ änderung vor derjenigen über das Volksschulunterhaltungsgesetz zu er⸗ folgen hat. Ich habe bereits erklärt, daß diese Publikation sofort herbeigeführt werden wird, und ich darf mich nun wohl versichert halten, daß Ihrerselts ein Bedenken, wle es jetzt von neuem angeregt worden ist, nicht mehr geltend gemacht werden wird. i ung der Kommission⸗

, ,,, . Volksschulen liegt, vorbchaltlich der besonderen Vorschriften dieses Gesetzes, insbesondere der darin geordneten Beteiligung des Staates an der Aufbringung der Kosten, den bürgerlichen Gemeinden und selbständigen Gutsberntrken ob. Gemeinden (Gutsbezirke) bilden entweder einen eigenen Schulverband oder werden behufs Unterhaltung einer oder mehrerer Volksschulen zu einem gemeinsamen Schulverbande (Gesamtschulverband) vereinigt. Gine Gemeinde (Gutebezirk) kann mehreren Gesamtschulverbänden an⸗ gebören. Sie kann auch, wenn sie einen eigenen Schulverband bildet, zugleich einem oder mehreren Gesamtschulverbänden angehören. Gutgbezirke als Träger für die Schullast, sowie Gesamtschulverbãnde haben die Rechte der Körperschaften des öffentlichen Rechts.“

Prof. Reinke⸗Kiel; In der Generaldiskussion hat der Ober⸗ bürgermeister Kirschrer so schwerwiegende Einwände gegen das Prinziv daß jedes Mitglied aus patriotischem das Gesetz zu stimmen, wenn wären. Diese

Meinung schon bei z 1 egelung

der konfesfionelle Frieden nur abhängig ist von der b die Schule eine kon⸗

ffen. Wo

a bleiben.

Eyperiment für den Frieden, das Simultanprin iy in der egenwärtigen Entwicklungsphase allgemein für die Volke⸗ 13. zu preklamieren. Das würde eine Du: chbrechung der historischen Kontinuität sein, die dem Schul wesen nicht von Vorteil sein könnte. Für den konfesstonellen Frieden ist das suum cuique das Bete, und bas wird im Gesetz in glücklicher Weise jum Ausdruck gebracht. Mit dem Liberalismus hat die Frage gar nichts zu tun. Man verwechselt den Liberalismus häufig mit dem demokratischen Prinzip. Der demokratische Lberalismus geht aus von der Gleich heit der Renschen. Die Simultanschule ist eher ein Ausfluß des Demokratismus. Im übrigen stehe ich der Simultanschule durchaus sympathisch gegenüber. Ich wünsche ihr alles Blühen und Gedeihen. Ich frage aber, wie baben die Simultanschulen

praktisch fich bewährt? In Nassau und kleinen abgegrenzten Gebieten haben sie sich bewährt, und auf diesem Gebiete will niemand sie antasten. In Desterreich haben sich die evangelischen Minoritäten unter der Simultan schule katholisiert

gefühlt, die Eltern kamen in eine geradeju verzweifelte Lage. Man will Freiheit im Religionsunterricht. Wie kann man von Frei⸗ heit rechen bei Kindern von 7 bis 14 Jahren? Es ist mir völlig unerfindlich, wie Herr Kirschner hier von einer Beschrãnkung der Frei⸗ beit sprechen konnte. Eine solche Freiheit führt nur zur Religtons⸗ lofigkett der Massen. Leider verfaͤllt heute schon die heranwachsende Jugend der Irreligiositãt. Wenn wir aber das in den großen Städten erleben, so müssen wir, wie das Gesetz es bejweckt, dafür sorgen, daß der Verwirrung der Köpfe durch gewissenlose Schriftsteller und eine gewiffe Presse entgegengewirkt wird.

Graf von Mirbach: Die Heranziehung des Staates zu den Schullasten balte ich für einen großen Fortschritt. Ich will keinen Dfffens hervorrufen zwischen den Städten und dem platten Lande. Eine wirtschaftliche Gerechtigkeit wäre nur denkbar, wenn der Staat bie gefamten Laften lbernäbme, weil die ländliche Bevölkerung einen 2 Tell der Schullasten im Interesse der 34 Stãdte und der Industrie trägt. Der Finaniminister hat eine sehr lehrreiche Aufstellung gemacht im Reichstage über die Abwanderung der arbeits⸗ fählgen Jugend in Ostvreußen. Sie betrug in zehn Jahren eine Viertelmillion. Das bedeutet für Ostpreußen einen Verluft von Dö0 Millionen, wenn man die Grziehungekosten zusammenrechnet. Ich erwähne das nur, um zu zeigen, daß von einem gerechten Aus- gleich in diesem Gesetz dem platten Lande gegenüber nicht die Rede z. Wenn der Staat die Lehrerbesoldung nach Inkrafttreten des

esetzes erhöhte, so würde er in dieler Beziehung den Schul ver bänden seine starke Hand nicht entziehen können. Ich kann dem Gesetz aus wirtschaftlichen Gründen nur schweren Herzens justimmen. Die Güter werden ftärker belasset werden als die Gemeinden, und ich möchte die Regierung bitten, belfend einzutreten, wo sie es vermag, damit bie Laflen auf ein billiges Paß zurückgeführt werden.

Oberbũrgermeister Kür schner⸗Berlin. Der erste Redner hat mich ju widerlegen versucht, ehe er meine Gründe hörte, die ich mir für die Kommission und die zweite Beratung vorbehalten hatte. Nach meiner Begründung wird er wohl genötigt sein, eine zweite Reze zu halten. Meine Bedenken lagen auf einem gan anderen Gebiete. So töricht bin ich nicht ö daß ich die Freiheit, die ich für die Religlon gefordert habe, darin erblickt härte, daß die Kinder vom 7 His 4. Ubencjabre frei den Inbalt des Religisntunterrichts be⸗ flümmen sollen. Ich halte aber dafür, daß die Ochnung der kon. seffionellen Verhältnisse in der Vorlage eigentlich den Hauptinhalt des Gesetzes aus mache, . es richtiger bezeichnet weide als ein Gesetz zur gesetzlichen Einführung und Feststellung der erangelischen und laiholischen Staatsschule in Preußen. Trät s in Kraft, so haben Sie in Preußen, abgelehen von den jüdischen Vechaältnissen, nur evangelische und katholisch?e und nur gemischte evangelijch tatbolische Schulen als staatliche Veranstaltung; die Lebrer werden nach ibrem Vekenntnis berufen. Die beiten Kirchen bekommen in der Schuldeputatlon und in den Schulkemmissionen die Teilnahme an der Verwaltung und an ber Schul aufsicht. Nach 1 it i. Mönlichteit der Trennung einer Gemeinde nach konfessionellen Rücksichten gegeben.

wird der konfesstonelle Charakter der Sch

Es handelt sich hier um eine bedeutungsvolle Regelung der konfesfionellen Schul verhältnisse, und darauf legen ja auch die Parteien, die das Zustandekommen des wollen, die aus schlaggebende Bedeutung. Die Konservativen würden nicht geneigt sein zur Zu⸗ ssimmung obne diese , . gleiche gilt vom Zentrum. Auch bie Wirkungen des Gefetzes werden dies bestätigen. Die Unterbaltungs⸗ pflicht wird im großen dieselbe bleiben; in den Vordergrund ule gerückt. Wenn ich gesagt de erblickten mit mir hierin eine Gefahr für Fellgion und Staat, so betone ich, daß auch wir auf dem Grundsatz stehen, wer fein Leben nicht auf die Religion stellt, der ist verloren. Das konfessionelle Bedürfnis der einzelnen Religions gemeinschaft ist auch in den Städten anerkannt und befriedigt worden; in den großen Städten, selbst in dem bösen Berlin, hat dieses Bedürfnis seine voll⸗ fer, Wrledlgung gesunden. Aber das Richaß auf Grund seei. willigen Üebereinkommenz. Gerade in den Städten baben die kon⸗ feffionellen Minderheiten volle Beräckfichtigung gefunden. Bei diesem Verhältnis sollte man eg belafsen. Aber es wird anders werden. Es werden jetzt die Konfesstonen und ihre Ansprüche an die Gemeinden auf eine gesetzlich er, Basis gestellt;, es wird jetzt den Ken fessionen ein Recht eingeräumt, Lehrer bestimmter Konfesstonen zu be⸗ rufen, ein Recht, die Begründung neuer Konfessionsschulen zu ver⸗ langen, und diese te werden an bestimmte tatsächliche Voraus- setzungen geknüpft. on um des Glaubens willen wird sich dann jeder für verpflichtet halten, diese Rechte und Ansprüche geltend zu machen und die tatsächlichen Unterlagen zu schaffen; an Stelle der friedlichen Augeinandersetzung wird treten das Rechten um Rechte der Konfessionen. Wir alle Veranlassung, solchen Zuständen vorzubeugen. Wir haben gespaltene konfessionelle Bekenntnisse, und bäufig dringt dieser Zwiespalt über sein eigentliches Gebiet hinaus. Ich kalte es vom Standpunkt unsereg Volkeg aus für ein großes Üngläck, daß wir eine mächtige polltische Partei haben, die ihre Haltung wesentlich vom kon essionellen Gesichtepunkt beeinflussen säßt; ich balte es für ein Unglück, daß Beamte und Richter nach sbrer Konfesfion befragt werden, daß Arbeiter und, andere Stãnde sich nach konfesstonellen Ansichten trennen. Die konfessionelle Ordnung ist auch im Verhä zu anderen Bekenntnissen keine glück siche. Es gibt auch Cvangelische, die nicht der Union angehören; die Verhältnissè der Lutheraner und anderer Nicht Unierter sind im Gesetz nicht geregelt; da handelt eg sich immerbin um 400 000 Seelen. Fortbestehen wird das Verhältnis, daß Kinder dieser Bekenntnisse zwangsweise, event. mit Strafen dem Unterricht in der evangelischen Volkeschule zugeführt werden können. Staat und Kirche haben verschiedene Aufgaben; wenn hier eine Vermischung eintritt, so schlägt das nicht zum Segen aus. Welche Ströme von Blut bat nicht der Satz cuius regio, eius religio den deutschen Landen ge⸗ kostet! Die innige Ver n ne von Staat und Religion, von Staat und Schule ist in manchen Ländern zum Verhängnis geworden; ich verwesse auf Rußland und auf Frankreich. In Frankreich bat dies jetzt zur Beseitigung des iglongunterrichts aus der Schule geführt. In England ist man jetzt im Begriff, den konfessionellen Unterricht aus der Schule grundsätzlich abzuschaffen. Ich möchte unser Volk und unseren gerade vor einer solchen Ent⸗ wicklung schützen und bewahren; ich, möchte deshalb vor der Gin führung der konfessionenllen Staatsschule warnen. Nun heißt es, wir brauchen die Religion zum Kampfe gegen die Sozialdemokratie Gewiß, wenn man den ichen Kräften der Religion freien Lauf läßt, ohne sie in eine so gefährliche Verbindung zu bringen, so jsöänen wir! von der Relsglon Erfolge in diesem Kampfe boffen. Aber gerade hier sehe ich die ernsteste Gefahr. Die Soꝛialdemokratie Fat bis vor kurzem immer die Parole ausgegeben: Religion ist Privat · sache. Seit einiger Zeit ist man bemüht, die Parole dahin zu ändern: Religion ist Staate sache, und deshalb Kampf

gegen die org e Religion! Gelingt es, dieser neuen Parole zu en, so rin eine unend⸗ liche Gefahr. Die ] okratische und die antireligiöse Bewegung im Volke wird eine erhebliche Stärkung er⸗ fahren, und die Tonsequenzen sind nicht abzusehen. Diese Bedenken sind uns eine beilige Gewissenesache ch schließe mit einem Raiserwort, das i892 im Luther Hause ge⸗ sprochen wurde: Es gibt in Glaubenssachen keinen Zwang, hier ent

scheidet die freie Ueberzeugung des Herzens!

Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗ angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Gestatten Sie mir einige kurze Worte, um mehrere Ausführungen des Herrn Vorredners richtig zu stellen. Zu Beginn seiner Rede bat Herr Kirschner davon gesprochen, daß die Folge der Einführung der Gesetzesvorlage die sein würde, daß evangelische und kathol ische Staatsschulen eingerichtet würden. Meine Herren, diese Bezeichnung ist eine unzutreffende. Es ist richtig, daß die Volksschule nach den gesetzlichen Bestimmungen eine Ver⸗ anstaltung des Staats ist; sie ist aber keineswegs eine Staate⸗ schule. Es ist schon in der Kommission, als Herr Graf Mirbach den Gedanken der Staateschule zur Erörterung brachte, darauf hingewiesen worden, daß eine Staatsschule lediglich eine solche ist, die ausschließlich auf staatliche stosten unterhalten und von staatlich besoldeten Lehrern besetzt wird. Meine Herren, das ist ein sehr wesentlicher Uaterschied. Der Begriff der Schule als Ver anstaltung des Staats hat zur Voraussetzung, daß die staatliche Auf⸗ sicht in der Schule die maßgebende bleibt, und daß alle inneren Fragen des Schulwesens, Lehrpläne und so weiter auf staatlicher An⸗ ordnung beruhen. Ja diesem Verhältnis wind durch das vorliegende Gesetz nichts geändert.

Nun, meine Herren, die übrigen Ausführungen des Herrn Vor⸗ redners können zunächst durch den Hinweis auf den geschichtlichen Gang widerlegt werden, den die ganze Frage der konfessionellen Volke⸗ schule schon seit Dezennien in beiden Däusern det Landtags sowohl wie innerhalb der beteiligten Interessentenkreise genommen hat. Es ist bekannt, daß die gesetzgeberischen Versuche, die Volksschulunterhaltungs⸗ last ein beitlich ju regeln, regelmäßig auch darauf Bedacht nehmen mußten, die Minoritäten hinsichtlich der konfessionellen Verhãältnisse in den Volkeschulen zu sichern, und so sind alle die Gesetz es vorlagen seit 1858, welche die Häuser des Landtags beschãftigt haben, bezie hungs⸗ welse di- in den Ministerien aus geaibeitet worden sind, immer davon ausgegangen, daß es notwendig sei, bestimmte gesetzl iche Vorschriften zahlenmäßig so zu konstruieren, daß die religiösen Minoritäten in der Volkeschule auch zu ibrem Rechte kommen. Also in der Beziehung ist absolut nichts Neues geschaffen, und in der Eckenntnis der Notwendigkeit, in dieser Beniehung an die Stelle des dis kretionãren Ecmessens dis Unterrichls ainisters bestimmte gesetzliche Anhaltgpunkte in setzen, ist im Abgeordnetenhause schon seit dem Jahre 1902 der Versuch gemacht worden, endlich zwischen den maßgebenden Parteien des Hauses zu einer Verständigung über die Frage zu kommen, in welcher Welse der konfessionelle Charalter der Vollsschulen festzu⸗ legen sei. Man bat sich endlich in dem bekannten Rompromißantrage vom 13. Mai 18904 über diese Grundlagen geeinigt, und daraut ist der Kompromißantrag entstanden, der den Rahmen det Gesetz tz bildet.

Meine Herren, es ist auch nicht richtig, daß dem Gesetze noch ein besonderer konfessioneller Stempel aufgedrückt worden sei.

der Schulsozietãten und soenstigen unterhaltungspflichtigen Körper- schaften. Es ist richtig, daß die konfessionellen Verbãltnisse einen

wesentlichen Bestandteil dieser Regelung bilden; es ist ferner richtig, daß dies Zustandekommen ein schwieriges war, aber nachdem einmal das Kompromiß im Abgeordnetenhause geschlossen war, hat sich in den

weiteren legielativen Stadien die Sache verhältnismäßig friedlich ent ·

wickelt. Ich glaube, daß auch nun der Friede in dem Falle, daß das

Gesetz mit diesem Abschnitt über die konfessionellen Verhãltnisse zustande

kommen sollte, im Lande nicht gestört werden wird. Ich teile die Be⸗

fürchtungen des Herrn Vorredners durchaus nicht; sie werden schon durch die bisherigen praltischen Erfahrungen widerlegt. Eine Beunruhigung hat allerdings in frũherer Zeit einmal stattgefunden, und jwar in der ersten Hälfte der siebriger Jahie des vorigen Jabrhunderts; aber diese Beunruhigung ist entstanden nicht durch die Geltendmachung des kon⸗ fessionellen Prinzips, sondern durch die Versuche, an verschiedenen Stellen Simultanschulen einzurichten. (Sehr richtig

Die Herren, die namentlich auch in diesem Hause Zeugen der parlamentarischen Vorgãnge waren, werden sich dessen entsinnen, daß eine lebhafte Beunruhigung nicht nur bei den Vertretern des Volks, sondern auch vor allen Dingen in weiten Schichten der Bevölkerung Platz gegriffen batte. Es ist charakteristisch, daß seit der Zeit, wo die Simultanschulfrage nicht mehr aktuell war, die Zahl der Simultanschulen stetig abgenommen hat. Abgesehen von den gemischt · sprachigen Gebieten und dem Regierungsbentrke Wiesbaden, sind seitdem Wünsche und Anträge aus der Bevölkerung heraus weder an den Landtag noch an die Zentralinstanz gekommen, um die Grũndung neuer Simultanschulen anzuregen. (Lebhaftes Hört, hört rechts)

Ich glaube, mich auf diese Ausführungen beschränken zu können, um die Befürchtungen des Herrn Borredners als gegenstandelos zu

bezeichnen. Es ist außerdem unrichtig, wenn von dem Herrn Vorredner be⸗

hauptet worden ist, daß die evangelischen Denominationen von der staatlich konfessionellen Schule ausgeschlossen wären. Das Gesetz kennt nur den Begriff evangelisch. Es wird Sache der Unterrichts. verwaltung sein, genau wie bisher auf die Unterschiede von re— formiert, lutherisch usw. im Verwaltungswege die gebührende Rück- sicht zu nehmen. Meine Herren, in dieser Beziehung ist eine praktische Schwierigkeit bisher nicht hervorgetreten, und ich glaube, daß es der Unterrichtsverwaltung gelingen wird, sie auch für die Zukunft fernzu⸗

halten. (Lebhaftes Bravo)

Freiherr von Durant: Da nun einmal bei, uns eine kon-

fesstonelle Teilung besteht, so muß auch in der Schule daran fest⸗ kalten werden, wenn wir nicht zur Religionslosigkeit kommen vflen. Aus diesem Grunde habe ich namens meiner politischen Freunde in der ersten , Standpunkt vertreten, daß die kon sessionelle Festlegung der Volkeschule durch dieses Gesch erfolgen muüͤsse. In 3 Beziehung stimme ich mit Herrn Kirschner voll⸗ kommen überein, der sagte, daß der Hauptwert dieses . in der konfefftonellen Festlegung der Volkeschule liege. Graf von Mirbach hat heute, wie in der Kommission, es für das ichtigste gehalten, daß der Staat die Volkeschulen vollständig übernehme. Er kebrte dabel in erster Linie den wirtschaftlichen Gesichtspunkt hervor. Dieses Ver⸗ langen kann ein großer Teil meiner politischen Freunde nicht teilen. Die Volksschule ist keine Staatsanstalt. Es haben auf sie außer dem Staat noch mehrere andere Faktoren einen maßgebenden a . a Gemeinden, Kirchen und Familien. ine Stgatsschule könnte auch unter einer gewissen liberalen Strömung zu höchst bedenk-⸗ lichen Konsequenzen führen.

Profeffor Rein ke; Ich freue mich, daß auch Herr Kirschner mit mir es für unerläßlich hält, daß die Religiosität dem Volke erhalten bleiben muß. Der stenograpbhische Wortlaut des Teils der Rede des Herrn Kirschner vom 16. Juni, der sich über die Freiheit der Religion verbreitete, war von mir auf die Verhältnisse der Volks. schule bezogen worden; wenn diese Sätze allgemein gemeint waren, so bin ich allerdings von einer irrtümlichen Voraussetzung ausgegangen. Aber meine Ausführungen über die Schulzustände in Oesterreich und meine daraus gejogenen Folgerungen bleiben bestehen. Herr Kirschner operiert mit Idealen, mit dem Ideal einer gemeinsamen christlichen Kirche und mit dem Ideal der Trennung von Kirche und Staat; ich gebe von gegebenen Realitäten aus, von der leider bestehenden kirch⸗ lichen Spaltung und von der Nichtexisten; bezw, der einstweiligen Unerreichbarkeit der Trennung von Staat und Kirche.

Hierauf wird S1 in der Kommissionsfassung angenommen.

§z 2 lautet: Jede Stadt bildet in der e einen eigenen Schulverband. Stadtgemeinden mit mehr als 26 chulstellen können nur unter ihrer Zustimmung mit anderen Gemeinden oder Guts bezirken zu einem g re be vereinigt werden. Der zwelle Satz ist Zusatz der Kommission.)

Auf Antrag des Grafen Finck von Finckenstein wird die Beratung und Beschlußfassung über IS 2 und 58, die beide für die Städte . enthalten, ausgesetz. .

ISS 3 bis 7 gelangen ohne Debatte in der Kommissions⸗ fassung zur Annahme.

u 8 8, der in den Gutshezirken den Gutsbesitz er zum Träger der Schullast macht und ferner bestimmt, daß, wenn der Gutsbezirk nicht ausschließlich Eigentum des Guts⸗ besitzers ist, oder Steuerpflichtige darin . welche nicht in Lohn- oder Dienstoerhältnis zum Gutshesitzer stehen, auf dessen Antrag die Schullasten unterverteilt werden sollen, wiederholt

der Ministerlaldirektor Schwartzkopff die in der Kommissien abgegebene Erklärung, daß diese Unterverteilung sich auf alle Pflich⸗

tigen zu erstrecken hat. . Vertellung der Schullasten in Gesamtschulver⸗

Bei 5 9 bãͤnden) beantragt Graf von Mirbach, die Sitzung zu schließen, da die konser⸗

vative Fraktlon ju diesem wichtigen Paragraphen noch nicht habe Stellung nehmen können.

Der Antrag kommt sofort zur Abstimmung und wird mit knapper Mehrheit angenommen. Die Verhandlungen müssen also abgebrochen werden.

Schluß 3 Uhr. Der Präsident beraumt die Fortsetzung der Beratung auf Dienstag 1 Uhr an und schließt die Sitzung.

Haus der Abgeordneten. 77. Sitzung vom 2. Juli 1906, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolfftz Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer des Blattes berichtet worden.

Die Beratung der Anträge über die Gleichstellung der Sekretäre bei ben Land⸗ und Amtsgerichten sowie der Staats⸗ anwaltschaft mit den Sekretären der allgemeinen Staats⸗ verwaltung in Rang und Gehalt wird fortgesetzt,

Ab. Krwause Waldenburg (fr): Namens meiner politischen Freunde stimme ich dem Antrage Mathis zu. Für die Vorbildun

Ver Hauptzweck des Gesetzes ist und bleibt: die sommunali⸗ sierung tritt an die Stelle der bisherigen Unterhaltungtpflicht

werben an bie Land. und Amltzgerichtssekretäre dieselben, ja cher no höhere Anforderungen altz an die Regierungsekretäre gestellt. Der

. fahren.

keineswegs ablehnend gegenüberstände.

Unterschied in den Anstellungsverhältnissen der Oberlandesgerichts⸗

sekretäre, die ja. den Regierungssekretären gleichgestellt sind, im Gegensatz zu den Land. und Amtsgerichtssekretären, entbehrt ebenfalls . Begründung; die Verantwortlichkeit der

letzteren ist eher größer, als die der Oberlandesgerichtssekretãre. Hie von der Regierung getroffene Einrichtung der gehobenen Stellen sst nicht als gluͤchlich zu bezeichnen. Nach einer Zeltungenotiz be⸗ absichtigt aber die Regierung, die vier obersten Gehaltsstufen der Landes und Amtsgerichtssekretäre um je 100 6 aufzubessern. Ist die böͤllige Annahme des Antrages Mathis durch die Regierung jetzt nicht möglich, so wird hoffentlich doch im Sinne dieser Notiz ver⸗

Abg. Peltasohn (fr. Vgg,) schließt sich für seine Fraktion dem Antrage Mathis an und führt aus, daß die Besoldung der Amtg. und Landgerichtssekretäre durchaus nicht ihrer Stellung ent⸗ präche. Unterschiede dürften nicht nach dem Umfang der Geschäfte, ondern lediglich nach dem Dienftalter gemacht werden. Wenigstens 60. vorlaͤufig für die Besserstellung der höheren Dienstalter gesorgt werden. Abg. Schmitz Elberfeld (fr. Volkap.) spricht sich gleichfalls für den Antrag aus und bezeichnet die Bedenken der Regierung, die aug dem lediglich formalen Unterschied zwischen Lokal⸗ und robinzialbehörden hernehme, hier nicht als an ebracht, da viel⸗ mehr nur nach der Wichtigkeit des Amtes die Besoldung bemessen

werden müsse.

Abg. Strosser (kons) meint, daß, nachdem das Haus schon 1878 und dann wiederholt die Regierung dazu a err habe, es endlich an der Zeit sei, daß der Wunsch der Gerichts ekretäre erfüllt werde. Gin Unterschied zwischen den Amts. und. Landgerichts sekretären und den Oberlandes ri n,, lasse sich gar nicht aufrechterhalten und sei in Wuklichkeit auch nicht durch⸗

eführt. Seine Freunde stimmten für den Antrag Mathis, weil die

ejüge der Gerschtssekretäre eben nicht ausreichend selen. Beide Rakegorien von Beamten, die Gexichtessekretäre wie die Verwaltungs⸗ sekretäre, leisteten in gleicher Weise Vorzügliches. Redner bittet das Haus, dem Antrage einmütig zuzustimmen.

Justizminister Dr. Bes el er:

Meine Herren! Bei der diesjährigen Etatsberatung hatte ich mich bereit erllärt, wegen der Wünsche, welche auf Erhöhung der Einnahmen der Gerichtesekretäre geäußert waren, Verhandlungen im Staatsministerkum zu beginnen. Das ist geschehen. Ich habe von vornherein erklaͤrt, daß ich für meine Person den geäußerten Wünschen Die sodann in der Kom misstonssitzung abgegebene Erklärung über dasjenige, was die Staatgs⸗ regierung zunächst etwa vorzuschlagen gedenke, deckt sich allerdings nicht mit dem, was die Gerichtssekretäre wünschen, und was von den Rednern des hohen Hauses befürwortet wird.

Ich halte es für meine Pflicht, ju sagen, was dafür spricht, daß man es bei einiger Einschtänkung bewenden läßt, und deshalb möchte ich erwähnen, daß es meines Erachtens nicht richtig ist, wenn ein⸗ zelne der Herren Redner gesagt haben, die Anforderungen, welche man an die Sekretäre der Oberlandesgerichte zu stellen habe, seien nicht größer als die, welche man bei den Amts. und Landgerichten erheben müsse. Ich habe die Steüung und die Tätigkeit aller dleser Beamtenkategorien zu prüfen vielfach Gelegenheit gehabt und möchte darauf hinweisen, daß bei dem Oberlandesgerichte die Fäden der Ver- waltung des ganzen Bezirks jusammenlaufen, und daß deshalb die Tätigkeit der Sekretäre bei dieser Behörde doch eine schwierigere ist als die der Sekretäre bei den Land⸗ und Amtsgerichten. Ich weiß sehr wobl, daß der Sekretär der Projeßabteilung bei dem Oberlandes⸗ gericht nicht schwerer zu arbeiten hat als der beim Landgericht. Dasjenige aber, was wir von den Beamten des Rechnungsbureaus, der Justijhauptkasse, des Bureaus des Oberlandesgerichtspräsidenten und des Oberstaatsanwalts erwarten müssen, übersteigt den Durch⸗ schnitt der Lelstungen, welche sonst verlangt werden.

Wenn nun der Antrag gestellt worden ist, daß alle diese Sekietäre gleichgestellt werden sollen denn darauf kommt ez hinaus, wenn sie den Regierungssekretären gleichgestellt werden; die Sekretäre bei den Oberlandesgerichten stehen ihnen ja bereits gleich und wenn dieser Antrag angenommen wird, so sind die Beamten der Oberlandesgerlchte jedenfalls nicht besser ge⸗ stellt als die der anderen Gerichte, ja sie sind in gewisser Sinsicht sogar schlechter gestellt. Es ist das heute schon erwähnt worden, allerdings zugleich mit der Bemerkung, daß es wohl nicht maßgebend sein könne, aber wahr ist es doch. Alle Nebeneinnahmen, die den Sekretären geboten werden, gewinnen sie bei den Land⸗ und Amts- gerichten durch Ortstermine, kalkulatorische Arbeiten, Dol metscher⸗ gebubren Nebeneinnahmen, die beim Oberlandesgerichte fast ganz weg⸗ fallen. Es kann also, wenn der Antrag, wie er geftellt ist, Gesetz wird, leicht dahin kommen, daß die Oberlandesgerichtssekretäre sich für beeinträchtigt balten., daß also gerade die Beamten, welche, wie ich eben erwähnt habe, erböhte Leistungen zu erfüllen haben, sich schlechter gestellt sehen als die anderen. Die Folge davon würde sein, daß die

Justijverwaltung in eine gewisse Verlegenheit geriete bei Besetzung der

Stellen an den Oberlandesgerichten. Freilich kann jeder Sekretär ohne weiteres dabin versetzt werden, es ist aber den dienstlichen Interessen nicht förderlich, wenn die Versetzung den Wünschen des Sekretärs nicht entspricht. Letzteres würde oft der Fall sein, denn eine Veibesserung erfährt der an das Oberlandesgericht Versetzte nicht, wenn der Antrag Rechtens wird; er verliert seine Neben⸗ einnahmen und kommt vielleicht in eine Umgebung, die ihm seine Lebenshaltung erschwert. Viele sind jttzt an kleineren und mittleren Orten, die ihnen manche Annehmlichkeiten bieten, lieber als in den Städten, in welchen sich Oberlandesgerichte befinden. Es würden also, wenn die Sache den Verlauf nähme, wie es von den Herren Vorrednern heute gewünscht worden ist, für die Justiz verwaltung allerhand Schwierigkeiten entsteben können. Es würde auch nicht ganz gerecht sein, wenn nicht neben den vergeschlagenen Verbesserungen gleichzeitig die Gebälter der Oberlandes gerichtssekretäre ebenfalls erhöht würden, und das ist doch bisber nech von keiner Seite beantragt worden, meines Erachtens auch aussichtslos.

Nun soll aber, wie die Sachen jetzt ste hen, darauf Bedacht ge. nommen werden, daß eine Gehaltsverbesserung eintritt auch für die jenigen Sekretãre, welche nicht an das Oberlandesgericht versetzt werden. Da bieten sich verschledene Möglichkeiten. Man könnte die Gehälter erhöhen, ohne das Maß der Gebälter der S kretäre der Dberlandesgerichte zu erreichen, oder man fährt eine Reibe von Stellen mit gleichem Gehalte ein, in welche die Sekretäre einrücken können, auch wenn sie nicht an das Oberlandesgericht versetzt werden. Dieser Vorschlag, der von der Reglerung zunächst in Aussicht genommen ist, bat bei den Herrn Vorrednern wenig Anklang gefunden. Es ist vieles dagegen gesagt worden, aber jedenfalls bietet er den Weg zu einer wesent⸗

lichen Verbesserung, und dies umsomehr, wenn die Stellendermehrung

eine erhebliche ist. Solcheg aber beim nächsten Etat in Antrag zu

bringen, ist in Aussicht genommen, und man darf es nicht gering schätzen, wenn 2000 solcher Stellen neu entstehen. Nun ist es auch keineswegs die Absicht, das Einrücken in diese Stellen gewissermaßen als Belohnung eintreten zu lassen für diejenigen, die sich angenehm gemacht haben, sondern es soll gerecht vorgegangen werden. Wenn der geplante Reglerungsvorschlag zur Geltung kommt, so werden die Sekretäre nicht nach Gutdünken aufrücken, sondern in der Regel, falls nicht besondere Gründe entgegenstehen, nach dem Dienstalter. Wird dies beobachtet, so kann jeder Sekretär, wenn er sich gut führt, darauf rechnen, daß er früher oder später in die eine oder andere der besseren Stellen gelangt, sei es beim Oberlandesgerichte, sei es beim Land⸗ gerichte oder Amtsgerichte. Ich sehe nicht ein, weshalb die Sekretäre, wie heute gesagt worden ist, eine solche Beförderung lieber ganz ab⸗ lehnen würden. Ich glaube kaum, daß, wenn ein derartiges Anerbieten an sie käme, sie sich weigern würden, es anzunehmen. Und wenn die Beförderung gerecht durchgeführt wird, so wird keineswegs eine Einrichtung geschaffen, die zu Strebertum und Unbilligkeit führt. Wird das Gesetz in dieser Weise gestaltet, dann begegnet die Justin⸗ verwaltung keinen Schwierigkeiten, und es ist ein wesentlicher Schritt zur Gehaltzaufbesserung getan, wenn auch nicht alles erreicht wird, was die Sekretäre wünschen. Ich glaube deshalb, daß der Stand- punkt der Regierung, wie er vorläufig eingenommen worden ist, doch nicht so ganz und gar verfehlt ist.

Abg. de Witt (Zentr.): Beim Dlenstantritt des jetzigen Ministers hatte man gehofft, er werde gutmachen, was sein Vorgänger versäumt hat. Und es ist auch ein neuer Geist des Wohlwollens für die Justizbegmten eingekehrt, den man leider seit 10 Jahren nicht bemerkt hatte. Nicht im Justüministerium, sondern im Finanzministerium ist der Grund dafür zu suchen, . es vorläufig nur bei dem guten Willen bleibt. Der seit zwel Dezennien loyal geführte Kampf der Justizsubalternbeamten hat das Haus davon überzeugt, daß hier eine Üngerechtigkeit vorliegt. Durch die gehobenen Stellen wird das Ziel diefes Kampfes nicht erreicht, sondern nur durch den gestellten Antrag.

Abg. Felisch (kons.) bemerkt kurz, daß auch er sich gegen die Einrichkung der gehobenen Stellen aussprechen müsse, da sie nur das Strebertum begünstigten.

Abg. Caffe (fr. Volkep.) widerspricht der Auffassung des Justiz⸗ minifiers, daß nach dem Antrage die Sekretäre der Oberlandesgerichte sich schlechter stehen würden, und bemerkt, daß aus der Erklärung des Ministers nicht deutlich bervorgehe, ob ledig ich gehobene Stellen ge⸗ schaffen werden ollen, oder ob nach der Anctennität ein Unterschled gemacht werden soll. Im ersteren Falle seien die gehobenen Stellen bedenklich, man könne nur mit einer Unterscheidung nach der Anciennitäͤt einverstanden sein.

In der Abstimmung wird, nachdem der Antrag Faltin zurückgezogen ist, der Antrag Mathis angenommen.

Es folgt die Beratung von Petitionen.

Der Vorstand des hannoverschen Städtevereins petitlonlert um Regelung des höber en Mädchen schul⸗ wefens; eine große Zehl von Mädchenschuldirektoren und Lehrern wünschen ingbesondere Anerkennung der höheren Mädchenschule als höhere Lehranstalt neben der höheren Knabenschule und gesetzliche Regelung der Verhältnisse der öffentlichen höheren Mãädchenschulen und der an ihnen wirkenden Lehrkräfte; weitere Petitionen van Lehrern wünschen die gesetzliche Regelung der Besoldungsverhältnisse der an den öffentlichen höheren Mäbchenschulen angestellten Lehrkräfte.

Vie Budgetkommission beantragt, diese sämtlichen Petitionen der Regierung als Material zu überweisen.

Die Abgg. Ern st (fr. Vgg), Wol ga st (frs. Volksp), Metger (ni.), Dr. Arendt e bon und Strosser (kons.) beantragen, die Petsilonen oweit sie die gesetzliche Regelung der Be—⸗ oldungeverhältnisse der Leiter, Lehrer und Lehrerinnen an höheren

n, , , betreffen, der Regierung zur Berücksichtigung zu über⸗ weisen.

Der Berichterstatter Abg. Hackenberg trägt den Inhalt der Petition vor und befürwortet den Antrag der Kommisston, bemerkt aber, daß seit der Beschlußfassung der Kommission berelts ein Vierteljahr ver⸗ gangen sei, und es, nachdem der Antrag auf n Be⸗ rücksichtigung gestellt sei, zweifelhaft sein könne, ob die Situation heute noch dieselbe sei wie vor einem Vierteljahr, da injwischen durch die Zeitungen allerlei beunruhigende Gerüchte über die Gestaltung der höheren Mädchenschulen gegangen seien. Es sei wünschenswert, daß die Regierung sich darüber 6

Abg. Gen st (fr. Volksp.) führt aus, daß die Aufgabe der höheren Madchenschulen nicht sein könne, zum Studium vorzubereiten, sondern nur tüchtige Hausfrauen und Mütter ö. erziehen, die dem Manne verständnit volle Gefährtinnen im Leben sein könnten. Daneben müffe allerdingHt auch zu weiteren Studien Gelegenheit gegeben werden, was durch das Oberlyzeum zu gescheben habe. Einer gesetz⸗ sichen Regelung bedürften namentlich die Verhältnisse des Lehr⸗ personals an den Mädchenschulen und insbesondere die Stellung der akademisch gebildeten seminaristischen Lehrer und der Lehrerinnen als Leiterinnen. In einigen Punkten agen verschiedene Petitionen jedoch ju weit, J. B. auch in beiug auf das Verlangen eines dreijährigen Oberlvjeumg. Beiilglich der gesetzlichen Regelung der Gehaltsverhältnisse der Leiter und des Lehrpersonals der Maͤdchenschulen habe das Haus schon früher einen ent. sprechenden Antrag angenommen. Deshalb möge auch jetzt das Haus den eg auf Ueberweisung zur Berücksichtigung annehmen.

Abg. Met ger nl) bemerkt, daß seit dem Beschluß der Kom ˖ mission, der mit Rücksicht darauf gefaßt,; sei, daß die Regierung erklärte, es sei eine Reform des Mädchenschulwesens im Werke, die Situatlon sich wesentlich verschoben habe, da die Reform ins Stocken geraten ju sein scheine. Er beantrage desbalb, die Petition an die Kommission zurückjuverweisen, damit die Kommission die Frage nochmals prüfe. z

Dieser Antrag wird abgelehnt.

Regierungekommissar, Geheimer Regierungkrat Meyer erklärt, daß die Reform dez Madchenschulwesens zur Zeit der Verhandlung in den dafür berufenen Kommissionen unterliege. Wenn die Kommissionen ihre Arbejt beendet hätten, müsse erst alles durchgeprüft werden, das gebe natürlich nicht fo schnell. Es sei nicht gut, eine Aufgabe von solcher kulturgeschichtlichen Bedeutung über das Knie zu brechen und auf eine 2. zu drängen. Er bitte desbalb, es bei dem Kommissions antrage zu beiassen und den weitergehenden Antrag auf Ueberweisung zut .in ng abzulehnen.

Abg. Malkewiß (kons ): Die Frage wird von uns als außer⸗ ordentli 69 angeseben; jede Ueberstürzung muß aber vermieden werden. Die Meinungen in diesen Fragen gehen noch sehr weit auseinander, namentlich bezüglich der Einheitlichkeit der Lebrer⸗ kollegien und der Mitwirkung der weiblichen Lebrkräste. Wir meinen, daß die seminaristischen Lehrkräfte nicht von den Mädchenschulen ju beseitigen sind; der Minister Bosse bat sich sehr anerkennend über die Lehrerkollegien der Mädchenschulen ausgesprochen. Es scheint jetzt aber das Bestreben zu sein, die seminaristis Lehrer nach und nach von den höberen Mädchenschulen zu entfernen. Dagegen mũssen wir entschieden Verwabrung tinlegen. habe auch nichts gegen die Ansicht des Abg. Ernst, daß auch eine tüchtige Frau zur Leiterin ciner böberen Mädchenschule berufen werden lang, cbwobl ich nicht weiß, ob er sich nicht damit gegen den Münchener Lebrertag versündigt hat. Wir balten an unseren früheren Be- schlüssen fest und stimmen für den Antrag auf Ueberweisung zur Berůũcksichtigung.

Das Haus beschließt Ueberweisung zur Berücksichtigung.

Mehrere Petitionen zur Einfübrung (iner Städteorgung für den Regierungebenrk Stralfund werden ohne Debatte der Regierung zur Erwägung üũberwiesen.

Eine Petition des Gemeindevorstandes zu Steglitz um Ver leihung des Stadtrechts für Steglitz beantragt die Gemeinde⸗ kommission zur Berücksichtigung zu überweisen.

. von Heyking (kons erklärt sich aus formalen Gründen gegen diesen Antrag und wuünscht Ueberweisung zur Erwägung. Im vorigen Jahre habe das Haus dieselbe Petition als Material über- wiesen, dazu 6h die Regierung erst Stellung nehmen.

Die Abgg. rit sch (nl) und Dietrich ⸗Thorn (fr. Volksp.) befürworten den Kommisszonsantrag, da Steglitz durchaus den Charakter der Großstadt habe.

Geheimer Qberregierungsrat von alkenhayn erklärt, die Verhaͤltnisse in Steglitz seien nicht derartig, daß die Einführung der städtischen Verfassung notwendig sei.

Das Haus beschließt nach dem Kommissionsantrage.

Eine . der , , . in Brunsbüttelhafen um Verbesserung des Fährbekriebes über den Kaiser⸗Wilhelm-Kanal in Brunsbüttelkoog und Oestermoor wird der Regierung zur Berück⸗ sichtigung überwiesen, nachdem die Abgg. Peter 3 (fr. kons.) und Dr. 6 n. (B. d. L) betont hahen, da eigentlich das Reich die Pflicht abe, die Schäden durch den Kanal zu beseitigen.

Bezüglich der Petition der Bauerschaftsvertretung zu Burg in Dithmarschen um Verbesserung der Fährverbindung über den KaiserWilhelm⸗Kanal im Zuge der Burg Wilster Chaussee beschließt das Haus, die Petition unter Anerkennung der Tätigkeit der Kanal verwaltung, Mißstände; beim Fãhrbetrieb zu beleitigen, jedoch im Interesse der berechtigten Klagen der Petenten der Regierung in dem Sinne zur Beru cksichti gung zu über⸗ weisen, daß diese bei der Reichsregierung die Abstellung der Klagen der Petenten nachdrücklichst befürworte,

Die Petition der Firma Dehmigke u. Riemschneider in Neu⸗ Ruppin um Einstellung der Gefängnisarbeit für die , ö Kühn daselbst wird der Regierung zur Erwägung überwiesen.

Ueber die Petition des Ausschusses der freien Handwerkerverbände Deutschlands um Einführung des Befähigungsnach⸗ weises für das Handwerk geht das Haus zur Tagesordnung über, desgleichen über die Petition des Bundes deutscher Stellen- vermittler und des Vereins der Berliner Gesindevermieter um Aus⸗ dehnung der für den Geschäftsbetrieb der Gesinzevermieter und Stellenvermittler bestehenden Vorschriften auf alle Unternehmungen, die sich gewohnheitsmäßig mit Stellenvermittlung befassen, insbesondere auch die Arbeitsnachweise von Vereinen, Gemeinden und Landwirtschafts kammern, sowie über eine Petition um Konzessionierung einer Apotheke in Deutsch · Krawarn.

Eine Petition der Firma Gebr. Woenckhgus G. m. b. H. ju Hagen in Westfalen wünscht erstens Erlaß einer gesetzlichen Be⸗ stimmung, wodurch die Person der bei Anwendung des § 51 der Gewerbeordnung (Untersagung der ferneren Benutzung gewerblicher Anlagen aus Gründen des Gemeinwohles) entschädigungspflichtigen ,,,. Körperschaft festgestellt wird, oder Verlegung 1 an ihrer Pulverfabrik vorbeiführenden Strecken der Staatseisenbahn und der Provinzialstraße Hagen Brügge jweitens Entschãdigung wegen Verzögerung der Genehmigung zum Wiederaufbau ihrer Pulver- fabrik. Das Haus überweist diese Petition als Material, soweit sie auf eine Ergänzung des S hi G. -O, worin der Träger der Ent⸗ schädigungspflicht festgesetzt wird, abzielt, und geht im übrigen zur Tagesordnung über.

Ueber die Petition des Verbandes der Vereine der Bürgermeifter und Gemeinden in der Rheinprovinz um Erweiterung des Art. 12 § 2 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch dahin, daß der Beamte, der beim Abschluß von Verträgen über Grundstücksveräußerungen eine öffentliche Bebörde vertritt, auch zur Entgegennahme von Vollmachts. und Freigabeerklärungen für 3 , , Auflassung befugt sei, geht das Haus jur Tages ordnung über.

Petitionen des Preußischen Landesverbandes städtischer Haus, und Grundbesitzerbereine und des Bundes schlesisch posenscher Haus⸗ und Grundbesttzervereine um Regelung der Ersatzpflicht bei Schädigungen an Grundeigentum, die aus dem Betriebe solcher Bergwerke entstanden sind, für die ein Bergwerksbesitzer nicht mehr vorhanden ist, werden der Regierung als Material überwiesen.

Der Preußische Wild⸗ und Geflügelhändlerverband, das Vor⸗ steheramt der Kaufmannschaft zu Danzig und die Handelskammer zu Sagan petitionieren um Aenderung des Wil dschongesetzes vom 14. Juli 1904 (Gestattung der Freizügigkeit des Wildes, Verbot des Verkaufs usw. von Wild, das zum Genusse fertig zubereitet ist, während der iet der Wildhändler Märksch in Görlitz petitioniert gleichleitig ferner um Aenderung des Wildschongesetzes Verkürzung der Schonzeiten, Verlängerung der Verkaufszeit nach Eintritt der Schonzeit).

Die Agrarkommission beantragt, über diese Petionen zur Tagesordnung , .

Abg. Fischbe d (fr. Volkep.) beantragt, die ersteren drei Petitionen der Regierung als Material zu überweisen, indem er bedauert, daß diese Petitionen von der Agrarkommission bebandelt worden seien, während sie eigentlich vor die Handelskemmission gehört hätten; denn der Handel habe in dieser Sache mitzusprechen, da er durch das Wildschongesetz schwer geschãdigt worden sei.

Abg. Dirt gon empfiehlt den Kommissionsantrag, da das erst seit einem Jahre bestehende Gesetz nicht schon wieder geändert werden könne. ;

Abg. Fisch beck erwidert, daß das Gesetz schon seit zwei Jahren bestebe, und daß die großen Mißstaͤnde, die sich infolge dieses Gesetzes , n hätten, jedenfalls so schnell wie möglich beseitigt werden müßten.

Das Haus beschließt nach dem Kommissionsantrag.

Die Petition des Verbandes deutscher Rechtskonsulenten⸗ innungsen zu Cöln und des Hauptverbandes der öffentlich ange- stelltn Auktionatoren für das Deutsche Reich ju Hannoder um ae einheitlicher Vorschriften für den Geschäftsbetrieb der Rechte kor fulenten und Auktionatoren die Handels · und Ge⸗ werbekommission der Regierung als Material zu überweisen.

Rach kurzer Debatte, in der die Abgg. Mever ⸗Diey⸗ holz Inl5 und Hahn (B. 7. 2) für die Vereinbeitlichung der Vor- schriften für Auktionator, speziell im Interesse der bannoverschen Auktionatoren eintreten, wird der Kommissionsantrag angenommen.

Die Petition des schlesischen Bädertages ju 28 um Erlaß eines Gesetzes zum Schute der ö5ftentlichen Mineral- und Heilquellen wird nach dem Antrage der Justij kommifsion der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen.

Außerdem werden eine Anjabl Petitionen von lediglich persõn⸗ lichem oder lokalem Interesse nach den Kommissionsantraͤgen erledigt.

Gegen 43 Uhr wird Vertagung beschlossen.

Nächste Sitzung Dienstag 12 Uhr. (Kleinere Vorlagen, Anträge, Berichie über Petitionen.)

Literatur.

Francis G Peabodv, Jesus Christus und der christliche Cbarakter. Vorlesungen. gebalten an der Uni Berlin. Uutorifter'e Ucberseßzung von E. Müllenboff. Gießen, Alfred Töpelmann (vorm. J. Ricker), geh. 4 Æ, geb. 6 en geren Kreise der 8 ist Peabody schon seit Jahren kein Fremder mebt. (Scin Buch Jesus Christus und die soniale Frage ist 1895 erschienen und von Theologen wie Holtzmann sehr günstig beurteilt worden) Der großen Mehrzahl der Deutschen aber wird der Name des aueländischen Gelebrten fremd gewesen sein, als er bei dem Gelebrtenaustausch von der Harvard. Universitt in Cambridge nach Berlin berüberkam, um an der biesigen Unidersi ät Gastvorlesungen uu

halten. Daß die Fähigkeiten des amerikantschen Gelehrten nicht