Königreich Preußen.
Seine Majestät der König haben Allergnãdigst geruht: dem Regierungspräsidenten a. D., Wirklichen e, ., Oberregierungsrat von Diest in Merseburg den . er als Wirklicher Geheimer Rat mit dem Praͤdikat „Exzellenz zu verleihen.
ᷓ je st öni ädigst geruht: Seine Majestät der König haben Allergnã ⸗ den bisherigen Seminaroberlehrer Karl Backhaus in
Seminardirektor zu ernennen und ö. ,, des Direttors X. Hermann daalghel . der bisherigen Realschule in Beuthen O.⸗S. zum Direktor ; nunmehrigen Oberrealschule die Allerhöchste Bestätigung z
erteilen. Gesetz,
. 167 on Geldmitteln für berr eff zd, die Oe zit ts tn 3 Kn ene , ü eien.
die nach dem Gesetz vom. 12. . s .S. 335 durchzuführenden Maßna ; . ö Deich- und Vorflut⸗
hältnisse an der gberen und mittleren Oder. Vom 10. Juli 1905. . Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von
Preußen 2c. . ö . Zustimmung beider Häuser des Landtags
Unserer Monarchie, was .
ie Staatsregi ird ichti Ausführung
; Staatsregierung wird ermächtigt, zur
des . betreffend Maßnahmen zur Regelung der Sch
wasser⸗ Deich⸗ und Vorflutverhältnisse an der 3 i
mittleren Oder, ,. die d, . von 15 000 000 (Fünf⸗ illi rk zu verwenden. ;
5 . ar e Ha e en, für den alsbald ,
Grunderwerb und für a, e r dsr , Arbei in Betrag bis zu 5 0 (Fünf Mill ;
de ere ri, des in den S8 1, 5 und? jenes .
vorgesehenen Verfahrens vorschußweise verausgabt werden.
ver
is ird ermãchti der im Der Finanzminister wird ermächtigt, zur Deckung
81 ö Rosten, soweit die Mittel hierzu u . den Staatshaushaltsetat bereitgestellt werden, im Wege . Anleihe eine enisprechende Anzahl von Staatsschuldverschrei⸗ zugeben. ; .
bung g a af der Schuldverschreibungen können , gehend Schatzanweisungen ausgegeben werden. Der all kfeitstermin ist in den Sor nin n g nn rgebe m . Finanzminister wird ermächtigt, die i 1 i. W unweisungen durch Ausgabe von neuen ö anweisungen und von Schuldverschreibungen in dem erforder⸗
i beschaffen. ar,, können wiederholt ausgegeben
is S schrei die werden. Schatzanweisungen oder Schuldverschreibungen,
S iere dar - eit g ,, , 6. einzulösenden Schatzanweisungen . e f llichen Bescheids der in Anspruch genommenen Betriebs⸗ gemeinde durch
welchem Zinsfuße, beziehungsweise
KRurfen die Schatzanwei n. 8 ; 1 . . werden sollen, bestimmt der Finanz⸗
minister. if 1869
i der örschriften des Gesetzes vom 1g. Dezember . . c r preußischer Staatsanleihen (Gesetz⸗ i
samml. S. 1197), de bie Tilgung von Staatss des Gesetzes vom 3. Ausgleichsfonds S. 155), zur
sammenkunft über die Ausführung dieses Gesetzes Rechenschaft zu geben.
und beigedrucktem Königlichen
zur Deklarierung des Kommunalabgabengesetzes
du vor dem Jet pun t
Ser neuen 3. D S3 nul der. neuen s. i. 1 Ir einzulösenden Schatz⸗
beginnen, ö anweisungen aufhört. . ; 26 durch welche Stelle und in welchen Beträgen, zu welchem Zinsfuße, zu welchen Bedingungen der Kündigung und zu welchen Kursen die Schatzanweisungen und die S uld⸗ verschreibungen verausgabt werden sollen, bestimmt der Finanz⸗ inister. . ,. übrigen kommen wegen Verwaltung und Tilgung der Anleihe sowie wegen Verjährung der Zinsen die Vorschriften des Gesetzes vom 19. Dezember 18855 Gesetzsamml. S. 1197) des Gesetzes vom 8. März 1897 (Gesetzsamml. S. ) und des Gesetzes vom 3. Mai 1903 (Gesetzsamml. S. 155) zur Anwendung. ö
3 5. . . Die Ausführung dieses Gesetzes erfolgt durch die zu⸗ ständigen Minister.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift
und beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Gegeben Drontheim, an Bord des Dampfers „Hamburg“,
den 10. Juli 1906. (L. S.) Graf von Posadows kky. ᷣ . Freiherr y. Rheinbaben. von Podbielski. von Bethmann-Hollweg. Delbrück. Beseler. Breitenbach.
9
Wilhelm. von Studt.
betreffend die Bewilligung weiterer Staatsmittel ur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse von r eiten die in staatlichen Betrieben beschäftigt sind, und von gering besoldeten Staatsbeamten.
Vom 16. Juli 1906.
Wir Wilhelm, Preußen ꝛc.
verordnen, mit Zustimmung der beiden Häuser des Landtags
der Monarchie, was folgt: .
Der Staatsregierung wird ein weiterer Betrag von fünf⸗ Mark zur Verwendung nach Maßgabe des 13. August 1895 (Gesetzsamml. S. 520), be⸗ treffend die Bewilligung von Staatsmitteln zur Verbesserung der Wohnungsverhaͤltnisse von Arbeitern, die in staatlichen Betrieben beschäftigt sind, und von gering besoldeten Staats⸗
zehn Millionen Gesetzes vom
beamten, zur Verfügung 6
Zur Bereitstellung der im 8 ĩ gedachten fünfzehn Millionen Anleihe durch Veräußerung eines entsprechenden
Mark ist eine — 1 Betrags von Schuldverschreibungen aufzunehmen.
An Stelle der Schuldverschreibungen können vorübergehend Schatzanweisungen ausgegeben werden. Der Faälligkeits termin ist in den Schatzanweisungen anzugeben. Die Staatsregierung wird ermächtigt, die Mittel zur Einlösung dieser Schatz⸗ anweisungen durch Ausgabe von neuen Schatzanweisungen und von Schuldverschreibungen in dem erforderlichen Nennbetrage Die Schatzanweisungen können wiederholt aus⸗
zu beschaffen. gegeben werden.
* —2 . S 21 be⸗ .
Finlösung von fällig werdenden Schatzanweisungen kennen, werden. ᷣ ka. ib e , , ö
6 hat die Hauptoerwaltung der Staatsschulden au ñ 2 * g unter n pa seer Hö Hůeig enß vige . Anordnung des Finan min it mien. nee,,
von Gottes Gnaden König von
Schatzanweisungen oder Schuldverschreibungen, die zur
nicht vor dem Zeitpunkte beginnen,
*
83. ; S i lchen Beträgen, zu
Wann, durch welche Stelle Und in we äger ü dingungen der Kündigung e , ö . und die Schuld⸗
Im übrigen kommen wegen Verwaltung und Tilgung der
s vom 8. März 1897, betreffend * . (Gesetzsamml. S. 43) und Mai 1503, betreffend die Bildung eines für die Eisenbahnverwaltung (Gesetzsamml.
Anwendung. 8§ 4. - ö. dessen nächster regelmäßiger Zu⸗
Dem Landtage ist bei
Urkundlich unter Unserer ö Unterschrift Insiegel. den 16. Juli ö ( . 8.) Wilhelm. Graf von Posadowsky. von Studt.
i inb aben. von Bethmann⸗-Hollweg. 2 , Beseler. Breitenbach.
Gegeben Digermulen,
Gesetz
Juli 1893 Gesetzsamml. S. 152). Vom 24. Juli 1906. . Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. . ö nter Zustimmung beider Häuser des Landtags en, fur den Umfang derselben, mit Ausschluß der Insel Helgoland, was folgt: Einziger K 9 ö ie 88 7, 20, N des Kommunalabgabengeseße⸗ vo 14 93. Ks (Gesetzsamml. S. 152) stehen einer Abstufung der Bebühren und Steuersätze nicht entgegen. Insbesondere ist es zulässig, die Gebührensätze nach Maßgabe der . fähigkeit bis zur gänzlichen Freilassung abzustufen und einze ne Hrundstücksarten oder Besitzruppen mit verschiedenen Sätzen zu den Steuern vom Grundbesitze heranzuziehen. 64 Ebensowenig schließt 8 A a. a. O. aus, daß einzelne Grundstücksarten oder Besitzgruppen nach verschiedenen Normen
vom 14.
die Stadt Berlin oder eine andere
5 9 1883 (Gesetzsamml 3 53 in den Fällen, in welchen Lie Siadi Berlin, beteiligt
schlußbehörden anhängigen
Stadtgemeinde beteiligt den Beschluß findet
ö . S eisungen bestimmt ist, der Bezirks ausschuß ündliche Verhand— n on n . o, ,. ag g. 6 . ö. 3 ff ber. * ini Tage vor dem Fällig⸗ h f des Rechnungsjahrs, für
ters vierzehn Tage, m or Ablauf des g . ü, ,
echtzeitig angebrachte Anspruch nicht innerhalb eines Zeit— aums von
des Antrags beim Kreisausschusse
Bezirks ausschuß aufrecht erhalten wird.
nge e ber ek kommen die , . ü i e Lan
fee T . ae en, dahin zur Anwendung,
Bezirksausschuß bestimmt,
des Innern den
st, der Minister
welcher zu beschließen hat.
f sti en finden auf die bei den Be—⸗ Vorstehende ,, , ene Hmwenbung.
Artikel II. ö Dieses Gesetz tritt am 1. April 1907 in raft. . Urkundlich unter Unserer ge e genhandigen Unterschrift
und beigedrucktem Königlichen Insiege
Gegeben Molde, an Bord des Dampfers „Hamburg“,
den 24. Juli 1906.
(L. 8.) Wilhelm.
Posadowsky. Freiherr von Rheinbaben. r er es n , Delbrück. Beseler. Breitenbach.
—
inisterium der geistlichen, Unterrichts⸗ und . Medizinalangelegenheiten.
m Seminardirektor Karl Backhaus ist das Direktorat des e n e r . in Bederkesa verliehen worden.
Ministerium für Handel und Gewerbe.
r Bergrevierbeamte, Bergmeister Treue zu Weißen⸗ fels 3 , , des Bergreviers West⸗Halle nach Halle (Saale) versetzt und der Berginspektor Erich Müller an' dem Steinkohlenbergwerk König bei Saarbrücken unter Beilegung des Titels Bergmeister zum Bergrevierbeamten für das aus dem Revier Weißenfels unter anderer Abgrenzung gebildete Bergrevier Naumburg mit dem Amtssitz Naumburg
(Saale) ernannt worden.
Aichtamtliches. Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 17. August.
Gegeben Molde, an Bord des Dampfers „Hamburg“, den 24. Juli 19065. (Li. S.) Wilhelm. f von Posadowsky. Freiherr von Rheinbaben. . , ,, Delbrück. Beseler. Breitenbach.
Gesetz ; zur Abänderung des Kommunalabgabengesetzes z vom 14. Juli 1893 (Gesetzsamml. S. 152). Vom 24. Juli 1906.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen c. ö . verordnen unter Zustimmung beider Häuser des Landtags
der Insel Helgoland, was folgt: Artikel J.
s 53 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (Gesetzlamml. S. 152) erhält folgende Fassung: ö
Wenn in einer Gemeinde durch Personen, die in einer anderen Gemeinde im Betriebe von Berg-, Hütten⸗ oder Salz⸗ werken, Steinbrüchen, Ziegeleien, Fabriken oder Eisenbahnen beschäftigt werden und dieser Beschäftigung wegen in der ersteren zugezogen oder verblieben sind nachweisbar Mehr—⸗ ausgaben für Zwecke des öffentlichen Volksschulwesens oder der * öffentlichen. Armenpflege oder für polizeiliche Zwecke erwachsen, welche im Verhältnisse zu den ohne diese Personen für die erwähnten Zwecke notwendigen Ge⸗ meindeausgaben einen erheblichen Umfang erreichen und eine unbillige n . b führen, so ist eine solche Gemeinde berechtigt, von der Be⸗ triebsgemeinde einen angemessenen Zuschuß zu verlangen. Bei Bemeffung desselben sind neben der Höhe der Mehrausgaben auch die nachweishar der soweit sie in der Steuerkraft zum zdrr ; . rücksichligen. Die Zuschüsse der Betriebsgemeinde dürfen in keinem Falle mehr als die Hälfte der gesamten in der Be⸗ triebsgemeinde von den betreffenden Betrieben zu erhebenden direkten Gemeindesteuern betragen .
Liegt der Betrieb in einem Gutsbezirke, son richtet sich der Anspruch gegen den Gewerbetreibenden. Die Zuschüsse dürfen alsdann die Hälfte der der Kreisbesteuerung dieses Betriebs zu Grunde liegenden Einkommensteuer und Realsteuern und, wenn der Betrieb nicht gewerbesteuerpflichtig ist, 5 der seiner FKreisbesteuerung zu Grunde liegenden Einkommensteuer nicht übersteigen. ; ? ö Bestimmungen des ersten und e f, Absatzes finden auf den Anspruch eines Gutsbezirks auf Zuschuß gleichmäßige , mehreren Gemeinden oder Gutsbezirken An⸗ sprüche auf Zuschüsse , werden, welche zusammengerechnet bie in den Abf. J unb 2 vorgesehenen Höchstgrenzen über⸗ steigen, so findet eine verhãltnis mäßige Kürzung der einzelnen Anfprüche bis zu der zulässigen Höchstgrenze statt. ö
Ueber streltige Ansprüche aus Abs. J bis 3 sowie
über Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung des
Abs. 4 ergeben,
Unserer Monarchie für den Umfang derselben, mit Ausschluß
Mehrbelastung der Steuerpflichtigen herbei⸗
Gemeinde erwachsenden Vorteile, Ausdrucke kommen, zu be⸗
beschließt der Kreisausschuß und, sofern
e- X- - d - Q- - md önig hörten heute Jormittag im Schloß Wilhelmshöhe den Vortrag des Reichs⸗ kanzlers Fürsten von Bülow.
Der Kaiserliche Botschafter in Konstantinopel, Staats⸗ minister Freiherr Marschall von Bieberstein ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaube auf seinen Posten zurũck⸗ gekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder über— nommen.
Der Königliche Gesandte beim Päpstlichen Stuhle, Wirk— liche Geheime Rat Freiherr von Rotenhan hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit werden die Geschäfte der Königlichen Gesandt= schaft bis auf weiteres von dem etatsmäßlgen Legatione— sekretär, Legationsrat Dr. von Boh len und Halbach geführt.
Der Unterstaatssekretär im Reichsschatzamt Twele ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt.
Der Wirkliche Geheime Oberbaurat im Reichseisenbahnamt v. Misan! ist mit Urlaub nach der Schweiz abgereist.
Der französische Botschafter Bihourd ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder über⸗ nommen.
Laut Meldung des, W. T. B.“ ist S. M. S. „Luchs“ am 15. August in Tientsin eingetroffen. .
S. M. S. „Hansa“ ist am 15. August in Singapore angekommen und beabsichtigt, heute nach Rangoon in See zu ehen. uch S. M. S. „Niobe“ ist am 15. August in Bombay ein⸗ getroffen und beabsichtigt, am 25. August nach Colombo in See zu gehen. 4 p
S. M. S. „Charlotte“ ist am 15. August in Vigo an— gekommen und beabsichtigt, am 20. August die Reise na Malaga fortzusetzen.
S. M. Flußkbt. Tsingtau“ Samshui in See gegangen.
ist gestern von Canton nach
Cronberg, 16. August. Seine Majestät der König Eduard von Großbriignnien und Irland hat gestern vormittag i Uhr Schloß Friedrichshof verlassen und, ie. Seiner Majestät dem Kaiser und König, 8 Hoheit dem Prinzen Friedrich Karl von Hessen und . erlauchter Gemahlin sowie von Ihrer Königlichen Hoheit 16. Kronprinzessin Sophie von Griechenland zur Bahn gl, nach herzlicher Verabschiedung die Reise nach Marienbad fort
esetzt. . ö c eine Majestät der Kgiser und König sowie 3. übrigen in Friedrichshof zurückgebliebenen n,, . ; gaben Sich mit Gefolge um 10 / Uhr in Automobilen e. Homburg v. d. H, wo die feierliche Enthüllung des von 9. Bildhauer Fritz Gerth geschaffenen Land rafendenkmals . fand. Seine Majestät übergab das Denkmal der Stadt . burg mit einer Rede. Der DOberbürgermeister von hembur Maß, dankte mit einer Ansprache, die in ein Hoch auf Ser Majestät den Kaiser und König ausklang.
Nachmittags gegen 21 Uhr reiste Seine Ma jestät über Gießen nach Wilhelmshöhe, wohin sich W. T. B. zufolge, gestern abend auch der Reichskanzler Fürst von Bülow aus Norderney begeben hat.
Rußland.
In der Warschauer Vorstadt Wolowa explodierte,
T. B.“ zufolge, gestern vor einer Prozession von aus Fotitno zurückkehrenden Pilgern eine Petarde. Von einer vorbeimarschierenden Militärabteilung wurde hierauf in der JRichtung auf die Prozession geschossen, wobei zehn Personen verwundet wurden. . .
Die Frankfurter . meldet aus Odessa: Auf dem hiesigen Bahnhof überfielen gestern sieben Angrchisten den Eifenbahnkassierer und nahmen ihm 5ö0gp0 Rubel weg. Sie flüchteten dann und warfen unter die sie verfolgenden Folizisten eine Bombe, durch die ein Polizist getötet und ein anderer verwundet wurde. Es gelang jedoch, drei der Anarchisten
verhaften. . Türkei.
Nach offiziellen Versicherungen ist der Zustand des Sultans fortdauernd gut.
Nach einer Meldung des „Wiener K. K. Telegr.⸗Korr.⸗ Bureaus“ aus Konstantinopel haben die . über die Fatastrophe in Anchialo im rumelischen Patriarchat eine niederschmetternde Wirkung ausgeübt. Vorgestern versammelten sich die Synode und der Laienrat zu einer gemeinsamen autzerordentlichen Sitzung und beschlossen, eine Protestnote, die Genugtuung und Herstellung des status go fordert, an die Pforte und die Großmächte zu richten. Die Protestnote wurde noch an demselben Tage von einer Aberd⸗ nung von sechs Mitgliedern der Synode dem Großwesir über⸗ reicht. Der Groß wesir erklärte, noch keine offizielle Kenntnis zu haben, versprach aber sein Möglichstes zu tun. Eine gleiche brotestnote sollte der Patriarch Joachim gestern persönlich dem Doyen der Botschafter überreichen. Einzelne Flüchtlinge aus Anchialo treffen nach und nach in Konstantinopel ein. ᷣ
Türkische Nachrichten aus Athen melden, daß zwei riechische Banden neuerlich die Grenze überschritten [. und daß die griechische Regierung infolge der anti— griechischen Ereignisse in Bulgarien nichts gegen die Ueber— schreitung der Grenze tue. ;
Aus Sasa (Bezirk Kotson) im Wilajet Uesküb wird demselben Bureau ein Zwischenfall gemeldet. Am Sonn⸗ abend wurde aus Anlaß einer von der gemischten Kommission vorgenommenen Untersuchung ein türkischer Leutnant auf bulgarischem Gebiet von bulgarischen Offizieren niedergemacht. Bulgarische Truppen hätten, wie es heißt, die Grenze über⸗ schritten, eine türkische Abteilung eingeschlossen und eine Höhe besetzt.
Bulgarien.
Nach einer Meldung des „Wiener K. K. Telegr.⸗ Korresp. Bureaus“ haben vorgestern in mehreren Pro— vinzialstädten griechen feindliche Versammlungen statt— gefunden, die ohne jeden Zwischenfall verlaufen sind. Alle griechischen Häuser sind militärisch bewacht. In Stani— maka und Karnobad besetzten vorgestern Bulgaren die dortigen griechischen Kirchen, nachdem sie von den Griechen gutwillig geräumt worden waren. Für die zum Sonntag geplante allbulgarische Versammlung in Philippopel sind große militärische Maßnahmen getroffen. Trotzdem haben die meisten Griechenfamilien fluchtartig die Stadt verlassen. Alle griechischen Kaufläden und Etablissements in der Stadt sind geschlossen.
Asien.
Der Berichterstatter der „Daily Mail“ in Tientsin, der
eine Reise durch Nordkorea und die Mandschurei
gemacht hat, berichtet, die Japaner beobachteten jezt die Vorschriften bezüglich der offenen Tür genauer. Ueberall im Innern der Mandschurei finde
man gegenwärtig an Stelle der europäischen und amerika⸗ nischen Fabrikate japanische, was daher komme, daß japanische Waren massenhaft über Dalny zollfrei ins Land gebracht würden. In Nordkorea klagten die Eingeborenen vielfach darüber, daß die Japaner sich großer Stücke Landes bemächtigten und die Bewohner schlecht behandelten. Afrika.
Wie das „Reutersche Bureau“ aus Tanger meldet, töteten Angehörige des Anghera-⸗Stammes einen der Leute Raisulis; bei dem entstehenden allgemeinen Kampfe wurden sechs Angheras getötet. Der kürzlich ernannte Gouverneur begab sich mit zahlreichen Truppen nach dem Schauplatze der Unruhen und stellte, nachdem seine Truppen sich mit den Ruhe— storern heftig beschossen hatten, die Ordnung wieder her.
Nr. 49 des Zentralblatts für das Deutsche Reich, herausgegeben im Reichs amt des Innern, vom 10. d. M. hat folgenden Inhalt: I) Zoll. und Steuerwesen? Bestellung von Stations. lonttolleuren; Nachtrag zum Verzeichnisse der im Auslande zur Aus stellung von Zeugnissen über die chemische Untersuchung von Baumsl Tmächtigten wissenschaftlichen Anstalten. . 2) Bankwesen: Status der deutschen Notenbanken Ende Juli 1906. — 3) Marine und Schiffahrt: Erscheinen des Handbuchs für die deutsche Handelsmarine auf das Jahr 19065; Erscheinen eines weiteren Heftes der Entscheidungen * Oberseeamtz und der Seeamter sowie des Registers zum sech= jebnten Bande der Entscheidungen; Erscheinen des jweiten Nachtrags ut. Amtlichen Liste der deutschen Seeschiffe fur 1305. — 4) Konfsulat⸗ wesen: Ernennung; — Bestellung eines Konsularagenten; — Todes⸗
ö. ) Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichs.
—
Statistik und Volkswirtschaft.
Die deutsche überseeische Auswanderung im Juli 1906 und in dem gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Es wurden befördert deutsche Wien,, im Monat Juli 1
über 1905 Bremen 4 1169 Hamburg. . ; 725 629 deutsche Häfen zusammen ——— TTö T 7ᷓ fremde Häfen (soweit ermittelt) 259 505
uberhaupt. IIb 2303.
ö . deutschen Häfen wurden im Juli 1966 neben den 2165
be . Auswanderern noch 15114 Angehörige fremder Staaten *esötdert, davon gingen über Bremen 10 573, uber Hamburg 7442.
Alters sparkassen
sind in Deutschland noch wenig bekannt. den
Sie sind mit Sparkassen verbunden und haben das Prinzip, unregelmäßig eingezahlte
Beträge anzusammeln, zu verzinsen und dem Inhaber des Altersspar⸗ buches nach einem gewissen Lekenzabschnitte (meistens nach Zurücklegung des 55. Jahres) das Kapital auszuzahlen. Meist werden der Altersspar⸗ kasse von den Ueberschüssen der Sparkasse besondere Prämien sowie sonstige Geschenke überwiesen. Einer verhältnismäßig lebhaften Teilnahme erfreut sich die mit der Sparkasse für das Herjogtum Gotha ver⸗ bundene Aussteuer, und AÄltergersparnisanstalt. Diese ist also nicht lediglich eine Alterssparkasse und hat daher auch keine allgemein bestimmte Grenze für die Auszahlung der Ersparnisse festgesetzt. Die Einzahlungen in diese Kasse sind auch meist regelmäßige und zwar wöchentliche in der Höhe von 190 bis 3 Im Jahre 19065 wurden 71 041 6 90 für 281 Personen neu ver ff während 60 317 S 85 8 für 240 Personen, die den Fälligkeitstermin erreicht hatten, jur Auszahlung kamen. Der gesamte Versicherungsbestand der Anstalt belief sich Ende 1905 L055 701 ½ 8090 für 2549 Personen. Als Ueberschuß ergab für das letzte Geschäftsjahr ein Betrag von 1882 S6 57 3, der dem Reservefonds zugeführt wurde. Im ganzen hat die Aussteuer⸗ Ersparnisanstalt während ihrer nun 44 jährigen Wirksamkeit f 5750 Personen 1270 281 4 an fällig gewordenen Kapitalien bereits jur Auszahlung gebracht.
Das dänische Kätnergesetz.
Das unter dem Namen „Husmandshrug ⸗Lopv“ am 24. März 1899 in Dänemark erlassene Gesetz ist in seinen Absichten mit dem preußischen Rentengutsgesetze zu vergleichen und bezweckt die Ansiedlung und Seßhaftmachung ländlicher Arbeiterfamilien durch Gewährung staatlicher Darleben zur Begründung eines eigenen kleinen Betriebes (Kätnerstelle, Häuslerei, Kossäte). Ueber die bisherige Wirksamkeit dieses Gesetzes wird in Heft 4 des 21. Bandes der IV. Reihe von „Danmarks Statistik“ be⸗ richtet, In den fünf Jahren 1800 —- 1905) wurden im ganzen 1859 Kätnerstellen (. Staatshäuser“) mit Hilfe von Staatsdarlehen errichtet. Von diesen befinden sich rund ein Drittel auf den dänischen Inseln, nämlich 586 in 217 Semeinden, und zwei Drittel, nämlich 1273 in 352 Gemeinden auf der jütländischen Halbinsel. Die vom Statistischen Landesbureau versandten Fragebogen sind nur von 1814 Eigentümern der Kätnerstellen (. Staatshäusler) brauchbar ausgefüllt worden, weshalb die folgenden Angaben nur dieses Material umfassen. Im ganzen beträgt die Kopfjahl der in diesen Kätnerstellen wohnhaften Personen 9145, was eine Durchschnittskopfjahl von 5,04 Personen ergibt. Von den Besitzern standen 495 im Alter von 25 — 30, 758 von 30—- 40, 467 von 40 - 50, die übrigen im Alter von über 50 Jahren. Vor Uebernahme der Kätnerstelle waren 1616 verheiratet, im Jahre der Uebernahme hrirateten 130 Besitzer, 34 waren unvper—⸗ heiratet, von 14 fehlen Angaben hierüber, 1465 der Besitzer waren länd⸗ liche Tagelöhner, 202 standen in festem Dienstverhältnis, 147 hatten einen anderen Beruf. Das gesamte für die 1859 Kätnerstellen ver⸗ wendete Areal betrug 10 700 dänische Tonnen — ungefähr 1 Quadrat⸗ meile Landfläche mik rund 580 Steuereinheiten Tonnen Hartkorn“). Die Qualität des Bodens ist natürlich sehr verschieden, die Preise für das angekaufte Land schwanken zwischen 83 und 718 Kronen für die Tonne. Es ist bei Auswahl und Begrenzung der Areale nach Möglichkeit auf die Prosperität der Einzelkaten Rücksicht genommen. Viehhaltung findet auf 1517 Kätnerstellen statt, und jwar sind im ganzen 642 Pferde. 4714 Kühe, 5351 Schweine, 722 Schafe und 38 327 Hühner gezählt worden. Die staatliche Schätzung des Eigen tumswertes der 1623 landwirtschaftlich betriebenen Kätnerstellen betrug 6 526 562 Kr. (— 7309748 S); darauf waren an Staatsdarlehen 5 700 527 Kr. (— 6 384 590 M vergeben.
In den Erhebungsformularen ist auch nach der Teilnahme der Staatshäusler an der Genossenschaftabewegung gefragt worden. Von den eingegangenen 1314 Fragebogen sind in dieser Beziehung 1654 ausgefüllt worden. Aus diesen ergiebt sich, daß fast neun Zehntel der Befragten, auf den Inseln 93 0/9 und auf dem Festlande 9gö „, Mit⸗ glied einer Genossenschaftsmeierei, ein Drittel, und zwar auf den Inseln 41 00, auf dem Festlande 27010, Mitglied einer Schweine—⸗ schlachtgenossenschaft und ein Viertel Mitglled von Eierverkaufs— vereinigungen waren. 14 Staatshäusler gehörten der landwirtschaft⸗ lichen Kontrollvereinigung an.
Zur Arbeiterbewegung.
Die ausständigen Angestellten der Berliner Paketfahrt⸗ gesellschaft (ogl. Nr. 193 d. Bl.) hielten eine Versammlung ab, um zur jetzigen Lage des Kampfes Stellung zu nehmen. Es wurde, der Vosfs. Ztg. zufolge, mitgeteilt, daß nach weiteren Vermittelungs⸗ versuchen, die durch den Direktor Kretzschmar von der Firma Schlichting u Co. unternommen wurden, die Direktion der Paketfahrt⸗ gesellschaft sich bereit erklärt habe, 40 bis 60 alte Angestellte an ihre früheren Plätze wieder einzustellen und mit einer Kommission der früheren Angestellten zu verhandeln, aber unter Aus— schluß von Organisationsvertretern. Die Versammelten beschlossen einmütig, diesen Vorschlag abzulehnen und den Streik fortzusetzen. Heute vormittag sollte eine Konferenz der Rollkutscher mit dem Spediteurverein stattfinden, um festzustellen, welche Spediteure für die Paketfahrtgesellschaft Streikarbeit liefern. Auch das Abrollen des Zwangsrollguts soll künftig als Streikarbeit angesehen und untersagt werden. — Der Verband der Kohlengroßhändler Berlins nahm nach demselben Blatte in einer Sitzung Stellung ju den Forderungen der Kohlenarbeiter und Kutscher, die ihm vom „Verband der Handels. und Transport- arbeiter' zur Annahme unterbreitet worden waren. Einstimmig wurde beschlossen, den Transportarbeiterverband nicht als rechtmäßigen Vertreter der Kohlenarbeiter und. Kutscher anzuerkennen und jede Ver— handlung mit ihm abzulehnen. Die Arbeitgeber erklären sich jedoch bereit, mit ihren eigenen Leuten in Verhandlungen einzutreten. — Die im „Verbande der Isolierer und Steinholjleger Deutschlands“ organisierten Isolierer Berlins und der Umgegend haben, wie ebenfalls die ‚Voss. Ztg.“ mitteilt, einen neuen Lohntarif an—⸗ genommen; er tritt am 1. Oktober d. J. in Kraft und hat ein Jahr Geltung. Die Verbandsleitung soll an, werden, den neuen Tarif den Arbeitgebern zur Annahme zu unterbreiten und den alten zu kündigen.
In Essen haben, wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, Ver⸗ handlungen vor dem Einigungkamt für das Baugewerbe zur Bei—⸗ legung des Ausstandes der Holzarbeiter geführt. Die Eini⸗ gung beruht auf der Grundlage, daß den Gehilfen vom 15. August ab eine Lohnerhöhung von 3 8 bei 59 stündiger Arbeitszeit wöchentlich, vom 1. April 1907 ab eine weitere Zulage von 4 3 bei Gewährung der 95 stündigen täglichen Arbeitszeit von diesem Tage ab und ferner vom 1. April 1908 ab ein weiterer Pfennig Lohnzuschlag gewährt wurde. Sonnabends soll eine Stunde früher Feierabend gemacht werden. Die Löhne gelten als Durch- schnittslöhne, jedoch ist die Mindestlohngrenze nach unten auf 45 4
festgesetzt. Der Tarif soll bis zum 30. April 1908 gelten. (Vgl. Nr. 189 d. Bl. In dem Ausstand in Em den haben, wie der Frkf. Ztg.“
telegraphiert wird, die Hafenarbeiter nachgegeben. Der Ausstand ist beendet. Ueberall wird gearbeitet. (Vgl. Nr. 193 d. Bl).
Wie die „Deutsche Arbeitgeber⸗Zeitung“ mitteilt, hielt der Ge⸗ samtverband deuscher Metallinzustrieller am 11. August in Nürnberg die diesjährige ordentliche Ausschußsitzung ab. Nach dem Geschäftsbericht haben sich im Berichtsjahre sechs Verbände und 20 Einzelmitglieder neu angeschlofsen und zwei Verbände sich für 19965 angemeldet. Der Gesamtverband jählt zur Zeit 38 Be— lirksverbände und zwei angeschlossene Vereine, die insgesamt etwa
4531 000 Arbeiter beschäftigen. Es ist eine Kommisston eingesetzt
worden, um eine Vorlage auszuarbeiten, die die Aussperrung über den ganzen Gesamtverband satzungsmäßig regeln soll. ⸗
In Mannheim befinden sich der „Frkf. Ztg.“ zufolge seit Mittwoch sämtliche 500 Arbeiter der Strebelwerke G. m. b. H. vormals Rudolf Otto Mever, im Ausstand. Der Grund ist die Ent- lassung eines Arbeiters, mit dem sich die übrigen Arbeiter solidarisch erklärten. .
Auch in Hamburg haben nach demselben Blatte die Buch⸗— druckerge hilfen den Anträgen der Gehilfenvertreter für die bevor= stehende Erneuerung der Buchdruckertarifgemeinschaft zugestimmt. (Vgl. Nr. 191 d. Bl.). ;
In Lübeck hat der Ausstand der Tischler, der von den Gesellen nach 25 wöchiger Dauer für beendet erklart worden ist, wie die „Köln. Ztg. erfährt, seine Erledigung noch nicht gefunden. Die Gesellen glaubten, daß sie ohne weiteres die Arbeit wieder aufnehmen könnten, haben sich darin aber geirrt. Die Meister verlangen die Anerkennung eines neuen Lobn— tarifs und ihres Arbeitsnachweises, und gerade von dem letztern wollen die Arbeitnehmer nichts wissen. Die Tischlerinnung hat sich aber ver⸗= pflichtet, nicht eher einen Mann einzustellen, bis die von ihnen ge⸗ stellten Forderungen anerkannt sind. Jetzt betrachten sich die Gesellen als ausgesperrt. (Vgl. Nr. 189 d. BI.)
Aus Troppau wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Im Industriegebiete von Bielitz und Biala ist die Aussperrung der Textilarbeiter gestern beendet und die Arbeit wieder aufgenommen worden. Nur in vier Fabriken der Stadt Bielitz wird wegen noch bestehender Zwistigleiten nicht gearbeitet. (Vgl. Nr. 193 d. Bl.)
Erziehungs⸗ und Unterrichtswesen.
Zur Rettung verwahrloster Kinder
wird in dem Organ des Zentralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen, der Sozialkorrespondenz“, eine Erweiterung der gesetzlichen Bestimmungen über die Fürsorgeerziehung befürwortet und folgendes ausgeführt: . .
Es werden in Deutschland in jedem Jahre etwa fünfjigtausend Kinder und jugendliche Personen gerichtlich bestraft. Diese hohe Kriminalität ist zum Teil auf eine falsche strafrechtliche Behandlung des Kindes zurückzuführen und kann nicht ohne weiteres als Beweis⸗ mittel für eine größere sittliche Entartung der heutigen Jugend dienen. Trotzdem spielt bekanntlich die Entartung der Jugend im heutigen sozialen Leben eine so große Rolle, daß es im öffent- lichen Interesse liegt, immer wieder den Ursachen dieser Erscheinung nachjuforschen. Der deutsche ‚Verein für Kinderschutz' macht es Lehrern, Schulärzten, Seelsorgern und Strafrichtern geradezu jur Pflicht, sich mehr als bisher dem Studium der Entwicklung der Kindesseele ju widmen, um der Entartung des jugendlichen Charakters rechtzeitig vorbeugen ju können. Namentlich sollen an den Univer—⸗ sitäten in Verbindung mit pädagogischen Seminaren Vorlesungen über die Psychologie und Pspchiatrie des Jugendalters gehalten werden. Dieses Studium der Kindesseele setzt ganz selbstverständlich auch ein Studium des Milieus voraus, in dem sich das Kind ent— wickelt. Versäumt man namentlich das letztere nicht, so wird man über die Ursachen der Entartung und die Möglichkeit ihrer Vorbeugung sehr schätzenswerte Erfahrungen sammeln. Es gibt Mißhandlungen zarter Kinder, die viel berwerflicher sind als die härtesten körperlichen Strafen, da sie die Seele verderben. Ein beträchtlicher Teil der kindlichen Kriminalität ist unzweifelhaft auf derartige Mißhandlungen zurückzuführen. . ö.
Viele der Strafjustiz anheimfallende Kinder sind in einem Sumpf geboren und nicht fähig, aus eigener Kraft sich zu festem Grund emporzuarbeiten. Der Sittenpolizei jeder Großstadt ist bekannt, daß manche dieser Kinder von verkommenen Müttern schon zeitig ju un— lauterem Erwerb benutzt werden: der tiefste Punkt des Elends, den ein Kind erreichen kann. Es ist bejeichnend, daß nach der neuesten preußischen Statistik über die Fürsorgeerziehung der Anteil der schul⸗ pflichtigen Mädchen größer geworden ist, was man auf die Zunahme der jugendlichen Prostitution zurückführt.
Man hat kein Recht, hart zu urteilen, wenn diese Unglücklichen
später sich von dem rechten. Wege weit entfernen und verderben. Sie haben ja nie in normalen Verhältnissen gelebt. Wie sollen sie plötzlich sittlich gerade Wege innehalten können, da ihr
ganzes seelisches wie wirtschaftliches Leben sich stets in Zickzack⸗ linien bewegte und auf diesem Wege bei der Moral zwar oft anstieß, aber nie ihren erziehlichen Ernst spürte? Aber natürlich hat die Gesellschaft das Recht und auch die Pflicht, gegen die Entartung jugendlicher Charaktere vorbeugende Maßregeln zu ergreifen. Zunächst wird man dabei an die Fürsorgeerztehung denken. Leider steckt diese auch in Deutschland noch sehr in den An—⸗ fängen. Vor allem greift sie meistens viel zu spät ein. Die Ueber- weisung in Fürsorgeerziehung erfolgt im allgemeinen erst dann, wenn bereits eine Verwahrlosung eingetreten ist. Die wichtige Sache ist durch das Bürgerliche Gesetzbuch nur sehr unvollkommen geregelt und in der Hauptsache der Landesgesetzgebung überlassen. Diese versagt aber recht oft und hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, die dor⸗ handenen Bestimmungen dem Bürgerlichen Gesetzbuch anzu⸗ passen. Auch das württembergische Gesetz über die Zwangterziehung Minderjähriger vom 29. Dejember 1899 und das preußische Gesetz über die Fürsorgeerziehung Minder jähriger vom 2. Juli 1800 weisen erhebliche Mängel auf. In Sachsen ist der Erlaß eines Gesetzes über die Fürsorgeerziehung bis zur nächsten Landtagssession zurückgestellt. Es gelten in Sachsen noch die Bestimmungen des Volksschulgesetzez, nach denen vom Schul⸗ vorstande solche Kinder der Bezirksschulinspektion zur Anzeige gebracht werden müssen, bei denen Zweifel darüber entsteben, ob ihre Erziehung im Hause der Angehörigen ausreichend ist. Die Kinder sollen dann, natürlich nach eingehender Erörterung des Näheren, auf Kosten der Angehörigen oder der Gemeinde in Privaterziehung oder in eine Besserungsanstalt gebracht werden. Die Lückenhaftigkeit dieser Be⸗ stimmungen ist offenbar. Die Schule kennt nur, was sich in ihrem Aussichtsbereich ereignet. Ein Kind kann in der Schule völlig ein— wandfrei und doch gründlich verdorben oder stark gefährdet sein, ohne daß sein Lehrer dabon eine Abnung bat. Namentlich in der Groß— stadt wird ein Einblick in die Verhältnisse des einzelnen Kindes dem Lehrer immer schwieriger. Auch wenn das Kind vor den Strafrichter kommt, ist es meistens bereits stark verwahrlost. Es gilt aber, wie es auch in den Motiven der sächsischen Regierung zu einem früheren Fürsorgegesetzentwurf heißt: der Verwahrlosung schon in ihren An⸗ fängen entgegenzutreten, die gefäbrdeten Jugendlichen aus der ver⸗ derblichen Umgebung, in der sie sich befinden, herauszureißen und gegen die ihnen innewohnenden schlimmen Neigungen anzukämpfen, indem man sie einer geregelten, seelisch wie körperlich auf sie ein⸗ wirkenden Erziehung unterwirft“. In der Tat sind alle modernen Kultur⸗ staaten veipflichtet, gefährdete Kinder so früh als möglich ihrer Um- gebung zu entreißen. Hier kann nur ein Gesetz über Fursorgeerziehung Hilfe bringen, das klug sich den Verhältnissen der Gegenwart anpaßt und einen frühzeitigen Schutz ermöglicht. Weiter hat sich allerdings der Kampf auch gegen soziale Zustände und Sitten zu richten, die eine Entartung der Jugend begünstigen.“
Der Schleswigholsteinische Erziehungsverein be⸗— schäftigt sich mit der Erziehung verwahrloster Kinder und beweist durch seinen neuesten Jahresbericht für die Zeit vom 1. April 1995 bis dabin 19066, daß das preußische Fürsorgeerziehungsgesetz ihn nicht überflüssig gemacht hat. In leinem Jahre wurden so viele Kinder vom Verein jur Erziehung aufgenommen, wie im letztvergangenen, nämlich S6, hiervon allein 52 aus Kiel, 7 aus Altona, 3 aus Flensburg. Der Verein wendet sich mit
Sorgfalt und christlicher Hingabe solchen Pfleglingen zu, bei denen wegen der . Vernachlässigung in der bisherigen Erziehung
unmöglich oder teht der General⸗ Die Gesamtzahl der vom Verein April 1905 997.
ein Antrag auf Ueberweisung in Fürsorgeerziehun aussichtslos war. An der Spitze des Vereins
superintendent D. Kaftan (Kieh). in Pflege genommenen Kinder betrug am 1.