1906 / 244 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Oct 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Ninister i unᷣ für Handel und Gewerbe.

Der Regierungsrat von Radecke in Oppeln ist zum stelldertretenden Vorsitzenden des Schiedsgerichts für Arbeiter⸗ versicherung Regierungsbezirk Oppeln ernannt, und der Re⸗ gierungsassessor Dr. Thon daselbst von diesem Amt entbunden worden.

Angekommen:

Seine Exzellenz der Staatsminister und Minister für Handel und Gewerbe Delbrück;

der Unterstaatssekretär im Ministerium der öffentlichen Arbeiten Dr. Holle, von Dienstreisen.

Aichtamtliches.

Deutsches Reich.

Prenßen. Berlin, 15. Oktober.

Seine Majestät der Kaiser traf gestern vormittag mit Gefolge von Wildpark in Gelnhausen ein, wo Allerhöchst⸗ derselbe in der Marienkirche dem Gottesdienste beiwohnte, Nach dessen Beendigung besichtigte Seine Majestät, „W. T. . zufolge, das Innere der Kirche und die alte Kaiserpfalz die sogenannte Barbarossaburg, und begab Sich sodann im Auto⸗ mobil nach Meerholz zur Teilnahme an der Vermählungsfeier der Gräfin Srtrud von Ysenburg-Meerholz mit Seiner Hoheit dem Prinzen Albert von Schleswig-Holstein-⸗Sonderburg— Glücksburg. Gegen Abend fuhr Seine Majestät nach Cron⸗ berg, wo Ällerhoͤchstderselbe von Seiner Hoheit dem Prinzen Friedrich Karl von Hessen und Gemahlin begrüßt und nach dem Schlosse Friedrichshof geleitet wurde. Heute morgen er— folgte die Abreise Seiner Majestät nach Essen.

Diejenigen Persönlichkeiten, welche durch Abgabe von Karten Ihrer Majestät der Kgiserin und Königin ihre Glückwünsche zu Allerhöchstderen Geburtstag dar⸗ ubringen beabsichtigen, können die Karten am Sonntag, den 1 Oktober, von Vormittags 19 Uhr an bis Abends 56 Uhr, und am Montag, den 22. d. M., bis 12 Uhr Mittags, im Königlichen Schlosse zu Berlin, Portal 4 links, und in Potsdam im Königlichen Stadtschlosse in der Ecke beim Lustgarten, am Aufgange zur früheren Wohnung Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten, abgeben.

Der weltliche Stellvertreter des Präsidenten des Evan⸗ gelischen Oberkirchenrats, Wirkliche Oberkonsistorialrat Moeller ist vom Urlaub zurückgekehrt.

Der Regierungsassessor Fulda aus Aachen ist dem König— lichen Polizeipräsidium in Magdeburg zur Dienstlichen Ver⸗ wendung zugeteilt, der Regierungsassessor Dr. Breunung aus Steitin dem Landrat des Kreises Zabrze, der Regierungs⸗ assessor Dr. Graf Siegmund Adelmann von Adel⸗ mannsfelden aus Wiesbaden dem Landrat des Kreises Dsterburg, der Regierungsassessor Dr. Richard Hoffmann aus Trier dem Landrat des Kreises Neustadt a. Rbg., der Regierungsassessor Springmann aus Osnabrück dem Land⸗ rat des Landkreises Essen a. R. und der Regierungsassessor Gerhard von Schmidt aus Marienwerder dem Landrat des Landkreises Dortmund zur Hilfeleistung in den landrät— lichen Geschäften zugeteilt worden.

Laut Meldung des W. T. B.“ ist S. M. S. „Charlotte“

am 12. Oktober in Castelnuovo eingetroffen und beabsichtigt,

übermorgen nach Corfu in See zu gehen.

Posen, 15. Oktober. Gestern wurde in allen katholischen Kirchen der Diözese Gnesen-Posen ein Rundschreiben des Erzbischofs von Stablewski verlesen, worin er, W. T. B.“ ufolge, die Meinung der Geistlichen und Eltern teilt, daß der . ionsunterricht in der Muttersprache abzuhalten sei. Es bleibe unter den gegebenen Verhältnissen nur übrig, ben Religionsunterricht in der Schule durch einen solchen in Haus und Kirche zu ergänzen. Der Erzbischof bittet schließlich die Geistlichen, die bereits Beweise opferwilliger Arbeit gegeben hätten, erneut mit noch größeren Opfern sich der Katechisierung der Jugend zu widmen, und fordert die Eltern auf, die Kinder noch eifriger und sorgfältiger zu er⸗ ziehen.

Sachsen⸗Weimar.

Der in Weimar tagende Ausschuß deutscher Städte zur Vorberatung von Maßnahmen gegenüber dem F 13 des Zolltarifgesetzes stellte, wie das W. T. B.“ meldet, vorgestern unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Beutler⸗Dresden eine Petition an den Bundesrat und den Reichstag wegen Fristverlängerung des Abgabenweg⸗ falls bis Ende 1917 fest. Auch sollen die in Betracht kommenden Regierungen von der Petition in Kenntnis gesetzt und die beteiligten Gemeinden zum Anschluß aufgefordert werden.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Der vom Handelsminister Kossuth im ungarischen Ab⸗ geordnetenhause eingebrachte Gesetzentwurf zur Förderung der Industrie ermächtigt, wie das „W. T. B.“ meldet, die Regierung, neugegründeten Industrieunternehmungen Be— freiung von der Gewerbesteuer und anderen Gebühren für 15 Jahre zu gewähren. Ferner können auf Grund des Ent— wurfs solchen Industrieanlagen Subventionen in einer Ge⸗

samthöhe von jährlich 20 Millionen Kronen gegeben werden. Schließlich soll diesen Industrien eine Bevorzugung bei Liefe—

Großbritannien und Irland.

Nach einer Meldung des „Standard“ beabsichtigt die Admiralität von den in Dienst befindlichen Linienschiffen vier Schiffe der Majestic-Klasse des Kanalgeschwaders, zwei Schiffe derselben Klasse des atlantischen Geschwaders und zwei Schiffe der Formidable⸗Klasse des Mittelmeergeschwaders in die Reserve mit Besatzungsstämmen und ebenso die ganze Royal Sovereign⸗ Klasse in die Reserve ohne Besatzungsstämme treten zu lassen. Die dadurch freiwerdenden Mannschaften sollen zur Ver⸗ mehrung der Mannschaftsstämme für Torpedobootsflottillen verwendet werden.

Frankreich.

Nach einer Meldung des W. T. B.“ forderte der Minister Clemenceau in einer Rede, die er gestern in Draguignan hielt, alle Parteien der Linken zum Zusammenarbeiten behufs Gründung einer neuen Gesellschaft auf, unter Vorbehalt des Ausschlusses der Sozialisten mit ihren über⸗ triebenen Forderungen, über die man sich aber keineswegs zu beunruhigen brauche. Der Minister schloß seine Ausführungen, indem er für die Franzosen das Recht in ze, . nahm, sich selbst zu regieren, trotz gegenteiliger Bemühungen der Beamten einer internationalen Theokratie, der gegenuber der Friede

der Republik nachdrücklichst behauptet werden müsse.

Rußland.

Der Generaladjutant Stössel ist durch einen Kaiserlichen Tagesbefehl vom 13. Oktober krankheitshalber verabschiedet worden.

Zwischen der Universitätsleitung und dem Stadthaupt⸗ mann in Moskau ist ein Konflikt enstanden, weil letzterer verboten hat, daß Studentenversammlungen im Universitäts⸗ gebäude abgehalten werden. Gestern wurde, nach einer Mel⸗ dung des „W. T. B.“, in dieser Angelegenheit ein außerordent⸗ licher Professorenrat abgehalten. Der Rektor und der stellver⸗ tretende Rektor erklärten, angesichts der unhaltbaren Lage ihr Amt niederlegen zu wollen, sie ließen sich aber durch die Vor— stellungen der Professoren bestimmen, davon abzustehen. Der Professorenrat beschloß, eine aus dem Rektor und zwei Pro⸗ fessoren bestehende Abordnung an den Unterrichtsminister zu entsenden behufs Berichterstatiung und Klärung der Sachlage. Bis zur Rückkehr der Abordnung am 19. Oktober soll die Universität geschlossen bleiben.

Das „W. T. B.“ verbreitet ferner folgende Meldungen:

Aus dem Auslande sind am Freitag einige Anaichisten in St. Petersburg eingetroffen. Die Polizei, der ihte Ankunft bereits vorher gemeldet war, folgte ihnen bis in ihr Absteigequartier und verhaftete sie dort. ei den Verhafteten wurde eine große Menge Sprengstoffe, darunter über 3) Pfund Dynamit, gefunden.

Im Verlaufe der letzten Woche haben 546 Auswanderer vom Libauer Hafen aus die Augreise angetreten.

Im Außenbezitk der Stadt Riga wurden vorgestern der Kassierer und ein Bureauangestellter einer dortigen Gesellschaft von einer be— waffneten Bande überfallen. Beide wurden getötet, ebenso der Kutscher ibres Wagens. Den Räubern fielen von den 20 000 Rubeln, die der Kafsierer mit sich führte, nur 2000 in die Hände. Es gelang ihnen zu entkommen.

Spanien.

Wie der „Heraldo“ meldet, weist das Kriegsbudget

eine Erhöhung von 10 800 000 Pesetas auf.

Serbien.

Von maßgebender Seite wird, W. T. B.“ zufolge, erklärt, daß bie englische Regierung auf Anfrage der serbischen Regierung geantwortet habe, sie sei bereit Handelsvertrags⸗ verhandlungen mit Serbien anzuknüpfen. Die italienische Regierung hat schon Delegierte für die Verhandlungen behufs Abschließung eines Handelsvertrages designiert, ebenso Rumänien.

Die Skupschtina ist gestern wieder zusammen⸗ getreten und hat den Altradikalen Mika Popowitsch zum Präsidenten gewählt.

Bei der vorgestern in Belgrad abgehaltenen Landes⸗ konferenz der jun gradikalen Partei sprach der frühere Ministerpräsident Stojanowitsch über die Ursachen des Sturzes der jungradikalen Partei, wobei er, nach dem Bericht des „W. T. B.“, hervorhob, daß die Altradikalen nicht auf parlamentarischem Wege zur Regierung gelangt seien. Der ehemalige Minister des Aeußeren Zujowitsch führte unter großem Beifall aus, daß jetzt, wo das persönliche Regime und die Reaktion die Oberhand gewännen, die radikalen Demokraten ebenso dagegen ankämpfen müßten, wie sie es am 11. Mai 1963 getan hätten. Die Konferenz nahm im Verlaufe der Verhandlungen eine Resolution an, die besagt, die gegenwärtigen Schwierigkeiten, die infolge des Mangels an Aufopferung und Entschlossenheit der Pasitschschen Regierung sich noch verschlimmert hätten, seien nur vorüber⸗ gehender Art.

Die Landeskonferenz der Nationalpartei hat sich, obiger Quelle zufolge, für den Handelsvertrag mit Oesterreich-Ungarn ausgesprochen.

Amerika.

Wie der „Kölnischen Zeitung“ gemeldet wird, ist Charles Mag oon förmlich als vorläufiger Gouverneur Cubas an Stelle von Taft eingesetzt worden, der vorgestern mit Bacon und dem General Funston nach den Vereinigten Staaten ab⸗ gereist ist. Magoon hat einen Aufruf an die Be⸗ völkerung erlassen, in dem er erklärt, er werde Tafts Zusicherungen erfüllen und seine Vollmachten im Sinne der Erhaltung der cubanischen Unabhängigkeit ausüben.

Die chilenische Kammer hat nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ bei Gelegenheit der Ernennung eines Mitgliedes des Staaterats gegen die Regierung ge⸗ stimmt. Dadurch ist das erste Ministerium des Präsi— denten Montt gestürzt.

Afrika.

Infolge der unter den Stämmen Südmarokkos herrschenden Gärung ist, nach einer Meldung des „W. T. B.“, der Handel an der algerisch-marokkanischen Grenze voll— ständig gelähmt.

Parlamentarische Nachrichten.

Bei der Ersatzwahl eines Mitgliedes des Hauses der Abgeordneten, die am 13. d. M. im Stadtkreise Magdeburg stattgefunden hat, ist, wie W. T. B.“ meldet, der Kammergerichtsrat Schiffer (Natlib) mit allen 630 Stimmen wiedergewählt worden.

rungen für Staats⸗ und Gemeindebedüfnisse eingeräumt werden.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Ein allgemeiner oberschlesischer Bergarbeiterstreik droht, nach der Brel. Ztg., falls die Grubenbesitzer die geforderte 15 prozentige Lohnerhöhung ablehnen.

Gestern abend wurden, wie W. T. B.“ berichtet, im ganzen Ruhrgebiet über bundert Versamm lungen, veranstaltet vom christkichen und dem alten Bergarbeiterverbande, ab— gehalten, die größtenteils sehr stark besucht waren. In den Ver. sammlungen wurde eine Resolu tion angenommen, dahingehend daß die Belegfschaften sich mit der Eingabe der verschiedenen Berg- arbeiterverbände einverstanden erklären und an der n eng der 15 prozentigen Lohnerhöhung festhalten wollen. Im allgemeinen gaben sich die Bergarbeiter der Hoff nung hin, daß sie dieses Mal auf ein Entgegenkommen seitens des Bergbaulichen Vereins rechnen dürfen. Wie in den Versammlungen mitgeteilt wurde, hätten einzelne Zechen sich bereit erklärt, eine Lohnerhöhung zu bewilligen.

In Königsberg i. Pr. wurde, wie . W. T. B.. meldet, in einer in der Nacht zum Sonntag abgehaltenen Versammlung der Buch« druckerge hilfen der neue Buchdruckertarif und der Organisation. vertrag mit zweidrittel Mehrheit abgelehnt.

In Nürnberg ist, dem W. T. B.“ zufolge, jwischen den Arbeitgebern des Baugewerbes und den freien Gewerk- schaf ten bis heute ein neuer Vertrag nicht zustandegekommen, ob— wohl die Arbeiter schon vor vierzehn Tagen die Arbeit wieder auf⸗ genommen haben. Dagegen wurde mit den chrifilichen Gewerkichaften ein Tarifvertiag abgeschlossen, der für Steinhauer vom 1. Ottober ab einen Stundenlohn von 55 A4, steigend bis zum 1. April 1908 auf 560 3, vorsiebt. Für Maurer stfeigt der Lohn in der gleichen Zeit von 51 auf 55, für Bauhilfgsarbeiter von 385 auf 40 4.

Eine gestern im Trianon zu Dresden abgehaltene, von über 1200 Personen, auch aus der Provinz, besuchte Buchdrucker⸗ gebilfenversammlung erklärte sich, nach einem Telegramm des . W. T. B.“, gegen eine starke Minderbeit mit den Tarifabmachungen einderstanden unter der Bedingung, daß auch den mit mehr als 3 über den Mindestbettag entlohnten Gehilfen eine Zulage gewährt wird, und forderte unbedingt die Erhöhung des (rtlichen Zuschlags von 173 auf 20 00, um mit Leipzig auf die gleiche Stufe zu kommen.

Die Glasinstrumentenarbeiter in Ilmenau, Roda, Gera, Martinroda und Elgersburg sind, wie die Voss. Ztg. erfährt, ausständig. Sie fordern eine 20 prozentige Lohnerhöhung und einen Lohntarifabschluß. .

Zum Auzstand der Bäcker in Budapest (ral. Nr. 242 d. Bl.) berichtet. W. T. B.“, daß das Korpstom mando sich auf Ersuchen des Maglsstrats bereit erklärt hat, während des Bäckerstreiks täglich 30 000 Kg Brot in den. Militärbäckereien bherstellen zu lassen. Bie Bäckermeister erklären, diese Hilfe vorläufig nicht in Anspruch nehmen ju wollen, da sie über einen großen Vorrat an Brot verfügen. Heute sollte eine Ausgleichskonferem zwischen den Meistern und Sehilfen stattfinden. Zwölfhundert Arbeiter der Guttmannschen Sägeindustrie in Belisce (Slabonlen) sind in den Ausstand getreten. Sie fordern eine Lohn⸗ erhöhung. Die Arbeitgeber verhielten sich bis jetzt ablehnend.

In Paris hat, wie W. T. B.“ meldet, das Personal der elektrischen Straßenbahnen in den auf dem linken Seine ufer gelegenen Stadtteilen den Ausstand erklärt. Es herrscht völlige Ruhe.

In Montpellier sind, nach einer weiteren Meldung des . W. T. B.“, saͤmtliche Bäckergehilsen wegen der Frage des wöchentlichen Ruhetages in den Ausstand getreten. Man befürchtet, daß die Militärbäckerereien nicht imstande sein werden, die gesamte Bevölkerung mit Brot zu versorgen.

Wegen Wagenmangels erklärten, wie der Rh.Westf. Ztg.“ aus Mailand telegraphiert wird, die Kaufleute und Arheiter des Hafens von Savona gemeinsam den Generalaus tand. 150 000 t Kohlen harren der Weiterbeförderung.

Wohlfahrtspflege.

Der Gemahl der ältesten Tochter Alfred Krupps, Legationsrat von Boblen, und Frau Berta von Bohlen, geborene Frupp, haben, wie. W. T. B. meldet, für den Invaliden fonds der Kruppschen Arbeiterschaft ein Kapital von einer Million Mark gestiftet. Auch die verwüwete Frau Krupp bat aus Anlaß der Hochzeit ibrer Tochter eine Million Mark für eine Stiftung bestimmt, die der Wohnungsfürsorge für die minderbemittelten Klassen dienen soll; gleichzeitig hat sie für diesen Zweck ein Baugelände von etwa 66 ha zur Ver⸗ fügung gestellt.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

Mit einer meisterbaften Wiedergabe der Rolle des Radames in Verdis „Aida“ beschloß Enrico Caruso am Sonnabend sein Gastspiel im Königlichen Opern hause. Die Partie gab dem Künftler Gelegenheit, den ganzen Reichtum seiner Stimmitiel und die Höhe seiner Gesangskunst im steten Wechsel von lyrischen und dramatischen Szenen dem geradezu begeisterten Publikum ju zeigen. Es war eine vollendete Kunstleistung, die um so schoͤner jur Geltung kam, als dem berühmten Gast ebenbürtige Partner zur Seite standen. Frau Götze als Amneris war ausgezeichnet und Fräulein Destinn als Aida übertraf, namentlich in dem großen Duett mit Radames im dritten Akt, die höchften Erwartungen, die man an ihre Wiedergabe der Partie geknüpft haben mochte. Auch Herr Hoff mann, der den? Amonasro sang, verdient alles Lob. Der Kapellmeister Blech leitete die Aufführung mit musikalischem Feingefübl und mit Sicher⸗ heit und Umsicht. So wirkte alles zusammen, die Aida⸗Aufführung am Sonnabend zu einem musikalischen Ereignis zu machen.

Königliches Schauspielhaus.

„Das Lied vom braven Mann“, ein Lustspiel in vier Akten von Jon Lehmann, wurde am Sonnabend auf der Bühne des Königlichen Schaufvielbauses jum ersten Male aufzeführt. Diesmal hat Jon Lehmann keinen Streifzug auf das politische Gebiet unter nommen, das er in seiner im vergangenen Jabre im Schillertheater aufgeführten satirifchen Komödie „Augen rechts!“ mit so viel Glück betrat, so nabe es auch lag, es in einem Stücke, Tessen Kern das Zeitungtwesen bildet, nach dem Vorgang Gustavb Freytags wieder zu betreten; er schildert vielmehr die Ge⸗ wissersnot, in die ein seinen Beruf ernst nehmender Theater— kritiker geraten kann, wenn sich ihm mit seiner Pflicht unvereinbar erscheinende Rücksichten aufdrängen wollen. Als Leitspruch könnte man das Wort aus Wagners „Meistersingern“ darüber setzen: Der Merker werde so bestellt, daß weder Haß noch Liebe das Urteil trübe, was er fällt. Das rein Menschliche, das Typische an einem solchen Fall ist jweifellos geeignet, nicht allein den Fachmann, sondern auch die Allgemeinheit ju fesseln; der lebhafte Beifall, der besonders nach dem dritten, den Höhepunkt des Konflikts enthaltenden Akt erscholl und den Verfaffer mehrmals vor die Rampe rief, sprach denn auch deutlich genug dafür, daß das Publikum dem Gang der 8e willig gefolgt und mit ihrem Helden eines Sinnes war. ieser ist der Krliker Dr. Karl Lichtner, der sich genötigt sieht, die Leistungen einer jungen Schauspielerin, von deren Begabung er sich viel ver⸗ sprochen und zu der er in freundschaftlichen Beziehungen gestanden bat, vom künstlerischen Standpunkt aus räücksichteles; ju verurteilen. Eine erregte Sjene und der Bruch der Freund schaft sind die Folge. Am weiten Gastspielabend ver⸗ ändert fich aber das Bild. Die Künstlerin hat sich seinen gerechtfertigten Tadel doch zu Herzen genommen, spielt diesmal so schlicht und echt, wie er es von ihr erwartet hat, und wird in seiner Kritik überschwänglich gelobt. Diese Anerkennung trägt jzwar der Schauspielerin das erstrebte Engagement, dem Dr. Lichtner aber die Entlassung aus seiner Redaktionsstellung ein, weil

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ein in der Stadt verbreitetes Gerücht dem Verleger zu Ohren gedrungen ist, daß persönliche, unsaubere Beweggründe Ichtners den Umschwung seines Urteils veranlaßt haben. Den Ausgang des Stückes bildet der übliche Lustspielschluß, der aus den beiden Hauptpersonen Dr. Lichtner und der Schauspielerin ein glück liches Paar werden läßt. Gegen die Erfindung der Fabel ist wenig einzuwenden, auch ist im Aufbau der Handlung auf die rechte Steigerung ber Wirkung weise Bedacht genommen. Mehr Bedenken erregt dagegen die gar zu stizzenhafte Zeichnung der Charaktere des Kritikers und der Bühnenkünstlerin, von deren eigentlichem Wesen man herzlich wenig erfährt. Auch fällt es nicht leicht, sich die geistige Ueberlegenbeit eines Mannes vorzustellen, der Lob und Tadel nur in Hpperbeln und Superlativen auszudrücken vermag. Dagegen sind die Rebenfiguren zumeist gut beobachtet und lebendig gestaltet, namentlich eine mit viel praktischem, aber wenig idealem Sinn aus⸗ gerũstete Theatermutter. und ein nüchtern denkender, aber herzensguter dohbnschreiber. Recht belustigend, wenn auch nach älteren Mustern gezeichnet sind ein betriebsamer Reporter und eine zur Ehestiftung neigende 3immervermieterin. Die Darstellung ließ unter Herrn Patrys ver⸗ ständnis voller Regie kaum etwas zu wünschen. Den Lichtner spielte Mat boweky als ehrlichen, groben und täppischen deutschen Bären, Vollmer stattete die Gestalt des Nachtredakteurs mit der Fülle feinhumoristischer Züge aus, die ihm stets zu Gebote stehen. Sehr sympathisch ud anmutig, aber farbloser fast als ihre Rolle war Fräulein Arnstädt als Schauspielerin. Die Damen Schramm (Zimmervermieterin), Butze Theatermutter) die Herren Vallentin (Reporter), Patry (Verleger) u. a. vervollständigten in wirksamer Weise das treffliche Zusammen⸗ spiel, daz hie und da durch ein etwas lebhafteres Tempo vielleicht noch gewonnen hätte.

Im Königlichen Opernhause geht morgen, Dienkttag, Manon“, Oper in vier Akten von Massenet, in Szene. Fräulein Farrar singt die Titelrolle, die Herren Jörn, Hoff mann, Knüpfer, Lieban, Berger sind in den übrigen Hauptrollen, die Damen Dell' Era, Urbanska, Fierschner, Lucia u. A. im Ballett des dritten Aufiugs beschäftigt. Richard Strauß , Salome! ist am Königlichen Opernhause bereits in Vorbereitung. Die Leitung des Werkes werden der Komponist und der Kapellmeister Leo Blech abwechselnd übernehmen.

Der Musikpädagogische Verband hielt am 6. Oktober in den Räumen des Klindworth⸗Scharwenka⸗Konservatoriums seine satzungs. gemäße Generalversammlung ab, die sich in der Hauptsache auf geschäftliche Angelegenheiten bezog. Aus dem Jahresbericht ergab sich, daß der Verband allen seinen Zielen um eine tüchtige Wegstrecke näher gekommen ist, die Prüfungsordnung, Zeugnisformulare, Diplome, Verträge usw. sind fertig hergestellt; Pruͤsungen für den Lehrberuf nach seinen Prinzipien fanden bereits in Berlin und im Reiche und jwar in den Städten Breslau, Braunschweig und Stettin statt, die von ihm berufenen Prüfungskommissare haben dabei ihres Amtes gewaljet und es erwies sich, daß die geplante Institution nicht nur durchführbar ist, sondern sich auch vorzüglich be währt. Die von dem Verbande angestrebten Reformen auf dem Gebiete des Schulgesanges wurden auf dem diesjährigen III. Musik⸗ pädagogischen Kongreß eingehend erörtert und sind, in einer Petition jusammengefaßt, dem preußischen Ministerium der geistlichen ꝛc. An- gelegenheiten eingereicht worden; ähnliche Petitionen gingen an die Senate der Städte Bremen und Hamburg, die durch Entsendung von offiziellen Vertretern beim Kongreß ihr Interesse an den Reform⸗ beftrebungen des Verbandes bekundet hatten. An die Bundesstaaten des Deuischen Reiches sind weitere Petitionen geplant. Für die Kunstgesangskommission des Verbandes, deren Arbeiten auf dem Kon. nn,, Interesse entgegengebracht wurde, ist ein eigenes

ublikations organ: ‚Gesangspädagogische Blättern, geschaffen, die dem Organ des Verbandes, dem „Klavierlehrer', kostenlos beiliegen. Nr. 1 erschien am 1. Oktober. Die Vorstandswahl der satzungs⸗ gemäß vier ausscheidenden Mitglieder ergab die einstimmige Wieder⸗ wahl durch Zuruf, sie bejog sich auf die beiden Vorsitzenden. Pro⸗ fessoren Taper Scharwenka und Gustav Hollaender, die 1. Schrift⸗ führerin Fräulein Anna Morsch und den Beisitzer Musikdirektor Karl Mengeweln. Der Vorsitzende teilte mit, daß die Herausgabe eines „Jahrbuches. am Schluß der nächsten Arbeitsperiode beabsichtigt sei, es soll eine kurze Chronik des Vereins, die Mitgliederliste, die Liste der Präfungskommissare, die stattgefundenen Prüfungen und die Namen der Diplomierten enthalten.

Mannigfaltiges. Berlin, den 15. Oktober 1906.

Ueber die Witterung im Monat September 1906 be— richtet das Königliche Meteorologische Institut auf Grund der an— gestellten Beobachtungen folgendes: Der September war mit Aus- nahme der ersten Tage allgemein zu kühl und vorwiegend trübe. Nach der hochsommerlichen Witierung zu Beginn des Monats sank die Temperatur rascher, als es der Jahresjeit entsprach, und um den 26 wurde der Gefrierpunkt nabezu erreicht, ja stellenweise sogar über- schritten. Das Gesamtmittel lag daher fast überall unter dem viel jäbrigen Durchschnitt (big zu 165; nur das Küstengebiet der Nordsee batte es um einen halben Grad ju warm. Im mittleren und östlichen Binnenlande herrschte vom 5. an Regenwetter, das fast den ganzen Monat hindurch anhielt, während die Küste und die westlichen Landesteile nur an wenigen Tagen Niederschlãge batten. Hier war auch demgemäß die Monatssumme viel zu niedrig, und zwar betrug sie meist nur ein Drittel der normalen. Im öst— lichen Binnenlande und in Mitteldeutschland fiel dagegen so reichlicher Niederschlag, daß die Gesamtmenge. mehrfach das Doppelte, an der mittleren Oder und Elbe sogar das

ö Dreifache des vieljährigen Durchschnittsbetrages überstieg. Merk- llicher Schneefall wurde nur auf der Schneekoppe beobachtet, wo die

Schneedecke am 27. eine Höhe von 20 em erreichte,. Die Dauer des Sonnenscheins war überall etwas, in Schlesien aber beträchtlich zu

gering; hier blieb der Sonnenschein um mehr als 50 Stunden hinter

. Erwartungen zurück. Da zu Beginn des Septembers die gleiche Wetterlage wie zu Ende August hoher Luftdruck über Mittel

. europa bestand, so herrschte jzunächst auch jetzt noch sehr warmes,

beiteres Wetter. Indessen machten sich vom 5. an Depressionen geltend, die im Norden ostwärts vorüberjogen und westliche bis nord vestliche feuchte Winde, Trübung und Niederschläge veranlaßten. Die anfangs weit übernormale Temperatur sank dabei bis zum 10. sehr rasch. Dann aber hielt sie sich unter geringen Schwankungen auf gleicher höhe, weil in der Folgezeit Depressionen Norddeutschland durcheilten, die auf ihrer Vorderfeste ziemlich milde füdöstliche bis ädwestliche Winde hervorriefen; freilich brachten sie aber auch nach . Vorübergange stellenweise ergiebigen Regen. Vom 23. an rang von Nordwesten her ein Hochdruckgebiet nach Westeuropa vor nd bewirkte durch nördliche Winde einen starken Temperatursturz, a um den 26. mehrfach Frostschaden beobachtet wurde. In den cßten Tagen wurde es wieder etwas wärmer, da die Antizpklone

ö e ach Mitteleuropa hin ausbreitete und milde Westwinde herbei⸗

Die Hundertjahrfeier der Königlichen Blindenanstalt . a Steglitz fand am Sonnabend in der Aula des Hauptgebäudes 12 DJegenwart Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der r in il lin Eitel- Friedrich, in Vertretung Ihrer Majestäten 6 Kaisers und der Kaiserin, des Ministers der geistlichen zc. An. 8 egenhbeiten Dr. von Studt und zahlreicher Ehrengäste statt. Nach einem Jrgelvorspiel und Gemeindegesang sprach der Generalsuperintendent

ed abe das Eingangsgebet.

3‘ und Heimpfleglinge die errn, meine Seele“ einer

Nachdem dann der Chor der Zög⸗ Grellsche Motette: Lobe den gesungen hatte, gab der Anstaltsdirektor Ansprache, nachdem er dem Prinzenpaar hatte, eine Uebersicht über die Ge— Darauf nahm der Minister der geistlichen ꝛc.

Angelegenheiten Dr. von Studt das Wort, Er wies auf die Be— deutung der Anstalt, die als Zentrale des Blindenunterrichts für ganz Preußen betrachtet werden müsse, hin und schloßz seine Rede, nachdem er die aus . der Feier Allerhöchst Auszeichnungen bekanntgegeben hatte, mit, einem Hoch auf Seine Masjestät den Kaiser. Bei der Feier wurden auch zwei Kunstwerke enthüllt: In der Aula ein Reliesbild des ersten Direktors der Anstalt . vom Bildhauer Meyer -Steglitz und in der Vorhalle des Museums eine vom Bildhauer Muth-⸗Berlin ge⸗ schaffene weibliche Figur mit dem Stab in der Linken, das Selbst⸗« vertrauen der Blinden darstellend.

Der Sonnabend, der vierte Tag des Jubiläums des Berliner Vereins für zuftschiffahrt, war zu einem Ausflug nach Lindenberg, zum Besuch des dortigen asronautischen Obler⸗ va tor ium s bestimmt. Die von Königswusterhausen aus benutzte Ver- bindungsbahn 3 der Görlitzer und der Frankfurt. Großenhainer Eisenbahn führt jenfeits Storkow auf einer längeren Strecke hart an dem Scharmützel. See vorüber, der zu den größten und schönsten Seen der Mark gehört und dessen Umgehung geologisch durch eine woll stãndige Umkehr der Schichten ausgezeichnet ist, die den Fachgelebrten ein Rätsel wegen der hier tätig gewesenen Kräfte aufgibt. Ganz in der Nähe dieses prächtigen Sees, der am Mittag des sonnigen Oktobertages die blaue Farbe eines Alpensees zeigte, liegt Lindenberg. Das ausgedehnte Terrain ist hügelig, die Bienst⸗ und Wohngebäude des Instituts leuchten bei ihrer vergleichsweise hohen Lage weithin; der höchste Punkt, ein regelmäßig kegelig gebildeter Hügel, trägt einen Rundbau, das Windehaus: keine Höhle des Aeolus, frei nach Virgil, sondern die Herberge der von einem Elektromotor bedienten Winde, bestimmt, die zur Untersuchung der hohen Luft schichten täglich ein der mehrere Male an O,S mm starkem Stahl draht aufgelassenen Drachen ab. und wieder aufjuwinden. Von hier aus genießt man eine ausgedehnte Rundsicht, nach Norden bis zu den Rauenschen Bergen bei Fürstenwalde, nach Südwesten bis zu den Bergen am Springsee, zu Füßen das weite und wellige Thal mit dem Scharmützelsee. Hier wurde den in großer Anzahl erschlenenen Be⸗ suchern (unter ihnen nahezu alle ausländischen Ehrengäste des Vereins, die sich wiederholt mit der größten Anerkennung über die Anlage aus. sprachen, derengleichen man sonst nirgends finde) ein Drachenaufstieg vordemonstriert. Dag Auflassen der Drachen geschieht ganz ähnlich wie bei den Kinderdrachen. Es wird ein entsprechend langes Ende Draht mit dem Drachen daran von der Winde abgewunzen, darauf ergreift jemand den leichten Drachen, ein eigenartig konsträiertes viereckiges Holzgestell, das auf, zwei Flächen mit Stoff be—= spannt, ist, und läuft damit gegen den Wind, wãhrend gleichzeitig der Draht wieder um ein Stück aufgewunden wird. Um diesen Lauf mit dem Drachen bei jedem Winde bequem ausführen ju können, gehen vom Windehause aus an den Abhängen des Hügels radiale Wege. Im gegebenen Fall kam der Drachen schnell auf 00 m Höhe, worauf ihm, mittels sinnreicher Klammer am Draht des Hauptdrachens hefestigt, ein Hilfsdrachen beigesellt wurde, um dem ersten den schwer und schwerer werdenden Draht tragen zu helfen und den ersten Drachen höber steigen zu machen. Später wurden beide Drachen wieder zurückgewunden und die dem Hauptdrachen beigegebenen Registrierinstrumente geprüft. Es stellte sich heraus, daß die erreichte Höhe 1500 m gewesen war und Temperatur, Wassergehalt und Windstärke regelrecht registriert worden waren. In der Ballonhalle wurde dann der Aufstieg eines Gummi⸗ ballons gezeigt. Dieser Art von Ballons bedient man sich zur Unter suchung der für Drachen, die man zweimal schon über 6099 m, aber nicht höher e, n,. hat, unzugänglichen Höhe bis zu 15 000 m. Der mit einem Falsschirm und Registrierapparaten aus- gerüstete Ballon steigt ungefähr bis zur genannten Höhe, platzt dann und läßt die Instrumente sanft zur Erde gleiten, wo sie in den melsten Fällen aufgefunden und dem DObservatorium zurũck⸗ gesandt werden. Neuerdings bedient man sich, um wo⸗ möglich in noch größere Höhen vorzudringen., des Ballons aus Goldschlägerbaut, der so leicht ist, daß ein Wasserstoffballon von 14 ebm Inhalt von diesem Material nur 1600 g wiegt. Der Kostbarkeit der Goldschlägerbaut wegen wird ein solcher Ballon aber nicht der Zerstörung durch Platzen ausgesetzt, sondern durch Nachlassen des Luftdrucks automatisch entleert, sodaß man seine Rückkehr zur Erde genau kontrolliert. Viel Interesse gewährte auch die Besichti⸗ gung des Maschinenhauses, der Wasserstoffbereitungsanstalt, einer Eismaschine, um beständig Eis zu bereiten, das zur Feststellung des Nullpunkts der Thermometerskala nötig ist, ferner einer Maschine zur künst⸗ lichen Erzeugung von Wind von genau berechneter Stärke und desgleichen Wassergehalt, bestimmt zur dauernden Kontrolle der Anemometer oder Windgeschwin digkeitsmesser, endlich verschiedener meteorologischer In- strumente und Maschinchen. Nach einer Wanderung durch das Gelände und die in den ersten Anfängen stehenden viel versprechenden Schmuck anlagen führte der Geheime Rat Aßmann in seiner Wohnung eine Reihe von Lichtbildern vor, die die im Observatorium ge⸗ leistete Arbeit veranschaulichten und viel Beifall. fanden, weil sie ein deutliches Bild von der wissenschaftlichen Arbeit gaben, über deren aussichtsreiche Zukunft der Geheime Rat Aßmann 2 Tage vorher so verheißungsvolle Worte gesprochen hatte.

Am Sonntagvormittag fand in den schönen Räumen des Kaiser⸗ lichen Automobilklubs die Fahregversammlung des, Deutschen Luftschifferverbands? statt. Es waren 9 Vereine durch 235 De— legierte vertreten: ein erfreuliches Wachstum; denn 1902 bei der Gründung des Verbands umfaßte er erst 4, 19094 bereits 7 Ver- eine. Dies Anwachsen des Verbandes, dem ein Anwachsen der Ge⸗ schäfte entspricht, erfordert, wie der Geheime Regierungsrat Busley darlegte, eine erwelterte Organisation Dieser Notwendigkeit wurde durch e, , . Verbandsschriftführers in der Person von Dr. Stache und eines Verbandsschatzmeisters in der Person des Fabritbesitzers Gradenwitz entsprochen. Vertreter der einzelnen Vereine im Verbandsvorstande sind für den Berliner Verein Geheimer Rat Busley, für den Münchner General Neureuther, für den Augsburger Major von Parseval, für den Koblenzer (Mittelrheinischen) Oberleutnant de la Roi, für den Ostdeutschen Oberbürgermeister Kynast, für den Düsseldorfer (Nieder« rheinischen) Dr. Bamler, für den Straßburger (Qberrheinischen) Major Moedebeck, für den Fränkischen (Nürnberg) Hacksteller, für den Posener Hauptmann Hark. Es wird eine Erweiterung der Satzungen in dem Sinne beschlossen, daß Beisitzer in beliebiger Zahl gewählt werden können, und alsbald Professor Dr. Hergesell als Beisitzer gewählt. Die Feststellung der Vereingleistungen wird nach Maßgabe des im ganzen 258 410 cbm betragenden Gasverbrauchs i. J. 1906, wie folgt, vor⸗ genommen: Von 30 Anteilen davon entfallen auf Berlin 8, auf den Nie derrbein 7, auf Augsburg 3, auf München 4, auf Ostdeutsch, Oberrbein und Fränkisch je 2, auf Mittelrheinisch und Posen je 1. Zur „F6dsration asronautique internationale“ stellen die Vereine in der obigen Reihenfolge je 3, 3, 1, 1, 1. 1, 1, zusammen 11 De—⸗ legierte, Fränkisch und Posen verzichten zunächst auf die Stellung eines Velegierten. Die übrigen Punkte der Tagesordnung betrafen wichtige innere Angelegenheiten und die eingehende Erörterung der Verhandlungsgegenstände in der bevorstehenden ersten Jahres⸗

verliehenen

versammlung der Fédération. ö gebört auch die Herstellung

eines internationalen Verbandgabzeichens, daz in Vorschlag gebracht werden soll.

Am Nachmittag des gestrigen Tags, pünktlich um 3 Uhr, begann die Ball onwettfahrt, woran im ganzen 17 Ballons teilnahmen, nachdem 4 ihre Anmeldung zurückgezogen hatten, weil die betr. Führer großen Wert darauf legten, der heute stattfindenden ersten Jahres versammlung der Fédération asronautique internationals bei- zuwohnen, und mit Recht befürchten mußten, von der Wettfahrt dann noch nicht wieder in Berlin zurück ju sein. Die verbleibenden 17 stiegen programmäßig mit einer bewundernswerten Prämssion auf; in weniger als einer Stunde waren alle hoch in den Lüften. Nur die Reihen⸗ folge konnte bei der Verschiedenheit der Größe der Ballons und. der hieraus folgenden kürjeren oder längeren Füllungsdauer nicht genau ein gehalten werden; doch zürnte das in wahrhaft ungeheuerer Zahl eben- sowohl in dem nur auf Eintrittskarte betretbaren Füllungsraum, als

auf der Tribüne, als vor allem außerhalb des Zaunes erschienene Publikum, ohgleich mit gedrucktem Programm vershen, darüber nicht. Denn mit Hilfe der im Programm gegebenen Daten und an der Hand der nationalen Flaggen, die die Ballons trugen, war es nicht schwer, jeden einzelnen Ballon zu erkennen. Ersichtlich waren die Berliner dem Unternehmen 6 freundlich gesonnen, wie die Gäste von auswärts; denn jeder aufsteigende Ballon wurde mit Jubel entlassen, und ein Unterschied in dieser Begrüßung ergab sich eigentlich nur durch die größere oder geringere Verde, mit der von den Korbinsassen beim Aufstiege die Fahne geschwenkt wurde. Allgemein war die Freude über das gute Wetter, das Aushalten des Wetterglücks des Vereins bis zu die sem wichtigsten Punkt seiner Veranstaltungen. Noch eine Stunde vor Beginn war es ungewiß, ob eine Weitfahrt oder eine Zielfahrt von der Sportkommission beschlossen werden würde. Von Lindenberg war eine Begutachtung der Wetterlage erbeten und prompt gesandt worden. Bei der Richtung des Windes von Weft⸗ nordwest, die einige Dauer versprach, war die Entscheidung für eine Weitfahrt gegeben. Sie erregte Befriedigung bei den Teilnehmern. Den Bewohnern von Berlin N. aber erwuchs aus dieser Wind⸗ richtung die Genugtuung, daß die auf Straßen, Balkonen, Dächern und auf den östlich an der Chaussee gelegenen Rehbergen versammelten Schaulustigen die Ballons in nächster Nähe über ihre Köpfe hinweg fliegen sahen. Das etwas verschiedene Temperament der Ballons fand bald Beachtung und Kritik. Man fand, daß einer der Ballons sich gar nicht vom Erdboden trennen zu können schien und in geringer Höhe verharrte, und sagte ihm deshalb einen geringen Erfolg voraus. Andererseits hatte man Freude an dem Elan, mit dem der kleine Vereinsballon Ernst“, obgleich sonst mit Wasserstoff gefüllt, nun auch mit Leuchtgasfüllung vorwärts strebte. Welches der Ausgang der unter glücklichsten Auspizien begonnenen Wettfahrt sein wird, dürfte kaum sicher vor 48 Stunden bekannt sein; denn, leidliches Wetter vorausgesetzt, wird jeder Ballonführer bestrebt sein, den 42 Stunden rekord des Grafen de la Vaulx und den 56 Stundenrekord der Brüder Wegener zu schlagen. Wird die von Berson zuerst genau beobachtete Rechtsdrehung des Windes in der Höhe benutzt, dann ist es durchaus nicht erforderlich, bei einer lange anhaltenden Fahrt die Grenjen des ungast⸗ lichen Rußland zu überschreiten, dann kann sich die Landung sehr wohl an den Grenzen der österreichisch⸗ ungarischen Monarchie vollziehen. Viel Kopfzerbrechen erregte es im Publikum, als man einen der Ballonführer etwas Heu einnehmen sah, und der Mutmaßungen, aus welchem Grunde waren alsbald Legion. Eine Völkerwanderung wie die am gestrigen Nachmittage nach Tegel hat Berlin lange nicht gesehen. Die Friedrichstadt war jwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags in den Nebenstraßen wenigstens wie ausgestorben, dagegen waren Chausseestraße und Müllerstraße belebt wie nur die Leipziger Straße. Ein geradezu lebensgefährlicher Andrang war in der Charlottenstraße zu den nach Tegel fahrenden elektrischen Straßenbahnwagen. Die außerordentliche Strenge, mit der hier die Polijei auf das Gebot hielt, daß stebende Personen im Innern der Wagen in keinem Fall geduldet werden, auch bei solchen Ausnahmefällen nicht, nimmt wunder, wenn man sich erinnert, wie in Staztbabn und Hochbahn die größte Freiheit in diesem Punkte besteht. Sollte hier nicht ein Atapismus aus der Zeit der seligen Pferdebahn vorliegen, wo man die Pferde nicht überlastet sehen wollte? Fast scherzhaft war es zu seben, wie die in der Char⸗ lottenstraße auf Beförderung durch Nr. 25 Harrenden fast immer dadurch geprellt wurden, daß die aus Tegel ankommenden Wagen gefüllt eintrafen, aber niemand ausstieg. Die Schlauen hatten in der Friedrichstraße oder Chausseestraße die Wagen bestiegen, um eines Platzes nach Tegel sicher zu sein. * *. Von den gestern in Tegel aufgestiegenen Ballons sind, wie W. T. B.“ meldet, bis her gelandet: der dem Asroclub de Belgique gehörige Ballon Radium? (Führer: Aldhémar de la Hault) im Laufe des gestrigen Abends in der Nähe von Goyatz, Kreis Lübben, und der dem Berliner Verein für Luftschiffahrt gehörige Ballon, Bezold“ (Führer: Hauptmann von Kebler) heute früh um 71 Uhr bei Plauen im Vogtland. Die Landung ging in beiden Fällen glatt und ohne Unfall vonstatten.

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Die nächsten Samariterkurse des Zweigvereins Berlin des Vaterländischen Frauenvereins (je 10 bis 12 theoretische Vorträge zweimal wöchentlich mit praktischen Demonstrationen) be— ginnen: 1) am 6. November in der Knauerschen Höheren Töchter⸗ schule, Neue , , 35 (Unterrichtszeit: Dienstags und Freitags von 65 bis 8 Uhr. ortragender Arzt: Herr Stabsarzt d. R. Dr. Rosenthal); 2) am 9. November im Kaiserin Friedrich⸗ Haus, Luisenplatz 2 4 (Unterrichtszeit: Dienstags und Freitags von 7 bis sz Uhr. Vortragender Arzt: Herr Oberarzt Dr. Stabel). Der Unterricht ist für Mitglieder des Zwelgvereins Berlin des Vaterländischen Frauenvereins kostenlos. Nichtmitglieder jahlen 3 ohne weitere Verpflichtung gegen den Verein. er Besuch des theoretischen Unterrichts berechtigt zur Teilnahme ö den sich daran anschließenden praktischen Uebungen in den Unfallstationen und im Königlichen Garnisonlazarett. Anmeldungen sind vorher er- forderlich. Sie gelten als berücksichtigt, wenn keine Ablehnung erfolgt. Eventuell geben nähere Auskunft: das Bureau des Zweigvereins Berlin des Vaterländischen Frauenvereins (Dessauerstr. 14, Svprechstunden von 5—5 Uhr außer Sonnabends) und Frau Oberverwaltunggsgerichts rat Perkuhn (Wilmersdorf, Uhlandstr. Ios / log, von 3— 4 Uhr).

Im Verein für deutsches Kunstgewerbe spricht am Mitt- woch, den 17. Oktober, Dr. Karl Schaefer vom Gewerbemuseum in Bremen über „praktische Denkmal spflege in Stadt und Land?. Der Vortrag beginnt um Uhr im großen Fest⸗ saale des Künstlerhauses; die mit ihm verbundene Ausstellüng von Abbildungen und Modellen, insbesondere Architekturmodellen, von Robert Schirmer und Gebrüder Stegemann, ist von 8 Uhr an ge— öffnet. Beitrittserklärungen nimmt die Geschäftsstelle des Vereins im Künstlerhause (Bellevuestraße 3) jederzeit entgegen.

Die erste Reihe der von dem Verein für volkstümliche Kurse von Berliner Hochschullehrern in diesem Winter ver anstalteten Vorträge findet im Oktober bis Dezember statt und um⸗ faßt 12 Stoffgebiete von je 6 Vorträgen, die fast alle um 8 Uhr Abends beginnen und anderthalb Stunden dauern. Es werden vor— tragen: Montags: Geheimer Medizinalrat, Professor Dr. Waldeyer: „Die Muskeln des Menschen und deren wichtigste Leistungen‘, in der Aula des Realgymnasiums in Rixdorf, Kaiser Friedrich⸗ straße 210 (Anfang: 29. Oktober); Dienstags: Dozent Dr. Schubring: „Die deutsche Stadt im Mittelalter im Barackenauditorium der Universität (Anfang: 30. Oktober); Mittwochs: Privatdozent Dr. Wilbrandt: : nn in die Volkswirtschaftelehre', in der Aula des Friedrichs. Werderschen Gymnastums, Dorotheenstraße 13 14 (An= fang: 24. Oktober); Donnerstags: ile Dr. Martin Wolff: „Das deutsche Familienrecht“, in der Aula des Friedrichs Werderschen Sym nasiums, Dorotheenstraße 13 14 (Anfang: 1. November). Ausführliche Programme sowie Eintrittskarten zum Preise von 1 für jeden Kurfus sind zu haben: bei Georg Belling, W. Leipziger Straße 128, A. Schütz, G. Holimarktstraße 50, Chr. Tischendörfer, XW. Luisen⸗ straße 106, F. C. Lederer, W. Kurfürstenstraße 79, Bernhard Staar, SW. Friedrichstraße 5, und bei der Zentralstelle für Arbeiter Wohlfahrtseinrichtungen, 8W. Dessauer Straße 14 (8 big 3 Uhr). Die Eintrittskarten zu den übrigen, nachstehend angeführten Vortrags- kursen sind bereits vergriffen: Professor Börnstein: „Einführung in die Physik“, Professor von Luschan: ‚Einführung in die Anthro- pologie“, re ref. Straßmann: „Gesundheitspflege des Weibes“, Pro- sessor Rosin: „Herz, Blutgefäße, Blut und deren Erkrankungen“, Privatdozent Dr Menjer: Einführung in die Philosophie“, Geheim rat Miethe: „Moderne Illustrationstechnik unter besonderer Berück= sichtigung des photomechanischen Reproduktionsverfahreng“, Professor Knapp: „‚Deutsche Kunst des TIX. Jahrhunderts“ und Professor Löb: Elementarchemie !).