vielgestaltigen Aufgaben unterzog, hatte seine Gesundheit ge⸗ 6 Der Typhus, der damals das 9 f be⸗ onders schwer heimsuchte, warf auch ihn schließlich aufs Krankenlager und zwang ihn, das Amt als Vorsitzender der Entschädigungskommission niederzulegen und, nachdem er einiger⸗ maßen wieder genesen war, nach Deutschland zurückzukehren. Seine Verdienste um das Schutzgebiet wurden durch Ver⸗ leihung des Roten Adlerordens 4. Klasse mit der Königlichen Krone Allerhöchst anerkannt. Da sein Gesundheitszustand eine weitere Verwendung im Schutzgebiet ausschloß und ein dauerndes Verbleiben in der Kolonialzentralverwaltung, in der er vorübergehend tätig war, seinen Neigungen nicht ent⸗ sprach, trat er am 1. Oktober d. J. in den preußischen Justiz⸗ dienst zurück.
Richter hat sich im Dienste der Kolonial verwaltung her⸗ vorragend bewährt. Ausgezeichnet durch strengste Unparteilich⸗ keit, unermüdliche Arbentskraft und umfassendes, juristisches Wissen, hat er es verstanden, sich das uneingeschränkte Ver⸗ frauen aller Kreise der Bevölkerung des Schußgebiets Deutsch⸗ Südwestafrika zu erwerben. Sein anspruchsloses, liebens⸗ würdiges und stets dienstbereites Wesen hat ihm die aufrichtige Freundschaft Aller gewonnen, die ihm im persönlichen e ! näher treten durften. Er dachte stets an sich selbst zuletzt.
Sein Andenken als das eines aufrechten, geraden Mannes, der in selbstloser, treuer Pflichterfüllung aufging, wird stets in Ehren bleiben.
Der Königlich dänische Gesandte von Hegermann⸗ Lindenerone hat Berlin verlassen. Während seiner Ab⸗ wesenheit wirkt der Legationssekretär von Scavenius als Geschãftsträger.
Laut Meldung des, W. T. B.“ ist der ausreisende Fähnrichstransport für das Kreuzergeschwader mit dem R.⸗P.⸗D. „Prinzregent Luitpold“ vorgestern in Port Said eingetroffen und hat an demselben Tage die Reise nach Aden fortgesetzt.
Der ausreisende Ablösungstransport für S. M, S. „Sperber“ ist mit dem Dampfer „Lucie Woermann“
vorgestern in Victoria Kamerun eingetroffen und hat gestern die Reise nach Duala fortgesetzt. S. „Tiger“ ist vorgestern in Tsingtau ein⸗
M. S. getroffen. S. M S. „Jaguar“ geht heute von Hongkong nach Pakhoi in See.
Deutsche Kolonien.
Aus , wird, „W. T. B.“ zu⸗ folg von dem stellvertretenden Gouverneur gemeldet, daß am . Oktober 19 km nördlich von Keetmanshoop der Farmer Schütte sowie die Buren Hanekam und Potgieter von Vieh⸗ räubern erschossen worden sind.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Das öster eichische Herrenhaus erledigte gestern ohne Debatte die Nor ddahnvörlage. Der Obmann der Eisen⸗ bahnkommission von Plener und der Fürst Schoenburg legten, W. T. B.“ zufolge, unter dem Beifall des Hauses entschiedenen Protest gegen die dem Herrenhause aufge⸗ zwungene überhastete Beratung einer derartig wichtigen Vor⸗ lage ein. Das Herrenhaus nahm alsdann ohne . das Gesetz, betreffend die Versicherung der Privatbeamten, sowie ein von dem Abgeordnetenhause beschlossenes Gesetz an, welches die Abänderung des Disziplinarstatuts für Advokaten betrifft.
— Das öster reichische Abgeordnetenhaus hat in seiner gestrigen Sitzung das Nap hthagesetz angenommen. Als der Präsident darauf die Sitzung abbrechen wollte, beantragte der Alldeutsche Stein, die itzung fortzusetzen, um von dem Dringlichkeitsantrage Geßmann betreffend die sofortige Vor⸗ nahme der . Lesung der Wahlreformvorlage, den ersten Teil zu erledigen, der den Wahlreformausschuß auffordert, innerhalb 24 Stunden dem Hause seinen Bericht zu unter⸗ breiten. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Von dem Grafen Sternberg, den Slovenen, der Freien Vereinigung zur Vertretung gewerblicher Interessen und den Tschechisch⸗ Radikalen sind 25 Dringlichkeitsanträge eingebracht worden. Sobotka erklärte, die Tschechisch⸗ Radikalen brächten Dringlich⸗ keitsanträge ein, um zu dokumentieren, daß sie bestrebt seien, mit allen Mitteln die ungerechte, den Tschechen feindliche Wahlreform zu verhindern. Ein von den Alldeutschen ein⸗ e, n, Dringlichkeitsantrag, betreffend die Ausfolgung der
. Reichskleinodien, hatte nicht genügend Unterschriften gefunden.
Frankreich.
Der Ministerr at. sprach sich gestern, wie das „W. T. B.“ berichtet, einstimmig für die Verstaatlichung des West⸗ bahnnetzes aus und erklärte sich mit der Absicht des Unterstaatssekretärs des Postwesens Görard einverstanden, die wegen des Beamten ausstandes entlassenen Post⸗ unterbeamten wieder in ihre Stellungen ein⸗ zu setzen. Der Justizminister Guyot⸗Dessaigne legte einen Gesetzentwurf, betreffend Abschaffung der Todes⸗ strafe, vor, der vom Ministerrat genehmigt wurde und am nächsten Montag der Kammer unterbreitet werden wird. Der Kriegsminister Pic quart legte einen Gesetzentwurf, betreffend Aufhebung der Kriegsgerichte, vor, die durch ein Disziplinarstrafverfahren ersetzt werden sollen; ferner brachte er ein ihm vom General Liautey zugegangenes Tele⸗ geen zur Kenntnis des Ministerrats, wonach die Lage an
er marokkanischen Grenze sich gebessert habe.
— Die kirchliche Trauung des Prinzen Johann Georg von Sachsen und der Prinzessin Marie Immäculata von Bourbon-Sizilien * gestern in der alten romanischen Kirche Notre Dame de bon voyage zu Cannes von dem Bruder des Bräutigams, dem Prinzen Max von Sachsen, in Gegenwart der zu Feier dort eingettoffenen Fürstlichkeiten vollzogen worden.
Rußland. Der gestrige Jahrestag des Kaiserlichen Mani—
,. ist, einer Depesche des ‚W. T. B.“ zufolge, o hne uhestörungen verlaufen. Die Fabriken arbeiteten fast
ausnahmslos, die Läden waren geöffnet und der Straßen⸗ verkehr bot das 1 Bild. Auch aus dem Innern des Reiches sind keine Meldungen über Kundgebungen eingelaufen.
= Wegen des Rau büberfalls beider Wosnesensti⸗ brücke am Katharinenkanal in St. Petersburg sind von den 11 angeklagten Personen 8 durch das Feldgericht zum Tode verurteilt worden. Die drei übrigen werden dem Militärgericht übergeben. Die Todesurteile sind, „W. T. B.“ zufolge, heute außerhalb des Weichbildes von Kronstadt voll⸗ streckt worden.
Spanien.
Im Ministerrat legte gestern, wie das „W. T. B.“ meldel, der Minister des Innern einen Gesetzentwurf vor, betreffend die Schaffung eines Instituts, das sich mit der Ab⸗ irn l. die Arbeitsverhältnisse betreffenden Bestimmungen efassen soll.
Niederlande.
Die Auswechselung der Ratifikationsurkunden zu dem am 17. Dezember 1504 im Haag unterzeichneten Nieder⸗ lassungsvertrage zwischen dem Deutschen Reiche und den Niederlanden ist, W. T. B.“ zufolge, vorgestern im . erfolgt. Der Verirag tritt nach drei Monaten in Kraft. —
Serbien.
Die Skupschtina beendete gestern die Debatte über die Erklärungen, mit denen der Volkswirtschaftsminister Kosta Stojandwitsch die Interpellation Sretenowitsch über die Verwendung des außerordentlichen Kredits von 500000 Dinaren für die Ausfindigmachung neuer Handelswege beantwortet hatte, und nahm, „W. T. B.“ zufolge, die von dem Interpellanten beantragte einfache Tages⸗ ordnung mit 82 gegen 40 Stimmen an.
Montenegro.
Die Skupschting ist auf heute einberufen. Die Wahlen brachten nach einer Meldung des „W. T. B.“ eine starke Opposition gegen die Regierung.
Amerika.
Der Präsident Roosevelt wird gemäß seiner im Jahre 1904 unter der Bedingung gegebenen usage, daß zwei Jahre hindurch auf den Philippinen . Ordnung gehalten werde, nach einer Meldung des W. T. B.“ , am A. März der Philippinenkommission Anweisung erteilen, die all⸗ gemeinen Wahlen auszuschreiben für die Delegierten zu der ersten, parlamentarischen Versammlung auf den Philippinen, welche die nämlichen gesetz⸗
eberischen Befugnisse, wie sie bis jetzt der Kommission zu⸗ amen, ausüben soll. Die Wahlen . en in allen Her des Archipels . die nicht von den Moros und sonstigen nichtchristlichen Eingezorenenstämmen bewohnt sind.
Afrika.
Nach einer Medun der „Agence Havas“ hat Raisuli die marokkanischen Mrnehmen und Beamten von Arzila ge⸗ nötigt, ein gemeinsée s Schreiben an den Sultan zu unterzeichnen, in we m sie ihn dringend bitten, Raisuli umgehend züm Pasmneron Stadt und Provinz Arzila zu ernennen. In Kezila herrscht, derfelben Quelle zufolge, gegenwärtig völlige Ruhe.
Statistik und Bolkswirtschaft.
Das steuerpflichtige Einkommen in den Provinzen Preußens 1905.
Den statistischen Mitteilungen über die Einkommensteuerpflichtigen und ihre Haushaltungsangehörigen in den Provinzen Preußens“) fügen wir heute der . Stat, Korr.“ entnommene Angaben über das steuer—⸗ pich h, ,,, 1 hvstschern gersi benff
a nkommen der (pbysischen) Zensiten bezifferte sich nach Abzug der Schuldenzinsen, Lasten usw. guf insgesamt Millionen Mark n der in der Einkommensgruppe von Probi in über 900 — 3000 M00 mehr als 3000 S0 . 1892 1904 1905 1892 1904 1905 Ost⸗ . 45.31 62,60 64.59 50, 19 73,B17 73,94 preußen . Land 5lI,71 56,25 57,1 20.61 23,98 24,38 West / . 36,42 58,14 60,74 40,42 66,2838 68, 31 preußen . Land 365,9 42,38 43,37 17,06 16,88 17,70 Stadt Berlin. . . . 335.80 599, 33 651,99 540,39 653,40 678 62 Branden⸗ . 122.98 281,76 308,70 132,82 352,13 389. 45 burg .. . Wand 12706 219,98 240338 81,380 183,B02 207,27 Pommern Ein 64,43 94,18 gh, 75 65,90 92.34 21,74 Land 46,69 51,01 52,06 25,42 28,485 30,655 Posen 46,99 68,35 71,574 43,54 68,71 70,77 . 40,04 46,77 48,62 19,07 24,57 28,98 Schlesien 14423 218,35 227, 83 178, 94 272,29 286.08 ö 139,58 179,46 18542 99,77 137,577 142,73 Sachsen. . 86 156,63 239,49 250,89 189,568 246,59 254,19 Schleswig⸗ Stadt Holstein . ö ad Hannover. Und Westfalen. Stadt
103,01 146,47 152.19 84,35 S5, 51 86, 89 74.52 135,99 143,15 65,7 103,59 11052 64 39 89,47 93,02 38,59 44,81 45,77 102,B76 182,57 192,94 115,91 175,40 183 37
115.21 164,43 17027 49,76 66,94 69,92
130,88 302,53 334,77 119335 205,81 215, 96
204,61 314,93 321,02 52,50 74,59 77,67
Hessen⸗ Stadt 95,47 198,09 211,08 231,34 388,30 404 79 Nlaffau. . Land 5777 ä, jöß si izsiz ö, „e Rheinland Stadt 299,47 632,55 686,84 423,56 670 57 721,71 265,98 403,84 431,52 S7,45 132,02 135,37
Hohen⸗ . 175 15 255 251 zollern . . Wand ; 737 737 ; . im Stadt 1654 89 3075,68 3302, 83 2197,71 3371, 14 36552, 57 Staate. 1Land 1267,09 1819,40 1566, 165 594,63 866,47 906.75. Das größte Gesamtein kommen weisen in beiden Einkommens⸗ gruppen die Städte des Rheinlandes und demnächst Berlin, auf dem Lande in der unteren Gruppe ebenfalls die Rheinprovinz und dann Westfalen auf, in der oberen jedoch die Provinz Brandenburg, der mit geringem Abstande von cinander Schlesien und Rheinland folgen. Bie niedrigste Ginkommenssumme findet sich — abgesehen bon Hohenzollern — bei beiden Gruppen in den Stadt. und Land⸗ gebieien Westpreußens Nur noch in der unteren Gruppe Hohen— zollerns (104 auch noch Westfalens) war im Berichtsjahre die ländliche Einkommenssumme höher als die städtische; im übrigen überwiegt die letztere, und jwar meisteas sehr beträchtlich, in der oberen Gruppe fast überall sogar um ein Mehrfaches (in Hessen⸗ Nasfau nahezu um das Elffache l). Bemerkenswert ist auch, daß der Gesamtbetrag der ländlichen Einkommen der unteren Gruppe durch- weg über denjenigen der oberen hinausgeht, während dies bei den stäbtischen Einkommen nur in den Provinzen Pommern, Posen, Schleswig, Holstein, Hannober und Westfalen — zumeist in geringerem Maße — der Fall ist. Dieser Gegensatz zwischen Stadt und Land S. Nr. 102 des Reicht⸗ und Staatganzeigers vom 1. Mai 1906.
beruht darauf, daß die Steuerpflichtigen mit einem Einkommen von mehr als 3009 M in den Städten nicht nur überhaupt, sondern auch im Verhältnisse zur Gesamtzahl der Zensiten weit häufiger als auf dem Lande vorzukommen pflegen.
Eine Zunahme der Einkommenssumme hat 1905 gegen 1892 überall stattgefunden, und zwar auch in Westpreußen auf dem Lande bei der oberen Gruppe, die hier noch 1904 gegen das erste Ver. anlagungsjahr eine Verminderung aufwies. Das Berichtsjahr zeigt fast durchweg auch gegenüber dem Vorjahre ein Anwachsen des Ge— samteinkommens; Ausnahmen machen hiervon nur die pommerschen Städte bei der oberen Gruppe, wo eine Abnahme eingetreten ist, und die ländlichen Bezirke Hohenzollerns bei der unteren Gruppe, wo die Einkommenssumme unverändert geblieben ist. Hiernach scheinen in beinahe allen Landesteilen die Folgen der zu Beginn der 1900er Jahre eingetretenen wirtschaftlichen Krisis überwunden zu sein.
Zur Arbeiterbewegung. Der Ausstand in den hlesigen Siemen s⸗Werken (9g. Nr. 246
d. Bl) hat, der ‚Voss. Itg.“ zufolge, gestern eine weitere Ausdehnung Franklin⸗Werken haben die Arbeiter einer neuen Im Ausstand befinden sich
erfahren. In den Abteilung die Arbeitsstätten verlassen. gegenwärtig etwa 800 Mann in 13 Abteilungen. Die Direktion hat bei weiteren Arbeitsniederlegungen die Gesamtaussperrung angedroht.
Zur Lohnbewegung der Bergarbeiter im Ruhrrevier (vgl. Nr. 55h d. Bl) berichtet der Hann. Cour.“ aus Bochum, daß der alte Verband am Sonntag wieder eine große Anzahl Berg—⸗ arbeiterverfammlungen zur Besprechung der Lohnfrage abhielt, die durchweg einen ruhigen Verlauf hatten. Es wurde einer Resolution zugestimmt, in der, auf das entschiedenste den Standpunkt der Werkeleitungen protestiert wird, die trotz des Koalitionsrechts der Arbeiter die Vorstände der Berg— arbeiterverbande nicht anerkennen und nicht mit ihnen verhandeln wollen. Da die Werksverwaltungen sich jetzt anders besonnen hätten, und auf einmal auch über die Lohnfrage mit den Ausschüssen ver. handeln wollten, und da sich hierbei gleich eine Probe aufs Exempel machen lasse, wobei sich die völlige Machtlosigkeit und Unzulänglichkeit der Ausschüsse beim Lohnkampf erweisen werde, da aber die Arbeiter auch diesen Weg nicht unversucht lassen wollten, um die Sympathien der Oeffentlichkeit nicht zu verscherzen, erklärten die Versammelten sich mit den Beschlüssen der Vorftändesitzung am 26. d. M. einverstanden. Wenn die Auschüsse ihren Bericht über das Ergebnis der Verhand« lungen an die Organisation gesandt hätten, müßten aber die Verbandsvorstände die nötigen weiteren Schritte wieder in die Hand nehmen und durch die Organisations— vertretungen regeln. Die Versammlung sprach den ver⸗ einigten Vorstaͤnden ihr volles Vertrauen aus; sie gelobte, Disziplin zu halten und nur nach den Beschlüssen der Vorstände zu handeln. Auch in den Versammlungen der übrigen Bergarbeiter organifationen, die ebenso wie diejenigen des alten Verhandes sehr
stark besucht waren, wurde den Beschlüssen der Essener Tagung der
Organisatlonsberbände in vollem Umfange zugestimmt.
In einer gestern in Leipzig abgehaltenen Versamm lung von Vertretern des mittel deutschen Braunkohlenbergbaues wurde, wie. W. T. B.“ meldet, festgestellt, daß die Arbeiterlöhne im mitteldeutschen Braunkohlenbezirk in den letzten Jahren und besondert im laufenden Jahre den Verhältnissen entsprechend gestiegen sind. Man war der Ueberzeugung, daß die Löhne auch ferner diesen Verhältnissen anpassen werden. Unter den Umständen könnten Forderungen, wie sie die westfälischen Arbeiterverbände aufge⸗ stellt haben und die nunmehr von den Arbelterausschüssen aufge⸗ nommen werden sollen, als begründet nicht anerkannt werden. Be. rechtigten Wünschen der Arbeikerausschüsse würde dagegen selbstver— ständlich Rechnung getragen werden.
Die Leipziger Landschafts ärtnergehilfen beschlossen, der . ‚Lpz. Ztg. zufolge, im nächsten Frühjahr ia eine Lohnbewegung einzutreten mit den Hauptforderungen des neunstündigen Arbeitstage und eines Mindeststundenlohnes von 45 3. Wie mitgeteilt wunde, sollen die Stundenlöhne gegenwärtig zwischen 36 und 43 A schwanken und im Furchschnitt 45 3 betragen, und jwar bei zehnstündiger
Arbeite zeit.
In der Geringswalder Stuhlindustrie droht, wie die Lpz. Ztg.“ berichtet, abermals ein Streik auszubrechen. Infolge bel der dortigen Firma H. Ettig u. Söhne ausgebrochener Lohnstreitigkeiten kündigten am 13. d. M. eiwa 32 Stuhlbauer. Da diese Kündigung, troßz den von genannter Firma bewilligten Lohnaufschlägen, seitens der Arbeiter nicht zurückgezogen wurde haben am Sonnabend, den 27. d. M. 11 Firmen der dortigen Stuhlfabrikantenvereinigung ihren sämtlichen organisterten Arbeitern gekündigt, sodaß davon etwa 750 Mann betroffen worden sind. Es ist nicht ausgeschlossen, daß, falls . Angelegenheit nicht bis zum J. November geregelt ist, in diese Bewegung noch weitere Ortschaften der Stuhlbranche gezogen werden.
Aus Ham burg wird dem W. T. B.“ telegraphiert: Nachdem der Ausstand der Fischdampfermannschaften durch die gestem zwischen Reedern und Arbeitnehmern zustande gekommene Vereinbarung eines bis zum 1. Juli 1908 gältigen Lohntarifs beendet worden ist, hat heute morgen dle Rückkehr der Besatzungen an Bord ihren An⸗ fang genommen. (Vgl. Nr. 266. Bl.)
In Lü beck sind, nach der Köln. Itg.“, die Verhandlungen des Einigungsamts über die Beilegung des seit Februar dauernden Aus— standes der Tischler endgültig gescheitert, well die Gesellen die Ein führung der neunstündigen Arbeitszeit forderten.
Dle von den Arbeitgebern der Webeindustrie von Verviers (ogl. Nr. 242 d. Bl.) über ihre Arbeiter verhängte Sperre ist, wie W. T. B.“ meldet, gestern mittag aufgehoben worden, nachdem die Delegierten der Ärbeitervereinigung und der Vereinigung der Arbe geber ein Abkommen unterzeichnet haben, das die Grundsätze für die Bezsehungen der Arbeitgeber zu den Arbeitern festsetzt. Die Arbeit wird am 5. Nobember wieder aufgenommen werden.
Wohlfahrtspflege.
Der Umbau ungesunder Stadtteile.
Der Stuttgarter Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen hat, nachdem er mit seinem Ostheim, Westheim und Südheim der Wohnungsnot der Bepölkerung gesteuert und dabei noch allerlei Woll⸗ fahrtseinrichtungen geschaffen 6 nun ein neues großes Werk schon wieder weit voran gebracht: die Sanierung, der Altstadt. Ein ungenannter gemeinnütziger Mann hat zu 6 Zweck eine Million Mark ausgesetzt, die Stadtgemeinde vier Millionen zu 30g Zint bereit gestellt, und für die weiteren. Mittel will der Venen selbst sorgen. — Man hatte im kleinen begonnen und zunãchst ben! Versuch gemacht, eine kleine Anzahl Häuser wegjureihen und neue zu erbauen, die auch schon wieder bewohnt sind. Erst alb der Versuch ein Gelingen über Erwarten zeigte, trat man an die Gemeinde um Hilfe heran und hat sie gefunden. Mit mehr all 1090 Eigentümern der alten Häuschen mußte verhandelt werden, und über drei Millionen kosteten die abzureißenden Gebäude. Nur eln kleiner Teil des Platzes wurde unter dem Risiko des Vereins bebaut. Die welteren Platze wurden auf Grund von aufgestellten Plänen und Bedingungen jum Bebauen an Geschäftsleute überlassen. die den billigen Zinssatz für das städtische Darlehn auf 36 Jahr genießen. Es war dies ein Ansporn für manchen Geschäfts mann, st jn dlesem inneren Stadtteile ein Haus mit Werkstatt oder Laden zu errichten. Das Endergebnis wird wahrscheinlich ein Reingewim für Stadt und Verein sein, der weiteren Sanierungen oder sonstigen Wohlfahrt zwecken dienen soll. Die Bauausführungen erfolgen na den Vorschlägen einer Kommission, die auch die kanstlerische Seit fehr berücksichtigt und drel Bauautoritäten in ihrer Mitte hat, Wal man nur unter Opfera in Aussicht nahm und als schwere Aufgabe betrachtet hatte, wickelt sich nun durch die vorzügliche Leitunß künstlerisch, hygtenisch und wirtschaftlich so gut ab, daß man in absehbarer Zeit die engen Gassen durch neue Straßen in der Altstadt
ersetzt finden wird.
das Wohl der arbeitenden Klassen mitgeteilt.
gegen
tungen gemacht worden, sind noch
Einjelheiten über den Um⸗ und Neubau eines großen Stadtteils werden in dem Jahresbericht des Stuttgarter Vereins für Aber dieses große Werk, das in anderen Städten Nachahmung verdient, hat den Stuttgarter Verein nicht gehindert, seinen sonstigen Schöpfungen nach wie vor volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Im Ostheim sind 45 Haäuser schon in den Besitz der Anwärter übergegangen, 143 Häuser gehen dem entgegen, da bereits 359 1381 M abgezahlt sind. Mancher Arbeiter hat mit 8 M im Monat die Abzahlung begonnen und besitzt nun fein schönes Heim. Die Vermietungen im Ost⸗, West. und Südheim haben sich in stetiger Weise so günstig entwickelt, daß die Verluste an Mietzins hei einer Gesamteinnahme von 365 000 Ce nur i265 M betragen, im Ostheim nur 1sigoso,. Die Krippe, die Abgabe von Säuglingemilch, der Betrieb der Volksküche, des Arheiterheims, alles ging seinen guten Gang, nnd die Frequenz der Volksküche hat sich sogar erheblich gehoben, weil man bei dem Preis von 25 3 für die Portion blieb, während die Wirte ihre Preise infolge der Teuerung pon Lebensmitteln erhöhten. Der kleine Ausfall wurde aus Stiftungs⸗
erträgnissen gedeckt. ö Die Gartenpflege bei den Bewohnern des Ostheims wurde Die Woch en⸗
wieder durch Prämien im Werte von 226 M belohnt. . bettpflege bewährt sich weiter vorzůglich, Die Belehrung über Kindebpflege, die man erteilen ließ, trägt sichtlich gute Früchte. Die Volks bibliothek, die über Bände zählt, wurde von 13655 Personen besucht, an die im Laufe des Jahres 6749 Aus⸗ leihungen stattfanden. Schenkungen und Stiftungen sind dem Verein auch im letzten Jahre zugeflossen. Der Verein, der mit einer Summe von 10 941 454 Je auf beiden Seiten seine Bilanz schließt, ist wirt⸗ schafflich so fundiert, daß er mit frohem Mut in die Zukunft zu schauen vermag.
Ftunst und Wissenschaft.
In der am Sonnabend. Abends 7 Uhr, im großen Saal des Archĩtektenhauses Wil helmftraße Y) stattfindenden Allgemeinen Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, in der die Wahl des Vorstands für das Jahr 1907 vorgenommen wird, hält Dr. Rudolf Pöch aus Wien als Gast einen durch Lichtbilder und Finematographische Vorführungen erläuterten Vortrag über „Reisen in Deutsch«, Britisch⸗ und olländisch Neuguinea“. — In der am Montag, ben I9. Nohember, Abends 7 Uhr, im Hause der Gesellschaft für Erdkunde (Wilhelmstraße 23) stattfindenden Fachsitzung wird Profeffor Dr. W. Hal bf aß über die neueren Fortschritte der Seiches⸗
Forschung sprechen.
In der Académie des Sciences sprach der Anthropologe Lortet, wie der „Heilkunde“ aus Paris berichtet wird, über das Herz des Königs Ramses II. von Aegppten, der im Jahre 1523 vor unserer Zeitrechnung gesterben ist. Einleitend erzählt Lortet, daß die Verwaltung der Museen des Louvre in Paris, nach tausend Schwierigkeiten, in den Besitz von vier aus dem Nilschlamme aus⸗ gegrabenen altägyptischen Urnen gelangt ist, die auf ihren Ver- zierungen Inschriften tragen, aus denen mit Sicherheit hervorgeht, daß sie die Eingeweide jenes gewaltigen Herrschers und Eroberer, der von den Griechen Sesostriz genannt wurde, enthalten. Lortet war nun beauftragt worden, den Inhalt der Urnen näher zu unter- suchen. In drei Urnen fanden sich in festangezogene und durch Soda und harzig⸗aromatische Substanzen verklebte Leinwandstreifen einge⸗ hüllte granulsse Massen, deren Natur zwar nicht mehr mit Sicherheit festzustellen war, die aber Lortet die Ueberieste von Magen, Darm und Leber zu fein schienen. Die vierte Urne deren Deckel mit einem Schakalkopfe geschmück ist, enthielt, in derfelben Umhüllung wie die anderen, eine ovale Platte, die 8 em lang und 4 em breit war. Sie war hart wie von Horn. Nur mit der Säge konnte ein Stück davon herausgetrennt werden. Aus diesem gelang es dann, mit dem Rasiermesser Schnitte zur mikrostopischen Untersuchung anzufertigen. Es zeigte sich dabei ein gutkenntliches, den Histologen wohlbekanntes Bild, nämlich Muskelfasern, die sich ineinander verzweigen. Solche Vlerj kommen bekanntlich nur im Herzen und in der Zunge vor.
a fich aber die Mumie jenes Königs in einem Museum in Kairo befindet und ein als Zunge anzusprechendes Gebilde hesitzt, so kann kein Zweifel darüber obwalten, daß die Platte in der Urne tatsãchlich das durch die Einbalsamierung elngetrocknete, geschrumpfte und ver⸗ bärtete Herz des vor 3164 Jahren gestorbenen Königs Ramses des
Großen ist.
Aus Paris meldet W. T. B.. daß der Chirurg Professor Pirier in der Akademie der Medizin die Bildung einer französischen Liga zur Bekämpfung der Krebskrankheit und die Errichtung eines Instituts für Krebsforschung anregte. Dr. Heinrich von Rothschild hat zu diesem Zweck die Summe von 150 000 Franes gestiftet.
Klima und Bevölkerung von Britisch⸗Neu⸗Guinea.
Ueber Klima und Bevölkerung Britisch⸗Neu⸗Guineas bringt „Le Mouvement Géographique“ einen ausführlichen Bericht, der auch für uns Deutsche von Interesse sein dürfte, da Deutsch⸗ und Britisch⸗Neu Guinea klimatisch und ethnographisch sehr ähnliche Ver⸗
hältnisse aufweisen. . Neu⸗Guineg, das dicht am Aequator liegt, hat ein sehr heißes Klim a. Die Temperatur ist fast während des ganzen Jahres die 6 Das Klima ist für Europäer an vielen Plätzen entnervend; es st für diese 5 B. im Sommer sehe schwer, eine dauernde Arbeit Die Orte, an denen . meteorologische Beobach⸗ elten, und die Aufjeichnungen, die man befitzt, sind noch zu ungenügend, um sich eine allgemeine Meinung über das Klima bilden zu können. Die nachfolgende Tabelle gibt annähernd den Durchschnitt einiger Aufzeichnungen, die im Laufe mehrerer Jahre in Port Moretzby, in Daru und in Sogeri gemacht worden sind. Port⸗Moresby liegt an der Küste auf dem 9 29 10“ füdlicher Breite und auf dem 1470 8. 40, zstlicher Länge. Daru liegt n S5 m Höhe ü. M. auf dem 90 4 19. suüdlicher Breite und 1430 13“ 8“ östlicher Länge; Sogeri befindet sich 533 m über dem Meereg⸗ spiegel, auf dem 90 23 südlicher Breite und 1470 30“ östlicher Länge. Port · Moresby Daru Sogeri . 310 0. 32560. 2300. 2200. 12 Mittlere Temperatur 2899. Ww G, nn Jäbrlicher Regen. Imo 2m 58 2m 8h
ahl der Tage im Jahie, an' denen Sch J . 175 190
Negen fallt
Atmo f iss Feuchtigkeit 727 p. g. 76 p. 0. & p. .
Auf Samaraj, einer Insel die der östlichen Küste Neu⸗Guineas vor⸗ gelagert ist, beträgt das Mittel der jährlich niedergehenden Regen 3 bis 3,259 m. Das Mittel der jährlichen Niederschläge in dem ge birgigen Innern der Insel wird auf 380 m Hen. — Im all⸗ gemeinen ist das Klima Neu⸗Guneas erträglich. Es steht fest, daß das gelbe Fieber, die Pocken und die Pest nicht herrschen. Nur die Malaria tritt recht häufig auf, und der regelmäßige Gebrauch des Chinins in starken Dosen ift für die welße Bevölkerung ein notwendiges Uebel. Natürlich variiert der Grad der Bekömmlichkeit des Klimas mit der Jahreszeit und mit den Wohnplätzen. Samarat, die Insel Jule, Rigo, Kokoda, die Insel Woodlamk sind verhältnigmäßig gefund, ebenso viele höher gelegene Orte in den Bergen. Es it vorgekommen, daß Weiße während langer Jahre das Klima ohne jeden Nachteil ertragen haben. Der suͤdliche Teil der Kolonie soll am ungefundesten sein. Die Regenzeit mit nordösllichen Monsunen, die das Fieber sehr begünstigt, ist die gefährlichste Jahreszeit für die Weißen. Sie beginnt im De⸗ zember und dauert bis Ende April, wo die südöstlichen Passatwinde einsetzen. Man darf aber mit Fug annehmen, daß mit den Fort⸗ schriften der Kolonisation sich auch die sanitären Verhältnisse bessern werden. Orkane sind unbekannt. Die eingeborene Berölkerung leidet
zu leisten.
Höchste Temperatur .. Niedrigste Temperatur.
viel an häßlichen Hautkrankheiten, die aber nicht ernster Natur und leicht zu heilen sind.
Die Zahl der eingeborenen Bevölkerung von Neu⸗ Guinea wird sehr verschieden angegeben. Die Schätzungen variieren zwischen 24 und 5. Millionen Einwohnern. Für den britischen Teil der Insel haben Reifende die Durchschnittszahl auf, 309 000 Einwohner an⸗ gegeben, andere auf 1 Million; nach M. Atlee Hunt ist es unmöglich, anzugeben, welche von beiden Schätzungen mehr der Wahrheit ent⸗ spricht. Unter Bevölkerung sind hier außer den Eingeborenen einige Eurbpäer und eine kleine Anjahl Asiaten und Ozeaniern zu verstehen.
Die Eingeborenen weisen unter sich bedeutende Verschieden⸗ heiten sowohl in geistiger als auch in körperlicher Beiiehung auf. Der UÜnterschled zwischen einem Eingeborenen aus dem Osten, einem aus Port⸗Moresby und einem aus dem Westen des Landes ist wobl ebenso groß, wie zwischen einem Neger aus Westafrika und einem Malyachen. Der Grundstock der Bevölkerung soll nach einigen Forschern teils malalssch, teils papuanssch fein. Der Mala ist klein, von brauner Hautfarbe, mit schlichtem Haarwuchs und einem großen, meist bart⸗ losen Gesicht; er ist schüchtern, friedlich, verbirgt seine inneren Be— wegungen. Der Papua ist schlanker, und seine Farbe ist dunkler als die des Malalen; er hat wolllges Haar, einen volleren Bart, einen dolichoeephalen Schädel. Er ist kühn, erregbar und aggressiv. Was alle Eingeborenen charakterisiert, ist ihr ne n . Aberglaube und ihre Unterwürfigkeit gegenüber dem Einfluß der Zauberer. Der Aberglaube ist auch die Veranlassung zu den melsten blutigen Kämpfen der Stämme und der von den einzelnen begangenen Verbrechen. Es ift durchaus irrig, schreibt Atlee Hunt, die Eingeborenen Neu⸗ Guinea als Wilde der schlimmsten Art zu etrachten. Es ist ja wahr, daß Menschenfresserei früher unter ihnen in hohem Maße herrschte und noch, wie man glaubt, unter den Stämmen existiert, die außerhalb des Regierungse influsses leben. AÄnderseits muß man aber auch die Ständigkeit ihrer Nieder⸗ laffungen, den ausgezeichneten Bau ihrer Wohnungen, ihre Geschicklich kell in Bau kleiner Fahrzeuge sowie in nautischen und landwirtschaft⸗ lichen Dingen, den Besitz eines gerechten, gründlichen Gesetzes über das Grundeigentum sowle das Eigentum im allgemeinen, ihr tiefes Familiengefühl, die Pflege, die sie den Kranken und Greisen widmen, ihre Enthaltsamkeit von allen starken Getränken und vleles andere anerkennen.
Die Eingeborenen Neu ⸗Gulneas sind nicht, wie die Javag und Borneos, zu großen Stämmen vereinigt, die einem gemeinsamen . unterfteben. Sie sind vielmehr in Dörfern vereinigt, deren
epbölkerung felten 1190 Einwohner übersteigt und zuweilen nur ein halbes Dutzend Menschen beirägt. Die Dörfer sind von einander un⸗ abhängig, und selbst in einem einzigen gibt es oft mehr als ein Ober
aupt.
Schon vor dem Eindringen der weißen Zivilisation waren die Papuas auf der Kulturstufe eines ackerbautreibenden Volkes. Sie be⸗ dienten sich dabei der Steinwerkzeuge. Zu ihrer Ernährung bauten sie fh on, süße Kartoffeln, Taro und Banane. Die Erde lockerten le mit spitzen Stöcken auf. Dadurch, daß sie andauernd denselben Grund und Boden bebauten, erwuchs bei ihnen das Gefühl des Besitzes dieseg Bodeng, welches die Regierung auch steis achtete, In einigen Regionen bildet der Sago die Hauptnahrung. Die Papua ziehen Hunde und Schweine auf, deren Fleisch sie essen, wie auch das des Walloby' (eine Art Känguruh), auf das sie Jagd machen. Sie rauchen Tabak und kauen Betel. Trotz des heißen Klimas haben sie stets nur reines Wasser als Getränk benutzt.
Das Sypstem des Tauschhandels ist bei ihnen alt. Seit un⸗ denklichen Zeiten bilden sich Gruppen in den Dörfern ium Zweck von Handelserpeditionen, die verschiedene Spezialitäten haben. So kommen, wenn die eit dazu günstig ist, die Ein⸗ wohner der benachbarten Inseln Kiwai und von Wabada, um Pirogen an den Ufern der Flüsse Fly und Bamu zu kaufen, Sie bezahlen mit gewissen Muscheln, undezähnen und anderen Schmuck gegenständen für Eingeborene, au mit Hacken, Messern, Beinkleidern, Hemden, Kalikots und anderen von den Weißen eingeführten Waren. Eine folche Erpedition dauert oft mehrere Wochen und ist von großen Festlichkeiten begleitet. ;
Ber „‚Lakatot ist eine Art schwimmenden . das ungefähr 20 bis 40 Menschen tragen kann und durch iu ammengefügte Pirogen gebildet wird. Es ist mit zwei großen Masten versehen, deren jeder ein Mattensegel von bizarrer Form trägt. Der Stamm Motu, der schlechtes Land in der Umgegend von Port Moreeby bewohnt, rästet alle Jahre eine Flottille von Lakatols“ aus; er beladet sie mit aus Erde gebrannten Töpfen eigener Fabrikation, Töpfen, deren sich die Papuaner zum Kochen des Sago und der Gemüfe bedienen; dann begeben sie sich bei günstigem Südost⸗Passatwinde zur Mündung des Purari, wo bie Sagobäume wachsen. Der Preis des Sago ist allein von der Menge der Handarbeit abhängig, die für seine Verarbeltung nötig war, und nicht etwa von seiner Qualität und Nährkraft. Ist der Tausch beendet, so begeben sich die Motuaner beim Eintritt eines Nordwest⸗ Monfuns nach ihrer Heimat und führen ihren Dörfern einen Bor ent won mehreren hundert Tonnen Sago zu. — Wenn auch der Papuaner Beweise von Intelligen gibt, so ist er doch anderseits sehr konservativ und nimmt sehr langsam gewisse europäische Verfahren, die vervollkommneter als die seinen sind, an. J
Tie Dialekte der Eingeborenen sind von großer Mannigfaltigkeit und außerordentlicher Abweichung. Die Motusprache wird in einer großen Anzahl von Dörfern in der Reglon von Port⸗Moresby ge—⸗ fprochen, und die Regierung bemüht sich, ihre Kenntnis in den anderen Teilen der Kolonie zu verbreiten. .
Die Einführung europäischer Zivilisation hat dem Papuaner keinen besonderen Vorteil, gebracht. Das Aufhören der Kämpfe zwischen den Stämmen hat die Wirkung gehabt, daß er in eins unglückliche Indolenz verfallen ist, denn die Natur be⸗ wahrt ö vor der Notwendigkeit, zu arbeiten, um zu leben. Die Untätigkeit der Eingeborenen, sagt Hunt, wird ein Degenerieren und endlich das Aussterben der Rasse hervorbringen; das einzige Mittel, die Papuas aus dieser Kalamität zu retten, ist, sie zur Arbeit zu zwingen, und dat einzige Mittel, sie dazu zu nötigen, durfte sein, ihnen Steuern aufzulegen. Die Lieferung von starken Getränken, n Feuerwaffen an die Eingeborenen ist bei strengen Strafen verboten.
Die weiße Bevölkerung der Kolonie besteht aus ungefähr 650 Personen, fast saͤmtlich Männern, Davon sind zwei Drittel Goldsucher. Das andere Drittel sind Missionare, Beamte, Kaufleute und Pflanzer und deren Angestellte.
Die London Missionar Society, eine protestantische ,, gesellschaft, fing mit ihren Bekebrungen längs der südlichen Küste im Jahre 1871ñ an. Im Jahre 1883 etablierten sich die katholischen französischen Patres vom Orden des Herzens Jesu auf der Insel Jule, bie dicht an der Käste, nördlich von Port, Moresby liegt. 1890 ließen sich anglikanische Missionare auf der Nordostküste und im folgenden Jahre die' auftralische Methodistenmission im Archipel nieder.
Literatur.
Dr. phil. E. Dennert: Die Weltanschauung des modernen Raturforschers. Stuttgart. Verlag von Max Kiel⸗ mann. C6 7.) — Im Mittel punkt dieser Schrift steht eine Kritik des Häckelschen Monismut, wie ihn des Jenenser Professors Welt⸗ räͤtsel als naturwissenschaftlich begründete Weltanschauung verkünden. Bie Kritsk des Verfaffers — er hat ihr bereits in einer früheren Schrift Ausdruck gegeben — ist so ablehnend wie nur möglich. Er gelangt den „Welträtseln“ gegenüber zu demselben Ergebnis, wie bie große Mehrjahl der fachmännischen Autoritãten, näm⸗ sich zu einem geradezu vernichten den Urteil, wie es jüngst noch der St. Petersburger Chemiker Chwolson gefällt hat. In dieser Beziehung bietet die Schrift Dennerts dem Unterrichteten also nichts Reueg. Gegenüber der großen Verbreitung, die die ‚Welträtsel ! ge⸗ funden haben, kann das Buch aber als populäre Aufklärungsschrift willtom men geheißen werden. Bat Buch enthält aber mehr. Zu— rächst untersucht Dennert in ihm die Frage, inwieweit die moderne Natlurforschung und das von ihr entworfene Weltbild die Welt⸗
anschauung beeinflußt haben. Neben dem von Häckel Monismus ge⸗ nannten Materialismus wird dann die Weltanschauung einer Reihe moderner Naturforscher (Wallace, Verworn, Romanos, Ostwald, Diersch und Reinke) analystert und kritlsiert. Der Verfasser kommt dabei ju dem Ergebnis, daß von einer einheitlichen, aus der modernen Natur⸗ forschung erwachsenen. Weltanschauung nicht die Rede sein könne, denn jeder der genannten Gelehrten, der es versucht habe, auf Grund feiner naturwissenschaftlichen Forschungen ein Weltbild zu konstruieren, sei zu einem andern Bilde gelangt. Innerhalb dieser kritischen Skizjen hat der Verfasser es verstanden, in leicht faßlicher Form und anregend über den Stand der die heutige Naturforschung am tiefsten bewegenden Fragen — Wesen des Lebens, Urzeugung, Stoffe, Kraft, Energie, fossiler Mensch — zu unterrichten.
— Forst⸗ und Jagdkalender 1907“. Begründet von Schneider und Ju deich, neu bearbeitet von Neumeister und Retzlaff. Erster Teil. Preis in Leinwand gebunden 2 M (Berlin, Verlag bon Julius Springer) — Der in üblichem handlichen Taschenbuchformat gehaltene, zuerst erscheinende I; Teil des bekannten Ralenders liegt in feinem 57. Jahrgange vor. Seit mehr als einem halben Jahrhundert hat sich also das praktische Büchlein die An⸗ hänglichkeit feiner Benutzer zu erhalten gewußt. Im Jagdlalender des neuen Jahrgangs sind die Abänderungen der Schonieiten für Wild im Fürstentum Lippe nach den Gesetzen vom 21. März und 14. April 1905 und die Angaben des Bundesgesetzes über Jagd und , , , 24. Junt 1904 berücksichtigk. Außerdem sind die neuen Zollsätze für die Einfuhr von Holt in das deutsche Zollgebiet aufgenommen worden.
— Bei dem vorliegenden 42. Jahrgange von P. Stühlens Ingenicurkalender fär Maschinen- und Hüttentechniker für 1967, neu bearbeitet von C. Franzen und K. Mathee (Verlag von G. D. Baedeker in Essen) ist in der äußeren Anordnung der allgemeine Teil des Textes fest in dem Umschlag — Brieftasche — eingebunden, sodaß er wie früher mit diesem ein festes Buch bildet, während der Abschniit Eisenhüttenwesen, wie bisher, zum Heraug⸗ legen eingerichtet ist. Die Trennung des Terminkalenders 2 Jahrenhaͤlften mit je einem fest eingebundenen Notizblock ist bei⸗ behalten. Dem Kalender ist in diesem Jahre die Eisenbahnkarte wieder beigegeben worden, auf deren Rückseite die Personalien der technischen Vereine abgedruckt sind. Der ganze Text ist in einer neuen, scharfen, für das Auge angenehmen Schrift neu gesetzt. Auch ist ein etwas schmaleres und höheres Format gewählt worden, wodurch das Buch an Handlichkeit und Bequemlichkeit des Mitführens in der Tasche gewonnen hat. Ein Teil der Textfiguren ist erneuert worden, und der Text ist durch zeitgemäße Aenderungen und Ergänzungen auf der Höhe erhalten. Beide Teile des Kalenders kosten zusammen 4
e gen neu erschlenener Schriften, deren Besprechung vorbehalten bleibt.
Ernst Haeckel als Biologe und Lie Wahrheit von Dr. Arnold Braß. 150 „ Stuttgart, Max Kielmann.
Zur Erinnerung an Paul Drude, Zwei Ansprachen von . Richarz und W. König. 1,40 M Gießen, Alfred Töpelmann vormals J. Ricker).
Auf der Sonnenseit e. Novellen ꝛc. pon Ilse Frapan⸗ Akunian. 4 6 Berlin W. 35. Gebrüder Paetel.
Die Graue Gaffe. Roman von Dora Duncker. 4 4 Berlin W. 35. Gebrüder Paetel.
Der arme Nicki. Dle Geschichte eines aus der Reihe gefallenen. Erzählt von Ossip Schubin. 2 Bde. 5 S Berlin W. 35. Gebrüder Paetel.
Das zffentliche Recht der Gegenwart. Herausgegeben von Professor Dr. Georg Jellinek, Professor Dr. Paul Lab and und Professor Dr. Robert Piloty. J. Bd. Deutsches Reichs⸗ staarsrecht. Von Professor Dr. Paul Laband. 8 4; gebdn. g, 60 S6. Tübingen, J. C. B. Mohr (Paul Siebech.
Abhandlungen aus dem Staats- Vexwaltungs⸗ und Völkerrecht. Herautsgeg. von Professor Dr. Philipp Zorn und Pee fess⸗ Br. Fritz Stier⸗Somlgs. II. Bd. 3. Hft; Die
taatsangehsrigkeit in den Kolonien, Von Dr. jur. Ferbert Hauschild. 2,40 46 Tübingen, J. C. B. Mohr (Paul
Siebeck. Illustrierte Zeitschrift mit der Abteilung
Für alle Welt. Erfkndungen und Entdeckungen auf allen Gebieten der XIII. Jahrgang 1997.
Naturwiffenschaften und Technik. 5. Heft. Jährlich 28 Hefte à O, 40 4. Berlin W. 57, Deutsches Verlagshaus Bong u. Co.
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Ueber Maßnahmen zur Vermehrung der Baumwoll! produktion in den deutschen Kolonien wird in Heft 2 (1906) der „Verhandlungen des Kolonialwirtschaftlichen Komitees: berichtet: Mit Rücksicht auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Baumwoll. frage und auf den Umfang der Arbeiten des Baumwollunternehmens bat das Komitee eine Baumwollbaukommission eingesetzt, bestehend aus Vertretern der deutschen Baumwollindustrie, der Baumwoll sntereffenten in den Kolonien und sonstigen Sachverständigen. Die Baumwollkulturversuche in Togo haben bisher eine Qualitat ergeben, die drei bis acht Pfennige höher wertet, als middling amerikanisch. Vie Kalkulation der Togobaumwolle ist im siebenten Be⸗ richt über „deutschkoloniale Baumwollunternehmungen“ enthalten. Während vor dem Jahre 1901 kein Pfund Baumwolle aus Togo aus⸗ geführt wurde, betrug die Ernte 1906 über 800 Ballen zu 509 Pfund. Pie Baumwöollkulturverfuche in De utsch⸗Ostafrika haben eine Qualität ägyptischen Charakters ergeben, die im ersten Halbjahr 1906 mit 60 bis 55 3 für das Pfund bejahlt wurde. Die Kalkulation der ostafrikanischen Baumwolle ist ebenfalls im siebenten Bericht über Deutschkoloniale Baumwollunternehmungen“ niedergelegt. Während bor dem Jahre 19623 kein Export von Baumwolle stattfand, betrug die Ernte 1905 etwa 1000 Ballen zu 500 Pfund. Nach Ansicht der Kommission muß der Qualltät nunmehr die Quantität folgen. Auf Grund der Vorschläge der Baumwollbaukommission beschließt das Komitee: I) einen Antrag an die von dem Reichs amt des Innern einzuberufende Konferenz der deutschen Baumwollinteressenten zu stellen, welcher die Zuwendung auf Jahre gesicherter Beihilfen an die Baumwoll⸗ unternehmungen des Komitees bezweckt, entweder durch einen e g. der einem bestimmten Prozentsatz des Jahresbeitrags der Industrie zur i n fen e, entspricht, oder durch einen bestimmten Satz für die Spindel und für den Webstuhl; Anträge an die Kolonial- verwaltung und an das Reichsamt des Innern wegen Einstellung von Mittein in ihre Gtats sind diesen Aemtern am 18. Mai d. J. bezw. am 27. Juni d. J eingereicht; ?) die Verfügung über entsprechende Mittel vorausgesetzt, die folgenden Maßnahmen im Rahmen des Arbeitsplanes der deutsch , kolonialen Baumwollunternehmungen für die Jahre 1907, 1908 und 1909 zur Ausführung zu bringen:
Togo. a. Vergrößerung der Baumwollschule des Kolonial⸗ wirtschafklichen Komitees in Nuatschä durch Vermehrung der Schüler⸗ zahl von 100 auf 209 bis 300 und entsprechende Ausdehnung der Versuchspflanzung, P. Errichtung der nächsten Ginstation im Sagada⸗ bezirk, e. sorgfältigste Auswabl und Verteilung von Saatgut zur Er⸗ zielung einheitlicher Qualitäten in den einzelnen Bezirken, d. all- mähliche Einführung der Pflugkultur, . Herausgabe einer Anleitung für den Baumwollbau in Deuisch und in der Ewesprache, f Förderung des Eisenbahnbaues nach dem Atakpame, und Sokod obe ꝛirk.
Deutsch-Ostafrika. a. Einrichtung von Baumwollbezirken in Kilwa Lindi mit Kontrolle der Panganja⸗ Plantage am Rufidji. in Saadani mit dem Betrieb einer Saadani. Plantage, in Muanza mit dem Betrieb einer Nera Plantage und am Kilimandjaro; diese Baumwollbezirke werden Inspektoren (landwirtschaftlich ausgebildeten Furopäern) unterstellt, die unter der Oberleitung des Kommissars des Komitees selbständig arbeiten sollen; h. Anlegung von, auf Rentabilität hinarbeitenden Baumwollplantagen unter europãischer Leitung, und zwar Neuanlegungen in Saadani und Nera und Vergrößerung der Panganjaplantage am Rufidjt. Diese Plantagen