Großhandelspreise von Getreide an deutschen und fremden
Bõörsenplãtzen
für die Woche vom 26. November bis L. Dezember 1906
nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche. 1000 kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)
Deutscher Reichstag.
133. Sitzung vom 4. Dezember 1906, Nachmittags 1 Uhr.
(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Tagesordnung: Fanrebn
, e.
Woche 26.11. bis 1.12. Vor 1906 woch
Da⸗
Berlin. Roggen, guter, gesunder, mindestens 712 g das Weljen, f ö. 755 g das Hafer, — g ö 460 g das
Mann heim. Roggen, Pfälzer, russischer, bulgarischer, mittel ..
Weljen, Pfälzer, russischer, amerik., rumän., mittel. Hafer, ba ischer, württembergischer, mittel! ...
badlsche, Pfälzer, miltek . ...... Gerne rang, gr, mute
1 160, 46 ĩ— 179, 17 1. 161,08
170,00 157 56 6 ß 156, 55 132 56
119,79 142,73 137,64 142,73 125,7
Roggen, . Boden Weljen, Theiß⸗ fer, ungarischer 1 erste, slovallsche Mais, ungarischer Bu dapest.
Roggen, Mittelware Weltzen, 1. k
aser, . erste, Futter ⸗ Mais,
107,90 124, 56 156, 2l 108. 36 1153.5
Roggen, 71 bis 72 kg das hl Weljen, Ulka, 75 bis 76 kg das bl
Riga.
Roggen, 71 bis 72 g das hl.. R
Paris.
. lieferbare Ware des laufenden Monats I
93, 26 111,66
122, 15
121,0 132, 40
131,3
143.27 186, 93
Antwerpen.
. mittel 120, 14
130,49
137 92 a5 138
Weijen
Am ster dam. Asow .
t. Petersburger Odessa
amerikanischer Winter ⸗ amerikan. bunt La Plata
engl. 7 (ark Lane)
rot englisches Getreide, Mittelpreis aus 196 Marktorten ( Gazette avorages)
Liverpool.
135,93 140, 16 133, 10 144.39 150,50 129, 60 112509 108, 17 103,90 2653 93 0l
Weiten
Australier Hafer, englischer, weißer
Gerste, Futter⸗ U Odef
amerlkan Ode Main
113,58 121.76 120, 37 69. 81
Weijen, Lieferungsware
Mails ö Neu Jork. roter Winter Nr. 2 i Lieferungsware Mais = Buenos Aires. i Durchschnittgware
126 76 126. 34 130.78 S7, 41
124.73 79.29.
) Angaben liegen nicht vor.
GSemerkungen.
1 Imperial Quarter ist für die Weljennotij an der Lonhoner . e , — 504 Pfund engl. gerechnet; für die aug den Umsäͤtzen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnittspreise fi einheimisches Getreide (Gazette averages) ist 1 Imperial Quarter Welzen — 480, Hafer — 312. Gerste — 400 Pfund engl. angesetzt. ,
nd eng 83 6g; oggen — ; eizen = 2400, Mais — 2000 kg 9.
Bei der Umrechnung der Preise in Reichzwährung sind die auß den einjelnen Tageßangaben im „Reichganzeiger“ ermittelten wöchentlichen Durchschnlttswechselkurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und jwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien. fh London und Liverpool die Kurse auf London, für Chieago und
eu York die Kurse auf Neu Jerk, für Odessa und Riga die Kurse auf St. Petergburg, für 6 Antwerpen und Amsterdam die Kurfe auf diese Plätze. eise in Buenos Aireg unter Berüdcsichtigung der Goldyramie.
Berlin, den 5. Dezember 19056.
Kaiserliches Statistisches Amt.
van der Borght.
egen
1568,95 178, 40
171,56 198,10 176, 25 180,53 132,50
119374 142657 135.87 145,2 13653
107, S5 124, 15 123,77 108, 27 115,92
93,26 111,66
143. 84 187,73
121,28 130,01 129,386 133, 40 140,92 129, 36
122,29
140,79 144,31 99, 68 97,99
134,38 129, 90
123,46 124, 82 135, 92
149,56 136,40
die Schutzgebiete auf das Rechnungsjahr 1906.
e den stellvertretenden Direktor der Kolonialabteitung des
entlicht ist, ergreift das Reichskanzler Fürst von Bülow:
ort der
Anspruch genommen.
gekommen ist.
und seine Abwehr nachdrücklich billige. Nationalliberalen.)
Pression rechts
ungerechtfertigter
(Lebhaftes Bravo und bei
hier zur Sprache gebracht werden sollten.
weniger dem Beispiel des Herrn Abg. Bebel
Abgeordneten, die auf Grund einseitigen Materials
richtig! rechts.) Ich weiß wohl, sich
unter meiner Als
meine Herren, daß diese formellen Verantwortung ereignet
diese Mißstände aber zu meiner Kenntnis sind, habe ich in diesem Hause offen erklärt, fehlungen und Mißstände vorgefallen wären.
Kolonialabteilung vorgenommen, und jetzt ist eine gründliche Re— organisation der Kolonialverwaltung im Gange.
Meine Herren, nachdem nun gestern diese Aussprache statt⸗ gefunden hat, richte ich nochmals an dieses hohe Haus die Bitte, das mit gutem Willen, mit Klarheit und Festigkeit begonnene Werk der Reorganisation unserer Kolonien nicht dadurch zu hemmen und auf— zuhalten, daß immer wieder alte und neue Fälle der Vergangenheit hier zur Sprache gebracht werden. Auf der Seite der verbündeten Regierungen ist der feste Wille vorhanden, die vorgefallenen Ver fehlungen unnachsichtlich zu ahnden und die vorhandenen Mißstände rücksichtslos zu beseitigen. Helfen Sie uns nun aber auch, meine Herren, unsere Kolonien einer besseren Zukunft entgegenzuführen und sie endlich fruchtbringend zu gestalten für das deutsche Volk! (Leb⸗ haftes Bravo!)
Abg. Wern er (d. Reformp;): Die bisherigen Verhandlungen waren gewiß zum Teil darauf gerichtet, Klarheit zu schaffen; zum Teil dienten sie aber doch auch der Sensation. Der Kanzler hat heute den 416 Erzberger lobend genannt und auch ich kann in diefe Anerkennung einstimmen; aber um eins muß ich ihn bitten: wenn er wieder einmal in den Ferien dem Reichstagsgebäͤude einen Befuch abstattet, soll er nicht wieder als Gast einen , mitbringen. Der Kanzler hat am ersten Tage diefer Debatte versichert, er werde stets für pflichttreue Beamte eintreten. Diese Ver⸗ sicherung hätte er schon vor einem halben Jahre zur Tat machen sollen, als der Verleumdungsfeldzug gegen die Kolonialbeamten geführt wurde. Der neue Kolonialdirektor hat ung eine Inventur und Bilanz gegeben, aber namentlich die letztere hat sin Reichstage bei niemand Anklang gefunden. Mit solchen Bilanzen fann“ man alles beweisen, man muß nur Gläubige oder vielmehr Leicht; gläubige dafür finden. Die Lösung der bekannten Verträge war einfach eine Pflicht der Verwaltung und jeder neue Kolonialdirektor — er möchte heißen, wie er wollte — durfte nur nach der Lösung dieser des Reiches unwürdigen Verträge vor den Reichstag treten; ein besonderes Verdienst hat er sich damit nicht erworben. Ich bedauere tief, daß solche Verträge lange Jahre in Kraft bleiben konnten, die das Reich um zahlreiche Millionen geschädigt haben. Auf Grund dessen, wa sich der neue Herr vorgenommen hat, ihm bereits jetzt Loblieder zu singen, haben mir gar keine Veranlaffung. Noch bis auf den heutigen Tag wandert jährlich eine Anzahl Deutscher nach Amerikg und Australien aus. Es wäre doch endlich an der Zeit, daß wir diesen Auswandererstrom in deutsche Kolonien lenken könnsen, um diesen Teil der deutschen Volkekraft nicht einzubüßen. Wenn aber die Aus— wanderer sich in deutschen Kolonien ansiedeln sollen, dann muß die Regierung ihnen nach allen Kräften beistehen und ihnen die Nieder— lassung erleichtern. Aber tatsächlich hat in unseren Kolonien der herrschende Assessorismus den deutschen Namen nicht gerade beliebt machen können; man hat Leute in die Verwaltung der Kolonien geschickt, die in Deut chland nicht zu brauchen waren, die man aber für die Kolonien immer noch für gut genug hielt. Der Ausspruch des neuen
der ersten Beratung der Ge— setzentwürfe, betreffend die Feststellung zweier Nachträge zum Reichshaushaltsetat und zum Haushaltsetat für
Nachdem der Präsident Graf von Ballestrem den Abg. . Roeren (Zentr) wegen der in seiner vorgestrigen Rede gegen Us⸗ wärtigen Amts gebrauchten beleidigenden Ausdrücke nachträg⸗ lich zur Ordnung gerufen und der Abg. Roeren eine Er— klärung abgegeben hatte, die in der 9 en Nummer des 160 25 Blattes 226
Meine Herren! Ich habe den letzten Verhandlungen dieses hohen Hauses nicht beiwohnen können. Ich bin in diesen Tagen durch Sitzungen des Staatsministeriums und anderweite dringende Amtsgeschäfte in Aus den Morgenzeitungen habe ich ersehen, daß es gestern zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen dem stellvertretenden Herrn Kolonialdirektor und einigen Mitgliedern dieses hohen Hauses Es ist meine Absicht, keinen Zweifel darüber zu lassen, daß ich die Haltung des stellvertretenden Herrn Kolonialdirektors und insbesondere seine Verteidigung grundlos angegriffener Beamten durchaus und den Ich habe schon vor dem Eintritt des gegen—⸗ wärtigen stellvertretenden Herrn Kolonialdirektors im Laufe dieses Sommers strenge Weisung gegeben, daß die Untersuchung der in der Kolonialverwaltung vorgekommenen Mißstände nach allen Seiten hin unnachsichtlich und unparteiisch geführt und daß unter keinem Vor⸗ wande irgend etwas in irgend einer Richtung vertuscht werden solle. (Bravo! rechts.) Die Offenheit, mit welcher der stellvertretende Herr Kolonialdirektor sich über diese Vorgänge ausgesprochen hat, war lediglich eine Konsequenz der von mir erteilten generellen In⸗ 6 struktion. Er war auch von mir ermächtigt, volle Aufklärung zu. 5 geben über den Fall Wistuba und über die damit zusammenhängenden Fragen, sofern der bedauerliche Gegensatz jwischen der Veiwaltung und den Missionen in Togo und die Konsequenzen dieses Gegensatzes
Ich hätte gewünscht, meine Herren, daß der Herr Abg. Roeren und mehr dem Beispiel seines Fraktionskollegen, des Herrn Abg. Erzberger, gefolgt wäre (Heiterkeit links), und daß er hier nicht aufs neue Fälle von Ausschreitungen zur Sprache gebracht hätte, deren Untersuchung zum Teil noch im Gange ist. Nachdem dies einmal geschehen war, mußte deutlich und vorbehaltlos klargestellt und über jeden Zweifel erhoben werden, daß die eingeleitete Aufklärung sich nach allen Seiten zu erstrecken hätte, daß sie nicht Halt zu machen hätte vor einzelnen in gutem Glauben, aber zu eifrig, gegen verdiente Beamte Anschuldigungen erhoben und ungetreue Beamte unter ihren Schutz genommen hatten. Mit Recht hat der stellvertretende Herr Kolonialdirektor gestern gefragt: wo bekem men wir Beamte her für unsere Kolonien, wenn in dieser Weise gegen die Beamten vorgegangen wird? (Sehr
Mißstände haben. gekommen daß Ver⸗ Es kann nicht gegen mich der Vorwurf erhoben werden, daß ich nach Kenntnis von diesen Vorgängen nicht sofort energisch eingegriffen hätte. Deshalb habe ich einen zweimaligen Personalwechsel an der Spitze der
gut genug seien, muß Wahrheit werden. Die Kolonialverwaltung muß sich das verloren gegangene Vertrauen wiedergewinnen. Bahnen müssen in den Kolonien gehaut werden; geschieht das nicht, so können wir noch lange auf den Aufschwung in den Kolonien warten. ins Volk! Bas muß die Losung für die Regierung sein, wenn sie das Vertrauen nicht nur in die Kolonialpolitik, sondern in die Reicht
Unterstützung des gesamten deutschen Volkes ist auch der energischste Leiter der Kolonialabteilung nicht imstande, die ihm gestellten großen Aufgahen zu lösen. Wir wollen nicht weiter ungezählte Milltsnen . jeden Erfolg für die Kolonien aufgewendet haben.
Abg. Dr. Müller Meiningen (fr. Volksp.): Die Debatte hat einen Gang genommen, den meine politischen Freunde eigentlich von Anfang an gewünscht hätten. die Immunitätsrechte der Abgeordneten Ausgangspunkt der ganzen, Kolonialdebatte werden ja bei einer anderen Gelegenheit noch auf diefe wichtige Frage zurückkommen. ch nehme zunächst auch von dieser Seite des Hauses aus Gelegenheit, den Dank und die An— erkennung auszusprechen einerseitz gegenüber dem Herrin Prãäsidenten, anderseitß gegenüber dem Direktor des Hauses für die wahrhaft würdige und taktvolle Art, mit der sie die Rechte des Parla— ments gegenüber den preußischen Polizei, und Richterbehörden gewahrt haben. Es ist im höchsten Grade bedauerlich, daß dieses hohe Haus nicht ganz rein geblieben Wir müssen überhaupt schon jetzt unter allen Umständen erklären, daß wir uns die private Gastrolle, die die preußische Polt hier im Deutschen Reichstage gegeben hat, unter allen Um. ständen verbitten müssen. Wir hoffen, daß, wenn eine derartige private Gastrolle hier noch einmal ausgeübt wird, auch in diesem . von seiten des Herrn Präsidenten den betreffenden Be— örden gezeigt wird, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. Die Haltung der einzelnen Abgeordneten war nach Ueberzeugung eine Verkennung des Privatrechts; uns darüber hei Gelegenheit unterhalten. Die gestrige Sitzung war unzweifelhaft eine der interessantesten Sitzungen, die der Reichstag seit langer Zeit gehabt hat, schon dem äußeren Bilde nach. Weder während der Rede des Abg. Erzberger, noch während der Rede des Abg. Bebel oder Roeren habe ich solche geradezu deprimierten Gesichter gesehen, am Bundesratstische, als während der hoch— interessanten Rede des neuen Kolonialdirektors, als er so ganz spontan aus sich heraus ging. Kein Wunder. Gin Mann, der mit der Leise— treterei endlich bricht, der ohne jedes Diplomatisieren seine Meinung hier im Deutschen Reichstage fagt, der auch schließlich bereit ist, die nötigen Konsequenzen zu ziehen, der ist ja hier etwas gam Selteneß. Auch vom materiellen Standpunkte aus war die Sitzung im höchsten Grade interessant. Sie hat dem deutschen Volke einen kleinen Einblick gewährt, wie das Deutsche Reich, higher wenigstens nach den heutigen Erklärungen des Reichskanzlers, geführt wurde. Wir werden ja seben, ob es so bleiben wird. Die Debatte war insofern inter— essant, als sie eine mit Blitzlicht aufgenommene charakteristische kleine Momentaufnahme bot über die polltischen Zustände der letzten Zeit, die politischen Zustände von Togo. Man hat hier von einer Cinfluß⸗ nahme der rechten Seite dieses Hauses gesprochen. (Zuruf des Abg. Arendt.) Ja, ich wundere mich, daß der Abg. Arendt sich darüber aufzuregen scheint. Unter dem Banne einer Persönlichkeit, eines zur Brutalität neigenden Mannes wie Peters setzten Sie alles daran, um diesen Mann wieder in alle seine Rechte zu bringen. Sie erreichten auch wenigstens zum Teil, was sie wollten. Das war ja auch für uns nichts Neueß. Von dem Einfluß der Herren, welche die aller- wertvollsten persönlichen Beziehungen haben, wußten wir alle, die ganze n des Dr. Peters in wirtschaftspolitischer und staats« bürgerlicher Beziehung ist Ihnen ja auf der rechten Seite geradezu auf den Leib geschnitten. Die Begnadigung von Peters war lediglich ein kleiner Teilerfolg. Diese Begnadigung beiwies, welche tiefe Kluft in den Anschauungen zwischen der regkerenden und der großen Masse des Volkes besteht. Diese Begnadigung wird quittiert werden bei den nächsten Wahlen durch dle riesige Zunahme der Sozialdemekratie, die allein von einer derartigen unllugen Politik Nutzen ziehen wird. Die gestrige Debatte bat ein grelles Licht auf das Verhältnis der Regierung zu den Missionen geworfen. Auch das war eigentlich nichts Neues. Immerhin boöt eine gewisse Ueber— raschung die offizielle Bestätigung durch den neuen Kolonial⸗ direktor. Wir hörten, wie lange der Kampf zwischen Missionen und der Beamtenschaft in Togo geführt worden ist. Es ist eigentlich schade, daß nicht alles bekannt geworden ist. Ich kann den Reichs kanzler nur bitten, er möge über sämtliche Verhandlungen ein Schwarzbuch herausgeben, über die Verhandlungen jwischen beiden souperänen Mächten. Zuletzt wurde der Friede von Togo geschloffen, selbstverständlich mit einer Niederlage des Staates. Es genügt nur zu sagen, daß der Vertreter des Staates Dr. Stuebel war; eine der bedauernswertesten Erscheinungen unserer ganzen Kolonialpolitik. Man sieht ihn förmlich flehend vor sich stehen. Zwingt mich nicht unter das kaudinische Inch, ich will euch gern alles geben. Der jetzige Kolonialdirektor ist mehr offen und ehrlich aufgetreten, als es vielleicht diplomatisch ist. Nach den Enthüllungen, die er gegeben hat, greift man in Zivil, und Strafprozesse ein; man stellt Verfahren ein, man stellt zur Kompensation Strafanträge, kurzum, eine . wäscht die andere. Ein geradezu reizendes Bild für eine große Welt⸗ macht?! Eine Warnung, meine ich, müßten die gestrigen Enthüllungen dor allen Dingen über die sehr merkwürdigen Protokolle, die über die Aussagen und Erklärungen det . deren aufgenommen sind, unter allen Umständen für alle Partesen sein. Es waren Protokolle, von denen die angeblich Vernommenen selbst nichts wissen. Die Herren Or. 6 und Ledebour haben, wie alle Abgeordneten, die größte Vorsicht zu üben gegenüber einer Behörde, die in einer derartigen Weise mit unverbindlichen Erklärungen von Abgeordneten vorgebt. Heute ist nun der Reichskanzler endlich hler im Hause erschienen. Fast eine Woche lang haben wir nach ihm gefeuszt. Wir haben nur eine Person, an die wir ung verfgssunggmäßig zu halten haben, und das ist der Reichskanzler. Ich habe mich gefreut, und es machte den allergünstigsten Eindruck, daß der Reichskanzler sich mit dem tapferen Vorgehen des Kolonialdirektors, das ich unter allen Umständen anerkenne, identifiziert hat. Ich bin der Ansicht, vor allem nach den Erklärungen, die der Abg. Roeren vorhin in feierlicher Weise abgegeben hat, daß tatsächlich der gestrige Zwischenfall eine wesentlich politische Bedeutung nicht besitzt. Darüber dürfen wir uns irgendwelchen Irrtümern nicht hingeben. Wir haben den Reicht kanzler tatsächlich in letzter Z it vermißt und er mußte einmal hier wieder auftreten. Wie war denn die Situation, als wir in die Verhandlungen über die Kolonialskandale eintraten? Während des ganzen Sommers hat es geradezu Enthüllungen geregnet. Es wurde vom Reichskanzler eigentlich zugereben, daß es f hier um den vollständigen Zusammen— hruch eineg Systems handelte. Die einzelnen Fälle gehen auf viele Jahre zurück, sie haben sich aber alle unter dem Regime des Fürsten Bülow zugetragen. Der Reichskanzler kommt am vorigen Mlsttwoch hierher und hält nun eine feiner geistreichsten Pastoralsymphonien. Nachdem er, diese Rede vom Stapel gelassen, denkt er, nun ist alles gut. Er tritt so gewissermaßen als Ankläger gegen die öffentliche Meinung, die Presse und das Parlament auf, die diese Sachen unter keinen Ümständen ruhen lassen können. So leicht würde es sich nach meiner Ueberzeugung kein Minister eines konstitutionellen Slaates machen. Der Reichskanzler hat uns den neuen Herrn praͤsentieit, indem er sagte: Kein Engel ist so rein, laßt ihn eurer Huld empfohlen sein, und verläßt dann nach zwei Stunden den Reichstag. Das ist eine ungemein bequeme Art. Das ganze Volk würze es einfach nicht begreifen, wenn wir der Sozialdemofratie allein die Kritik dessen, was geschehen ist, überlassen würden. Ja, Herr Kolonialdirektor: Direktor werden, ist nicht schwer — heutzutage wenigstens nicht — Virektor sein dagegen sehr. Man hat unt guch in der „Norddeutschen Zeitung“ vorgehalten, daß wir den Reform gedanken des neuen Kolonialdirektorß a limine verwerfen. Das ist vollständig falsch. Der Reichskanzler hat aber in seiner Rede
einzugreifen, hätte der
sein müssen. Wir
meiner wir werden
Kolonialdirekiors, daß für die Kolonien gerade die besten Beamten
vom 14. November selbst zugegeben, daß wir uns schwere Blößen
gegenüber dem Ausland gegeben haben. Für uns ist das Studium
uri
politik überhaupt wieder erlangen will. Ohne den Reichstag, ohne din
Die Art und Weise, wie man versuchte, in
rotesteß gegen die Okkupation der Kolonien vorüber. W 1 46 er f die vollen Konsequenzen aus der Olkupatzon. Wir find seit langem der Ueberzeugung, daß technische, finanzpolitische und wirtschaftliche Fragen keine parteipolitischen Fragen bilden. Wir haben die Konsequenz dessen gezggen, als wir die Nachtrags⸗ ctats bewilligten und für das selbständige Kolonialamt stimmten. Aber infosern schließen wir uns dem Zentrum an, indem wir sagen: Keinen Kreuzer und keinen Heller, wenn wir sehen, daß die bis⸗ herige Wirtschaft auch unter dem neuen Kolonialdirektor fortgesetzt wird! Wir werden alle Dinge gufs syorgfältigste prüfen und allen Versuchen der Verschleierung und Vertuschung auf daz allerenergischste entgegentreten. Auch jedem Ansatz zu einer Kolonialarmee werden wir * auf. das schärfste entgegentreten. Der. Kolgnialdirekter hat manchen Gedanken aufgenommen, den der Abg. Richter seit ahren vertreten hat, zum Beispiel. den Gedanken des 7 malle ff ms, der Ausdehnung nach wirtschaftlichen Inter= essensphären usẃé. Alg Eugen Michter diesen Gedanken vertrat, wurde er von der Rechten mit Hohn und Spott empfangen, heute jubeln diese Herren dem Kolonsaldireftor wegen dieser Gedanken zu. Gerade daß die Herren noch jedem der früheren Kolonialdirektoren zugtstimmt haben, zeigt, daß sie blindlings; als freiwillige Schutztruppe der Regierung folgen. Wir sehen in den Kolonien nicht nur gute wirtschaftliche Ausbeutungsobjekte, sondern auch Arbeitsgebiete mit kulturellen Verpflichtungen. Sympathisch war mir die Aeußerung des Kolonialdirektors, daß wir von anderen Ländern lernen follten. Lernen wir vor allem von England, das jeder religiösen Ueberzeugun . gewährt. Das ist die Ursache des bewundernswerten * nn ens der englischen Kolonien. Eine hohe Kulturaufgabe ist die Verbreitung des Christentums, aber diese muß erfolgen in voller Freiheit ohne staatlichen Zwang und staatliche Unter⸗ stützung. Wenn in dieser Weise der Kolonialdirektor, der auch kolanialer Kultusminister ist, eine Kulturpolitik entriert, wird er unsere volle Unter⸗ stützung haben und dann kann er quch gegen alle Nebenregie rungen“ auf die Ünterstützung der großen Mehrbeit des Reichstags rechnen. Zwischen den Behauptungen des Kolonialdirektors und des Abg. Roeren zestehen unverkennbare Gegensätze; der Kolonialdireltor bat in einer Reihe von Fällen nicht gesagt, wie weit die behaupteten Scheußlichkeiten wahr sind. Wir werden in der nächsten Zeit noch tolleré Dinge, hier vorbringen können, wie verschiedene Taten von Unteroffizieren, das Aufhängen einer großen Zahl von Gingeborenen ohne gesetzliches Verfahren usj. Wir werden uns beim Etat damit he afin So lann die Geschichte unter keinen Umständen weiter gehen. Ueber die Togo⸗Affäre wird es bei der gegenseitigen Erbitterung überhaupt kaum möglich sein, die volle Wahrheit zu eruieren, aber wenn auch nur einzelne dieser Fälle richtig sind, so ist das schon eine Schande für den deutschen Namen. Site haben Deutschland vor der ganzen Welt bloßgestellt. Das Vertrauen in die Richter in den Kolonien if unjweifelhaft tief erschüttert. Geht das so weiter, so find wir der Chre und dem Ansehen Deutschlands es schuldig, daß eine Untersuchung durch eine parlamentarische Untersuchungskommission angestellt wird. Ich war erst Gegner einer solchen Kommissson, obwohl in konstitutionellen Ländern, wie den Vereinigten Staaten, Belgien, Italien, Frankreich, England eine solche Institution bereits besteht; aber in den letzten Tagen habe ich mich überzeugt, daß es gar nicht anders geht, weil nur dann die Kolonialbeamten Ruhe erwarten können. Am besten wäre eine gemischte. Kom— mission, die zugleich eine künftige. Rechtsreform für die Kolonien ausarbelten müßte. Von diesen ungemein wichtigen Dingen war bei dem Kolonialdirektor nur mit einem Wort die Rede, wo er sagte, daß über das Eingeborenenrecht und das Strafrecht anderer Länder Erfahrungen gesammelt würden und daß im Kolonial⸗ eiat ein Attachéposten angefordert werden würde, dessen Inhaber diese Fragen an Ort und Stelle, studieren soll, denn was davon in der Wilhelmstraße zu studieren ist, das können wir selbst“. Wenn Sie aber etwa einen Botschaftsattachs nach London schicken wollen, dann können Sie sich diese Ausgabe ersparen; das önnen Sle auch in der Wilhelmstraße erfahren. Sie müßten den Attachs in die englischen Kolonien usw. schicken, um dort die Art der Rechtsprechung zu studieren. chicken Sie nur einige irielligente deutsche Richter dorthin. Vor allem ist, wenn wir die Scheußlichkeiten beseitigen wollen, eine gründliche Reform des materiellen und formellen öffentlichen Kolonialrechts sowie eine vollständige Trennung der Justiz und Verwaltung notwendig. Die Rechtszustande in unseren deutschen Kolonien spotten uberhaupt j der Beschreibung. Unsere Reichsgewerbeordnung mit allen ihren Verordnungen und Annexen ist geradezu ein Muster von Klarheit und Einfachheit gegen den Wirrwarr unseres Kolonial⸗ rechtes. Ein Richter bat mir einmal gesagt, er hätte solche Akten schleunigst wieder wegbringLen lassen, um den Unsinn nicht lesen zu müssen. wollte im letzten Sommer unser Kolonialrecht selbst studieren, aber ich habe es schon nach wenigen Tagen aufgeben müssen, denn da findet sich ja kein Meunsch auz. Dank den fortgesetzten Verweisen von einer auf die andere Stelle ist ein Studium geradezu unmöglich. Der Abg. Arendt hatte im Abgeordnetenhause beantragt, eine Pro⸗ sessur für Kolonialrecht an der Universität Berlin ju errichten. Theoretisch ist das ja sebr richtig, aber bei unserem jetzigen Rechts= zustande ganz unmönlich. Nach den Einzelheiten, die die Abgeordneten Roeren und Bebel vorgebracht haben, besteht infolge der materiellen unentwirrbaren Rechtsverhältnisse geradezu eine Rechtlosigkeit in den Kolonien. Es wird in unseren Kolomen in einer geradezu unheim⸗ lichen Weise geprügelt. Ich habe dafür sehr wertvolle Dokumente zur Hand. Ich habe hier die Anweisung des Auswärtigen Amts, ge⸗ zeichnet Hellwig, vor mir. Diese Prügelorder ist eins der tollsten burcaukratischen Kunststücke, die ich jemals geseben habe, denn sie bringt das zuwege, daß in den folgenden Sätzen wieder aufgehoben wird, was in den Vordersätzen angeordnet ist. Der Brandeis scheint gan; unheimlich geprügelt zu haben. Einer der besten Kenner unseres ganzen Kolonialrechts und der Kolonialverhältnisse, der frühere General⸗ konsul Knappe, hat sich auf das allerschärfste gegen die An⸗ wendung der Prügelstrafe gegenüber den Südseeinsulanern aus⸗ gesprochen. Er sagi, das Ehrgefühl der Südseeinsulaner sei so be⸗ deutend, daß man alles riskieren würde, wenn man xein schablonen⸗ mäßig ihnen gegenüber so verfahren würde, wie vielleicht gegenüber einzelnen Schwarzen in Afrika. Nun heißt es u. a, in der erwähnten Verordnung: „ein Recht der Behörden, die Prügelstrafe zu verhängen, aus allgemein erzieherischen Gründen, ist nicht zu leugnen, die Grenzen in dieser Richtung scheinen sie nicht immer eingehalten zu haben, ing⸗ besondere nicht in den Fällen, wo es sich um Personen handelt, gegen welche durch gerichtliches Erkenntnis oder durch polizeiliche Ver= fügung Fresheitsstrafen bollstreckt wurden“. Hier wird also vom Ver⸗ tecter des Kolonlalamts zugestanden, daß der Brandeis aus rein erzieherischen Gründen die Prügelstrafe, verhängen konnte. Es heißt dann in der Verordnung, es möge von der Ver— hängung der köiperlichen Züchtigung außerhalb des gerichtlichen oder des geordneten Verwaltungsverfahrens nur dann Gebrauch ge macht werden, wenn es erforderlich ersckeine, um die öffentliche Ruhe oder die Sicherheit aufrecht zu erhalten. Darunter fällt also auch, wenn ein Eingeborener seinem Häuptling es nicht recht macht. Wer entscheidet nun darüber, ob die öffentliche Sicherheit aufrecht zu erhalten ist oder nicht? Durch derartize Bestimmungen unter graben sie geradeju die rechtliche Moral. Wie man die Prügel · strafe anwendet, davon haben wir ja in den letzten Tagen gehört. Ich erwähne noch ein einzelnes Beisriel, daz goltlob durch die offiziöse Kölnische Jeitung' bekannt geworden ist. Es ist ein Erlaß, in dem das Trinken der Schwarzen aus der Sodaflasche mit körperlicher und Freiheitsstrafe, der Verkäufer mit Geldstrafe bedroht wird. Gottlob wurde dieser Blöbsinn, der uns selbstverständlich vor dem Auslande lächerlich machen müßte, vom Koloniaiamt redressiert. Aber ein der⸗ artiger Unsinn, der von einem Bezirktamtmann begangen werden kann, ist doch geradezu ein Schulbeispiel dafür, wohin man über haupt mit diefem Assessorismus und Burcaukratismus gelangt.
des Reichskanzlers, worin ig ef ist, wie sich das Gericht zusammen⸗ zusetzen hat gegenüber den Mannschaften der Kaiserlichen Schutztruppe. Im zweiten Abschnitt über die Disziplinarstrafen heißt es, daß der Kommandeur für Gemeine und Gefreite die Prügelstrafe bis
zu zweimal 25 Hieben aussprechen kann. Was dag ungefähr bedeutet,
25 Hiebe, hat gestern der Kollege Roeren durch die Vorlage des kleinen Stöckchens gezeigt. Sogar der Kompagniechef kann diese Strafe über Gemeine verhaͤngen. Noch weiter: sogar der detachierte Leutnant bezw. Oberleutnant kann diese Strafe verhängen. Noch weiter: sogar der detachierte Unteroffizier kann gegen Ge— meine bis 15 Hiebe verhängen. Wenn man dem Unteroffizier die Diktierung der Prügelstrafe überläßt, dann besteht die große Gefahr, bei dem Einfluß der Tropensonne, daß derartige Leute dem tropischen Sadismus verfallen. Ich kann mich dem Wunsche des Abg. Roeren nur anschließen und den Kolonialdirektor nur bitten: Geben Sie vor allen Dingen den Kolonien ein klares Recht, be⸗ schränken Sie diese Grausamkeiten, vor allem die Prügelstrafe, geben Sie zum allermindesten eine gesetzliche Basis, wenn Sie glauben, daß Sie ohne Prügel unter kelnen Umständen fortkommen können. Dieselbe Pflicht der Gerechtigkeit möchte ich dem Kolonialdirektor auch nahelegen bezüglich der sogenannten Unter suchungskommission. Er hat neulich den kräftigen Ale f getan: Für den Dienst in unseren Kolonien ist der beste Mann und der beste Charakter gerade gut feng Man kann hier gar nicht vorsichtig genug sein, und der Fall Brauchitsch sollte uns warnen. Ich finde es sehr schön, daß der Kolonialdirektor sich so warm seiner Beamten angenommen hat. Ich möchte ihm aber doch den Wunsch aussprechen, er möchte die Sache nicht zu einseitig machen, denn er wird ebensowenig wie der Reichskanzler bestreiten können, daß in dem System im Kolonialamt, dessen Erbschaft er angetreten hat, sehr, bieles bis in die letzten Monate hinein oberfaul war. Die Form der Untersuchungstommission ist nicht ganz un⸗ anfechtbar. Einzig ,, ist der Reichskaniler, er ist zu gleicher Zeit nach dem Reichsbeamtengesetz der Gerichts⸗ herr, der diese Kommisston einsetzt. Nun fragt es sich, oh Ter Reichskanzler die Kommission so zusammensetzt, daß die vollständige Wahrheit nach jeder Richtung hin eruiert werden kann. Tut er das nicht, so bleibt diese Untersuchung eine einseitige Maßregel, dann bleibt der Vorwurf bestehen, der von der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes gemacht wird und in jeder Versamm— lung immer wieder auftrat, daß man die kleinen hängt und die großen Verbrecher laufen läßt. Auf den Fall Wistuba will ich mit keinem Worte eingehen. Ich habe auch mit Herrn Poeplau nichts anderes zu tun, als daß dieser im Sommer zu mir kam, mir sämtliche Akten vorlegte und sich erbot, seine optima fides vollkommen nachzuweisen. Auf keinen Fall kann man uns doch zumuten, daß wir eine vollständige Vogelstraußpolitik treiben, oder uns mit dem Satz begnügen: uod non est in actis, non est in mundo, Die Sachen, die deplau an die Oeffentlichkeit gebracht hat, gleichviel auf welchem Wege, sind jetzt Gemeingut, sie haben eine politische Bedeutung ge⸗ wonnen. Was nicht aus der Welt zu schaffen ist, ist die Tatsache, daß der Reichskanzler seit Jahren gewußt hat, was für eine Wirtschaft im Kolonialamt besteht, und daß er nichts hiergegen getan hat. Er kann nicht davon ,,, werden, daß er an diesen im höchsten Grad bedauernswerten Zuständen selbst die größte Schuld irägt. Es klingt geradeju wie eine Posse, wenn man sieht, wie die Unterbeamten und Oberbeamten unter einander verkehren. ECiner denunziert den anderen, das ganze Personal steht sich, wie aus dem Aktenmaterial erhellt, wie Hund und Katze. Fortgesetzt wird von einem Schuster, Knoten, Kull geredet. Eine Gruppe von Unterbeamten behauptet von ihrem Vorgesetzten, er gehöre überhaupt ins Zuchthaus oder müsse zwangspensioniert werden; da spricht ein Beamter von seinen Untergebenen als von Lümmeln und von jungenhaftem Benehmen. Ünd wie es unten zugeht, so geht es auch oben zu. Ich will nur an einem einzelnen Falle, der bisher noch nicht in die Oeffentlichkeit gekommen ist, zeigen, wie man in den oberen Regionen des Kolonialamts in den letzten Jahren vorgegangen ist. Es handelt sich um den . Geheimen Regierungtzrat Raffel; diesem ist tatsächlich ühel mitgespielt. Ich möchte die Ge⸗ schichte überschreiben: „Ein Kollege ist ein Mensch, vor dem man hüten muß.“ Zur Beurteilung der Person des Dr. Raffel möchte ich hervorheben, daß er ein tadelloser Ehrenmann mit vollkommen weißer Weste ist, der vielleicht den Herren der Rechten politisch näher steht als uns. Diesem hochverdienten Beamten war, nachdem er längere Zeit in Samoa gewesen war, die Wieder- einsiellung im Reich'dienst versprochen worden. In einer Unterredung mit dem damaligen Kolonialdirektor Stuebel sagte dieser zu Dr. Raffel: „Ich will Ihnen durchaus wohl, aber Sie wissen ja, ich stemme mich schon genug gegen den Widerstand, der mir geleistet wird.“ 5 Jahre lang hat Dr. Raffel kein Amt bekommen, aber nicht, nur fein volles Gehalt bezogen, sondern er kam sogar in die höheren Altersstufen. Wo bleiben da die Rechte der Steuerzahler? Und warum wollte man Dr. Raffel nicht in einem Amte haben? Der Grund war eine Denkschrift, die er an den Reichskanzler und schließlich an den Kaiser eingereicht hat und die die vollkommene Un— fähigkeit der Leute zeigen sollte, die die damalige Samoa . Politik ein- geleitet hatten. Es wurde ihm gesagt, der Reichskanzler greife nicht in die einzelnen Ressorts ein. Der Mann konnte auf keine Weise zu feinem Rechte kommen, und seine Immediateingabe an den Kaifer gina, wie es in solchen Fällen immer wieder ist, an den— jenigen, der der Hauptangeklagte war, an Herrn von König. Dr. Raffel hat in seiner Denkschrift die allerschwersten Vorwürfe gegen eine Reihe höherer Beamten erhoben. Sind diese Behauptungen unwahr, warum leitet man nicht gegen ihn die von ihm selbst verlangte Digziplinaruntersuchung ein? Sind ie aber wahr, wo bleibt dann das Einschreiten gegen die Schuldigen. ir haben die Ueberzeugung, Herr Kolonialdlrektor, nach dem, wie Sie in den letzten Tagen hier aufgetreten sind, daß es Ihnen um vollkommene Reinlichkeit im Koloniglamt zu tun ist. Ich kann durchaus nicht anerkennen, daß der Reichekan ler uns einfach sagt: Laffen Sie die alten Dinge ruhen; ich kann nicht die Per— antwortung für alle einzelnen , übernehmen, Die Minister⸗ berantwortlichkeit ist nur noch ein Schemen. Arbeiten Sie, Herr Kolonialdirektor, nur weiter als Mann, von dem wir annehmen können, daß er etwas ist, dann werden Sie auch bei uns Unterstützung inden. . k Abg. Bebel (Sor): Ich habe keine Neigung, mich in das Duell Roeren⸗Dernburg einzumischen, am wenigsten nachdem wir heute ehört haben, daß es eine rein persönliche Angelegenheit für den Abg. 6 sei. Aber auch abgesehen davon, können wir in dem Falle Wistuba sagen: Der hat recht und der andere hat auch recht! Jedenfalls sst durch die Ausführungen des Herrn Kolonialdirektors don den Behauptungen des Abg. Roeren nichts abgeschwächt oder richtiggestellt worden. Der Kanzler meinte heute, Herr Roeren hätte sich mehr noch Herrn Erzberger richten sollen. Der Kanzler hat noch nie den Grundsatz „divide et impera“ so unge chminkt vorgetragen. Wenn man so etwas will. sagt man es nicht. Ich habe die Auffassung, daß sich der Abg. Roeren gestern eine starke Leisetreterei zu Schulden kommen ließ. Hoffentlich wird er sein ganzes Matersal vorlegen, er muß die Zeit dazu finden, denn wenn einmal Ordnung geschaffen werden soll, dann gründlich! Diesen Vorwurf gegen den Abg. Roeren kann ich auf das ganze . ausdehnen. Sie im Zentrum sind durch Ihre infimen Beziehungen zu den Missionen mehr als eine in der Lage, die kolonialen Scheußlichkeiten und Schmach DeutschlandsZgs seit Jahren denn die Missionen können die beobachten und kontiollieren. dann hätten Sie zu allererst die
andere Partei Verbrechen, die zur eschehen sind, außuhellen. gn aug nächster Nähe
Wollen Sie Ihre Aufgabe erfüllen, da Veipflichtung gehabt, alle Skandalosa, die Sie erfuhren, mit⸗ zuteilen und hier zur Sprache bringen zu lassen. Das ist nicht ge⸗ schehen, aber ich hoffe, daß die Vorgänge, die hier seit einer Wache beinahe Deutschland und dle ganze Kulturwelt in die höchste Auf— regung versetzt haben, dazu beitragen n ögen, daß auch die Missionen
wäre beizeiten eingegriffen worden, und wir hätten die Dinge nicht erlebt, die wir in den letzten Tagen erlebt haben, denn ich hätte die Regierung sehen mögen, die dann nicht mit aller Energie ein— gegriffen hätte. Ich begrüßte es mit Genugtuung, daß endlich ein mal der Kanzler wieder hier erschienen war; er hat sich aber sehr eilig gedrückt. Er hat sich hinter ö zurückgezogen; diesen Entschuldigungsgrund kann ich nicht anerkennen. Er ist der einzige verantwortliche Reichsbeamte nach der Verfassung; er müßte hier mit eigenen Augen und Ohren sehen und hören, was der Reichstag hier verhandelte, und danach seine Maßnahmen überlegen. Es kommt hinzu, daß er gegenwärtig die Hauptperson ist, der die Verantwortung zugemessen werden kann, denn der Kolonialdirektor Dernburg ist erst einige Monate im Amt; der Prinz Hohenlohe ist verflossen, Dr. Stuebel nicht mehr da, die anderen sind gestorben, verdorben. Da ich weiß, daß dem Kanzler diese Vorgänge jedenfalls amtlich, wenigstens zum großen Teil, bekannt geworden sind, daß er aufgefordert worden ist, gegen diese Ungeheuerlichkeiten einzuschreiten, und es dennoch unterlassen hat, gegen die Angeschuldigten einzuschreiten, da war es seine Pflicht und Schuldigkeit, festzustellen, was an diesen Anklagen war. Da er es nicht getan hat, ist er der erste Schuldige. Ware er am Sonnabend hier gewesen, so hätte er nicht notwendig gehabt, dem Kolonialdirektor am Sonntag ein Pri⸗ vatissimum über auswärtige Politik zu lesen. Der Kanzler sprach in seiner großen Rede über die auswärtige Lage zweimal von den Komplikationen, welche die Inaugurierung unserer äberseeischen Politik für uns geschaffen hat; er gestand da offen ein, daß die Kolonialpolitik die Schwierigkeiten unserer Lage vermehrt habe. Dem Kolonialdirektor erwidere ich, daß der Handel mit unseren Kolonien hinsichtlich der Politik nicht in eine solche Parallele gestellt werden kann, wie er es getan. Der Handel beseitigt nationale Be—⸗ schränktheiten und Vorurteile, er verbreitet Wohlstand und Reichtum, er befähigt die Nation auch im Falle eines Krieges zu erhöhter Widerstandekraft. Mit den Kolonien ist es gerade umgekehrt, sie bringen uns, armselig wie sie sind, keinen Gewinn, sie bringen uns Niederlagen bei, sie schwächen die Kräfte der Nation und rauben uns die Mittel, daheim eine Menge anderer Kulturaufgaben zu er⸗ füllen. Die Witterungsverhältnisse dieses Jahres haben Tausende kleiner Bauern in Süddeutschland der Not ausgesetzt. Reich und Einzelstaaten sollten eingreifen, um diesen armen Bäuerlein das Leben möglich zu machen. Die Preisverhältnisse erwecken in den niedrigen Beamten mit Recht das Bedürfnis nach Teuerungszulagen. Alle solche Forderungen für die kulturelle Hebung des Vater⸗ landes können nicht erfüllt werden, weil die Kolonialpolitik die Staatsmittel in Anspruch nimmt. Zur Entlassung des Geheimrats Hellwig hat gestern der Staatssekretär der Kolonien oder der Kolonial. direktor erklärt, daß Hellwig aus Gesundheitsrücksichten nicht mehr den An⸗ strengungen seines Amtes vollkommen gewachsen sei und daß bei dem Systemwechsel auch ein Personenwechsel angebracht gewesen sei. Ge⸗ wiß, so wird es in den Akten stehen, aber in den Akten steht vieles, waz nicht wahr ist, was man mit Recht als offizielle Heuchelei be⸗ zeichnet. Einem Beamten, der entlassen werden soll, wird immer ein berühmter Sanitätsrat attestieren, daß er die Last seines Amtes wegen dieses oder jenes persönlichen Unbehagens nicht mehr tragen könne. Damit mag sich jeder andere düpieren lassen, nur nicht der Reichstag. Minister nehmen in neun von zehn Fällen aus „Gesundheitsrücksichtenꝰ den Abschied; wenn ein Offizier den blauen Brief bekommt, läßt er sich sofort vom Stabsarjt attestieren, daß er wegen dieser oder jener Krankheit nicht mehr dienstfähig sei, und doch übernimmt er die Verpflichtung, im Kriegsfall, wo also die körperlichen Strapazen am größten sind, wieder in die Armee einzutreten. Der „Montag“ konnte gestern in einer Notiz, die offenbar aus dem Auswärtigen Amte stammte, bei der Erklärung der Gründe für die Entlassung Hellwigs auch auf die lange Freundschaft zwischen diesem und dem Staatssekretär von Richthofen hinweisen; aus diesem Freund⸗ schaftsverhältnis heraus hat Herr von Richthofen keinen Anstand ge⸗ nommen, Herrn Hellwig zu sagen, weshalb er sein Pensionierungs⸗ gesuch einreichen müsse. Ich ersuche den Kolonialdirektor, den Wirkl. Geh. Legationsrat a. V. Hellwig zu sich zu rufen und ihn auf Ehren wort ju fragen, ob nicht die Mitteilungen, die ich am Sonnabend machte, der Erklärung entsprechen, die Herr Hellwig zwei Mitgliedern dieses Hauses gemacht hat. Herr Hellwig wird ein Ehrenmann sein und erklären, daß er hat hat: „Ich bin ein gesunder Mann, ein kräftiger Mann, ich will arbeiten, ich kann arbeiten, aber die Herren Arendt und Genossen haben es mir unmöglich gemacht und mich aus dem Amt hinaugsgetrleben. Daß die Herren das be⸗ streiten, ist selbstverständlich. Wenn übrigens Herr Arendt gestern nicht den Brief des Grafen Arnim verlesen hätte, so hätte ich heute so wie so erklärt, daß ich meine Beschuldigung gegen den Grafen Arnim nicht aufrecht erhalten könnte. Ich habe von anderer Seite aus dem Hause inzwischen erfahren, daß der Graf Arnim nicht daran beteiligt war, es steht also Aussage gegen Aussage und da ist mindestens wahrscheinlich, daß meine erste Mitteilung nicht richtig war. Ich nehme deshalb meinen Angriff gegen den Grafen Arnim mit Bedauern hiermit zurück. Herr Dr. Arendt erklärte, er habe das System des Herrn Hellwig in der Kolonialpolltik von jeher bekämpft. Ganz erstaunt sind wir, zu hören, daß die a des Prinzen von ohenlohe die Inaugurierung eines neuen Kolonialsystems bedeutete. . Herr Arendt seine Maulwurftarbeit bei der Verabschiedung Hellwigs damit begründet, daß er allezeit dessen System bekämpft habe, so habe ich nie etwas von ihm gehört, was hierauf hindeutet. Wie im Chestande manchmal die Gemahlin die Hosen anhat, so könnte ich mir auch in einem Reichsamt eine Situation vorstellen, daß der erste Beamte nach der Pfeife einer jweiten oder dritten Stelle tanzen müßte, dann hätte aber Herr Arendt bei seiner intimen Kuliffenkenntnis diese Dinge zur Sprache bringen und dafür sorgen müffen, daß der unheilvolle Einfluß Hellwigs schwindet. Aber dapon haben wir nichts gehört. Die Herren auf der Rechten tun mit einem Male als wunderbare tapfere Oppositionsleute, aber das find sie nur einmal in jener Zeit gewesen, wo es hieß; kein Kanitz, keine Kähne! In dem Falle Poeplau hat sich die Regierung allerdings recht lauge gesträubt, ehe sie diesen Mann schließlich aus dem Dienst entließ. Warum? Weil Herr Poeplau zu viel wußte! Weil man nicht wünschte, daß er draußen rede. Poeplau hat bereits 1891 9 an den Staatssekretän des Auswärtigen Amtes lebhafte Beschwerden über den Geheimrat von König gebracht; aber ein untergebener Beamter des. Geheimrats von König bekam den Auftrag, sich mit Poeplau freundschaftlich zu verständigen und ihm zu erklären, n man alles mögliche für ihn tun wolle. Es wurde ihm gesagt, die Behörde sei ibm nicht übel esinnt, die bisherigen Vorkommnisse sollten ihm nicht weiter nr. wenn er alles auf sich beruhen ließe, würde man ihm eine bessere Stellung spätestenß zum 1. April 1993 besorgen. Als alle diese Dinge mißlangen, ging man welter. Wie man im bürgerlichen Leben, wenn ein Mensch aus irgend welchen Gründen seiner Familie Aergernis bereltet, sehr leicht einen Professor der Pfychiatrie findet, der ein Zeugnis ausstellt, daß der Betreffende geistig nicht intakt sei, so hat man auch im vorliegenden Falle verfahren. Ich habe hier die Abschrift eines Briefes des Gehelmen Legations- rate Schmidt ⸗Dargitz an den Freiherrn von Richthofen, in dem er diefem augeinandersetzt, daß er — nachdem Dr. Zimmer sich bereit erklärt habe, das gewünschte fene auszustellen, dieses aber nicht genügte —, sich an den Professor Dr. Jollv gewandt habe, daß dieser sich aber geweigert habe, ein solches Zeugnis auszustellen. Dieser habe erklärt, er könne das Gutachten des Dr. Zimmer durchauz richt als korrekt und logisch anerkennen. Der Geheimrat Schmidt raͤt nun, es mit dem Digziplinarverfahren zu versuchen, und erklärt schließlich, er wolle bemühen, den Professor Jolly in dem Sinne zu bearbeiten, daß die Information des Professors Jolly durch die des Dr. Zimmer ergänzt würde. Das ist auch charakteristisch. Nun ist der Kolonialdirektor auf die von mir am Sonnabend mitgeteilten Kolonialseandalosa eingegangen. Er sagte, der Fall Kamps sei ihm auch von dem Abg. Erzberger mitgeteilt worden. Ich frage ihn: spielt nicht auch der Fall Dominik in den Akten der Voloniatverwaltung eine erhebliche Rolle? Der Kolonialdirektor
Gin jweltes höchst merkwürdiges Dokument ist die Vorschrift
mehr als bisher sich ihrer Aufgabe erinnern. Wäre das geschehen, so
schweigt, keine Antwort ist auch eine Antwort. Der Fall Dominik