In der am 109. d. M. unter dem Vorsitz des Staats⸗ ministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Grafen von Posadowsky⸗Wehner und später des Gesandten Grafen von Lerchenfeld abgehaltenen lenarsitzung des Bundesrats wurde dem Ausschußbericht über den Entwurf einer deutschen Arzneitaxre für 1907 zugestimmt; des⸗ gleichen den Ausschußberichten über die Etats für die Verwaltung des Reichsheeres, für das Reichsmilitärgericht, für die Expedition nach Ostasien, für die Expedition in das Südwestafrikanische Schutzgebiet, für die Verwaltung der Kaiserlichen Marine, für das Reichskolonialamt, für das Süd⸗ westafrikanische Schutzgebiet sowie den Ausschußberichten, be⸗ treffend die Etats über den allgemeinen n und über den Reichsinvalidenfonds. Ebenso fanden die Gesetz⸗ entwürfe, betreffend die Feststellung des Haushaltsetats für die Schutzgebiete und betreffend die Feststellung des Reichs⸗ haushaltsetats für das ,, 907 nebst dem Haupt⸗ etat und der erläuternden Denkschrift Zustimmung.
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Bremen“
am 8. Dezember von St. Thomas nach Port au Prince (Haiti) in See gegangen. S. M. S. „Panther“ ist vorgestern in Port Limon (Costarica) eingetroffen und geht am 15. Dezember von dort nach Bluefields (Nicaragua) in See. S. M. S. „Fürst Bismarck“ ist mit dem Chef des Kreuzergeschwaders vorgestern in Futschau eingetroffen und geht heute von dort nach Amoy in See. S. M. S. „Luchs“ ist vorgestern in Futschau ein⸗ getroffen. S. M. Flußkanonenboot Vorwärts“ ist gestern von Schanghai nach Nanking abgegangen.
Posen, 10. Dezember. Der Weihbischof Dr. Likowski hat in seiner Eigenschaft als Verweser der Diözese Posen einen Hirtenbrief erlassen, der, wie das ‚W. T. B.“ meldet, nach einem Hinweis darauf, daß er durch das Vertrauen des Domkapitels bereits zum zweiten Male zum Verweser der Diözese gewählt worden sei, und auf das Wirken des ver— storbenen Erzbischofs Dr. von Stablewski mit folgenden Worten schkch
Solange ich das Amt des Verwesers ausüben werde, hoffe ich, daß man mir das gegenwärtig doppelt schwierige Amt nicht noch er— schweren, sondern im Gegenteil durch Folgsamkeit gegenüber der Kirchenbehörde mich unterstützen werde. Im besonderen lege ich Euch die Empfehlung des verstorbenen Erzbischofs ans Herz, daß Ihr, ge— liebten Brüder, im gegenwärtigen Augenblick, wo die Sinne ange— spannt sind, die nötige Ruhe und Ueberlegung in allem bewahren mögt, und Eure Schäflein sollt Ihr warnen, daß sie sich nicht zu irgendwelchen illegalen Schritten hinreißen lassen mögen, die mit traurigen Folgen verbunden sein könnten.“
Oesterreich⸗ Ungarn. Der Minister des Aeußern Freiherr von Aehrenthal
9 gestern im Ausschuß der ungarischen Delegation ufschlüsse über die auswärtige Politik erteilt. Laut Bericht des, W. T. B.“ sagte der Die , , ,. österreichisch⸗ungarischen Monarchle im euro-
e
Minister:
pälschen Konzert sei gegeben durch das Gewicht ihrer Macht, durch die Individualität des . der überall Verehrung enieße, und ferner durch die Kontinuität der Politik der gn ierung, die allgemeines Vertrauen einflöße. Der Minister stellte fefst, daß bezüglich der großen Ziele der äußeren olitik zwischen ihm und der Delegation Uebereinstimmung rrsche, und führte aug: „Die Monarchie verfolgt auf der Balkan⸗ halbinsel keine egoistischen Ziele, unser Einfluß dort kann nur ein moralischer sein, unsere Interessen sind nur wirtschaftlicher Natur. Wir brauchen Handelt verträge nicht nur mit Serbien, sondern auch mit Rumaͤnien und Bulgarien; mit den beiden letzteren Staaten werden Verhandlungen demnächst einge—⸗ lestet. Der Minister erteilte sodann nähere Aufklärung be—⸗ üglich des Gebrauchs der Wappen und Fahnen bei gemein 66 Aemtern sowie bezüglich der Aufnahme des ungarischen Staats rechts unter die Gegenstände der diplomatischen Prüfung und erklärte: Die politische Lage Europas hat sich gebessert. Wiewohl die Spannung noch nicht ganz gewichen ist, können wir der Zukunft mit mehr Zuversicht entgegensehen als vor einigen Monaten.“
Unter Bezugnahme auf Aeußerungen des Delegierten Stefan Rakovsky über die Beziehungen zu Italien, in denen dieser darauf hingewiesen hatte, daß gewisse Schwierig⸗ keiten vorhanden seien, erwiderte der Minister:
Ein Minister des Aeußern habe es nicht leicht. Er tröste sich aber mit dem Gedanken, daß sein Kollege in Rom ebenfalls mit Schwierigkeiten zu kämpfen habe, und seine Hoffnung sei, daß sie beide in ihrer Auffassung von der Freundschaft und dem Bündnisse zwischen den beiden Ländern von den gleichen Gesichtspunkten geleitet seien. In den letzten Jahren sei allerdings in Italien eine Oesterreich⸗ Ungarn unfreundliche Volkestimmung zutage getreten, indessen hoffe er, daß diese Volksstimmung sich infolge der Bemühungen der beiden Regierungen freundlicher gestalten werde, und er wünsche, daß die Presse die Regierungen in ihrem Bemühen unterstützen möchte. Be⸗ züglich der Bemerkungen des Delegierten Rakopsky über die Aeußerung Marconis in Venedig meinte der Minister, daß die italienische Regie⸗ rung diese Aeußerung Marconis sicherlich aufrichtig bedauern werde, weil dieser unüberlegt gesprochen habe. Indessen könne diese Kund—⸗ gebung keine weiteren Folgen haben, man dürfe über solche Fälle die Ruhe nicht verlieren. Bezüglich der Bemerkung des Delegierten Szivak, der auf den Plan eines Einbruchs serbischer Banden in Bosnien hingewiesen hatte, sagte Freiherr von Aehrenthal, er lege dlesen Nachrichten keine größere Bedeutung bei, sie seien jedoch symptomatisch. Er erwarte, daß die serbische Regierung jede aggressive Handlung ihrer Staatsangehörigen verhindern werde. Der Delegierte Hollo beklagte, daß die aus⸗ wärtigen Zeitungen, die mit dem Minister des Aeußern irgendwie in Verbindung ständen, während der letzten Verfassungskrisis gegen Ungarn Stellung genommen hätten. Der Minister antwortete, daß große Blätter durch das Ministerium des Aeußern in ihrer politischen Richtung kaum beeinflußt werden könnten.
— In dem Subkomitee des Budgetausschusses der öster⸗ reichischen Delegation für Heereslieferungen haben gestern der Handelsminister Dr. Forscht und der Ackerbauminister Graf Auersperg Aufklärungen hinsichtlich des Ueber— einkommens zwischen den beiderseitigen Regierungen und dem Reichskriegsministerium, betreffend die . der Heeres⸗ lieferungen, gegeben.
Der Handelsminister erörterte, W. T. B.“ zufolge, dat
nennen sei, doch . enüber dem bisherigen für Oesterreich ungünstigen Zustande wesent . Vorteile biete; auf dem Gebiete der Heereg⸗ lieferungen sei nunmehr die vollständige Parität zwischen beiden Reichshälften hergestellt. Die Delegierten Baernreither und Clam ⸗Maxtinitz bedauerten, daß die Kriegsver⸗ waltung zuerst einseitige Abmachungen mit der ungarischen Regierung getroffen habe und 9. bel den nunmehrigen gemeinsamen Vereinbarungen sowohl die gemeinsame wie die österreichische Regierung den ungarischen Forderungen nachgegeben habe. Sie verlangten die vollständige Klarstellung der streitigen Punkte des Uebereinkommens und die strikte Durchführung der quotenmäßigen ,. der öster⸗ reichischen Landwirtschaft an den Heereslieferungen. Der Ackerbau minister betonte, das Uebereinkommen, betreffend die industriellen Lieferungen, Präjudiziere feineswegs der Frage der landwirtschaftlichen Lieferungen, für welche die e , ,, Desterreichs ge⸗ fordert werden müsse, und kündigte an, daß das Ackerbauministerium einen eigenen Kontrollapparat für den Herkunftsnachweis der land⸗ wirtschaftlichen Artikel trotz der entgegenstehenden Schwierigkeiten aufstellen und durch Ausdehnung der direkten Lieferungen seitens der Produzenten sowie durch Festhalten an dem Territorialprinzip eine indirekte Lösung der Quotenfrage anstreben werde.
Großbritannien und Irland.
Das Oberhaus hat gestern, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, in zweiter Lesung das Gesetz, be⸗ treffend das mehrfache Wahlrecht, mit 143 gegen 43 Stimmen verworfen. Dieses Gesetz ist im euer f
stimmt, daß eine Person, die das Parlamentswahlrecht in mehr als einem 2 besitzt, ihr Wahlrecht nur in einem Wahlkreise ausüben darf.
— In der gestrigen Sitzung des Unterhauses wurde die Regierung wegen des Abessinien betreffenden Uebereinkommens und wegen der Reform der Rechtspflege in Mazedonien interpelliert und dann die Beratung der vom Oberhause beschlossenen Amendements zur Unterrichtsbill begonnen.
In Beantwortung der ersten, an die Regierung gerichteten An—⸗ frage teilte der Parlamentunterstaatssekretär Runcim an obiger Quelle zufolge mit, daß der Kaiser Menelik von Abessinien den Regierungen Großbritanniens, Frankreichs und Italiens seinen Dank für die ihm gewordene Mitteilung des von den drei Mächten getroffenen Uebereinkommens, betreffend Abessinien, ausgesprochen habe, ebenso für die in dem Uebereinkommen ausgesprochene Absicht, die Unabhängigkeit Abessiniens aufrechtzuerhalten. Der Kaiser Menelik babe sich gleichzeitig ausbedungen, daß das Uebereinkommen in keiner Weise seine Souveränitätsrechte beschränken dürfe.
Auf die zweite, von dem Liberalen Chanse gestellte An— frage, ob die Aufmerksamkeit des Stagtssekretärs des Aus— wärtigen auf die Erklärung des österreichisch⸗ ungarischen Ministers des Aeußern Barons von Aehrenthal gelenkt worden sei, daß die Besserung der Rechtspflege in Mazedonien jetzt der Verwirklichung näher gebracht werden müsse, erwiderte Runciman in bejahendem Sinne und sagte:
Die britische Regierung hat stets die große Wichtigkeit dieser Angelegenheit anerkannt und wird sicherlich alles, was in ihrer Macht steht, tun, um die Reform der Rechtspflege in Mazedonien im Verein mit allen anderen daran interessierten Mächten zu fördern.
Bei der Beratung der Amendements zur Unterrichts bill wies der Präsident des Board of Education Birrell auf die durchgreifenden . die durch die Amendements an dem Gesetzentwurf herbeigeführt werden wurden, und erklärte:
Die Regierung habe beschlossen, bei dem Hause zu beantragen, daß die Amendements ens bloc an Jas Oberhaus zurückverwiesen werden sollen, da sie die Hauptabsicht der Bill zu nichte machten. Wenn das Oberhaus auf den Amendements oder ähnlichen Abände⸗ rungen bestände, müsse die Vorlage geopfert werden. Unter dem Beifall des Hauses erklärte der Redner: „In ihrer gegenwärtigen Gestalt wollen wir die Bill nicht, aber wenn das Oberhaus die jetzigen Amendements im ganzen zurückzieht und den Wirkungsbereich etwaiger anderer Amendements, die es vielleicht beabsichtigt, beschränkt, ist Hoffnung noch möglich.“
Birrell machte im weiteren Verlauf seiner Rede sodann Mitteilung von den verschiedenen Zugeständnissen, die die Regierung später in Erwägung zu ziehen bereit sei.
— In dem gestern von den Londoner Blättern veröffent⸗ lichten vollen Text der vom Handelsminister Lloyd⸗George in Liverpool gehaltenen Rede fehlt, wie das „W. T. B.“ meldet, an der Stelle, wo der Redner von dem Wettbewerb Deutschlands sprach, der Ausdruck „mit all seinem Großtun“.
Frankreich. Wie die „Agence Havas“ meldet, beabsichtigt die Re⸗ gierung eine neue Bestimmung zum Trennungsgesetz zu beantragen, wodurch die Bezüge ler Geistlichen, die sc den Vorschriften für die Ausübung des Kultus nicht fügen, gesperrt werden sollen. Auch solle eine Vorlage eingebracht werden, nach der alles Eigentum der Bistümer und Presbyterien sofort an den Staat, die Departements und Gemeinden zurück— zuerstatten ist. Der Kultusminister Briand hat an die Präfekten ein Rundschreiben gerichtet, in dem, „W. T. B.“ zufolge, angedeutet wird, daß gegen Geistliche und andere Veranstalter von kulturellen Zusammenkünften, die die gesetzlich vor⸗ eschriebene Erklärung nicht abgegeben oder eine ungenügende Frklärung gemacht haben, bei der Staatsanwaltschaft Straf⸗ anzeige zu erstatten sei. Die Regierung rechne auf die Festigkeit und die Wachsamkeit der Präfekten, damit dem Gesetze Achtung verschafft werde. Der Justizminister Guyot Dessaigne hat seinerseits ein Rundschreiben an die Staatsanwaltschaften er— lassen mit der Anweisung, zu ihrer Kenntnis kommende Ueber⸗— tretungen der auf die Ausübung des Kultus bezüglichen Be⸗ stimmungen unverzüglich zur Bestrafung zu bringen. Diese Strafverfolgungen sollen unabhängig von der Verfolgung etwaiger Verbrechen oder Vergehen, die aus Anlaß kultureller Vereinigungen begangen werden sollten, durchgeführt werden. Der Minister empfiehlt den Staatsanwälten, zu prüfen, ob es im Falle von Freisprechungen solcher Beschuldigten nicht an— gezeigt wäre, Berufung einzulegen. — In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer wurde die Beratung über das Krieg sbudget fortgesetzt. Im Verlaufe einer längeren Debatte über den Anirag auf frühere Entlassung des Jahrgangs 1803 erklärte der Kriegsminister Pieguart, laut Bericht des W. T B.“, daß er sich mit dieser Maßnahme nicht einverstanden erklären lönne; er mache den Vorschlag, nur 60/0 des tatsächlichen Bestandes, und zwar besonders die Ernährer von Familien, zu entlassen. Die Kammer nahm darauf einen Antrag an, der dahin geht, diejenigen Mannschaften, die Ernährer von Familien sind, zu entlassen. ̃ Auf eine Anfrage erkläscte sodann der Kriegs minlsler, daß er einen Entwurf vorbereite, durch den dle afrikanischen Strafkompagnien, aut⸗
mit 333 gegen 104 Stimmen angenommen worden und be⸗
abteilungen in Frankreich eingerichtet werden sollen. Ebeaso versprach er, sich mit der . der afrikanischen Bataillone, die sich nur auß im Zivil vorbestraften Leuten rekrutierten, eingehend be⸗ schäftigen zu wollen. Der Deputierte R 6ville sprach seinen Unwillen darüber aus, daß ein junger Soldat in Böésangon, der im trunkenen Zustande einen Korporal geschlagen hatte, deswegen zum Tode verurteilt worden sei, und verlangte unter Hinweig hierauf die sofortige Abschaffung der Kriegsgerichte. Der Unterstaatssekretär Chéron erwiderte: eine Vorlage, welche die militärische Gerichts barkeit volltommen abschaffe, werde in einigen Tagen dem Hause zu—⸗ gehen. Dir erwähnte Verurteilung sei eine Unmenschlichkeit und müsse Aergernis erregen, auch werde sie ihm mit ais Material dienen, um die Abschaffung jener Ausnahmegerichtsbarkeit zu rerlangen. Die Härte derselben für die . habe nur ein Gegenstück in ihrer Milde für die hohen Chefs. Im weiteren Verlaufe der Beratung begründete der Deputierte Trouin einen Antrag auf Erhöhung der bon der Kommission beschlosseen Kredite fur Nutzbarmachung, Kontrolle und Requisition der Automobile. Der Kriegt— minister Picquart eiwlderte, die Regterung besitze bereits das Recht, Automobile und Chauffeure zu requirieren, und beschäftige sich mit der Frage, wie diese zu kontrollieren und die Bemühungen der Erbauer von Automobilen zu unterstützen seien.
Die Erhöhung der Kredite wurde beschlossen und hierauf sämtliche Titel des Kriegsbudgets mit Ausnahme der Forderungen für die Kolonialtruppen bewilligt.
NRusßzland.
Gestern ist in Gegenwart des Handelsministers und des Leiters der Abteilung für Ackerbau in St. Petersburg der erste Kongreß der Vertreter von Handel, Börse und Landwirtschaft aus ganz Rußland eröffnet worden. In der ersten Sitzung wurde die Frage eines Vertrages, betreffend die Getreideabschlüsse zwischen deutschen fen und Häfen des Schwarzen Meeres, erörtert. Der Kongreß behandelte, nach dem Bericht der „St. Petersburger Telegraphenagentur“, die Prüfung dieser für die russische Ausfuhr 13 wichtigen Frage als eine dringliche, da morgen in Berlin deutsche Hen elsinteressenten über die gleiche Angelegenheit beraten.
er Kongreß, der sich infolge des Beginns seiner Arbeiten außerstande sieht, seine Delegierten nach Berlin zur Eröffnung der Konferenz über den deutsch⸗holländischen Ge⸗ treidekontrakt zu senden, beschloß, dem deutschen Handelstage seine Wünsche bezüglich einzelner Punkte des Kontraktes mit⸗ zuteilen mit dem Ersuchen, die endgültige Formulierung des Kontraktes möge in einer besonderen Beratung später erfolgen.
— Das Ministerium des Innern, das befürchtet, das bei der Firma Lidwall kontraktlich für die Rotstands⸗ gouvernements bestellte Getreide werde im Dezember und Januar nicht rechtzeitig an den Bestimmungs⸗ orten anlangen, hat, „W. T. B.“ zufolge, in den letzen Tagen bei Getreidehändlern einen Vorrat von 4159 Waggons Getreide mit einer Lieferfrist bis spätestens 2. Januar 1907 an die Eisenbahnstationen gekauft. Unabhängig davon wird von den Gouvernementsbehörden in Woronesch, Kasan, Kostroma, Nischni⸗Nowgorod, Orel, Pensa 396 ö; Getreide zu Proviant- und Saatzwecken an⸗ gekauft.
Epanien.
Im Senat erwiderte gestern, „W. T. B.“ zufolge, der Minister des Aeußern Perez Caballero auf eine Anfrage, , Vorgehen Frankreichs und Spaniens in Marokko beruhe nicht duf irgend einem Kompromiß, sondern auf, der Notwendigkeit, Leben und Eigentum der Staatsangehörigen zu schützen.
Türkei.
Nach einer Meldung des „Wiener Telegraph.⸗Kor⸗ respondenzbureaus“ ist gestern in Konstantinopel zwischen der Pforte und der Dette publique ein neuer Beschluß zur Deckung des mazedonischen Defizits zustande ge⸗ kommen, der hoffen lasse, daß damit die Angelegenheit definitir erledigt sei. Dieser Beschluß bedarf selbverständlich noch der Sanktionierung, ferner der Mitteilung an die Botschaften sowie deren Zustimmung.
Ueber die letzte Sitzung der Dette publique in der
Angelegenheit der mazedonischen Zuschußleistung wird der „Frankfurter Zeitung“ gemeldet, daß nach der Mitteilung des englischen Delegierten, Adam Block, daß er per⸗ sönlich die Ueberschüsse des Zehnten als Garant für die Zahlung der 260 000 Pfund an Mazedonien für aus⸗ reichend halte, die englische Botschaft aber ausgiebigere Garantien verlange, der Präsident der Dette publique, der französische Deleglerte Berger erklärte, der Standpunkt des Botschafters in den die Dette publique betreffenden Fragen 6 nicht maßgebend für die Beschlüsse des Verwaltungsrats der⸗ elben. Die Dette publique könne eine Einmischung der Bot⸗ schafter in ihre Beschlüsse nicht zulassen, sondern müsse diese unbedingt zurückweisen. Berger wies ferner darauf hin, daß die Ueberschüsse des Zehnten im laufenden Finanzjahre gegen 150 000 Pfund mehr betragen und die Höhe von 586 G00 Pfund erreichen würden. Nach ihm nahm der i . Delegierte Marquis Theodoli das Wort, um denselben Stand⸗ punkt wie Berger zu vertreten. — Wie der „Frankfurter Zeitung“ aus Saloniki gemeldet wird, haben gestern türkische Truppen bei Germanovo im Bezirk Demirhissar eine bulgarische Bande gefangen genommen, die 1090 Bomben, 55 Kilogramm Dynamit, eine Höllenmaschine und eine Anzahl Gewehre transportierte.
Amerika.
Ein Telegramm aus La Guaira meldet, daß venezola⸗ nische Regierungstruppen von Caracas nach dem Westen auf⸗ gebrochen seien, wo die Aufständischen unter Montilla sich der Stadt Barquisimeto bemächtigt hätten. Ferner wird, „W. T. B.“ zufolge, berichtet, daß der General Paredes in are gelandet sei und die Regierungstruppen besiegt habe.
Alien.
Wie das „Reutersche Bureau“ erfährt, sind an Londoner amtlichen Stellen Telegramme aus Teheran eingegangen, die keinen Zweifel darüber lassen, daß der Schah von Persien im Sterben liege.
— Aus Schanghai meldet das genannte Bureau, daß es bei den Unruhen der Geheimen Gesellschaft vom Großen Schenkel in Pinghsiang zu einem Zusammenstoß zwischen Rebellen und Truppen gekommen sei. dierbei hätten die Rebellen eine kleine Abteilung Regierungstruppen in die Flucht geschlagen. Die Bergarbeiter seien zur Bekundung ihrer Sympathie für die Aufständischen in den Ausstank
Entstehen des Uebrreinkommens, dag, wenn es auch nicht ideal zu
genommen für die algerischen Regimenter, aufgehoben und Straf⸗
getreten.
Afrika.
Eine Schiffsdivision, bestehend aus den Kreuzern „Mont⸗ calm, „Gueydon“ und „Dupetit⸗Thouars“, ist, von China kommend, „W. T. B.“ zufolge, gestern in Algier eingetroffen.
— Neuere, dem Koloniaiministerium zugegangene Nach⸗ richten über die mn des Postens Tidschi⸗ Kadscha durch die auren besagen, daß 3000 Mauren am 2B. Oktober d. J. das Fort Coppolani eingeschlossen und am 14 November einen Sturm unternommen hätten, der ohne Verluste auf französischer Seite kräftig abge⸗ schlagen worden sei. Am 29. November hätten die Mauren bie Belagerung aufgehoben und sich nach Süden zurück⸗ gezogen. Der esundheitszustand der Besatzung des Postens ses ausgezeichnet. Ein einziger hei einem Gefecht am 25. Dk⸗ tober verwundeter Mann sei seiner Verletzung erlegen. Alle übrigen Verwundeten seien entweder geheilt oder auf dem Wege der Besserung.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (138. Sitzung des Reich stag s, welcher der Staatsminister, ,, des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner, der Staatssekretär des Reichsschatz⸗ amts Freiherr von Stengel sowie der Staatsminister und inister für Landwirischaft, Domänen und Forsten von Arnim-Criewen beiwohnten, gelangten die auf die Fleischteuerung bezüglichen Interpellationen zur Verlesung.
Die Interpellation der Abgg. Ab laß und Gen. lautet:
Welche Maßnahmen gedenkt der Herr Reichskanzler zu er⸗ greifen, um der herrschenden Fleischteuerung schleunigst abzuhelfen? Beabsichtigt er insbesondere Abhilfe zu schaffen 1) durch Oeffnung der Grenzen unter Aufrechterhaltung des a, gegen die Einschleppung von Vlehseuchen, 2) durch Herabsetzung bezw. Beseitigung der Vieh⸗ zölle, 3) durch Aufhebung der Zölle auf Futtermittel?
Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um den Beamten und i,, ,. sowie den sonst in fester Besoldung stehenden Angestellten der Reichzverwaltung einen Auggleich zu schaffen für die nachteiligen Folgen der herrschenden Fleischteuerung auf ihre Lebenshaltung?“
Die Interpellation der Abgg. Albrecht und Genossen hat folgenden Wortlaut:
Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um der notorischen Teuerung der notwendigsten Lebensmittel, insbesondere des Fleisches, die zu einer schweren Kalamität für den größten Teil des deutschen Volks geworden ist, entgegenzuwirken?“
Auf die Anfrage des Präsidenten Graf von Ballestrem, ob und wann die Interpellationen beantwortet werden sollen,
erwiderte der J Staatsminister, Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky: Ich bin bereit, die Interpellationen heute zu beantworten. ; ; Zur Begründung der ersten Interpellation erhält das Wort der ö Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp. ); Darüber, daß seit längerer Zeit eine ungewöhnliche Höhe der Fleischpreise bestebt, kann wohl in diesem Hause nicht gut ein Zweifel obwalten. Sel bft das führende Organ der Landwirte, die Deutsche Tageszeitung“, hat bereits Ende September d. J. zugegeben, daß die Fleischpreise ungewöhnlich hoch und auch die . höher seien, als im Durchschnitt des letzten Jahrzehnts. Für die preußischen Hauptmarktorte zeigt die Statistik von 1896 bis 1906 folgendes Bild: Die Rindfleischpreise stiegen im Großhandel um 23,5 oso, die für Schweinefleisch um 4060/0, die für Kalbfleisch um 30 /o, die für Hammelfleisch um 3209/0. An ein⸗ zelnen Orten ergeben sich noch höhere Zahlen. Als wir uns im vorigen Jahre hier darüber unterhielten, wurde uns eine Denkschrift des preußischen landwirtschaftlichen Ministeriums vorgelegt und damals die Ansicht vertreten, daß die Teuerung nur eine vor- übergehende sein werde, weil sie, wie amtlich ausgeführt wurde, ihren wesentlichen Grund in der Teuerung der Futtermittel im Jahre 1904 habe. Die Voraussage, daß es sich um eine vorübergehende Teuerung handele, ist aber leider nicht eingetroffen. Im Gegenteil, im vorigen Jahre war ein weitereg Steigen des Fleisches und auch der Viehpretse zu beobachten. Dem Preise von Lo . für dag Pfund Rindfleisch stehen gegenüber in Holland 68 *, in Belgien 56 8, in Spanien 55 g, in Frankreich ? 8, in England 48 bis 55 , in Nord amerlka b? g, in Schweden, Norwegen und Dänemark 40 g, in Rußland 38 J. Nun hat die amtliche Statistik der letzten Zeit einen geringen Rückgang der Preise im November gezeigt. Es handelt sich aber dabei nur um n mn. geringfügige Verschlebungen und vereinzelt sind sogar Erhöhungen eingetreten, während in ,. großen Reihe von Städten die Preise unverändert geblieben sind. Der Rückgang der Preise beträgt nach der amtlichen Darstellung bei Rindfleisch U bis 2 für das Pfund, bei Kalbfleisch 2 , bei Schweine⸗ leisch 3 und bei Hammelfleisch 4 3 gegen den Monat Oktober. Der Rückgang beim Schweinefleisch wird von der agrarischen Presse mit einem gewissen Nachdruck in den Vordergrund gestellt. Ich kann diesem Rückgange eine ausschlaggebende Bedeutung nicht beimessen. Dieser Rückgang ist eine Folge des warmen Wetters. Sobald das Wetter kälter wird, ziehen die Preise an. Außerdem ist auch das Auftreter von Wild und Gänsen auf dem Markt von Einfluß, Ferner handelt es sich bier um keine Ausnahmerscheinung für dieses Jahr, auch in früheren Jahren hat um dieselbe Zeit ein Herabgehen der Schweinefleischpreise stattgefunden. Die Landleute brauchen jum Jahresschluß Geld, um insen usw. zu bejahlen, und vermehren deshalb das Angebot. Außerdem sst um diese 6. schlachtreifes Vieh in größerem Umfange heran⸗ gewachsen. agegen soll die Qualität zurückgegangen sein. Ich bin überzeugt, daß wir schon im Anfang des nächsten Fahies von neuem mit einer Schweinefleischteuerung zu rechnen haben werden. — Die Fleischteuerung wird als ein schwerer wirtschaftlicher Notstand in weiten Volkskreisen empfunden. Das beweisen die zahlreichen Eingaben, die Beschlüsse bon Handelskammern und städtischen Vertretungen. Daß eine Verringerung der Fleischernährung eine Verringerung der körperlichen Leistungesähigkeit im Gefolge hat, ist klar. Der Fleischkonsum ist ständig zurückgegangen in demselben Maße, wie die Fleischpreise gestiegen sind. Nach dem Bericht über das Fleischbeschaugesetz betrug der Konsum auf den Kopf in Deutschland 1504 2033 kg, 1906 dagegen nur noch 18, 9 kg; das sind aber nur Durchschnittszahlen, die wohl babenden Kreise konsumieren nicht weniger Fleisch als früher, während die minder wohlhabenden breiten Volkekresse sich also noch mit einer viel knapperen Fleischration begnügen müssen. Cine unerfreuliche Er⸗ scheinung ist dabei die Erhöhung des Verbrauchs von Pferdefleisch, Pundeflelsch ufw, Gine unzureichende körperliche Ernährung, rächt sich an dem heranwachsenden Geschlecht, daß weniger kräftig, weniger leistungsfähig ift und dessen Gesundheit, zu wünschen übrig läßt, sie rächt sich auch an der Wehrfähigkeit, denn ein schlecht genährter Soldat ist kein erwünschter Träger der Landeg⸗ dertelbigung. Dle Ernährung der Armee selbst wird Durch. die gifischte nern erschwert. Nach einer mir gewordenen Mitteslung oll die Marinebehörde sich erkundigt haben, ob im Falle iner Mobilmachung, wenn inlaändisches Büchsenfleisch nicht zu ; ben sei, augtändisches Büchsenfleisch bestellt werden könne. Ausländisches Büchfenfleisch wird der deutschen Bevölkerung als gesundheltsschädlich vorenthalten, für die Marine ist es aber tauglich.
(Schluß des Blattes.)
Kunst und Wissenschaft.
Die Direktion des Instituts für Meereskunde n straße 34 36) teilt mit, daß der für Donnerstag, den 13. d. M. a . Vortrag des Professors Eckert ⸗Cöln über Eine volks— wirtschaftliche Studtenreise zur See in die west⸗ und südeuropäischen Häfen“ erst am Sonnabend, den 15. d. M, stattfindet.
A. F. In der letzten Sltzung der Brandenburgian, Gesell⸗ schaft für Heimatkunde, legte der Professor Pniower einige Er⸗ werbungen des Märkischen Propinzialmuseums vor, die ihm Anlaß zu recht interessanten Mitteilungen boten. Da war u. a. ein Original⸗ brief von Chodowieckl, unterm 8. Dezember 1799 von dem damals schon kränkelnden Künstler — er starb 1391 — an einen Hamburger Freund gerichtet. Der Inhalt des Briefes macht den Ein⸗ druck, daß der Drelundsiebziglährige, nach einer Lebensarbelt von mehr als 2000 Darstellungen auf über 999 Platten, lebensmüde und wohl auch in seinen materiellen Verbältnissen nicht gan sorgenfrei war. Chodowiecki erzählt u. a. dem Freunde von seiner aus 5 Kindern und 12 Enkeln bestehenden Familie. Charakteristisch ist dieser Brief für die bekannte Liebhaberei des Künstlers, Brief. und Zeichnungs⸗ ränder mit , des Augenblicks zu zieren. Auf einem frelen Stücke des Brlespapiers sind in flüchtiger, aber genialer Bleistift⸗ zeichnung neun Brustbilder von Männern mittleren Alters, wie ju einem Zuge geordnet, angebracht. Man sucht. aber vergeblich in dem Briefe eine Bejugnahme auf die Zeichnung. Im Anschluß hieran legte der Vortragende eine Sammlung ver schiedener Porträts von Chodowiecki aus dem Besitz des Museums bor, darunter das bekannte Graffsche Porträt des Meisters mit der Brille und eine Reproduktion des im letzten Sommer durch seine Verwendung als Plakat der Kunstausstellung allgemein bekannt ge—⸗ wordenen Menzelschen Gemäldes, dessen Original von Menzel der Berliner Künstlerschaft geschenkt worden ist. .
Den Vortrag deg Abends hielt Fräulein Elisabeth Lemke über ven r rt n hl chen Gebäck. Die in der liebevollen Behandlung kulturgeschichtlich interessanter und wichtiger Einzeluntersuchungen bewährte Vortragende hatte schon vor längerer Zelt durch Geheimrat Friedel die Aufforderung empfangen, das Thema ihres Vortrages ein⸗ heitlich ju bearbeiten, einschließlich der sich an Form und Art des Gebäcks etwa knüpfenden Sagen und Ueberlieferungen. Die Vor⸗ tragende ist im Laufe der letzten Jahre dieser Aufforderung mit möglichster Gründlichkeit gerecht geworden. Sie g einige Forscher zu monographischen Berichten an, schrieb selber solche und veranlaßte Sendungen von Kult. und anderem Gebäck an das Märkische Museum behufgz getreuer Abzeichnung u. s. f. dlese Tätigkeit darf für die Vortragende jetzt als abgeschlossen, die Summe der in diesem Vor trage zu gebenden Mitteilungen aber keineswegs als eine durch weitere Forschungen nicht noch zu vermehrende gelten. Es darf im Gegenteik gehofft werden, daß bei einzelnen Hörern oder ,, . der Ehrgeiz erwacht, weiteres zu erkunden und zu
earbeiten. Offenbar bestehen auch, auf diesem Gebiete uralte Beziehungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Back ofen und Röstvorrichtungen gehören — wie näher dargelegt wurde — zu den ältesten Hilfsmitteln des Menschen bei Bereitung seiner Nahrung; Brel. und Teigmischungen sind bon jeher Gegenstand der Erfindung, Frprobung und, sich hieraus entwickelnd, der Gabenspende ewesen. Ei stammen die Tortengeschenke, die Gedächtnis- . die herkömmlichen Festgebäcke, sogar die verschie⸗ denen Arten von Brei, die, wie z. B. Weißbrot und Mohn in Milch, bestimmten esten eigentümlich sind. Die Formen des Brotes — als aälteste sst wohl das Rundstück anzu⸗ sehen — haben in Hofrat Hoefter (Tölz) einen verständnisvollen, liefblickenden Schilderer gefunden, der in vielen reich illustrierten Blättern die verschiedenen Festgebäcke — Allerseelen, Weihnachten, Ostern — vor Augen führt. Fast überall sind Anknüpfungen an das Heidentum, im besonderen römische Einflässe nachweisbar, und die christliche Kirche, genauer gesagt, die ersten Christengemeinden, nahm keinen Anf! * die heidnische Symbolik und deren durch die lange Gewöhnung geheiligte Ornamentik weiter- zupflegen, wenn auch zuweilen unter absichtlich irreführender . Ja, man fand es manchmal nicht anstößig, diese Sym- ollk noch zu erweitern. Daz ist z. B. in vielen kleinen Backwaren nachzuwelsen, indem man alle 8 förmigen Figuren durch Kreuzung zweier solcher 8 jum Hakenkreuz gestaltete. In Neapel gibt es jum Fest auch sehr große, an Wickelkinder erinnernde und danach benannte Brote, während ein anderes sogenanntes Knaufgebäck nach rn, eine Nachahmung von Totenknochen darstellt. In Livorno backt man li ossi (die Knochen), in Verona das knochenförmige e gars . Im Gegensatz zu dieser auch in, den. Namen sich aussyrechenden Symbolik deg italienischen Gebäcks pflegt man in Deutschland aus Gewohnheit die alten Ueberlieferungen in der Form und Giöße des Gebäcks ohne vier Kopfzerbrechen und ohne sie in den Benennungen zum Ausdruck zu bringen oder wenigstens ohne sich bei Schnecke, Fladen, Plaatz, Abkratze c. etwas zu denken. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel; es gibt in Ostpreußen z. B. gebackene Neujahrsopfertiere. Für die Mark Brandenburg scheint eine Sammlung der Formen, Namen, Herstellungs. jeiten, überlieferter Erklärungen der Gebäcke ꝛc. noch nicht vorhanden zu sein. Eine solche Zusammentragung und allgemein verständliche Bearbeitung wäre wünschengwert, denn man soll ja, nach dem Dichterwort, was man von den Vätern ererbt hat, erwerben, d. . ,, verstehen lernen, um es wirklich als Eigentum zu besitzen.
. Sonntagsausflug der „Brandenburgia“ galt der Be⸗ sichtigung der neuen Handelshochschule und eines der ältesten Häuser Berlins, des Hauses Klosterstr. 87. Es ist nicht zu geringem Teile den Bemühungen, des Vorstands der „Brandenburgla: zu danken, daß die alte Heiligegeist Kirche nicht dem Abbruch verfiel, sondern dauernd erhalten wurde und fur die Zwecke der Hochschule als Hörsaal Verwendung gefunden hat. Unter möglichster Wahrung der alten Form ist die Kirche harmonisch in den Hochschulbau eingefügt worden. Auch das Innere ist künstlerisch erneuert. Wie der derzeitige Rektor der Hochschule, Pro⸗ fessor Dr. Jastrow in längerem Vortrage in der Kirche selbst mittellte, geschiebt urkundlich der Kirche jum , ne Geist zum ersten Male 1317 Erwähnung. Nach dem sachverständigen Urteil vom Geheimen Rat Adler datlert der Bau ungefähr von 1280. — Auch den übrigen Teilen des ausgedehnten Baues, den Höͤrsälen und Laboratorien wurden Besuche abgestattet und im n. Kabinett einige Experimente entgegengenommen, die als Beweise der ausgezeichneten Einrichtungen dieses Lehrsaalesg viel Beifall fanden. Das Haug Klosterstraße Nr. 87, in dessen gewölbten Parterreräumen sich die Kontore des seit 1785 bestehenden Bankhauses H. J. Fetschow u. Sohn, . Eigentümer des Hauses, befinden, ist ein Patrizier ⸗ haus im bessen Sinne des Wortes, deren das ganz modern gewordene Berlin wohl kaum noch ein jweites besitzt. Es ist zugleich zweifels. frei eines der ältesten Häuser Berlins, da es im 15. Jahrhundert bereits als Absteigequartler der Bischöfe von Lebus erwähnt wird. Im altertümlichen Hofe sieht man ein steinernes Wappen nebst Inschrift aus dem Jahre 1578 (Verleihung von Ge—⸗ rechtsamen dur urfürst Johann Georg betreffend) eingemauert, ein andere Inschrist aus dem 16. Jahrhundert ist bei Abbruch des den Hof früher abschließenden Quergebäudes (1811) hierher übersiedelt worden. Der älteste unveränderte Teil ist ein Treppenturm mit be—⸗ quemer, in der Konstruktion eigentümlicher Wendeltreppe, der in der Festigkeit seines Baues noch manchem Jahrhundert wird trotzen können. Eg bestand einst im Zuge der Neuen Friedrichstraße ein unterirdischer, dies Haus mit der Kirche zum grauen Kloster ver bindender Gang, dessen erste Anfänge auf dem Grundstück noch vor handen sind.
Literatur.
Bei Franz Hanfstaengl, München, erscheint nach jüngst beendeten Neuaufnahmen ein 3 Prachtwerk: Die Gemälde⸗ galerie des Prado in adrid?. Die Ausgabe erfolgt in 14 Lieferungen, se 6 Blatt, zum Subskriptionspreis von 50 MS für die Lieferung. Die Photogravüren sind auf echt holländischem Bütten⸗ papier hergestellt, Bildgröße ca. 40: 55 em, Kartongröße 62:79 em. Dem Prachtwerke ist eine kurze kunstgeschichtliche Einleitung sowie eine Erklärung der in ihm vorgeführten Hauptwerke des Prado von Professor Dr. Voll als Separatausgabe in Buchformat beigegeben. — Spanten liegt auch heute . außerhalb der bon Reisenden besuchten Zone. Die allgemeine Fahrtrichtung der Glücklichen, denen es unter uns vergönnt ist, im Ausland Blick und Verstand zu weiten, geht heute von Norden nach Süden, und eine trockene Statistik, beweist dies jur Genüge: Die Kllometerzahl der Schlenenstränge in dieser Richtung ist weit höher als die in der e, . Frũher hieß es Paris — Wien, jetzt hat sich diese Verke rslinie um 90 * gedreht. Ueber alle bedeutenden Städte Deutschlande, Itallens, Frankreichs gibt es größere Beschrelbungen, Führer, Monographien und ähnliche Orientierungswerke, die . vieler Museen und anderer Kunststätten sind längst in oft prächtigen Illustrationswerken veröffentlicht worden, über Spanien wissen wir in dieser Beziehung noch wenig, und doch bergen seine Kirchen, Paläste und Galerien gewaltige ungehobene Schätze vergangener großer Kulturperioden. Das vorliegende Werk hat sich nun die lohnende Aufgabe gestellt, unseren Blick auf eine der herrlichsten Kunststätten ö Landes zu lenken, auf das Pradomuseum in Madrid. Ohwohl erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts von Ferdinand VII. als solches gegründet, enthält es doch in seinen Mauern die Meisterarbeiten, die der spanischen Krone und den Habsburger Kunstkammern seit Jahrhunderten gehörten, die einst Karl V., Philipp II. und Philipp IV. als gewaltige und ein⸗ schtig⸗ Mäcene für sich anfertigen . und die mit den glänzenden amen eines Velasquej, Murillo, Riberg und anderer ver knüpft sind. Wohl besitzen fast alle festländischen Museen auch Arbeiten dieser Künstler, da Spanien im 19. Jahrhundert viel von seinen Schätzen hergeben mußte, wer aber diese Meister genau kennen lernen will, muß doch durch die weiten Säle des Prado wandern, dessen Wände in langen Reihen die Hauptschöpfungen der genannten Meister tragen. Goya kann nur dort studiert werden, aber auch nichtspanisché Maler, wie Raphael, Correggio, Tijian, Lotto, Veronese, Dürer Bosch, Mays, Patinir. Moro, Rubens, Jordaens, van Dyck sind in Prado mit Bildern vertreten, die bei wißssenschaftlicher Forschung sehr zu berücksichtigen sind. Das Pradowerk nun zaubert uns die Hauptgemälde in , Photograpüren vor das Auge; für den Historiker sind diese mufter⸗ ültigen Abbildungen, die sogar, von den Farben abgesehen, die Ge— kan ff der Technik deutlich wiedergeben, eine wertvolle Unterstützung, für den Kunstliebbaber eine köstliche Augenweide und eine Bereicherung seiner Bilderkenntnis von den Meistern, die er längst an anderen Orten lieb gewonnen hat. Vielleicht gelingt es solchen einzigartigen Reproduktionen, die z. B. im Rahmen einen vornehmen Wandschmuck ausmachen, das Haus des Gebildeten allmählich von den Bildern ju reinigen, die heute noch oft in häßlicher Weise Saal und Zimmer verunzieren. Der beigefügte Erläuterungstert von Professor Voll bildet auch in kunsthistorischer i,, eine nicht zu unterschätzende Ergänzung für dieses in so großem Stile angelegte Werk.
Theater und Mufik.
Im Königlichen Opernhause wird morgen, Mittwoch, „Salome“ von Richard Strauß unter der persönlichen Leitung des Komponisten und in den Hauptrollen durch die Damen Destinn, Hledler, Rothauser, die Herren Grüning, Berger, Kirchhoff und Nebe wiederholt. (Anfang 8 Uhr)
Im Königlichen Schauspielbause geht morgen Goethes „Götz von Berlichingen mit Herrn Matkowsky in der Titelrolle in Szene.
In der Komischen Oper geht morgen, Mittwoch, die Qver Carmen“, mit der Königlich schwedischen Hofopersängerin Frau Jungstedt in der Titelrolle und Herrn Penngrini als José, in Szene. — Am Donnerstag findet die Erstaufführung der Buffo⸗ oper ‚Pariser Leben- von J. Offenbach statt. Die Insienierung be sorgte der Oberregisseur Moris, während die musikalische Leitung in den Händen des Herrn Kapellmeister Rumpel ruht. Die gesamte . wurde nach den Entwürfen des Professors Leffler an⸗
efertigt.
j r en Mittwoch, Abends 74 — 8z Uhr, veranstaltet der König⸗ liche Mustkdirektor Bernhard Irrgang in der St. Marten kirche ein Weibnacht skonzert unter Mitwirkung von Fräulein Gertr. Bischoff (Sopran), Herrn Felix Lederer⸗Prina (Bariton) und Herrn Armin Liebermann (Cello). Der Eintritt ist frei.
(Der Konzertbericht befindet sich in der Zweiten Beilage.)
Mannigfaltiges. Berlin, den 11. Dezember 1906.
Bei der körperlichen Erziehung unserer Schuljugend ist die . Deutsches oder Schwedisches Turnen? augenblicklich in den ordergrund des Interesses gerückt. Zur Klärung der Anschauungen hielt der Direktor der Königlichen Turnlehrerbildungsanstalt Dr. Diebo w am Sonnabend, den §. d. M, in der Aula der Sophienschule einen Vortrag über das Thema; „Die schwedische Gym nastik nach Ziel, Stoff und Betrieb im Vergleich mit dem deut. schen Turnen.“ Die Ausführungen des Vortragenden, der sein Urteil durch eingehende Studien in Schweden gebildet hat, gipfelten in folgenden Sätzen: 1) Eine Ersetzung des deutschen Turnens durch das schwedische System liegt nicht im Interesse der Volkgerziehung, und zwar aus folgenden Gründen: das schwedische Turnen haf ju wenig Einfluß auf die Entwicklung des Charakters; es bietet keine ausreichende Nervengymnastil; es ifst zu einseitig in der Verfolgung gesundbeitlicher, und orthopädischer Ziele; es ist ju künstlich im Aufbau der einzelnen Uebungszeit; ihm feblen ganze Gruppen wichtiger Gerät, und alle Handgerätübungen; es hat kein besonderes Mädchenturnen entwickelt und zu wenig verschie denen Stoff für die verschiedenen Alterestufen; ibm fehlt eine ausreichende methodische Verarbeitung, und endlich, es hat keine werbende Kraft für die schulentlassene Jugend. 2) In manchen — 2 — kann aber das deutsche Turnen von dem schwedischen lernen. Das deutsche Turnen erstrebe, angeregt durch die schwedische Gymnastik: 89 Beachtung des guten Wuchses und der schönen Haltung, Beschränkung der Srdnungsübungen und der das Gedächtnis belastenden Uebungs- reihen; Prüfung und Sichtung der Gerätübungen nach dem Uebungg. zweck in Hinsicht auf daz Uebungsbedürfnis der Schäler, wobei aber nicht bloß orthopädisch⸗gesundheitliche Gesichtspunkte maßgebend sein dürfen; leichten elastischen Schritt. weite ausgiebige r n Schnellig⸗ keit der Aufsiellung und Umordaung (gleichzeitige Beschäftigung vieler auch an den Geräten); möglichsten Verzicht auf Springbretter und Matratzen; Verwendung einer jweckmäßigen Turntracht, und vor allem größere Frelheit und Kraft für das Mäpchenturnen. — Die Hervorhebung dieser Punkte hat nicht den Sinn, als ob die in ihnen enthaltenen er ref. dem schwedischen Syltem alle oder auch nur jum größten eil eigentümlich wären. Nur das ist die Meinung des Vortragenden, daß sie im schwedischen Turnen allgemeiner beachtet und durchgefübrt feien, als im neueren deutschen Turnen. Im Prinzip brauche dag deutsche Turnen den Verglelch mit der schwedischen Gymnastik nicht u scheuen. Nicht den Kampf um Tie Alleinherrschaft = die eiden Systeme führen sondern den Wettstreit um Vervollkommnn Dabei brauchten die Deutschen nicht zu fürchten, daß sie mehr d Nehmenden als die Gebenden sein würden. Im deutschen Turnen habe man ein reiches Erbe von den Vätern überkommen, dag man , br, . und verwalten wolle, auf daß es bleibe, was eg
seinem Wesen nach sei: „Arbeit im Gewande jugendlicher Freude.
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