1906 / 294 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 Dec 1906 18:00:01 GMT) scan diff

cher Arbeltermangel, daß Tausende von Ihren Landsleuten dort nende ö ung finden enn, Ih. zwar zu 4 und U

einen Blick ins praktische Leben tut, muß sagen, es ist kein Stand in seinen Einkünften in den letzten Jahren so erheblich gestiegen, als unsere industriellen Arbeiter. Fragen Sie doch die Leute bei Krupp, was sie jetzt bekommen und was sie vor einigen Jahren bekamen; in jedem einzigen Jahre sind die Löhne um 7 und mehr èn . gestiegen. Wir werden ja jetzt genaue Auskunft über die

inkünfte der Arbeiter bekommen an der Hand der neuen Bestim— mungen der preußischen Einkommensteuergesetzgebung. Man wird erstaunt sein über die Einkommen, die da bekannt werden werden. Es sind Summen, welche über die Anfangsgehälter von Amtsrichtern und n wen Personen hinausgehen, es sind Summen über 30060 , die dadur zustande kommen, daß neben dem Familienoberhaupt auch die Familienmitglieder mitarbeiten. Daruber sollten Sie sich doch freuen. Daf Sie von diesen Tatsachen Kenntnis haben, davon bin ich positiv überzeugt. Damit fällt aber auch Ihre ganze Verelendungstheorie. In Dortmund ist der Lohn von 1000 auf 1400 M in den letzten 13 Jahren gestiegen. Der Kollege Wiemer hat den Bauern Anerkennungen gespendet für ihre Verdienste um die Viebzucht; lieber wäre es diesen gewesen, statt dieser platonischen Liebeserklärung ihnen seine Unterstützung in der Weise angedeihen zu lassen, wie sie es wünschen. tatt dessen empfiehlt er Zer. splitterung des Grundbesitzes und Hemmung der Fideikommißbildung! Na, die Bauern werden wohl sagen: was ich mir dafür kaufe! Wir haben in den östlichen Provinzen noch hunderte von Quadratmeilen, wo kleine Bauern angesiedelt werden können. Gerade meine politischen Freunde und unsere Nachbarn sind im Abgeordneten hause für eine sehr großzügige Politik der Verteilung des Grund und Bodens eingetreten. Wir haben Ansiedlungggesellschaften in Pm mmern und anderen Provinzen gebildet, die in höchstem Maße gut arbeiten, und schon jetzt einen großen Teil des Großgrundbesitzes, der wenig leistungs fähig gewesen ist, in die Hände kleiner Bauern gebracht. Ste (links) haben diese Politik nie unterstützt. Was sind das für Fidei⸗ lommisse, von denen Sie reden. Die Fideikommisse, das müßte der Abg. Wiemer wissen, bestehen zum größten Teile aus Wald. Egz ist ein hervorragendes Verdienst der Fideikommißbesitzer, daß unser Wald in den östlichen Provinzen noch etwas erhalten ist. Außer dem . ist es fast nur noch der Fideikommißbesitzer, der heute den

ald pflegt und erhält. Das ist sein dauerndes Verdienst. Davon haben auch die Arbeiter, die in den Forsten arbeiten, einen Vorteil. Ich erkenne durchaus an, daß der kleine Grundbesitzer ein hervor— ragendes Verdienst um die Viehzucht hat, aber ich muß daran er— innern, daß die Männer der Wissenschaft und die Großgrundbesitzer doch die Pfadfinder auf diesem Wege gewesen sind, daß sie zur Verbesserung der Viehstapel auch bei den kleineren Grundbesitzern beigetragen haben. Es ist auch nicht ganz richtig, was der Abgeordnete Wiemer sagte, daß der Großgrundbesitzer kein Verdienst um die Versorgung der Nation in Fleisch hätte. Die Mast der Schweine liegt allerdings fast ausschließlich in den Händen der kleinen Bauern, die Mast der Rinder und Schafe aber liegt fast ausschließlich in den Händen des Großgrundbesitzes. Durch Zuckerfabriken und Brennereien ist der Mastbetrieb in großem Umfange möglich und rentabel. Ich gehöre zu den Großgrundbesitzern, die die Liebhaberei haben, auch eine große Schweinezucht zu haben, und ich galt vor 2bis 3 Jahren als der beste Schweinezüchter in ganz Pommern. Da ist die Seuche gekommen und hat meinen Schweinebestand ver⸗ nichtet. Seitdem ist die Schweinemast die unrentabel ste Branche in meinem ganzen Betriebe. Fortgesetzt redet mir mein Administrator zu, diesen Geschäftszweig aufzugeben und zu einem rentableren über— jugehen. Ich habe es nicht getan, aus einem gewissen, ich möchte sagen Eigensinn, auch aus eiwas Anstandsgefühl. Ich sage mir, wenn der Großgrundbesitzer, der sich das leisten kann (Zurufe bei den Sozialdemokraten) Sie scheinen kein Anstandsgefühl zu kennen —, nun einmal jahrelang ohne Rente arbeiten muß, fo kann er das tun im Interesse der Hebung der Schweinezucht der ganzen Gegend. Das habe ich auch getan und ich hoffe, in einigen Jahren wieder an der Spitze zu marschieren. Ich will versuchen, wenn auch mit erheblichen Kosten, durch eine Auffrischung des Blutes wieder Erfolge zu haben. Ich hedaure auch, daß es die Herren so eilig hatten mit der Interpellation. Sie hätten in ihrem Interesse gehandelt, wenn sie diese Debatte zwei bis drei Monate hinausgeschoben hätten. Dann hätte man sehen können, ob es sich um einen dauernden oder vorübergehenden Preis rückgang handelt. Wir haben ja, wenigstens in Preußen, eine Vieh— jählung gehabt, und wenn Sie Wert darauf legen, objektiv festzustellen, ob wir jetzt noch in der Lage sind, unseren Fleischbedarf zu decken, dann hätten Sie das Ergebnis dieser Viehjählung abwarten sollen, ehe Sie mit Ihrer Interpellation heranplatzten. Mancher wird sagen: Man merkt die Absicht und wird einigermaßen verstimmt, daß die Herren diese Eile hatten. Wenn Sie nicht politische Absichten hatten, was ich natürlich annehme, dann waren Sie verpflichtet, im all⸗ gemeinen Interesse die Beratung dieser Interpellation hinauszu—⸗ schieben, bis das Ergebnis der Viel zählung klarstellte, ob es sich hier um eine dauernde oder vorübergehende Erscheinung handelt. Daß der Preisrückgang ein sehr erheblicher ist, können auch die Herren nicht leugnen. Ich habe mir eine Zusammenstellung über den Schweine⸗ auftrieb und die Preise der letzten vier Jahre machen lassen. Wir haben im November dieses Jahres auf dem hiesigen Viehbof Schweinefleisch erster Qualislät zum Preise von 128 S gehabt. Wir müssen schon bis zum April des Jahres 1805 zurückgehen, um einen Preis zu finden, der ebenso niedrig ist wie dieser. In der ganzen Zwischenzeit sind die Peeise höber gewesen. Wir haben einen Auftrieb in den letzten Monaten wiederholt gehabt, der sehr wesentlich den Duichschnitt des Auftriebes der Vorjahre überstiegen hat. Wir hatten im September d. J. einen Auftrieb von 113022 Schweinen und wir müfsen schon bis zum Okrober 1904 zurück ehen, um einen Auftrieb zu finden, der diesem entspricht. Sie sehen also, daß wir uns der Hoff⸗ nung hingeben können, daß wir in verhältnismäßig kurzer Zeit die vor— handene Minderproduktion ausgleichen. Ich bin der Ansicht, daß dieser Preisrückgang aller menschlichen Voraussicht nach ein anhaltender sein wird. Die Futtermittel sind in diesem Jahre billiger als früher. Die Kartoffeln sind so billig, wie seit langein nicht. Sie können bei uns in Pommern Kartoffeln bekommen für 90 3 bis zu 1 6 In diesem Jahre stehen uns große Quantitäten einheimischen Futtergetreides zur Verfügung. (Zuruf des Abg. Gothein) Es wird Ihnen nicht gelingen, mich zu widerlegen. Ich stütze mich auf eine Auforität, die jedenfalls der Abg. Gothein anerkennen wird, denn er ist es selber. Er hat im vorigen Jahre eine ganz ähnliche Mluzfü hrung ge macht. Er erzählte im vorigen Jahre, daß er in seinem Wahl- kreise eine Reihe seiner Wähler gesprochen hätte, es wäre sehr gut, wenn er das haufiger täte, er hätte, sagte er, einem ge⸗ raten, mehr Schweine zu züchten bei den guten Schweinepreisen. Darauf wurde ihm geantwortet: das können wir gar nicht; wir haben so wenig Kartoffeln geerntet und die Futtermittel sind fo teuer, daß wir mit Mühe und Not zwei Schweine statt vier bis sechs, wie früher, duichfüttern können. Darauf gab der Abg. Gethein den Rat, neue Ferkel anzusetzen. Auch das, wurde ihm erwidert, sei nicht mög⸗ lich, weil die Preise unerhört hoch wären. Nun möchte ich den Abg. Gothein ersuchen, daraus die Konsequenzen für dieses Jahr zu ziehen. Wir haben in diesem Jahre so billige Futterpreise wie noch lange nicht. Die kleinen Leute werden dem Abg. Gothein sagen: jetzt endlich sind wir in der Lage, statt zwei, vier bis seg s Ferkel anzufetzen. Der Abg. Gothein wird zugeben, daß die konservativen Bauern nicht dümmer sind alt die freisinnigen. Im Gegenteil, das können Sie schon daraus sehen, daß die Leute überhaupt konserbatip wählen. Die Schweine⸗ produktion wird also in nächster Zeit eine wesentliche Ausdehnung erfahren. Eg kann wohl mal die Zeit kommen, wo Deutschland seinen Bedarf an Rindvieh nicht decken kann, denn für die Rindvieh— produltion liegen die Verhältnisse nicht so günstig, aber den Bedarf an Schweinen wird Deutschland voraussichklich noch Dezennten pro— duzieren, denn dafür liegen die Verhaͤltnisse besonders günslig. Nach den neueren Forschungen haben wir Kartoffelsorten eingeführt,

lo 24 5 10 ta . Lohn und noch mehr. die Verelendungstheorie des af , . will ich nicht näher eingehen. Wer

die auf schwerem Boden sehr gut gedeihen, und 100, 130 und mehr Zentner auf den Morgen Ertrag ergeben. Und wenn Deutschland an landwirtschaftlichen Produkten nicht mehr so viel produzieren könnte, wie es braucht, so wird es voraussichtlich einen großen Teil seiner Getreideproduktion in Vieh umsetzen können. Wir werden also mit eigenen e, en unsere Viehproduktion noch erheblich steigern können. Die Frage der Seuchenbekämpfung ist allerdings noch nicht im wesentlichen erledigt, wie der Minister meinte. In meiner Heimat haben viele Besitzer fast ihren ganzen Schweinebestand verloren und seit zwei Jahren noch nicht ergänzt. Es hat sich nur daö Serum gegen Rotlauf bewährt, aber dasjenige gegen die Schweineseuche versagt vollständig und der landwirtschaft⸗ lichen Bevölkerung wird dafür viel Geld aus der Tasche gezogen. In Annoncen werden diese Seuchensera als staatlich geprüft empfohlen, davon kann aber keine Rede sein. Gegen die Seucheneinschleppung müssen wir noch energischer vorgehen. In Pommern ist die Seuche wiederholt durch Ferkel aus Ostpreußen eingeschleppt worden. Deshalb müssen die Transporte im Inlande ebenfalls kontrolliert werden. Bricht jetzt in einem Kreise die Seuche aus, so kauft der Händler die Ferkel auf, geht damit in einen Nachbarkreis und läßt von dem dortigen Tierarzt konstatieren, daß dort keine Seuche ist. Das staatliche Institut in Greifkwald hat uns vor einigen Jahren wiederholt die Seuche gebracht. Darin ist ober wohl hoffentlich Abhilfe geschaffen worden. Für die Verschärfung der Fleisch⸗ beschau sind seinerzeit gerade die Freunde des Abg. Gothein ein— getreten. Nicht einmal die von uns gewünschte Freilassung der Haußt⸗ schlachtungen wurde von jener Seite zugestanden. Die Fleischbeschau⸗ gebühr ist jetzt sebr erheblich, sie beträgt für das Rind 3 , für das Schwein 1,60 . Die Fleischbeschauer sind nicht zuverlässiger ausgebildet, sie sind nur im Nebenamt tätig und häufig wird von ihnen Vieh beanstandet, das da oft tagelang liegen muß, bis der Tierarzt kommen kann, und inzwischen ist es verdorben. Der Kreistierarzt bekommt für die Untersuchung auch noch 3 S für das Rind, 2 416. für das Schwein, dazu kommen die Reisekosten; durch die Fleisch⸗ beschau wird also das Fleisch kolossal verteuert. Der Graf Posadowsky teilte mit, daß die Beschaugebühren für das Ausland ermäßigt werden sollen; da wird hoffentlich der preußische Landwirtschaftsminister auch die Ermäßigung der Beschaugebühren für inländisches Fleisch ver—⸗ langen. Kolossale Verluste entstehen durch die rigorosen Bestimm ungen des Fleischbeschaugesetzes. Bisher mußte das ganze Rind, wenn es auch nur eine einige Finne hatte, verworfen werden. Sachverständige sagten mir, das wäre der reine Skandal, denn es sei Zufall, wo der Tierarzt gerade schneide, ob er eine Finne finde. Nach einem Beschluß des Bundesrats braucht jetzt ein solches Vieh nicht absolut verworfen zu werden, wenn es drei Monate auf Eis gelegt wijd. Wie soll man das aber auf dem Lande machen? Wir haben auf dem Lande auch keine Freibänke, deshalb muß das Vieh, das in der Stadt noch verwertet werden könnte, verworfen werden. In Bayern hält man eine obligatorische Trichinenschau nicht für nötig, weil dort nicht rohes Fleisch und Schinken, sondern nur Wurst aus gekochtem Fleisch gegessen wird. Ich schließe daraus, daß die Trichine das Kochen nicht verträgt. Dann sollte man aber trichinöse Schweine nicht einfach vergraben, sondern zum menschlichen Genuß brauchbar machen, indem man sie auch in Norddeutschland wie in Bayern zu Wurst verarbeitet. Daß, wie der Abg. Gothein im vorigen Jahre meinte, die Fleischbeschau für das Inland beibehalten, aber für das Ausland aufgehoben oder wesentlich gemildert werden soll, wird kein versländiger Mensch verlangen. Den Zwischenhandel halten wir innerhalb ge— wisser Grenzen für durchaus notwendig und berechtigt und es falt uns garnicht ein, ihn überall ausschalten zu wollen. Wir legen aber entschieden Verwahrung dagegen ein, daß wir die Schlächter und Handwerker durch den Zwischenhandel schädigen wollen. Vor zwei Jahren sagte mir bei einer Unterredung der sozial⸗ demokratische Leiter eines Konsumvereins in Leipzig Plagwitz, er habe sich mit größeren Lieferanten in Verbindung ge— setzt und könne so den Arbeitern das Schweinefleisch um 5 (S. für den Zentner billiger zur Verfügung stellen, als wenn sie sich des Zwischenhandels in Leipzig⸗Plagwitz bedienen müßten. Hier in Berlin macht schon die Provision 14 S aus. Wenn ein Konsumvereins—⸗ verwalter dritter Klasse durch Pommern fährt und Schweine selber einkauft, so muß auf diese Weise mindestens ein Minderbetrag von 5 M. für den Zentner herauskommen. Weshalb beschreiten Sie diesen Weg nicht? (Zuruf des Abg. Bebel: Das tun viele Konsumvereine.) Sie tun es nicht. Ich bin durchaus nicht dafür, daß in jeder kleinen Stadt ein Konsumverein gegründet wird, aber da, wo sie bestehen, sollten sie in dieser Weise vorgehen. Auf den Vergleich der Preise im Inland und Autland gehe ich nicht ein. Ich verstehe nicht, wie ernste Männer, zu denen ich auch den Abg. Scheidemann jetzt noch rechnen zu können glaube, annehmen, sie können uns damit imponieren, wenn sie die Preise für ein Pfund Fleisch in den ver— schiedenen Ländern nennen. Wir haben gestern vom Abg. Gersten— berger gehört, daß er sich an Ort und Stelle von den Preisen überzeugt hat, und waren alle erstaunt über die niedrigen Preise. Wenn Sie sich aber nur eine halbe Stunde von Berlin ent— fernen, so werden allerdings die Preise 10 bis 20 0,υ höher sein. Der Graf Schwerin hat ganz spezielle Angaben gemacht und die Preise von London und Berlin verglichen. (Zuruf des Abg. von Gerlach: Von einer Firma.) Sie wissen doch, daß keine Firma billiger verkauft als die andere. Ich bin durchaus dafür gewesen, daß die gewerbliche Kinderarbeit beschränkt wurde. Aber wir müssen uns klar machen, daß dies auch wieder eine wesentliche Verteurung der Betriebe bedingt, die sich früher der Kinder zur Mithilfe bedienten. Dies trifft auch auf die Schlächter zu, die das Fleisch durch die Kinder austragen ließen. Ich habe eine Reihe von Abrechnungen eines Kollegen aus dem Reichstage, wonach dieser an jedem Postpaktet Fleisch, das er ver— sendet, 2 bi 3 verdient. Ist das nicht ver kiarste Beweis dafür, daß in Berlin die Preise in die Höhe getrieben sind durch die Marktgebühren, die Verzinsung des Viehmarkts, die Händler— provisionen, die gut ausgestatteten Schlächterläden und die Wünsche, die jeder einzelne Kunde har? Nun muß ich dem Abg. Scheidemann eine Eloge sagen, daß er nämlich einen Artikel der ‚National-Zeitung“ hier vorgetragen hat. Wie kann ein Privatdozent, ein Mann der Wissen— schaft solche Bären aufbinden, wie sie hier aufgebunden sind! Wer so geradezu leichtfertig mit Zahlen um sich wirft, sollte auch nicht einmal von sozialdemokratischer Seite als Autorität verwandt werden. Auch Ihnen wird es bekannt sein, daß ein Rind ein sehr viel größeres Gewicht hat wie ein Hammel. Der Abg. Scheidemann hat es nicht gewußt, er hat genau das wieder— gebetet, was Herr Leoi ihm vorgebetet hat. Wir hatten 1904 einen Rindviehbestand von 19, Millionen Stück, England da— gegen nur 11,05 Millionen; Schweine hatte Deutschland 189, England nur 4,2 Millionen Stück, Schafe in Deutsch— land allerdings nur 7,5 Millionen, in England 29,1 Millionen, also im ganzen in Deutschland 46,1, in England 44,8 Millionen Stück Vieh. Wenn man nicht nur zählt, sondern das Gewicht berüclsichtigt, so ist das Rindvieh mit einem Schlachtgewicht von mindestens 24, nach anderen Sachverständigen sogar von 3 dz zu voeranschlagen. Bei Schweinen ist das durchschnittliche Schlachtgewicht 9,9, bei Schafen A22 dz. Danach stellt sich das Exempel folgendermaßen: Deutschland hat Millionen Doppelzentner: Rinzfleisch 43,26, Schweine— fleisch 1703, Schaffleisch 1,5, im Janzen 67,03 Millionen Boppel— zentner Fleisch. England: Rindfleisch nur 28, Schweinefleisch 3,75, Schaffleisch 64, also im ganzen nur 39 Mill. Doppel jentner Fleisch. Es entfällt in Deutschland auf den Kopf der Bevölkerung 112566, in England 91, 2B kg. Dies ist die richtige Rechnung, die nur tendenziös entstellt wiedergegeben wird. Ich bin der Ansicht, daß gerade der kleine Grundbesitzer durch kein Mittel so geschädigt wird, wie durch die wesentliche Verbilligung der ausländischen Futtermittel. Er treibt fast ausschließlich die Schweinemast und verwendet selbstgewonnene Futtermittel. Nach dem wirtschaftlichen Gesetz, daß eine Verbilligung des einen Rohprodultez eine Verbilligung des anderen Rohproduktes im Gefolge hat, müssen, wenn die Fusltermittel im Auslande billig werden, dem kleinen Bauern die inländischen Futtermittel entwertet werden. Nur die wenigsten Futtermittel snd noch mit Zoll belegt, und namentlich in diesem Jahre, wo wir selbst genug Futtermittel haben,

kommt dies noch weniger in Betracht. Auf die Oeffnung der Grenzen für Vieh gehe ich nicht weiter ein. Die Erfahrungen haben bestätigt, daß trotz der größten Vorsichtsmaßregeln bler auf dem Berliner Schlachthof eingeführtes ungarisches Vieh wiederholt an Maul⸗ und Ulauenseuche erkrankt ist; auch in Oberschlesien sind trotz der Kontingentierung wiederholt Seuchen eingeschleppt. Damit ist hin— reichend erwiesen, daß eine Qeffnung der Grenjen eine unverantwort— liche Leichtfertigkeit wäre. Dagegen halte ich es für erwägenswert, falls wirklich wider Erwarten in der Zukunft die Fleischpreise eine erhebliche Preissteigerung eifahren sollten, ob nicht Grenz— schlachthäuser zu errichten sind. Meine politischen Freunde sind übereinstimmend der Ansicht, daß eine übermäßige Steigerung der Fleischpreise in keiner Weise erwünscht ist. Wir haben Rücksicht zu nehmen auf den Handwerkerstand, auf die kleinen Beamten, deren Gehälter sich nicht immer dem Preisniveau der Lebensmittei anpassen lassen, und endlich auf die Landwirischaft selbst. Der Kollege Wiemer hat das richtige Wort ausgesprochen. Die Land—⸗ wirtschaft hat kein Interesse an sprungweise in die Höhe getriebenen Preisen. Wir wünschen eine stabile Entwicklung der Preise, aber nicht zu solcher Höhe, daß der Konsum wesentlich darunter leidet. Diesem Ziele kann näher gekommen werden durch die Anlage von Schlachthäusern an der Grenze im Inlande. Gewiß besteht auch hier eine Einschleppungsgefahr; aber es ist ein sehr großer Unter⸗ schied, ob man die Kontrolle bei uns durch einheimische Beamte wahrnehmen kann, oder ob dies im Auslande stattfindet. Ich habe zu den aukländischen Tierärzten nicht das Vertrauen; auch ist die Kontrolle des Personals wirksamer durchzuführen, wenn das Schlachthaus auf unserer Seite liegt. Indem ich im übrigen die Mittel auch meinerseits empfehle, die der Graf Schwerin empfohlen hat, habe ich zu der Frage der Trantzporttarifverbilligung noch mein Befremden auszusprechen, daß die Regierung nicht längst von diesem Mittel Gebrauch gemacht hat, wie es doch sonst so oft durch Notstandstarife geschehen ist. Ich bitte den landwirtschaftlichen Minister, die Initiative auf diesem Gebiete bei dem vreußischen Eisen⸗ bahnminsster zu ergreifen. Ich komme zum Schlusse. (Bedauernde Zurufe links.) Ja, Herr Gothein, Sie wollen doch auch noch reden. Der Abg. Scheidemann hat das Ausland für fast seuchen⸗ frei, das Inland für total verseucht erklärt; er meinte, die aus— wärtigen Regierungen täten alles, um die Verfälschung von Lebengz— mitteln zu bekämpfen, bei unt geschähe gar nichts, Das trifft auch nicht mit Bezug auf Holland zu, welches der Abg. Scheidemann speziell anführte. Wie der Abg. Scheidemann dazu kommt, der Schrift seines Partei— genossen Sinclair jede Berechtigung abzusprechen und die Zustände in Chicago zu loben, das verstehe ich nicht; das entspringt auch nur der Sucht, alles Deutsche in den Kot zu ziehen und alles Aus— ländische zu loben. Der Abg. Gothein wollte vor Jahren einmal eine Wette eingehen, daß er eine amerikanische Trichine ohne Schaden verzehren könnte. Ich würde solche Wette nicht machen, nicht wegen der tausend Mark, die dabei zu verlieren sind, sondern wegen der Gefahr, daß ich angeklagt würde wegen fahrlässiger Tötung des Abg. Gotbein, und solches Unglück möchte ich doch nicht verantworten. Der Abg. Gothein wußte früher auch ganz genau, daß die amerikanischen Fabrikate mit peinlichster Sauberkeit her— gestellt würden, während z. B. unsere Konservenfabriken unsauber seien. Er hat früher die deutsche Industrie mit der amerika nischen verglichen und erstere dabei direkt sozusagen beleidigt. Er soll doch auch der deutschen Arbeit, der deutschen Industrie end- lich Gerechtigfeit widerfahren lassen. Die deutschen Arbeiter und Bauern decken 750½ des deutschen Bedarfs; sie haben ein Recht a. daß auch der Reichstag einmal ihnen seine Anerkennung aust— pricht.

Abg. Got hein (fis. Vgg.): Zunächst möchte ich den Landwirt— schaftsminister bitten, nicht von jenem Platze zu sprechen, denn er ist nicht im Besitz eines weittragenden Organs. Wir sind angewiesen, aus den Zeitungen zu entnehmen, was er gesagt hat, und ich habe gefunden, daß auch die Berichterstatter ihn nicht recht verstanden haben, denn vier Zeitungen enthalten ganz etwas Ver— schledenes. Der Abg. Paasche hat den Minister als agrarischen Ver— treter bezeichnet. Wir waren ja nicht überrascht, wir dachten uns gleich: es wäre derselbe Faden und nur eine andere Nummer. Der Abg. Scheidemann sollte wissen, daß ich mit Caprivi die agrarische Gefahr für sehr viel gefährlicher halte, als die sozialdemokratische Gefahr. Ich habe die Interpellation für überflüssig gehalten und habe meine Unterschrift nur sehr ungern gegeben. Ber Abg. Gamp hatte bei der ersten Besprechung der Fleischteuerung im vorigen Jahre den Präsidenten gebeten, die weitere Besprechung auf die nächste Tagesordnung zu setzen, um die vielen Unrichtigkeiten des Abg. Gothein zu widerlegen. Wenn die konservative Partei ein so großes Interesse daran gehabt hätte, so hätte die Linke sie unterstützt, die weitere Besprechung vorzunehmen. Der Abg. Gamp hat aber während der ganzen Session einen solchen Antrag nicht gestellt. Heute sagt er, die Interpellationen kämen 2 big 3 Monate zu früh! Ich habe im vorigen Jahre erklärt, die Handhabung der Viehsperre stehe im direkten Widerspruch mit dem 5]? des Viehseuchengesetzes. Diese Erklärung ist absolut unwiderlegt geblieben. Der damalige Landwirtschaftsminister und der Reichskanzler haben alles ruhig eingesteckt. Es genügen nach dem 57 hei einer bedrohlichen Seucheneinschleppung Maßregeln, „welche die Gefahr vermindern“. Ist in der ganzen Zeit der ausländische Viehbestand derartig verseucht, daß eine Gefahr für den inländischen Viehbestand vorlag? Diese Frage kann von keinem Menschen bejaht werden, der dem russischen und österreichischen Handelsvertrag zugestimmt hat. Die anderen Staaten sind viel weniger verseucht als Oesterreich und Rußland und von Oesterreich läßt man Rindvieh unter bestimmten Voraussetzungen ein, die ebenso gut den anderen Staaten zu— gestanden werden können. Wir sperren aber spstematisch die Grenzen gegen Rindvieh, besonders gegen Holland und die Schweiz. Man kann doch nicht verlangen, daß wir für ewige Zeiten die Grenze sperren sollen, weil man sagt, die Regierung habe die Verpflichtung, die Sperre zu verhängen, aber nicht, sie aufzuheben! Selbst der Bund der Landwirte hat den Stani punkt vertreten, daß die Sperre aufgehoben werden müsse, weil die Seuchengefahr im Aus— lande nicht allzu groß sei. Der Bund suchte damit nämlich die Erhöhung der Viehzölle zu retten. In den Niederlanden, Dänemark, Schweden war im zweiten Quartal kein Fall von Maul und Klauen seuche bekannt und hoch wurde kein Stück Rindvieh eingelassen, nicht einmal Milch. In Desterreich⸗Ungarn waren die Seuchen viel verbreiteter ols in Frankceich. Nun hieß es gestern, wir könnten die Rinder nicht aus den Niederlanden einlassen, weil in Luxemburg die Seuche herrsche. Man scheint nicht zu wissen, daß Luxemburg zum Zollverein gehört. Dem Reichskanzler stebt die Ueberwachung zu und er kann sich nicht dahinter verschanzen, daß er sich darum nicht kümmere, er hat Leute genug, die über die Ausführung der Gesetze wachen können Durch die Sperre der holländischen Grenze leidet auch unsere Milchversorgung, die Landwirtschaft in erster Linie. Selbst Herr von Podbielski, der beste Landwirtschaftminister im agrarischen Sinne, hat ja vor einem Jahre das Lob des holländischen Viehes gesungen. Wie steht es mit den Tuberkulinproben des Rindviehes? Sie nützen gar nichts. In Breslau waren im litzten Jahre 46 ol aller Ochfen tuberkulös. Aus Oesterreich läßt man Rindvieh ohne Tuberkulinproben ein. Die Tuberkulinprobe ist eine direkt unsinnige Sache. Die Rinder— grenzsperr- gegen Rußland aufzuheben hat niemand verlangt; aber auch der Vorschlag des Kollegen Gamp, Schlachthäuser an der Grenze zu errichten, würde Abhilfe schaffen. Verboten ist auch die Rindvieheinfubr aus Amerika. England läßt die amerikanischen Rinder bei sofortiger Abschlachtung ganz ruhig lebend herein; warum sollen wir nicht auch von diesem Beispiel lernen?

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Die Rechte hat diese Tatsachen freilich immer bestritten. Das Gesetz berechtigt die Regierung jedenfalls nicht? auf eine bloße Konjektur hin die Grenze einfach zu sperren. Die Handhabung des Vieh— seuchen - und Fleischbeschaugesetzes wimmelt überhaupt von In konsequenzen. Die Maul⸗ und Klauenseuche wird doch auch nscht bloß durch Vieh, sondern auch durch Menschen verbreitet und es fällt doch niemand ein, die Grenzen für jeglichen Verkehr von Menschen und Waren zu sperren. Der Minister hat nun gemeint, wir werden immer einige Seuchenherde behalten, so berichten Über⸗ einstimmend die Deutsche Tageszeitung' und die „Kreuzzeltung' und legen dem Minister damit etwag Falsches in den Mund. Wir haben die Maul⸗ und Klauenseuche von Posen bis zum Elsaß; in keinem Falle aber wird nachzuweisen sein, daß sie aus dem Auslande eingeschleppt ist. Trotzdem aber wehrt sich der Minister gegen die Einfuhr auch nur eines lebenden Schweines aus Dänemark und den nordischen Reichen. Nun, kommt die große Konzession, daß frisches Fleisch aus diesen drei Ländern soll eingeführt werden können. Warum das bisher nicht schon statthaft war, ist nicht einzusehen. Selbst die Deutsche Tageszeitung schreibt, die Seuchenverhältnisse in Dänemark, Schweden, Norwegen und den Niederlanden ständen ver—= hältnismäßig günstig. Während aber England die lange Seefahrt nach England für eine genügende Quarantäne erklärt, brauchen wir eine solche von 4 Wochen, was natürlich in Wirklichkeit einem völligen Einfuhrverbot gleichkommt. Wir brauchen ja auch nicht gerade argentinisches Rindvieh, wenn wir kanadisches, neuseeländisches, australisches bekommen können. Herr von Podbielski tröstete bor 14 Jahren die Oberschlesier mit dem prophetischen Wort, in 5 Wochen würde man einen Ueberfluß an Schweinen und sehr billige Preise haben. Aber am 15. August 1905 traf diese Verkündigung nicht ein. Herr von Podbielski hat ja später erklärt, er habe selbst an seine Prophezeiung nicht geglaubt, er hätte aber die Sache nicht anders öffentlich behandeln dürfen, denn welches Hallo wäre entstanden, wenn er eine so lange Fleischnot, wie sie tatsächlich eintrat, voraus—⸗ gesagt hätte. Ja, wie soll man dieses Verfahren nennen? Herr Riccaut de la Marlinièöre würde gesagt haben: çorriger la vösrité. Die Fleischnot in Oberschlesien suchte die Zentrale für Viehverwertung in der bekannten Weise aus der Welt zu schaffen, worüber der Briefwechsel zwischen Herrn Ring und den Landwirtschaftskammern interessanten Aufschluß gibt. Die Sache kostete Geld und Ring forderte nur, was er kriegen konnte, von der schlesischen Landwirtschaftskammer nicht mehr als 10 000 „, weil diese nicht mehr in ihrem Extraordinarium hatte, von der westfälischen forderte und bekam er 20000 . Jedenfalls hat er viel Geld bekommen und mit diesem Gelde sind die Schweine nach Oberschlesien geschafft worden, um die Erhöhung des Kontingents hintanzuhalten. Die schlesische Kammer sagt in ihrem Bericht, daß, um die weitere Oeffnung der Grenzen zu ver— hindern, zweckdienliche Maßnahmen hätten ergriffen werden müssen; das heißt, sie billigte Maßnahmen, die eine Faäͤlschung der Marktlage bedeuteten, sie unterstützte ein Schwindelmanöver, ein Manöver, wie man sie von dort rechts), wenn sie an der Börse vorkommen, nicht genug verurteilen kann; es wurden Schweine mit Verlust verkauft; eine solche Schwänze ist von irgend einem Börsenbesucher nie gemacht worden; der Gedanke, daß eine Handelskammer selbst eine solche Schwänze ins Werk setzen würde, ist überhaupt undenkbar. Haben die Landwirtschaftskammern, ehe sie das Geld bekamen, erst die Ein—⸗ willigung oder Genehmigung des Landwirtschaftsministers eingeholt? Sind wir denn sicher dabor, daß ähnliche Manöver jetzt nicht mehr gemacht werden? Im Etat der Landwirtschaftskammer für die Provinz Schlesien ist das Siebenfache des früheren Be— trages im Extraordinarium ausgeworfen. Dazu kommen die kolossalen Staatsunterstützungen, die die Landwirtschaftskammer für die Provinz Schlesien mit 23 000 S erhält, und noch einige 50 000 6 von der Provinz. Ich gehöre auch zu den Leidtragenden, die als Grundbesitzer zu diesem Betrag beisteuern müssen, und auch mein Geld wird zu solchen Manövern verwendet. Ich werde bei dem nächsten Provinziallandtag beantragen, daß kein Zuschuß mehr an die Kammer gegeben wird. Wir lassen die Schweine nur aus Ländern herein, die keine haben. Das trifft vor allem für Oesterreich zu. Was nützt uns Amerika? Kein Schwein kann eine solche weite Seereise vertragen. Ich habe natürlich nur die tierischen Schweine gemeint. Ich möchte noch hervorheben, was in der langen Zeit der Fleischnot das Ministerium zur Erleichterung der Einfuhr getan hat. Es hat eine sanitäre Bestimmung getroffen, daß nämlich die Lymph⸗ drüsen nicht angeschnitten werden dürfen. Das ist extra von den Tierärzten im Ministerium ausgeklügelt worden, um nachzuweisen, daß so und so viel Vieh sich bei der Untersuchung als krank erweist. Nieder⸗ ländische Schweine dür fen in Deutschland nicht geschlachtet werden, aber das Fleisch genießt Freizügigkeit durch das ganze Deutsche Reich, ebenso beim österreichischen Schwein, aber nur wenn es in den deutschen Grenzschlachthäusern geschlachtet wird. Das ist auch eine Inkonsequenz unserer Gesetze. Nun sollen wir ja nach den Ausführungen des Ministers keine Fleischnot mehr haben und die Schlachtungen sollen so erheblich gestiegen sein. Allerdings sind die Schlachtungen von Schweinen gestiegen, aber nicht diejenigen von Großvieh, Schafen und Kälbern. Diese haben abgenommen und, in Fleisch umgerechnet, steht in Preußen ein sehr viel geringeres Fleischquantum zur Verfügung als in dem gleichen Quartal 1905. Wenn es eine feile Dirne gibt, so ist es die Statistik! Die Reichsstatistik hat neuerdings ermittelt, daß der Fleischverbrauch 1905 für den Kopf 48,72 Kilogr. betragen habe. Diese Berechnung hat keinen irgendwie zuverlässigen Hintergrund. Im Jahre 1900 ist sehr viel mehr geschlachtet worden und da betrug der Fleischverbrauch 40 Kilogr. Es ist also eine positive Unmöglichkeit, daß die Zahl der Reichsstatistik stimmt. Ferner soll der Fleischverbrauch 1965 gegen 1904 um O, 3 Kilogr. zugenommen haben. Selbst der Bund der Landwirte nimmt an, daß er um 3,06 Kilogr. zurückgegangen ist; in Breslau ist der Verbrauch 1996 gegen 19065 um 6,7 Kilogr, gegen— über 1904 um 3,7 Kilogr. zurückgegangen. Der Abg. Gamp verfährt schemgtisch, indem er ohne weiteres das Gewicht des englischen Rindes und Schafes gleich dem des deutschen Rindes und Schafes setzt. Wir haben allerdings eine Gewichtszunahme durch Verbesserung der Zucht gehabt. Sie hat aber nur bis Anfang oder Mitte der 90 er Jahre angehalten. Seitdem wir das ausländische Vieh nicht mehr eingelassen haben, hat sich die Zucht verschlechtert und das Gewicht vermindert. Wir haben in Breglau ungefähr 12 000 Rinder jährlich geschlachtet. In dem Zeitraum von 1961 bis 1906 ist das Gewicht um 35 Kilogr. gleich 6 0,90 zurückgegangen, und zwar konstant, bei den 100 bis 120 000 Schweinen von 1901 bis 1906 um 30 Kilogr. gleich 10,4 osoc Schon das spricht dafür, daß die Berechnung des Statistischen Amts falsch ist. Wenn die Zahl und das Gewicht der geschlachteten Tiere, zurück- gegangen ist und die Bevölkerungsziffer sich gehoben hat, müssen wir logischerweise einen ganz enormen Rückgang des leischverbrauchs für den Kopf der Bevölkerung gehabt haben. In St. Johann a. d. Saar wurden trotz der großen Zunahme der Bevölkerung 1906 nur 400 Ochsen gegen 697 im Jahre 1896 ge— schlachtet. Dafür ist aber der Pferdefleischkoönsum erheblich größer geworden. In Breslau haben dse Volksschullehrer eine Eingabe ge—⸗ macht und darin nachgewiesen, wie alle Ausgaben gestiegen sind.

Zweite Beilage zum Deutschen Neichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

1906.

Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember

Eine Familie von 7 Personen verbrauchte 1905 für Fleisch 343 ., jährlich mehr als früher. Der Magistrat hat diese Rechnungen für richtig befunden und die Gehälter erhöht. Man bestreitet die Unter ernährung des Volkes. In Breglau hat ein berühmter Hygieniker festgestellt, daß 1906 nur die bestentlohnten Arbeiter sich so ernähren können, wie es die Wissenschaft als erforderlich erachtet. Aus der mir vorliegenden amtlichen Statistik ergibt sich, daß die Auslands⸗ preise in Rotterdam, Kopenhagen usw. billiger sind als bei uns. Der Graf Schwerin hat uns eine Tabelle aus dem Westvierte! Londons vorgeführt. Ich wäre sehr vergnügt, wenn ich im Westen dieselben Preise bezahlen könnte, wie fie in London gejahlt werden! Bei uns sind die Durchschnittspreise be— deutend höher als in England, Australien und Argentinien. In Holland kennt man eigentlich nur den kleinen Betrieb. Was führt Bolland nicht für Mais ein! Mais ist immerhin ein ebenso gutes Futtermittel wie Kartoffel. Holland ist nicht so dumm, auf Mais einen Zoll zu legen. Die westpreußische Landwirtschaftskammer scheint aus lauter Kulingriern zu bestehen. Sie will uns die auserlesensten kulinarischen Genüsse verschaffen, indem sie Kulis einführen will. Ich habe Ihnen manches zugetraut, aber das nicht. Der Groß— grundbesitz hat ein besonderes Interesse an hohen Rinderpreisen. Die Rinderpreise sind viel höher gestiegen als die Schweinepreise, wie sich auch aus einer Eingabe der Stadt Berlin ergibt. Der Redner geht dann näher auf die erheblichen Erschwerungen der Ein“ fuhr durch die Vorschriften des Fleischbeschaugesetzes ein und bespricht dann die Spannung zwischen den Fleisch und den Viehpreisen und die durch die städtischen Schlachtsteuern angeblich verursachte Preis- steigerung. Zu letzterem Punkte führt er aus: Als wir in Breslau die Schlachtsteuer erheblich herabsetzen wollten, wurde uns die Ge— nehmigung dazu von den zuständigen Ministern versagt. Ich habe in der Breslauer Stadtverordnetenversammlung immer für die Aufhebung der Schlachtsteuer gestimmt; daß wir damit nicht durchdringen, liegt daran, daß die Rechte nur um 3 Mitglieder schwächer ist als die Linke und von dieser leider auch 6 Mann gegen die Aufhebung stimmten. Im Zolltarifgesetz ist die Aufhebung der staͤdtischen Oktrois fur 1910 vor⸗ geschrieben; im Plenum ist dieser Antrag von dem Abg. von Kardorff ge⸗ stellt worden, aber in der Kommission war ich der Urheber. Der Graf Posadowsky . jetzt still halten, auch wenn er auszuführen hat., daß Deutsch⸗ land seinen Viehbedarf selbst decken kann. Er hat vor 8 Jahren über zeugend nachgewiesen, wie damals davon gar keine Rede sein konnte; seitdem hat sich die deutsche Bevölkerung um 63I— 83 Millionen vermehrt, und wenn der Bedarf damals nicht vom Inlande zu decken war, ist er es heute noch viel weniger. Nun heißt es, das Ausland könnte uns auch bei offener Grenze nichts zuführen. Das ist falsch; die Einfuhr von Gänsen, die zollfrei geblieben sind, ist gegen das Vorjahr ganz außerordentlich gestiegen. Der Abg. Gerstenberger meinte gestern, jeder wolle sein Schäfchen scheren; er hat damit wohl mehr auf die naiven Schäfchen seiner Gemeinde hinweisen wollen, als auf dieses hohe Haus. Die Kontingents— beschränkungen müssen aufhören, dann wird es auch mit den Preis— drückereien seitens der dortigen Schlächter zu Ende sein. Der deutsche Landwirtschaftsrat hat ja in seiner hygienischen Philanthropie auch Resolutionen über die gesunde Beschaffenheit der Milch gefaßt und da als eine Maßregel der Besserung die Aufhebung der Zollfreiheit und die Fixierung eines Zollsatzes von 4 M für Milch und 10 für Rahm gefordert; daneben werden Prüfungsvorschriften für die eingeführte Milch empfohlen, welche sich ungeführ, ebenso charakterisieren, wie die be⸗ stehenden für die Fleischbeschau. (Der Redner verliest diese Vorschläge unter wachsender Unruhe und zuletzt unter stärmischen Schlußrufen aus der Rechten und dem Zentrum. Wird solchen Anträgen Folge gegeben, so bedeutet das eine wissentliche Erschwerung der Beschaffung desjenigen Lebensmittels, welches gerade für die Ernährung der Kinder im ersten Lebensjahre absolut notwendig ist. Der Bestand an Kühen in Deutschland ist zurückgegangen; überall bilden sich Milchringe und schrauben die Preise in die Höhe. Fortwährend mehren sich die Stimmen, die die Unterernährung der Bevölkerung konstatieren; hier aber kommen die berufenen Vertreter der deutschen Landwirtschaft und fassen einen derartigen Beschluß! Es ist ein bißchen spät geworden, ich muß mir einen Teil meines Vortrages versagen, weil es mir heute zu schwer fällt, so lange zu reden (Der Redner spricht bereits nahezu zwei Stunden); aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Einige Punkte muß ich indessen noch erörtern. Der Abg. Gamp meinte, man müsse den Fideikommißbesitzern dankbar sein für die Auf— rechterhaltung des Forstbesitzes. Städte und Staat verwalten den Wald mindestens ebenso gut. Was aber die Domänen

sich vergeblich um ein Stück Land bewerben. Der Abg. Gamp sprach von der 10900 S½⸗Wette über die Unschädlichkeit der amerikanischen Trichine. In Amerika ist noch niemals eine Trichinenerkrankung vor⸗ gekommen, obwohl das Fleisch nicht auf Trichinen untersucht wird. Solange über Interpellationen ein Beschluß nicht gefaßt werden kann und wir nicht wissen, wie die Parteien dazu stehen, hat eine solche Interpellation eigentlich keinen Zweck. Jedes Volk hat ja die Regierung, die es verdient. Bei dem Zolltarif war sie immer noch besser als die Reichstagsmehrheit. Solange das Volk nicht andere Vertreter wählt, wird es nicht besser werden; wenn es nicht klüger wird, wird es verhungern und sterben. Es muß noch schlechter werden, bis die Besserung eintritt; hoffen wir, daß es bald zu dieser Erkenntnis kommt.

Staatsminister, Staatssekretär Graf von Posadowsky⸗ Wehner:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat ein trübes Bild von der Zukunft des deutschen Volkes gemalt. Es freut mich, demgegenüber fest⸗ stellen zu können, daß das deutsche Volk in keinem Zeitraum seiner geschicht⸗ lichen Existenz so prosperiert hat wie gerade gegenwärtig. (Hört! hört! rechts; Zuruf links.) Meine Herren, die Prosperität des deutschen Volkes ist ein Gegenstand des Neides vieler anderer Nationen lsehr richtig! rechts) und manche handelspolitische Schwierigkeiten mögen sich vielleicht daraus erklären lassen.

Der Herr Abgeordnete hat behauptet, ich hätte bei Gelegenheit des Zolltarifs besonders die Aufrechterhaltung der Schlachtsteuer in den deutschen Städten verteidigt. die Güte haben will, noch einmal die protokollarische Erklärung, die ich in der Kommission abgegeben habe, und die Erklärung, die ich im Plenum des Hauset am 20. November 1902 abgegeben habe, nach⸗ zulesen, dann wird er finden, daß ich lediglich staͤatsrechtliche Aus—⸗ führungen gemacht habe gegenüber den Anträgen, die in der Kom⸗ mission gestellt waren, daß ich versucht habe, nachzuweisen, und, glaube ich, mit Erfolg nachgewiesen habe, daß die Beschlüsse, die dort gefaßt wurden, das Staatzrecht des Deutschen Reichs abändern und daß deshalb, wenn der Bundegrat seine Zustimmung ju einer derartigen Abänderung geben sollte, es in den Formen geschehen müßte, die für den Bundesrat bei Be— schlüssen auf Abänderung der Reichsverfassung notwendig sind. Ich habe mich sachlich, meine Herren, zur Frage nicht geäußert, sondern das hat meines Wissens der preußische Herr Minister des Innern

Wenn der Herr Abgeordnete

getan (hört, hört! rechts), und ich befürchte, er verwechselt bei dieser Gelegenheit meine Beredsamkeit mit der Beredsamkeit des damaligen preußischen Herrn Ministers des Innern.

Meine Herren, der Herr Abg. Gothein hat ferner be— hauptet, ich hätte gesagt, ein Fünftel des gesamten Fleisch⸗ bedarfs an Schweinefleisch müßte vom Auslande eingeführt werden. Wenn der Herr Abg. Gothein die Güte haben will, meine Rede vom 17. April 1899 bei Beratung des Fleischbeschau— gesetzes nachzulesen, so wird er finden, daß ich gegenüber den scharfen Anträgen, die gestellt waren in bezug auf die Untersuchung von Fleisch, das vom Auslande eingeführt wird, behauptet habe, daß es nicht möglich ist, die gesamten Fleischwaren, die jetzt vom Auslande eingeführt werden, in Deutschland selbst zu er— zeugen, und ich habe besonders Bezug genommen auf die Einfuhr von Schmalz und habe dann wörtlich gesagt:

Ich will deshalb auch die Schlußberechnung nur auf Schweine reduzieren; das Sachverhältnis würde dann sein, daß die Schweine⸗ schmalz⸗ und Schweinefleischeinfuhr, ungerechnet in Lebendvieh, im Jahre 1897 ungefähr ein Sechstel, 1898 mehr als ein Fünftel des Schweinebestandes des Reichs, wie er am 1. Dezember 1897 festgestellt ist, betrug. Ich werde sehr gern eine Belehrung ent— gegennehmen, daß diese Zahlen unrichtig sind, daß die deutsche Landwirtschaft jetzt schon dieses Defizit zu decken in der Lage ist.

(Hört, hört! rechts) Es bandelte sich um die Einfuhr von Schweineschmalz, meine Herren, und die Einfuhr von Schweine— schmalz hat sich seitdem nicht verringert, es ist auch der Zoll auf Schweineschmalz beim Zolltarif nicht erhöht worden. (Hört, hört! rechts) Darüber wird das ganze Haus einig sein, daß wir nicht in der Lage sind, in Deutschland das Quantum Schweineschmalz, das das deutsche Volk braucht, selbst zu erzeugen, und deshalb haben auch die kon— servativen Mitglieder der Kommission damals bei Beratung des Zoll⸗ tarifs nicht für eine Erhöhung des Zolles für Schweineschmalz ge— stimmt. (Hört, hört! rechts.) Also das ist doch etwas anders.

Der Herr Abg. Gothein hat die Richtigkeit der statistischen Fest⸗ stellungen bestritten, die amtlich gemacht sind in bezug auf den Fleisch⸗ verbrauch des deutschen Volkes, und er hat sich gegenüber diesen Fest= stellungen auf die Denkschrift bezogen, die im Statistischen Amt auf— gestellt ist: „Die deutsche Volkswirtschaft am Schluß des neunzehnten Jahrhunderts“. Dort steht auf Seite 53:

Es gibt bis jetzt keine Methode, welche es gestattet, mit einiger Sicherheit aus den Ergebnissen einer Viehzählung auf dat in dem betreffenden Jahre zur Schlachtung gelangende Vieh zu schließen, und noch weniger ist es möglich, die Fortschritte oder Rückschritte der Fleischproduktion der für den Verzehr zur Verfügung stehenden Gewichtsmengen von Jahr zu Jahr festzustellen. Nach Lage des Materials muß man sich begnügen, die bei den Vieh⸗ zählungen ermittelte Stückzahl von Rindern, Schweinen und Schafen unmittelbar auf die Einwohnerzahl zu berechnen.

Also es wird in dieser Denkschrift selbst zugestanden, daß zu damaliger Zeit eine korrekte Methode, um den Fleischverbrauch des deutschen Volkes festzustellen, noch nicht vorhanden ist. Der be⸗ kannte Nationalökonom Leroy⸗Beaulieu berechnet den Fleischverbrauch des deutschen Volkesß auf etwa 45 kg pro Kopf. Demgegenüber hat der Herr Abgeordnete vergessen, daß wir seit dem Jahre 1904 in bezug auf die Feststellung doch einen technischen Fortschritt ge⸗ macht haben; denn wir haben seitdem das Fleischbeschaugesetz, das uns in ganz anderer Weise objektives Material gibt, um den Fleischverbrauch des deutschen Volkes festzustellen. Den Koeffizienten hätte der Herr Vorredner meines Erachtens in Rechnung setzen sollen.

Und, meine K ; d e: ‚Di isse der Schlacht- betrifft, so habe ich die Erfahrung gemacht, daß die kleinen Bauern ,, , , , ,, n, n, ,. e Crachnisf de en,

vieh und Fleischbeschau im Deutschen Reiche im Jahre 1904“ ist der Gesamtverbrauch an in⸗ und ausländischem Fleisch auf etwa 49, 30 kg vom Reichsgesundheitsamt berechnet worden für 1904. Dem gegen⸗ über liegt mir ein Bericht des Kaiserlichen Statistischen Amts vor. Dort wird der Durchschnittsverbrauch des deutschen Volkes in der Zeit vom 1. Juli 1904 bis zum 1. Juli 1905 höher angenommen, auf 52,57 Kilogr., und für die Zeit vom 1. Juli 1905 bis zum 1. Juli 1906 auf 50,23 Kilogr. Es besteht also zwischen der Fest⸗ stellung des Reichsgesundheitgamts und der Feststellung des Statistischen Amts erstens der Unterschied, daß das Statistische Amt gerechnet hat von Juli zu Jult und das Reichsgesundheitsamt in der angeführten Denkschrift Seite 13 für das Kalenderjahr 1904, und die Differenzen, die dann noch bestehen, liegen darin, daß die Durchschnittsgewichte des Viehes vom Reichs gesundheitsamt auf einer anderen Grundlage angenommen sind als vom Statistischen Amt. Das Statistische Amt hat die Durchschnittsgewichte zu Grunde gelegt, die von dem Deutschen Landwirtschaftsrat bei seinen Berechnungen benutzt werden, und das Gesundheitsamt hat die Berechnungen zu Grunde gelegt, die in dem Berichte des preußischen landwirtschaftlichen Ministeriums Die Fleischteuerung im Jahre 1905 angenommen sind. Letztere Gewichte finden sich angegeben auf Seite 14 und 15 des Berichts des landwirtschaftlichen Ministeriums. Die Herren haben nun selbst das statistische Material, um ganz genau nachzurechnen, auf welchen Grund⸗ lagen diese Durchschnittsberechnungen aufgebaut worden sind.

Der Herr Abgeordnete hat erklärt, wenn es eine feile Dirne gäbe, so wäre es die Statistik, und er scheint das hier bezogen zu haben auf die Statistik des Deutschen Reichs. Zunächst ist Statistik immer bis zu gewissen Grenzen relativ, soweit sie sich auf Zahlen aufbaut, die nicht absolut objektiv ergründet werden können. Aber wenn man so viel mit Statistik arbeitet wie der Herr Vorredner und so eingehende Reden auf Grund der Statistik aufbaut, halte ich es für einen gewissen Grad der Undankbarkeit, die Statistik so zu degradieren. (Sehr gut! rechts.)

Aber ich möchte mir eine weitere Bemerkung gestatten. Meine Herren, was soll man wohl im Auslande von uns denken, wenn man jeden Tag hier im Reichstage hören muß, wie unglaubwürdig, wie ohne jedes Rückgrat, ohne jedes Gewissen die höchsten deutschen Behörden sind? Wir haben vor kurzem