Groshaudelspreise von Getreide an deutschen und fremden Bõrsenylãtzen für die Woche vom HI. bis 16. Februar 1907 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche.
1000 kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)
Woche 11.16. Februar
1907
Da⸗ egen 5 woche
Berlin.
Roggen, guter, gesunder, mindestens 712 g das 1.
zen, = ' 7 ö. 1
aß 1
Mann heim.
egen, Pfälzer, rus 3 bulgarischer, mittel Weljen, Pfälzer, russischer, amerik., rumän., mittel. Hafer, bab er, württembergischer
Gerste bad sche, fälzer, mittel
russische, Futter ·
174,658 185, 42 177,75
169, 50 183,50 170, 50
179,44 202, 25 186,265 181,88 140, 00
174,75 zo 1d 18575 151.25 159. 58
121,52 142,77 139,37 141,07
99, 43
120,71 141,97 136,87 141, 12
99, 46
Roggen, Pester Boden Weljen, 1 = . een e 1 e, slovakische Mais, ungarischer
Bu dapest.
Roggen, Mittelware 111,18 Welzen, . . 127,28 8. Futter · 3. erfte, Futter ⸗ 113, get h 87, 23
109, S8ð 124,69 128,92 111,28
865, 99
117,72
Roggen, 71 bis 72 kg das hl . 9 —
„Ulla, 75 bis 76 kg das bl nig. Roggen, 71 bis 72 kg das hl Wee 756 1 e 1
116, 08 126,22
142,31 138,91
138,22 137,34
Paris. lieferbare Ware des laufenden Monats J
Antwerpen. Donau, mittel Azi
144,09 190,53
144,25 190, 50
gen Wehlen
128,34 134,82 154,82 1836,68 142,51 133,03
123,49 132,81 132,81 134,45 141,30 132,24
127,28 144,50 148, 02
104,89 103,19
Asow ö ö . etersburger : Wehen Ode
ameri Mals
Roggen
amerikan. bunt
ĩ La Plata
136,68 133,32
1265,08 127,29 136, 99
135,56 132,20
124,69 127,29 137,87
Quark Lane... ..
n Getreide, Mittelpreis aus 196 Marktorten (Gazette averages)
Liverpool.
149, 64 138,34 143, 05 148,23 147,28 149, 64 150,57 133,84 126,26 126, 26 106,35 105,76 106,12
149, 6 135 29 14, 54 145, 8? 145. 40 14776 1b0. h 15 8h 135.12 156 26 jõg, Sh 164 8 165. 15
roter Winter⸗ Manitoba La Plata Auftralier
Hafer, englischer, welßer al Gerste, Futter⸗ ⸗ Odesfa
amertkanische Mu ͤ
Weijen
essa amerlkan., bunt La Plata, gelber
Chicago.
122, 48 122, 12 121, 19
77, 86
122,99 157 45 1351,89
77, S6
Weben, Lieferungsware Jul
Mais . Neu York. roter Winter ⸗ Nr. 2... ͤ Lieferunggware Mal . Buenos Aires. * Durchschnitts ware
) Angaben liegen nicht vor.
131,48 132,91 131,98
89,53
131A 94 133,01 131,94
89, 26
113, 14 82 86
113, 14 do, I8.
Bemerkungen.
1 Imperial Quarter ist für die Welzennotij an der Londoner . duktenbörse = 50d Pfund engl. gerechnet; für die aut den Ums 7 an 196 Marktorten des de re . ermittelten Durchschnittgpreise für einheimisches Getreide (Gazette averages) ist 1 Imperial Quarter Welzen — 480, Hafer — 312. Gerste — 400 Pfund engl. . * 1 Bushel Weizen — 60, 1 Bufbel Malg — 56 Pfund engl , 1 Pfund englisch — 463,5 g; 1 Last Roggen — 2100, Weizen — 2400, Maig — kg.
Bei der dee, n,. der Preise in Reichswährung sind die auß den einjelnen Tageßangaben im Min nne er ermittelten wöchentlichen Durchschnittswechsellurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und jwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien,. ür London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und * die Kurse auf Neu Jork, für e,. und Riga die . auf St. Petersburg, für a. Antwerpen und Amsterdam die Kurse 7 ar. lätze. Preise in Buenos Atreg unter Berücksichtigung der oldprämie.
Berlin, den 20. Februar 1907. Kaiserliches Statistisches Amt. J. L.: Fuhry.
Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 14. Sitzung vom 19. Februar 1907, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt die zweite Beratung des Staatshaus⸗ haltsetats für das Rechnungsjahr 1907 im Etat des Ministeriums des Innern bei dem ersten Titel der dauernden Ausgaben, „Gehalt des Ministers“, fort.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch l(freikons.): Der Abg. Broemel hat 14 Tage vor der Auflösung des Reichstags gesagt, daß unsere Politik die Sozialdemokratie stärke. Bei den Wahlen haben aber die Sozialdemokraten eine ganze Reihe von Mandaten verloren, und namentlich die klein— bürgerlichen Kreise haben den Weg in das nationale Lager wieder⸗ gefunden. Wir sind damit einverstanden, daß die soziale Gesetz⸗
wird, aber wenn man solche Dinge forckeren will, so ist das verkehrt. Wir bedürfen einer starken Mittelstandspolitik. In diesem Sinne haben wir auch einen Antrag des Abg. Hammer zu Gunsten der kleinen Gewerbetreibenden bei der Kommunalbesteuerung unterstützt. Wir müssen aber nicht nur posttiv für die freien Gewerbetreibenden sorgen, sondern müssen ihnen auch einen größeren Schutz ihrer Freiheit ge= währen; denn sie leiden unter dem Terrorismus der sozlaldemokra— tischen Organisation, die ihnen den Brotkorb höher gehängt hat. Nur der freie Gewerbestand kann sich gedeihlich entwickeln. Ferner bedürfen wir einer sorgfältigen Aufklärung der Arbeiter; sie müssen einsehen, daß sie ihre politische und wirtschaftliche Lage durch den Anschluß an daz Bürgertum besser fördern, damit sie nicht mehr ihre Befriedigung in der Angliederung an die Sozlaldemokratie fuchen. Ein großer Teil der nicht organisierten Arbeiter leidet unter dem Zwange der sozfaldemokratischen Organisation; sie werden gezwungen, sich gegen ihren Willen dieser Organssation anzuschließen. Das ift eine Beein⸗ trächtigung der persönlichen Freiheit, gegen die wir die Klinke der ,,, in die Hand nehmen müssen. Wenn wir in Preußen unser Wahlrecht erhalten und der Einführung des Reichstags⸗ wahlrechts uns erwehren wollen, so müssen wir dafür sorgen, daß in Preußen Gesetzgebung und Verwaltung ihren Aufgaben voll gerecht werden. Das Vereins⸗ und Versammlungggesetz vom 11. Mai 18650 ist völlig überlebt, es bringt eine Menge polizeilicher Scherereien für die Vereine mit sich. Es bedarf einer vollkommenen Erneuerung unseres Verein ⸗ und Versammlunggrechts. Ebenso ver⸗ altet ist die Gesindeordnung von 1810; wir erwarten vom Minister des Innern. daß er nach dieser Richtung hin bald die bessernde Hand anlegt. Ferner ist eine Revision des Kommunalabgabengesetzes notwendig, um der freien Bewegung der Gemeinden großeren Spielraum zu lassen. Unhaltbar ist das Kommunalsteuerprivileg der Beamten. Die bevorstehende Ver⸗ besserung der Beamtengehälter gibt die geeignete Gelegenheit, diesen ustand durch einen befferen und billigeren zu ersetzen. Bei den
taatsbehörden ist eine Dejentralisierung notwendig, j. B. in bezug auf die Schulabteilung bei den Regierungen. Die Landräte müssen ihren Kreisen auf die Dauer erhalten bleiben, anstatt häufig zu wechseln; es sollte deshalb den älteren Landräten dieselbe Zulage gegeben werden wie den Oberregierungsräten. Bezüglich der Organtsation des Strafvollzugs teilen meine Freunde die Ansicht, daß der Straf⸗ vollzug von einer Stelle verwaltet werden müsse; die Straf— anstalten müssen einem Ministerium unterstellt werden. Wenn die beiden beteiligten Ressorts verschiedener Meinung darüber sind, so kann doch das Staatsministerlum darüber entscheiden. Ferner werden wir nicht umhin können, ein besonderes Unterrlchtsministerium zu schaffen, damit es seinen Kulturgufgaben gerecht werden kann. Nur ein besonderer Minister für das Unterrichtswesen kann die volle Ver antwortung dafür übernehmen. Wir müssen dafür sorgen, daß ,,, . Gesetzgebung und Verwaltung an erster Stelle in Deutsch⸗ and bleibt.
Abg. Peltasohn (frs. Vgg ): Bei der Erörterung des Falls des „Hauptmanns von Köpenick“ will ich die persönliche Seite ganz aus= scheiden und nur die allgemeine Frage der Polizeiaufsicht berühren. Der Minister hat neue Anordnungen darüber getroffen, daß die einzelnen Fälle individuell untersucht werden, daß die beaufsichtigten Personen nicht mehr an ihrer Arbeitsstelle von der Polizei aufgesucht werden sollen, sondern daß die Polizei sie unauffällig zur Meldung auf⸗— fordern soll, und daß die mit Fürsorgevereinen in Verbindung ge— tretenen Personen nicht von der Polizei beaufsichtigt werden sollen. Die Verbrecher sammeln sich allerdings in erster Linie an den Ver kehrszentren, und da muß die Gesellschaft genügend vor ihnen geschützt werden. Jedoch wird die Polizelaufsicht immer nur als eine fakultative Maßregel angewendet werden dürfen, und da kann man nur auf dem Verwaltungswege vorgehen. Zur Verbesserung des jetzigen Zustandes sind manche beherzigenswerte Vorschlaͤge gemacht worden. Die Polizei sollte nicht immer mit Ausweisungen vorgeben, sondern selbst die nötigen Schutzmaßregeln sich angelegen sein lassen. Die Fürsorgevereine müssen bei der Regierung ein größeres Entgegen⸗ kommen finden als bisher. Mit den anderen Bundesstaaten sollten Vereinbarungen über einheitliches Vorgehen getrossen werden, damit sich die Verbrecher nicht den Aufenthalt aussuchen können, wo sie am freiesten sind. Eine Polizeibehörde hat an die Stelle der Ausweisung eine Bewährungsfrist setzen wollen, das Oberverwaltungsgericht hat dies aber für unzulässig erklärt; deshalb wäre zu erwägen, ob nicht das Gesetz dahin geändert werden könnte, daß eine Be⸗ währungsfrist zulässig ist. Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Minsster bitten, seine vorjährigen Erklärungen über die Ausweisung von Ausländern zu ergänzen, insofern er damals über den Fall des ,, , . Schöne keine genügende Auskunft geben konnte, der ekanntlich einen russischen Kaufmann dadurch vor der Ausweisung be—⸗ wahren wollte, daß er ihn zu Diensten für die Polizei zu bestimmen versuchte. Ferner möchte ich die Frage aufwerfen, ob nicht die geisteskranken Verbrecher, die auf Grund des § Hl freigesprochen sind, anderweit untergebracht werden können, damit sie nicht wieder für die Gesellschaft gefährlich werden können. Ueber die Notwendigkeit einer Abhilfe in dieser Hinsicht war die Kommission einig, aber über die Mittel zur Abhilfe gingen die Meinungen auseinander. Der Ver— treter der Regierung wies darauf hin, a hier die medizinische Frage der Heilung der Kranken mit berücksichtigt werden 36 Wenn die Provinzen nicht für die Unterhringung dieser Verbrecher sorgen kön inen, so muß der Staat sie übernehmen. Es darf hier nicht die medizinische Seite in den Vordergrund gestellt werden, sondern der Schutz des Publikums; deshalb kommen nicht medizinische, sondern polizeiliche Maßregeln in Frage. Die Irrenanstalten werden zu diesem Zwecke anders eingerichtet werden müssen, das Wärterpersonal wird ein anderes sein müssen. Schließlich ist das lediglich eine Geldfrage. Der Staat in , muß aber Mittel für diesen Zweck hergeben, damit derartige Ver—⸗ brecher, wenn es notwendig ist, dauernd interniert werden können; allerdings sollen das nicht Strafanstalten sein, sondern es kann bei ihnen der y der Heilung mit im Auge behalten werden.
Abg. Dr. Friedberg (nl): Ich bin mit dem Abg. Freiherrn von Zedlitz erfreut darüber, 3 die Reichstagswahl eine Menge von kleinbürgerlichen Elementen wieder den bürgerlichen Parteien zuge— führt hat, ebenso bin ich mit ihm darin einverstanden, daß wir den Mittelstand mit allen möglichen Mitteln zu stärken haben, vor allem den Stand der Handwerker. Ich möchte aber die schweren Bedenken e e, nicht unbeachtet lassen, für diese Zwecke die Klinke der Gesetz. 8 ung allzusehr anzuwenden, wie es sich auch schon aus formalen
ründen verbietet, gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen, um dem Zwange in den Arbeiterorganisationen entgegenzutreten, wie es Freiherr von Zedlitz will. Dadurch schafft man eher Erhbitterung, und zudem beginnt in den Reihen der arbeitenden Klassen schon von selbst
gebung im Sinne der Kaiserlichen Botschaft von 1881 fortgeführt
Boden der heutigen Gesellschaftsordnung sehr wohl zu besseren Ver, hältnissen kommen können. Wir dürfen nichts tun, wag daz Mißtrauen von neuem schüren könnte. Ich muß mich doch wundern daß Freiherr von Zediitz die für, das Haus etwas hrenziich Frage des Wahlrechts nicht ausführlich erörtert hat. Auch meine politischen Freunde meinen, daß das Reichstagswahlrecht auf. Preußen nicht anwendbar sei. Aber wir haben auch keinen Zweifel darüber gelassen, daß das Wahlrecht in Preußen der Reform dringend he, dürftig ist. Wenn die Regierung hierin nicht die Initiative selbst ergreift, so kann es dahin kommen, daß die Reform des Wahl, rechts zum Schlagwort der nächsten Wahlen wird. Ich wil gar nicht so sehr von der Möglichkeit des Uebergewichts der einen oder anderen Partei infolge des bestehenden Wahlrechtg in Preußen sprechen, denn wir haben auch sehr liberale Wahlen aus demselkben hervorgehen sehen, als von dem sozialen Hintergrund desselben. Durch das heutige Wahlrecht erhält der östliche Grundbesitz ein Uebergewicht, das ihm nach seiner Steuerkraft gegenüber dem Westen der preußischen Monarchie nicht zukommt. Trotz der im vorigen Jahre angebrachten kleinen Verbesserungen des Wahlrechts ist eg technisch zu schwerfällig, und man kann sagen, daß es gewisse hippo— kratische Züge aufweist. Hoffentlich wird der Minister seinen ganzen Einfluß im Staatsministerium für eine gesunde Reform des Wahl, rechts einsetzen. Meine politischen Freunde halten auch eine Reform des Vereins⸗ und Versammlungsrechtes für dringend notwendig. Cg ist eine ganz unvernünftige Einrichtung, wenn Frauen an grohen öffentlichen Versammlungen teilnehmen können, es aber nicht tun dürfen, wenn diese Versammlungen von politischen Vereinen ein— berufen sind. — In betreff des Verhältnisses zwischen Dienst, boten und Dienstherrschaft erkenne ich mit Herrn von Zedlitz die Reformbedürftigkeit an; langfristige Kontrakte werden gar nicht mehr gewünscht. Bezüglich einer eventuellen Reform der Kommunalgesetze wünschen wir, daß beim Kommunal, steuergesetz einmal das Privileg der Standesherren, zum anderen das Beamtenprivileg aufgehoben wird; dadurch werden ganz hervor⸗ ragende Schwierigkeiten bei der Verteilung der Volksschullasten durch das neue Schulgesetz beseitigt werden. — Von den weiteren Fragen der Beamtenorggnisation will ich nur das herausgreifen, daß auch wir den Zeitpunkt für gekommen erachten, das Gehalt der Landräte zu erhöhen. Erfreulicherweise haben sich diesmal die Landräte bei der Reichstagswahl nach der Anweisung des Ministerz eine größere Zurückhaltung auferlegt. Betreffs der Wahrung dez Wahlgeheimnisses wird immer noch Klage darüber geführt, daß in einzelnen Fällen die einzelnen Wahlkuvertg der Reihe nach sorgfaͤltig aufeinander geschichtet werden und nachher durch Auszäblung dfe Stimmabgabe der Wähler zu ermitteln ist. Es muß angewiesen werden, daß die Kuverts vor der Oeffnung der Urne tüchtig durch—⸗ geschüttelt werden. Frhr. von Zedlitz regte die Schaffung einez eigenen Unterrichtsministeriums an. Bei dieser Gelegenheit möchten wir ein von anderer Seite vorgeschlagenes Projekt zurückweisen, wonach die Teilung des Kultusministeriums in der Weise vor sich gehen sollte, daß man die Volksschule und den Kultus zu— sammenlegt, wohingegen das höhere Unterrichtswesen, Künste und Wissenschaften ein besonderes Ministerium bilden sollten. Der Zweck einer solchen Teilung ist sehr durchsichtig, und meine Freunde würden einem solchen Beginnen den entschiedensten Widerstand entgegensetzen. Wir erstreben ein einheitliches Unterrichte⸗ ministerium, das sowohl den Volksschulunterricht, als den mittleren und höhern Unterricht umfaßt. — Was die Frage der Auß⸗ weisung sowohl der Ausländer wie bestrafter Personen betrifft, so wird der Minister hoffentlich seine in der Kommisston abgegebene Er— klärung hier wiederholen, damit sie in weitere Kreise dringt und manche Beunruhigung und manches Vorurteil, das in dieser Hinsicht besteht, zerstreut. Der Minister hat sich als ein durchaus wohl⸗ wollender und humaner Mann gezeigt, der die polizeiliche Ausweisung nur in der Weise gehandhabt wissen will, daß nur diejenigen Personen getroffen werden, die der Staat retten muß. Ich hoffe, daß dieser Geist der Humanität auch fernerhin im Ministerium waltet, und der Minister kann überzeugt sein, daß wir ihn in diesen Bestrebungen unterstũtzen werden.
Abg. Schmedding (Zentr.): Dem Abg. Kreth bin ich dankbar fuͤr seine Anregung, betr. die Novelle zum Gesetz über den Unterstützung— wohnsitz; allerdings bin ich nicht mit allen seinen Ausführungen darüber einverstanden. Wenn der ursprüngliche Gesetzentwurf nach den Beschlüssen der Reichstagskommission geändert wird, so würden die Armenbehörden von Jahr zu Jahr nachforschen müssen, ob etwa und wie der Unterstützungswohnsitz sich geändert hat. Daraus würde sich viel Schreiberei ergeben und die christliche Charitas namentlich gegenüber den armen Kindern leiden. Aus diesem Grunde bitte ich den Minister, diesem Punkt der Novelle, auf die man ja wahr— scheinlich wieder zurückkommen wird, seine Zustimmung nicht zu eben. Um so mehr aber bin ich mit der zweiten Anregung det
bg. Kreth einverstanden, die er bei seiner Betrachtung über die pflichtvergessenen Väter und Ehemänner gegeben hat. Wer diese Z3u— stände aufmerksam verfolgt hat, dem kann es nicht entgangen senn, daß sich die Fälle, wo Ehemänner und Väter sich der Pflicht, die Ihrigen zu erhalten, entziehen, bedenklich vermehren. In allen größeren Städten haben sich diese Uebelstände gezelat, in Tausenden von Fällen haben sich die Familienväter ihren Pflichten entzogen, und die verlassenen Frauen mußten der Armenpflege zur Last fallen. Die meisten dieser Ehemänner sind dem Trunk ergeben und haben nichts, können also gar nicht zu ihren Pflichten gezwungen werden. Es können diese Leute nur zwang weise mit Arbeit e g werden, damit die Kosten wenigstens zum Teil wieder herauskommen, Gerichtlich ist aber eine solche Zwangsarbeit nicht für zulaͤssig erklärt worden. In Uebereinstimmung mit dem Abg. Kreih möchte ich deshalb den Minister bitten, auf gesetzlichem Wege dieses administrative Zwangeverfahren einzuführen. Einverstanden bin ich mit den Vor— rednern in bezug auf die Aufklärung der Arbeiter gegen die Sozial demokratie. Eine solche Aufklärung findet bereits in den katholischen Gesellenvereinen statt. An den Minister richte ich ferner die ie g, was entsprechend der Resolution des Pauses von 1904 ezüglich der Verbesserung des Feuerlöschweseng unter Heranziehung der Feuerversicherungsgesellschaften geschehen ist. In einem Jahre sind 1065 Millionen Brandschäden entstanden, wovon 59 Milltonen auf die Städte, der Rest auf das platte Land entfiel. Die Feuer⸗ versicherungsgesellschaften müssen zu den Kosten des Feuerlöschwesent herangezogen werden. Was die Unterbringung der geisteskranken Ver brecher betrifft, so dauert es monatelang, bis entschleden wird, welche Probinz einen solchen Mann zu Übernehmen hat, da immer erst senn Unterstützungswohnsitz festgestellt werden muß. Mit einer Aenderung dieses Verfahrens ist die Frage aber nicht entschieden. Die Anstalten haben dafür nicht die geeigneten Einrichtungen, die Unterbringung müßte der Staat übernehmen. Wohl steht der Polizei das Recht zu Leute zu ihrem Schutz oder zum Schutze anderer zu internieren, aber die Provinzen bedanken sich schön dafür, als Polizeibehsrden zu gelten. Es handelt sich auch eigentlich nicht um Geisteskranke, sondern um Degenerierte 2c. Eg wäre angebracht, diese Leute dauernd unschädli zu machen durch Unterbringung in befonderen staatlichen Anstalten, wofür der deutsche Juristentag schon 1904 Vorschläͤge gemacht hat Ich möchte fragen, ob aus den Mitteln des Dotattonggesetzes bon 190 im Betrage von 10 Millionen für Armenzwecke leistungk⸗ schwache Gemeinden berücksichtigt sind, ob Wanderarbeitsstätten * eingerichtet sind. Ich erbitte darüber eine Denkschrift.
Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollweg⸗:
Meine Herren! Der Herr Abg. Freiherr von Zedlitz hat seint Rede mit dem Appell geschlossen, daß Preußen in allen Einrichtungen in der Verwaltung und Gesetzgebung die allererste Stelle im Deutschen Reich einnehmen solle. Ich bin mit ihm ganz der Ansicht, daß die Situation, welche durch den erfreulichen Ausfall der Reichstagswahlen geschaffen worden ift, Staat und Gesellschaft die Verpflichtung au
die Erkenntnis zu dämmern, daß die Führerschaft, der sie sich über⸗
erlegt, mit erhöhten Kräften welter ju arbeiten. Mit der W
lafsen haben, zu nichts Gutem führt und daß die Arbeiter auf den
icht immer genügten. In gewissem Sinne, meine Herren, bin auch
. aiführung usw. in engem Zusammenhang steht mit der de⸗
sst erft ein kleines Stück Arbeit getan, das meiste bleibt uns . übrig, und auch ich fühle mich innerhalb meines Ressorts uc, auf all den Gebieten zu bessern, wo meiner Ueberzeugung g eltete Dinge der Abänderung bedürfen oder neue angegriffen
üssen.
. von den verschiedenen Herren Rednern nach der Ver iungeselte und nach der Gesetzgebungsseite hin zum Teil Tadel ] sesbrochen, zum Teil Wünsche erörtert worden, auf die ich enssstens in einigen Fällen eingehen möchte.
Gz ist an unserer Verwaltung getadelt worden — ich glaube, es schah durch den Herrn Vertreter der konservativen Partei — daß e in unseren Einrichtungen zum Teil noch mittelalterliche Zustände itte, in unserer Bureaueinrichtung namentlich, und daß wir den⸗ nigen Anforderungen, welche die Neuzeit an uns stellt, und in denen ü laufmännische Betriebe ein ausgezeichnetes Vorbild geben könnten,
F der Ansicht, daß da noch sehr viel zu bessern bleibt; aber ich bitte zu
smägen, daß die minutiöse Einrichtung unserer Registraturen, unserer
9
ulllierten und minutiösen Ausbildung unseres Verwaltungsrechts lber, mit der ganzen Verwaltungsgerichtsbarkeit, mit der Art, wie Berwaltungsakte angefochten werden können und dergleichen mehr. Henn Sie sich vergegenwärtigen, welche genaue Prüfungen unsere Berwaltungsgerichte gerade in bezug auf die Form gegenüber dem Vor⸗ chen der Verwaltungsbehörden anwenden, dann werden Sie, glaube (h, zugeben, daß wir leider in diesen formalen Einrichtungen mit ge⸗ wissen Schwerfälligkeiten uns weiter befassen müssen, die der Sache ber nicht dienen.
Der Herr Freiherr von Zedlitz hat seinerseitö den Gedanken der Desentralisation wiederum angeregt, wie er es bereits mebrfach getan kat, und auch der Herr Abg. Kreth hat sich darüber beklagt, daß ein gewises Zentralisationsbestreben obwalte. Ich gebe Ihnen die Ver⸗ scherung, meine Herren, daß ich es mir in meinem Ressort angelegen sein asse, sopiel zu dezentralisieren wie irgend möglich, daß ich jedes Hinein⸗ ziehen von Entscheidungen in die Zentralinstanz möglichst ablehne, so nahe es mir auch in einigen Fällen, namentlich in Wahlzeiten, gelegt wird, zu zentralifieren. Wenn in solchen Zeiten oder überhaupt Be⸗ schwerden über kleine Dinge, die in irgendeinem Kreise passieren, mmer gleich an den Minister gerichtet werden, so habe ich es mir doch zur Regel gemacht, tunlichst die Entscheidung nicht selber zu treffen, sondern zu dezentralisieren und die zuständigen Organe mit der Entscheidung zu betrauen.
Ein spezieller Punkt der Dezentralisation ist auch von dem Herrn Abg. Freiherrn von Zedlitz in bezug auf die Frage unserer Schul⸗ abtellungen berührt worden. Herr von Zedlitz hat eine ziemlich ab⸗ sillige Kritik gefällt über die Tätigkeit der Schulabteilungen im borlgen Jahre bei der Ausführung irgend eines Erlasses; ich weiß nicht genau, um welchen Erlaß es sich handelt, denn das gehört einem andern Ressort an. Als guter Kollege des Herrn Unterrichtsministers kann ich — ich kenne die Einzelheiten nicht — die Ueberzeugung aus— sprechen, daß auch in dieser Angelegenheit die Schulabteilungen ver- sucht haben werden, die Sache nach bestem Gewissen und in bester Weise ju regeln. Aber ich bin darin — und das habe ich schon im borigen Jahre ausgesprochen — ganz der Ansicht des Herrn Abg'! Freiherrn von Zedlitz, daß namentlich auf dem Gebiete der Schul verwaltung eine Dejentralisation auf die Landrãte außerordentlich erwünscht wäre, und ich wiederhole, was ich schon im vorigen Jahre an dieser Stelle hier ausgesprochen habe, daß ich, wenn nach dieser Richtung eine organische Aenderung in die Wege geleitet wird, zu den Für⸗ sprechern eines Planes gehören werde, welcher die Machtbefugnisse der Landräte — selbstverständlich in Verbindung mit den Kreigausschüssen gerade auf dem Schulgebiet zu vermehren trachtet. (Bravo! rechts.)
Beiüglich der Wünsche für die weitere Gesetzgebung, die hier laut geworden sind, möchte ich zunächst auf die Frage des Wahlrechts heute nicht eingehen. Ich bin derselben Ansicht wie der Herr Abg. Pelta—⸗ sohn — er war es ja wohl — der da sagte, daß eine Diskussion über diese Frage zweckmäßig bis zu dem Tage zu verschieben sein möchte, wo die Anträge der einzelnen Fraktionen auf Wahlrechtgänderungen hier zur Debatte gestellt würden. Ich glaube, wir würden die Materie, die nur aus einem Gedanken heraus zu behandeln ist, un günstig beelnflufsen, wenn wir uns heute stückweise mit Fragen be⸗ schäftigen, die uns demnächst funditus weiter beschäftigen werden. Ihh verzichte darauf, in dieser Hinsicht eine Ansicht auszusprechen.
Was die Reform des Vereinsrechts angeht, die der Herr Abg. Frelherr von Zedlitz wünscht, so bin ich ihr eigentlich von dem ersten Tage ab, wo ich das Ministerium übernommen habe, ernsthaft nach⸗ gegangen, und es haben die Arbeiten, welche auf meine Anordnung vorgenommen worden sind, innerhalb meines Ministeriums schon zu einem gewissen Abschluß geführt. Ich erkenne mit dem Herrn von Zedlitz an, daß unser Vereins und Versammlungsrecht an einer Reihe von Bestimmungen krankt, welche den heutigen Verhältnissen nicht angemessen sind, und ich gebe dem Herrn Abg. Dr. Friedberg zu, daß eine große Anjahl von Unstimmigkeiten besteht, welche dringend der Reform bedürfen und welche die Behörden, wenigstens die Zentral⸗ behörden und mich als Chef der Verwaltung, gegenwärtig insofern in Verlegenheit setzen, als es mir kaum möglich ist, zum Beispiel in der Frage der Zulassung der Frauen jzu Versammlungen, eine vollkommen einheitliche Handhabung der nicht folgerichtigen Bestimmungen in unsern Gesetzen herbeizuführen. Also ich wiederhole: Ich erkenne die Reformbedürftigkeit des Vereins, und Versammlungsrechts an; Arbeiten, welche darauf hin nelen, die veralteten und besserungsbedürftigen Bestimmungen durch neue zu ersetzen, sind in die Wege geleitet, und ich hoffe, demnächst — in dieser Session wird es nicht mehr möglich sein — dem Hause meine Pläne mitteilen zu können.
Zu der Frage des Anschlusseg der Medizinalverwaltung an das Ministerlum des Innern, welche hier gestreift worden ist, kann ich aug naheliegenden Gründen keine positive Stellung nehmen. Das ist eine Frage, welche nur vom Staatgministerium entschieden werden kann; sie ist da noch nicht zur Beratung gelangt. Ich möchte daher sachlich zu dieser Frage hler keine Stellung nehmen.
Dag Gleiche gilt bezüglich der Vereinheitlichung des Gefängnig⸗ weseng. Auch nach der Richtung hin kann ich eine positive Erklärung nicht abgeben. Nur möchte ich ausdrücklich erklären, daß ich doch nicht auf dem Standpunkt des Freiherrn von Zedlitz stehe, dahin, daß ich sagen sollte, die Strafanstaltsverwaltung ist eine so wenig an⸗ genehme Materie — ich glaube, so drückte sich Freiherr von Zedlitz aus — daß, wenn er Minister wäre, er die Sache lieber heute als
bin recht froh, daß ich einen Teil der Strafanstalts verwaltung unter mir habe. Denn ich glaube, daß auf diesem Gebiet vieles und gutes zu schaffen ist (sehr richtig ), wenn die Ausführung auch sehr schwierig ist. Gerade bei der Frage, wie der Strafvolljug gehandhabt werden kann, kommen allgemeine Gesichte punkte bezüglich der Auffassung, wie man überhaupt dem bestraften Menschen gegenübertreten soll, in Betracht. Es handelt sich darum, eine Reihe von Persönlichkeiten, welche jwar unsosiale Handlungen begangen haben, aber die man um des willen noch nicht gänzlich aufzugeben braucht, für die Gesellschaft wieder- zugewinnen, und es handelt sich auf der anderen Seite darum, die Gesellschaft vor unsozialen Elementen auf die Dauer zu schützen. Das sind große Fragen, und ich gestehe, daß sie mein persönliches Interesse in hohem Maße in Anspruch nehmen. Ich würde daher persönlich es gern sehen, wenn die Strafberwaltung beim Ministerium des Innern ihren Platz finden könnte. Aber ich bin nicht in der Lage, des näheren auf die Sache einzugehen, aus dem schon erwähnten Grunde, weil das Staatsministerium noch nicht zur Sache Stellung genommen hat.
Diese Frage führt mich auf die Bemerkungen, welche über die Polijeiaufsicht und über das Ausweisungswesen hier gefallen sind. Der Herr Abg. Peltasohn hat zunäͤchst ziemlich ausführlich über die Polizelaufsicht gesprochen. Ich habe nicht vollkommen allem einzelnen, was er in dieser Bentehung vorgetragen hat, folgen können, sodaß ich nicht genau weiß, ob ihm eine Reform des Polizeiaufsichts⸗ wesens bei Gelegenheit der Reform des Strafgesetzbuchs vorgeschwebt hat. Es schien mir so. Insofern würde ich ja hier im Abgeordnetenhause und bei meinem Ressort gerade auf diese Frage der Polizeiaufsicht nicht wohl eingehen können. Wir haben die Polizeiaufsicht als ein von der Reichsgesetzgebung, von der Strafgesetzgebung sanktioniertes Institut. Es ist im Strafgesetzbuch ausdrücklich gesagt, welche Folgerungen die Polizeiaufsicht im einzelnen Falle nach sich zieht, und es kommt für den Einzelstaat nur darauf an, in welcher Weise die Polizei von diesen Befugnissen, die ihr zugeteilt sind, Anwendung macht. Ich habe in der Kommission bereits gesagt, daß ich als einen allgemeinen Grundsatz der Polizeibehörden hingestellt habe, jedenfalls bei der Ausübung der Poltzeiaufsicht nicht Maßregeln zu ergreifen, welche bestraften Per⸗ sonen, welche wirklich und ernsthaft in das bürgerliche Leben zurück⸗ kehren wollen, es erschweren würde, diesen Entschluß auszuführen. Die näheren Bestimmungen bin ich im Begriff mit dem Herrn Justiz⸗ minister zu vereinbaren — sie gehen ja auch dessen Ressort an —, sodaß ich gegenwärtig die Frage der Polijeiaufsicht nicht weiter ver⸗ folgen kann.
Eine Funktion, welche die Polizeiaufsicht den Polizeibehörden in die Hand gibt, sind die Ausweisungen, die der Abg. Peltasohn erwähnt hat. Daß die Ausweisung auf Grund der Polizeiaufsicht auch mit Gewährung einer Bewährungsfrist ausgeübt werden kann — Herr Abg. Peltasohn meinte, ich hätte mich vielleicht in der Kommission in dieser Beziehung undeutlich ausgesprochen =, das steht ja absolut außer Zwelfel. Ich habe auch in der Kommission ausdrücklich darauf hin gewiesen, daß ich die Polizeibehörden angewiesen hätte, wo Aus⸗ weisungen erforderlich wären, sie lieber auf Grund der Pollzeiaufsicht vorzunehmen, weil sie dort elne Bewährungsfrist anordnen könnten, alg auf Grund des Gesetzes vom Jahre 1842, welches nach dem Er⸗ kenntnis des Oberverwaltungsgerichts allerdings die Setzung einer Bewährungbfrist nicht zuläßt.
Nun aber die Auswelsungen selber. Meine Herren, im Anschluß den Fall deg sogenannten Hauptmanns von Köpenick ist die Kritik, wie sie sich in den Zeitungen dokumentiert hat, meiner Ueberzeugung nach zum Teil weit über das Ziel hinausgeschossen. (Sehr richtig! rechtz) Man hat den Hauptmann von Köpenick als eine Art von Helden gefeiert. (Heiter⸗ keit; Der gute Erfolg seines Handstreichs legte es ja sehr nahe, daß man im ersten Moment eine gewisse Sympathie mit einem so schneidigen Kerl hatte (Heiterkeit), aber die Folgerungen, welche dann in der Presse an diesen Fall in bezug auf die Ausweisung geknüpft worden sind, gehen meiner Ueberjeugung nach zu weit. Man wird mir vielleicht eine gewisse Grausamkeit vorwerfen, aber für mich ist doch der allererste Gesichtspunkt, den die Polizei und auch die Strafrechtspflege zu befolgen hat, der, daß wir die Gesellschaft gegen die unsozialen Elemente sichern. (Sehr richtig! recht Das ist für mich der Hauptsatz: ich will den gesunden Teil der Bevölkerung vor kranken Glementen schützen. (Sehr richtig ) Gewiß, meine Herren, gehe ich dabei nicht so weit, daß ich etwa nach spartanischem Muster sage, jedes kranke Mitglied solle überhaupt aus der Gesellschaft eliminiert werden. In vielen Fällen wäre es ja sehr vortellhaft (sehr richtig! rechts', wenn wir es könnten; aber es geht nicht. Ich bin durchaus von der Ansicht durchdrungen und überzeugt. daß es die Pflicht der Poltzei ist, in allen diesen Fällen möglichst die Scheidung zu versuchen jwischen den Personen, welche als dauernd unsozial angesehen werden müssen, und denjenigen, welche durch die Not der Umstände, infolge der schlechten Einwirkung des Milieus, in dem sie aufgewachsen sind, oder infolge sonstiger widriger Umstände des Lebens einmal eine Straftat begangen haben und nun etwa, well sie einmal bestraft worden sind, rettungs⸗ und schonungsloz auf den weiteren Weg des
an
welsen sie von vornherein zurlick: mit den Leuten will ich nicht zu tun haben, — und so gibt es sehr viel arme Individuen, welche in den kleinen Städten den Weg ins Leben nicht wieder zurückfinden können, und um deswlllen wieder nach den großen Städten gehen. Ich habe die Poltzeibehörden angewiesen, bei Auswelsungen aug den großen Städten mit der äußersten Vorsicht vorjugehen und nur auf Grund einer individuellen Untersuchung der einzelnen Ber⸗ hältnisse. Es wird zunächst zu prüfen sein: handelt es sich um eine Person, welche dauernd Verbrecher blelben will, um mich einmal kurz auszudrücken, oder um eine solche, welche sich rehabllitieren will? Die Prüfung darüber, ob die betreffende Personlichkeit zu der einen oder zu der anderen Kategorie gehört, ist außerordentlich schwierig. Ich habe die Polizeibehörden angewiesen, sich die Strafakten und die Akten der Strafanstalten kommen zu lassen, in denen der Betreffende seine Strafe verbüßt hat, um aus den Konferenzbeschlüssen der Ober- beamten sich auch ein Bild über den Menschen machen zu können. Ich habe die Polizeibehörden des weiteren angewlesen, fich in allen Fällen mit den Fürsorgevereinen in Verbindung zu setzen. (Sehr richtig! links.) = — Der Herr Abg. Peltasohn hat in dieser Beniehung — das möchte ich einschalten — einen Gedanken angeregt, dem ich doch vielleicht nicht unmittelbar folgen könnte. Der Herr Abg. Peltasohn hat gemeint, die Polizei sollte selbst Fürsorge treiben, sie sollte das nicht bloß den Fürsorgevereinen überlassen. Meine Herren, das klingt ja ganz schön, ich würde es aber für außer ordentlich bedenklich halten, wenn das geschehen sollte. Wir haben daher den Grundsatz verfolgt, daß die Fürsorgevereine Privatvereine und keine staatlichen Organisationen sein sollen; sowie wir die Für⸗ sorgevereine ju staatlichen Organisationen machen, gefährden wir, glaube ich, ein gutes Teil ihrer Arbeit. Es kann nicht die Aufgabe der Poltzei sein, selber diese Fürsorge zu treiben, aber sie soll in engster Verbindung mit den Fürsorgevereinen stehen, und darum soll sie auch in allen Fällen, wo eg darauf ankommt, ju entscheiden, ob ein Mann ausgewiesen werden soll, sich zunächst an den Fürsorge⸗ verein wenden. Hat sich eine bestrafte Person einem Fürsorgeverein angeschlossen, dann habe ich angeordnet, soll der Regel nach, wenn nicht ganz besondere Umstände vorliegen, von jeder Ausweisung ab⸗ gesehen werden. Da sich nun jede bestrafte Persönlichkeit — unsere Fürsorgeverelne haben ja zum Glück einen weiten Umfang angenommen, und ich wünsche, sie nehmen einen noch weiteren Umfang an, und ich möchte von dieser Stelle aus auch einen Appell an alle Personen, welche sich für diese Frage interessieren, richten, gerade die Tätigkeit der Fürsorgevereine, soweit es angeht, zu unterstützen — ich sage: da jede bestrafte Personlichkeit sich einem Fürsorgeverein anschließen kann und daher der Gefahr der Auswelsung entgeht, so scheint mir nach dieser Richtung hin doch eine Grundlage geschaffen zu sein, welche Fälle, wo Auswelsungen in ungerechter Weise vorgenommen werden, und die Leute, dle sich rehabilitieren wollen, daran verhindert werden, in ein geordnetes Leben zurückzukehren, immer seltener werden läßt.
Es ist bei dieser Gelegenhelt gesagt worden, das Gesetz von 1842 sollte einer Reform unterzogen werden. Meine Herren, gewiß, das Gesetz von 1842 rechnet mit Begriffen, die unserem heutigen Straf⸗ recht fremd sind, und insofern könnte man sagen, dieses Gesetz müsse unbedingt reformiert werden. Aber ich weiß nicht, ob wir etwas Besseres würden errelchen können. Die Notwendigkeit, aus großen Orten bestrafte Leute auszuweisen, besteht meiner Auffaffung nach unbedingt. Es gibt eine bestimmte Anjahl von Uebeltaten, von Ver⸗ gehen, von Verbrechen, die zu ihrer Ausübung eigentlich der Vor⸗ bedingungen bedürfen, die gerade nur große Städte liefern, zu deren Begehung das großstädtische Leben in ganz besonderem Maße anretzt. Handelt es sich nun um Elemente, bei denen die Polizei nach Straf⸗ akten, nach Strafanstaltsakten, aus dem Umstande, daß sie sich Für sorgevereinen nicht angeschlossen haben, annehmen muß, daß es Personen sind, welche welter sündigen, sich nicht rehabllitieren wollen, dann muß die Polizei solche speziell für die großstädtischen Verhältnisse gefährlichen Leute aus der Großstadt ausweisen können; das ist absolut nötig. Nun ist es aber sehr schwer, etwa in einem Gesetz genau die einzelnen Vergehens⸗ und Verbrechengarten zu bezeichnen, welche die Berechtigung geben sollen, elne Auswelsung vorzunehmen. Ich halte es nicht für möglich. Ich glaube, wir würden da ju Lücken kommen, die bei der Handhabung der ganzen Sache sehr unangenehm werden könnten. Darum, meine ich, ist es besser, wir bleiben auf dem Stand- punkt, den wir gegenwärtig haben, und ich hoffe durch dag, was ich hier ausgeführt habe, Ihnen doch die Ueberjeugung beigebracht zu haben, daß ich, sowelt es durch Anwelsungen möglich ist, nach allen Richtungen hin dafür sorgen will, daß nicht Leuten, welche bereit und gewillt sind, sich zu rehabilitieren, dadurch Steine in den Weg gelegt werden, daß sie ausgewiesen werden. (Bravo)
Auf den speziellen Fall des Hauptmanns von Köpenick will ich bei dieser Gelegenheit nicht eingeben. (Brado h) Ich habe in der Kommission eine Mitteilung dahin gemacht, daß wenn gerade bei dem Hauptmann von Köpenick behauptet worden ift. daß er durch die Auswelsung gehindert worden wäre, sich einem ordent lichen Leben wieder zuzuwenden, diese Behauptung sich nicht mebr aufrecht eihalten läßt, wenn man den Inbalt der Akten kennt. Aber ich glaube nicht, daß es meine Aufgabe ist, bet dieser Gelegenbeit
Verbrechens gewiesen werden. Zwischen diesen Teilen soll die Polizei mlt der größten Sorgfalt scheiden, und die soll den Reuigen, welche bestrebt sind, einem geordneten Leben sich wieder zuzuwenden, keine Steine in den Weg legen, sondern sie soll sie unmittelbar unterstützen. (Bravo) Aber bezüglich der übrigen Elemente, welche sich als dauernd unsozial erwiesen haben, soll sie auch die Gesellschaft gegen weitere Missetaten dieser Leute mit aller Energle schützen. (Sehr richtig!)
g Von diesen Gesichtspunkten, meine Herren, müssen wir auch die Frage der Ausweisung ansehen. Es ist bereits von einem der Herren Vorredner hervorgehoben worden, daß gerade die großen Ver⸗ kehrsjentren ein Sammelpunkt sind für Leute, welche auf der ver⸗ brecherischen Laufbahn sich befunden und eine Strafe erlitten haben. Diese Menschen gehen aus verschiedenen Gründen nach den großen Städten. Diejenigen, welche welterhin ihrer ver- brecherischen Neigung frönen wollen, tun es um des willen, weil sie in der großen Stadt am leichtesten den Boden finden, wo sie unbemerkt welter die Strafgesetze übertreten können. Ein großer Teil bestrafter und auch schwer bestrafter Personen wendet sich aber nach den großen Städten, weil es ihnen dort am leichtesten ist, sich zu rehabllitieren, well sich ihnen — namentlich den Zuchthausbestraften — die Gelegenhelt, sich zu rehabllltieren auf dem Lande lange nicht
morgen aufgeben würde. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt. Ich
so leicht bletet; dort kennt sie leder Mensch, sehr viele Menschen
über diese Person und ihre spezlellen Verbältnisse noch Mitteilungen zu machen. (Sehr richtig) Das widerstrebt mir und gebört meiner Ansicht nach auch nicht zur Sache. — Beinglich der Ausweisungen — um noch auf diesen Nebendunkt ju kommen — bat der Herr Abg. Peltasobn nech gewunscht., ich möchte eine Auskunft geben im Anschluß an die rufstschen Ang. welsungen, welche im vorigen Jabre besprochen worden sind. Ich möchte meine Erklärung von damals durch die Mitteilung ergãnzen. daß der Beamte, von dem ich Ibnen damals sagte, ich ver. mutete, es wären bei ibm Dinge vorgekemmen, die nicht batten vorkommen sollen, dieserhalb von mir zur Rechenschaft gejogen worden ist, und daß ich Anordnungen getroffen babe, welche eg mir unmöglich erschelnen lassen, daß Dinge, wie sie damals passtert sind, in Zukunft wieder passteren werden. (Bravo) Ich boffe, daß diese Auskunft den Herren genügen wird.
Meine Herren, einen brelteren Waum in den Aut fübrungen der Herren Vorredner baben die Verbältulsse der verbrecherlschen Irrer eingenommen. Ich kann auf alle Ginzelbelten bei Dieser Gelegenbeit kaum eingeben. Aber ich glaube zur Klärung der Sache daderch bei zutragen, daß ich die qunje Materle ba die belden Teile schelde 40 legs lata und de lege ferenda. Daß gewisse Mißstände auf dem Geblete der Versorgung verbrecherlscher Irren desteben, das gede ich