1907
mittel gut Verkaufte
Februar Markltort
Geiahlter Preis für 1 Doppel zentner Menge
niedrigster M6
Tag
höchster höchster 4 D
höchster 16.
niedrigster 16.
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Doppelzentner
ö . Qualttãt Am vorlgen Außer dem wurden
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Verkauft Martttage
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26. 6.
k k i. Schl. üben 1. Schl. .. alberstadt. ilenburg
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Goslar
Lũneburg Paderborn J 1 — ö JJ — Dinkelsbühl 17,20 Biberach.. 17, 00 Ueberlingen. 17,50 Rostock. — 1 Altenburg.. Mülhausen i. G..
Bemerkungen. Ein liegender
15, 40
15, 15 17,38 16,00 1650 16,00 17, 00
18,00 17,50
3 *
Die hberkaufte Menge wird auf volle Doppeljentner und der Strich (— in den Spalten für Preise hat die Bedeutung,
Noch: Hafer.
16, 10 16,20 14 40 15,50 165,90 16,15 18.06 18.00 18 00 1800 1675 1700 17,50 17.50 17,40 17, 40
— 18 50 1750 16.70 1770 18.00 18,00 16,50 16,50 18,60
15, 80
15,30 17,69 16,0990 16.50 1700 17,20
15,90 1440 15,665 17.69 17.90 16,76 17,00 17.20
16,60 15 60 16,40 18.31 18,50 17,00 18.00 17,80 18 50 1750 1720 1780 18.00 18,090 16,75 16,80 18,60
1750 16 66 r
1750 1586 1351
1710 10 17.30
ö
. n 17,50 18,50
1850
daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt
Verkaufgwert guf volle Mark abgerundet mitgetellt. Der Durchschnittspreis wird aus
1 3
*
8
3 3ö0
5 250 56h
10920 201 3076 406 17 885 9 195
235
16.26
1740 17,56
16,92 1712 17,52 1753 16,57 16,60 16.2. 50
1760 13.2. den unabgerundeten Zahlen berechnet.
16 76z
17550 18, 55
17.00 1748 1783 17.91 16,64 16,72
18, 08
15.2.
15.2. 16.2.
19.2. 13.2. 13.2. 13.2. 16.2.
(-N in den letzten sechs Spalten, daß entsprechenber Bericht fehlt.
Deutscher Reichstag.
2. Sitzung vom 20. Februar 190, Nachmittags J Uhr.
(Bericht von Wolffg Telegraphischem Bureau.)
Tagesordnung: Wahl des Präsidenten, der Vize⸗ präsidenten und der Schriftführer.
Ueber die Wahl des Abg. Grafen Udo zu Stolberg⸗ ,, n,, ist in der gestrigen Nummer des Blattes berichtet worden.
Präsident Graf zu Stolberg erklärt, daß er die Wahl an⸗ nimmt, und fährt, nachdem er den hrt er len k eingenommen hat, fort: Das an sich schon schwere und verantwortung volle Amt, das Sie mir übertragen haben, ist unter den jetzigen politischen BVerhältnissen doppelt schwer und doppelt verantworkungsvoll. Dazu kommt, daß die erprobte Amtstätigkeit, die hohe e n nnn, die Schlagfertigkeit und die persönliche Liebenswürdigkeit meines Herrn Amtgvorgängers noch frisch in unserem Gedächtnis steht und ju Vergleichen unwillkürlich herausfordert. Ich weiß, daß ein Präͤ⸗ ident nur dann etwas leisten kann, wenn er vom Haufe unterstützt wird, und deshalb bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. Meine Herren, ich will mein Amt unabhängig nach allen Richtungen hin, ich will es gerecht und unparteiisch führen; ich will die Würde des Hauses wahren und seine Geschäfte nach Möglichkeit zu fördern suchen, und meine Herren, wenn im übrigen das, was ich leisten werde, hinter dem was ich leisten möchte, noch so weit zurückbleiben sollte, so hoffe ich doch, daß Sie von mir sagen werden: Ht desint vires, tamon' esl Iaudanda voluntas. Meine Herren, ich spreche unserem verehrten Herrn Alterspräsidenten unseren Dank für feine Mühewaltung aus und bitte Sie, sich zum Zeichen dieses Dankes von Ihren Plätzen zu erheben. (Die Mitglieder des Haufes erheben sich.)
Das Haus geht über zur Wahl des Ersten Vize⸗ präslid enten.
Präsident Graf zu Stolberg: Das Resultat der Abstimmung ist folgendes: Es sind abgegeben worden 382 6 davon sind un⸗ gültig 167; es bleiben 215, davon erhalten der Abg. Dr. Paasche 209, der Abg. Liebermgnn, von Sonnenberg? 7 und die Abgg. Korfanty, Graf Bothmer, Sr. Spahn? und Bebel . Der Abg. Paasche ist somit zum EGrsten Vizepräsidenten gewählt und ich frage ihn, ob er die Wahl annimmt.
Abg. Dr. 2 (nl.): Ich nehme die Wahl mit Dank an.
Das Haus schreitet sodann zur Wahl des Zweiten Vizepräsidenten.
Präsident Graf zu Stolberg: Das Resultat der Abstimmung ist folgendes: Abgegeben wurden 379 Zettel, davon ungültig 166; es bleiben gültige 213 Zettel. Es erhielten der Abg. Kaempf 206 Stimmen, die Abgg Naumann und Singer se 3, die Abgg. Lattmann, Bebel, Schack und Hermes je 1 Stimme. Ver Abg. Kaempf ist somit zum 2. Vizepräfidenten gewählt und ich frage ihn, ob er die Wahl annimmt.
Abg. Kaempf (Frs. Vp.): Herr Präsident, ich nehme die Wahl mit Dank an.
Darauf wird die Wahl der acht Schriftführer in einem Wahlgange vorgenommen.
räsident Graf zu Stolberg: Ich schlage vor, das Resultat der Schriftführerwahl, wie dies üblich ift, nach der Sitzung durch die provisorischen Schriftführer feststellen zu lassen. Das Resultat wird dann bei Beginn der nächsten Plenarsitzung mitgeteist werden. (Zu⸗ stimmung.) Der Reichstag hat so beschloffsen. Nunmehr ist Der Reichstag konstituiert. Ich werde nicht unterlassen, Seiner Majestaͤt dem FKaiser die pfl chtmäßige Anzeige hlervon zu machen. Zu Quãstoren Ern we. 9 Abgg. Bassermann (nl. und Schmidt War⸗
rg (Zentr.).
Hierauf wird eine Reihe von Urlaubsgesuchen erledigt.
Es sind drei Interpellationen eingegangen.
1. Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, ß in den be⸗ teillgten Kreisen des Winzerstandeß und des Welnhandels das Bedürfnis nach einer sachgemäßen Revisflon des Wein“ 6 von 19091 in hohem Maße vorhanden ist, und ist der
eichekanzler bereit, diese Revision in die Wege zu leiten? Paasche, von Schubert u. Gen.
2. Interpellation von Heyl⸗Stresemann, betreffend die Vorlegung der schon 1904 und 1905 n Aussicht gestellten Benkschrift über die Ver hältnisse der Privatbeamten.
3. Interpellation Dr. Roesicke: Was gedenkt der Reichskanzler zu tun, um den Wünschen des Winzerstandes und des Weinhandels nach einer Abänderung des geltenden Weingesetzes entgegen- zukommen?
Ferner ist eingegangen ein schleuniger Antrag des Fürsten Radziwill und Gen,, betreffend die Einstellung eines gegen den Abg. Dr. von Chlapowo⸗-Chlapowski wegen Uebertretung, des Vereinsgesetzes beim Lanbgericht Lissa schwebenden Strafverfahrens.
Die Interpellationen sollen auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen gesetzt werden, der schleunige Antrag wird auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung 5
Schluß 4/9 Uhr,. Nächste Sitzung Montag, den 25. Fe— bruar, 1 Uhr. r en Antrag des 1e fen Radziwill; erste Lesung des Reichshaushaltsetats für 1507
Preusßzischer Landtag.
Haus der Abgeordneten. 15. Sitzung vom 20. Februar 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt die 66 Beratung haltsetats für das Rechnungsja r 1907, und zwar die beim ersten Titel der dauernden Ausgaben im Etat des Ministeriums des Innern, „Gehalt des Ministers“, übliche allgemeine Diskussion fort.
Minister des Innern Dr. von Bethmann-⸗Hollweg:
Meine Herren! Ich glaube, dem für unsere Industrie und für unseren Verkehr so wichtigen Automobilwesen konnte kein besserer Dienst geleistet werden als durch die Ausführungen des Herrn Vor⸗ redners; denn wenn er auf der einen Seite mit großer Schärfe die Pflichten und die Verantwortlichkeit der Automobllisten hervorgehoben hat, so hat er auf der anderen Seite mit Recht gefordert, daß das Automobilwesen nicht etwa durch bureaukratische Verororduungen und Bestimmungen eingeschränkt und behindert würde.
Auf die Einzelheiten seiner Ausführungen will ich nicht eingehen, ihm nur versichern, daß auch ich der Ueberzeugung bin, daß die letzte Automobil verordnung, die im Oktober vorigen Jahret erlassen worden ist, jedenfalls ein ewiges Leben nicht wird führen können, sondern daß die prakrische Handhabung dieser Ver⸗ ordnung sehr bald ju Aenderungen auffordern wird (bravo h, und er mag überzeugt sein, daß Aenderungen, durch welche unnötige Belästigungen des Automobilisten beseitigt werden, bei mir volle Unterstützung finden werden. (Bravo!)
Bezüglich der einen speziellen Anfrage des Herrn Vorredners, ob nämlich die Mitteilungen der Presse über Unfälle, die durch Automobile hervorgerufen wären, überall zuträfen, möchte ich erwidern, daß auch ich die Wahrnehmung gemacht habe, daß vlele derartige Anzeigen rein auf der Phantasie der betreffenden Reporter beruhen. (Hört, hört h Mir liegt hier zufällig ein Ausschnitt aus einer viel gelesenen Ber—⸗ liner Zeitung vom Juli 1905 vor, wo in sehr ausführlicher Weise und unter Namengnennung rapportiert wird über das Ueberfahren eines alten Herrn hier in Berlin durch ein unvorschrifts⸗ mäßig schnell fahrendes Automobil. Es ist auch mitgeteilt worden, wie das Gericht entschieden, auf wie viele Monate Gefängnis es erkannt hätte, und alles mit Namens- nennung; und an der ganzen Geschichte ist kein Wort wahr. (Hört, hört) Aehnliches wird also wohl auch in anderen Fällen vorkommen.
Zu der Anfrage des Herrn Vorredners wegen der Verhãltnisse der Meistbegüterten in der rheinischen Landgemeindeordnung bemerke ich, daß ein Gesetzentwurf, welcher eine Aenderung in dieser Beziehung ins Auge faßte, in meinem Ministerium ausgearbeitet worden ist, daß aber maßgebende Krelse der Rheinprovinz durch ihre Aeußerungen in mir die Ueberzeugung hervorgerufen haben, daß es derzeitig nicht opportun sein würde, einen solchen Gesetzesvorschlag dem Hause zu unterbreiten. (Abg. Freiherr von Eynatten: Sehr richtigh
Zu den Ausführungen des Herrn Abg. Strosser will ich folgendes bemerken: Der Herr Abgeordnete hat sich zunächst darüber beschwert gefühlt, daß in der Uebersicht, welche dem Landtage über die Be— schlüsse des Hauses vorgelegt wird, die Resolution des Hauses wegen Abänderung der Städteordnung im Hinblick auf die Wahlen der Stadtverordneten überhaupt nicht erwähnt worden sei. Meine Herren, es entspricht der allgemein und dauernd befolgten Uebung, daß Resolutionen oder Beschlüsse des Ab= geordnetenhauses, welche ein gesetzgeberisches Vorgehen der Staats- regierung fordern, in dieser Uebersicht überhaupt nicht erwähnt werden. Also es liegt hier kein speztelles Versehen vor, sondern es ist ebenso gehandelt worden, wie in allen gleichliegenden Fällen.
Nun aber zur Sache selbst! Ich habe mich allerdings nicht davon überzeugen können, daß eg angeraten sei, aus den von dem Herrn Abg. Strosser mitgeteilten Verhältnissen in Breslau an eine Aenderung der Städteordnung für die östlichen Provinzen heranzugehen. Meine Herren, man muß es sich sehr reiflich überlegen, ob man ein grund⸗ legendes Gesetz, wie es die Städteordnung ist, in einer einzelnen Be⸗ stimmung um einzelner Vorkommnisse willen abändern will. Ich gebe jzu, daß die Unbequemlichkeiten, welche in Breslau entstanden sind, scharf und unangenehm empfunden werden; (Abg. Dr. Wagner: Sehr richtig! aber diese Unannehm⸗ lichkeiten können auch ohne Aenderung der Städteordnung auf verschiedenem Wege beseitigt werden. Es liegt in der Hand des Magzistrats von Breslau, zu beschließen, daß auch in der ersten Ab= teilung mehrere Wählerbezirke gebildet werden; und es liegt weiter, wenn dleser Beschluß nicht gefaßt werden sollte, im Bereich der
des Staatshaus⸗
Möglichkeit, durch Bildung von Abstimmungegruppen und Verteilung
—
der in der Form der sogenannten Fristwahl sich vollziehenden Ab. stimmung auf mehrere Tage, diejenigen Unbequemlichkeiten der Wahle zu beseitigen, die im vorigen und auch in diesem Jahre hervorgehoben worden sind. Es bestehen also jwei verschiedene Wege, auf denen den bestehenden Schwierigkeiten abgeholfen werden kann. In Berüch, sichtigung dieses Umstandes trage ich auch heute noch Bedenken, an eine Aenderung der Städteordnung heranzutreten, zumal in keiner der übrigen in Preußen geltenden Städteordnungen eine Bestimmung enthalten ist, wie sie der Herr Abg. Strosser und im vorigen Jahre mit ihm das Abgeordnetenhaus für die östliche Städteordnung ge⸗ wünscht hat.
Zum Schluß nur wenige Worte mit Bezug auf die von dem Herrn Abg. Strosser wieder behandelte Frage der Fürsorge für die Geisteskranken. Der Herr Abgeordnete hat unter Bezugnahme auf meine Ausführungen von gestern hervorgehoben, daß nach seiner und seiner Freunde Ansicht es notwendig sei, die bescholtenen Geistet⸗ kranken und die unbescholtenen in getrennten Anstalten unterzubringen. Meine Herren, darüber läßt sich durchaus sprechen, und im Interese der unbescholtenen Geisteskranken würde ich dringend wünschen, daß eine derartige Scheidung vorgenommen wird. Wenn aber der Herr Abg. Strosser daran unmittelbar die Schlußfolgerung knüpfte, daß deshalb Staatganstalten für die bescholtenen Irren gegründet werden müßten, so liegt darin — er möge es mir verjeihen — ein gewisser Gedankensprung.
Nach der geschichtlichen Entwicklung in Preußen ist die Fürsorge für das Irrenwesen nicht erst seit Erlaß der Provinzialordnung, sondern schon aus landrechtlichen Zeiten den Provinzialverbänden übertragen worden, und früher den Landarmenverbänden. Es ist dieser Zweig der Fürsorge jetzt den Selbstverwaltun gaberbänden übergeben und ihnen ein Steuerrecht und Dotationen dafür zuteil geworden. Wir würden also unter allen Umständen mit der geschichtlichen Entwicklung brechen, wir würden brechen mit dem gegenwärtigen, durch das Er⸗ kenntnis des Oberverwaltungsgerichts festgestellten Rechts zustande, wenn wir aus der Notwendigkeit, bescholtene und unbescholtene Geisteskranke in verschledenen Anstalten unterzubringen, ohne weitere die Folgerung jziehen wollten, daß nunmehr der Bau und die Unter, haltung der Häuser für die bescholtenen Irren eine Sache del Staates sei.
Abg. Graf Ballestrem (Zentr): Seit drei Jahren schweben Verhandlungen jwischen der Regierung und den Beteiligten, sowie zwischen dem preußischen Staate und der russischen Regierung über die Abstellung eineß großen Mißstandes bei! dem“ Greniflufft Proßna in meinem Wahlkreise Kreuzburg-⸗Rofenberg. Dieser Fluß sst seit 490 Jahren nicht mehr geräumt worden und total verschlämmt. Die dreijährigen Verhandlungen haben aber zu keinem Resul tat ge⸗ führt. Die preußische Regierung hätte mindestens die moralsche Verpflichtung, bie Räumung sofort in Angriff zu nehmen. Die Kosien würden etwa 26 500 MS betragen. Es wird doch sonst genug Geld vergeblich für den Osten ausgegeben. Man denkt daran, die Kosten bon den Beteiligten des Kreises aufbringen zu laffen, aber dat dürfte eine große Verstimmung erzeugen und dem Polentum am Ende noch mehr Stimmen zuführen, die an sich gar nicht Polen find und mu durch die polnische Agitation zu ihrer Stimmabgabe gebracht werden. Bei dieser elegenbeit möchte ich es auch aussprechen, daß meine Fraktion absolut nicht mit der aggressiven Kampfpolitit der Regierung gegen das Pglentum einverstanden ist. Hunderte bon Millionen sind hinaus⸗ geworfen worden, und nur die Preise der Güter sind dadurch gestlegen. (Als der Redner ausführlich auf Vorgänge bei der letzten Reichttagt⸗ wahl in seinem Kreise eingehen will, wird er vom Vizeprãͤsidenten Dr. Porsch daran, gehindert. Er schließt mit der Bitte an den Minister, die Räumung der Proßna eifrig betreiben zu wollen.
Abg. Heckenroth . betont das Bedürfnis einer durchgreifenden Revision der Rhelnischen xandgemeindeordnung. Di selbe gehe auf daß Jahr 1845 zurück und habe seitdem vielfach Aenderungen und Ergänzungen erfahren, sei dadurch aber namentli für die einfachen Gemesndeeingesessenen sehr unübersichtlich geworden. Ein Wunsch der rheinischen Gemeinden gehe dahin, daß die Bürger meisterverfassung geändert werde; wolle man aber * die Bt ger⸗ meistereien beibehalten, so solle wenigstens die frele Bürgermeister wahl eingeführt werden. Es werde ferner eine Beftim mung, ze wünscht, daß nach zwei beschlußunfähigen Si ungen des Gemeinde rats nicht der Kreisausschuß die Beschlässe ift sondern die dritte Sitzung auf jeden Fall beschlußfählg sein soll. Eg werde im gansen eine e . Selbstverwaltung gewünscht. Der Redner bittet den Minister, in dieser Beziehung alsbald die rheinische Gemeindeordnun ändern zu wollen.
Abg. Fritsch (nl) regt die strafe für die Unterbeamten an. Die Würde der Beamten und müsse durch eine Ein entsprechender Antrag seiner Freunde sei bereits in ehtet früheren Session vom Hause angenommen worden. Der Hin f habe die Aufhebung der Arreststrafe in der Kommission ahgelehun und die Budgetkommisston habe sich der Ausicht des Piniflers ap= off aber es könne doch kein Zwelfel sein, daß die 1. . ür Zivilbeamte verletzend fei. Bei milstärischen Ver ö nifsen sei die Sache wegen der Notwendigkeit einer (isernen Dit, ziplin anders, Und wenn die Arreststrase wirklich für einen fenj mllitärisch organisierten Teil der Unterbeamten angebracht öh solle, so 9 das kein Grund, sie für alle Unterbeamten . 36 zu erhalten. Wenn man sage, daß die Unterbeamten von 6 Geldstrafe härter getroffen würden, so ses zu erwidern, da
Aufhebung. der Attes, Krrestftrafe verletze bi Geldstrafe ersetzt werden
.
amten ihr Chrgefühl, höher stellten als einen pekuniä . Die derne fin Partel werde diese An 6 ncht ruhen lassen und bei dem speziellen Antrag, den sie u e ll habe, er darauf zurückkommen. Der r ff ei habe zu der humanen und wohlwollenden Gesinnung des Ministers sein Vertrauen aug. gesprochen, die Unterbeg mten würden, dem Minister dankbar sein, weun er auch in dieser Frage sein Wohlwollen bewiese.
Abg. Busch (3entr), bemängelt wie im vorigen Jahre die große Zahl der Polizeiverordnungen. Vielfach eien diese HYollselgerordnungen gänzlich veraltet. Der Bevölkerung Fel 3 unbegreiflich, daß alles durch Polijeiverordnungen geregelt werde. solle nicht gleich eine Strafe verhängt werden wenn . B. ein Bauer einmal zu biel Wasser von seinem Grundftück ab. laufen läßt, Hewiß müßse Ordnung herrschen, aber man dürfe nicht alles auf die Spitze trelben. Man solle bei Erlaß von Polizei⸗ perordnungen erst Handelskammern, Handwerkskammern ufw. hören. Im Rhelnland erlasse der Bürgermeister allein die Polizei⸗ Ferordnungen, das entspreche aber nicht mehr den modernen Verhãltnissen. Der Minister habe im vorigen Jahre gesagt, daß er in feiner Aimnts. itigkeit nur immer mit Jagen an Polszelverordnungen herangegangen fel. In diesem Geiste solle der Minister einmal die größere Zahl alter Volizelberordnungen prüfen und einen Bremzerlaß dagegen geben. Bel der Vergebung der amtlichen Annoncen an die Preffe werde, wie er schen im vertgen Jahre geklagt habe, die Zentrumspresse ver— nachlãssigt. Dieselbe Klage sei damals von den Freisinnigen bezüglich ihrer af! eh ragt aber vielleicht sei jetzt für diefe der Ücbes
and beseltigt. .
tt Abg. Dr. Wagner . Die Antwort des Ministers wegen Aenderung der Städteordnung hat eine dankenswerte Klärung ge⸗ bracht; das Ministerium denkt nicht an eine Aenderung. Ob kie Interessenten, das heißt die Wähler der ersten Klaffe der Stadt— verordneten, ihm dafür besonders dankbar sein werden, möchte ich bejweifeln. Im Gegenteil, sie werden sich nicht zufrieden geben, sondern eine neue Petition einbringen. Für die 800 Wähler der etsten Abteilung in Breslau ist das Wahlgeschäft sehr unbequem, deshalb ist eine Aenderung durchaus wünschenzwert. Allerdings könne nach dem Gestetze der Magistrat nach seinem Ermessen eine Aenderung vornehmen, aber der Reglerungspraͤsident hat erklärt, daß er die Wänsche der Interessenten nicht als berechtigt anerkenne. Auch der Dberpräsident hielt die Beschwerden nicht für so groß, daß eine Aenderung eintreten müßte. Der Minister sagt, der Magistrat könne selbst Wandel schaffen, aber das ist doch ein eirculus vitiosus; der Magistrat will dazu die Hand nicht bieten. Die Petenten haben das letzte Mittel nur in der gesetzlichen Aenderung gesehen, daß, wenn die welle Abteilung geteilt ist, auch die erste geteilt werden muß. Es 3 nicht möglich, durch die Stadtverordnetendersammlung in Breslau selbst zu einer Aenderung zu kommen, da die herischende Mehrheit aus politischen Gründen es nicht will.
Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollw eg:
Meine Herren! Der Herr Abg. Busch hat bereits selbst an— geführt, welche Stellung gegenüber dem Erlaß von Polijseiverordnungen ich im allgemeinen einnehme. Ich habe mich darüber bereits vor zwei Jahren im Herrenhause auggesprochen, und meine Stellung ist noch heute unverändert dieselbe. Wenn der Herr Abg. Busch den Wunsch ausgesprochen hat, ich möchte dafür sorgen, daß nicht jeder Uebertreter einer polizeilichen Vorschrift zur Rechenschaft gezogen und bestraft werde, so kann ich das leider nach der gegenwärtigen Gesetzgebung nicht tun; wir haben das allgemeine und unbeschränkte Legalitäts⸗ prinzip bejüglich der Erhebung der Anklage bei Polizeiübertretungen, und ich würde mich selber strafbar machen, wenn ich den Polizei- behörden zur Aufgabe machte, Uebertretungen nur in einzelnen Fällen zur Bestrafung zu bringen.
Der Herr Abg. Fritsch ist auf die Arreststrafen eingegangen. Ich möchte mich im wesentlichen auf das beziehen, was ich in der Budgetkommission gesagt habe, und was der Herr Referent darüber mitgeteilt hat. Auch der Abg. Fritsch ist, wie mir
schien, mit mir der Ansicht, daß die Arreststrafen für die militärisch
organisierten Beamtenschaften, Schutzmannschaften usw., nicht wohl entbehrt wer den können. Nur in bezug auf diese Kategorien habe ich neben anderen Gründen, welche für die Beibehaltung der Arrest⸗ strafen sprechen, darauf hingewiesen, daß die Verbüßung einer Arrest= strafe in vielen Fällen für den Betroffenen milder sein könne als eine hohe Geldstrafe. Ich habe diese Behauptung aber nicht gegen—⸗ über der Gesamtheit der Unterbeamten ausgesprochen; ich glaube, hier liegt ein Mißverständnis auf seiten des Herrn Abg. Fritsch vor.
Nun aber die Arreststrafen bei den Unterbeamten, welche nicht militärisch organisiert sind! Ich habe in der Budgetkommission mit— geteilt, daß innerhalb meines Ressorts und, soweit ich orientiert sei, auch innerhalb der anderen Ressorts von Arrestrafen in der Ver⸗ gangenheit, soweit sie hier in Betracht kommen kann, kaum irgend welcher Gebrauch gemacht worden sei, und daß für die Zukunft die zuständigen Ressortminister entschlossen seien, ihre Be—= hörden anzuwelsen, noch weniger oder gar keinen Gebrauch davon zu machen. Ich möchte also doch meinen, daß es übertrieben ist, wenn man behauptet, die gesamte Unterbeamtenschaft sei in ihrem Ehrgefühl dadurch verletzt, daß die Arreststrafen auf dem Papier noch weiter fortbestehen. Ich glaube, die Unterbeamten können sich vollkommen beruhigen, wenn tatsächlich Arreststrafen gegen sie nicht mehr angewandt werden.
Der Herr Graf Ballestrem ist auf die Räumung des Grenz- flusfset, der Prosna, ziemlich ausführlich zu sprechen gekommen. Meine Herren, es ist unzwelfelhaft, daß der Staat selber ein wesentliches Interesse an dieser Räumung hat, ein Interesse daran, daß die Grenz= linie unverfälscht und richtig erhalten wird. Ebenso haben aber auch die Anlieger ein Interesse an der Raͤumung; es gebt aus den Mit— teilungen des Herrn Abg. Grafen Ballestrem unmittelbar hervor, daß durch die Säumnis in der Räumung die Anlteger vielfach geschãdigt worden sind.
Meine Herren, eine Schuld an dem gegenwärtigen Zustande kann wan der Staatsregierung nicht wohl beimessen. Im Jahre 1835 ist in dem Grenzvertrage mit Rußland gesagt worden, daß Ufer— arbeiten usw. nur mit Einwilligung der beiden vertragschließenden
Teile und unter Aufsicht der Verwaltungsbehörden vorgenommen
werden sollen. Das bewirkt ein etwas umständliches Verfahren, namentlich da derartige Verhandlungen mit Rußland nicht immer sehr schnell zu Ende gebracht werden können. Durch diesen Grenzvertrag ist die Raäumungepflicht als solche in keiner Weise aufgehoben worden. Dle Räumungspflicht liegt nicht nur kleinen Leuten ob, sondern es find auch größere Besttzer und durchaus leistungsfähige Elemente daran beteiligt. Nun werden Sie nicht gut verlangen können, daß ier ohne weiteres von Staats wegen ein Grenzfluß von ungefähr 00 Rm Länge auf Staatskosten geräumt werden soll, während nach öffentlichem Rechte Räͤumunggpflichtige und zum Tell auch Leistungs- fählge vorhanden sind. Herr Graf Ballestrem ist im übrigen nicht richtig orientiert, Denn er meint, ich hätte damalg Glnspruch dagegen erhoben, daß die g auf Staats kosten erfolge. Das habe ich nicht getan. Wenn
ihm das mltgetellt sein sollte — die Sache ist aus dem Bereiche der Korrespondenz jwischen den einzelnen Ressortt noch nicht heraug— gekommen — so ist er irrtümlich informiert worden. Ich bin im Gegenteil der Ansicht: wenn bei der Ermittlung der Räumungf⸗= pflichtigen sich herausstellen sollte, daß sich eine größere Anzahl Leistungsschwacher darunter befindet, so soll möglichst durch Staatz belhilfen geholfen werden. Ich werde diesen Standpunkt der Finanj⸗ verwaltung gegenüber vertreten. Da ich in meinem eigenen Etat keine Mittel dazu habe, so möchte ich dem Herrn Abg. Grafen Balle⸗ strem anhelmgeben, bei der Beratung des Etats der Finanzverwaltung auf die Angelegenhelt zurückjukommen. Ich kann unmittelbar für die Sache nichts tun.
Der Herr Abgeordnete hat die Angelegenheit der Räumung der Prozna unmlttelbar mit der Polenpolitik und der Ostmarkenpolitik in Verbindung gebracht. Auf dieses Gebiet möchte ich ihm nicht folgen, möchte aber doch bemerken, daß er sich hoffentlich noch im Laufe der gegenwärtigen Session davon überzeugen wird, daß seine Annahme irrtümlich war, als seien alle Millionen, die wir bisher in der Ost— markenpolitik ausgegeben haben, ins Wasser geworfen.
Bei der Polenpolitik hat er noch eine Wahlbeeinflussung berührt, die durch Reglerungsbehörden vorgekommen sein soll. In einem seiner Nachbarkreise habe die Regierung an Beamte Zettel mit der Aufforderung geschickt, keinen Polen und keinen Sozial. demokraten, vor allen Dingen aber kein Zentrumsmitglied zu wählen. Mir ist davon nichts bekannt, und nach den Anweisungen, die von der Zentralbehörde ergangen sind, möchte ich doch, bevor ich die Sache untersucht habe, bezweifeln, daß derartige Zettel von der Regierung an die Beamten geschickt worden seien.
Herr Abg. Graf Ballestrem hat dann seine Ansprache mit der Aufforderung an mich geschlossen, ihn und seine politischen Freunde in dem Kampfe gegen das Polentum zu unterstützen. In durchaus freudiger Zustimmung erkläre ich dem Herrn Abgeordneten, daß ich und die ganze Staatsregierung ihm in dieser Richtung unsere energischste und intensivste Unterstützung angedeihen lassen werden. (Bravo! rechts.) Ich richte an den Herrn Abg. Grafen Ballestrem und seine Freunde auch die Bitte, daß sie umgekehrt die Staats⸗ regierung in ihrem Kampfe gegen das Polentum gleichfalls unterstützen. (Heiterkelt und lebhafter Beifall.)
Abg. Meyer Diepholz (n) spricht sich für die Aufhebung der Arreststrafe für die Unterbeamten aus.
Darauf wird die Debatte geschlossen. liche Bemerkungen.
Abg. CEssel (freis. Volkep.) will loyal anerkennen, daß, wenn die Versammlung, von der Herr Strosser sprach, erst am 7. Februar stattgefunden habe, sie natürlich keinen Einfluß auf die Reichstags⸗ wahlen gehabt haben könne, hält aber im übrigen seine Ausführungen über die Wahlbeeinflussung aufrecht. .
Abg. Fritsch bemerkt, daß der Minister aus seinen Worten nicht den Schluß ziehen dürfe, als ob er und seine Freunde mit der Auf. rechterhaltung der Arreststrafe für den militärisch organisierten Teil der Beamten einverstanden seien; sie wollten vielmehr die Aufhehung für alle Beamten.
Abg. Graf Ballestrem erklärt, daß er nicht die Regierung zu einer direkten Unterstützung des Zentrums in dem Kampfe gegen die alen iger habe, sondern nur zu einer indirekten; übrigens
abe er diese Aufforderung nur in seinem Namen, nicht in dem seiner Partei ausgesprochen.
Das Gehalt des Ministers wird bewilligt, ebenso ohne
Debatte das Kapitel des „Statistischen Landesamts“.
Beim Kapitel „Oberverwaltungsgericht“ bittet
Abg. Pallaske (kons.) darum, daß das Sberverwaltungegericht, wie von der Entscheidung in Schankkonzessionssachen, so auch von anderen Materien nach Möglichkeit befreit werde, um eine schnellere Erledigung anderer Entscheidungen herbeiführen zu können.
Minister des Innern Dr. von Bethmann-⸗Hollweg:
Ich möchte nur kur mitteilen, daß ich in die Erwägungen, die der Herr Vorredner gewünscht hat, bereits eingetreten bin, nämlich dahin, ob es möglich ist, die Geschäftslast des Oberverwaltungsgerichts durch Abänderung der Zuständigkeitsverhältnisse zu vermindern.
Wenn das hohe Haus gestattet, möchte ich bei dieser Gelegenheit noch eine Antwort auf eine Anfrage des Herrn Abg. Busch abgeben, was ich vorhin leider versäumt habe. Der Herr Abgeordnete hat mich gefragt im Anschluß an Anträge, die im vorigen Jahre im hohen Hause gestellt sind, ob ich Anordnungen getroffen hätte, daß die amtlichen Publikationen tunlichst in der gesamten Presse, unab⸗ hängig von ihrer parteipolitischen Richtung, erfolgen möchten. Der Herr Abg. Busch hat mir damals eine ganze Reihe von Beschwerden nach dieser Richtung hin eingereicht. Ich habe diese Beschwerden ge—⸗ sondert den betreffenden Regierungspräsidenten zugehen lassen und sie bei dieser Gelegenheit auf den Erlaß vom 20. März 1896 hingewiesen, in welchem gesagt worden ist, daß nur solche Blätter von der Zuwendung amtlicher Bekanntmachungen auszuschließen sind, die in ihrer Oppo⸗ sition einen unanständigen oder gehässigen Ton anschlagen. Ich nehme an, daß das hohe Haus mit dieser Anordnung einverstanden ist; denn es wird von den Behörden nicht wohl verlangt werden können, daß sie amtliche Publikationen in Blättern vornehmen, welche in ihrer Opposition zu einem unanständigen und gehässigen Ton grelfen.
Ein Speziale möchte ich noch hervor heben. Unter den Beschwerden des Herrn Abg. Busch befand sich auch eine — in welchem Kreise es gewesen ist, weiß ich im gegenwärtigen Augenblick nicht mehr —, wonach ein Zentrumsblatt nicht berücksichtigt worden sel. Die Sache ist genau untersucht worden. In diesem Falle hat es sich heraut⸗ gestellt, daß die amtlichen Publikationen zwar in einem Zentrumsblatt stattfanden, aber nicht in demjenigen, das der Herr Abg. Busch wünschte. Da aber die Publikationen in einem Blatte erfolgten, das der Rich⸗ tung angehört, die der Herr Abg. Busch in diesem Falle als zweck⸗ mäßig erachtete, damit die Publikationen eine weite Verbreitung fänden, so glaube ich, daß dieser Fall damit erledigt ist.
Bei den Ausgaben für die „Versicherungsreyvisoren“
bespricht
Abg. Franken (nl.) ausführlich die Explosionskatastrophe der Robi ab's in Witten vom 28. Nobember v. J. Die dadurch in der Umgebung der Fabrik hervorgerufenen Schäden seien auf etwa
3 Mill. Maik veranschlagt; die Versicherungsgefellschaften wollten .
Es folgen persön⸗
ihrer Pflicht der Entschädigung entziehen. Da es sich aber unzweifel— haft um inen ausgekommenen Brand handele, so möge der Minifter die Geschädigten vor langen Prozessen zu schützen fuchen. Es wäre ange snicht, wenn die Versicherungsgesellschaften mit herangezogen würden jur Deckung der Kosten der Feuerlöschgeräte und auch zur euerinspektoren. m . sei uns
Bezahlung der ondern selbst Mecklen⸗
Preußen leider nicht allein der Süden, burg über.
Beim Kapitel der Landratsämter“ referiert Bericht⸗ erstatter Abg. von Pappenheim, daß auch in der Kommission erneut die Unzulänglichkeit der Dienstaufwandsgelder für die Landräte anerkannt worden sei.
Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Lotich ius (nl) erwidert ein Regierungskommissar, daß an eine Auflöfung des Kreises Meisen⸗ heim nicht gedacht werde.
Abg. von Bockelberg (kons.): Selbst der Abg. Cassel hat gestern anerkannt, daß die Landräte bei der letzten Reichstagswahl sich sehr zurückhaltend gezeigt haben. Aber es ist einem Beamten, der so mit seinem Kreise verwachsen ist, wie es bei den Landräten erfreulicherweise häufig der Fall sei, nicht zu verdenken, wenn er als Staatsbürger zu den Wahlen Stellung nimmt; denn sonst würde er ja zu einem Bürger zwelter Klasse herabsinken. Wir werden weiter Wert darauf legen, daß ein Landrat innig mit seinem Kreise perwächst. Die Stellung der Landräte, die so außer, ordentlich wichtig für unser Staatzwesen ist, könnte vielleicht dadurch gehoben werden, daß man ihnen eine höhere Rangstellung ewährt; ebenso , . unbedingt eine Erhöhung mindestens des Maximal ehalts eintreten. ; *
ö. Abg. Marx (Zentr.): Ich möchte etwas Wasser in den Wein des Herrn von Bockelberg gießen. Der Landrat ist zweifellos eines der wichtigsten Aemter in der Staate verwaltung, aber das verpflichtet ihn auch gerade desto mehr, unparteiisch zu sein. Ich konnte leider bei der Kürze der Zeit dem Minister nicht mein hier vorliegendes Material zugehen ö. Der Landrat des Kreises St. Wendel hat in der Gemeinde Berschweiler in einer Wählerversammlung durch den een. lischen Pfarrer verkünden lassen, daß die erlassene Bauordnung milde ehandhabt werden solle, was elnen außerordentlichen Juhelruf . Weiter wird Beschwerde darüber geführt, daß der Land⸗ rat des Kreises Rottweiler von dem Sieg der nationalliberalen Partei durch ein Telegramm Kenntnig gegeben hat. Ich will von dem Inhalt des Telegramms zunächst keine Mitteilung machen, sondern zunächst den vorgesehenen Instanzenzug beobachten. Dꝛeser Landrat hat ferner auch bei Gelegenheit einer Wahlversammlung ver⸗ künden lassen, daß er in der Lage sei, circa 80 wegen Vernachläs in der Straßen erlassene Polijeistrafmandate um eines Formfehlers halber wieder aufzuheben. Der Zweck dieser Aufhebung dürfte doch
alliu durchsichtig fein Minister des Innern Dr. von Beth mann⸗Hollweg:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat an die Spitze seiner Ausführungen den Satz gestellt, daß der Landrat der Vertrauensmann des ganzen Kreises sein soll ohne Rücksicht auf die verschiedenen Kon⸗ fessions oder Parteiverhältnifse. Diesen Satz unterschreibe ich Wort für Wort. Auch nach meiner Auffassung soll der Landrat so in seinem Kreise walten und regieren, daß die gesamte Bevölkerung zu ihm als Vertrauensmann aufsieht, bei dem sie gerechte und sachliche Entscheidungen in jeder Angelegenheit findet. Wenn der Herr Vor⸗ redner diesen Standpunkt vertritt, so möchte ich ihn doch fragen, ob er diese ideale Vertrauensstellung des Landrats nicht gerade dadurch sehr empfindlich schädigt, daß er hier im Abgeordnetenhause Be⸗ schwerden über das Verhalten einzelner Landräte vorbringt, ohne daß es mir möglich ist, entweder meine Beamten vor der Oeffentlichkeit in Schutz zu nehmen lsehr richtig! rechts) oder, falls sie etwas Falsches getan haben sollten, ebenso öffentlich und ebenso frei zu erklären, daß sie meinen Tadel verdienen. l
Ueber die Einzelheiten, die mir vollkommen unbekannt sind, und über die nichts in meine Akten geraten ist, kann ich hier heute keine Auskunft geben. Aber ich weiß nicht, ob nicht das übrige Haus mit mir den Eindruck gehabt hat, als habe der Herr Vorredner, der ja selbst zugibt, daß er den Tatbestand nicht habe fest stellen können, doch in seine Ausführungen einen Ton gelegt, aug dem hervorging, daß er dem betreffenden Landrat die schwersten Vorwürfe mache. (Sehr richtig! rechts.) Das ift meiner Ansicht nach ein Verfahren, wie es Beamten gegenüber nicht dienlich ist, die auch nach der Ansicht des Herrn Vorredners eine der ersten Stellungen im preußischen Staate einnehmen. Ich möchte daher an den Herrn Vorredner das Ersuchen richten, daß, wenn Verfehlungen der Landräte vorkommen, die Beschwerden entweder im geregelten Instanzenzug angebracht werden oder, wenn es sich um wichtige Dinge handelt, eventuell mir unmittelbar Kenntnis gegeben wird. Aber hier vor der Oeffentlichkeit solche Anklagen — denn es waren Anklagen dem Ton nach — zu er⸗ heben, dabei im selben Atem zu sagen: der Tatbestand ist nicht fest⸗ gestellt, ohne mir die Möglichkeit zu geben, meine Untergebenen in Schutz zu nehmen — das kann ich nicht für recht halten; denn eg bleibt das alte Wort bestehen: semper aliquid haeret. Das wird der Herr Vorredner doch auch nicht wollen. (Bravoh
Abg. Dr. von Niegolewski (Pole) führt Beschwerde über Wahlbeeinflussungen durch die Landräte in der Provinz Posen.
Abg. Busch (entr.) tritt für eine Besserstellung der Bureauhilfs. arbeiter der Landraͤte ein. Es sei wiederholt gewünscht worden, daß diese als Staatsbegmte übernommen würden. Ihre Besoldung sel völlig unzureichend; in einer Annonce seien 25 Æ monatlich geboken worden. Den Landräten könne man keinen Vorwurf machen, denn sie müßten diese Hilfskräfte aus ihrer Dienstaufwandsentschädi⸗ gung besolden. Es würde das beste sein, wenn der Staat die Be⸗ amten übernähme. ⸗
Ein Regierungskommissar: Dieser Wunsch ist seit Jahren autgesprochen worden, aber es stellen sich der Erfüllung große Schwierigkeiten entgegen. Die Regierung hat en dadurch zu helfen gesucht, daß sie die Beamten unter die Diltarien eingereiht hat, aber sie erkennt an, daß damit noch nicht genügend Hin . ist. Es ist in Aussicht genommen, im nächsten Jahre eine eamtenklasse bei den Landratsämtern einzustellen, die dauernd als staatliche Beamte bei den Landratgämtern arbelten und ein auskömmliches Gehalt be— zlehen sollen.
Abg. Vr. Dahlem (Zentr.) wendet sich gegen die Beilegung von * 4 den Kreisblättern, die den Wünschen der Bepzlkerung icht entspreche. tb geen eg grs, Boltep): Cu ist nickt mnsere Afsigt, den am rat zum Staatsbürger zweiter Klasse zu machen, wie Herr Strosser meinte; aber unsere Stellung ist damit begründet, daß man die Person des Landrats nicht von selnem Amte trennen kann. Dle politische Anteilnahme des Landrats ist wesentlich eine Sache. des Taktes; er muß verstehen, sein Temperament zu zügeln, damit nicht der Verdacht der Wahlbeeinflussung entsteht. Bie Konservativen selbst müßten nach dieser Richtung hin wirken.
Abg. Marx (Zentr.): Der Minlster hätte gen n bt. daß ich ibm meine Beschwerdefälle vorher mitgeteilt hätte, damit er antworten konnte. Ich habe das auch immer getan, habe aber in diesem Aug. nahmefalle selbst erst vor wenigen * meine Informationen er⸗= halten. Uebrigens habe ich melne Tatsachen lediglich auf Grund der Mitteilungen von amtlichen Kreisblättern vorgetragen.
Minister des Innern Dr. von Bethmann⸗Hollweg:
Nur jwel Worte bitte ich darüber sagen zu dürfen. Mir konnen nicht ohne weiteres annehmen, daß alleg, was in dem redaktionellen Teil der Kreigblätter steht, absolut richtig ist und von dem Landrat gebilligt wird. So weit geht die Macht der Landräte nicht. Zu der Zeit, als ich selber Landrat gewesen bin, habe ich nicht leden Morgen den ganzen redaktionellen Teil meines Krelsblattes gelesen, dazu hätte
mir auch die Zelt gefehlt. Ein gewlsser Vorwurf richtete sich dagegen,