1907 / 55 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

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schulen, für das Genossenschaftswesen und zwar sowohl zu Bei—⸗ hilfen wie zu Darlehen für große Meisterkurse, für kleine Meister⸗ kurse, für Lehrlingsausstellungen, für Gewerbeausstellungen, Prämien für die Ausbildung von Taubstummen und zur Unterstützung von Ge werbevereinen. Danach ergibt sich, daß ausgegeben sind im Jahre 1905 die Summen haben sich inzwischen zum Teil nicht un⸗ beträchtlich noch erhöht für die eben von mir erörterten Zwecke: im Bezirk der Handwerkskammer Hannover 226 509 A, im Bezirk der Handwerkskammer zu Düsseldorf 473 705 4 (hört, hört! rechts, im Bezirk der Handwerkskammer zu Frankfurt a. O. 142 856 M, im Bezirk der Handwerkökammer ju Merseburg 66 B09 4, im Bezirk der Handwerkskammer zu Gumbinnen 59 771 M und im Bezirk der Handwerkskammer zu Oppeln 209 412

Meine Herren, Sie werden doch daraus ersehen, daß tatsächlich für eine Betätigung der Handwerkekammern in dem Umfange, wie es bei den Landwirtschaftskammern möglich ist, gar nicht der Platz gegeben ist. Also, meine Herren, ich kann immer nur wieder sagen: mögen die Handwerkskammern ihre Anträge stellen, dann wird geprüft werden, ob ihren Wünschen entsprochen werden kann. Ich werde mich be—⸗ mühen, ihnen die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, ich werde, wenn die Mittel nicht ausreichen, versuchen, vom Herrn Finanzminister ein Plus zu bekommen; ich bemerke aber ausdrücklich, daß zur Zeit für die Zwecke, die durch die Handwerkskammern etwa gefordert werden können, ausreichende Mittel vorhanden sind und vor⸗ handen gewesen sind, und daß beispielsweise auch die Mittel zur Förderung des Genossenschaftswesens auf dem Gebiete des Handwerks und auch die Mittel zur Bewilligung von Darlehen für derartige Zwecke im laufenden Etat gegen den vorjährigen noch erhöht worden sind. Ich glaube, ich kann damit den Antrag Bachmann endgültig verlassen.

Meine Herren, es haben dann eine Reihe der Herren Redner erneut die Frage der Heimarbeit aufgegriffen und ihre Verwunderung darüber ausgesprochen, daß, obgleich im vergangenen Jahre von meiner Seite Erhebungen über die Lage der Heimarbeit und etwaige gesetz⸗ geberische Maßnahmen jur Beseitigung bestehender Mängel in Aussicht gestellt worden seien, davon noch nichts nach außen hin bemerkt worden sei. Meine Herren, Sie unterschätzen die Schwierigkeit der Materie. Ich kann aber feststellen, daß die Ermittlungen abgeschlossen sind und daß zwischen dem Reichzamt des Innern und meinem Ressort ein Gesetzentwurf im großen und ganjen vereinbart ist, der allerdings den anderen Bundegregierungen noch nicht zugegangen ist, sodaß es immerhin noch einige Zeit dauern wird, bis er das Licht der Welt erblicken kann.

Es ist dann die Frage aufgeworfen worden, wie es mit dem Wohnungsgesetz läge. Ja, meine Herren, ich habe das Wohnungs⸗ gesetz als einen annähernd fertigen Entwurf vorgefunden, und ebenso ist es meines Wissens meinem Herrn Kollegen im Mini⸗ sterium des Innern gegangen. Wir haben beide unsere ernsten Bedenken gegen die Durchführbarkeit des damals vorliegendrn Ent wurf gehabt, und wir sind also dabei, noch eine Umarbeitung vor— zunehmen; ich kann mit voller Sicherheit nicht in Aussicht stellen, wann die bezüglichen Arbeiten abgeschlossen sein werden.

Meine Herren, ich verkenne die Notwendigkeit und die Zweck⸗ mäßigkeit einer ausgiebigen Wohnungsfürsorge nicht. Ich bin aber nach meinen Erfahrungen auf diesem Gebiete und ich habe eine ganze Reihe praktischer Erfahrungen immerhin jwelfelhaft, ob man auf Grund einer sehr scharfen Gesetzgebung das Ziel erreichen kann, und ich bitte Sie, auch nicht zu vergessen, daß das Wohnungs⸗ bedürfnis ein außerordentlich schwankendes ist und daß man binnen wenigen Monaten aus einer scheinbaren Wohnungsnot in einen Wohnungsüberfluß hineinkommt, sodaß diese Fragen immerhin mit einer gewissen Behutsamkeit behandelt werden müssen und man sich sehr wohl überlegen muß, ob man spenlell den Kommunen übermäßige Be⸗ lastungen für diese Zwecke auferlegen soll, die nicht notwendig sind. Ich nehme an, daß ich damit die Anfragen der verschiedenen Herren Redner in bejug auf das Wohnungfgesetz genügend beantwortet habe.

Dann, meine Herren, ist von den folgenden Herren Rednern ich scheide vorläufig immer die Fragen der großen Politik aus der Antrag Trimborn über die Einrichtung von Detaillistenkammern er— oͤrtert worden. Meine Herren, es sind auch mir vor nicht allzu langer Zeit aus Interessentenkreisen entsprechende Anträge zugegangen, und ich muß sagen, daß ich die Sache heute mindestens nicht für spruchreif erklären kann und davor warnen möchte, etwa einen derartigen Antrag anzunehmen. Ich möchte, ohne auf die Einzelheiten einzugehen, bloß auf einige Momente hinweisen, die es mir höchst zweifelhaft erscheinen lassen, ob man den Zweck, den man mit den Detaillistenkammern erreichen will, auch tatsächlich erreichen wird. Meine Herren, wir haben in den letzten Tagen wiederholt Gelegenheit gehabt, die Vertretungen der Landwirtschaft und des Handwerks zu vergleichen. Ich habe die Ehre gehabt, darauf hinzuweisen, daß die glänzenden Erfolge der Tätigkeit der landwirt— schaftlichen Zentralverelne und der Landwirtschaftskammern zum Teil darauf jzurückjuführen sind, daß in diesen Organisationen das ganze Gewerbe vom kleinsten bis zum größten Betriebe vereinigt ist, und daß sich aus diesem Grunde eine Solidarität der Interessen von Groß⸗ und Kleinbetrieb entwickelt hat, die zu einer erfolgreichen Ver⸗ tretung der Gewerbe und Standetinteressen geführt hat, während umgekehrt auf gewerblichem Gebiete die Kleinbetriebe sich scharf scheiden von den Großbetrieben. In dieser Scheidung liegen zweifellos große Unbequemlichkeiten, Nachteile und Schwierigkeiten für eine ge= schlossene und erfolgreiche Vertretung der gemeinsamen Interessen, die tatsächlich vorhanden sind.

Nun sollen wir in den Kaufmannsstand wieder eine solche Trennung einfügen auf Grund einer mindestens sehr schwimmenden Grundlage. Es ist vorhin schon gefragt worden: Wer ist denn Detaillist? Detaillist ist Wertheim so gut wie der kleine

Posamentier in den Vororten. Soll man diese Leute mit ihren einander widerstrebenden Interessen in Detaillistenkammern bringen und sie dabei absperren von den Interessen des übrigen Handels? Ich kann mir von einer derartigen Scheidung des Kaufmannsstandes keine großen Erfolge versprechen. (Sehr richtig! rechts.)

Dann, meine Herren, vergessen Sie doch eins nicht! Die Handels- kammern, die Handwerkzkammern, die Landwirtschaftskammern sind auch Hilfsorgane der Staatsregierung. Die Staatgregierung wünscht von ihnen Gutachten über eine große Anzahl wütschaftlicher Fragen zu erhalten. Sind die verschiedenen Interessen, in einer Korporation zusammen· gefaßt, hinreichend vertreten, von einem einsichtigen Vorstand geleitet, so kann sie im großen und ganzen darauf rechnen, Gutachten zu be⸗

kommen, die die Interessen des Großen und des Kleinen gegen⸗ einander abzuwägen und richtig ju würdigen wissen. Zer⸗ splittere ich einen Berufsstand in lauter kleine Organisationen, so steht die Staatsregierung immer vor der unbequemen Situation, daß sie mit einander schroff gegenüberstehenden Gutachten zu rechnen hat und der Unterlage entbehrt, um den richtigen Ausgleich für die verschiedenen Interessen zu finden. Das sind alles Fragen, die doch mindestens sehr ernsthaft geprüft werden müssen. Man sollte den Beteiligten zunächst die Möglichkeit geben, selbst über die Sache nachzudenken und ihre Wünsche jum Ausdruck zu bringen, zumal, wie ich ausdrücklich bemerken möchte, auch das jetzt bestehende Handels—⸗ kammergesetz sehr wohl die Möglichkeit gibt, die Detaillisten voll zu Worte kommen zu lassen. Sowohl Vorschriften über das Wahlrecht als auch die Möglichkeit der Bildung von Ausschüssen bieten dem Detaillisten die Gelegenheit, innerhalb der großen Vertretung ju seinem Rechte zu kommen. Und ich sollte meinen, daß er sich in Ver⸗ bindung mit seinen stärkeren Berufsgenossen wohler fühlen wird, als von ihnen isoliert.

Der Herr Abg. Gerschel hat dann Bedenken darüber aus gesprochen, ob mir wohl die nötige Einsicht inne gewohnt hat, als ich die Enquete über die Beschäftigung der gelernten und der handwerkg—⸗ mäßig ausgebildeten Arbeiter in den Fabrikbetrieben veranstaltet habe. Ich glaube den Herrn Abg. Gerschel dahin beruhigen zu können, daß die Fragen so gestellt sind, daß auch die Punkte, die er erörtert ju haben wünscht, zu ihrem Rechte kommen. Ich will nicht behaupten, daß die Statistik eine vollendete gewesen wäre;

immerhin aber werden ihre Ergebnisse für die Lösung der gestellten

Aufgabe einige Anhaltspunkte geben. In dem Fragebogen soll an= gegeben werden der Betrieb, mit Bejeichnung der Firma; es ist an— zugeben, ob beim Betriebe Kraftmaschinen erforderlich sind; es ist an⸗ zugeben die Anzahl der beschäftigten Arbeiter einschließlich der Werk- meister, der Vorarbeiter usw., und jwar sind aufzuführen sämtliche Arbeiter, dann einzeln die ungelernten und die gelernten Arbeiter und bei diesen ist zu scheiden zwischen denen unter 16 Jahren und denen über 16 Jahren. Bei den Arbeitern über 16 Jahren sind an—⸗ zugeben wie viele von ihnen bei einem Handwerksmeister ausgebildet sind, und wie viele von ihnen in einer Fabrik ausgebildet sind. Dann ist noch ausdrücklich darauf Rücksicht genommen, in welchen Stadien unserer Gesetzgebung die Betreffenden ihre Ausbildung empfangen und ob sie Prüfungen abgelegt haben; ferner ob die gelernten Arbeiter in der Branche beschäftigt werden, für die sie ausgebildet sind, oder ob sie in der Fabrik für andere Zwecke verwandt werden.

Mag aber die Statistik viel oder wenig brauchbares Material ergeben, so kann ich doch schon heute sagen, daß ich prinzipiell auf dem Standpunkte stehe, daß diejenigen, die von einer Veranstal⸗ tung Vorteil haben, auch verpflichtet sind, für diese Veranstaltung angemessene Beiträge zu leisten. Herr Abg. Gerschel hat dann bedauert, daß der preußische Handels⸗ minister doch eigentlich wenig Voraussicht gehabt hat, indem er dem Ersuchen des Reichsamts des Innern stattgegeben hat, eine Enquete über die Wirkung der Handelsverträge anzustellen. Nun, meine Herren, ganz so liegt die Sache nicht. Ich bin mit Herrn Abg. Gerschel der Ansicht, daß der Zelipunkt, der vorige September, wenige Monate nach dem Inkrafttreten der Handelsverträge und auf dem Gipfel einer gewerblichen Konjunktur, gewiß nicht geeignet war, solche Enquete mit großer Aussicht auf Erfolg anzustellen. Ich glaubte aber, keine Veranlassung zu haben, das an mich gerichtete Ersuchen abzulehnen, da ich annahm, daß dabei unter Umständen eine Reihe nicht un—⸗ interessanter Daten in meine Hände gelangen würde. Wenn nun Herr Abg. Gerschel selbst überzeugt war, daß der Zeitpunkt sich nicht eignete für diese Eimittelungen, und man ihren Ergebnissen keinen großen Wert beimessen könne, so wird er mir nicht übelnehmen, wenn ich die Resultate, soweit er sie benutzt hat, um die Schädlichkeit der Handelsverträge jzu beweisen, hier einer näheren Erörterung nicht unterziehe. (Heiterkeit rechts.) Dann ist der Herr Abg. Münsterberg mit einer Reihe von An—⸗ fragen gekommen, die sich junächst auf das Börsengesetz bezogen. Ich nehme an, daß diese Frage erledigt ist. Er hat dann zu wissen gewünscht, wie meine Stellung ist zu einer Petition des kaufmännischen Verbandes für weibliche Angestellte, die seit einiger Zeit in meinen Händen sein soll. Herr Münsterberg hat leider nicht gesagt, was in dieser Petition enthalten ist. Ich nehme an, es handelt sich um die Beschwerden des Handelsstandes über schlechte durch schwindel hafte Reklame dem Publikum angepriesene Ausbildungsstätten für Angestellte im Handelsgewerbe, also private Handels. und Gewerbeschulen. Die Beschwerden, die in dieser Petition vorgetragen werden, sind mir schon von früher bekannt, und sie sind Gegenstand eingehender Aufmerksamkeit in meinem Ministerium gewesen. Es hat sich als jweifellos berausgestellt, daß die jetzt bestehenden ziemlich alten gesetzlichen Bestmmungen über die Beaufsichtigung des Schulwesens nicht mehr recht geeignet sind, diese Art von Handels⸗ und Gewerbeschulen zu beaufsichtigen, und wir sind dabei, eine anderweite gesetzliche Regelung dieser Frage vorzubereiten. Herr Münsterberg ist dann auf die Fortbildungsschulen ein⸗

gegangen und hat dem Wunsch Ausdruck gegeben, daß die Zahl der fakultativen Fortbildungsschulen gegenüber der der obligatorischen zurück- gehen möchte. Ich will hier feststellen, daß seit 1899 die fakultativen Fortbildungsschulen von 470 auf 143 zurückgegangen sind, und daß die obligatorischen Fortbildungsschulen seit 1899 von 771 auf 1684 gestiegen sind. (Hört, hört! rechts.) Ich stimme in der Sache mit dem Herrn Abg. Münsterberg darin überein, daß das Ziel unseres Strebens eine allgemeine obligatorische Fortbildungsschule sein muß. (Sehr richtig! rechts) Ich halte aber den Zeitpunkt noch nicht gekommen, durch Gesetz eine allgemeine obli= gatorische Fortbildungsschule für das ganze Land anzuordnen, sondern ich meine, wir werden vorläufig bestrebt sein müssen, auf der jetzt ge⸗ gebenen Grundlage der ortsstatutarischen Regelung weiterzukommen, und ich bin überzeugt, daß die Zahl der Gemeinden, die die obligato⸗ rische Fortbildungsschule durch Ortestatut einführen, dauernd wachsen wird, weil immer weitere Kreise von der großen wirtschaftlichen und sozialpolitischen Bedeutung dieser Einrichtung Kenntnis bekommen werden. (Bravoh Damit bin ich auf dem Gebiet der großen Politik und speziell der Sozialpolitik angekommen und werde mich bemühen, eine Reihe von Anfragen, die auf diesem Gebiet an mich gestellt sind, zu beantworten. Die Mehrzahl der Dinge, die die Herren auf diesem

ö gestern und heute erörtert haben, sind Sachen, die jweifelloß in das Nessort des Reichs gehören, und die Herren

werden es mir nicht übel nehmen, wenn ich auf diesem Gebiet mit einer gewissen Zurückhaltung, mit einer gewissen Vorsicht spreche, denn ich bin tatsächlich nicht in der Lage, zu sagen, wie man an der Spitze der Reichsregierung augenblicklich über diese oder jene Frage denkt. Und ich bin auch nicht wohl in der Lage, über Sachen, die den Gegen⸗ stand von Verhandlungen zwischen den Reichsbehörden und meinem Ressort bilden, aber zu einer Uebereinstimmung noch nicht geführt haben, heute hier Mitteilungen zu machen.

In allgemeinen möchte ich aber zu den mancherlei Ausführungen, die auf diesem Gebiet gemacht worden sind, folgendes bemerken. Ich bin der Ansicht, daß die Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Koalitionsfreiheit 1852 und 153 zweifellos zu ganz bedenk. lichen Mißständen geführt haben. Wie groß diese Mißstände sind, kann man daraus ersehen, daß vielfach das richtige Verständnis für die Koalitionsfreihelt, die 8 152 der Gewerbeordnung gewährleisten soll, eigentlich vollständig verloren gegangen ist. 8 152 der Gewerbeord⸗ nung gibt gleichmäßig Koalitionsfteiheit dem Arbeitgeber wie dem Arbeitnehmer. Man kann es aber alle Tage hören, daß, wenn der Arbeitgeber den Versuch macht, sich gegen die Ausschreitungen der Koalitionsfreiheit auf seiten der Arbeitnehmer zu schützen, das als ein schweres Unrecht angesehen wird. (Sehr richtig! rechts) Man kann sich ferner darüber nicht täuschen, daß die Art, wie das Koalitiong= recht von seiten der Arbelter ausgeübt wird, tatsächlich zu einer voll- ständigen Beschränkung der persönlichen Freiheit geführt hat. (Sehr richtig) Die Art, wie Nichtorganisierte von den Organisierten auf jede Art und Weise gepeinigt werden, um sie zum Eintritt in die Organisation zu zwingen, die Art, wie man den Einfluß der Nichtorganisierten oder den Einfluß der schwächeren Organisationen zu unterdrücken sucht, ist zweifellos mit dem Begriff der all⸗ gemeinen persönlichen Freiheit kaum noch vereinbar. (Sehr richtig) Und ich erkenne ferner für meine Person ohne weiteres an, daß die Art, wie die sogenannten Streikbrecher von seiten der Streikenden bei den Ausständen am Arbeiten verhindert werden, ebenfalls zu schwerer Beschränkung der persönlichen Freiheit ausartet (sehr richtig! rechts und links] und unter Umständen geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu stören. (Sehr richtig! rechts.) Ich will auch zugeben, daß § 1653 der Gewerbeordnung und die bezüglichen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs vielleicht manchmal nicht die Möglichkeit geben, mit Erfolg einzuschreiten. Ich bin aber doch der Ansicht, daß eine ent schlossene Handhabung dieser Bestimmungen von seiten der Behörden hinreichen kann, um schwere Ausschreitungen zu verhindern. (Sehr richtig! rechts und links.) Ob bei dieser Sachlage die verbündeten Regierungen geneigt sein werden und danach bin ich gestern gefragt worden —, eine Vorlage zum Schutze der Arbeltswilligen ein⸗ zubringen oder nicht, welß ich nicht. Ob die verbündeten Regierungen Neigung haben werden, es zu tun, nachdem sie eine derartige Vorlage eingebracht hatten und nachdem sie es erleben mußten, daß diese Vor⸗ lage, von der sie annehmen mußten, daß sie angenommen werden würde, mit einer großen Majorität abgelehnt wurde, das, meine Herren, kann ich nicht wissen. Aber, melne Herren, ich bin der An⸗= sicht, daß eine erfolgreiche Sozialpolitik zweifellos nicht allein auf dem Gebiete repressiver Maßregeln liegt, sondern daß sie unbedingt auf dem Gebiete der positiven Arbeit liegt, und auf diesem Gebiete der positiven Arbeit komme ich ja nun auch wieder unmittelbar in mein eigenes Ressort und auf die Gebiete, in denen ich selbst in der Lage bin, unmittelbar einzugrelfen.

Es ist von dem Herrn Abg. Freiherrn von Zedlitz sehr zutreffend bemerkt worden, daß eine verständige und erfolgreiche Mittel- standgpolitik ein wesentliches Mittel ist zur Einschränkung der Sozialdemokratie. Soweit ich auf diesem Gebiete förder⸗ lich sein kann, werde ich es sicher tun, und ich glaube: die Herren haben sich überzeugt, daß ich auf dem Gebiete der Mittelstandspolitik bestrebt gewesen bin, das Meinige zu tun. Zu den Aufgaben einer verständigen Mittelstandspolitik gehört aber besonders die Hebung des Handwerks in seiner wirtschaftlichen, in seiner tech⸗ nischen Leistungsfähigkeit (Abg. Eckert: Sehr richtig!) und in seiner theoretischen Bildung. (Bravo) Deshalb muß nach meiner Ansicht immer und immer wieder der größte Wert gelegt werden auf die Entwicklung unserer Fortbildungsschulen und derjenigen Schulen, die sich auf die Fortbildungsschule aufbauen. (Sehr richtig! Bravo!) Ich denke mir die Sache ungefähr folgendermaßen.

Man wird unter allen Umständen bei der Ausbildung des Hand⸗ werkers zu Grunde legen müssen die Werkstatt und die Meister⸗ lehre; darüber sind wir uns alle einig. Dazu tritt ergänzend die Fortbildungsschule, die im wesentlichen solche Dinge bringen und lehren soll, die in der Meisterlehre dem Zögling nicht beigebracht werden können, namentlich auf dem Gebiete der theoretischen Aus⸗ bildung für die Zwecke einer gewerblichen Tätigkeit. An die Fort⸗ bildungsschulen schließen sich dann ergänjend an die mancherlei Arten von Handwerkerschulen und Fachschulen, die eine spezielle Verboll⸗ kommnung für die einzelnen Gewerbe geben. Und dazu müssen nach meiner Auffassung treten die großen und die kleinen Meisterkurse; und gerade der Entwicklung dieser Meisterkurse lege ich eine außer⸗ ordentliche Bedeutung bei. (Abg. Dr. von Böttinger: Sehr richtig!)

Ob die Meisterkurse nur den Meistern oder auch überwiegend den Gesellen zu gute kommen, die ihre Meisterprüfung machen wollen, das ist mir ziemlich gleichgültig. Worauf es mir ankommt, ist, daß der Gewerbetreibende, der sich über dag Durchschnitttmaß entwickeln und bilden will, die Möglichkeit dazu hat; (sehr richtig! bei den Freikons.) und ich sehe in den großen Meisterkursen eine Art Kriegsakademie für erprobte Handwerker mögen sie nun Gesellen oder mögen sie Meister sein —, die mit dem, was sie bisher praktisch erfahren und gelernt haben, sich nicht genügen lassen wollen, sondern ihr Können noch auf ein höheres Niveau bringen wollen.

Wenn wir in dieser Weise das System unserer gewerblichen Schulen gliedern, dann werden wir nach meiner Ansicht ein gutes Stück Mittel standspolitik mit Erfolg betreiben. (Sehr richtig! und Bravo! rechts.) Und nun noch ein kurzes Wort über die Bedeutung des Fortbildungischulwesens im allgemeinen.

Die Bedeutung dieser Schulen liegt nach meiner Ansicht nicht bloß auf dem Gebiet der Förderung des gewerblichen Könnens des Mittelstandes, sondern sie geht weiter. Denn die Fortbildungsschüler müssen sich immer mehr zu einem integrierenden Teil unserer Volkerziehung überhaupt entwickeln. (Abg. Metger: Sehr richtig) Diese Er- ziehung darf sich nicht beschränken auf elne Vertiefung und Ver mehrung des Stoffes, den der gewerbliche Arbeiter in der Volksschule in sich aufgenommen hat hier darf bloß elne gewisse bessernde Hand angelegt werden, hier muß ergänzt werden, hier kann das Ver⸗

stãndnis fur das Gelernte gehoben werden. Die Hauptsache ist nicht

die Vermehrung des Wissens, sondern die Erztehung zum Können, zur Freude am Schaffen und zum Verständnis für den Wert eines wohl regierten Staats, dessen Einrichtungen einem jeden die freie Betätigung seines Könnens gewährleisten. Dieses Ziel aber ist nur zu erreichen, wenn der Unterricht sich aufbaut auf die tägliche Arbeit des Berufg. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, auf diesem Gebiete zu arbeiten ist nach meiner Ansicht ein außerordentlich wichtiges Stück der Sozialpolitik. (Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch: Sehr richtig) Es ist das⸗ jenige Stück der Sozialpolitik, das in meinem Ressort liegt, und Sie können versichert sein, meine Herren, daß ich alles daran setzen werde, auf diesem Gebiete die gesteckten Ziele zu erreichen. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Abg. Hammer (kons): Dem Antrage Trimborn stehen meine

. sympathisch gegenuͤber. Zweifelhaft ist uns aber, ob der ntrag zur Kompetenz des Landtags oder nicht vielmehr in den Reichstag gehört. Aber er ist an sich so wichtig, wir die Ueberweisung des Antrags an die Handels. un Gewerbekommission beantragen. Die Mittelstandsfragen werden von uns unter den Grundsätzen betrachtet, daß eine besonnene Gesetzgebung J. in Hand mit Selbsthilfe und Mitwirkung des Staats geben muß.

er Abg. Trimborn sagte gestern, daß ohne Zentrum keine gute Mittelstandspolitik zu machen sei. Die Abstimmungen im Reichstag werden ja beweisen, ob er damit recht hat, oder ob die National. Üiberalen an die Stelle getreten sind. 3. Trimborn sagte, die selb= ständigen Gewerbetreibenden sollten bel der Versicherungsgesetzgebung nicht wieder den Anschluß versäumen; wir werden ihm seinerzeit im Reichstage diesen Wechsel präsentieren. Wenn von dem F 153 der Gewerbeordnung schärfer Gebrauch gemacht würde, würde man ch mehr vor dem Terrorismus hüten. Durch die Warenhaus—˖ teuer wollen wir auch den Mittelstand schützen; wir werden damit wiederkommen. Wir hatten ferner einen Antrag in bejug auf Feuer⸗ gefährlichkeit der Warenbäuser gestellt, der Antrag war der Kom— mission überwiesen, die Regierung hat elne Enquete ver— anstaltet. Wir bitten die Regierung, Mitteilung von den Ergebnissen ju machen, damit wir auf Grund derselben neue Schritte beantragen können. Die Besteuerung der Konfumvereine haben wir im vorigen Jahre gleichfalls beantragt, die Sache ist aber im Hause ins Wasser gefallen; wir baben dabei einen nationalliberalen Antrag aus der Taufe gehoben, heute aber wird kein nationalliberaler Herr den Antrag wieder unterschrelben, und ich bin jetzt der Adoptivpater des ngtlonalliberalen Antrags geworden.

enn wir die Beamten auskömmlich besolden, muß auch den Beamten ihr Ehrgefühl gebieten, für diesen Schutz des Mittel standes durch Besteuerung der Konsumpereine zu sein. In bezug auf das , n, . haben wir in J schweren Kommissionssitzungen an dem hierauf bezüglichen Gesetzesvorschlag mitgewirkt, und die nn Bestimmungen waren unsere Anträge. 2. Desterreich werden die Genossenschaften mit großem Erfolge an den staatlichen Lieferungen, z. Be, für das Landegverteidigungsministerium beteiligt. Die Anregung, daß die Gemeinden den Handwerkern Maschinen liefern sollten, wird nur in sehr wenigen Fällen befolgt; die Betriebgkraft ist immer noch zu teuer für die Handwerker. k , sind sehr wohl vorhanden, und sie sind auch marschfertig. Wenn allerdings die An= sichten des Dezernenten im Finanzministerium, Geheimen Rats Hugenberg, die er in einer Broschüre niedergelegt hat, Geltung erhalten sollten, würden alle unsere jahrelangen Arbeiten für das Genossenschaftswesen überflüssig. Wir sind dem e, n, w sehr dankbar, daß er einen Fonds zur . des Ie, e , , . in den Etat eingestellt hat, aber

eheimer Rat Hugenberg spricht in seiner Broschüre aus, daß die Hand⸗ werkerkreditgenossenschaften , ,. Monstra und nicht arbeitsfähig seien. Es bestehen aber bereits 380 solche gewerbliche Genossenschaften. In einigen Fällen, wo Fehler in der Ver a tung waren, haben wir durch staatliche Revisoren Besserung geschaffen. Wir sind dem Minister für diese Hilfe außerordentlich dankbar. Die gin nn r m , sind n, vorbildlich. Wir danken aller⸗ dings Schulje-Delitzsch und Raiffeisen die Anregung zu den Genossen— schaften, aber wir geben jetzt einen anderen Weg. Unsere kleinen Gewerbetreibenden in Berlin sind für die Warenhaussteuer eingetreten, machen aber auch von der Selbsthilfe umfassenden Gebrauch. Der Redner schildert im einzelnen die lebhafte Entwicklung, die das Genossenschafts. wesen der kleinen Gewerbetreibenden in Berlin nahm. Allein 133 000 kleine Gewerbetreibende seien in Berlin in Genossenschaften organisiert. Wo wären diese geblieben ohne den Zusammenschluß! Die Schulze— Delitzschschen Genossenschaften hätten früher die Leute davon ab— geschreckt. Deshalb habe der Staat mit seiner Hilfe eingegriffen, und es seien die neuen Genossenschaften gegründet worden. (Zwischen⸗ ruf des Abg. Dr. Crüger.) Herr Abg. Crüger sollte sich einmal ansehen, was für große Erfolge mit den 240 000 M vom Staate erzielt selen. Der Redner legt eingehend das System und die Vorteile des Genossenschaftssystems dar, an dessen Spitze er steht, und hebt besonders die Rabattsparvereine hervor, während anderseits z. B. in Berlin wilde Rabattsparvereine beständen, bei denen oft die armen Frauen ihre Einlagen verloren hätten, z. B. 38 000 M bei einem Verein in Berlin u Weihnachten. Von der Errichtung des Landesgewerbe— amts ist der Redner einigermaßen enttäuscht worden. In Württem⸗ berg habe er vor Jahren als junger Mensch in einem Alter, wo man kein Geld übrig habe, so vortreffliche Arbeitsvermittlung efunden, daß er noch heute nach 25 Jahren den Württembergern , Dank dafür sage. Das Landesgewerbeamt müsse weiter ausgebaut werden, damit wir wenigsteng auf dieselbe Höhe wie Oesterreich kämen. Selbst die Republik Frankreich habe in dleser Hinsicht Einrichtungen getroffen, die nachahmenswert seien. Die französische Regierung habe sich den Kuckuck um die Selbstverwaltung gekümmert und z. B. bezüglich der Submissionen eine Verfügung erlassen und einfach an— geordnet, daß die Städte und Gemeinden das abzumachen hätten. Abg. Brütt (frkons.): Während der Eiszeit haben die Fähren des Kaiser⸗Wilhelm Kanals teils tagelang versagt, teils sind sie nur zeit⸗ weilig im Betrieb gewesen. Die Passanten mußten bis zu zwei Stunden und darüber vor der Fähre warten, ehe sie befördert wurden. ußgänger wurden hin und wieder in Booten befördert und sind bis zu einer Stunde im Treibeis stecken geblieben, obwohl die Wasserfläche des Kaiser Wilhelm ⸗Kanals nur 60 m breit ist. Diese Zustände sind eine unerträgliche Belastung der betroffenen Gebtetsteile zu Gunsten des Reichsfiskus. Hoffentlich wird das Reich, wenn der Reichstag die Mittel zur Verbreiterung des Kaiser⸗Wilhelm⸗Kanals bewilligt, sich willfährig zeigen und frühere Unterlassungen zu vermeiden und bestehende wieder gut zu machen suchen. Vielleicht würde es auch förderlich sein, daß die preußische Gesetzgebung in dieser Beziehung Sicherheit schafft. Denn niemals darf dag Reich den Schein auf sich laden, als ob es nach dem Grund⸗ satz handele: Fort, hier will ich sein!

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Ich nehme an, daß ich über die Fragen, die der Herr Abg. Hammer angeregt hat, morgen nechmals Gelegenheit haben werde zu sprechen; ich möchte daher jetzt nicht darauf eingehen. Ich wollte aber die Frage Brütt erledigen, damit sie aus der Welt ist.

So kann eg einem ergehen! Ich bin nach dem Nord ⸗Ostseekanal hingefahren, habe mich dort einen Tag aufgehalten, mich über die Verhältnisse informiert und die erforderlichen Anordnungen getroffen. In diesem Fall schrieb mir mein Herr Referent auf: hier wird wohl nichts zu monieren sein; es wird Euer Exzellenz diesmal lediglich ein Dank votiert werden. Statt dessen habe ich wieder den berbsten Tadel von dem Herrn Abg. Brütt erfahren für dag, was gescheben oder nicht geschehen ist. (Heiterkeit. Meine Herren, die Verhältnisse

liegen so. Der Kanal ist gebaut, und zwar im öffentlichen Interesse gebaut. Es liegt in der Natur der Dinge, daß der Kanal und sein Betrieb einen schweren Eingrlff in die bestehenden Verkehrsverhältnisse zu Lande im Gefolge gehabt hat, es ist aber auf der anderen Seite selbst⸗ verständlich, daß diese Schwierigkeiten auf das äußerst geringfte Maß herabgedrückt werden müssen. Nachdem ich mir die Sache an Ort und Stelle angesehen habe, batte ich mich überzeugt, daß die Kanal verwaltung, wenn sie den überlieferten Verkehrsverbältnissen Rechnung tragen will, mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen hat, habe aber schließlich doch erreicht, daß eine Verfügung erlassen ist, die, wenn sie voll jur Durchführung kommt, im großen und ganjen den Beschwerden über das Sperren der Brücken usw. abjuhelfen geeignet sein dürfte. Die Verfügung hat noch nicht voll in Kraft gesetzt werden können, weil dazu noch die Beschaffung neuer Signale und anderer Einrichtungen erforderlich ist. Es ist also von seiten meines Ministeriums alles geschehen, was überhaupt geschehen konnte, um den Wünschen des Herrn Abg. Brütt zu entsprechen. Ich darf vielleicht die Verfügung, die auf meine Veranlassung erlassen ist, vorlesen:

Zur Erleichterung des Landverkehrs über die Straßendrebbrücke bei Rendsburg wird probeweise folgendes bestimmt:

1) Die Maximaljeit der Offenbaltung der Brücke für den Schiffsverkehr darf 20 Minuten vom Abschluß des Landverkehrs an gerechnet nicht überschreiten, sofern sich eine größere Anjabl von ar oder Passanten während der Offenbaltung gesammelt haben ollte.

Es war ein Wunsch, und jwar eia berechtigter Wunsch der Inter— essenten, daß sie mit einer gewiffen Maximaljeit rechnen konnten, während der die Brücke abgesperrt ird. Diesem Wunsche ist durch die neue Verordnung entsprochen worden, soweit es möglich war. Gewisse Ausnahmen sind nicht ju umgehen. Es ist dann ferner verordnet:

2) Zu diesem Zweck hat das Brückenpersonal, nachdem 15 Mi⸗ nuten nach Abschluß des Landverkebres verflossen sind, die Vorsignal⸗ wärter durch Fernspruch ju benachrichtigen, daß die Brücke ge⸗ schlossen wird, worauf die Vorsignalstationen bei Tage einen Ball, bei Nacht ein rotes Licht ju setzen haben. Die Vorsignalwaͤrter haben die Brücke zu benachrichtigen, sowie das Signal steht, sofern die Sichtigkeit der Luft Zweifel entstehen läßt, ob es von der Brücke aus direkt geseben werden kann.

3) Die Schiffe beim. Schleprjüge, die vor dem Setzen des Signals die Vorsignalstatien brückenwärts passiert haben, dürfen ihre Fahrt fortsetzen, wäbrend die andern Schiffe ꝛé. sich mit ihrer Fahrt auf die geschlossene Brücke einrichten müssen.

4) Die Straßendrebbrücke ist für derart wartende Schiffe ꝛe. nach 5 Minuten von der Freigabe der Brücke für den Landverkehr ab⸗ gerechnet, wieder zu öffnen. Die Freigabe für die Schiffahrt erfolgt durch Niederholen der Signale auf den Vorsignalstationen, was aber nie ohne ausdrückliche Anweisung von seiten des Brückenpersonals erfolgen darf.

5) Lassen die Witterungsverhältnisse, Größe, Steuerfähigkeit oder Art der Belastung der Dampfer und Schleppzüge ein Ab— stoppen vor der Straßendrehbrücke als bedenklich erscheinen, so hat einerseits das Brückenpersonal selbst, soweit es, wie z. B. bei stür⸗ mischem Seitenwind, die Sachlage selbst übersehen kann, diesen Um⸗ ständen Rechnung zu tragen, andererseits haben die Lotsen der betreffenden Schiffe bejw. die Schiffsführer der Schleppjüge dag Warnungesignal Nr. 54 mit der Dampspfeife und zwar spätesteng quer ab von der Vorsignalstation zu geben, dessen Abgabe dann sofort durch den Wärter nach der Brücke zu übermitteln ist; diese muß dann, ohne jede Rücksicht auf den Landverkehr, offen ge—⸗ halten werden.

Es ist dann noch die Bestimmung erlassen, daß Linienschiffe und große Kreuzer stets durchzulassen sind.

Meine Herren, Sie werden sich vielleicht wundern, weshalb ich Ihnen diese lange Verfügung vorgelesen habe. Ich habe es getan, damit Sie daraus ersehen wollen, wie schwer es für den Kanalverkehr ist, sich den Wünschen der Interessenten vom Lande jzu fügen. Es ist außerordentlich schwer, Schleppzüge, die einmal im Betrieb sind, ab⸗— zuftoppen; es ist sehr schwer, große Schiffe bei starkem Winde in schwacher Fahrt unter Steuer zu halten. Das sind alles Momente, die berücksichtigt werden müssen. Es ist unter solchen Umständen notwendig, daß durch ein kompliziertes Signalsystem verhlndert wird, daß mehr Schiffe, als in einer bestimmten Frist die Brücke passieren können, in Fahrt an die Brücke herankommen. Die Schiffe müssen also weiter zurück festgehalten werden; wenn sie erst im Zuge sind, können sie nicht vor der Brücke ohne weiteres und namentlich nicht bei allen Witterungsverhältnissen zum Stoppen gebracht werden.

Was Herr Abg. Brütt aber gewünscht hat, und was ich unter allen Umständen als berechtigt anerkennen muß, nämlich, daß die Sperrung der Brücke nicht ins Ungemessene ausgedebnt werden kann, daß die Interessenten darauf rechnen können, daß unter normalen Verhältnissen eine bestimmte Zeit der Sperrung nicht überschritten werden wird, das ist durch die Anordnung, die erlassen ist, erreicht.

Im übrigen darf ich Herrn Abg. Brütt darauf aufmerksam machen, daß die Frage der Fähren nicht zu meinem Ressort gehört.

Abg. Trimborn (Sentr.): Der Abg. Münsterberg hat gegen die Anregung des kleinen Befähigungsnachweises für die Kaufleute nur das angeführt, was seinerzeit gegen den kleinen Befähigungsnachweis für das Handwerk gesagt wurde und sich schließlich doch als hin⸗ fällig erwiesen hat. Auch die Bedenken gegen die Ausdehnung auf das Handelsgewerbe werden mit der Zeit überwunden werden. Man hat sich eben gesagt, die Heranbildung des Nachwuchses für den volkswirtschaftlich so wichtigen Mittelstand sei eine öffentliche Funktion; und das trifft auch für das Handelsgewerbe zu. Gerade. zu dem praktischen Sinn der Kaufleute habe ich das Ver⸗ trauen, daß sie sich damit befreunden werden. Bei der Einrichtung von Prüfungsausschüssen handelt es sich nicht um einen Prüfungs⸗ zwang, sondern nur um eine Stelle, wo der Lehrling den wenigstens relativ unanfechtbaren Beweis erbringen kann, daß er eine ordent⸗ liche Lehrzeit durchgemacht hat. Ist es angebracht, ihnen diesen Weg zu versperren? Nichts ist weniger zünftlerisch als dies. Wenn Sie meinen Antrag einige Wochen lang erwogen baben, verständigen wir uns vielleicht darüber. Der Minister ist gegen die Detaillistenkammern, aber es hat sich eben eine Verschiedenheit der Interessen des Groß— handels, der sich bis zu den überseeischen Ländern erstreckt, und des kleinen Handels, der mehr lokale Bedeutung hat, berausgebildet. Jetzt wird die Ansicht der kleinen Händler in der Handelskammer educkt. Mein Antrag ist durchaus fortschrittlich, ich bin diel fort⸗ chrittlicher als manche, die sich so nennen. Herr don Jedlitz bat beute eine Rede gehalten, die ihm an anderer Stelle zu balten verwehrt ist, nachdem für seine Person eine Wabl nicht nach seinem Wunsch ausgefallen ist. Herr Gamp bat gestern im Reichstage

einen ganz anderen Ton angeschlagen. Was soll aus dem Block werden, wenn schon die einzelnen Blockteile in sich nicht zu— sammenhalten? Herr von Zedlitz sagt, das Reichsamt des Innern tanze nach der Pfeife des Jentrums. Wenn es doch so wäre! Wieviel Aerger könnte ich dann Herrn von Zedlitz noch bereiten! Leider finden wir aber mit unseren sozialpolitischen Anträgen keinen Beifall beim Reichsamt des Innern, und wir müssen deshalb immer wieder damit kommen. Herr von Zedlitz machte mir den Eindruck, als ob es sich um einen weiteren Vorstoß gegen den Grafen Posadowsky handelte. Schon vor den Wahlen hat er ja in verschiedenen Blättern, speziell im Lokalanzeiger, ähnliche Töne angeschlagen, und dieser neue Vorftoß gegen den Grafen Posadowsky bedeutet nichts anderes als eine Verurteilung der bisherigen Sozialpolitik der verbündeten Re⸗ gierungen. Im Reichstag lautet die neueste Blockmelodie ganz anders, auf die Herr von Zedlitz noch nicht einstudiert zu sein scheint, da heißt es: Fortführung der Sozialpalitik. Die Thronrede und Herr Basser⸗ mann haben dies feierlichst verkündigt und sich von allen scharf⸗ macherischen Maßregeln losgesagt, das heißt Abschwörung des Geistes von Zedlitz⸗Neukirch. Hier dagegen tritt der Scharfmacherblock in die Erscheinung. Wer ist nun bei der Wahrheit, wer ist im Irrtum, wer ist der richtige Herold, Herr Bassermann oder Herr von Zedlitz? Der Vorstoß des Herrn von Zedlitz bot ein glänzendes Schlaglicht, ich ratuliere Ihnen, Herr von Zedlitz, zu dieser meisterhaften taktischen Leistung. Keine Partei hat die Sozialdemokratie bisher so energisch und wirksam bekämpft wie die unserige. In unseren Wahlkreisen hat die Sozialdemokratie bei weitem nicht die Bedeutung, wie in den Ihrigen. Diese Tatsache ist von einer internationalen Notorietät. Wer hat die Möglichkeit der Bekämpfung der Sozialdemokratie ge⸗ scaffen? Aus unseren Reihen ist der Kampf hervorgegangen. Der Volksverein für das katholische Deutschland mit seinen 550 000 Mitgliedern hat dahin gewirkt. Das haben liberale, konservative, demokratische und sozialdemokratische hervorragende Männer anerkannt, daß dieser Verein Mustergültiges in der Bekämpfung der Sozialdemokratie geleistet hat. Der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie ist nur eine schwache Nachahmung unserer Organisation. Wir waren die Schrittmacher in der Bekämpfung der Sozialdemokratie. Nun sollen wir die Schrittmacher der Sozial⸗ demokratie sein. Herr Bebel hat uns als Todfeind der Sozialdemokratie bezeichnet. Herr Bebel weiß das ganz genau. Wir haben nicht die Kluft wir Arbeitgebern und Arbeitnehmern vertieft, sondern gerade Organisationen zu schaffen gesucht, um den Frieden zwischen ihnen zu fördern, wie die Arbeiterausschüsse, Gewerbe⸗ und Kaufmannggerichte usw, die sich als neutraler Boden bewährt haben. Wir haben nicht die Sozialdemokratie durch die Annahme der Krankenkassennovelle von 1903 gefördert; wer das behauptet, nimmt die Dinge etwas sehr leicht. Seine Majestät der Kaiser hat gesagt, daß die Bekämpfung der Sozialdemokratie uns nicht abhalten dürfe, den Arbeitern zu geben, was ihnen gebührt, und das wollen wir auch. Daß durch unsere Bekämpfung die Sozialdemokratie nicht vermehrt wird, zeigen gerade die letzten Wahlen. Gerade der Hinweis auf unsere positiven Erfolge für die Arbeiterschaft hat die Sozialdemokratie wesentlich geschwächt. Meine Ansicht über die zu scharfe Auslegung des § 153 der d wird zweifellos von einer ganzen Reihe von Herren im Hause vertreten. Ein liberaler Professor hat gesagt, daß diese Rechtsprechung den Eindruck der Klassenjustiz mache. Ich muß solche Angriffe des Herrn von Zedlitz als unbegründet zurückweisen. Herr von Zedlitz behauptet, wir trieben nur Wahlpolitik. Es ist nicht parlamentarische Uebung, jemandem Motive unterzuschieben, zu denen er sich nicht bekannt hat; so sollte man es auch unter den ganzen Parteien halten, das kann nur zum Ansehen des Hauses beitragen. Ueber solche Verdächtigungen sind wir durch unsere 15 jährige soztal⸗ politische Tätigkeit erhaben. Die Initiativanträge der Reichspartei sind um großen Teil von den unserigen abgeschrieben. Der Vorwurf der Wahlpolitik würde also ebenso wie uns auch den Abschreiber treffen. Nicht abgeschrieben ist der Antrag der Reichspartet, die Altersgrenze der Versicherung auf 65 Jahre herabzusetzen, aber dieser Antrag ist von allen anderen Parteien längst abgetan. Unsere sozial— politischen Anträge werden eher Gesetz als dieser Antrag. Herr von Zedlitz will unter meinen Anregungen Spreu und Weizen scheiden; ja, Herr von Zedlitz, wo ist denn Ihr Wetzen? Den Antrag auf reichsgesetzliche Regelung des Bergrechts haben wir nicht erst jetzt, sondern schon früher eingebracht. Wir haben immer den größten Wert darauf gelegt, das Bergrecht reichsgesetzlich zu regeln; das haben wir uns schon bei der Novelle in diesem Jahre ausdrücklich vorbehalten. Herr von Zedlitz hätte sich vorher besser in— formieren sollen. Diese Pflicht hat er nicht erfüllt, ich weise daher seinen Vorwurf der Illoyalität mit aller Entschiedenheit zurück was hiermit geschieht. Wir haben unsere sozialpolitischen Anträge bier stets sachlich vertreten, und sie haben hier immer sympathische Aufnahme gefunden. Aus unserer ruhigen, sachlichen Politik lassen wir uns am allerwenigsten durch Herrn von Zedlitz herausbringen. Seine Rede war nicht sachlich, sie verrät etwas vom Geist des Uebermuts, den er uns vorwirft. In seinem Freudentaumel hat er vergessen, daß, wenn die ganze Situation sich geändert hat, wir auf dem Gebiete der Sozialpolitik doch unsere Stellung behaupten. Wäre Herr von Zedlitz auf diesem Gebiete besser informiert, so hätte er seinem Uebermut Zügel angelegt. Wir sind nicht übermütig und waren es nie, aber wir sind eine selbstbewußte Partei. Wir waren selbstbewußt mitten im Kulturkampf, auch als wir nach allen Richtungen den Ausschlag gaben, und selbstbewußt sind wir auch in der jetzigen Situation, um so mehr, als wir uns in der Sozialpolitik bewußt sind, daß wir auf dem Boden echt christlicher Anschauung stehen und tiefe Wurzeln im Volke haben, und selbstbewußt sind wir, weil wir noch jetzt einen großen Sturm siegreich bestanden haben. Unser Selbstbewußtsein werden Sie, Herr von Zedlitz, durch Ihre wenig geschickten und wenig liebenswürdigen Angriffe nicht erschüttern.

Abg. Dr. von Boettinger (nl: Wi Antrag Trimborn erst im Laufe der Sitzune sonst hätte ihn der Abg. Dr. Schroeder⸗Cass Ich ersuche meinerseits den Minister, nun mit der Rei eine Regelung unserer Handels beziebungen zu C damit wir aus der schweren Differenzierung unserer deut herauskommen, durch die unsere Waren mit einem 30 9 über den canadischen Zolltarif belegt sw englische Einfuhr in Canada einen Unterzoll von 30 C wir das Doppelte bejahlen. Dadurch kann unsere Indu⸗ Kundschaft ganz verlieren. leidet d und Seidenindustrie im Westen, in möchte bitten, möglichst bald auf hinzuwirken.

Abg. Oeser (frs. Volley): Es wir gabten Staatsmannes dazu nötig sei ausgesprochene Paarung des liberal durchzufübren. Wir werden uns f alles zjurückweisen, was mit ibm i die Frage der Mittelstandepolitik für verfehlt, die die Lebensmittelrreise bat behauptet, die Frankfurte Fleischteuerung auf sei Sta müssen, daß die seien, wie dies ergeben müssen mit ibren Preisen geben müssen, preise billiger werden. Darin liegt dock das Metzgergewerbe. Mittelstandẽrolttik mit ist sebr leicht, fie aber in die Wirklichkeit schwer, wie dieg der Minister aut gefũbrt Börsengesetzes ist auch eine Frage des Mittel sta Frage des Großkaxitals, das allerdtr Die Sondikatefrage ist sebr ich Koblenausfubr nach dem nachteiliger Wirkung gewesen.

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